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jung & liberal - Junge Liberale Kreisverband Rhein-Sieg

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Thema<br />

Thema<br />

12<br />

13<br />

Baustelle Europa<br />

> von Julia Hesse<br />

Herausforderung EU-Erweiterung<br />

So richtig die EU-Osterweiterung war, so schwierig ist es bis heute, die Heterogenität der<br />

Mitgliedsstaaten unter einen Hut zu bekommen.<br />

> von Sven Janka<br />

An keinem anderen Gebiet wird<br />

derzeit so viel gebaut wie an Europa.<br />

Jeden Tag sind die Zeitungen voll:<br />

Die im Juni beendete deutsche Ratspräsidentschaft,<br />

die EU-Erweiterung<br />

und die immerwährende Diskussion<br />

um eine Europäische Verfassung.<br />

Doch auch negative Meldungen<br />

werden immer häufiger: (T-)Euro,<br />

Brüssel-Bürokratie und Überregulierung<br />

sind nur einige Schlagworte,<br />

die täglich durch die Presse schwirren.<br />

Die Bürger Europas haben immer<br />

seltener Interesse und noch<br />

weniger Verständnis für das, was in<br />

Brüssel passiert. Ablesen kann man<br />

dies vor allem an der Wahlbeteiligung,<br />

welche bei den Wahlen zum<br />

Europäischen Parlament regelmäßig<br />

unter 50 % liegt.<br />

Als Ursachen für dieses Desinteresse<br />

werden vor allem zwei Gründe genannt:<br />

Die Parteiendemokratie und<br />

das Gefühl der Bürger, ihre Anliegen<br />

von den Politikern nicht verstanden<br />

mehr<br />

Entscheidungsfreiheit<br />

zu wissen. Diese Gründe haben gemeinsam,<br />

dass die Bürger ihre Entscheidungsgewalt<br />

komplett in die<br />

Hände der Politik gelegt haben und<br />

nun mit dem Ergebnis mehr als unzufrieden<br />

sind.<br />

Die Antwort auf diese Entwicklung<br />

liegt somit auf der Hand: Wir<br />

müssen den Bürgern wieder mehr<br />

eigene Entscheidungsfreiheit zurückgeben<br />

und ihnen die Chance geben,<br />

selbst die tägliche Politik mehr<br />

mitzugestalten. In der Europapolitik<br />

ist dies besonders wichtig, um den<br />

Unionsbürgern ihre Union näher zu<br />

bringen. Das Haus Europa muss von<br />

allen mitgetragen werden, damit<br />

es ein festes Fundament bekommt.<br />

Wie könnte dies besser erreicht werden,<br />

als mit einem Europäischen<br />

Bürgerbegehren? Die Idee des Europäischen<br />

Bürgerbegehrens ist nicht<br />

neu. Seit 1988 hat das Europäische<br />

Parlament mehrmals versucht, ein<br />

Bürgerinitiativrecht einzuführen.<br />

Der erste nennenswerte Durchbruch<br />

für das Europäische Bürgerbegehren<br />

gelang im Juni 2003, als<br />

der Europäische Konvent dieses in<br />

den Verfassungsentwurf aufnahm.<br />

Gemäß Artikel I-47.4 soll es für Bürger<br />

aus verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten<br />

möglich sein, gemeinsam<br />

ein bestimmtes Thema auf die Agenda<br />

der Europäischen Kommission<br />

zu setzen, sofern es gelingt, für ihr<br />

Anliegen eine Million Unterschriften<br />

in „einer erheblichen Anzahl von<br />

Mitgliedsstaaten“ (Artikel I-47.4 EU-<br />

Verfassung) zu sammeln.<br />

Die Idee der „European Citizens Initiative“<br />

(ECI) wurde nach dem Scheitern<br />

der Bürgerbegehren über die<br />

EU-Verfassung in den Niederlanden<br />

und Frankreich geboren, um die Einführung<br />

des Europäischen Bürgerbegehrens<br />

zu fordern. Die ECI sammelt<br />

Unterschriften für eine zeitnahe Umsetzung<br />

des Europäischen Bürgerbegehrens<br />

in geltendes Europarecht.<br />

Das Europäische Bürgerbegehren<br />

legt die Europäische Kommission<br />

nicht auf ein bestimmtes Handeln<br />

oder eine bestimmte Entscheidung<br />

fest, es verpflichtet sie aber, sich in<br />

verbindlicher Weise mit dem Vorschlag<br />

der Bürger auseinander zu<br />

setzen. Wird die Kommission hieraufhin<br />

nicht oder nicht angemessen<br />

tätig, wird sie dies der Öffentlichkeit<br />

sehr genau begründen müssen.<br />

Nur mit der Unterstützung der<br />

Bauherren ist es möglich, dass ein<br />

Bauvorhaben nicht in einer Bruchbude<br />

endet, sondern ein Haus wird,<br />

in dem sich alle wohl fühlen können.<br />

Gerade jetzt, wo nach dem neu ausgehandelten<br />

Mandat für eine Regierungskonferenz<br />

zur Änderung der<br />

EU-Verträge nicht klar ist, wie es mit<br />

Europa weiter geht, muss ein neuer<br />

Bauplan erstellt werden: Die Politiker<br />

können hierbei nur die Architekten<br />

sein, die das technische Handwerkszeug<br />

mitbringen, um die Wünsche<br />

der Bauherren umzusetzen.<br />

Das Europäische Bürgerbegehren ist<br />

in diesem Mandat enthalten. Doch<br />

muss jetzt darauf geachtet werden,<br />

dass dieses in dem Verhandlungsprozess<br />

nicht zu einem zahnlosen Tiger<br />

wird, sondern zu einem für die Unionsbürger<br />

wirksamen und greifbaren<br />

Mitwirkungsrecht. Das Europäische<br />

Mitwirkungsrecht als<br />

zahnloser Tiger<br />

Bürgerbegehren wird die Wahrnehmung<br />

dafür schärfen, wie viele Angelegenheiten<br />

des täglichen Lebens<br />

von der EU beeinflusst werden. Das<br />

Europäische Bürgerbegehren wird<br />

Anreize schaffen, europaweit Allianzen<br />

zu bilden und über die Grenzen<br />

hinweg Menschen für ein Anliegen<br />

zu mobilisieren. Dies wird zur<br />

Ausdifferenzierung und Stärkung des<br />

Interesses für Europa und der europäischen<br />

Zivilgesellschaft beitragen.<br />

Nur so ist es möglich, das zu schaffen,<br />

was für uns <strong>Liberale</strong> essentiell<br />

ist: Eigenverantwortliche Bürger, die<br />

sich für ihre Gesellschaft interessieren<br />

und sie aktiv mitgestalten.<br />

Julia Hesse (25) ist Diplom-Juristin,<br />

kommt aus Berlin und studiert European<br />

and Comparative Law in<br />

Gent. Ihr erreicht sie unter julia.<br />

hesse@eu-buergerbegehren.org<br />

Vor dem Beitritt der zehn neuen<br />

Mitgliedsstaaten im Jahre 2004<br />

bestanden politisch und ökonomisch<br />

erhebliche Zweifel, ob insbesondere<br />

die ehemals sozialistisch geprägten,<br />

osteuropäischen Länder bereit für<br />

eine Aufnahme in die Europäische<br />

Union waren. Zu groß war die historisch<br />

gewachsene Kluft hinsichtlich<br />

Wirtschaftsleistung, Sozialsystemen<br />

und Mentalität, als dass die Aufnahme<br />

von Estland, Lettland, Litauen,<br />

Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn,<br />

Slowenien, Malta und Zypern<br />

ohne Vorbehalte hätte stattfinden<br />

können. Am 1. Januar 2007 traten<br />

schließlich auch Rumänien und Bulgarien<br />

der Europäischen Union bei.<br />

Doch schien die Skepsis zunächst<br />

nicht angebracht zu sein: Die Bevölkerungen<br />

in den neuen Beitrittsländern<br />

bewerten den EU-Beitritt mehrheitlich<br />

positiv, die befürchtete Ablehnung<br />

Ablehnung der Mitgliedschaft<br />

ist ausgeblieben<br />

der Menschen ist ausgeblieben. Auf<br />

den zweiten Blick könnte dies allerdings<br />

auch an den Geschenken<br />

durch die EU liegen, welche die Politiker<br />

ihren Bürgern versprechen<br />

können: Im Rahmen ihrer Kohäsionspolitik<br />

stellt die EU den neuen<br />

Beitrittsländern in den Jahren 2007<br />

bis 2013 mehr als 175 Milliarden<br />

Euro an Beihilfen in Aussicht. Das<br />

sind beinahe 50% des gesamten<br />

Budgets in Höhe von 347 Milliarden<br />

Euro für diesen Zeitraum. Hinzu<br />

kommen die Zahlungen aus den neu<br />

geschaffenen Strukturfonds für die<br />

Entwicklung von ländlichen Gebieten<br />

(sprich: Agrarsubventionen), der<br />

für die Jahre 2007 bis 2013 über ein<br />

Gesamtbudget von beinahe 78 Milliarden<br />

Euro verfügt. Darüber hinaus<br />

wurden den übrigen Mitgliedsländern<br />

weitere Zugeständnisse abgerungen,<br />

die für heftige Kontroversen<br />

gesorgt haben, beispielsweise die<br />

überproportionalen Stimmrechte,<br />

die sich Polen für die kommenden<br />

zehn Jahre gesichert hat.<br />

An der Zuweisung von finanziellen<br />

Mitteln zur allmählichen Angleichung<br />

des Lebensstandards in den neuen<br />

Beitrittsländern führt wohl kein Weg<br />

vorbei. Schließlich profitierten in den<br />

vergangenen Jahren vor allem Irland,<br />

Portugal, Spanien und Griechenland<br />

Kluge Reformen in<br />

Beitrittsländern<br />

ebenfalls von Zahlungen aus den<br />

verschiedenen Fördertöpfen und es<br />

wäre kaum vermittelbar, den neuen<br />

Mitgliedsstaaten ebensolche Förderungen<br />

im Verhältnis zu kürzen oder<br />

gar zu verweigern. Doch während die<br />

zuvor aufgezählten Länder einige Erfolge<br />

in ihrer jeweiligen nationalen<br />

Haushaltspolitik vorweisen können,<br />

sieht es insbesondere bei den großen<br />

Neumitgliedern stellenweise noch<br />

düster aus: Ungarn weist für das Jahr<br />

2006 ein Staatsdefizit von 9,2% aus,<br />

nach 7,8% im Jahr 2005. In Polen sind<br />

es für den abgelaufenen Berichtszeitraum<br />

3,9% nach 4,3% im Vorjahr.<br />

Zwar haben Italien und Portugal ähnliche<br />

Probleme mit ihrem Staatsdefizit,<br />

doch zeigen die kleineren Neumitglieder<br />

wie Estland und Lettland,<br />

dass es mit Hilfe kluger Reformen und<br />

richtiger Anreize für Wirtschaft und<br />

Bevölkerung durchaus möglich ist, einen<br />

Haushaltsüberschuss zu erzielen.<br />

Auch hinsichtlich der Korruptionsbekämpfung<br />

besteht bei vielen der<br />

neuen Mitgliedsstaaten noch Nachholbedarf.<br />

Neben Positivbeispielen<br />

wie Estland, das im Korruptionsindex<br />

von Transparency International<br />

mit Platz 24 noch weit vor „alten“<br />

EU-Staaten wie Italien (Platz 45) und<br />

Griechenland (Platz 54) liegt, belegt<br />

Rumänien Platz 84 und liegt damit<br />

unter anderem gleichauf mit Panama<br />

und Sri Lanka. Eine starke Anfälligkeit<br />

für Korruption gepaart mit<br />

hohen Zahlungen aus den Finanztöpfen<br />

der EU bedeuten eine nicht unerhebliche<br />

Gefahr für Fehlallokationen<br />

von Fördermitteln.<br />

Die Osterweiterung der EU war<br />

wichtig und richtig, daran darf kein<br />

Zweifel bestehen. Doch die politischen<br />

und wirtschaftlichen Differenzen,<br />

die bereits zwischen den alten<br />

EU-Mitgliedsstaaten bestanden<br />

haben, verstärken sich durch die nun<br />

noch stärkere Heterogenität der Mitglieder<br />

noch weiter. Das hierdurch<br />

entstehende Konfliktpotenzial innerhalb<br />

der EU erschwert einen einheitlichen<br />

Auftritt nach außen, der im<br />

Rahmen des verschärften internationalen<br />

Wettbewerbs umso wichtiger<br />

wird. Eine <strong>liberal</strong> geprägte Europapolitik,<br />

die frei von nationalen Egoismen<br />

das Ziel des geeinten, gemeinsamen<br />

Europas verfolgt, ist heute mehr denn<br />

je nicht nur in Deutschland, sondern<br />

in ganz Europa vonnöten.<br />

Sven Janka (28) ist J&L Redakteur.<br />

Ihr erreicht ihn unter sven.janka@<br />

berlin.de.<br />

<strong>jung</strong> & <strong>liberal</strong> Ausgabe 3|2007

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