Die verlorene Brieftasche – Lost and Found
Die verlorene Brieftasche – Lost and Found
Die verlorene Brieftasche – Lost and Found
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<strong>Die</strong> <strong>verlorene</strong> <strong>Brieftasche</strong> – <strong>Lost</strong> <strong>and</strong> <strong>Found</strong><br />
Zum Film<br />
Ab 10 Jahren<br />
Buch/Regie: Kaizad Gustad<br />
Produktion: Filmworks India PVT. Ltd., Indien<br />
Kamera: Piyush Shah<br />
Ton/Musik: Dileep Subramaniam, Ram Sampath<br />
Schnitt: Renu Saluja<br />
Darsteller: Siraj Khan, Janardhan Parab,<br />
Rajika Puri u.a.<br />
Sprache: englisch, deutsch untertitelt<br />
Kurzinhalt<br />
Munna, ein Schuhputzerjunge aus Bombay,<br />
fi ndet die mit viel Geld gefüllte <strong>Brieftasche</strong><br />
eines seiner Kunden. Was soll er tun?<br />
Entgegen des Ratschlages eines Freundes<br />
beschliesst er, den wertvollen Fund dem<br />
Eigentümer zurückzugeben. Doch dies ist<br />
schwieriger als gedacht: Das Haus des Besitzers<br />
ist von hohen Mauern umgeben, und<br />
der Wächter will Munna nicht hineinlassen.<br />
Er steigt über die Mauern und schleicht in<br />
den Wohnblock. Aber an der Wohnungstüre<br />
wird er als möglicher Bettler erneut<br />
abgewiesen. Als er die <strong>Brieftasche</strong> auf<br />
einer Polizeistation abgeben will, macht er<br />
Bekanntschaft mit einem korrupten Beamten,<br />
der ihm bald schon auf den Fersen<br />
ist. Es beginnt eine wilde und nicht immer<br />
ganz ernst zu nehmende Verfolgungsjagd,<br />
der Munna nur knapp entkommt. Endlich<br />
zu Hause, wird er vom Vater angeschrien,<br />
da er zu wenig Lohn nach Hause bringt. Am<br />
<strong>and</strong>eren Morgen fährt der Besitzer wieder<br />
vor und fragt nach der <strong>Brieftasche</strong>. Munna<br />
sagt, er habe sie nicht gesehen.<br />
Indien<br />
Fläche (Weltrang: 7): 3 287 263 km 2<br />
Einwohner (Weltrang: 2): 997 515 000, 303<br />
je km 2<br />
Hauptstadt: Neu-Delhi, 7 206 704 Einw.<br />
Amtssprache(n): Hindi, Englisch, 17 gleichberechtigte<br />
Regionalsprachen<br />
Bruttosozialprodukt 1999 je Einw.: 440 $<br />
Währung: 1 Indische Rupie (iR) = 100 Paise<br />
Staatsoberhaupt: Kocheril Raman Narayanan<br />
Regierungschef: Atal Bihari Vajpayee<br />
Äusseres: Jaswant Singh<br />
Nationalfeiertag: 26.1. (Tag der Republik)<br />
L<strong>and</strong>esstruktur: 28 States (Bundesstaaten)<br />
und 7 Union Territories<br />
Politisches System:<br />
Bundesrepublik (im Commonwealth) seit<br />
1950<br />
Verfassung von 1950<br />
Bundesparlament: Haus des Volkes (Lok<br />
Sabha) mit 543 alle 5 J. gewählten Mitgl.<br />
(ausserdem 2 vom Staatsoberh. nominierte<br />
Mitgl. der anglo-indischen Gemeinschaft)<br />
und Rat der Staaten (Rajya Sabha) mit 245<br />
Mitgl., davon 237 Mitgl. alle 6 J. (bzw. 1/3<br />
alle 2 Jahre) durch die Parlamente der Bundesstaaten<br />
gewählt und 8 Mitgl. vom Staatsoberh.<br />
ernannt<br />
Wahl des Staatsoberh. alle 5 J. durch<br />
Wahlmännerkollegium<br />
Wahlrecht ab 18 J.<br />
Zitiert nach Fischer Weltamanach 2002<br />
Mumbai<br />
Auch Bombay, Numbai, Asumumbai<br />
genannt<br />
Mumbai ist die Hauptstadt des Bundesstaates<br />
Maharashtra und gilt als das führende Finanzund<br />
Wirtschaftszentrum von Indien. Auch<br />
besitzt Mumbai einen der grössten Naturhäfen<br />
der Welt. Ein grosser Teil des nationalen<br />
Gesamtimports wird hier gelöscht, und auch<br />
in Westindien hergestellte Waren werden<br />
von Mumbai aus exportiert. <strong>Die</strong> bedeutendste<br />
Baumwollbörse Indiens fi ndet man in<br />
Mumbai. Durch den Eisenbahnbau in der<br />
Mitte des 19. Jahrhunderts und die Errichtung<br />
von Baumwollspinnereien und -webereien<br />
wurde die starke Industrialisierung<br />
initiiert. Daraus hat sich eine erfolgreiche<br />
Textilindustrie entwickelt. Druckerzeugnisse,<br />
Schiffsbau, Medien und Wartung sowie die<br />
<strong>Die</strong> <strong>verlorene</strong> <strong>Brieftasche</strong><br />
Materialien für den Unterricht<br />
1
Herstellung von Maschinen, Chemikalien,<br />
Metallverarbeitung, Eisenwaren und Düngemitteln<br />
sind weitere führende Industriezweige.<br />
In Mumbai ist die seit den fünfziger<br />
Jahren und auch heute noch sehr fl orierende<br />
Filmindustrie Indiens beheimatet.<br />
<strong>Die</strong> Stadt mit über 15 Millionen Einwohnern<br />
wird aus allen L<strong>and</strong>esteilen durch zunehmende<br />
Immigration übervölkert, da die Aus-<br />
Fischer Weltalmanach 2001<br />
dehnung aufgrund ihrer Lage auf einer<br />
Halbinsel eingeschränkt ist.<br />
Durch Schnitzereien in Höhlen der Salsette-<br />
Insel, die auf das 2. bis 9. Jahrhundert<br />
zurückgehen, wird die frühe Besiedlung der<br />
Region nachgewiesen.<br />
<strong>Die</strong> <strong>verlorene</strong> <strong>Brieftasche</strong><br />
Materialien für den Unterricht<br />
2
Schwerpunkt<br />
Im Vordergrund des ausgearbeiteten Unterrichtsvorschlages<br />
ist die emotionale Ausein<strong>and</strong>ersetzung<br />
mit den Hauptfragen des<br />
Filmes: <strong>Die</strong> Beziehung der Kinder zu den<br />
Erwachsenen, die Frage nach Eigentum und<br />
Gerechtigkeit und die Kinderarbeit. Damit<br />
die Arbeit am Film nicht nur gefühlsbezogen<br />
abläuft, werden die Kinder mit Fakten<br />
zur Kinderarbeit konfrontiert.<br />
Ziele<br />
Sich in die wiederholten Unterlegenheitssituationen<br />
des Hauptdarstellers einfühlen<br />
können.<br />
Im Rollenspiel alternative Verhaltensweisen<br />
entwickeln und ausprobieren können.<br />
Informationen über Kinderarbeit zur Kenntnis<br />
nehmen und mit der eigenen Situation<br />
verknüpfen können.<br />
Didaktischer Zugang<br />
Der in seinem Aufbau einfach gehaltene Film<br />
erlaubt es, im Unterricht einzelne Sequenzen<br />
nachzuspielen, zu verfremden und neu zu<br />
gestalten. Das Rollenspiel bietet gute Möglichkeiten,<br />
um emotionale Aspekte nachzuerleben<br />
und zu refl ektieren.<br />
Das rein kognitive Aneignen von Faktenwissen<br />
stellt den Bezug zur für Kinder oft<br />
schwer verständlichen Realität der Kinderarbeit<br />
wieder her.<br />
<strong>Die</strong> <strong>verlorene</strong> <strong>Brieftasche</strong><br />
Materialien für den Unterricht<br />
3
Didaktische Umsetzung<br />
Teilziele<br />
Einführung<br />
Visionieren<br />
Erste Eindrücke<br />
sammeln<br />
Rollenspiel, vertiefte<br />
Bearbeitung<br />
ausgewählter Aspekte<br />
des Films<br />
Auswertung Rollenspiel,<br />
Kurzfassung<br />
Auswertung Rollenspiel,<br />
ausführliche Fassung<br />
Hintergrundwissen<br />
erarbeiten<br />
Methode<br />
<strong>Die</strong> Lehrperson kündigt den Kindern einen Film aus<br />
Indien an. Je nach Klassenstufe ist ein Blick auf die<br />
Weltkarte, das mündliche Zusammentragen von<br />
Vorwissen oder eine Kurzinformation durch die<br />
Lehrperson sinnvoll.<br />
Anschauen des Filmes ohne Unterbrechung. Eventuell<br />
können folgende Beobachtungsaufträge die<br />
Wahrnehmung steigern:<br />
Wie Verhalten sich die Erwachsenen gegenüber<br />
Munna?<br />
Woran bemerkst du, dass der Film in Indien spielt?<br />
Wie werden Arm und Reich unterschieden?<br />
Wie ist die Kameraführung bei den<br />
Verfolgungsjagden, wo ist die Kamera?<br />
Wie unterstützt die Musik die Filmh<strong>and</strong>lung?<br />
In einem «stummen W<strong>and</strong>tafelgespräch» notiert jedes<br />
Kind in wenigen Stichworten das, was es im Film als am<br />
bewegendsten empfunden hat. Zu Beiträgen von<br />
Mitschülerinnen und -schülern kann es sich<br />
ebenfalls auf der W<strong>and</strong>tafel äussern.<br />
Alternativ können die Beobachtungsaufträge mündlich<br />
ausgewertet werden.<br />
In Zweiergruppen spielen die Kinder die auf dem<br />
Arbeitsblatt (Seite 6) skizzierten Szenen. Im ersten<br />
Durchgang spielen die Kinder die Szene wie im Film,<br />
beim zweiten versuchen sie, eine <strong>and</strong>ere Lösung der<br />
Situation zu finden.<br />
<strong>Die</strong> Lehrperson achtet bei der Zusammenstellung der<br />
Gruppen auf die Ausgewogenheit der Geschlechter<br />
(Aufteilung, Rollenverteilung) oder arbeitet bewusst mit<br />
geschlechtergetrennten Gruppen. Je nach Zeitbudget<br />
kann jede Szene zweimal mit vertauschten Rollen oder<br />
mit verschiedenen Ausgängen gespielt werden.<br />
Im Plenum berichten die Gruppen von ihren<br />
Erfahrungen, ihren Gefühlen und den Lösungen, die sie<br />
gefunden haben.<br />
Jede (oder ausgewählte) Gruppe spielt ihre Szene vor.<br />
<strong>Die</strong> Schauspielerinnen und Schauspieler schildern<br />
anschliessend ihre Gefühle. <strong>Die</strong> <strong>and</strong>eren Kinder<br />
schlagen alternative Verhaltensweisen vor und<br />
übernehmen dafür in einem weiteren Durchgang die<br />
entsprechende Rolle.<br />
Um den Film nicht nur losgelöst von der Situation in<br />
Indien zu betrachten, lernen die Kinder Fakten und<br />
Ursachen von Kinderarbeit in südlichen Ländern<br />
kennen. <strong>Die</strong> Arbeitsblätter (Seiten 8-10) werden in<br />
Einzelarbeit gelöst und anschliessend besprochen.<br />
Denkbar und je nach Verlauf als zusätzliche Anregung<br />
sinnvoll ist die Bearbeitung dieser Arbeitsblätter<br />
zwischen zwei Blöcken «Auswertung Rollenspiel».<br />
<strong>Die</strong> <strong>verlorene</strong> <strong>Brieftasche</strong><br />
Materialien für den Unterricht<br />
Minuten<br />
10<br />
25<br />
10–15<br />
30–45<br />
60<br />
oder<br />
2 x 45<br />
45–60<br />
4
Weiterführende Ideen Eine deutlich schärfere, auf Mädchen bezogene<br />
Darstellung der Kinderarbeit fi nden Sie<br />
Alternativer Einstieg<br />
im Film «Himmel und Hölle» und im zugehö-<br />
Vor der Visionierung überlegen die Schülerinnen,<br />
die Schüler eine Geschichte mit dem<br />
Titel «<strong>Lost</strong> <strong>and</strong> <strong>Found</strong>», anh<strong>and</strong> der Bilder<br />
rigen Begleitmaterial. <strong>Die</strong>ser Film ist allerdings<br />
nur für die Arbeit mit älteren Jugendlichen<br />
geeignet.<br />
auf dem Seitenstreifen der Unterrichtsein- Für die Bearbeitung des Themas ist auch<br />
heit.<br />
der Film «<strong>Die</strong> kleine Verkäuferin der Sonne»<br />
<strong>Die</strong> Geschichte weiterdenken<br />
geeignet.<br />
<strong>Die</strong> Schülerinnen und Schüler äussern sich<br />
Historische Aspekte der Kinderarbeit<br />
schriftlich zu einer der folgenden Fragen: Im Geschichtsunterricht wird die Kinderar-<br />
Was passiert nach dem Film, was macht<br />
Munna mit dem vielen Geld, das von der<br />
Kaufkraft für tägliche Nahrung her etwa<br />
beit in Europa während der beginnenden<br />
Industrialisierung zum Thema gemacht. Als<br />
Hilfestellung dient das Arbeitsblatt Seite 12.<br />
1700 Euro/2500 Franken entspricht, vom Bombay/Indien<br />
Wechselkurs her allerdings nur etwa 60<br />
Euro/90 Franken?<br />
Nach einer zweiten Visionierung des Filmes<br />
tragen die Kinder zusammen, was sie durch<br />
Wie hätte sich die Geschichte entwickelt, den Film über Indien/Bombay gelernt haben.<br />
wenn die Haushälterin des Reichen Munna Fragen werden mit zusätzlichen Informatio-<br />
hereingelassen hätte?<br />
nen geklärt. (Beachten Sie auch die Link-Liste<br />
Eine eigene Geschichte schreiben<br />
auf dieser DVD.)<br />
<strong>Die</strong> Kinder schreiben eine Geschichte, in Kinderrechte<br />
der folgende Satzbausteine vorkommen Munnas Leben lässt sich mit Hilfe des ent-<br />
müssen:<br />
sprechenden Arbeitsblattes aus der Unter-<br />
Einmal wollte ich …<br />
richtseinheit zum Film «Himmel und Hölle»<br />
<strong>Die</strong> <strong>and</strong>ern dachten, ich würde …<br />
mit den Kinderrechten vergleichen.<br />
oder<br />
Medienpädagogische Anregungen<br />
Ich wollte etwas Gutes tun, die <strong>and</strong>eren Filmanalyse:<br />
haben mich missverst<strong>and</strong>en.<br />
Mit welchen Mitteln wird im Film:<br />
Transfer auf die eigene Situation<br />
Spannung erzeugt?<br />
In einer Diskussion, als Aufsatz oder als<br />
Rollenspiel äussern sich die Schülerinnen<br />
und Schüler zu der Frage, wie sie reagieren<br />
würden, wenn sie eine <strong>Brieftasche</strong> mit 1 000<br />
Armut/Reichtum dargestellt?<br />
die Bedrohung durch Erwachsene gezeigt?<br />
Mit welchen Gesten und Körperhaltungen<br />
werden Macht und Ohnmacht ausgedrückt?<br />
Euro/Franken fi nden würden.<br />
Selbst einen Film drehen:<br />
<strong>Die</strong> Schülerinnen und Schüler schreiben und<br />
drehen selbst einen Film zu einem der folgenden<br />
Themenbereiche:<br />
Vertiefte Ausein<strong>and</strong>ersetzung mit Kinderarbeit<br />
<strong>Die</strong> älteren Schülerinnen und Schüler recherchieren<br />
selbständig in Gruppen- oder Einzelarbeit<br />
zum Thema Kinderarbeit: Projekte<br />
von Hilfswerken, UNICEF, Label für fairen<br />
H<strong>and</strong>el etc. (Beachten Sie auch die Link-Liste<br />
im DVD-Rom-Teil.)<br />
<strong>Die</strong> Ergebnisse werden in Form von Vorträgen,<br />
Plakaten oder Dokumentationen präsentiert.<br />
Finden – Eigentum<br />
Kinderarbeit<br />
Umgang von Erwachsenen mit Kindern<br />
<strong>Die</strong> <strong>verlorene</strong> <strong>Brieftasche</strong><br />
Materialien für den Unterricht<br />
5
Aufträge Rollenspiel I<br />
Spielt die Szenen beim ersten Mal so durch, wie ihr sie im Film gesehen habt. Versucht in einem zweiten Durchgang<br />
eine <strong>and</strong>ere Lösung, die euch besser gefällt, die ihr spannender oder gerechter oder realistischer fi ndet, zu spielen.<br />
Überlegt und besprecht nach jedem Durchgang, wie ihr euch in euren Rollen gefühlt habt.<br />
Munna putzt dem Reichen die Schuhe. Anschliessend<br />
bezahlt der/die Reiche die Arbeit. Arbeitet mit<br />
Stühlen und Hockern, sodass der/die Reiche deutlich<br />
höher sitzt.<br />
Munna will den Besitzer der <strong>Brieftasche</strong> besuchen.<br />
Seine Haushälterin verwehrt ihm an der Wohnungstüre<br />
den Eintritt.<br />
Munna teilt seinem Freund mit, dass er eine <strong>Brieftasche</strong><br />
mit 2 500 Rupien gefunden hat. <strong>Die</strong>ser will<br />
ihn davon überzeugen dass …<br />
Munna will dem Polizisten die <strong>Brieftasche</strong> übergeben,<br />
plötzlich überlegt er sich die Sache <strong>and</strong>ers.<br />
Als Einstieg in die Rollenspiele könnt ihr auch versuchen, die Begriffspaare «arm – reich, mächtig – ohnmächtig»<br />
pantomimisch darzustellen.<br />
<strong>Die</strong> <strong>verlorene</strong> <strong>Brieftasche</strong><br />
Materialien für den Unterricht<br />
6
Aufträge Rollenspiel II<br />
Spielt die Szenen beim ersten Mal so durch, wie ihr sie im Film gesehen habt. Versucht in einem zweiten Durchgang<br />
eine <strong>and</strong>ere Lösung, die euch besser gefällt, die ihr spannender oder gerechter oder realistischer fi ndet, zu spielen.<br />
Überlegt und besprecht nach jedem Durchgang, wie ihr euch in euren Rollen gefühlt habt.<br />
Der Ganove mit dem Stellmesser will mit Munna<br />
«teilen» und versucht ihm die <strong>Brieftasche</strong> abzunehmen.<br />
Am zweiten Tag lässt sich der Reiche* die Schuhe<br />
wieder putzen. Er fragt, ob Munna gestern seine<br />
<strong>Brieftasche</strong> gefunden hat.<br />
*Das kann im Rollenspiel natürlich auch eine Reiche sein!<br />
Munna kommt nach Hause. Seine Eltern fragen<br />
ihn aus, weshalb er so lange weggeblieben ist. Der<br />
Vater wird wütend, dass Munna nur fünf Rupien<br />
verdient hat. <strong>Die</strong> Mutter versucht den Streit zu<br />
schlichten.<br />
Der Reiche ist zum zweiten Mal weggefahren.<br />
Munna und seine Freunde besprechen, was sie mit<br />
dem Geld machen wollen.<br />
Als Einstieg in die Rollenspiele könnt ihr auch versuchen, die Begriffspaare «arm – reich, mächtig – ohnmächtig»<br />
pantomimisch darzustellen.<br />
<strong>Die</strong> <strong>verlorene</strong> <strong>Brieftasche</strong><br />
Materialien für den Unterricht<br />
7
Schuften statt spielen<br />
Auf unserer Welt arbeiten 300 Millionen Kinder, viele werden brutal ausgebeutet.<br />
Mithun durchsucht die Müllhaufen in Bombay nach Plastik und Alufolie und verkauft seine<br />
Ausbeute an einen Müllhändler. Mo bedient jeden Tag die Freier, die scharenweise in das<br />
Bordell in Bangkok kommen. Djedje pfl ückt während der Erntezeit zusammen mit Eltern und<br />
Geschwistern von morgens bis abends Kaffeebohnen. Jane ist am Ende ihrer Karriere als Turnerin,<br />
weil ihre Wirbelsäule wegen zu hoher Belastungen schwer geschädigt ist. Betty näht<br />
jeden Tag zehn Stunden lang Puppenkleider im Industriegebiet von Medan in Indonesien.<br />
Alberto schleppt Kohleloren durch die Stollen eines Schachtes in Bolivien.<br />
Mithun ist acht Jahre alt, Mo zwölf, Djedje<br />
sieben, Jane, Betty und Alberto sind 13.<br />
Sie sollten eigentlich zur Schule gehen und<br />
genug Freizeit haben, sie sollten vor Ausbeutung<br />
und gefährlicher Arbeit geschützt sein.<br />
So zumindest wollen es die Kinderrechtskonvention<br />
der Vereinten Nationen, die<br />
Vereinbarungen der Internationalen Arbeitsorganisation<br />
(ILO) und die Gesetze ihrer<br />
Länder.<br />
Kinderarbeit ist fast überall auf der Welt<br />
verboten und dennoch eine Massenerscheinung.<br />
Laut UNO arbeiten weltweit 300 Millionen<br />
Kinder unter 15 Jahren. Eine neue<br />
Untersuchung der ILO gibt an, dass 120 Millionen<br />
Kinder zwischen fünf und 14 Jahren<br />
Tag für Tag schuften und 250 Millionen<br />
Kinder stunden- oder wochenweise arbeiten.<br />
140 Millionen Kinder zwischen sechs<br />
und elf Jahren gehen laut UNESCO nicht zur<br />
Schule – das ist ein Viertel der Kinder in den<br />
Entwicklungsländern –, auch dies ein Indikator<br />
für Kinderarbeit.<br />
Kinderarbeit ist unsichtbar<br />
Nicht alle diese Kinder arbeiten unter Bedingungen,<br />
die ausbeuterisch sind. Wer während<br />
der Ernte mithilft, wer zu Hause im<br />
Haushalt anpackt, wer Zeitungen austrägt<br />
oder kleine Kinder hütet, wird vielleicht<br />
zuweilen keine Lust zu dieser Arbeit haben<br />
– Ausbeutung liegt hier aber sicher nicht<br />
vor. Kritisch wird die Sache, wenn solche an<br />
sich ungefährlichen Arbeiten von sehr kleinen<br />
Kindern verrichtet werden, wenn sie so<br />
viel Zeit in Anspruch nehmen, dass Kinder die<br />
Schule vernachlässigen oder keine Zeit zum<br />
Spielen mehr haben. Eine Defi nition ausbeuterischer<br />
Kinderarbeit muss viele Aspekte<br />
berücksichtigen: Das Alter eines Kindes ist<br />
dabei ebenso wichtig, wie die Anzahl der<br />
Arbeitsstunden oder die Frage, ob Kinder<br />
nachts arbeiten. Kinder sollten nicht an<br />
gefährlichen Orten arbeiten, wie zum Beispiel<br />
in Bergwerken oder Steinbrüchen.<br />
Kinder sollten keine Arbeit tun, die ihre<br />
Gesundheit gefährdet, etwa durch Chemikalien,<br />
schlechte Luft, grosse Hitze oder Kälte,<br />
einseitige Haltung, schlechte Lichtverhältnisse,<br />
zu schwere Lasten. Kinder sollten nicht<br />
wie Sklaven gehalten werden, als Schuldknechte<br />
oder Leibeigene dienen müssen.<br />
Und schliesslich sollten Kinder sich nicht prostituieren<br />
müssen, keinerlei Kriegsdienste verrichten<br />
müssen, nicht als Drogenkuriere oder<br />
Helfer bei <strong>and</strong>eren kriminellen Taten eingesetzt<br />
werden.<br />
Wie viele Kinder auf solche Weise ausgebeutet<br />
werden, weiss niem<strong>and</strong>. Kinderarbeit ist<br />
unsichtbar: Zum einen versuchen natürlich<br />
alle, die Kinder in krimineller Weise ausbeuten,<br />
diese Tatsache zu verstecken. So schuften<br />
viele Kinder tatsächlich im Verborgenen,<br />
als Schuldknechte in Verschlägen, als Prostituierte<br />
in Bordellen, als <strong>Die</strong>nstmädchen in<br />
Haushalten. Zum <strong>and</strong>eren sind Mädchen und<br />
Jungen zwar auf Strassen und Plätzen, in<br />
Fabriken und auf Feldern bei der Arbeit zu<br />
sehen – in amtlichen Statistiken aber tauchen<br />
sie nicht auf. Über 90 Prozent der arbeitenden<br />
Kinder dieser Welt sind im sogenannten<br />
informellen Sektor tätig, also dort, wo es<br />
keine festen Anstellungen, keine Arbeitsverträge,<br />
keine Lohnlisten, keine Krankenund<br />
Sozialversicherung und weder Gewerkschaften<br />
noch Gewerbeaufsicht gibt: Sie sind<br />
Schuhputzer, Zeitungsverkäufer, Kellner, Lastenträger<br />
und Müllsammler in den Städten,<br />
L<strong>and</strong>arbeiter und Erntehelfer in Plantagen<br />
oder auf den Feldern der Familie, <strong>Die</strong>nstmädchen<br />
im fremden Haushalt oder Ganztagshilfen<br />
zu Hause.<br />
Zwischen fünf und sieben Prozent der Kinderarbeiterinnen<br />
und Kinderarbeiter schuften<br />
nicht für heimische Märkte, sondern für<br />
den Export. Selbst wenn alle Unternehmen<br />
<strong>Die</strong> <strong>verlorene</strong> <strong>Brieftasche</strong><br />
Materialien für den Unterricht<br />
8
und Verbraucher fair h<strong>and</strong>eln und soziale<br />
Mindestst<strong>and</strong>ards einhalten würden, gäbe<br />
es zwar mehr Waren ohne Kinderarbeit,<br />
aber kaum weniger arbeitende Kinder. Vor<br />
allem dann, wenn Kinder zwar aus Fabriken<br />
entlassen werden, aber niem<strong>and</strong> sich um<br />
vernünftige Alternativen für sie kümmert.<br />
So sind Kinder gezwungen, <strong>and</strong>ere Arbeit<br />
zu suchen und l<strong>and</strong>en vielleicht in unsicheren<br />
und noch ausbeuterischeren Verhältnissen.<br />
<strong>Die</strong> Wirtschaft wächst, die Kinderarbeit<br />
auch<br />
Dennoch muss die Frage gestellt werden,<br />
wieso Kinder überhaupt in Exportbranchen<br />
arbeiten. Angesichts der aus unserer Sicht<br />
sehr geringen Mindestlöhne für Erwachsene<br />
scheint sich der Einsatz von noch billigeren<br />
Kinderarbeiterinnen oder Kinderarbeitern<br />
doch kaum zu lohnen. Textilarbeiterinnen<br />
oder Textilarbeiter in Indien zum Beispiel verdienen<br />
zwischen 40 und 80 Rupien pro Tag,<br />
das sind ein bis zwei Euro. Kinder bekommen<br />
knapp die Hälfte davon. <strong>Die</strong> Preise für<br />
Textilien würden sich vielleicht um ein paar<br />
Cents erhöhen, die Gewinne der hiesigen<br />
Verkäufer wären kaum betroffen. Für die<br />
Herstellerfi rma in Indien allerdings kommt<br />
es auf diese paar Cents an – sie bekommt<br />
Dumpingpreise für die Fertigung und erhöht<br />
ihren Gewinn mit jedem Kind, das soviel leistet<br />
wie ein Erwachsener, aber weniger als<br />
die Hälfte des Lohns bekommt.<br />
Deshalb kann in Städten und Regionen, in<br />
denen sich neue Produktionsstätten ansiedeln,<br />
die Nachfrage nach Kinderarbeitern<br />
wachsen – und Wirtschaftswachstum tatsächlich<br />
mehr Kinderarbeit nach sich ziehen.<br />
<strong>Die</strong>se nur auf den ersten Blick absurde Entwicklung<br />
tritt selbst dann ein, wenn in den<br />
Fabriken keine Kinder arbeiten. Obwohl in<br />
wachsenden Industriezentren die Menschen<br />
doch nun endlich beginnen, Geld zu verdienen,<br />
kommt es zu Verelendung. Bekanntlich<br />
verlagern Firmen ihre Produktion dorthin,<br />
wo die Löhne und die Abgaben an den<br />
Staat niedrig sind. Weder die Familienkassen<br />
noch die Staatskassen füllen sich also automatisch<br />
und ausreichend, wenn die Industrie<br />
wächst. So reichen die Gehälter der<br />
Erwachsenen oft nicht zum Überleben, denn<br />
schliesslich sind auch die Kosten gestiegen:<br />
In der Stadt gibt es das kleine Stück L<strong>and</strong><br />
nicht mehr, auf dem man Gemüse zog und<br />
ein paar Tiere hielt. Alles muss gekauft<br />
werden. Kinder müssen mitarbeiten, und entweder<br />
den Haushalt führen, wenn die Eltern<br />
weg sind, oder ebenfalls Geld verdienen.<br />
Wie viel eine vernünftige Sozialpolitik auch<br />
im Hinblick auf Kinderarbeit erreichen kann,<br />
selbst wenn ein L<strong>and</strong> nicht zu den Reichen<br />
gehört, zeigt der indische Bundesstaat Kerala.<br />
<strong>Die</strong> Regierung hat überall genügend Schulen<br />
gebaut und mit Kampagnen für den Schulbesuch<br />
geworben. Das Gesundheitswesen<br />
bietet für jeden eine kostenlose Grundversorgung.<br />
<strong>Die</strong> Alphabetisierungsrate ist in Kerala<br />
so hoch wie nirgendwo sonst in Indien, Kinderarbeit<br />
gibt es kaum.<br />
Ausbeutung beruht nicht nur auf<br />
Armut<br />
Nicht nur Wirtschafts- und Sozialpolitik spielen<br />
eine Rolle bei der Frage, wer arbeiten<br />
muss. Vorstellungen über den Wert eines<br />
Kindes entscheiden diese Frage mit: In vielen<br />
Familien werden die Jungen zur Schule<br />
geschickt, die Mädchen aber müssen im<br />
Haushalt arbeiten oder Geld verdienen. In<br />
fast allen Ländern der Erde werden bestimmten<br />
Bevölkerungsgruppen die dreckigsten<br />
und niedrigsten Arbeiten zugewiesen. Wen<br />
stört es schon, wenn solche Leute sich schon<br />
früh an diese Arbeit gewöhnen? Das betrifft<br />
nicht nur die Unberührbaren in Indien oder<br />
die ethnischen Minderheiten und eingeborenen<br />
Völker Lateinamerikas und Südostasiens.<br />
Auch die Schwarzen in den USA und die<br />
Türken in Deutschl<strong>and</strong>, Österreich und der<br />
Schweiz können davon ein Lied singen.<br />
Wer wirksam gegen ausbeuterische Kinderarbeit<br />
vorgehen will, muss also viele verschiedene<br />
Dinge beachten. Staaten müssen ein<br />
Erziehungswesen aufbauen, das Schulpfl icht<br />
für alle vorsieht und kostenlosen, interessanten<br />
Unterricht in erreichbarer Nähe bietet.<br />
Erwachsene müssen überzeugt werden, dass<br />
Minderwertigkeit eine Kategorie ist, die auf<br />
Menschen nicht angew<strong>and</strong>t werden kann:<br />
Alle Kinder haben Rechte, auch Mädchen,<br />
Unberührbare oder Fremde. Gesundheitssysteme<br />
müssen die Grundversorgung für alle<br />
sichern und ausschliessen, dass Familien sich<br />
verschulden müssen, um eine Operation zu<br />
bezahlen.<br />
Auszugsweise zitiert nach «terre des hommes Deutschl<strong>and</strong>»,<br />
www.tdh.de<br />
<strong>Die</strong> <strong>verlorene</strong> <strong>Brieftasche</strong><br />
Materialien für den Unterricht<br />
9
Begleitfragen zum Lesetext Kinderarbeit<br />
Lies den Text «Schuften statt spielen» durch und versuche anschliessend, die Fragen dazu zu beantworten. Dazu<br />
musst du sicher immer wieder im Text nachlesen.<br />
1. Wie viele Kinder leisten nach einer Schätzung der<br />
IAO täglich Arbeit von zum Teil zwölf und mehr Stunden?<br />
_____________________________________________<br />
2. Wie viele Kinder zwischen sechs und elf Jahren<br />
gehen laut der UNESCO nicht zur Schule?<br />
_______________________________________________<br />
3. Wann spricht man von ausbeuterischer Kinderarbeit?<br />
Nenne drei Beispiele.<br />
_______________________________________________<br />
_______________________________________________<br />
_______________________________________________<br />
_______________________________________________<br />
_______________________________________________<br />
_______________________________________________<br />
_______________________________________________<br />
______________________________________________<br />
_______________________________________________<br />
4. Unter welchen Bedingungen darf man Kinder nicht<br />
arbeiten lassen? Zähle vier bis sechs verbotene Punkte<br />
auf.<br />
_______________________________________________<br />
_______________________________________________<br />
_______________________________________________<br />
_______________________________________________<br />
______________________________________________<br />
_______________________________________________<br />
_______________________________________________<br />
_______________________________________________<br />
_______________________________________________<br />
_______________________________________________<br />
______________________________________________<br />
_______________________________________________<br />
5. Kinder arbeiten oft im sogenannten informellen<br />
Sektor. Welche Arbeiten verrichten sie beispielsweise?<br />
Nenne drei Beispiele.<br />
_______________________________________________<br />
_______________________________________________<br />
_______________________________________________<br />
_______________________________________________<br />
_______________________________________________<br />
_______________________________________________<br />
_______________________________________________<br />
_______________________________________________<br />
6. Der Boykott von Waren in den reichen Ländern,<br />
die mit Kinderarbeit produziert wurden, kann manchmal<br />
etwas bewegen. Trotzdem, auch wenn gar keine<br />
Produkte, die von Kindern hergestellt werden, exportiert<br />
würden, könnte damit das Kinderarbeitsproblem<br />
nicht gelöst werden, weshalb?<br />
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7. Was können die Gründe dafür sein, dass eine Familie<br />
ihre Kinder arbeiten lassen muss?<br />
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<strong>Die</strong> <strong>verlorene</strong> <strong>Brieftasche</strong><br />
Materialien für den Unterricht<br />
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8. Im indischen Bundesstaat Kerala (das entspricht<br />
einem Bundesl<strong>and</strong> in Deutschl<strong>and</strong> und Österreich oder<br />
einem Kanton in der Schweiz) gibt es kaum mehr Kinderarbeit,<br />
weshalb?<br />
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9. Wenn Kinderarbeit wirksam bekämpft werden<br />
soll, müssen viele Massnahmen in die Wege geleitet<br />
werden, zähle einige auf.<br />
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10. Was hat dich an diesem Text am meisten beeindruckt?<br />
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Notiere hier Begriffe/Wörter aus dem Text, die du<br />
gerne von deiner Lehrerin, von deinem Lehrer erklärt<br />
haben möchtest.<br />
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<strong>Die</strong> <strong>verlorene</strong> <strong>Brieftasche</strong><br />
Materialien für den Unterricht<br />
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Kinderarbeit bei uns<br />
Im Jahre 1858 legt der Erziehungsrat<br />
des Kantons Zürich Lehrern und Schulbehörden<br />
einen Schulgesetzentwurf vor, der<br />
die Beschäftigung schulpfl ichtiger Kinder in<br />
Fabriken untersagt und die tägliche Arbeitsdauer<br />
für Kinder unter 16 Jahren auf 12<br />
Stunden beschränkt. <strong>Die</strong> Schulpfl ege der<br />
Industriegemeinde Töss nimmt dazu wie<br />
folgt Stellung:<br />
«Hier geht man in der That zu weit. Schon<br />
seit vielen Jahren haben unsere Kinder<br />
in den hiesigen Fabriken taglich 14 Stunden<br />
gearbeitet und sind dennoch nicht<br />
bloss gesund geblieben, sondern gross<br />
und stark geworden. Vergesse man ja<br />
nicht, dass, je mehr die Menschen geniessen<br />
wollen, man sie auch zu Leistungen<br />
veranlasse, ohne welche Niem<strong>and</strong> bestehen<br />
kann.<br />
<strong>Die</strong> Kinder in den Spinnereien haben keine<br />
anstrengenden Verrichtungen zu machen,<br />
sondern müssen nur die Maschinen bedienen.<br />
Der L<strong>and</strong>wirth muss seine Kinder<br />
bedeutend mehr anstrengen, und Niem<strong>and</strong><br />
wird demselben befehlen wollen,<br />
seine Kinder an den Schatten zu setzen,<br />
während er arbeitet. Und wer wird gerade<br />
auch bei den Kosten für die Schulen am<br />
meisten in Anspruch genommen als derjenige,<br />
der sich etwas erspart hat, während<br />
der Liederliche leer ausgeht.<br />
Nun will das Gesetz den Kindern in<br />
den Fabriken die Arbeitszeit noch kürzer<br />
machen; was würde in der Nebenzeit<br />
<strong>and</strong>ers getrieben als Muthwille, der doch<br />
gewiss die arbeitenden übrigen Bewohner<br />
wenig befreuen müsste. Und was wäre<br />
die Folge für die Eltern dieser Kinder? Sie<br />
erhielten weniger Lohn, möglicherweise<br />
gäbe diese Massnahme Stoff zu veränderten<br />
Einrichtungen, wodurch viele Hände<br />
weniger Verdienst erhielten.»<br />
Mittheilungen aus den Akten der zürcherischen Fabrikkommission.<br />
Zusammengestellt und bearbeitet von<br />
J.J. Treichler, Bd. 1. Zürich 1858. S. 226f.<br />
1869 bekommt Basel sein erstes Fabrikgesetz.<br />
Es verbietet Kinderarbeit im schulpfl ichtigen<br />
Alter (14 Jahre) und setzt die Maximalarbeitszeit<br />
für Erwachsene und Jugendliche auf 12<br />
Std. pro Tag fest. Der Ratschlag begründet<br />
folgendermassen:<br />
«<strong>Die</strong> Festsetzung des Stundenmaximums<br />
auch für Erwachsene ist deshalb nöthig,<br />
weil neben unbegrenzter Stundenzahl der<br />
Erwachsenen die Kinderarbeit bald ganz<br />
wegfi ele, diess wäre zwar von einem einseitig<br />
philanthropischen St<strong>and</strong>punkt aus<br />
nicht zu bedauern, Iäge aber durchaus<br />
nicht in den Wünschen und in den Interessen<br />
der Arbeiterbevölkerung selbst.»<br />
Text und Bild nach: Gautier, Marcel, Von der Kopf- und<br />
H<strong>and</strong>arbeitsschule zum Werkunterricht, Basel 1981<br />
<strong>Die</strong> <strong>verlorene</strong> <strong>Brieftasche</strong><br />
Materialien für den Unterricht<br />
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