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Très chic,

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Heldinnen<br />

140 cocoon the fashion magazine 02_2015<br />

Vor 75 Jahren wurde Nylon patentiert.<br />

Ein Grund, zum feiern? Hm… wir sind geteilter Meinung.<br />

Der 15. Mai 1940 war der Erstverkaufstag der Nylonstrümpfe in den<br />

USA. Als N-Day (Nylon-Tag) ging er in die Ges<strong>chic</strong>hte ein. Schon früh<br />

am Morgen bildeten sich lange Schlangen an den Kaufhäusern. Innerhalb<br />

von nur zwei Tagen waren vier Millionen Paar braune Nylons<br />

ausverkauft. In den 50er Jahren feierte der Nylonstrumpf endgültig<br />

seinen Triumph und gehörte zum guten Ton und modischen Statement<br />

dieser Zeit. Einige Hersteller lockten sogar mit dem Versprechen einer<br />

baldigen Heirat bei Tragen der heißbegehrten Ware. Diven und Pin-ups<br />

wie Marylin Monroe, Sophia Loren bis hin zu Bettie Page und Dita von<br />

Teese trugen und tragen sie zur Schau. Eine Liebe, die heftig begann, in<br />

der Hippie-Zeit etwas an Leidenschaft einbüßte und heute wieder so groß<br />

ist wie nie zuvor. Und ein Reiz, dem sich bis heute nur wenige gänzlich<br />

entziehen können.<br />

Jedoch die Nylonliebe teilt die Geschlechter…<br />

Männer stehen auf Feinstrumpfhosen. Das ist nicht wirklich neu, das<br />

wissen wir. Der Grund jedoch bleibt rätselhaft. Ein seidiger Strumpf<br />

allein macht aus der Trägerin schließlich keine Marilyn Monroe, die<br />

lasziv ihre Strümpfe abrollt. Sei’s drum - es gibt eben jene Frauen, die sie<br />

lieben und solche, die sie aus tiefstem Herzen verabscheuen. Für einige<br />

ist sie ein Fashion-Accessoire wie Lippenstift und Nagellack. In ihrem<br />

Kleiderschrank finden sich die beeindruckendsten Beinkleider in allen nur<br />

vorstellbaren Formen und Farben - eben eine für jede Gelegenheit. Andere<br />

wiederum finden Strumpfhosen einfach nur furchtbar und würden ihre<br />

Beine um nichts in der Welt freiwillig in die engen, unbequemen Schläuche<br />

zwängen.<br />

Die Feinstrumpfhose, wie sie heute in fast jedem Kleiderschrank einer<br />

Frau anzutreffen ist, erblickte erstmals im Jahr 1958 in Frankreich das<br />

Licht der Welt und wurde schnell zum Kassenschlager. In den sechziger<br />

Jahren führten die Trends von Mini und Hot Pant zu einem wahren<br />

Boom. Heute gibt es eine riesige Auswahl an blickdichten, transparenten,<br />

farbigen oder wolligen Strumpfhosen und dank Chinchillan sind mittlerweile<br />

auch lästige Laufmaschen passé!<br />

in Strumpfhosen<br />

„So lange es Männer gibt,<br />

solange wird es auch Nylons geben…“<br />

La Perla<br />

wolford<br />

L‘Agent by Agent Provocateur<br />

Nylons – unsere nicht ganz<br />

durchsichtige Abrechnung…<br />

Pro!<br />

Weiße Winterbeine sind nicht sexy. Das beweist ein Blick nach unten.<br />

Trostlos und blass stehen sie da. Aber dann rollt ein schwarzer, hauchdünner<br />

Stretch-Stoff über die nackte Haut, vereint sich mit ihr, verdeckt<br />

sie, ohne sie gänzlich zu verstecken. Welch Wohltat für den Spiegel! Er<br />

sieht eine junge Sophia Loren und eine Marilyn Monroe mit Corsagen,<br />

Strapsgürteln und transparenten Overknee-Strümpfen. Dellen, Narben,<br />

alles verschwunden. So makellos straff sollten Körper im Urzustand<br />

aussehen. Fast wünschte man sich, es würde nie wieder warm werden<br />

draußen. Und das alles wegen der Verbindung von Kohle, Wasser und<br />

Luft. 1937 ließ die US-Firma Du Pont de Nemours & Co das Nylon<br />

patentieren. Vielen Dank dafür!<br />

Kontra!<br />

Seit 75 Jahren hüllen Frauen ihre Beine in Nylon. Und das ist kein<br />

Spaß: Strumpfhosen sitzen nie richtig, zerreißen beim kleinsten Anlass<br />

und fühlen sich an wie Raufaser. Eine Anklage. Es ist nicht so, dass<br />

Strumpfhosen gar keine Vorteile hätten. Sonst würde sie ja niemand<br />

tragen. Strumpfhosen und ihre neckischen Verwandten, die halterlosen<br />

Strümpfe, machen Frauenbeine schöner. Gebräunter. Ebenmäßiger. Sie<br />

kaschieren erfolgreich, dass die letzte Rasur schon zwei Tage her ist.<br />

Und sie wärmen an Frühlingsabenden – zumindest besser als gar nichts.<br />

Man darf also den 75. Geburtstag der Nylons durchaus feiern. Und zum<br />

Anlass nehmen, die Erfindung ausgiebig zu beklagen. Denn Strumpfhosen<br />

sind eine einzige Strafe für die Trägerin. Es fängt schon beim Kauf an: Die<br />

Größen sind vollkommen absurd und stimmen weder mit den deutschen<br />

noch mit den italienischen oder französischen Konfektionsgrößen überein.<br />

Wer sonst S trägt, fährt manchmal mit M ganz gut. Manchmal aber<br />

auch mit L. Und manchmal dann doch mit S, das ist schwierig, zu sagen,<br />

denn die verschiedenen Marken sprechen sich natürlich nicht ab.<br />

Francesco Scognamiglio<br />

Und dass man das feine Gespinst nicht aus der Plastikfolie fummeln,<br />

anprobieren und zurücklegen kann, versteht sich von selbst. Deshalb<br />

passen Strumpfhosen der Trägerin eigentlich nie. Entweder sie sind zu<br />

klein, dann sind die Beine zu kurz. In der Konsequenz rutscht der Zwickel<br />

jede Minute des Tages einen Millimeter weiter nach unten und muss<br />

nach jedem Toilettenbesuch wieder raufgezerrt werden. Ganz vorsichtig<br />

natürlich, damit nichts zerreißt. Oder sie sind zu groß, dann sind sie an<br />

der Taille zu weit und halten nicht. Die Konsequenz ist exakt die gleiche.<br />

Ob man Strumpfhosen nun zu weit kauft oder zu eng, ist also fast egal.<br />

Das Hauptproblem der rutschenden Strumpfhosen liegt aber nicht etwa<br />

im unangenehmen Gefühl, eine Windel zu tragen. Es ist vielmehr ein<br />

optisches: Klassischerweise trägt frau Strumpfhosen zum Rock oder Kleid.<br />

Wenn das Kleid eng ist, beginnt sie den Tag mit einer exakten Justierung<br />

von Unterhose und Strumpfhosenbund in der Taille, damit nichts einschneidet.<br />

Sobald diese Konstruktion ins Rutschen kommt und irgendwo<br />

an der Hüfte hängt, zeigen sich Speckröllchen, wo eigentlich gar keine<br />

sind. Auch halterlose Strümpfe sind keine Alternative: Ohne Strapsgürtel<br />

rutschen sie auch und baumeln dann gerne mal peinlich ums Knie.<br />

Und mit Strapsgürtel ergibt frau sich der hohen Wahrscheinlichkeit, die<br />

Kollegen inmitten einer wichtigen Konferenz mit einem laut schnalzenden<br />

Geräusch zu erfreuen.<br />

Es gibt tatsächlich eine Lösung für das Dilemma. Aber die ist nur etwas<br />

für Frauen ohne Selbstachtung. Sie lautet: über die Strumpfhose noch eine<br />

Unterhose ziehen. Die hält das Ganze an Ort und Stelle. Wenn frau den<br />

Rock oder das Kleid ablegt, wirkt sie damit allerdings wie eine Verwirrte,<br />

die die Reihenfolge ihrer Kleidungsstücke beim Anziehen durcheinander<br />

gebracht hat. So ist der beste Ratschlag zum Thema einer, der für die<br />

Frauen vor 75 Jahren vielleicht eine Selbstverständlichkeit war: Ziehen<br />

Sie sich im Dunkeln aus.<br />

wolford<br />

02_2015 cocoon the fashion magazine 141

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