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Hartmut Kupper ist ehemaliger Jurastudent. Er unterbrach sein Studium, weil er bei einer Demonstration<br />
gegen Fahrpreiserhöhung in Mannheim-Ludwigshafen wegen Landfriedensbruch angezeigt worden war.<br />
Er verdient seinen Lebensunterhalt durch journalistische Tätigkeit für eine Mannheimer Presseagentur,<br />
die auf einen Großauftrag der Atomvereinigung hinarbeitet.<br />
Frau La Marsch-Radler ist eine Journalistin, die Beiträge über die Anti-AKW-Bewegung für den Südwestfunk<br />
(SWF) und die Frankfurter Rundschau (FR) verfasst. Sie wird auch schon mal von der Bundeszentrale<br />
für Politische Bildung (BpB) zu Vorträgen eingeladen.<br />
Sabine ist Psychologiestudentin. Sie engagierte sich sowohl bei Anti-AKW-Aktivitäten in Wyhl,<br />
Kirschgarthausen [Kirschhausen] und Bibisheim [Biblis]. Sie wird später als wissenschaftliche Hilfskraft am<br />
Sonderforschungsprojekt Akzeptanz der Bürger bei Planungsmaßnahmen der Universität Mannheim eingestellt.<br />
Sie arbeitet gleichzeitig in der Mannheimer Bürgerinitiative Umweltschutz mit.<br />
Und dann gibt es im Buch noch Edgar Laimholz. Dieser hat jedoch eine andere Rolle. Er ist als Finanzkontrolleur<br />
bei der BadischenBauCompanie [Brown Boveri & Cie AG] in Mannheim und erkennt, dass<br />
das Unternehmen den Bau von Kraftwerksanlagen finanziell und technisch nicht bewältigen kann. Er<br />
versucht, bei Betriebsratswahlen mit einer eigenen Kandidatur aufzutreten und wird, nachdem er keinerlei<br />
Unterstützung von der IG-Metall erfuhr, gekündigt und entlassen.<br />
Bei der institutionellen Einbindung dieser jungen Sozialwissenschaftler und Journalisten in die Auseinandersetzung<br />
um die Akzeptanzerhöhung der AKWs bei der Bevölkerung einerseits und bei Atomkraftgegnern<br />
andererseits geht es um verschiedene Strategien: einmal sollen Dialogformen nach der Devise:<br />
Macht die Gegner breit und fördert die Unentschlossenheit in sogenannten Bürgerforen entwickelt werden;<br />
zum anderen sollen persönliche Kontakte und Verbindungen genutzt werden, um radikale Atomkraftgegner<br />
wie die Gruppe Hau weg den Scheiß ausfindig zu machen und sie dann für eine Antiterrorkampagne<br />
der Sicherheitskräfte zu instrumentalisieren. Zuletzt freilich wird zurückgegriffen auf eine USamerikanisches<br />
Propagandastrategie, die nach der atomaren Havarie von Harrisburg (am 28. März 1979)<br />
entwickelt wurde, um in den USA ein Moratorium zu verhindern. Nun sollen mit Atomkraft(werken)<br />
Ozonloch und Klimaerwärmung bekämpft und Klimaschutz betrieben werden.<br />
Wie Sch. als Autor und der Verlag im „Waschzettel“ betonen, beruht der Buchinhalt auf tatsächlichen<br />
Vorkommnissen bei der Umsetzung der Atompolitik in der Bundesrepublik. Dieser Hinweis ist im Grunde und<br />
cum grano salis, also im Großen und Ganzen, richtig. Viele Vorkommnisse wurden etwa zum „Fall<br />
Whyl“ (am Kaiserstuhl in Baden-Württemberg) in den letzten Jahren literarisch-ambitioniert ver- und<br />
aufgearbeitet und in Buchform publiziert[4].<br />
In diesem Buch freilich decken die vom Autor Sch. angewandte fiktive Bemäntelung, die arabeske formale<br />
Gestaltung mit Kunstflugrahmenhandlung und HALMA-Spielaufbau und der fehlende zeitliche<br />
Bezugsrahmen die Vorkommnisse mehr zu als auf, genauer: wären Vorhänge zu lüften und Kernaussagen<br />
zu konkretisieren, dann ergäben sich wenigstens diese Fragenbündel:<br />
(1) Die erzählte Handlungszeit erstreckt sich hauptsächlich von 1974/75 (Wyhl:<br />
Februargroßdemonstration) bis 1988 (Ramstein: Flugkatastrophe auf der Kunstflugschau). In diese Zeit<br />
fallen einerseits sowohl Entscheidungen für den Bau wesentlichen AKWs (etwa 1976: Brokdorf; 1977:<br />
Schneller Brüter in Kalkar) als auch andererseits erfolgreiche Protestbewegungen (Verhinderung des<br />
AKW am Kaiserstuhl und der Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf). Zugleich kam es drittens<br />
gleichwohl zur Erprobung der “Asse” (1967/78) als Atommüllzwischen- und sogenanntes „Versuchsendlager“<br />
für radioaktive Abfälle (seit 1995 verfüllt) und 1977 zur Standortentscheidung für Gorleben als<br />
Endlager. Buchautor Sch. berichtet davon, dass in diesen Auseinandersetzungen (sich ehemals als politisch<br />
links verstehende Studenten vorwiegend sozialwissenschaftlicher Disziplinen) die Anti-AKW-<br />
Bewegung im Auftrag des Atom-Industrie-Komplexes, von Regierung und Verbänden ausspionierten<br />
und zersetzten. Auch dies ist keine neue Erkenntnis, sondern auch heute noch nachlesbar in auch noch