Macher - WirtschaftsEcho
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<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Geld & Finanzen 14<br />
Tiefe Spuren in den Unternehmen<br />
hat die schwerste<br />
Wirtschaftskrise seit Bestehen<br />
der Bundesrepublik hinterlassen.<br />
Das Schlimmste scheint<br />
überstanden –aber für Entwarnung<br />
ist es nochzufrüh. Zwar<br />
kommen Firmen bei den<br />
Banken in Deutschland wieder<br />
einfacher an Geld. Zum dritten<br />
Mal in Folgeist die sogenannte<br />
Kredithürde für die gewerbliche<br />
Wirtschaftgesunken, wie<br />
das IfoInstitut für Wirtschaftsforschung<br />
mitgeteilt hat.<br />
Dennochkann es hier weiter<br />
Probleme geben, die einen<br />
nachhaltigen Aufschwung<br />
bremsen. In einigen Beiträgen<br />
beleuchten wir nachfolgend<br />
das Thema vor allem aus<br />
südhessischer Perspektive.<br />
Kreditversorgung<br />
für den Mittelstand<br />
istsichergestellt<br />
Sparkasse Darmstadt – Vorstandschef Georg Sellner sieht keine<br />
ungewöhnlichen Engpässe –„Partnerschaftliches Miteinander“<br />
GeorgSellner (57) arbeitet seit 25 Jahren<br />
als Sparkassenvorstand. Erst im Odenwald,<br />
seit rund sieben Jahren als Vorstandschef<br />
in Darmstadt. Darüber hinaus<br />
ist Sellner in diversen Funktionen des Verbandes<br />
tätig, beispielsweise als Landesobmann<br />
aller hessischen/thüringischen<br />
Sparkassenvorstände und stellvertretender<br />
Bundesobmann.<br />
Georg Sellner FOTOS: ALEXANDER HEIMANN<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Frühlingserwachen<br />
auch in der Konjunktur.<br />
Die Jobkrise ist bislang<br />
weitgehend ausgeblieben. Aber<br />
im südhessischen Mittelstand<br />
herrscht Unsicherheit und zum<br />
Teil Angst, dass das Geld zur Finanzierung<br />
des anziehenden Geschäftes<br />
2010 ausgeht. Ist das berechtigt?<br />
GEORG SELLNER: Die Einschätzung<br />
zur weiteren wirtschaftlichen<br />
Entwicklung ist sicher nicht<br />
ohne Grund von einer gewissen<br />
Skepsis geprägt. Der Mittelstand<br />
hat jedoch einen Vorteil gegenüber<br />
größeren Unternehmen: Er<br />
weiß, dass er in der Frage Kreditversorgung<br />
keine Probleme zu befürchten<br />
hat.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Das müssen<br />
Sie sagen. Ist dem wirklich so?<br />
SELLNER: Das ist meine feste<br />
Überzeugung. Denn der Mittelstand<br />
profitiert davon, dass er seine<br />
Kredite im Wesentlichen von<br />
den Sparkassen und Genossenschaftsbanken<br />
bekommt. Und die<br />
sind in jeder Beziehung leistungsfähig.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Andererseits<br />
kommen jetzt langsam die<br />
Bilanzen 2009 auf den Tisch, die<br />
bisweilen Zeugnisse des Schreckens<br />
sein dürften. Wie gehen die<br />
Institute dann mit solchen Firmen<br />
um bezüglich neuer Kredite?<br />
SELLNER: Es gibt ja ein differenziertes<br />
Bild auch in der Wirtschaft.<br />
Etwaein Drittel der Unternehmen<br />
ist kaum berührt vonder<br />
aktuellen Wirtschaftskrise.40bis<br />
45 Prozent sind von der Krise<br />
durch Umsatz- und Gewinneinbrüche<br />
stärker betroffen, werden<br />
die Krise aber aus eigener Kraft<br />
bewältigen. Und dann gibt es so<br />
etwa25Prozent, die sich schwertun.<br />
Es ist häufig produzierendes<br />
Gewerbe, meistens exportorientiert.<br />
Davon sechs Prozent sind<br />
akut gefährdet. So differenziert<br />
ist dann auch das Bild bei Kreditanfragen.<br />
Sparkassen und Volksbanken,<br />
die viele Jahre mit den<br />
Unternehmen partnerschaftlich<br />
verbunden sind, werden diese sicher<br />
nicht im Stich lassen, wenn<br />
die Bilanzen mal zwei Jahre<br />
schwächer sein sollten, die Perspektiven<br />
des Unternehmens<br />
aber gut sind.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Aber,dass<br />
sich gar nichts tut, ist doch unwahrscheinlich,<br />
oder?<br />
SELLNER: Man wird sicher genauer<br />
hinschauen, mehr Fragen<br />
stellen als in der Vergangenheit.<br />
Worauf ist die Verlustsituation<br />
konkret zurückzuführen? Was<br />
kann der Unternehmer selbst zur<br />
Verbesserung der Liquidität beitragen?<br />
Ist auf Basis einer realen<br />
Planung die Kapitaldienstfähigkeit<br />
in einem vertretbaren Zeitraum<br />
wieder zu erreichen? Sind<br />
die Produkte weiterhin wettbewerbsfähig?<br />
Wenn es nur annäherungsweise<br />
Chancen gibt, die Krise<br />
zu meistern, dann wird man<br />
einen solchen Kunden auch weiter<br />
begleiten.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Sie haben<br />
die Einschränkung gemacht,<br />
wenn es etwas schwächer laufen<br />
sollte.Was ist mit Firmen, die vom<br />
Markt eigentlich schon verabschiedet<br />
wurden, die Geschäftsführung<br />
das aber noch nicht bemerkt<br />
hat?<br />
SELLNER: Das gibt es ja in jeder<br />
Wirtschaftsphase, Einzelfallprobleme,die<br />
nicht lösbar sind. Wo ein<br />
Unternehmen keine Zukunft hat.<br />
Dies wird dann in der Krise<br />
schneller offenkundig. Wenn jemand<br />
vor der Wirtschaftskrise<br />
schon in seiner Existenz gefährdet<br />
war, wird esjetzt natürlich ganz<br />
schwierig.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Die deutschen<br />
Unternehmen sind international<br />
betrachtet vonder Eigenkapitalseite<br />
eher schwach positioniert.<br />
SELLNER: Das ist so. Die durchschnittliche<br />
Eigenkapitalquote<br />
liegt bei etwa 14Prozent. Das ist<br />
wenig, die Quote hatte sich 2008<br />
aber um knapp zwei Prozentpunkte<br />
verbessert.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Waswäre<br />
eine gute Quote?<br />
SELLNER: 20 bis 25 Prozent, das<br />
hängt aber auch von der Branche<br />
ab.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Wie steht<br />
es denn um die Kreditkonditionen,<br />
wenn einerseits das Ausfallrisiko<br />
der Bank steigt und auch deren Eigenkapitalanforderungen?<br />
SELLNER: Wir haben in der Konditionspolitik<br />
nur marginale risikoorientierte<br />
Anpassungen vorgenommen.<br />
Dies hat sicher auch etwas<br />
damit zu tun, dass wir als<br />
Sparkasse Darmstadt eine sehr<br />
gute Eigenkapitalausstattung und<br />
eine gute Refinanzierungsbasis<br />
über Kundeneinlagen haben.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Gibt es da<br />
breiten Konsens der sechs Südhessen-Sparkassen<br />
zum Procedere?<br />
SELLNER: Alle wissen um ihre<br />
Verantwortung für den Mittelstand,<br />
sind sehr solide unterwegs,<br />
so dass dies für alle gilt.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Wirdesin<br />
diesem Kontext eine Neuauflage<br />
der Mittelstandsoffensive geben?<br />
SELLNER: Wir haben uns vorwenigen<br />
Tagen darauf geeinigt. Und<br />
wir senden dabei auch das Signal<br />
aus, dass wir gemeinsam auch<br />
größere Kunden bedienen können.<br />
Dazu wurden konkrete Absprachen<br />
getroffen.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Bis zu<br />
welchen Volumina?<br />
SELLNER: Da sind auch 20 bis 30<br />
Millionen durchaus zu stemmen.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Woranvor<br />
allem drohen denn Kreditgespräche<br />
überhaupt zu scheitern? Was<br />
sind Kardinalfehler der Firmen?<br />
SELLNER: Der Grad der Transparenz<br />
muss in kniffligen Fällen natürlich<br />
entsprechend erhöht werden.<br />
Wegschauen oder Leugnen<br />
von Problemen und Vorlage von<br />
intransparenten, veralteten und<br />
nicht auswertbaren Unterlagen<br />
gefährden den Erfolg jedes Kreditgespräches.<br />
Kooperation und Be-<br />
reitschaft, eigenes finanzielles Risikoeinzugehen,<br />
sind vertrauensstiftend<br />
und positive Faktoren.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Haben Sie<br />
denn den Eindruck, dass es genügend<br />
nachhaltige Geschäftsmodelle<br />
gibt oder innovativeAnsätze<br />
auf der Produktseite? Dass die Unternehmen<br />
mehr zu bieten haben<br />
als früher?<br />
SELLNER: Vieles wird weiter extrapoliert.<br />
Das ist vielleicht gar<br />
nicht so falsch. Zukunftsstrategien<br />
sollten durchaus eng am<br />
Kerngeschäft dran bleiben. In prekärer<br />
Lage zu viel Kapital in problematischen<br />
Innovationen zu<br />
verbrauchen, ist nicht gut. Das<br />
Kerngeschäft muss man erst mal<br />
optimieren. Darauf aufbauend<br />
müssen die nächsten Schritte folgen.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Andersherum:<br />
War die Krise insofern<br />
fruchtbar, als Schwachpunkte rascher<br />
und schonungsloser offengelegt<br />
wurden?<br />
SELLNER: Das sehe ich anders.<br />
Auf solche extremen Entwicklungen<br />
kann sich ein Unternehmen<br />
nur schwer einstellen. Substanz,<br />
Eigenkapital in guten Phasen aufzubauen,<br />
das ist von großer Bedeutung.<br />
Eigenkapital ist nicht<br />
nur bei Banken wichtig, sondern<br />
auch bei mittelständischen Unternehmen.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Neben<br />
dem klassischen Kredit gibt es ja<br />
auch Mittel der KfW, die aber offenbar<br />
von den Sparkassen mit<br />
spitzen Fingern angefasst werden,<br />
weil man wenig daran verdient.<br />
Ist dem noch so?<br />
SELLNER: Es gibt da bei uns überhaupt<br />
keine Vorbehalte. Die Risikotoleranz<br />
der KfW ist zum Teil<br />
geringer als die der Sparkassen.<br />
Die Möglichkeiten, über KfW-Mittel<br />
ein Unternehmen zu stabilisieren,<br />
werden von uns voll ausgeschöpft.<br />
Wir haben deutlich über<br />
100Millionen solcher Mittel in der<br />
Bilanz stehen. Ein Mittelständler<br />
aber braucht stets eine mittelständische<br />
lokale Bank als Hauptbankverbindung.<br />
Das ist die beste<br />
Grundlage für eine langfristig sichere<br />
Finanzierung.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Andere<br />
Finanzierungen wie etwaein Börsengang<br />
sind also keine echten Alternativen?<br />
SELLNER: Das ist eine Nische,<br />
wie man auch in Südhessen sieht,<br />
abgesehen von der Phase des<br />
Neuen Marktes. Für die meisten<br />
ist das keine wirkliche Option.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Angeblich<br />
tickt eine Zeitbombe bei Mezzaninen-Programmen,<br />
also einer Mischung<br />
aus Fremd- und Eigenkapital.<br />
Haben Sie diese Befürchtung<br />
auch?<br />
SELLNER: Das wirdsosein. Wenn<br />
die Fälligkeiten kommen bei zugleich<br />
schlechteren Bilanzen kann<br />
das ganz schnell zu einem Problem<br />
werden. Ohne stabile Hausbankverbindung<br />
kann ein Unternehmen<br />
dann sehr schnell in größere<br />
Schwierigkeiten kommen.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Haben Sie<br />
solche Kandidaten im Haus?<br />
SELLNER: Mir ist kein konkreter<br />
Fall bekannt.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Wie viele<br />
Gewerbekunden haben Sie, wie<br />
viele Unternehmenskredite ausgegeben?<br />
SELLNER: Wir haben knapp 1,5<br />
Milliarden Kredite an Unternehmen<br />
zugesagt, davonsind aktuell<br />
1,25 Milliarden in Anspruch genommen.<br />
Und das bei insgesamt<br />
etwa15000 Gewerbekunden.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Das böse<br />
Wort vonder Kreditklemme –alle<br />
reden über sie,aber keiner hat sie<br />
gesehen, ähnlich wie das Ungeheuer<br />
vonLoch Ness –ist also für<br />
Südhessen nicht wirklich ein Thema?<br />
SELLNER: Das wird deutlich<br />
überstrapaziert. Es gibt jedoch<br />
Unternehmen, die noch nicht kapitalmarktfähig<br />
sind, aber auf größereKredite<br />
der Geschäftsbanken<br />
angewiesen sind. Für die mag es<br />
ein solches Problem geben. Denn<br />
diese Banken haben sich wegen<br />
dünner Eigenkapitaldeckeund erhöhter<br />
Risiken teilweise aus diesem<br />
Geschäft zurückgezogen. Die<br />
Politik sollte hier zum Beispiel<br />
über die KfW die staatlichen Unterstützungsmöglichkeiten<br />
klar<br />
auf die Unternehmen direkt ausrichten<br />
und nicht weitere Bankenhilfen<br />
organisieren.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Sie denkenanCommerzbank/Dresdner?<br />
SELLNER: Zum Beispiel. Vonkeiner<br />
der früheren Mittelstandsbankenist<br />
mehr viel geblieben.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: Aber<br />
spuckt nicht auch Ihnen und den<br />
Genossenschaftsbanken Berlin<br />
jetzt in die Suppe mit der Bankenabgabe?<br />
Wird das unmittelbar<br />
Auswirkungen zeitigen auf Ihre<br />
Kreditvergabe?<br />
SELLNER: Das Problem in der Finanzindustrie<br />
wirddamit nicht gelöst.<br />
Die richtige Schlussfolgerung<br />
aus der Finanzkrise wäre es doch,<br />
diejenigen stärker zu belasten und<br />
zu regulieren, die risikoreiche internationale<br />
Finanzgeschäfte machen<br />
oder wegen ihrer Größe für<br />
die ganze Volkswirtschaft ein Systemrisiko<br />
darstellen. Das sind weder<br />
die Sparkassen noch die Genossenschaftsbanken.<br />
Selbst mit<br />
einer Bankenabgabe wird esfür<br />
unser Haus aber zu keiner veränderten<br />
Kreditpolitik kommen; für<br />
andereschließe ich dies allerdings<br />
nicht aus.<br />
WIRTSCHAFTSECHO: 2010 wird<br />
also eine solide Geschichte. Oder<br />
lauert noch Risikopotenzial?<br />
SELLNER: In Südhessen kann ich<br />
kein Damoklesschwert erkennen,<br />
das 2010 über uns schwebt. Wir<br />
selbst sind optimistisch, werden<br />
auf keinen Fall in eine Situation<br />
kommen, in der wir unserer Verantwortung<br />
für den Mittelstand<br />
nicht gerecht werden können.<br />
Das Interviewführte<br />
Achim Preu