'Zeitzeugenberichte': eine Grundlage für historische Darstellungen
'Zeitzeugenberichte': eine Grundlage für historische Darstellungen
'Zeitzeugenberichte': eine Grundlage für historische Darstellungen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Publikation von Josef Behringer, Mitarbeiter des Landesverbandes Hessen beim<br />
Verband Deutscher Sinti und Roma steht aber die Zeit des Nationalsozialismus<br />
im Vordergrund, nicht die Lebensgeschichte an sich. Bei den Interviews, die ich<br />
gefilmt und transkribiert habe, und bei Interviews, die ich fÄr den Landesverband<br />
Baden-WÄrttemberg des Verbands Deutscher Sinti und Roma, durchgefÄhrt<br />
habe, wurde mir aber die groÇe Bedeutung, die die Nachkriegsjahre auch fÄr die<br />
Betroffenen hatten, klar. Jede BeschÅftigung mit der Lage der deutschen Sinti<br />
und Roma oder der in Deutschland lebenden Roma ist unzureichend, wenn sie<br />
sich ausschlieÇlich auf die Auswertung der Akten oder Zeitungen verlÅsst und<br />
nicht die Stimmen der Betroffenen wahrnimmt. Das betrifft die Fragen der<br />
EntschÅdigung, der Anerkennung des VÉlkermordes; das betrifft aber nicht<br />
zuletzt die Wohnsituation, die Bildung, die Ausbildung und die Arbeit.<br />
Ein paar allgem<strong>eine</strong> Bemerkungen zur Wiedergutmachung<br />
Zwischen 1945 und 1947 verfestigte sich der Gedanke auch in der deutschen<br />
Gesellschaft, dass die Verfolgten des NS-Regimes <strong>eine</strong> EntschÅdigung erhalten<br />
sollten. So mussten die Verfolgten zum Beispiel in Hessen – in der<br />
amerikanischen Zone - einheitliche FragebÉgen ausfÄllen, um AnsprÄche geltend<br />
zu machen. Je mehr die Kriterien des Grades und der Art der Verfolgung in den<br />
Mittelpunkt rÄckten, desto negativer wirkte sich das fÄr Kommunisten,<br />
Zwangssterilisierte, nicht zuletzt fÄr Sinti und Roma aus.<br />
Nach der Verabschiedung des BundesentschÅdigungsgesetzes (BEG)<br />
verÅnderten sich die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen weiter zu<br />
Ungunsten der als „Zigeuner” verfolgten Menschen. Sie galten wie vor und<br />
wÅhrend des Nationalsozialismus als „Asoziale“. Deshalb mussten Sinti und<br />
Roma immer grÉÇere Hindernisse Äberwinden, um ihre berechtigten AnsprÄche<br />
durchzusetzen. Dies gelang ihnen zum Teil erst in den 60er, zum Teil sogar erst<br />
in den 80er Jahren. HÉchstrichterliche Entscheidungen erklÅrten bis Anfang der<br />
60er Jahre, dass Sinti und Roma nicht aus rassistischen, sondern aus<br />
sogenannten kriminalprÅventiven GrÄnden von den Nationalsozialisten verfolgt<br />
gewesen wÅren. Somit galten sie lange Zeit nicht als „rassisch“ Verfolgte.<br />
Beispiel:<br />
BegrÄndung zur Ablehnung <strong>eine</strong>s Wiedergutmachungsanspruchs aus dem<br />
Jahre 1951, wie er in Varianten den Betroffenen immer wieder zugestellt<br />
wurde.<br />
Die Antragstellerin macht als Zigeunerin <strong>eine</strong> Verfolgung und SchÄdigung aus<br />
GrÅnden der Rasse geltend und beantragt Wiedergutmachung <strong>eine</strong>s Schadens<br />
an KÇrper und Gesundheit, sowie im wirtschaftlichen Fortkommen.<br />
Diese AnsprÅche mÅssen jedoch mangels der Voraussetzungen des É 1 Abs. EG<br />
abschlÄgig beschieden werden. Aufgrund amtlicher Feststellungen und nach der<br />
stÄndigen Gerichtspraxis der Wiedergutmachungskammern sind die Zigeuner<br />
durch die Nationalsozialisten nicht wegen ihrer Rasse verfolgt worden und nicht<br />
den kollektiven VerfolgungsmaÑnahmen ausgesetzt gewesen, wie etwa die