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nalsozialisten, Flucht aus Deutschland, Emigration, schließlich Rückkehr des nun Siebzigjährigen nach<br />

Deutschland ...<br />

Was der DDR-Literaturwissenschaftler Franz Mierau, der, gemeinsam mit Cläre Jung und noch zu deren<br />

Lebzeiten, 1980, im Reclam-Verlag unter dem Titel Der tolle Nikolaus einen Band Franz Jung herausgab<br />

- was Herausgeber Mierau im ersten Band der Werkausgabe auf mehr als fünfzig Seiten als Chronik<br />

zu Leben und Schriften des Franz Jung sehr im Detail umfassend aufgelistet hat - dieses Leben in Widersprüchen<br />

und voller Widersprüche, dieses gelebte Leben mit Ecken und Kanten, Brüchen und<br />

Sprüngen, hat der Verlag kurz so skizziert:<br />

"Franz Jung - Uhrmachersohn, expressionistischer Dichter aus den Kreisen um den ´Sturm´ und die<br />

´Aktion´, anarchistischer Dadaist, Sozialist im Spartakusbund, Mitbegründer der Kommunistischen<br />

Arbeiterpartei Deutschlands, maßgebend in der Arbeiterbewegung in Deutschland und der Sowjetunion,<br />

Dramaturg bei Erwin Piscator in Berlin, Wirtschaftsanalytiker in Berlin und London".<br />

Und, genauer:<br />

"1888 in Neiße geboren, 1907 bis 1912 mehrfach unterbrochenes Studium von Nationalökonomie und<br />

Jura in Leipzig, Jena, Breslau und München. 1914 zunächst Kriegsfreiwilliger, dann Deserteur. 1918 Besetzer<br />

des Wolff'schen Telegraphenbüros in Berlin, 1919 Mitglied der KPD, 1920 der KAPD, Schiffsentführung<br />

nach Rußland, 1921 Teilnehmer am Mitteldeutschen Aufstand, mehrere Inhaftierungen, Arbeit<br />

bei der Internationalen Arbeiter-Hilfe in Sowjetrußland, 1924 bis 1936 als Handeisjournalist und<br />

Geschäftsmann in Berlin, 1936 Verhaftung durch die GESTAPO, Flucht nach Prag, Wien, Genf und<br />

Budapest, dort 1944 Verhaftung und Verurteilung zum Tode, Flucht, 1945 Konzentrationslager in Bozen,<br />

1945 bis 1948 in Italien, dann bis 1960 als Wirtschaftskorrespondent in den USA, Rückkehr nach<br />

Europa 1960, stirbt am 21. Januar 1963 in Stuttgart."<br />

Die frühen zwanziger Jahre, als noch so etwas wie eine proletarische Revolution praktisch möglich und<br />

strategisch nötig schien - das war die große Zeit des Franz Jung: wenn ich richtig recherchiert habe -<br />

dann erschienen in schneller Folge gerade in jenen Jahren der noch nicht politisch stabilisierten ersten<br />

deutschen Republik, 1918 bis 1924, allein acht Erzählungen, Novellen und Romane als Bücher, schrieb<br />

Franz Jung drei Theaterstücke und ein halbes Dutzend Pamphlete und politische Propagandabroschüren<br />

für das neue Rußland, dazu zahlreiche Artikel in Zeitungen und Zeitschriften und gab selbst die Zeitschriften<br />

Der Rote Aufbau. Monatszeitschrift der proletarischen Wirtschaftshilfe für Sowjetrußland<br />

1922/23 und später die antifaschistische Zeitschrift Der Gegner 1931/32 mit heraus - ein Blatt, das intellektuellen<br />

Querdenkern gegen die Nazis von links bis rechts eine Plattform geben sollte und nach wenigen<br />

Ausgaben Pleite ging.<br />

Und bevor sich Franz Jung dann 1961 mit seinen autobiographischen Aufzeichnungen aus einer großen<br />

Zeit, seinem Lebensbericht Der Weg nach unten, als Schriftsteller nach dreißig Jahren erzwungenem<br />

Schweigen und dem Vergessen zurückmeldete - erschien 1931, als Roman der Wirtschaftskrise in<br />

Deutschland zu Beginn der dreißiger Jahre, sein gesellschaftskritischer Roman: Hausierer - ein wie ich<br />

denke noch heute lesbarer Roman über die persönlichkeitszerstörende Wirkung von Arbeitslosigkeit<br />

und Unterbeschäftigung, der uns - nach einem Wort des italienischen Nationalökonomen und Soziologen<br />

Vilfredo de Pareto - eine angemessenere Vorstellung der großen Krise im bürgerlichen Deutschland<br />

vermitteln kann als so viele der direkten Zeitzeugnisse und so manche der inzwischen vorliegenden<br />

geschichtswissenschlichen Darstellungen über Weimars Ende.<br />

Auf Leben und Werk dieses ihres Franz Jung und ein Berliner Milieu politisierender Künstler, das Franz<br />

Jung hervorbrachte, trug und ihn doch später nicht mehr ertragen konnte, bezieht sich Cläre Jung auf<br />

fast allen Seiten ihres Berichts aus einem bewegten Leben. Sich selbst fast bis zur Unkenntlichkeit als<br />

Person und Frau an seiner Seite zurücknehmend in diesem vor fünfunddreißig Jahren geschriebenen<br />

Zeitzeugnis, spricht die Autorin vor allem durch andere, die sie kennenlernte und die sie jeweils ein<br />

Stück Wegs begleiteten: etwa von ihren Begegnungen. mit dem deutschschweizer Lyriker und Philoso-

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