Macher - WirtschaftsEcho
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<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 Geld & Finanzen 20<br />
Istmein Unternehmen<br />
reif für die Börse?<br />
Kapital durch Aktienausgabe –<br />
Stephan Mahn, Vorstandsmitglied<br />
Blättchen &<br />
Partner AG aus<br />
Leonberg zu<br />
Aspekten eines<br />
Going Public<br />
FOTO: FOTOLIA<br />
Über Jahre und Jahrzehnte hieß es,<br />
dass Deutschland mit seiner geringen<br />
Wohneigentumsquote international<br />
einen riesigen Nachholbedarf habe.<br />
Während in vielen anderen europäischen<br />
Ländern 60 bis 80 Prozent der<br />
Haushalte in den eigenen vier Wänden<br />
wohnen, dürften es in Deutschland nur<br />
gut 40 Prozent sein und in den Großstädten<br />
sogar noch deutlich weniger.<br />
Das war auch einer der Gründe, weshalb<br />
über Jahreund Jahrzehnte das Ansparen<br />
und Errichten eines eigenen<br />
Häuschens mit den unterschiedlichsten<br />
Maßnahmen vom Staat gefördert wurde.Ok,<br />
die Eigenheimzulage ist Anfang<br />
2006 ausgelaufen, aber immerhin gibt<br />
es jetzt den sogenannten Wohn-Riester.<br />
VON STEPHAN MAHN<br />
Nach einer krisenbedingten<br />
Pause kamen zuletzt endlich<br />
wieder einige deutsche<br />
Unternehmen an die Börse.<br />
Mit diesen Börsengängen (oder<br />
IPOs, „Initial Public Offerings“)<br />
könnte die seit 2008 andauernde<br />
weitgehende Emissionsflaute am<br />
deutschen Eigenkapitalmarkt zu<br />
Ende gehen. Bei den Kandidaten<br />
handelt es sich um große Mittelständler<br />
aus dem Mehrheitsbesitz<br />
von Beteiligungsgesellschaften,<br />
die Umsatzerlöse in einer Größenordnung<br />
von wenigstens mehrerenhundert<br />
Millionen Euroerwirtschaften<br />
und an der Börse einen<br />
Betrag im dreistelligen Millionenbereich<br />
bewegen beziehungsweise<br />
hereinholen wollen.<br />
Sind diese Bemühungen von<br />
Erfolg gekrönt, dann steht die Tür<br />
zum Kapitalmarkt nach Meinung<br />
vonIPO-Beratern auch wieder für<br />
viele andere Unternehmen, auch<br />
wieder kleinere, offen. Doch für<br />
wen kommt dieser Schritt wirklich<br />
in Betracht? Welcher Mittelständler<br />
ist reif für die Börse oder<br />
kann sich in relativ kurzer Zeit reif<br />
machen? Neben formalen Kriterien<br />
wie der Rechtsform und inhalt-<br />
In der letzten Zeit mehren sich hingegen<br />
die Stimmen, die im Verhalten<br />
der Deutschen international eine Vorreiterfunktion<br />
sehen. Die Argumentationsketten<br />
laufen dabei auf verschiedenen<br />
Bahnen. So meint Florian Lanz,<br />
Vorstandsvorsitzender der Estavis AG<br />
in Berlin, dass bei einem Eigenheim<br />
nicht von einer guten Kapitalanlage<br />
und einer zweckmäßigen Altersvorsorge<br />
geredet werden könne. Denn dabei<br />
werde infataler Weise das wichtigste<br />
Auswahlkriterium einer Immobilie,die<br />
Standortwahl, verletzt. Zum einen werde<br />
aus Kostengründen oft am Stadtrand<br />
gebaut, zum anderen werdeder Makrostandort<br />
nach dem Sitz des aktuellen<br />
Arbeitgebers ausgewählt. Das binde<br />
lichen Fragestellungen wie der Attraktivität<br />
der Branche und des<br />
Unternehmens für Investoren<br />
spielt immer wieder die Frage<br />
nach der „kritischen Unternehmensgröße“<br />
eine entscheidende<br />
Rolle. Weder der Gesetzgeber<br />
noch die Börsen legen sich hier<br />
wirklich fest.<br />
Emittenten ganz<br />
unterschiedlicher Größe<br />
Helfen kann ein Blick in die Emissionsstatistik<br />
früherer Jahre: Anhand<br />
der Börseneinführungen<br />
2006 und 2007 lässt sich belegen,<br />
dass die Emittenten je nach<br />
Marktsegment sehr unterschiedliche<br />
Größenmerkmale aufwiesen:<br />
So erwirtschafteten die 52 IPOs<br />
des Prime Standards, dem Transparenzstandard<br />
der Deutschen<br />
Börse mit den höchsten Anforderungen<br />
an Emittenten wie etwa<br />
einer internationalen Rechnungslegung<br />
im Median einen Umsatz<br />
von66Millionen EuroimJahr vor<br />
der Börseneinführung und erzielten<br />
im Median ein Emissionsvolumen<br />
von 88Millionen Euro. Die<br />
entsprechenden Zahlen für die 57<br />
Börsengänge im Entry Standard,<br />
wo beispielsweise die Rechnungs-<br />
Rational contraemotional<br />
Immobilien – Das eigene Häuschen wird längst nicht mehr generell als gute Geldanlage angesehen –„Lieber zur Miete wohnen“<br />
heutzutage zu sehr an die Region und<br />
könne der Karriereplanung im Wege<br />
stehen.<br />
Sinnvoller sei es, weiter zur Miete<br />
zu wohnen und eine Immobilie als Kapitalanlage<br />
zu kaufen. Denn dann<br />
müsste der Standort der Immobilie<br />
nicht der persönlichen Situation, etwa<br />
einem Wechsel des Arbeitsplatzes<br />
oder der größer werdenden Familie,<br />
angepasst werden. Auch unter Steuerund<br />
Abschreibungsgesichtspunkten<br />
sei dieser Wegsinnvoller.Zudem gebe<br />
es später das Problem eines viel zu<br />
großen Hauses nicht, wenn die Kinder<br />
auszögen. Ganz zu schweigen davon,<br />
dass mit der Alterung sich das Anforderungsprofil<br />
an das gewünschte Haus<br />
ändert, sei es in Bezug auf die Größe,<br />
den Zuschnitt oder auch die Frage der<br />
Barrierefreiheit.<br />
Das ist sicher alles rational und<br />
richtig, vernachlässigt andererseits<br />
aber die irrationale Seite des Wunsches<br />
nach etwas eigenem für die Familie,<br />
nach ungestörtem, freiheitlichem<br />
Wohnen und damit einer gehobenen<br />
Lebensqualität. Doch stellt sich<br />
dann sofort die Frage, wieso die indirekte<br />
Immobilienanlage in offenen<br />
und geschlossenen Immobilienfonds<br />
in Deutschland so beliebt ist wie in<br />
keinem anderen Land der Welt. Dazu<br />
meint Torsten Deutsch, Geschäftsführer<br />
der Hannover Grund Vermögensanlagen<br />
GmbH, dass deutsche Anleger<br />
legung nach dem deutschen<br />
HGB auch zulässig ist, belaufen<br />
sich beim Umsatz lediglich<br />
auf 8,4 Millionen<br />
Euro und beim Emissionsvolumen<br />
auf 7,3 Millionen<br />
Euro ohne Berücksichtigung<br />
reiner Notierungsaufnahmen.<br />
Das zeigt zumindest,<br />
dass Börsengänge mit<br />
deutlich kleineren Volumina,<br />
als sie derzeit diskutiert<br />
werden, in einem<br />
guten Marktumfeld<br />
möglich sind. Wichtig<br />
ist dabei das „gute<br />
Marktumfeld“. Obsolche<br />
Börsengänge auch<br />
sinnvoll sind, kann<br />
nur für den Einzelfall<br />
beurteilt werden und<br />
hängt entscheidend davon ab,<br />
welche Ziele mit dem Börsengang<br />
verbunden werden. Geht es zum<br />
Beispiel vorallem um die Herstellung<br />
der Handelbarkeit vonAnteilen<br />
–etwa, um den Handel von<br />
bereits ausgegebenen Mitarbeiteraktien<br />
zu ermöglichen –sostehen<br />
dem auch relativ geringe<br />
Emissionsvolumina nicht notwendigerweise<br />
entgegen. Geht es<br />
aber um den idealtypischen Fall<br />
der langfristigen Wachstumsfinanzierung,<br />
so muss das Volumen<br />
nicht nur den unmittelbar bevorstehenden<br />
Wachstumsschritt ermöglichen.<br />
Vielmehr sollte die<br />
Transaktion auch für institutionelle<br />
Investoren interessant sein,<br />
denn sie können das Unternehmen<br />
auch in den weiteren Wachstumsphasen<br />
mit Kapitalerhöhungen<br />
in nennenswertem Umfang<br />
begleiten.<br />
Das setzt voraus, dass die Investoren<br />
ausreichend mit Informationen<br />
über die Attraktivität<br />
des Unternehmens versorgt werden<br />
und sich vor allem später an<br />
der Börse auf eine ausreichende<br />
Liquidität der Aktie verlassen<br />
können. Damit es sich für einen<br />
institutionellen Investor lohnt, zu<br />
DAS BRINGT DER GANG AN DIE BÖRSE<br />
Das Fazit eines Börsenganges<br />
formuliertdie Deutsche Börse<br />
in ihrer für jeden Mittelständler<br />
lesenswerten Broschüre<br />
„Wachstum und Unabhängigkeit<br />
durch Eigenkapitalfinanzierung,<br />
Strukturwandel und<br />
Lösungsansätze für den deutschen<br />
Mittelstand in der aktuellen<br />
Finanz- und Wirtschaftskrise“<br />
wie folgt:<br />
� Aus finanzwirtschaftlicher<br />
Perspektive dient ein Börsengang<br />
vor allem der Finanzierung<br />
von Wachstumsstrategien<br />
und der Stärkung des Eigenkapitals,<br />
aber auch der besseren<br />
Risikodiversifizierung der Alteigentümer<br />
oder der Lösung einer<br />
Nachfolgeproblematik.<br />
� Mit der Harmonisierung des<br />
EU-Kapitalmarktrechts haben<br />
die Börsen Angebote für die Unternehmen<br />
entwickelt, einen<br />
Börsengang unter deutlich geringeren<br />
formalen Anforderungen<br />
außerhalb des EU-regulierten<br />
Markts durchzuführen. Diese<br />
alternativen Wege werden<br />
sehr stark in Anspruch genommen.<br />
� Die Mehrzahl der Unternehmen<br />
realisiert tat-<br />
sich offenbar eher für Bürohäuser in<br />
Australien, Kanada oder Amerika begeistern<br />
als für den Erwerb eines eigenen<br />
Häuschens mit Garten. Seit Jahren<br />
steige die Wohneigentumsquote nicht<br />
mehr, wohl aber das in indirekten Immobilien<br />
angelegte Vermögen.<br />
Und gerade diese Anlageform und<br />
Verhaltensweise der Deutschen hält er<br />
für modern und vorbildhaft. Das Investment<br />
in das eigene Haus sei emotional<br />
motiviert, das indirekte Immobilieninvestment<br />
in Fonds oder Immobilienaktien<br />
hingegen rational motiviert.<br />
Auch unter dem Gesichtspunkt<br />
der Diversifikation, also Risikostreuung,<br />
sei es nicht sinnvoll, die eigenen<br />
Mittel fast gänzlich in ein Haus zu ste-<br />
investieren, muss er nämlich ein<br />
bestimmtes Mindestvolumen bewegen,<br />
das selten unterhalb von<br />
100000 Euro liegen wird. Bei einem<br />
geringen Emissionsvolumen<br />
hält der Investor dann einen relativ<br />
hohen Anteil der ganzen Emission<br />
und muss befürchten, dass er<br />
anschließend bei Bedarf an der<br />
Börse weder nennenswert zukaufen<br />
noch veräußern kann. Daher<br />
empfiehlt es sich in diesen Fällen,<br />
bereits bei der Erstplatzierung ein<br />
Mindestvolumen anzupeilen, das<br />
auch in guten Kapitalmarktphasen<br />
nicht deutlich unter 20 Millionen<br />
Euroliegen sollte.<br />
Beispiele Geneart<br />
und Halloren<br />
sächlich Wachstumsstrategien<br />
und verbessert die Finanzierungssituation<br />
durch eine Stärkung<br />
der Eigenkapitalbasis.<br />
Diese Effekte sind bei kleinen<br />
Unternehmen deutlicher als bei<br />
großen.<br />
� Die Realisierung vonWachstumspotentialen<br />
findet ihren<br />
Ausdruck in wachsenden Bilanzsummen,<br />
in steigenden<br />
Umsätzen, in steigenden Mitarbeiterzahlen,<br />
in wachsendem<br />
Auslandsumsätzen und ausländischen<br />
Vermögenswerten sowie<br />
einem deutlich verbesserten<br />
Diversifikationsgrad.<br />
� Die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten<br />
werden<br />
deutlich erhöht und die M&A-<br />
Aktivitäten steigen.<br />
� Mit der höheren Eigenkapitalbasis<br />
wachsen die Finanzierungsspielräume,<br />
auch im<br />
Fremdkapitalbereich,<br />
und die Investitionsvolumina<br />
steigen.<br />
Beispiele hierfür sind der Börsengang<br />
des Biotechnologieunternehmens<br />
Geneart mit einem<br />
Emissionsvolumen von rund 20<br />
Millionen Euro imMai 2006 oder<br />
der Halloren Schokoladenfabrik<br />
mit einem Emissionsvolumen von<br />
rund 16 Millionen im Mai 2007.<br />
Da unterschiedliche Unternehmen<br />
je nach Branche und Situation<br />
sehr unterschiedliche Bewertungen<br />
erzielen, ist es schwierig,<br />
daraus direkte Rückschlüsse auf<br />
die Unternehmensgröße im Sinne<br />
beispielsweise des Jahresumsatzes<br />
des Unternehmens zu ziehen.<br />
So erzielte Geneart etwa einen<br />
Umsatz von4,5 Millionen Euroim<br />
Jahr vor der Börseneinführung,<br />
Halloren immerhin rund 26 Millionen<br />
Euro. In jedem Fall empfiehlt<br />
es sich, die Überprüfung der<br />
Relationen am konkreten Einzelfall<br />
vorzunehmen und bei einem<br />
positiven Ergebnis die Vorbereitungen<br />
gründlich und mit fundierter<br />
Beratung anzugehen. Doch<br />
zeigen diese Zahlen, dass in<br />
Deutschland zwar noch nicht, wie<br />
in den USA, die Drogerie an der<br />
Ecke „public“ gehen kann, aber<br />
durchaus der „mittlere Mittelständler“,<br />
von denen es in Südhessen<br />
ausgesprochen viele gibt.<br />
cken. So würde kein Wertpapiersparer<br />
alle seine Mittel in eine Aktie stecken<br />
anstatt in Fonds mit einer breiten Risikostreuung.<br />
Aus solchen Einschätzungen ergeben<br />
sich sofort weitergehende Schlüsse<br />
beziehungsweise Fragen. Ist unter diesem<br />
Aspekt die staatliche Immobilienförderung<br />
noch sinnvoll? Warum sind<br />
fremdvermietete Immobilien ausgenommen?<br />
Warum indirekte Immobilienanlagen?<br />
Sein Fazit: Die staatliche<br />
Förderung folgt einem anachronistischen<br />
Verständnis von Immobilienanlagen<br />
und wird dem Paradigmenwechsel,<br />
der in einer modernen Gesellschaft<br />
eher in Richtung indirekter Anlagen<br />
weist, nicht gerecht. Og