02.05.2015 Aufrufe

Die harte Schule des Maître Molinari - hoteljournal.ch

Die harte Schule des Maître Molinari - hoteljournal.ch

Die harte Schule des Maître Molinari - hoteljournal.ch

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Szene Persönli<strong>ch</strong><br />

Suvretta House St. moritz<br />

<strong>Die</strong> <strong>harte</strong> <strong>S<strong>ch</strong>ule</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Maître</strong> <strong>Molinari</strong><br />

Eine Kellner-Karriere wie aus dem Bilderbu<strong>ch</strong>:<br />

Am 25. August 1949 in Cremona<br />

(Italien) geboren – als Sohn eines<br />

Möbels<strong>ch</strong>reiners. <strong>Die</strong> Mutter arbeitet in<br />

einem Restaurant mit Bar, als Kellnerin. Claudio<br />

M. besu<strong>ch</strong>t die Hotelfa<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule. Es folgen Lehrjahre<br />

in Verona, Livorno, Lugano, Mün<strong>ch</strong>en (Bayeris<strong>ch</strong>er<br />

Hof), Lausanne (Beau Rivage), London<br />

(Dor<strong>ch</strong>ester, Four Seasons, Anton Mosimann),<br />

Sardinien (Costa Smeralda), Arosa (Kulm, Valsana),<br />

Australien. Im Juni 1990 wird Claudio M.<br />

erster Oberkellner im berühmten und noblen<br />

Suvretta House St. Moritz, später s<strong>ch</strong>afft er es<br />

zum <strong>Maître</strong> d’ Hôtel. Privat ist Claudio M. verheiratet,<br />

mit Maria, gebürtige Spanierin. Er ist<br />

Vater einer To<strong>ch</strong>ter mit dem Namen Naomi. In<br />

seiner Freizeit liest er gerne politis<strong>ch</strong>e und historis<strong>ch</strong>e<br />

Biografien.<br />

Do<strong>ch</strong> sein Leben ist das Hotel. Im Winter ist<br />

er der Chef einer Servicebrigade, die ni<strong>ch</strong>t weniger<br />

als 70 bis 80 Kellner umfasst. Meist junge Hotelfa<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>üler<br />

aus Italien oder Servicelehrlinge aus<br />

der S<strong>ch</strong>weiz.<br />

Das Besondere: Claudio <strong>Molinari</strong> gilt als<br />

<strong>Maître</strong> d’ Hôtel der «alten <strong>S<strong>ch</strong>ule</strong>», ein Mann,<br />

der von seiner Service-Crew eiserne Disziplin,<br />

perfekte Manieren, hö<strong>ch</strong>ste Professionalität und<br />

tadellosen Service erwartet. Kein Wunder, spri<strong>ch</strong>t<br />

man in der Szene von «Oberst <strong>Molinari</strong>», wenn<br />

vom 63-jährigen Italiener die Rede ist. «Oft erinnert<br />

er mi<strong>ch</strong> an meine Zeit in der Rekrutens<strong>ch</strong>ule»,<br />

meint ein Kellner, der seit vielen Jahren unter<br />

<strong>Molinari</strong> im Suvretta House arbeitet. «Der Mann<br />

weiss, was er will. Do<strong>ch</strong> i<strong>ch</strong> habe in meinem Leben<br />

no<strong>ch</strong> nie so viel gelernt, wie unter Claudio <strong>Molinari</strong>.<br />

Er ist für mi<strong>ch</strong> der beste und kompetenteste<br />

<strong>Maître</strong> überhaupt.»<br />

«Hotelier» wollt es genau wissen und bat<br />

<strong>Maître</strong> <strong>Molinari</strong> zu einem Gesprä<strong>ch</strong>. Ist der Mann<br />

tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> so hart und kompromisslos? Wir sitzen<br />

in einem Bespre<strong>ch</strong>ungsraum im Suvretta<br />

House, kurz na<strong>ch</strong> 14 Uhr. Zimmerstunde. Der<br />

«Maestro» lä<strong>ch</strong>elt. Er wirkt <strong>ch</strong>armant, locker und<br />

offen. Keine Spur von «Oberst im Generalstab» …<br />

Er hat eine Generation von Kellnern geprägt:<br />

Claudio <strong>Molinari</strong>, seit über 22 Jahren <strong>Maître</strong> d’ Hôtel<br />

im Suvretta House St. Moritz und einer der legendärsten<br />

Restaurateure der S<strong>ch</strong>weiz. «Hotelier» spra<strong>ch</strong><br />

mit der Service-Legende über Disziplin, Pünktli<strong>ch</strong>keit,<br />

junge Kellner und Luxusgäste ohne Manieren.<br />

Claudio <strong>Molinari</strong>, Sie haben in der Bran<strong>ch</strong>e den<br />

Ruf, ein sehr strenger Chef zu sein. Wie eisern ist<br />

Ihre Disziplin?<br />

<strong>Die</strong> Hotellerie funktioniert nur mit Disziplin! Wer<br />

hier arbeitet, muss si<strong>ch</strong> bewusst sein, dass er ni<strong>ch</strong>t<br />

einfa<strong>ch</strong> in einem Fünfstern-Hotel tätig ist, sondern<br />

im Suvretta House in St. Moritz.<br />

Das Suvretta House ist über 100-jährig. Sie sind seit<br />

mehr als 22 Jahren dabei, das Haus beherbergt viele<br />

Familien, die seit Generationen hier absteigen …<br />

Wir sind tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> in der glückli<strong>ch</strong>en Lage, die<br />

meisten unserer Gäste au<strong>ch</strong> im nä<strong>ch</strong>sten Jahr<br />

wieder begrüssen zu dürfen. Das stellt natürli<strong>ch</strong><br />

au<strong>ch</strong> besondere Anforderungen an den Service.<br />

Stammgäste wollen hier einfa<strong>ch</strong> sein und an<br />

ni<strong>ch</strong>ts denken müssen.<br />

Es fällt auf, dass die Mehrheit Ihrer Servicebrigade<br />

italienis<strong>ch</strong>er Mutterspra<strong>ch</strong>e ist.<br />

In der Tat sind es rund a<strong>ch</strong>tzig Prozent. I<strong>ch</strong> rekrutiere<br />

diese Leute an den italienis<strong>ch</strong>en Hotelfa<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ulen.<br />

Warum ni<strong>ch</strong>t in der S<strong>ch</strong>weiz?<br />

S<strong>ch</strong>weizer Hotelfa<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ulen fokussieren in eine<br />

etwas andere Ri<strong>ch</strong>tung. Sie bilden eher Na<strong>ch</strong>wu<strong>ch</strong>sleute<br />

aus, die eine Managementkarriere<br />

oder einen Direktionsposten im Auge haben.<br />

Was ma<strong>ch</strong>t den Absolventen einer italienis<strong>ch</strong>en<br />

Hotelfa<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule zu einem guten Kellner?<br />

Wenn er Disziplin und Distanz hat! Es brau<strong>ch</strong>t<br />

eine gewisse Distanz zum Gast – und er muss<br />

Spra<strong>ch</strong>en können. I<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>icke meine Leute für ein<br />

oder zwei Monate na<strong>ch</strong> Deuts<strong>ch</strong>land oder Frankrei<strong>ch</strong>,<br />

damit sie die Spra<strong>ch</strong>en lernen.<br />

Aber den Feins<strong>ch</strong>liff im Service kriegen sie bei Ihnen<br />

im Suvretta House.<br />

<strong>Die</strong> S<strong>ch</strong>weiz hat grundsätzli<strong>ch</strong> ein hohes Niveau,<br />

wenn es um die Servicequalität geht. Deshalb<br />

engagiere i<strong>ch</strong> nur Oberkellner, die bereits in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz gearbeitet haben.<br />

Was sagen Sie zum Niveau der<br />

Gäste?<br />

I<strong>ch</strong> mute mir ni<strong>ch</strong>t an, unsere<br />

Gäste zu beurteilen. In der Regel<br />

handelt es si<strong>ch</strong> um sehr kultivierte<br />

Mens<strong>ch</strong>en. Und wenn<br />

man<strong>ch</strong>mal besondere Herausforderungen<br />

anstehen, kann i<strong>ch</strong><br />

damit umgehen.<br />

Gäste, die Sie aus der Ruhe<br />

bringen?<br />

Gibt es ni<strong>ch</strong>t.<br />

Wie viel Herzblut s<strong>ch</strong>wingt bei<br />

Ihnen na<strong>ch</strong> über 40 Jahren Kellnerkarriere<br />

no<strong>ch</strong> mit?<br />

I<strong>ch</strong> lebe für diesen Beruf! Das<br />

spüren au<strong>ch</strong> die Gäste. Sie merken<br />

einfa<strong>ch</strong>, dass i<strong>ch</strong> mit Liebe<br />

und Engagement dabei bin.<br />

Behandeln Sie alle Gäste glei<strong>ch</strong>?<br />

Bei uns ist der Gast König!<br />

Au<strong>ch</strong>, wenn jemand zum ersten<br />

Mal bei uns absteigt, wird<br />

er mit der grössten Aufmerksamkeit<br />

bedient. Au<strong>ch</strong> Stammgäste<br />

geniessen keine Vorzugsbehandlung.<br />

Über Vorlieben und Abneigung<br />

Ihrer Gäste führen Sie Bu<strong>ch</strong> …<br />

Ja. Alle Chef de Rang haben darauf<br />

Zugriff.<br />

Würden Sie einem Gast zu einer<br />

Flas<strong>ch</strong>e Petrus, Jahrgang 1970,<br />

Eiswürfel servieren?<br />

Selbstverständli<strong>ch</strong>, wenn der<br />

Gast dies wüns<strong>ch</strong>t. I<strong>ch</strong> würde<br />

jedo<strong>ch</strong> darauf hinweisen, dass<br />

i<strong>ch</strong> es s<strong>ch</strong>ade fände für den<br />

s<strong>ch</strong>önen Wein.<br />

H<br />

28 9I2012


Szene PerSönli<strong>ch</strong><br />

« ICH LEBE FÜR DIESEN BERUF. DAS<br />

SPÜREN AUCH DIE GÄSTE. SIE MERKEN<br />

EINFACH, DASS ICH MIT LIEBE UND<br />

ENGAGEMENT DABEI BIN. »<br />

claudio <strong>Molinari</strong><br />

9I2012<br />

29

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!