17.11.2012 Aufrufe

Au s g ab e 03 / 0 8 Ausgabe Enterostomaversorgung

Au s g ab e 03 / 0 8 Ausgabe Enterostomaversorgung

Au s g ab e 03 / 0 8 Ausgabe Enterostomaversorgung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Deutschland versus Europa<br />

Die Krankenkassen sollen auch für die Produktfelder<br />

von Hilfsmitteln, für die bisher<br />

Festbeträge galten, <strong>Au</strong>sschreibungen machen.<br />

Das SGB V sieht hier vor, „die <strong>Au</strong>fforderung<br />

zur Abg<strong>ab</strong>e eines Angebotes<br />

unter Bekanntg<strong>ab</strong>e objektiver <strong>Au</strong>swahlkriterien<br />

an die Leistungserbringer auszuschreiben“.<br />

Durch diese Einräumung<br />

von neuen Wettbewerbsinstrumenten<br />

gerät der „<strong>Au</strong>ftraggeber Krankenkasse“ in<br />

eine neue Ebene der Gesetzgebung. Nun<br />

ist nicht mehr ausschließlich das SGB V<br />

bindend, sondern für <strong>Au</strong>sschreibungen<br />

gelten die Regelungen des Verg<strong>ab</strong>erechts<br />

öffentlicher <strong>Au</strong>ftraggeber nach den Richtlinien<br />

der Europäischen Union. Die Art der<br />

Verg<strong>ab</strong>e müsste demnach nach der Verdingungsordnung<br />

von Leistungen (VOL Teil A)<br />

erfolgen.<br />

Es kollidieren die nationale mit der internationalen,<br />

hier europaweiten Gesetzgebung.<br />

Deutschland bewegt sich nicht im rechtsfreien<br />

Raum, sondern es mangelt an einer<br />

eindeutigen Vorg<strong>ab</strong>e des Gesetzgebers, wie<br />

die Möglichkeiten nach dem GKV-WSG für<br />

die Krankenkassen umzusetzen sind.<br />

Das Bundesversicherungsamt hat bereits<br />

in 2007 in einem Rundschreiben an die<br />

Krankenkassen auf die Regeln nach Verg<strong>ab</strong>erecht<br />

(§§ 97-99 GWB / Gesetz gegen<br />

Wettbewerbsbeschränkungen) bei Arzneimitteln<br />

hingewiesen, wenn es sich um ein<br />

<strong>Au</strong>ftragsvolumen von über 206.000 Euro<br />

(§ 100 GBV i. V. m. Nr. 2 VgV / Schwellenwert<br />

der EU) handelt. Und diesen Schwellenwert<br />

erreichen Krankenkassen je nach<br />

Anzahl ihrer Versicherten und Produktgruppe<br />

sehr schnell.<br />

Am 09.05.2007 hat das Bundeskartellamt<br />

(Verg<strong>ab</strong>ekammer) nach Überprüfung<br />

der derzeitigen Gesetzeslage in Bezug auf<br />

<strong>Au</strong>fg<strong>ab</strong>en, Stellung und Finanzierung der<br />

Krankenkassen diese bereits als öffentliche<br />

<strong>Au</strong>ftraggeber eingestuft.<br />

Der Europäische Gerichtshof<br />

wird entscheiden<br />

Es liegt also im Interesse der Europäischen<br />

Union, ob Krankenkassen öffentliche <strong>Au</strong>ftraggeber<br />

sind, da die Regeln für alle EU-<br />

Länder gleich sein sollen. Die deutsche<br />

Recht<br />

Rechtsprechung hat alle bisherigen Klagen<br />

und Urteile bezüglich <strong>Au</strong>sschreibungen<br />

und Vertragsregelungen ausgesetzt, weil<br />

zunächst der Europäische Gerichtshof diese<br />

brisante Frage zu klären hat.<br />

Die anstehende Entscheidung des EuGH<br />

(Europäischen Gerichtshofes) hat weitreichende<br />

Folgen für die Krankenkassen und<br />

den Markt: sind diese öffentliche <strong>Au</strong>ftraggeber,<br />

so müssen alle benötigten Produkte<br />

und Dienstleistungen europaweit ausgeschrieben<br />

werden, und es gilt das Kartellverg<strong>ab</strong>erecht.<br />

Konsequenzen für den Markt<br />

Neben der Möglichkeit für die Medizin-<br />

und Pharmaindustrie Direktverträge mit<br />

den Krankenkassen <strong>ab</strong>zuschließen, würde<br />

die Entscheidung, dass Krankenkassen<br />

öffentliche <strong>Au</strong>ftraggeber sind, für alle Beteiligten<br />

einen erhöhten Verwaltungs- und<br />

damit auch Personalaufwand bedeuten.<br />

Schließlich müsste für alle Produktgruppen<br />

ausgeschrieben werden und alle <strong>Au</strong>sschreibungen<br />

für Anbieter einheitlich nach<br />

europäischem Verg<strong>ab</strong>erecht zugänglich<br />

gemacht werden. Die <strong>Au</strong>sschreibungen<br />

müssen eine eindeutige und erschöpfende<br />

Leistungsbeschreibung der gewünschten<br />

Produkte und Dienstleistungen enthalten,<br />

um zu verhindern, dass unzulässige Vorg<strong>ab</strong>en<br />

in den Verdingungsunterlagen bestimmte<br />

Anbieter benachteiligen.<br />

Durch Losverg<strong>ab</strong>e und Loslimitierung sollen<br />

Monopolstellungen verhindert werden,<br />

die durch das Kartellamt überwacht werden.<br />

Fraglich sind ebenso noch die Laufzeiten,<br />

wenn ein Anbieter eine <strong>Au</strong>sschreibung<br />

gewonnen hat und den Zuschlag der<br />

Krankenkasse erhält. Was bleiben dem<br />

unterlegenen Anbieter dann noch für Möglichkeiten?<br />

Daneben wird befürchtet, dass der Markt<br />

sich in drei Segmente aufteilen wird: In<br />

einen Billigmarkt, von dem man annimmt,<br />

dass sich hier insbesondere ausländische<br />

Anbieter einbringen. Einen Qualitätsmarkt,<br />

der sich durch eine weiterhin qualitativ<br />

akzept<strong>ab</strong>le Versorgung der Patienten auszeichnen<br />

wird. Und einen Selbstzahlermarkt,<br />

in dem der Patient für ein bestimmtes<br />

Produkt selbst dazuzahlen muss.<br />

Laut einer Umfrage des Kommunikationsforums<br />

Hilfsmittel (KFH) in 2006<br />

hat sich seit Einführung der Festbeträge<br />

für Stoma- und Inkontinenzprodukte im<br />

Jahre 2005 die Versorgungsqualität bereits<br />

deutlich gemindert. Achtzig Prozent<br />

der befragten Unternehmen konnten die<br />

Versorgungsqualität ihrer Patienten hinsichtlich<br />

der zu erbringenden Dienstleistungen<br />

und / oder benötigten Produkte<br />

nicht aufrechterhalten. Nahezu neunzig<br />

Prozent der Unternehmen g<strong>ab</strong>en an, dass<br />

die Festbeträge die Kostenstruktur nicht<br />

mehr <strong>ab</strong>decken. Hausbesuche, Beratung<br />

und individuelle Betreuung können immer<br />

weniger geleistet werden. Verschiedene<br />

Verbände und Selbsthilfegruppen befürchten,<br />

dass eine qualitativ notwendige<br />

Versorgung speziell im Bereich der Inkontinenz-<br />

und Stomaversorgung nicht mehr<br />

stattfi nden kann, eine Qualitätssicherung<br />

und Verbesserung nahezu ausgeschlossen<br />

ist.<br />

Und der Patient?<br />

Patienten müssen sich darauf einstellen,<br />

dass sie ihren Versorger nicht mehr frei<br />

wählen können. Der Kontakt zur Apotheke,<br />

zum Fachhändler oder Sanitätshaus der<br />

eigenen Wahl wird durch das Vertragsver-<br />

<strong>03</strong>/08<br />

15

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!