'Zeitzeugenberichte': eine Grundlage für historische Darstellungen
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generationenÄbergreifende Transmission psychischer Symptome gibt es seit den<br />
1960er Jahren. Diese Personengruppe wurde seit dem Ersch<strong>eine</strong>n des Buches<br />
von Helen Epstein im Jahre 1979 aus als „Kinder des Holocaust“ bezeichnet, die<br />
<strong>eine</strong> ganz besondere Sozialisierung durchgemacht haben. Die oft<br />
langandauernde Sprachlosigkeit der Eltern wurde vielfach als deren Leiden<br />
wahrgenommen. Im Gegensatz zu den Äberlebenden Juden wurden viele, die<br />
meisten Sinti und Roma von BehÉrden vielfach nicht als Verfolgte behandelt;<br />
sondern sie blieben diskriminiert und ausgegrenzt. Und das gilt auch fÄr die<br />
Kinder.<br />
Das heiÇt, in <strong>eine</strong>r Interviewsituation, in der es um die wirtschaftliche und soziale<br />
Entwicklung und Lage geht und auch um Ausgrenzungserfahrung geht, spielen<br />
die Erinnerung an den VÉlkermord und die Nachwirkungen des VÉlkermordes<br />
<strong>eine</strong> nicht unwesentliche Rolle. Ausgrenzungserfahrung, vermittelte Erinnerung<br />
an die Verfolgung wÅhrend des Nationalsozialismus und die lange Zeit versagte<br />
Anerkennung der Verfolgung haben Nachwirkungen Äber Generationen bewirkt.<br />
In <strong>eine</strong>m Projekt in Baden-WÄrttemberg sollte die Wirkung all der schon oben<br />
angedeuteten Formen des Antiziganismus auf Lebensplanung, Schul- und<br />
Berufsleben von sehr jungen VÉlkermordÄberlebenden und nachgeborenen Sinti<br />
und Roma untersucht werden. AktenvorgÅnge, scheinbar objektive Daten gaben<br />
<strong>eine</strong>n Rahmen. Es fehlten die Wahrnehmungen der Betroffenen.<br />
Seit 2002 wurden einige Interviews durchgefÄhrt. Sie sollten <strong>Grundlage</strong> fÄr <strong>eine</strong><br />
filmische Dokumentation werden Bislang gibt es nur wenige gefilmte Interviews.<br />
SpÅtestens als darum ging, dass Teile der Interviews verÉffentlicht werden<br />
kÉnnten und nicht nur fÄr das Archiv des Verbandes gesammelt werden sollten,<br />
wuchsen die ängste bzw. Vorbehalte. Einige der angesprochenen Personen<br />
signalisierten, dass sie nach weiteren VorgesprÅchen bereit wÅren, sich ggf.<br />
filmen zu lassen. Es spricht ein hohes MaÇ an Misstrauen aus dieser Haltung, die<br />
– sicherlich mit Recht – mit dem Vorgehen einzelner Reporter etwas zu tun hat,<br />
die immer wieder vor allem jugendliche Sinti mit laufender Kamera befragen,<br />
recht freimÄtig Antworten erhalten und dann quasi „vorfÄhren“, wenn nur<br />
Kernaussagen, schlimmer verfÅlschte Aussagen dann gesendet werden.<br />
Ergebnisse<br />
Personen aus der Gruppe, die den VÉlkermord Äberlebten, berichteten vor allem<br />
Äber ihre Erlebnisse und Erfahrungen, die sie als Jugendliche und Kinder im<br />
Nationalsozialismus gemacht hatte. Aussagen zur Nachkriegsgeschichte der<br />
vierziger bis sechziger Jahre beschreiben die erneute Diskriminierung, zum Teil<br />
Ausgrenzung und nicht zuletzt auch die Diskriminierung ihrer Kinder.<br />
Bei der Generation der JahrgÅnge zwischen 1950 bis 1960, die zur sogenannten<br />
„zweiten Generation“ zÅhlen, lassen sich aus den aufgezeichneten Interviews wie<br />
noch mehr aus den nicht aufgezeichneten GesprÅchen, ein hohes MaÇ an<br />
Verletzlichkeit und Verletztheit heraushÉren.<br />
Ein Interviewpartner hat in knapp 7 Zeilen fast alles zusammengefasst:<br />
„Und wir haben selber sehr viel mitgemacht. Von Schule wussten wir nicht sehr