Was wir wissen, Was wir nicht wissen und Wie wir ... - EUR-Oceans
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Das System in seiner Gesamtheit verstehen<br />
Schließlich sind <strong>wir</strong> mit einer Schwierigkeit konfrontiert, die<br />
bisher in der Geschichte der Wissenschaft <strong>nicht</strong> aufgetreten ist.<br />
Bis zur Renaissance konnten sich große Denker, wie Leonardo<br />
da Vinci, immer noch mit allen Bereichen des menschlichen<br />
Wissens beschäftigen: Kunst, Philosophie, Mathematik, Biologie,<br />
Physik, Geschichte, usw. Mit der Beschleunigung des<br />
<strong>wissen</strong>schaftlichen Fortschritts während der letzten zwei<br />
Jahrh<strong>und</strong>erte wurde die Einteilung des Wissens in verschiedene<br />
Fachgebiete jedoch immer differenzierter.<br />
Das Problem besteht darin, dass <strong>wir</strong> allein mit spezialisierten<br />
Fachgebieten <strong>nicht</strong> in der Lage sind, das System in seiner Gesamtheit<br />
zu verstehen. Während <strong>wir</strong> weiterhin einige Teilbereiche isolieren<br />
müssen, um sie besser untersuchen zu können, müssen <strong>wir</strong> sie<br />
gleichzeitig auch miteinander verbinden, so wie sie in Wirklichkeit<br />
zusammengehören, um zu versuchen, ihre Wechsel<strong>wir</strong>kungen zu<br />
verstehen. Die Klimaveränderung betrifft die Wechsel<strong>wir</strong>kungen<br />
zwischen menschlichen Gesellschaften <strong>und</strong> dem gesamten System<br />
Erde. Deshalb müssen <strong>wir</strong> die verschiedenen Fachgebiete in die<br />
Geo<strong>wissen</strong>schaften einbinden, auch die Sozial<strong>wissen</strong>schaften.<br />
Das kommt einer Revolution gleich, in dem Sinne, dass unsere<br />
Denkmuster umgekrempelt werden <strong>und</strong> <strong>wir</strong> gezwungen sind,<br />
unsere Bildungssysteme zu überprüfen.<br />
Vor allem wegen dieser Notwendigkeit einer globalen Sicht<br />
begann der britische Wissenschaftler James Lovelock sich die<br />
Erde als einen Makro-Organismus vorzustellen, den er Gaia<br />
nennt. Die so genannte „Gaia-Hypothese“ betrachtet die Erde<br />
als eine Art Organismus, der selbst regulierend ist <strong>und</strong> in dem<br />
die Naturgesetze das System ständig im Gleichgewicht halten<br />
<strong>und</strong> Leben ermöglichen.<br />
Das Projekt LBA Carbonsink:<br />
Ein mikrometeorologischer Messturm<br />
mitten im dichten Regenwald<br />
im Amazonasbecken in<br />
Brasilien<br />
© John Grace, Universität<br />
Edinburgh, Großbritannien<br />
Ein mikrometeorologischer Messturm von oben betrachtet, Renon/Ritten,<br />
Italien<br />
© Stefano Minerbi, Forstabteilung, Autonome Provinz Bozen, Südtirol<br />
Diese Theorie macht uns Hoffnung, dass das System zwangsläufig<br />
wieder in einen Gleichgewichtszustand zurückkehrt.<br />
Aber genauso gut können <strong>wir</strong> uns über die enormen Mengen<br />
an fossilem Kohlenstoff Sorgen machen, die nach <strong>und</strong> nach<br />
im Laufe geologischer Zeitalter gespeichert wurden <strong>und</strong> die<br />
<strong>wir</strong> heute mit einem Schlag freisetzen. Die Natur alleine hat<br />
das <strong>nicht</strong> so vorgesehen. Wird sie trotzdem in der Lage sein,<br />
die Einstellung eines neuen Gleichgewichts zu sichern, in dem<br />
menschliches Leben weiterhin möglich ist?<br />
Kurz gesagt: <strong>wir</strong> stellen fest, dass die Menschheit<br />
dabei ist, extreme <strong>und</strong> dauerhafte Veränderungen des<br />
Klimas <strong>und</strong> der Ökosysteme zu verursachen, indem sie<br />
die Gleichgewichte stört, die sich langsam während<br />
geologischer Zeiträume eingestellt haben. Wir können<br />
einige Folgen dieser Veränderungen feststellen, aber<br />
<strong>wir</strong> können sie weder sicher noch genau vorhersagen,<br />
einerseits da <strong>wir</strong> immer noch ein unzureichendes<br />
Verständnis für die beteiligten natürlichen Prozesse<br />
haben, andererseits da zukünftiges menschliches<br />
Handeln langfristig <strong>nicht</strong> vorhersagbar ist.<br />
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