16.11.2012 Aufrufe

9.9 – 4.11 2012 Schwedische Botschaft - Building Blocks

9.9 – 4.11 2012 Schwedische Botschaft - Building Blocks

9.9 – 4.11 2012 Schwedische Botschaft - Building Blocks

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

BOUNCY BUILDINGS (2007) Bouncy <strong>Building</strong>s<br />

ist ein jährlich wiederkehrendes<br />

Projekt, das »direkte« Architektur zeigt.<br />

Jedes Mal steht ein Land im Mittelpunkt,<br />

dessen beste Architekten – etablierte<br />

solche und vielversprechende Talente<br />

– eingeladen werden, eine Hüpfburg<br />

zu entwerfen. Die aufblasbaren Bauten<br />

werden bei einer Reihe von Freiluftveranstaltungen<br />

aufgestellt, bei denen die<br />

Öffentlichkeit die Möglichkeit erhält, das<br />

Ergebnis zu testen. Die ersten Hüpfburgen<br />

werden in London, Stockholm und<br />

Tokio zu erleben sein.<br />

EXTRA ORDINARY (2005) Eine Ausstellung<br />

im Stockholmer Kulturhuset, bei der<br />

dreißig mitwirkende Künstler und Designer<br />

wie unter anderem Martin Creed,<br />

Dunne & Raby, Maywa Denki, El Ultimo<br />

Grito, FAT, Front, Jeppe Hein und Noam<br />

Toran surrealistische, poetische und<br />

irrationale Wohnobjekte zeigten.<br />

BARNENS KONSTMUSEUM (2007) Der<br />

Künstler Jacob Dahlgren lud Medium ein,<br />

ein Kunstmuseum für Kinder zu entwerfen.<br />

Das kleinmaßige Gebäude wurde in<br />

der Großen Galerie des Kunstmuseums<br />

der Stadt Västerås ausgestellt.<br />

EINFACH & KOMPLEX<br />

Kurz gefasst kann Architektur mit ihren<br />

Prozessen als etwas sehr Komplexes<br />

aufgefasst werden, aber auch als<br />

etwas sehr Einfaches. Bei <strong>Building</strong><br />

<strong>Blocks</strong> wird deutlich, dass nicht immer<br />

von Anfang an klar ist, welche Komplexitäten<br />

entstehen werden. Vielleicht<br />

könnte man es beschreiben als wirklichen<br />

»Hausbau versus Papierarchitektur«.<br />

Das heißt nicht, dass die eine<br />

Form komplexer ist als die andere<br />

oder dass ein einfacher Prozess ein<br />

vorhersehbarer ist. Obwohl die Ausstellung<br />

<strong>Building</strong> <strong>Blocks</strong> nicht vornehmlich<br />

Bilder oder Entwürfe unge bauter<br />

Architektur zeigt, sagt sie dennoch viel<br />

über die architektonische Vorgehensweise<br />

aus.<br />

Medium arbeitet in anderen Projekten<br />

ähnlich. So beispielsweise in dem<br />

Projekt Bouncy <strong>Building</strong>s über »direkte«<br />

Architektur oder »instant architecture«,<br />

in dem Medium gut und weniger<br />

gut etablierte Architekten einlädt,<br />

Hüpfburgen zu entwerfen, aufblasbare<br />

Bauten, die an Orten aufgestellt werden,<br />

an denen die Öffentlichkeit die<br />

Ergebnisse testen kann. (Hier können<br />

wir auch eine Verbindung zu Cedric<br />

Price und seiner Idee eines Bouncing<br />

Museum erahnen, die er kurz vor seinem<br />

Tod 2003 mit Hans Ulrich Obrist<br />

diskutierte.) Schon 2005 kuratierten<br />

Mitglieder von Medium die Ausstellung<br />

Extra Ordinary im Stockholmer Kulturhuset<br />

(kuratiert von Lisa Olausson,<br />

Stella D’Ailly und Maja Sten). Diese<br />

Ausstellung zeigte Funktions-objekte<br />

mit irrationalen oder »dysfunktionalen«<br />

Eigenschaften, wie Bathroom Sweet<br />

von FAT mit einer Toilette für zwei und<br />

Lizzie Ridouts Welcome mat aus Kreide,<br />

die während der Ausstellungszeit verwischt<br />

wurde und auf der gesamten<br />

Ausstellungs fläche weiße Spuren hinterließ.<br />

Medium wurde zudem vom<br />

Künstler Jacob Dahlgren und dem<br />

Kunstmuseum Västerås eingeladen,<br />

ein Kunstmuseum für Kinder und den<br />

dazugehörigen Katalog zu entwerfen.<br />

Auch in diesem Zusammenhang ging<br />

es um ein kleinmaßiges Gebäude,<br />

das in der Hauptgalerie des Museums<br />

aufgebaut wurde. Doch im Unterschied<br />

zu dieser »Ausstellung in der Ausstellung«<br />

behandelt <strong>Building</strong> <strong>Blocks</strong> auch<br />

den Beruf und den »code of conduct«<br />

des Architekten.<br />

KOMMUNIKATION & FUNKTION<br />

Mit anderen Worten, es wird gezeigt,<br />

dass der Architekt einen Auftraggeber<br />

braucht. Im Unterschied zu vielen<br />

Künstlern (und immer mehr Designern)<br />

produzieren Architekten im Normalfall<br />

keine eigenen Gebäude. Der Anforderungskatalog<br />

ist ein zentraler Bestandteil<br />

der Arbeit, der sich meist aus dem<br />

Bedarf des Auftraggebers oder einer<br />

Gruppe von Auftrag gebern ergibt.<br />

Im Dialog findet dann gemeinsam mit<br />

einem Architekten, der den Anforderungskatalog<br />

interpretiert und auf ihn<br />

reagiert, ein Entwicklungsprozess statt.<br />

Bei <strong>Building</strong> <strong>Blocks</strong> ergaben sich die Anforderungen<br />

aus mündlichen Gesprächen<br />

zwischen Kindern und Architekten,<br />

und die Architekturbüros wählten unterschiedliche<br />

Interpretationen – einige<br />

erstellten regelrechte Anforderungskataloge,<br />

andere schrieben hauptsächlich<br />

Notizen nieder und gingen dann<br />

direkt zum Bau von Modellen oder zur<br />

Anfertigung von Entwürfen über.<br />

Die meisten Gebäude auf der Welt<br />

werden tatsächlich ohne Anforderungskatalog<br />

errichtet – und ohne Architekten.<br />

Weltweit betrachtet ist die generische<br />

Architektur in den Slums,<br />

Armenvierteln und Favelas die dominierende<br />

Wohnform unserer Zeit. Auch<br />

Katalog- und Fertighäuser sind mittlerweile<br />

üblich. Die Frage lautet daher vielleicht,<br />

was Architekten heute eigentlich<br />

anzubieten haben. Betrachtet man<br />

die von Medium repräsentierte Art von<br />

Architektur, lautet die Antwort: »eine<br />

enorme Breite der Expertise, wie das<br />

Entwerfen von Gebäuden im Verhältnis<br />

zu einem Budget, das gleichzeitig<br />

komplexe Faktoren wie Umweltauswirkungen<br />

und Materialtechnologie berücksichtigt.«<br />

Zur Erhaltung und Weiterentwicklung<br />

dieser Kompetenz muss<br />

Raum für Forschung und Spiel geschaffen<br />

werden. Elemente der Forschung gibt<br />

es in fast allen Büros, und die Architekten<br />

können mit jedem Projekt experimentieren,<br />

um ihre eigenen Ideen zu testen<br />

– und nicht nur die des Auftraggebers.<br />

Auch wenn dies einen möglichen Misserfolg<br />

einschließt, steht das Experiment<br />

also in keiner Weise im Gegensatz<br />

zur Funk tionalität. Das zeigt sich nicht<br />

zuletzt in diesem Projekt, in dem<br />

der extreme Funktionalismus der Kinder<br />

deutlich wird. Die Architekturjourna-<br />

listin Matilda Stannow vertritt die<br />

Auffassung, dass Kinder »alles richtig<br />

machen wollen«, wenn sie in diese<br />

Art von Prozess eingebunden werden,<br />

und ich neige dazu, ihr beizupflichten –<br />

wie es in den Wald hineinschallt, so<br />

schallt es auch wieder heraus. Sagt<br />

man einem Kind, man möchte ein Haus,<br />

dann liefert es im Prinzip die Idee eines<br />

Hauses, komplett mit Satteldach und<br />

Fenstersprossen. Aber bittet man<br />

es um einen geschützten Ort, einen<br />

Platz zum Schlafen, Essen, Spielen<br />

usw., ohne das Wort »Haus« zu er-<br />

wähnen, sehen die Ergebnisse anders<br />

aus (ein Prinzip, das im Übrigen auch<br />

für Erwachsene gilt, nicht zuletzt für<br />

praktizierende Architekten).<br />

Ein Beispiel für einen Kommunikationsprozess,<br />

den man möglicherweise als<br />

erfolgreich bezeichnen könnte, ist der<br />

Prozess von Kod Arkitekter im Zusammenhang<br />

mit dem Ausstellungsprojekt<br />

<strong>Building</strong> <strong>Blocks</strong> in der Stockholmer<br />

Färgfabriken im Jahr 2010. Hier passten<br />

die Kinder ihre extravaganten Ideen<br />

schnell an eine praktische und finanzielle<br />

Wirklichkeit an. Als sie darauf hingewiesen<br />

wurden, dass der Einbau eines<br />

Fahrstuhls teuer werden könnte, schlugen<br />

die Kinder stattdessen eine Leiter<br />

vor, und als die Architekten einwendeten,<br />

dass eine Leiter für Körperbehinderte<br />

schwierig sein könnte, nahmen sie auch<br />

dazu Stellung.<br />

Vielleicht sollte man in diesem Zusammenhang<br />

das Konzept der »Funktionalität«<br />

definieren. Seit Robert Venturis<br />

und Denise Scott-Browns bahnbrechender<br />

und unterhaltsamer Arbeit<br />

Ende der 1960er Jahre (»Der Parkplatz<br />

von Atlantic & Pacific oder: Was lehrt<br />

uns Las Vegas?«) ist das wirklich Interessante<br />

aus Sicht der Architektur nicht<br />

immer das Aussehen und die Konstruktion<br />

des einzelnen Hauskörpers. Mit<br />

den dekorierten Bruchbuden in Las<br />

Vegas als extremem Beispiel werden<br />

die rein modernistischen Ideale<br />

dekonstruiert. Gleichzeitig zeigen sie,<br />

in welcher Weise Funktion eine kulturell<br />

gebundene Symbolsprache ist. Funk-<br />

tion muss nicht weiße Wände bedeuten<br />

oder reine Linien. Es kann bei ihr<br />

ebenso gut darum gehen, durch überdien-sionierte<br />

Fassaden, Schilder,<br />

Symbole und blinkende Pfeile entlang<br />

der Hauptverkehrsstraße Inhalte zu<br />

vermitteln. Wie in Sweetie House, das<br />

zusammen mit dem Architekturbüro<br />

38 39<br />

AOC konstruiert wurde und wo ein<br />

Kind eine riesige Küche zum Kuchen-<br />

backen haben wollte und außer<br />

dem großen Ofen auch noch eine<br />

enorme Kirsche mit Aussichtspunkt.<br />

Am wichtigsten war dem Kind aber<br />

nicht der Ofen, sondern »die Kirsche<br />

obendrauf« (übrigens auch eine<br />

idiomatische Wendung aus dem Englischen,<br />

entsprechend dem »Sahne-<br />

häubchen« oder dem Tüpfelchen auf<br />

dem »i«). Oder das Golden Sky House,<br />

bei dem alles golden glänzen sollte.<br />

Und nicht zuletzt geht es bei diesem<br />

Projekt um das Spiel. In der in dieser<br />

Ausstellung präsentierten performativen<br />

architektonischen Denkweise<br />

kommt dem Spielerischen eine zentrale<br />

Bedeutung zu. Es ist ein ernstes Spiel,<br />

etwas, womit wir als Erwachsene oftmals<br />

zu kämpfen haben und wo wir mitunter<br />

die Hilfe von Kindern benötigen,<br />

um dazuzulernen oder die kreativen<br />

Impulse vermittelt zu bekommen, die<br />

wir brauchen, um diese Fähigkeit und<br />

Kraft wiederzuentdecken. Hoffentlich<br />

kann diese Ausstellung von Architektur<br />

– oder sagen wir Gebäuden – Erwachsene<br />

und Kinder gleichermaßen in-<br />

spirieren, sich ernsthaft und spielerisch<br />

mit Architektur zu beschäftigen, mit<br />

den Gebäuden und »<strong>Blocks</strong>«, die uns<br />

in dem, wer wir sind und wie wir uns<br />

verhalten, ständig beeinflussen.<br />

Jonatan Habib Engqvist<br />

Die Eheleute Robert Venturi (*1925)<br />

und Denise Scott Brown (*1931) werden<br />

aufgrund ihrer Architektur- und Planungsprojekte<br />

sowie ihrer theoretischen<br />

Schriften und Lehrtätigkeit zu den einflussreichsten<br />

Architekten des 20. Jahrhunderts<br />

gerechnet.<br />

Jonatan Habib Engqvist ist Kurator und<br />

Wissenschaftler mit Schwerpunkt Philosophie<br />

und ästhetik. Er arbeitete als<br />

Intendant am Moderna Museet (Museum<br />

für zeitgenössische Kunst) in Stockholm<br />

und ist gegenwärtig als Projektleiter beim<br />

schwedischen internationalen Künstleraustauschprogramm<br />

Iaspis tätig. Zusammen<br />

mit Maria Lantz zeichnet er für die<br />

Redaktion des Buches »Dharavi – Documenting<br />

Informalities« (Stockholm 2008;<br />

Neu Dehli 2009) verantwortlich, und er<br />

kuratierte (In)dependent People beim<br />

Reykjavik Arts Festival <strong>2012</strong>. Jonatan<br />

Habib Engqvist schreibt und hält regelmäßig<br />

Vorträge über Architektur, Kunst<br />

und Philosophie.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!