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jung & liberal - Junge Liberale Kreisverband Rhein-Sieg

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Thema<br />

Thema<br />

Unsere Ideale ertrinken vor Afrika<br />

Warum wir eine einheitliche Außen- und Sicherheitspolitik brauchen<br />

> von Alexander Plahr<br />

Die gute Nachricht zuerst: Europa<br />

wird freizügiger. Am 1. Januar<br />

2008 werden neun der zehn 2004<br />

beigetretenen Mitgliedsstaaten auch<br />

Teil des Schengen-Raums (die Ausnahme<br />

bildet der europäische Teil<br />

Zyperns). Alle Kontrollen an den Innengrenzen<br />

fallen dann weg, die an<br />

den Flughäfen wenige Monate später.<br />

Die schlechte Nachricht: An der<br />

Südgrenze der EU entfaltet sich ein<br />

immer dramatischere Züge annehmendes<br />

Flüchtlingsdrama. Allein im<br />

Jahr 2006 wurden über 50.000 afrikanische<br />

Migranten registriert, die<br />

illegal in die EU einreisten.<br />

Für 2007 wurde diese Zahl bereits<br />

im Sommer überschritten, und niemand<br />

vermag zu sagen, wie hoch die<br />

Dunkelziffer ist. Weder haben wir bisher<br />

wirksame Wege gefunden, diesen<br />

(Wohlstands-)Flüchtlingsstrom<br />

zu reduzieren, noch wird hinreichend<br />

untereinander kooperiert, um unsere<br />

Südgrenze zu schützen. Von ausreichenden<br />

Kapazitäten zur Rettung<br />

etlicher, bei dem Versuch nach Europa<br />

zu gelangen, in Seenot geratener<br />

Menschen ganz zu schweigen. Unsere<br />

Ideale, so kann man drastisch formulieren,<br />

ertrinken vor Afrika.<br />

GASP in den<br />

Kinderschuhen<br />

Dies zeigt, dass es noch immer keine<br />

nennenswerte EU-Außenpolitik<br />

gibt. Die GASP (Gemeinsame Außenund<br />

Sicherheitspolitik) als zweite<br />

Säule der Europäischen Union<br />

steckt weiterhin in den Kinderschuhen,<br />

gleiches gilt für die speziellere<br />

ESVP (Europäische Sicherheits- und<br />

Verteidigungspolitik). Außenpolitik<br />

wird zumeist immer noch national<br />

betrieben. Manchmal stimmen die<br />

nationalen Regierungen sich ab,<br />

manchmal aber auch nicht. Eine<br />

einheitliche Linie gibt es nur höchst<br />

selten, wirklich gemeinsames Auftreten<br />

noch seltener.<br />

Im Jahre 1991, als Jugoslawien auseinander<br />

fiel, war der damalige Ratspräsident<br />

Jacques Poos überzeugt:<br />

„Dies ist die Stunde Europas... nicht<br />

die Stunde der Amerikaner.“ Das<br />

Gegenteil war der Fall: Europa, gespalten<br />

von nationalem Denken und<br />

nationalen Debatten, war unfähig,<br />

vor der eigenen Haustür zu kehren;<br />

Nicht in der Lage, die Massaker zu beenden<br />

und geordnete Verhältnisse zu<br />

schaffen, notfalls zu erzwingen. Erst<br />

mit Hilfe von Außen konnte man den<br />

Krieg um Titos Erbe beenden und die<br />

ethnischen Säuberungen stoppen.<br />

Und heute? Angesichts des Flüchtlingsdramas<br />

im Mittelmeer wäre<br />

nicht nur ein drastischer Ausbau<br />

der europäischen Grenzschutzagentur<br />

FRONTEX angezeigt, sondern<br />

vor allem ein gemeinsames, ernsthaft<br />

betriebenes Vorgehen, um den<br />

Flüchtlingsstrom zu reduzieren.<br />

Eine Nachverhandlung der Absprachen<br />

mit nordafrikanischen Ländern<br />

etwa, dass diese ihre Grenzen besser<br />

schützen. Aber eben auch, dass sie<br />

dabei die Menschenrechte achten<br />

oder etwa ihren Verpflichtungen zur<br />

Seenotrettung nachkommen. Besserer<br />

Zugang zu den europäischen<br />

(Agrar-)Märkten statt alimentierender<br />

und durch 27 verschiedene<br />

Länder betriebene Entwicklungshilfe<br />

für die Subsahara-Region. Und eben<br />

auch, falls nötig, gemeinsame EU-<br />

Militärmissionen zur Stabilisierung<br />

einzelner Länder und Sicherung von<br />

Staatlichkeit. Denn nur wenn die<br />

Lebensumstände im eigenen Land<br />

Anlass zur Hoffnung geben, bleiben<br />

die Menschen. Die – im Rahmen ihrer<br />

kurzfristigen Zielsetzung – sehr<br />

erfolgreiche EU-Mission Artemis in<br />

der Demokratischen Republik Kongo<br />

etwa war ein solches Wahrnehmen<br />

unserer Verantwortung.<br />

Täglich machen sich <strong>jung</strong>e Männer<br />

(es sind zumeist Männer) in Mauretanien<br />

oder Marokko auf, um in<br />

Militärmissionen zur Sicherung<br />

von Staatlichkeit<br />

einer Nussschale Europa zu erreichen.<br />

Getrieben von bitterer Armut,<br />

der Hoffnung auf Arbeit und eine der<br />

sich wiederholenden Amnestiewellen<br />

in einem der südlichen EU-Staaten.<br />

Wenn sie Glück haben, werden ihre<br />

Boote aufgegriffen, bevor sie untergehen.<br />

Der ein oder andere schafft es<br />

sogar sich unbemerkt an den Strand<br />

zu schleppen. An den Strand eines<br />

Kontinents, der nach Innen geeint<br />

ist, weitgehend keine Grenzen oder<br />

unterschiedliche Währungen mehr<br />

benötigt, nach Außen aber mit verschiedenen<br />

Stimmen spricht.<br />

Beides, das Schicksal dieser Menschen<br />

und das außenpolitische Auftreten<br />

Europas sind in dieser Form<br />

nicht akzeptabel. Zugleich sind sie<br />

eng miteinander verbunden. Nur<br />

vereint werden wir es schaffen, unsere<br />

realpolitischen Probleme zu lösen<br />

– und zugleich vor unseren eigenen<br />

humanistischen Ansprüchen zu<br />

bestehen. Die organisatorischen wie<br />

juristischen Instrumente hierfür sind<br />

bereits heute alle vorhanden – umso<br />

mehr, wenn hoffentlich 2009 der Reformvertrag<br />

in Kraft tritt. Was jetzt<br />

noch fehlt, ist der politische Wille.<br />

Alexander Plahr (27) ist Programmatiker<br />

der JuLis NRW. Ihr erreicht<br />

ihn unter plahr@julis.de .<br />

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<strong>jung</strong> & <strong>liberal</strong> Ausgabe 3|2007<br />

foto: istockphoto.com

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