Mitteilungen 49/2009 - Fachverband Philosophie e.v.
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Inhalt<br />
<strong>Fachverband</strong> <strong>Philosophie</strong><br />
<strong>Mitteilungen</strong> <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
<strong>Mitteilungen</strong> des Bundesvorsitzenden 8<br />
TAGUNGSANKÜNDIGUNGEN ……………………………………………. 10<br />
Bundeskongress <strong>Philosophie</strong> und Medien<br />
Wissenschaft und Verantwortung<br />
Mein Gehirn und ich – die Frage nach Persönlichkeit und<br />
Freiheit<br />
RÜCKBLICK ………………………………………………………………<br />
XXI. Kongress der DGPhil<br />
Fachtagung des Forums Didaktik der <strong>Philosophie</strong> und Ethik<br />
20 Jahre ZDPE<br />
Projekt Humanismus und Bildung<br />
Volksentscheid über das Pflichtfach Ethik in Berlin<br />
Mindelheimer <strong>Philosophie</strong>preis<br />
ESSAYWETTBEWERB …………………………………………………….<br />
Philosophische Winterakademie <strong>2009</strong><br />
Siegeressays von Jan Seidel und Raimund Rosarius<br />
Ausschreibung des Essaywettbewerbs <strong>2009</strong><br />
SEKUNDARSTUFE I ………………………………………………………<br />
Projekt Rattenscharfes Denken<br />
Projekt Nimm dein Glück in die Hand und gib es weiter<br />
SEKUNDARSTUFE II<br />
Axel Ziemke: Gehirn und Bewusstsein. Eine Unterrichtsreihe zur<br />
Analytischen <strong>Philosophie</strong> des Geistes …………………………<br />
Umfrage zur Ausbildung der <strong>Philosophie</strong>lehrer/innen in den Bun-<br />
33<br />
desländern ……………………………………………………..…. 45<br />
Rezensionen …………………………………………………………… 50<br />
<strong>Fachverband</strong> <strong>Philosophie</strong> / Landesverbände ……………………… 58<br />
Anmeldung zum Kongress (Postkarte) ……………………………… 59<br />
Antrag auf Mitgliedschaft ……………………………………………... 61<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
14<br />
20<br />
28
8<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />
die <strong>Philosophie</strong> blüht zwar oft am besten im Verborgenen, aber um die Bedeutung<br />
des Faches für die Bildung deutlich zu machen, sollte sie die Öffentlichkeit suchen.<br />
Daher ist z.B. der Essaywettbewerb wichtig, der seinen Ursprung in Nordrhein-<br />
Westfalen hat und schrittweise bundesweit ausgeweitet werden soll. Er bringt nicht<br />
nur viele Schülerinnen und Schüler dazu, sich im eigenen Denken zu erproben,<br />
sondern lenkt den Blick der Öffentlichkeit auf das Fach. So wurde Jan Seidel, der 1.<br />
Preisträger des diesjährigen Essaywettbewerbs, mehrfach in Funk und Fernsehen<br />
vorgestellt.<br />
Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich ziehen kann die <strong>Philosophie</strong> auch<br />
mit Projekten für jüngere Schüler wie „Rattenscharfes Denken“ und „Nimm dein<br />
Glück in die Hand und gib es weiter“, die in diesem Heft vorgestellt und zur Nachahmung<br />
empfohlen werden. Eine sehr öffentlichkeitswirksame Aktion ist die Verleihung<br />
des Mindelheimer <strong>Philosophie</strong>preises an Stephen Law für seinen Beitrag zur<br />
philosophischen Jugendliteratur.<br />
Für die Sekundarstufe II finden sich in diesem Heft Materialien für Unterrichtsreihe<br />
zur analytischen <strong>Philosophie</strong> des Geistes, die im Unterricht oft noch unterrepräsentiert<br />
ist.<br />
Die Ausbildungsbedingungen für <strong>Philosophie</strong>- und Ethiklehrerinnen und –lehrer sind<br />
in unserem föderal organisierten Bildungssystem sehr unterschiedlich. Um Studierenden<br />
und Lehramtsanwärtern einen besseren Überblick zu erhalten, hat der<br />
<strong>Fachverband</strong> eine Umfrage durchgeführt, deren erste Ergebnisse in diesem Heft<br />
dargestellt sind.<br />
Tagungen<br />
Bitte beachten Sie die Tagungsankündigungen in diesem Heft, vor allem die Ankündigung<br />
des 18. Bundeskongresses, der vom 25. bis 27. September <strong>2009</strong> in<br />
Karlsruhe stattfindet (siehe das Programm in diesem Heft).<br />
Mitgliederversammlung<br />
Hiermit lade ich ein zu einer ordentlichen Mitgliederversammlung am Samstag, dem<br />
26. September <strong>2009</strong>, 18:30 Uhr in der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe,<br />
Bismarckstr. 10<br />
Tagesordnung:<br />
1. Tätigkeitsbericht des Vorsitzenden<br />
2. Bericht des Kassierers<br />
3. Bericht der Kassenprüfer<br />
4. Genehmigung der Rechnung für die abgelaufenen Jahre und Entlastung des<br />
Vorstands<br />
5. Wahl des Vorsitzenden<br />
6. Wahl des Stellvertreters<br />
7. Wahl des Kassierers<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE
8. Wahl des Schriftführers<br />
9. Wahl von zwei Kassenprüfern<br />
10. Festlegung eines Mitgliederbeitrags für Referendarinnen und Referendare<br />
11. Beschlussfassung über fristgerecht eingereichte Anträge<br />
12. Planung für die kommenden Jahre<br />
13. Verschiedenes<br />
Antrag zur Beschlussfassung zu TOP 10:<br />
Die Mitgliederversammlung möge den Beschluss über die Mitgliederbeiträge am<br />
23.09.2000 in Potsdam dahingehend ergänzen, dass der Mitgliedsbeitrag für Referendarinnen<br />
und Referendare 8 Euro/Jahr beträgt. Die Kategorie „Referendarinnen<br />
und Referendare“ war bei den Mitgliedsbeiträgen bisher nicht vorgesehen.<br />
Neugründung des Landesverbandes Saarland<br />
Gute Neuigkeiten gibt es aus dem Saarland. Dort wurde der Landesverband, der<br />
bis in die neunziger Jahre hinein existent war, Anfang des Jahres neu gegründet.<br />
Zum Vorsitzenden wurde Wolfgang Meiers gewählt. Es ist dem neuen Landesverband<br />
zu wünschen, dass er zahlreiche Mitglieder findet, die die Sache der <strong>Philosophie</strong><br />
im Saarland unterstützen. Wer Interesse hat, mit dem Verband Kontakt aufzunehmen,<br />
melde sich bei Wolfgang Meiers, Kleinstr. 27, 66740 Saarlouis, E-Mail:<br />
meiersw@aol.com.<br />
Mitgliedsbeitrag <strong>2009</strong><br />
Mitglieder des <strong>Fachverband</strong>es <strong>Philosophie</strong>, die nicht am zentralen Einzug teilnehmen,<br />
werden gebeten, ihren Jahresbeitrag <strong>2009</strong> (20 €, ermäßigt 8 € bzw. 5 €) auf<br />
das Konto Nr. 3407-601 bei der Postbank Frankfurt/M., BLZ 500 100 60 zu überweisen.<br />
Bitte geben Sie auf dem Überweisungsträger Ihren Landesverband an. –<br />
Eine weitere Bitte: Sie könnten der Kassenführerin die Arbeit erleichtern, wenn Sie<br />
sich dem zentralen Einzug anschließen würden (Vordruck dazu auf S. 61).<br />
Bitte um Aktualisierung der Mitgliedsdaten<br />
Bitte vergessen Sie nicht, dem Landesverband alle relevanten Änderungen Ihrer<br />
persönlichen Daten (Anschrift, Kontoverbindung, Status der Mitgliedschaft) mitzuteilen.<br />
Retouren beim zentralen Einzug sind kostspielig. Vielen Dank!<br />
Bitte um Mitteilung Ihrer E-Mail-Adresse<br />
Die <strong>Mitteilungen</strong> erscheinen in der Regel nur einmal im Jahr, der Informationsfluss<br />
über Druckmedien ist relativ zäh. Daher möchte der <strong>Fachverband</strong> eine Datei mit<br />
den E-Mail-Adressen der Mitglieder aufbauen. Bitte teilen Sie uns Ihre E-Mail-<br />
Adresse unter fv-philosophie@freenet.de mit (alternativ können Sie auch die vom<br />
Landesverband NRW angegebene Adresse verwenden). Sie brauchen keine E-<br />
Mail-Flut seitens des <strong>Fachverband</strong>es zu befürchten; es geht lediglich um die Möglichkeit,<br />
Sie im Bedarfsfall schnell mit wichtigen Informationen versorgen zu können,<br />
z.B. über aktuelle Entwicklungen im Fach <strong>Philosophie</strong>.<br />
Ihr Bernd Rolf<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
9
10<br />
<strong>Fachverband</strong> <strong>Philosophie</strong> e.V.<br />
(Bundesverband und Landesverband Baden-Württemberg)<br />
Einladung zum 18. Bundeskongress<br />
<strong>Philosophie</strong> und Medien<br />
25.- 27. September <strong>2009</strong><br />
Karlsruhe, Pädagogische Hochschule, Bismarckstraße 10<br />
Leitung: Dr. Bernd Rolf, Dr. Eva Hirtler<br />
Nicht erst durch den Amoklauf von Winnenden steht das Thema Medien und Gewalt<br />
im besonderen Fokus der Öffentlichkeit. Schon seit längerem wird heftig über<br />
Gewalt im Fernsehen, menschenverachtende Computerspiele, verhetzende Internetforen<br />
diskutiert. Dem soll durch Vorträge über Bild und Gewalt (Urs Thurnherr)<br />
und über die Wirkung von Gewalt darstellenden Computerspielen (Michael Nagenborg)<br />
nachgegangen werden. Um die Gefahren und negativen Auswirkungen der<br />
neuen Medien richtig einschätzen zu können, bedarf es jedoch einer grundsätzlichen<br />
Reflexion auf die Entwicklung der Neuen Medien (Lambert Wiesing). Darüber<br />
hinaus wird der Einfluss von Medien auf das Denken untersucht (Matthias Vogel).<br />
Das Verhältnis von Virtualität und Realität kommt am Beispiel der Nanotechnologie<br />
zur Sprache (Torsten Fleischer). Ein Besuch des Zentrums für Kunst und Medientechnologie<br />
(ZKM) bringt die künstlerische Seite des Themas zur Geltung. In neun<br />
Arbeitskreisen geht es um die unterrichtspraktische Anwendung: Wie können Bücher,<br />
Bilder (auch sprachliche Bilder) und szenisches Spiel zum <strong>Philosophie</strong>ren genutzt<br />
werden? Was kann der <strong>Philosophie</strong>- und Ethikunterricht zur Reflexion der<br />
neuen Medien beitragen? Wie sieht es mit dem Bild des Menschen und der Frage<br />
von Schöpfung und Evolution in den Medien aus? Wie können Positionen der Medienethik<br />
im Unterricht reflektiert werden? Im Rahmenprogramm gibt es eine Stadtführung<br />
und einen Chansonabend mit Henning Dörpholz.<br />
Anerkennung als Fortbildungsveranstaltung:<br />
In Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, NRW (RdErl.d.KM v. 28.7.1987),<br />
Sachsen-Anhalt (VA-Nr.WT2/06-200-03 LISA), Schleswig-Holstein ist der Kongress<br />
grundsätzlich als Fortbildungsveranstaltung anerkannt. Für Baden-Württemberg, gilt<br />
dass die Entscheidung über die Anerkennung die jeweilige Schulleitung trifft (VV<br />
vom 24.05.2005, Amtsblatt S. 244f.). Jeder Lehrerin/jedem Lehrer stehen fünf Tage<br />
Sonderurlaub zu Fortbildungszwecken zur Verfügung. Entsprechende Regelungen<br />
gelten auch für Bayern und die noch nicht genannten Bundesländer.<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE
Freitag, 25. September <strong>2009</strong><br />
Tagungsprogramm<br />
10:00 Uhr Anreise/Stehkaffee<br />
10:15 Uhr Begrüßung durch den Bundesvorsitzenden des <strong>Fachverband</strong>s <strong>Philosophie</strong>,<br />
Dr. Bernd Rolf<br />
10:30 Uhr Prof. Dr. Urs Thurnherr (Pädagogische Hochschule Karlsruhe):<br />
Bild und Gewalt<br />
12:00 Uhr Mittagspause<br />
14:00 Uhr Prof. Dr. Lambert Wiesing (Universität Jena):<br />
Zwischen Wahrnehmung und Imagination. Über die Sichtbarkeit<br />
des Bildes<br />
15:30 Uhr Kaffeepause<br />
16:00 Uhr Arbeitskreise (Block I)<br />
18:00 Uhr Stadtführung<br />
Samstag, 26. September <strong>2009</strong><br />
9:00 Uhr Arbeitskreise (Block II)<br />
10:45 Uhr Pause<br />
11:00 Uhr Prof. Dr. Torsten Fleischer (Institut für Technikfolgenabschätzung<br />
und Systemanalyse Karlsruhe): Nanotechnologie und Medien<br />
– Ein Verhältnis aus drei Perspektiven betrachtet<br />
12:30 Uhr Mittagspause<br />
14:30 Uhr PD Dr. Matthias Vogel (Universität Frankfurt/ Universität Basel):<br />
Medien als Voraussetzung für Gedanken<br />
16:00 Uhr Kaffeepause<br />
16:30 Uhr Besuch des Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM)<br />
18:30 Uhr Mitgliederversammlung des <strong>Fachverband</strong>es <strong>Philosophie</strong><br />
20:30 Uhr Chansonabend mit Henning Dörpholz<br />
Sonntag, 27. September <strong>2009</strong><br />
9:00 Uhr Arbeitskreise (Block III)<br />
11:00 Uhr Dr. Michael Nagenborg (Interfakultäres Zentrum für Ethik in den<br />
Wissenschaften, Tübingen): Die Darstellung von Krieg und Gewalt<br />
in Computerspielen am Beispiel „World of Warcraft“<br />
12:30 Uhr Ende des Kongresses<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
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12<br />
Arbeitskreise:<br />
Martina Dege (Hamburg): Positionen der Medienphilosophie<br />
Klaus Draken (Wuppertal): Schöpfung oder Evolution – ein altes Streitthema<br />
im Spiegel der sich wandelnden Medien<br />
Werner Fuß (München): Menschenbilder und Medien – ein unterrichtspraktischer<br />
Vorschlag<br />
Markus Kosuch (Stuttgart): Szenische Interpretation von Musik – Diskurs<br />
und Konstruktion von Bedeutung in einer Handlungsorientierten und erfahrungsbezogenen<br />
Form des <strong>Philosophie</strong>rens<br />
Tilo Klaiber (Tübingen): Sprachliche Bilder als Medien (in philosophischen<br />
Texten)<br />
Felix Lund (Hamburg): Computerspiele im <strong>Philosophie</strong>- und Ethikunterricht<br />
Dr. Gabriele Münnix (Münster): Bildmedien und Interkulturalität<br />
Dr. Hans-Bernhard Petermann (Heidelberg): <strong>Philosophie</strong>ren mit Bildern im<br />
Unterricht<br />
Dr. Mechtild Ralla (Karlsruhe): Hermeneutik – Schülerbücherei – <strong>Philosophie</strong>ren<br />
mit Kindern<br />
Tagungskosten<br />
Der Teilnehmerbeitrag beträgt 30 Euro, ermäßigter Beitrag für Mitglieder des <strong>Fachverband</strong>s 20 Euro.<br />
Kosten für Verpflegung und Übernachtung sind nicht eingeschlossen.<br />
Anmeldeverfahren:<br />
Bitte benutzen Sie für die Anmeldung die beigefügten Postkarte (S. 59) und melden Sie sich möglichst<br />
bis zum 28. August <strong>2009</strong> beim <strong>Fachverband</strong> <strong>Philosophie</strong> an. Überweisen Sie den Teilnehmerbetrag<br />
auf das Konto Nr. 3407-601 bei der Postbank Frankfurt/M. (BLZ 500 100 60) des <strong>Fachverband</strong>es<br />
<strong>Philosophie</strong> e.V., Kennwort <strong>Philosophie</strong>kongress. Die Anmeldung ist gültig, wenn der Teilnehmerbetrag<br />
überwiesen ist. Aus organisatorischen Gründen erhalten Sie keine Anmeldbestätigung.<br />
Zimmerreservierung<br />
Für die auswärtigen Teilnehmer stehen preisgünstige Zimmerkontingente im Hotel Berliner Hof, Hotel<br />
City und Hotel Kübler zur Verfügung. Nehmen Sie Ihre Zimmerreservierung bitte entweder mit dem<br />
nebenstehenden Formular bei der Karlsruher Messe- und Kongress GmbH vor oder buchen Sie online<br />
unter http://germany.nethotels.com/info/karlsruhe/events/philosophie/. Bitte beachten Sie, dass<br />
das Angebot nur bis 6 Wochen vor der Veranstaltung, also bis zum 14. August <strong>2009</strong>, gültig ist. Reservieren<br />
Sie ihr Zimmer also am besten noch vor den Sommerferien!<br />
Verbilligtes Happy-Rail-Ticket<br />
Falls Sie eine Hotelübernachtung gebucht haben und mit der Bahn nach Karlsruhe anreisen, können<br />
Sie ein verbilligtes Happy-Rail-Ticket bestellen (Hin- und Rückreise 79 €, ab 401 km 129 €.) Das Bestellformular<br />
ist online erhältlich: http://messe-kongress-karlsruhe.de/tourismus/happy_rail_ticket.pdf.<br />
Bundestagswahl am 27. September <strong>2009</strong><br />
Leider ließ es sich angesichts der unterschiedlichen Ferientermine in den Bundesländern nicht vermeiden,<br />
dass der 3. Tag des Kongresses mit dem Termin der Bundestagswahl zusammenfällt. Bitte<br />
fordern Sie ggf. frühzeitig die Unterlagen für eine Briefwahl an.<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE
F O R M U L A R F Ü R D I E Z I M M E R R E S E R V I E R U N G<br />
KMK Bitte zurücksenden an:<br />
Karlsruher Messe- und Kongress GmbH Fax Nr. 0721-3720-5394<br />
An die Absender<br />
KMK GmbH Name: _____________________________________<br />
Geschäftsbereich Tourismus Straße: ____________________________________<br />
Festplatz 9 PLZ Ort: ___________________________________<br />
76137 Karlsruhe Tel.: ________________ Fax: __________________<br />
E-Mail:<br />
<strong>Philosophie</strong>kongress 2008 (25.-27.09.<strong>2009</strong>)<br />
Die Karlsruher Messe- und Kongress-GmbH ist für die Bestellung nur Auftragsvermittler. Auftragnehmer<br />
ist das gebuchte Hotel.<br />
Ich buche verbindlich:<br />
Hotel EZ Anreisetag Abreisetag Gastname(n)<br />
___________________ ______ _________ __________ ________________________<br />
___________________ ______ _________ __________ ________________________<br />
Einzelzimmer<br />
Hotels Preis pro Nacht in EUR<br />
Hotel Berliner Hof 69,00<br />
Hotel City 75,00<br />
Hotel Kübler 76,00<br />
Bei Anreise nach 16 Uhr benötigen wir Ihre Kreditkarten-Nummer für eine garantierte Buchung.<br />
� Eurocard/Mastercard � Visa � Diners Club � American Express<br />
Kartennummer: � � � � � � � � � � � � � � � �<br />
Gültig bis: � � / � �<br />
Name des Karteninhabers: _________________________________<br />
Hinweis: Alle eingehenden Hotelbuchungen werden in der Reihenfolge des Eingangs bearbeitet. Es empfiehlt sich<br />
deshalb, die Hotelbuchung so früh wie möglich vorzunehmen. Sollte die gewünschte Preiskategorie ausgebucht<br />
sein, bitte die � höhere oder � niedrigere Kategorie buchen (ankreuzen).<br />
Anreise mit � Bahn � PKW Ankunft ca. ______ Uhr<br />
Bitte beachten Sie bei Anreise mit der Bahn unseren Preisknüller „Happy-Rail-Ticket Karlsruhe“<br />
� Ich bitte um Informationen zum „Happy-Rail-Ticket Karlsruhe“.<br />
____________________________ ________________________________<br />
Ort und Datum Unterschrift<br />
Bei Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung:<br />
Sandra Büge Tel. 0721 3720-5392 Fax 0721 3720-5394 e-mail sandra.buege@kmkg.de<br />
Eliana Guadagnino Tel. 0721 3720-5392 Fax 0721 3720-5394 e-mail eliana.guadagnino@kmkg.de<br />
Stephan Theysohn Tel. 0721 3720-5392 Fax 0721 3720-5394 e-mail stephan.theysohn@kmkg.de<br />
Bitte beachten Sie, dass die Angebote lediglich bis 6 Wochen vor Veranstaltungsbeginn (14.08.<strong>2009</strong>) gültig sind.<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
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14<br />
WEITERE TAGUNGSANKÜNDIGUNGEN<br />
Wissenschaft und Verantwortung<br />
Kongress aus Anlass des 50. Jahrestages der Gründung der VDW<br />
24.-25. Oktober <strong>2009</strong>, Berlin, Urania<br />
Die Vereinigung deutscher Wissenschaftler (VDW) feiert am 23. Oktober <strong>2009</strong> in<br />
Berlin ihren 50. Jahrestag. Anlässlich des Jubiläums findet am 24.-35 Oktober in<br />
Berlin ein gemeinsamer Kongress der Deutschen Physikalischen Gesellschaft und<br />
der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler statt, der vorrangig die Verantwortung<br />
der Wissenschaft thematisieren soll.<br />
Die VDW wurde 1959 anlässlich der Herbsttagung des Verbandes Deutscher Physikalischer<br />
Gesellschaften gegründet. Im Gründungsaufruf heißt es: „Die Entwicklung<br />
zu einer zunehmend technisierten Welt macht es notwendig, die Probleme, die<br />
aus den Fortschritten der Wissenschaft für das Leben der menschlichen Gemeinschaft<br />
erwachsen, gründlich zu studieren. Eine Gruppe von Physikern hat daher<br />
angeregt, in der Bundesrepublik ein Gremium von Wissenschaftlern zu schaffen,<br />
das geeignet ist, sich mit solchen Fragen zu befassen. Nach eingehenden Beratungen<br />
hat sich ergeben, dass es am Zweckmäßigsten ist, hierzu eine Vereinigung<br />
Deutscher Wissenschaftler etwa nach dem Vorbild der Federation of American<br />
Scientists in Form eines eingetragenen Vereins zu gründen und außerdem eine<br />
kleinere, lose zusammengefasste Gruppe namhafter Persönlichkeiten aus der Wissenschaft<br />
zu bilden, die die Arbeit dieser Vereinigung in repräsentativer Weise unterstützt<br />
und ergänzt.“ Zu diesen Wissenschaftlern gehörten u.a. Max Born, Otto<br />
Hahn, Carl Friedrich von Weizsäcker.<br />
Die Tagung dürfte insbesondere auch für <strong>Philosophie</strong>- und Ethiklehrer/innen von Interesse<br />
sein. Weitere Informationen: http://www.vdw-ev.de<br />
Mein Gehirn und Ich<br />
Die Frage nach Persönlichkeit und Freiheit<br />
Unter diesem Titel bietet die Bundesarbeitsgemeinschaft Psychologie/<strong>Philosophie</strong><br />
Österreich vom 16.11. bis 18.11.<strong>2009</strong> (14 Uhr – 12:30 Uhr) in Strobl am Wolfgangsee<br />
eine Fortbildungsveranstaltung an, zu der auch Teilnehmer aus Deutschland<br />
willkommen sind. Bitte wenden Sie sich bei Interesse an berndrolf@freenet.de.<br />
RÜCKBLICK<br />
XXI. Deutscher Kongress für <strong>Philosophie</strong> in Essen<br />
Vom 15.-19. September 2008 fand in Essen der 21. Kongress der Deutschen Gesellschaft<br />
für <strong>Philosophie</strong> statt, organisiert von Carl-Friedrich Gethmann. Er stand<br />
unter dem Titel Lebenswelt und Wissenschaft. An die 1000 Teilnehmer kamen nach<br />
Essen, um sich in Plenarveranstaltungen und Kolloquien und Abendvorträgen mit<br />
neuesten philosophische Themen zu befassen. Abschluss und Höhepunkt des<br />
Kongresses war der Vortrag von Jürgen Habermas über Weltbilder und Lebenswelt.<br />
Auf der Mitgliederversammlung der DGPhil wurde Julian Nida-Rümelin zum neuen<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE
Präsidenten gewählt. Er wird den 22. Deutschen Kongress für <strong>Philosophie</strong> 2012 in<br />
München ausrichten.<br />
6. Fachtagung zur Didaktik der <strong>Philosophie</strong> und Ethik in Halle<br />
Am 8. und 9. Mai <strong>2009</strong> fand an der Universität Halle die 6. Fachtagung des Forums<br />
für Didaktik der <strong>Philosophie</strong> und Ethik statt, das nunmehr seit 10 Jahren besteht..<br />
Sie stand unter dem Thema <strong>Philosophie</strong> und Weltanschauungen. In der ersten Sektion<br />
führten Dr. Gisela Raupach-Strey und Prof. Johannes Rohbeck durch<br />
Grundsatzvorträge in die Problematik der Weltanschauungen ein. In der zweiten<br />
Sektion (mit PD Dr. Richard Breun, Renate Schröder-Werle und Prof. Michael<br />
Domsgen) ging es um konkrete Herausforderungen durch Fundamentalismus, Relativismus,<br />
kulturelle Heterogenität und Konfessionslosigkeit. Den Abendvortrag<br />
hielt Prof. Herbert Schnädelbach zum Ideologiebegriff - 20 Jahre nach der Wende.<br />
Die Ergebnisse der Tagung sollen im neuen Jahrbuch für Didaktik der <strong>Philosophie</strong><br />
und Ethik veröffentlicht werden. Die nächste Fachtragung wird am 13./14. Mai 2011<br />
in Münster zum Thema Angewandte <strong>Philosophie</strong> stattfinden.<br />
30 Jahre ZDPE<br />
Die erste Ausgabe der Zeitschrift für Didaktik der <strong>Philosophie</strong> erschien 1979 zum<br />
Thema <strong>Philosophie</strong> in Schule und Hochschule. <strong>2009</strong> konnte die Zeitschrift für Didaktik<br />
der <strong>Philosophie</strong> und Ethik – wie sie inzwischen heißt – auf ihr 30jähriges Bestehen<br />
zurückblicken. Anlässlich des Jubiläums fand am 29. November in Hannover<br />
ein Symposion unter dem Titel <strong>Philosophie</strong> und Orientierung statt. Joachim Siebert,<br />
inzwischen Verleger der Zeitschrift, und Prof. Ekkehard Martens berichteten,<br />
Wie wir eine Zeitschrift gründeten. Herbert Schnädelbach hielt den Festvortrag über<br />
das Thema Ist alles nur Ansichtssache. Über Meinen, Glauben und Wissen. Zum<br />
Abschluss gab es ein Podiumsgespräch über die Zukunftsperspektive der Fächer<br />
<strong>Philosophie</strong> und Ethik mit Ekkehard Martens, Johannes Rohbeck und Volker Steenblock.<br />
Projekt Humanismus und Bildung<br />
Der Bochumer <strong>Philosophie</strong>didaktiker Volker Steenblock hat im Mai 2008 das Projekt<br />
Humanismus und Bildung ins Leben gerufen. Es versteht sich als Teil des von<br />
Prof. Jörn Rüsen geleiteten Humanismusprojektes am kulturwissenschaftlichen Institut<br />
Essen (KWI), das in Kooperation mit den Universitäten Bochum, Dortmund<br />
und Duisburg-Essen durchgeführt wird.<br />
Ausgangspunkt des Projektes ist die besondere Herausforderung, die sich in der<br />
<strong>Philosophie</strong>didaktik durch die empirische Bildungsforschung stellt. Die theoretisch<br />
und normativ bedeutsame Allgemeine Didaktik bildungsphilosophischer und humanistischer<br />
Prägung tritt zunehmend hinter die empirische Bildungsforschung zurück.<br />
Die empirische Bildungsforschung interagiert zwar mit den Ebenen der Schulpolitik<br />
und der Schule, jedoch in nicht selten recht fragwürdiger Weise, indem etwa im<br />
Sinne der Quantifizierung Messungen im Unterricht durchgeführt werden, deren Kriterien<br />
auf universitärer Ebene von Bildungsforschern - oft ohne eigene Schulunterrichtserfahrungen<br />
- erstellt und zum blinden Maßstab gemacht werden. Die Methode<br />
der empirischen Bildungsforschung nimmt so Einseitigkeiten ihrer Repräsentati-<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
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on in Kauf, da anspruchsvolle Bildungsziele nicht adäquat in ihrem Fassungsvermögen<br />
zu liegen scheinen. Das Bildungssubjekt gerät immer nur ausschnittsweise<br />
im Rahmen von Kompetenz- und Funktionszusammenhängen in den Blick, nicht<br />
aber als solches, d.h. in der Entwicklung des „Ich". Gerade die komplexen Lernziele<br />
des Faches <strong>Philosophie</strong>, etwa zur Persönlichkeitsentwicklung, zur Entwicklung eines<br />
Reflexionsvermögens und einer Sinn- und Werteorientierung und das Verständnis<br />
von Problemzusammenhängen usw., können nur schwer durch Lernstandserhebungen<br />
und Output-Kontrollen o.ä. erfasst werden.<br />
Im Rahmen des Projekts Humanismus und Bildung fand am 29. Mai 2008 an der<br />
Ruhr-Universität Bochum ein erster Workshop statt, zu dem Fachdidaktiker aus Universität<br />
und Studienseminaren eingeladen waren. erste Workshop. Darin wurde<br />
die o. dargestellte Situation der Fachdidaktik <strong>Philosophie</strong> erörtert. Angesichts der<br />
Bestrebungen der empirischen Bildungsforschung haben sich die Teilnehmer der<br />
Tradition kultureller Bildung (Humboldt, Schleiermacher, Dilthey, Cassirer) versichert,<br />
wie sie gegenwärtig in <strong>Philosophie</strong> und Pädagogik eine nicht zu übersehende<br />
Rolle spielen.<br />
Am 30. Juni <strong>2009</strong> wird im Kulturwissenschaftlichen Institut Essen unter dem Titel<br />
Humanismus, Bildungssysteminnovation und Fachdidaktik ein zweiter Workshop<br />
stattfinden. Darin sollen die Traditionspotentiale humanistischer Bildung auf die gegenwärtige<br />
Situation im Bildungssystem (PISA und Folgen) bezogen werden und in<br />
diesem Spannungsfeld insbesondere das Selbstverständnis der Fachdidaktiken<br />
(am Beispiel der <strong>Philosophie</strong>) bedacht werden. Seine Überlegungen gehen von der<br />
Frage aus, was der Rückgriff auf einen knapp zu skizzierenden Renaissance-<br />
Humanismus zu einem heute relevanten Humanismus beitragen könnte. Dieser<br />
könnte gleichsam das Schwungrad darstellen für die These, dass die Einzelschritte<br />
bildungssystemischen Vorgehens von jener Sinnperspektive der Bildung nicht abgekoppelt<br />
werden dürfen, die im Eigenwert humaner Selbstkultivierung liegt. Diese<br />
Perspektive könnte einer Fachdidaktik abhanden kommen, die sich nur noch als<br />
Ausführungsorgan der empirischen Bildungsforschung begreift. Diese These soll im<br />
Dialog mit Theoretikern und Praktikern der <strong>Philosophie</strong>didaktik aus Schule, universitärer<br />
Lehrerausbildung, Studienseminaren, Lehrerverbänden zu überprüfen und<br />
zu entwickeln.<br />
Volksentscheid über das Pflichtfach Ethik in Berlin<br />
Seit 1948 wird an den Berliner Schulen Religionsunterricht angeboten, der in der<br />
Verantwortung der Religionsgemeinschaften liegt. Zum Schuljahr 2006/07 hat das<br />
Abgeordnetenhaus für die Klassenstufen 7-10 einen verbindlichen gemeinsamen<br />
Ethikunterricht eingeführt. Das bedeutet: Ethik ist Pflicht für alle, Religion freiwillig.<br />
Um diese Situation zu ändern, hatte sich eine von der evangelischen Kirche initiierte<br />
Bürgerbewegung gebildet. Pro Reli, wollte erreichen, dass Schüler/innen entscheiden<br />
dürfen, ob sie Ethik oder Religion belegen. Deshalb hatte es für den 26.<br />
April <strong>2009</strong> eine Volksabstimmung auf den Weg gebracht, in der darüber abgestimmt<br />
werden sollte, ob an allen Berliner Schulen und in allen Jahrgangsstufen ein<br />
Wahlpflichtbereich Ethik/<strong>Philosophie</strong> eingeführt wird. Der Berliner Senat, das Berli-<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE
ner Abgeordnetenhaus und das aus 21 Verbänden, Parteien und Gruppen bestehendes<br />
Bündnis Pro Ethik hatten die Bevölkerung aufgerufen, mit Nein zu stimmen.<br />
Beim Volksentscheid wurde die für eine Verfassungsänderung erforderliche Zahl<br />
der Stimmberechtigten nicht erreicht. Es stimmten 51% pro Ethik, <strong>49</strong>% pro Reli.<br />
Damit ist Ethik weiterhin Pflichtfach an Berliner Schulen.<br />
In einer Presseerklärung des <strong>Fachverband</strong>s <strong>Philosophie</strong> zum Volksentscheid vom<br />
23.03.<strong>2009</strong> hieß es: „Die Einrichtung des verbindlichen Ethikunterrichts in den<br />
Jahrgangsstufen 7-10 im Jahre 2006 angesichts der sinkenden Mitgliederzahlen in<br />
den Religionsgemeinschaften bei gleichzeitigem Anstieg der Anzahl registrierten<br />
Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in Berlin [war] ein wichtiger und<br />
zukunftsweisender Schritt. Im Ethikunterricht erfahren die Schülerinnen und Schüler,<br />
dass Berlin eine offene Weltstadt ist, in der viele Kulturen, Nationen, Religionen<br />
einen Platz gefunden haben. Anhand lebenswichtiger Fragen lernen sie unterschiedliche<br />
Auffassungen kennen, ihre eigenen Positionen reflektieren und gewinnen<br />
dadurch an Identität und Orientierung. Des weiteren ermöglicht der lebensnahe,<br />
die Schülerfragen und Schülerprobleme in den Kontext von Ideengeschichte<br />
und Gesellschaft setzende Unterricht nur im Klassenverband ein Zusammenwachen<br />
der Klasse als Reflexions- und Diskussionsgemeinschaft. Der <strong>Fachverband</strong><br />
<strong>Philosophie</strong> bedauert, dass im Falle eines Sieges des Volksentscheids die noch<br />
nicht abgeschlossene Konsolidierung des neuen Schulfaches Ethik unterbrochen<br />
wird, die Schulen vor neue organisatorische Herausforderungen gestellt werden<br />
und dem Fach Ethik seine zentrale Aufgabe der Verständigung und Integration unterschiedlicher<br />
Überzeugungen verloren geht. Außerdem bedauert der <strong>Fachverband</strong><br />
<strong>Philosophie</strong>, dass in der Kampagne für den Volksentscheid wieder alte Vorurteile<br />
gegen die <strong>Philosophie</strong> und speziell die philosophische Disziplin Ethik aufgegriffen<br />
und verbreitet wurden. Ethik wird zum einen als Weltanschauungsunterricht tituliert,<br />
mit dem bekenntnisorientierten Religionsunterricht auf eine Stufe gestellt und<br />
zum anderen als „Einheitsfach" denunziert, in dem ethische Positionen relativiert<br />
und zur Beliebigkeit verurteilt werden. Beides entspricht aber nicht der Realität des<br />
Ethikunterrichtes in der Berliner Schule: Die weltanschauliche Neutralität des Ethikunterrichtes<br />
ermöglicht die offene Diskussion disparater Standpunkte, die nicht<br />
zwingend in eine Konsensbildung mündet, aber grundlegende Verbindlichkeiten reflektiert<br />
und Toleranz für andere Standpunkte einübt.“<br />
Bericht zur Situation des Ethikunterrichts<br />
Die Kultusministerkonferenz hat am 22. August 2008 einen Bericht zur Situation<br />
des Ethikunterrichts in der Bundesrepublik Deutschland veröffentlicht, der vom<br />
<strong>Fachverband</strong> Ethik initiiert wurde. Mit Ethik ist die Fächergruppe gemeint, die Ethik,<br />
Allgemeine Ethik, Werte und Normen, Lebensgestaltung – Ethik – Religionen, <strong>Philosophie</strong><br />
und Praktische <strong>Philosophie</strong> umfasst. Informiert wird umfassend über den<br />
Status des jeweiligen Faches, gesetzliche und amtliche Vorgaben, Lehrpläne, fachliche<br />
Qualifizierung der Lehrkräfte usw. in den einzelnen Bundesländern. Der Bericht<br />
steht online zur Verfügung:<br />
http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2008/2008_02_22-<br />
Situation-Ethikunterricht.pdf<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
17
18<br />
Mindelheimer <strong>Philosophie</strong>preis für Stephen Law<br />
„Das latente Thema des Humanismus ist die Entwilderung<br />
des Menschen, und seine latenteste These lautet:<br />
Richtige Lektüre macht zahm.“<br />
(Peter Sloterdijk, Regeln für den Menschenpark)<br />
Das Maristenkolleg Mindelheim vergab <strong>2009</strong> zum erstenmal<br />
den Mindelheimer <strong>Philosophie</strong>preis, der Autoren<br />
auszeichnet, die philosophische Literatur für Kinder<br />
und Jugendliche verfassen. Der Preis ist mit 5000<br />
Euro dotiert. Die bewertende Jury besteht ausschließlich<br />
aus 16- bis 17järigen Schülern des Maristenkollegs,<br />
die sich in und außerhalb des Unterrichts mit<br />
<strong>Philosophie</strong> beschäftigen. Beteiligt hatten sich 140<br />
Autoren. Eine Auswahlliste – die von Julian Bagginis<br />
„Das Schwein, das unbedingt gegessen werden möchte: 100 philosophische Gedankenspiele“<br />
bis Arnulf Zitelmanns „Ich weiß, dass ich nichts: Die vier großen Philosophen<br />
der Antike“ 95 Titel auflistet – ist über den u.a. Link abrufbar.<br />
Der Preis ging an den britischen Philosophen und Schriftsteller Stephen Law für<br />
sein Buch „Warum die Kreter lügen, wenn sie die Wahrheit sagen und andere Abenteuer<br />
der <strong>Philosophie</strong>. Eine Einleitung zum Denken.<br />
Stephen Law unterrichtet <strong>Philosophie</strong> am Heythrop College der Universität London<br />
und ist Herausgeber des Journals THINK vom Royal Institute of Philosophy. Seine<br />
Karriere ist ungewöhnlich: Mit 17 Jahren flog er von der Schule, versuchte sich in<br />
mehreren Jobs, arbeitete unter anderem als Briefträger in Cambridge. Weil er<br />
schon immer gern philosophische Bücher las, holte er seinen Schulabschluss nach<br />
und nahm ein <strong>Philosophie</strong>studium auf., das er am Queens College in Oxford mit der<br />
Dissertation abschloss.<br />
In seinem Buch beweist Stephen Law, dass <strong>Philosophie</strong> nicht schwer verständlich,<br />
trocken und langweilig sein muss. In einer jugendnahen Sprache mit zahlreichen<br />
Dialog-Szenen führt der Autor an philosophische Themen und gesellschaftliche<br />
Fragestellungen heran, die Jugendliche interessieren. Dabei verzichtet er ganz bewusst<br />
auf Patentrezepte, sondern fordert die Leser auf, stets eigenständig zu denken.<br />
In der Jury-Begründung heißt es: „das Buch [entspricht] in ganz besonderer<br />
Weise unseren Kriterien für den Preis, und zwar insofern es in geeigneter Weise<br />
Jugendliche anleitet, sich mit theoretischen und praktischen philosophischen Fragestellungen<br />
des menschlichen Lebens auseinander zu setzen, junge Menschen in<br />
ihrem Fragen und Suchen motiviert und unterstützt und sie dabei zum gemeinsamen<br />
Dialog anregt.“<br />
Die Preisverleihung fand am 20. Mai im Rahmen eines festlichen Aktes statt. Überreicht<br />
wird der Preis durch den Bürgermeister der Stadt Mindelheim und den Direktor<br />
des Gymnasiums des Maristenkollegs. Die Festrede hielt der ehemalige bayerische<br />
Kultusminister Prof. Hans Maier zum Thema „<strong>Philosophie</strong> – kann man das lernen?“.<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE
Die Idee, einen<br />
Preis auszuloben<br />
für Autoren, die<br />
gezielt Jugendliche<br />
mit philosophischen<br />
Themen ansprechen,<br />
war vor<br />
rund einem Jahr<br />
entstanden, als<br />
Schüler des Maristenkollegs<br />
sich<br />
beim Philosophischen<br />
Café zum<br />
Diskurs getroffen<br />
hatten über Fragen,<br />
die die<br />
Menschheit seit jeher bewegen: Woher kommen wir? Gibt es Gott? Was ist der<br />
Sinn des Lebens? Durch Vermittlung von Hubertus Stelzer, der die Gruppe betreut,<br />
gelang es, die Stadt Mindelheim und die Maristenbrüder als Sponsoren für das Projekt<br />
zu gewinnen.<br />
In der Agenda des <strong>Philosophie</strong>preises heißt es: „Die unerfüllten Erwartungen an die<br />
Bildung und Erziehung junger Menschen fordern ein grundsätzliches Überlegen und<br />
Denken heraus. Durch die sozialen Defizite einer mehr und mehr funktionalen und<br />
pragmatisch orientierten Gesellschaft bekommt die menschliche Daseinsbewältigung<br />
rätselhafte, mysteriöse Züge. Junge Menschen beginnen zu hinterfragen, zu<br />
überdenken. Fragen scheinen ihnen bedeutender als Lösungen, die sie selbstbestimmt<br />
selber entwickeln möchten. Die Erwachsenenwelt verharrt hierbei meist in<br />
einer Betriebsamkeit, die das Beharren auf dem Status quo auf Kosten des Bewältigens<br />
von Leben zum Tagesgeschäft erhoben hat, oft genug fernab der Erfahrungen<br />
junger Menschen. Die Schulpastoral am Maristenkolleg erkennt dies als Herausforderung<br />
in ihrer Tätigkeit des Dienstes an den jungen Menschen, die diese<br />
Schule besuchen. Kirchliche Sozialisation und religiöse Beheimatung treten zunehmend<br />
in den Hintergrund familiärer Erziehung. Damit verbunden ist ein Defizit<br />
bezüglich der Auseinandersetzung mit den Fragen des Lebens, die die Grundlage<br />
für eine gelungene und sinnvolle Lebensführung bilden. <strong>Philosophie</strong> erscheint für<br />
die Schulpastoral sowohl als Notwendigkeit wie auch Möglichkeit, diese Fragen anzuregen,<br />
zu begleiten und auf eine tragfähige Grundorientierung hinzuführen. <strong>Philosophie</strong><br />
kann so zur Brücke werden, über die junge Menschen Zugang zur Auseinandersetzung<br />
mit den tiefsten Fragen des Menschen bekommen, den Fragen<br />
nach Glauben und religiöser Bindung. Die Idee des Mindelheimer <strong>Philosophie</strong>preises<br />
versteht sich als ein Teil eines die jungen Menschen begleitenden Prozesses<br />
zwischen der fruchtbaren Schaffenskraft der wissenschaftlichen <strong>Philosophie</strong> und<br />
den Herausforderungen konkreter menschlicher Lebensbezüge junger Menschen.“<br />
Weitere Informationen: www.philosophiepreis.de<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
19
20<br />
ESSAYWETTBEWERB<br />
Philosophische Winterakademie <strong>2009</strong><br />
531 Essays aus 13 Bundesländern waren beim Landes- und Bundeswettbewerb<br />
Philosophischer Essay im Dezember 2008 eingesandt worden. Die besten 26 Essayschreiber/innen<br />
– aus Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-<br />
Westfalen und Rheinland-Pfalz – wurden zur 9. Philosophischen Winterakademie<br />
nach Münster eingeladen, bei der am 12. Februar <strong>2009</strong> die Bundessieger ermittelt<br />
wurden.<br />
Die Winterakademie, von Gerd Gerhardt organisiert, stand unter der Thematik "Was<br />
bedeutet dies alles? - Fragen der philosophischen Kosmologie". Vier Tage verbrachten<br />
die Schülerinnen und Schüler damit, über Ursache, Beschaffenheit und<br />
Zweck des Universumsnachzudenken:<br />
Warum gibt es<br />
überhaupt etwas<br />
und nicht viel mehr<br />
nichts? Sie hatten<br />
die Gelegenheit,<br />
zwei Experten zu<br />
diesem Thema zu<br />
hören und mit ihnen<br />
zu diskutieren: Dr.<br />
Christian Suhm (Universität<br />
Münster)<br />
sprach über Klassische<br />
und gegenwärtige<br />
Positionen in<br />
Preisträger der Philosophischen Winterakademie <strong>2009</strong> (v.<br />
l. n. r.): Vyacheslav Polonski, Münster (3.), Laura Reinelt,<br />
Wangen (5.), Jan Schnorrenberg, Solingen (4.), Jan Seidel,<br />
Duisburg (1.), Raimund Rosarius, Düren (2.)<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE<br />
der philosophischen<br />
Kosmologie, Prof.<br />
Klaus Mainzer (TU<br />
München) über Zeit,<br />
Kosmos und Leben.<br />
Um die Bundessieger und die Teilnehmer an der Internationalen <strong>Philosophie</strong>-<br />
Olympiade zu ermitteln, schrieben die Schüler/innen einen weiteren Essay, diesmal<br />
in englischer oder französischer Sprache. Dafür hatten sie vier Stunden Zeit. Die<br />
Essays wurden von 30 Lehrerinnen und Lehrern bewertet.<br />
Den besten Essay schrieb wiederum Jan Seidel vom Landfermann-Gymnasium in<br />
Duisburg, der Bundessieger des letztjährigen Wettbewerbs. Der 2. Platz wurde vergeben<br />
an Raimund Rosarius vom Gymnasium Wirteltor in Düren. Beide werden die<br />
Bundesrepublik bei der Internationalen <strong>Philosophie</strong>-Olympiade vertreten, die im Mai<br />
in Helsinki (Finnland) stattfindet.<br />
Im folgenden werden die Essays der beiden Preisträger abgedruckt.
Jan Seidel (Jgst. 13, Landfermann-Gymnasium Duisburg)<br />
Thema: In der unaussprechbaren Herrlichkeit des Sternhimmels war irgendwie Gott<br />
gegenwärtig. Zugleich aber wusste ich, dass die Sterne Gaskugeln sind, aus Atomen<br />
bestehend, die den Gesetzen der Physik genügen. Die Spannung zwischen<br />
diesen beiden Wahrheiten kann nicht unauflöslich sein. Wie aber kann man sie lösen?<br />
(Carl Friedrich von Weizsäcker)<br />
Staring or seeing<br />
Somehow it seems to be hopeless for religion and philosophy nowadays.<br />
Today the perspective of sciences has played a decisive role in any kind of<br />
explanation which formerly exclusively belonged to interpretations by humanities or<br />
religion. Neither the cosmos nor the subject itself is safe against an abstract<br />
explanation by means of functions and correlations between different objects like<br />
neurons or molecules, thus giving the impression of an existence “as it is” or as it is<br />
constructed by the human brain. Philosophy or religion are disfigured to no more<br />
than a helpful or useful way of thinking in everyday life, almost fully explicable in<br />
evolutionary terms and dependent on the development of sciences: it is only a<br />
matter of time when the ancient astonishment about an incomprehensible world will<br />
be replaced by a system of abstract formulas and descriptions which give the<br />
impression of objectivity and rationality: in spite of quantum mechanics and chaos<br />
theory, future technological and scientific progress will solve these bothering inexplicable<br />
rests of nature.<br />
Is there even a possible, conceivable place for the meaning of God and his creation<br />
in a world without an escape, without the possibility of a flight into the infinite? Can<br />
we simply put God between the indeterminable conditions of quanta, between the<br />
contradicting correlation of chance and necessity in the chaos theory, between being<br />
and not-being? Or is this “between” not a category which is only of transitive<br />
use, which will be replaced sooner or later by rational scientific explanations?<br />
Thus: is the decision between sciences and religion finally an Either – Or (Entweder<br />
- Oder) or a Both – And (Sowohl als auch)?<br />
Weizsäcker tries to find words for the contradictory feeling of both presence and<br />
absence, of astonishment and indifference, of the infinity of an unspeakable, quiet<br />
truthand the finiteness of the formal laws of physics, which all accompany his existence.<br />
The lack of one category seems to be balanced by the other category: While<br />
scientific discourses have an unquestionable truth-claim, rationalizing both world<br />
and human being, banishing any kind of religious interpretation from the beginning,<br />
they lack giving man a reason to live (“Seinsgrund”), an explanation of his being on<br />
earth and his hope for the future: human existence suffers from his own explanations.<br />
But what is the basis of sciences if not the existence of the human being itself, the<br />
centre of which any kind of explanation begins to make sense? If we distinguish between<br />
the present experiences of our consciousness and an objective world, which<br />
has to have its legitimacy without an observer, we separate our present existence<br />
from a distant world, thus repeat the Cartesian separation of “res cogitans” and “res<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
21
22<br />
extensa”, which exist independently from each other. But since the human consciousness<br />
always has an intention to the external world, always referring to outer<br />
objects (see Husserl), the Cartesian and thus the distinction between religion and<br />
philosophy and sciences separates two spheres which have to be traced back to<br />
the human consciousness and the experience of the life-world (“Lebenswelt”) like<br />
Husserl intended to.<br />
Since his birth, the subject is thrown into a life-world in which he is confronted for<br />
the time being with an already existing place within a system of correlating objects<br />
(the Heideggerian “Zeug”) which he discovers primarily because of their use for<br />
something (“Zuhandenes”), not because of reflection. Furthermore, he is thrown into<br />
a certain historical, temporal situation which suggests possibilities, but not certitudes<br />
of understanding oneself in a seemingly chaotic world without an obvious<br />
perspective.<br />
Sciences have another access to this life-world, which does not consist of the perspective<br />
of the subject as it always belongs to a natural environment in which he<br />
acts and lives with well-known objects. Contrary to that they try to create a sphere<br />
of transcending the context between both man and world and man and history by<br />
isolating certain objects from their connection with each other and the subject by<br />
observing, describing, measuring them, and then inductively deriving certain laws<br />
from them, thus giving the impression of objectivity without an observer in a certain<br />
historical situation.<br />
The star-filled sky which Weizsäcker observes lacks any overall meaning, because<br />
it is not understood within the context of the human existence. And sciences do not<br />
and may not even intend to comprehend this context, because there is no possibility<br />
to create objectivity by reducing this objectivity to the meaning of human existence.<br />
A well-educated scientist must have learned the skill of staring, which means banishing<br />
every subjective impression and just trying to capture an observation as a<br />
fact (“Vorhandenes” in opposite to pre-reflective “Zuhandenem”). Although this intention<br />
seems to be obsolete since Heisenberg, staring is still one important condition<br />
of being able to deal with phenomena in sciences.<br />
Although Weizsäcker knows that stars are made of gas he remarks as well that<br />
there is an absence of meaning, a certain indifference when there is not any connection<br />
to religious or philosophical beliefs that have existed in human history for a<br />
long time, such as the ancient astonishment about our own and the world’s existence.<br />
The meaning of the world as understood in philosophy and religion becomes clear<br />
in the skill of seeing, which may not be understood as a simple perception of something<br />
but as a skill of being open to the world, of understanding oneself holistically<br />
and already integrated into a life world, of being able to dynamically change one’s<br />
view. I can perceive the star-filled sky at first aesthetically in its “ineffable beauty”,<br />
then maybe religiously as a metaphor for God or as the origin of life itself, always<br />
referring to my own existence. These perceptions cannot be fully summed up in a<br />
scientific explanation, which is only able to determine the functions and future de-<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE
velopments of the stars, thus using only one way of seeing which we characterized<br />
as “staring”.<br />
Of course, scientific theories can and have indeed expanded our view of life, but<br />
scientific knowledge cannot serve our demand of directly giving our existence a new<br />
meaning: it can be used as an instrument for technological developments, which<br />
then change or manipulate our use of objects, even our experiences, but it cannot<br />
simply delete thousands of years of human history, religion or philosophy.<br />
To choose the word “seeing” as a fundamental way of existing means to emphasize<br />
the pre-reflective experience of the consciousness in opposite to a rationalistic point<br />
of view, in which the human mind can transcend every condition of his existence<br />
with the final aim to reach infinity as an escape from the misery of natural life.<br />
By acknowledging the astonishing presence of a reality our thoughts cannot transcend<br />
anymore, a reality which we cannot put in words, we save our subjectivity<br />
from the penetrating assault from sciences, which already proclaimed the death of<br />
the subject (also see Foucault) with the utopian intention to fully explain human behaviour,<br />
perception and thoughts by examining the brain.<br />
In a fully explainable existence of the human being, there is simply no place anymore<br />
for the unexplainable, the presence of the other, hope, identity and – finally –<br />
our consciousness. You cannot understand yourself as a meaningful being if you<br />
understand yourself only as an object, living in this world coincidentally.<br />
By the intent to surmount the gulf of objectivity and subjectivity, of sciences and religion<br />
or philosophy, of staring and seeing, there is already the presupposition that<br />
sciences and humanities or religion are on the same level of truth, that both of them<br />
may be two sides of the same coin. However, before knowledge there is astonishment,<br />
before anobservation there is natural experience of the consciousness,<br />
before staring there is seeing.<br />
Thus: before I can try to describe the stars in detail, before I try to formulate abstract<br />
laws on the basis of my observations and conclude a possible reality that I<br />
think, I stand lonely before a overwhelming cosmos: a reality that I exist in.<br />
The question if the gulf between objectivity and subjectivity can be bridged by a<br />
Both – And must be rejected because in fact our systems of objectivity rely deeply<br />
on the experiences (meaning: Erleben) of the subjects themselves. This does not<br />
end in relativism, meaning that every subject would have his own truth, but it shows<br />
that our perception of reality basically relies on the structures of our consciousness<br />
and our relation to an outer reality.<br />
It would then be the same mistake to put God between the laws of physics as to put<br />
the laws of physics between God, because mixing these two categories means<br />
misunderstanding the Either – Or of either describing and explaining a phenomenon<br />
because of its functions and possible use or understanding it within the limits of my<br />
existence, thus understanding a phenomenon as an expression of the possibilities<br />
of my own existence, e.g. in a religious sense the infinite, star-filled sky as a possibility<br />
or a metaphor for my own immortality.<br />
The consciousness of the absence of something or of alienation while we are confronted<br />
with a scientific “reality” that has become independent of the existence of<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
23
24<br />
the human being shows that human existence (“Dasein”) cannot be grasped with<br />
the methods of sciences. There is always a “more” within this existence that wants<br />
to fight its scientific explanations and revolts actively against them:<br />
I and the world that I live in are not nor should they be transparent.<br />
I am learning to live not by knowing facts, but by the existence’s own astonishing<br />
inexplicability.<br />
Raimund Rosarius (Gymnasium am Wirteltor Düren, Jhg. 13)<br />
Welche philosophischen Schlüsse lassen sich aus der globalen<br />
Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/09 ziehen?<br />
What characterizes the first glimpse of our 21st century better than a comfortable<br />
chair? Obviously the person sitting in such design furniture is in a relaxed - not yet<br />
in an overambitious - mood. Design furniture? A chair? An armchair? Do not enjoy<br />
yourself too much, avoid the feeling of losing yourself in a painting! Above all: Be<br />
precise, you have to solve a world wide crisis, the most disastrous your world has<br />
ever experienced.<br />
Suddenly you perceive another person in the background pointing towards a place<br />
outside the painting, into the direction the “design-furniture-sitter” is looking at. This<br />
person is likewise relaxed and indifferent although he does not even possess a<br />
head. His head has vanished. Nevertheless there are these structures, these dots.<br />
It reminds us of Francis Bacon’s disappearing “Head VI” which is being caught in a<br />
cube. Head VI’s reaction to his powerlessness, his discrepancy of being caught in<br />
his own physical body and at the same time wishing to be a free, classical humanbeing<br />
is an interior conflict which finds an outlet only in a rage of desperation. But<br />
keep in mind that Bacon’s painting is over fifty years old. It does not reflect the<br />
dominant mood of our time any longer. Thus you step closer towards Sigmar<br />
Polke’s millenium painting “You May be Spending a Lot of Your Weekend Thinking<br />
About Alternative Careers” in order to finally know if it is an armchair and to guess<br />
what is happening to the other man whose indifference is of sheer absurdity. Ironically<br />
the dominant, systematically arranged structure which Polke derived from<br />
early commercial half-tone dot printing evokes the painting’s opaqueness.<br />
The closer you approach these half-tone dots the less you see as all shapes seem<br />
to dissolve gradually. You try to analyze one single detail and your whole interpretation<br />
is lost, being confronted with nothing but dots. From the distance you can at<br />
least define some shapes.<br />
I am sure that most people initially blame the “design-furniture-sitter”. How useful<br />
clichés are. Have you ever seen a well-paid manager? A relaxed, perhaps amused<br />
one? People seem to search for the easiest solution first. And blaming others is apparently<br />
not a demanding task.<br />
A non-philosophical approach to the task of explaining the world-wide economic crisis<br />
tried and tested in the media is pointing the finger at the greed of some dubious<br />
elites that manifests itself in the person of a manager.<br />
In this essay I will show that parts of our system are not compatible with the zeitgeist<br />
that started to evolve at the beginning of our century. It is the inadequate way<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE
of regulating our society as well as philosophical misperceptions that cause all the<br />
conflicts rather than the impact a small proportion of the world’s citizens has.<br />
Before stating which conclusions we can draw from the crisis we first have to analyze<br />
its causes deeply rooted in our philosophical perception of the world.<br />
We should realize that our whole edifice of ideas that our so-called system is based<br />
on – no matter whether our laws or the way we regulate trade, more abstract as<br />
“exchange” amongst human beings is concerned – philosophical ideas which seem<br />
to change more slowly than reality. I do not focus on the noumenal level, the<br />
“things-in-themselves” (cf. Kant) but on the phenomenal reality. This distinction<br />
suggested by Kant is essential for the understanding of economic and financial reality.<br />
I define economy as an artificial product of man’s ideas based on the evaluation<br />
of his surroundings. I do not refer to a noumenal nature of the market as some<br />
economists do.<br />
Is it not ridiculous that many people, even some managers who blame themselves<br />
in talk shows and other public arenas for popular fighters now declare that greed is<br />
the essential factor that led to the crisis although Adam Smith who can be considered<br />
one of the thinkers that created the basis for market economy as it was perceived<br />
for centuries defined greed as a natural property integrated in his system?<br />
All people should strive for their greatest benefit, which would finally make the “invisible<br />
hand” regulate everything dynamically. Thus Smith basically defined greed<br />
as an anthropological feature that ought to be used instead of being rejected in all<br />
systems. We cannot prove this premise and furthermore neuro-scientific results recently<br />
claimed to have found a form of altruism inherent in the neurological structures.<br />
But though not reflecting noumenal reality Smith’s thought was brilliant. Greed can<br />
easily be defined as one of the most destructive properties a human being might<br />
possess when interacting with other member of his species. The Roman-Catholic<br />
church even defined greed as a deadly sin. But Smith amongst other liberal thinkers<br />
– maybe unconsciously - constructed a system that was prepared for the worst<br />
case – all people naturally strive for their greatest benefit independent from all other<br />
members of their species. Whether greed as a means is intrinsically good or a sin is<br />
unimportant. According to rule utilitarianism designed by Bentham the system explained<br />
above is orientated at the purpose and end of maximizing human welfare<br />
instead of concentrating on the action’s moral value.<br />
For decades this pragmatic system was highly efficient concerning maximizing welfare<br />
in the Western World whilst other systems failed or adapted to the Western<br />
system to an extent that made them indistinguishable which led to the assumption<br />
that the premises stated before were true, a natural property of human nature. Ideologies<br />
such as Communism or Fascism that had intended to create a “better human-being”<br />
through a systematical exercise of power failed whilst the system giving<br />
each individual the greatest level of freedom in following his assumed natural impulses<br />
possible was a story of success which furthermore coined our fundamental<br />
understanding of human nature.<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
25
26<br />
How could greed destroy a system perfectly based on greed?Is it not striking that a<br />
system based for decades on the same principles of market economy suddenly<br />
failed? The answers put forward by economists are in most cases concerned with<br />
economy itself: Either the American housing-estate crisis, American neo-conservative<br />
policy or a vague term such as neo-liberalism in general, represent the real<br />
reasons when the argument of too much greed appears to be overdone rhetorically.<br />
“You May be Spending a Lot of Your Weekend Thinking About Alternative Careers”<br />
was supposed to teach us that in a homogeneous system - illustrated by the dot<br />
patterns - we miss the possibility of abstraction and thus of analysis when focussing<br />
too much on details, too much on particular elements of the crisis such as the difficulties<br />
in the stock market.<br />
The connections between the particular elements e.g. between different economic<br />
problems is by far more important than these elements themselves. In economy we<br />
rely on interdependencies. Searle explained that even in nature we cannot extract a<br />
single H2O molecule from a river and assert that it is a liquid in order to support is<br />
its holistic structure.<br />
Considering this idea economy can be interpreted as an artificial room of connections,<br />
in which objects are given a certain value for all people in order to make an<br />
exchange that is supposed to be justified and facilitates the development of a trade<br />
market. “The prices are driven by checks and balances” is a phrase every pupil has<br />
probably heard during his school career. But whether this is really reflected in the<br />
stock market where people earn money by artificially raising demands is as questionable<br />
as the question whether money has a value on its own. A currency is only<br />
of value when exchanged with other national states’ currencies. The value of one<br />
currency is relative to the value of another currency. But these problems were again<br />
obvious for decades. What made them a threat to our system in recent years? At<br />
this point I will not get lost in the same popular argumentation again: All people in<br />
the finance system knew that the crash was about to take place and the only reason<br />
why they did not apply new measures was their own greed and irresponsibility.<br />
But the painting we were occupied with shows us more than the fallacies of our perception.<br />
It shows us a changing zeitgeist, a changing mentality in our society. The person in<br />
the chair thinks about “Alternative Careers”. The ambiguity of career is essential for<br />
the understanding of the painting’s title as it is on the one hand defined as a way of<br />
livelihood and on the other hand as “progress in life”. We initially think of progress<br />
when reading career as it has been an essential part of our system, of our world<br />
view on what to achieve in life – success in competition. But we are on the verge of<br />
a new era, virtual goods, especially on the Internet, become more and more important,<br />
the world is developing towards a “global village” as Robert King Merton explained.<br />
“The medium is the message” (cf. McLuhan), not its content and its properties.<br />
In theory, the finance system can be understood only as a property of our culture.<br />
Is the movement towards a virtual culture about to provoke such fundamental<br />
changes in our thinking and finally in our system – the regulative manifestations of<br />
our perceptions - as the shift from manuscript to printing culture did? Still most peo-<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE
ple will not accept my argument that the phenomenon “world-wide finance” and the<br />
resulting “economic crisis” is only an indicator for a turn towards a culture of information.<br />
“Why are we trapped in our own history?” Foucault would have asked. Why<br />
are we not able to accept changes due to new technologies? Is it not sad that since<br />
Foucault our psychological reaction towards changes in our system did not alter as<br />
Foucault wanted them to? Politicians desperately try to pump money into the market<br />
in order to heal it in the way suggested by Keynes who insisted on creating governmental<br />
support in critical times. It is probable that this will, apart from all unintended<br />
consequences which occur like a law (cf. Merton), increase debts.<br />
But something is obviously changing concerning the way citizens act. Whilst politicians<br />
panic a new way of seeming indifference has emerged amongst a wide part of<br />
the population. They do not care about a problem that occurs only in an artificial<br />
system. It is not a natural but cultural power that caused the crisis which means that<br />
it is in our power to change the regulations when we do not let ourselves get<br />
trapped in the belief that our market is driven by natural powers.<br />
Actually we are the persons sitting in the comfortable chair facing an alternative way<br />
of livelihood which is likely to be a virtual one.<br />
Weitere Essays: http://www.learn-line.nrw.de/angebote/essaywettbewerbephilo/winterak<br />
ademie/wiak09/essays_<strong>2009</strong>.html<br />
Ausschreibung des<br />
Landes- und Bundeswettbewerbs Philosophischer Essay <strong>2009</strong><br />
Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II in allen Bundesländern werden aufgerufen,<br />
sich am Landes- und Bundeswettbewerb Philosophischer Essay zu beteiligen.<br />
Die Themen und die näheren Modalitäten werden den Schulen zum Ende des<br />
Monats Oktober <strong>2009</strong> zugänglich gemacht. Sie sind dann auch im Internet unter der<br />
o. a. Internetadresse abrufbar. Einsendeschluss ist der 6. Dezember <strong>2009</strong>.<br />
Die Einsendungen sind – mit Ausnahme des Landes NRW – zu richten an die<br />
jeweiligen Landesvorsitzenden des <strong>Fachverband</strong>es <strong>Philosophie</strong> (Adressen auf S.<br />
58). Für Nordrhein-Westfalen gilt als Adressat die jeweilige Bezirksregierung, die im<br />
Anschreiben an die Schulen und im Internet genauer genannt wird.<br />
Für jedes teilnehmende Bundesland (außer NRW) werden jeweils drei Landessieger<br />
ermittelt. Die Landessieger nehmen am Wettbewerb auf Bundesebene teil. In<br />
NRW werden die besten Teilnehmer aus den jeweiligen Regierungsbezirken ermittelt.<br />
Die 25 besten Essayschreiber aus dem Bundesgebiet werden (entsprechend<br />
einem Verteilungsschlüssel, der sich nach den Teilnehmerzahlen aus den Ländern<br />
bzw. Bezirken richtet) im Februar zur Philosophischen Winterakademie nach Münster<br />
eingeladen. Die beiden besten Essayschreiber, die dort ermittelt werden, vertreten<br />
die Bundesrepublik im Mai 2010 auf der XVIII. Internationalen <strong>Philosophie</strong>-<br />
Olympiade teil, die unter dem Dach der Fédération Internationale des Sociétés de<br />
<strong>Philosophie</strong> (FISP) ausgerichtet und von der UNESCO gefördert wird.<br />
http://www.learn-line.nrw.de/angebote/essaywettbewerbephilo/<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
27
28<br />
PROJEKTE: PHILOSOPHIETAG FÜR DIE KLASSEN 5/6<br />
Der <strong>Fachverband</strong> <strong>Philosophie</strong> unterstützt seit 2007 den Aufruf der UNESCO zu einem<br />
Welttag der <strong>Philosophie</strong> am 3. Donnerstag im November. In den letzten <strong>Mitteilungen</strong><br />
(Heft 48/2008, S. 30-40) wurde dazu ein Durchführungsvorschlag des Clara-<br />
Schumann-Gymnasiums in Bonn veröffentlicht. Dieser Vorschlag richtet sich hauptsächlich<br />
an ältere Schüler (Stufe 10 – 13). Ergänzend dazu sollen im Folgenden<br />
zwei Projektvorschläge dargestellt werden, die dazu dienen, bereits bei jüngeren<br />
Schülern Interesse an der <strong>Philosophie</strong> zu wecken.<br />
Projekt „Rattenscharfes Denken“<br />
„Der Abschluss<br />
des<br />
<strong>Philosophie</strong>-<br />
Projekttages<br />
‚Rattenscharfes<br />
Denken’<br />
ist spektakulär<br />
gewesen,<br />
bunt und luftig<br />
- so luftig,<br />
dass Popstar<br />
Nena vor<br />
Neid erblasst<br />
wäre: 170<br />
Fünftklässler<br />
des Ratsgymnasiums<br />
(RGS) haben<br />
gestern<br />
Mittag auf dem Festplatz Sinnfragen des Lebens an Luftballons in den blauen<br />
Himmel steigen lassen. ’Wieso gibt es uns Menschen?’ hat Lauritz (11) auf seinem<br />
Zettel notiert. Birk (11) will wissen: ‚Kann man sein Schicksal selbst bestimmen?’<br />
Cindy macht sich Gedanken über die Frage "Was passiert nach und beim Sterben?"<br />
Esther (12) fragt: ‚Gibt es ein Leben nach dem Tod?’ Niklas (10) bleibt mit<br />
seinen Gedanken bei den Lebenden und hat auf seine Frage ‚Warum ist kein<br />
Mensch richtig dumm?’ selbst eine Antwort. ‚Jeder Mensch weiß etwas’, sagte der<br />
Zehnjährige im SN-Gespräch. Und selbst wenn ein Mensch nichts wisse, sich über<br />
diesen Umstand aber im Klaren sei, wisse er was. Der Gedankengang erinnert an<br />
einen berühmten Philosophen (‚Ich weiß, dass ich nichts weiß’), und Niklas kennt<br />
den Namen: ‚Sokrates!’ […] Niklas und seinem Freund Haye (10) - dieser notierte:<br />
‚Hat das Leben einen Sinn? Wenn ja, dann welchen?’ rauchte nach all dem ‚rattenscharfen’<br />
Denken nicht der Kopf. Schließlich: Die gewichtigen Fragen sind mit<br />
Leichtigkeit ‚in die Luft geflogen’.“ - So berichteten die Schaumburger Nachrichten<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE
am 18.7.2007 über den 3. Projekttag Rattenscharfes Denken, den Andreas Kraus<br />
zusammen mit Referendaren im Fach <strong>Philosophie</strong>, weiteren Lehrern und <strong>Philosophie</strong>schülern<br />
der Jahrgangsstufen 11 und 12 tags zuvor durchgeführt hatte.<br />
Bei dem Projekt, das sich Referendare und Fachleiter der Fachseminare Hannover<br />
und Stadthagen ausgedacht haben, geht es darum, dass Schülerinnen und Schüler<br />
Luftballons mit „rattenscharfen“ philosophischen Fragen steigen lassen, die sie vorher<br />
erarbeitet haben.<br />
Wie kann ein solches Projekt organisiert werden? Im folgenden einige Hinweise dazu,<br />
die hoffentlich zur Nachahmung anregen.<br />
Zu Beginn des Tages werden die 5. Klassen in jeweils drei Gruppen eingeteilt, die<br />
jeweils ein Referendar oder ein Schüler eines <strong>Philosophie</strong>kurses der 12. und 13.<br />
Klassen betreut hat. Die Gruppe hat vorher angefertigte Buttons erhalten, um den<br />
"Erlebnischarakter" dieses Tages zu bekräftigen. In den Gruppen wird mit einer Collage<br />
zum Begriff "Rattenscharfes Denken" - dem Motto, unter dem der Tag steht -<br />
begonnen. Die Schüler haben vorher den Auftrag erhalten, Material mitzubringen,<br />
das sie mit diesem Begriff verbinden. Das Erarbeiten einer solchen Collage diente<br />
einer ersten Vergewisserung darüber, was Denken (und besonders "rattenscharfes<br />
Denken") sein kann.<br />
Im Anschluss daran (etwa ab der 2. Stunde) wird ein Heft mit vorbereiteten Materialien<br />
an die Gruppe ausgegeben (erhältlich unter der u.a. Internetadresse). Sie sind<br />
grob in die Bereiche Theoretische <strong>Philosophie</strong> (Paradoxien, Begriffspyramiden, optische<br />
Täuschungen, Denk- und Fragespiele) und Praktische <strong>Philosophie</strong> (Texte<br />
und Fragebogen zu den Themen "Gewissen" und "Freundschaft") eingeteilt. Mit Hilfe<br />
dieser Materialien können die Schülerinnen und Schüler unter Anleitung der<br />
Gruppenleiter selbsttätig arbeiten und eigene Schwerpunkte setzen.<br />
In der 5. Stunde sollen dann die vorher zum Teil gemeinsam, zum Teil in Einzelarbeit<br />
mit den Materialen aufgeworfenen Fragen vertieft werden. Ziel ist eine Sammlung<br />
philosophischer Fragen, aus denen jeder Schüler sich dann eine Frage aussucht<br />
und diese auf einer Postkarte notiert. Dazu schreiben die Gruppenmitglieder<br />
ihren Namen, die Schuladresse und die Bitte um eine Antwort auf die Postkarte.<br />
In der 6. Stunde werden die Karten an mit Helium gefüllten Ballons befestigt. Die<br />
Schülerinnen und Schüler lassen sie alle gemeinsam draußen vor der Schule steigen.<br />
Wichtig für das Gelingen der beiden bisher durchgeführten <strong>Philosophie</strong>tage war die<br />
Unterstützung durch das Kollegium. Mappen, in die die Schüler das zur Verfügung<br />
gestellte Material abheften konnten, hatten sie vorher im Kunstunterricht an gefertigt;<br />
auch das Füllen von jeweils über 100 Ballons mit Helium (eine langwierige Arbeit!)<br />
hatten Kollegen dankenswerterweise übernommen. Ebenso wichtig war die<br />
Beteiligung der Schüler aus Klasse 12 und 13, die mit der Verantwortung für eine<br />
Gruppe über 6 Stunden eine nicht zu unterschätzende Aufgabe übernommen hatten.<br />
Hilfreich war, dass ein minutiöser Verlaufsplan erarbeitet war, der allen Teilnehmern<br />
vorlag. So kam es insgesamt zu wenig Reibungsverlust. Auch der Termin<br />
im Schuljahr will bedacht sein: Zu früh im Jahr sollte er nicht liegen, damit sich die<br />
Schüler bereits ein wenig an die neue Schule und aneinander gewöhnt haben.<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
29
30<br />
Zeit Aktivität Material, Sozialform<br />
1.<br />
Std.<br />
2.-4.<br />
Std.<br />
5.<br />
Std.<br />
6.<br />
Std.<br />
In die entsprechenden Klassenräume gehen,<br />
dort Abholung der Schülergruppen und Gang<br />
mit der Gruppe in die nach besonderem Plan<br />
zugeteilten Räume (jede Gruppe – bestehend<br />
aus je 1/3 einer Klasse - sollte vorab durch die<br />
Klassenlehrer eingeteilt sein und sich einen<br />
Gruppennamen gegeben haben)<br />
Anschließend: Namensschilder anfertigen, Austeilen<br />
der Buttons<br />
Vororientierung: Bilder/Fotos zum Thema „Rattenscharfes<br />
Denken“ vorhanden? Kurzes Zeigen<br />
durch SuS, dabei Annäherung an das Vorverständnis<br />
des Begriffes „Scharfes Denken“<br />
Gemeinsames Anfertigen einer Collage zum<br />
Thema<br />
Klärung: Was ist eine Collage? Wie soll sie anhand<br />
des mitgebrachten Materials gestaltet<br />
werden?<br />
Anschließend: Aufhängen der fertigen Collage<br />
im Raum, in der Aula<br />
Austeilung der vorbereiteten Arbeitsmaterialien,<br />
Einigung auf Themen/Arbeitsblätter und Sozialform<br />
Wettbewerb in den 10er-Gruppen: Wer findet<br />
die rattenschärfste philosophische Frage? (mit<br />
Begründung/Vorstellung der „Rattenschärfe“ in<br />
dieser Frage)<br />
Übertragen der Fragen auf Postkarten (auf<br />
schöne Gestaltung achten, auf Absender achten:<br />
Name, Klasse, Schule, Adresse, PLZ Ort)<br />
Gang mit der Gruppe in den Raum,<br />
in dem die mit Helium gefüllten Luftballons erhältlich<br />
sind; Karte an Bindfaden befestigen<br />
Treffen aller Gruppen auf dem Festplatz<br />
Gemeinsames Steigenlassen aller Ballons<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE<br />
Tesa-Krepp, Edding,<br />
Buttons<br />
Bild-/Fotomaterial zum<br />
Thema<br />
Gespräch/Sitzkreis<br />
Wandplakate, Kleber,<br />
Farbstifte, Edding, Foto-/Bildmaterial<br />
(auch<br />
vom Gruppenleiter mitzubringen)<br />
Tesa-Krepp<br />
Arbeitsblätter, Gruppen-/Partner-<br />
/Einzelarbeit , Projektmappe<br />
zum Einlegen<br />
der ABs<br />
Einzelarbeit, dann Vorstellen/Gespräch<br />
Sammlung der Fragen<br />
auf Wandzeitung/Tafel<br />
Postkarten, gelocht<br />
(1x)<br />
Farbstifte<br />
Luftballons, Bindfaden,<br />
Postkarte<br />
Luftballons<br />
Musik : Nena «99 Luftballons»<br />
Zusammengestellt nach Materialien von Hipolito-Jorge Lorenzo, Konrad Pahlke,<br />
Bettina Mußmann und Andreas Kraus. Weitere Informationen ZDPE 1/2006, S.<br />
77f., bmussmann@gmx.de, Kraus-Stadthagen@t-online.de<br />
Die angesprochenen Materialien und Arbeitsblätter stehen zum Download bereit<br />
unter: http://www.rgs-stadthagen.de/upload/dokumente/Rattenscharf.pdf
Projekt<br />
„Nimm Dein Glück in die Hand<br />
und gib es weiter“<br />
Idee<br />
Am Welttag der <strong>Philosophie</strong> trafen sich die Schülerinnen und Schüler beider <strong>Philosophie</strong>kurse<br />
der 12 zum philosophischen Gespräch mit Schülerinnen und Schülern<br />
zweier Klassen der Jahrgangsstufe 5 des Einhard-Gymnasiums. Um dem aktuellen<br />
Beispiel einer Heidelberger Schule zu folgen, kamen wir auf die Idee des intensiven<br />
Gesprächs über Glück. Damit wollten wir vor allem auch für das Schulfach „Glück“<br />
in unserer Schule werben. Hinzu kam, dass wir für uns „Glück“ als im Zentralabitur<br />
relevantes Thema auf diese Weise veranschaulichen und verständlicher machen<br />
konnten, mit dem „Praktizieren“ möglichst nah am wirklichen Leben. Außerdem<br />
wollten wir die „Ersties“ auf dem Einhard-Gymnasium für das Fach <strong>Philosophie</strong> begeistern<br />
und ihnen zeigen, dass es mehr bietet als nur einen Ersatz für Religion.<br />
Um den Weg großer Philosophen wie Sokrates und vieler Anderer zu verfolgen,<br />
suchten wir das Gespräch zu den kleinen unbeeinflussten Fünftklässlern, indem wir<br />
mit ihnen in angenehmer Atmosphäre um den Teich gingen. Sokrates hinterlässt<br />
uns vor allem die Botschaft, dass das Gehen beim <strong>Philosophie</strong>ren zu belebenden<br />
Ideen beflügelt. Doch schwungvolle Ideen gab es nicht nur auf Seiten der Fünfer,<br />
sondern auch wir konnten unser eigenes Menschsein in ihnen wiederfinden. Kinder<br />
sind die besten Philosophen, da sie Fragen stellen und auch beantworten.<br />
Planung<br />
Auf das Gespräch mit unseren Glückskindern haben wir uns intensiv vorbereitet.<br />
Als erstes haben wir unsere Lernziele in Form von fünf kurzen und leicht verständlichen<br />
Aufforderungen formuliert:<br />
1. Tu was! 2. Trau dich raus! 3. Engagier’ dich! 4. Bleib am Ball! 5. Übertreib’s nicht!<br />
Außerdem überlegten wir uns Leitfragen zu bestehenden Glückserfahrungen, um<br />
das Gespräch einzuleiten, wie z. B.: „Was macht Dich glücklich? Wen machst Du<br />
glücklich?“<br />
Für die Verlaufsplanung beschäftigten wir uns mit der sokratischen Lehre, der sogenannten<br />
Hebammenkunst, mit der wir beabsichtigten, den Kindern philosophische<br />
Gedanken zu entlocken. Jeder schrieb eine persönliche Einladung an die<br />
Fünftklässler, um bereits im Voraus eine herzliche Atmosphäre zu schaffen.<br />
Durchführung<br />
Wir trafen uns am Sitzrondell an unserem Schulteich, wo die Fünftklässler schon<br />
aufgeregt auf uns warteten. Der Himmel war blau, die Sonne lachte und somit war<br />
unser erster Glücksmoment schon gesichert. Die Glücksfee, ausgestattet mit einer<br />
tollen Krone, teilte die Gesprächspaare ein. Auf jeden Fünftklässler kam ein Schüler<br />
der Stufe 12, eine optimale Aufteilung, was für ein Glück! Das Gespräch nahm seinen<br />
Lauf, sobald wir anfingen um unseren schönen Teich zu gehen. Wir haben uns<br />
absichtlich diesen besonderen Ort zum <strong>Philosophie</strong>ren ausgesucht, da schon der<br />
griechische Philosoph Epikur in den Garten ging um zu philosophieren. Dort hat<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
31
32<br />
man beste Voraussetzungen: frische Luft für freie Gedanken, Ablenkung, wenn es<br />
zu Gedankenstaus kommt, und des Weiteren bietet die Natur die Möglichkeit unsere<br />
fünf Glückssymbole zu erläutern:<br />
- der Baumast als Spannungsbogen (nach Aristoteles sind im Griechischen die<br />
Worte „bios“ = Leben und „bios“ = Bogen ein Wort mit verschiedenen Betonungen,<br />
das philosophische „Glück der Fülle“ ist wie ein Bogen,<br />
- das Efeublatt mit fünf Zacken für fünf Glücksregeln nach dem Prinzip „Give me<br />
five“,<br />
- der Stein als Erinnerung an das Wichtigste im Leben, die Glückssuche,<br />
- die Papier-Krone, weil jeder einzelne Mensch wichtig ist, und<br />
- die Mandarine – im Chinesischen lauten die Worte „Mandarine“ und „Glück“<br />
gleich, diese Frucht ist für uns auch wichtig, weil sie nicht nur Vitamin C hat,<br />
sondern auch „Vitamin PL oder PP“.<br />
Der Höhepunkt war die symbolische Jungfernfahrt der Glücksboote; sie zeigte,<br />
dass die Schülerinnen und Schüler in der Lage sind, ihr Lebensschiff selbst zu<br />
steuern. Als Abschluss gab es ein Glück-Erinnerungsgeschenk von unserer Seite<br />
und ein Glückszeugnis von Seiten der Fünftklässler.<br />
Abschließend unser Wunsch an die Schulleitung für die Zukunft: Nächstes Jahr<br />
würden wir uns gern wiedersehen und wieder philosophieren - dann als hoffentlich<br />
immer noch glückliche Schülerinnen und Schüler der 13 und der 6.<br />
Maria Behre<br />
Weitere Informationen bei der Verfasserin<br />
An der Ellermühle 2, 52066 Aachen<br />
Philosophisches Café Wuppertal<br />
In Wuppertal hat sich eine Initiative gebildet, die montags um 19 Uhr in regelmäßigen<br />
Abständen ein philosophisches Café veranstaltet. Die Veranstaltungen stehen<br />
jeweils unter einem Thema und werden durch einen Vortrag eines Experten dazu<br />
eingeleitet. Am 27. April war Prof. Bazon Brock zu Gast mit dem aktuellen Thema:<br />
„Spekulation als Grundmuster der Realität – die Banker als Geistesarbeiter“<br />
Die nächsten Veranstaltungen:<br />
8. Juni <strong>2009</strong>: „Theorie als Praxis“ (Dr. Markus Meyer)<br />
22. Juni <strong>2009</strong> „Über das Weibliche“ (Dr. Massimo Ulivari)<br />
6. Juli <strong>2009</strong> „Körper ohne Materie – Nietzsches Denken am Leitfaden des<br />
Leibes“ (Dr. Filippo Smerelli)<br />
Ort der Veranstaltungen: Internationales Begegnungszentrum der Caritas. Hünefeldstr.<br />
54a (Tel. 0202-280520)<br />
Kontakt: Initiative Philosophisches Café Wuppertal: philcafewup@aol.com.<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE
Axel Ziemke<br />
Gehirn und Bewusstsein<br />
Eine Unterrichtsreihe über die Analytische <strong>Philosophie</strong> des Geistes<br />
Interesse an diesem Thema zu motivieren, erübrigt sich. Zu sehr ist es mit den Erfolgen<br />
der modernen Hirnforschung Thema öffentlicher Diskussionen. Zu sehr trifft<br />
es durch seine Bezüge zu Fragen wie jener nach individueller Unsterblichkeit oder<br />
individueller Freiheit seit jeher das Selbstverständnis eines jeden selbstständig<br />
denkenden Menschen. Dargestellt werden soll hier, wie ich dieses Thema in einer<br />
Unterrichtsreihe der 13. Klasse meiner Schule behandle. Meine Schule ist eine<br />
Waldorfschule. Der im eigentlichen Sinne „gymnasiale“ Unterricht beschränkt sich<br />
auf die 13. Klasse. Die Schülerinnen und Schüler haben seit der 12. Klasse <strong>Philosophie</strong>unterricht.<br />
In der 13. Klasse belegen sie <strong>Philosophie</strong> als mündliches Prüfungsfach.<br />
Für das Thema nicht unerheblich ist, dass ich mit ihnen parallel zu der<br />
hier darzustellenden Unterrichtsreihe im Fach Biologie das Thema Neurobiologie<br />
behandle, wodurch interessante fachübergreifende Bezüge möglich sind. Als Ziel<br />
meiner Unterrichtsreihe sehe ich, dass die Schülerinnen und Schüler eigene Positionen<br />
zu der Frage nach dem Verhältnis von Gehirn und Bewusstsein entwickeln,<br />
ihre eigenen Positionen argumentativ vertreten und sich mit anderen Positionen kritisch<br />
auseinandersetzen können, aber auch, dass sie andere Positionen würdigen<br />
und ihnen mit der Bereitschaft zur Korrektur ihrer eigenen Auffassungen begegnen<br />
können. Ich erhebe diese Ansprüche sowohl hinsichtlich der Auseinandersetzung<br />
mit den verschiedenen Positionen in der aktuellen philosophischen Diskussion, als<br />
auch hinsichtlich einer Gesprächskultur innerhalb der Lerngruppe.<br />
Hinführung zum Körper-Geist-Problem<br />
Um die Problemstellung der Unterrichtsreihe zu explizieren, kann ich zumeist an<br />
Diskussionen aus dem vorangehenden Schuljahr anknüpfen. Die Frage nach individueller<br />
Unsterblichkeit oder Reinkarnation bringen die Schülerinnen und Schüler<br />
schnell in den Zusammenhang mit der Frage, ob es „im“ menschlichen Körper „etwas“<br />
gibt, das den Tod dieses Körpers überlebt oder sogar schon vor seiner Zeugung<br />
„da“ war, auch wenn die spontanen Antworten auf diese Frage zunächst in<br />
der Regel religiös oder eben anti-religiös orientiert sind. Anknüpfend an den Substanzbegriff<br />
der Renaissancephilosophie explizieren wir die beiden grundsätzlichen<br />
Antwortmöglichkeiten: Die monistische Position geht nur von einer, zumeist der materiellen<br />
Substanz aus und impliziert, dass nach dem Tod des Körpers nichts „Seelisches“<br />
mehr bestehen kann. Die dualistische Position hingegen nimmt zwei verschiedene<br />
Substanzen an, die Körper und Seele des Menschen zugrunde liegen,<br />
und lässt die Möglichkeit offen, dass etwas Seelisches des Menschen den Tod des<br />
Körpers überleben oder auch seiner Zeugung vorangehen könnte. Den letztgenannten<br />
Standpunkt verbinden wir mit einer Bearbeitung der ersten vier Paragraphen<br />
des vierten Teils des „Discours de la méthode“ von René Descartes. Im Unterrichtsgespräch<br />
sollen die Schülerinnen und Schüler ihre nun als monistisch oder<br />
dualistisch klassifizierten Standpunkte auch jenseits ihrer jeweiligen religiösen Be-<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
33
34<br />
züge vertreten. Vielfältige alltagspsychologische Intentionen spielen dabei für die<br />
dualistischen Spontan-Argumente eine Rolle, Bezüge auf die Hirnforschung vor allem<br />
für die monistischen. Klassische und moderne Ergebnisse der Hirnforschung<br />
werden dabei in die Diskussion einbezogen, soweit möglich aus dem parallel laufenden<br />
Neurobiologiekurs, sonst anhand aktueller Publikationen. Eine Kurzdarstellung<br />
des Konzepts von John Eccles lesen wir als Beispiel dafür, dass es auch Neurowissenschaftler<br />
gibt, die dualistische Positionen beziehen.<br />
Materialismus<br />
Auf diese Weise nähert sich die Problemsicht der Schülerinnen und Schüler zunehmend<br />
jener der Analytischen <strong>Philosophie</strong>. Um diese zu explizieren, lesen wir im<br />
Anschluss einen Text von John Searle (M1), in dem er als Teilaspekte des Körper-<br />
Geist-Problems Bewusstsein, Subjektivität, Intentionalität und mentale Verursachung<br />
herausstellt: Wie kann es sein, dass ein materielles Gehirn über bewusste<br />
mentale Zustände verfügt? Wie kann es sein, dass diese Zustände nur mir und<br />
niemandem anders zugänglich sind? Wie können diese mentalen Zustände von etwas<br />
außerhalb des Gehirns handeln, sich auf etwas anderes beziehen? Wie können<br />
diese Zustände meine Handlungen verursachen? In Übungsform beziehen die<br />
Schülerinnen und Schüler diese Aspekte auf verschiedene mentale Zustände. Ihnen<br />
wird dabei auch deutlich, dass alle mentalen Zustände bewusst und subjektiv,<br />
nicht alle hingegen intentional sind und längst nicht alle mentalen Verursachungen<br />
zugrunde liegen.<br />
Wenn die Schülerinnen und Schüler wirklich Klarheit über das Problem gewonnen<br />
haben, lesen sie Searles Argumentation gegen den Dualismus, die sich zumeist<br />
sehr deutlich an ihre im Anschluss an die Hirnforschung gewonnenen eigenen Intuitionen<br />
anschließt (M2). Mentale Verursachung und Intentionalität als Aspekte mentaler<br />
Zustände lassen sich auf dualistischer Grundlage nicht verstehen, ohne die<br />
Erhaltungssätze der Physik, ja ein modernes Konzept von Kausalität überhaupt in<br />
Frage zu stellen. Okkasionalismus, Parallelismus und Epiphänomenalismus werden<br />
kurz als letztendlich unbefriedigende Alternativen diskutiert. Anschließend lernen<br />
die Schülerinnen und Schüler Searles eigene Position zum Körper-Geist-Problem<br />
kennen, die einer materialistischen Position entsprechen würde (auch wenn Searle<br />
sie selbst nicht so nennt): Überall in der Welt begegnen uns Makro- und Mikroeigenschaften<br />
von bestimmten Dingen. Die Mikroeigenschaften verursachen die Makroeigenschaften<br />
und sind ihrerseits in Form dieser Mikroeigenschaften realisiert.<br />
Das Verhalten der H2O-Moleküle verursacht die Flüssigkeit des Wassers. Die Flüssigkeit<br />
des Wassers ist realisiert im Verhalten diese Moleküle. Ebenso sind mentale<br />
Zustände Makroeigenschaften des Gehirns, die von neuronalen Aktivitäten als Mikroeigenschaft<br />
verursacht wird und in Form dieser neuronalen Aktivität realisiert ist.<br />
Mentale Zustände sind also physikalische Zustände des Gehirns – nur eben auf einer<br />
höheren Ebene als die physikalisch messbare Aktivität der Nervenzellen oder<br />
ihrer Neurotransmitter. (M3 – Der Text ist verhältnismäßig alt, aber besser geeignet<br />
als Searles jüngere Darstellungen, in denen er zwar im Wesentlichen den gleichen<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE
Standpunkt vertritt, aber leider auf seine sehr anschaulichen Analogien verzichtet –<br />
vielleicht weil sie doch sehr naiv erscheinen.)<br />
Nachdem die Schülerinnen und Schüler Searles Position rekonstruiert haben, untersuchen<br />
sie im Rückgriff auf ihre neurobiologischen Kenntnisse seine Tragfähigkeit<br />
in Bezug auf die vier von ihm selbst explizierten Probleme. Ihnen wird dabei<br />
deutlich, dass dieser Ansatz zwar die Probleme der Intentionalität und der mentalen<br />
Verursachung, nicht aber die Probleme des Bewusstseins und der Subjektivität als<br />
Teilaspekte des Körper-Geist-Problems löst. Hinsichtlich des Bewusstseins verweist<br />
selbst Searle auf die empirischen Rätsel, die die künftige Forschung zu lösen<br />
habe. Hinsichtlich der Subjektivität liefert sein Ansatz keine wirkliche Erklärung: Wo<br />
uns in der Natur auch Makroeigenschaften von Dingen begegnen, sind sie, wie die<br />
Mikroeigenschaften auch, eindeutig objektiv, also aus einer Perspektive dritter Person<br />
beschreibbar. Die Flüssigkeit des Wassers kann jeder Mensch beobachten, so<br />
wie jeder Wissenschaftler sie als H2O-Moleküle verstehen kann. Es ist keine Eigenschaft,<br />
die „nur dem Wasser selbst“ zugänglich wäre. Makroeigenschaften des Gehirns<br />
in diesem Sinne sind, dass es eine graue bis weiße glibbrige Masse ist, oder<br />
auch, dass es im EEG messbare globale Aktivitätsmuster hat, nicht aber, dass es<br />
mentale Zustände aufweist. Man kann vielleicht auch hier von „subjektiven Makroeigenschaften“<br />
sprechen, hat damit aber zu einem Verständnis des Körper-Geist-<br />
Problems oder gar zu seiner Lösung nichts gewonnen.<br />
Dualismus<br />
Diesen Kritikansatz, den die Schülerinnen und Schüler oftmals sehr selbstständig<br />
entwickeln können, verdeutlichen wir uns im Rückgang auf zwei klassische Kritikansätze<br />
des Materialismus. Der erste davon ist Thomas Nagels Aufsatz „Wie ist es,<br />
eine Fledermaus zu sein?“ Wir wissen eine ganze Menge über die neuro- und verhaltensbiologischen<br />
Grundlagen der Echoortung von Fledermäusen. Können wir<br />
aber auf Grund dieses Wissens auch nur die mindeste Vorstellung darüber gewinnen,<br />
wie es „für“ eine Fledermaus ist, ihre Welt auf diese Art und Weise wahrzunehmen?<br />
Anders als im Falle einer Fledermaus haben wir eine gewisse Vorstellung<br />
davon, „wie es ist, ein Mensch zu sein“, unsere Welt wahrnehmend, denkend, fühlend<br />
und wollend zu erleben. Vor diesem Erfahrungshintergrund können wir durchaus<br />
die bisherigen und künftigen Ergebnisse neuro- und verhaltenswissenschaftlicher<br />
Forschung als „Korrelationen“ unseres Erlebens interpretieren. Ohne diesen<br />
Erfahrungshintergrund würden wir aber diesen Ergebnissen am Menschen ebenso<br />
hilflos gegenüberstehen wie im Falle der Fledermaus. Die Perspektive des Neurobiologen,<br />
der das Gehirn von Menschen oder Fledermäusen untersucht und die<br />
Perspektive des Menschen und der Fledermaus selbst sind so verschieden, dass<br />
eine Identifikation der neuronalen Aktivität, die der eine beschreibt, und der seelischen<br />
Zustände, die die oder der andere erlebt, mit jenem simplen Wort „ist“<br />
schlichtweg unverständlich ist (M4).<br />
Der andere Ansatz ist ein Gedankenexperiment von Frank Jackson: Stellen wir uns<br />
eine Neurobiologin namens Mary vor. Sie hat ihr ganzes Leben über in einem<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
35
36<br />
Raum gelebt hat, in dem man genauestens darauf geachtet hat, dass es dort keine<br />
Farben gibt, sondern nur Schattierungen von weiß, grau und schwarz. Ihre Informationen<br />
über die äußere Welt wurden ihr durch Schwarz-Weiß-Fernsehen übermittelt.<br />
Stellen wir uns weiter vor, dass sie auf die eine oder andere Weise alles über<br />
das Gehirn erfahren hat und darüber, wie es funktioniert. Sie kann die Natur des<br />
Denkens, Fühlens und Wahrnehmens, einschließlich des Wahrnehmens von Farben<br />
neurowissenschaftlich vollkommen erklären. Stellen wir uns nun weiter vor,<br />
dass sie eines Tages aus ihrem Raum entlassen wird und das erste Mal einen<br />
blauen Himmel, eine grüne Wiese, bunte Blumen sieht. Würde sie nicht mit dieser<br />
Erfahrung ein völlig neues Wissen gewinnen? Ein Wissen, das also nicht enthalten<br />
ist in ihrem Wissen über das Gehirn und das visuelle System. Vorausgesetzt also,<br />
sie weiß beispielsweise alles über die neuronalen Zustände, die auftreten, wenn<br />
jemand eine rote Tomate sieht, würde sie dennoch nicht wissen „wie es ist, rot zu<br />
sehen“. Ihre utopische Neurowissenschaft kann etwas im Erleben eines Menschen<br />
nicht erfassen, weil es eben keine Eigenschaft des Gehirns ist.<br />
Wiederum kann aus der Perspektive neurowissenschaftlicher Forschung etwas -<br />
nun recht konkret fassbares - nicht verstanden werden, was nur über die in unserem<br />
eigenen Erleben wurzelnden Perspektive zugänglich ist: die Qualität „rot“. Man<br />
nennt dies das „Qualia-Problem“ (M5).<br />
Beide Argumente finden Schülerinnen und Schülern sofort einleuchtend, meistens<br />
aber nur darum, weil sie sie missverstehen. Man kann dieses Missverständnis etwa<br />
so rekonstruieren:<br />
Ein Wissenschaftler hätte das Bewusstsein der Fledermaus erst dann erklärt, wenn<br />
er sich in das Innenleben einer Fledermaus „hineinversetzen“ kann. Mary hätte die<br />
Farbwahrnehmung erst dann erklärt, wenn sie sich selbst Farben „vorstellen“ kann.<br />
Dieses Missverständnis findet sich auch bei vielen bedeutenden Neurowissenschaftlern<br />
(etwa M6) und entsprechend leicht scheinen sich die Argumente entkräften<br />
zu lassen: Man verlangt doch auch von einem Meteorologen nicht, dass er sich<br />
in einen Sturm verwandelt, wenn er seine Entstehung erklären will. Man hat den<br />
Sturm erklärt, wenn man ihn hinreichend beschreiben kann und alle Ursachen seiner<br />
Entstehung kennt. Man hat das Problem der Subjektivität erklärt, wenn man die<br />
Dynamik der neuronalen Ereignisse beschrieben hat, aus denen Bewusstsein besteht.<br />
Man hat erklärt, dass es irgendwie ist, eine Fledermaus zu sein, wenn man<br />
die Dynamik eines Fledermausgehirns verstanden hat. Man hat die Farbempfindung<br />
erklärt, wenn man die Dynamik der neuronalen Aktivität bei der Wahrnehmung<br />
einer Farbe erklärt hat. Man hat die Subjektivität des menschlichen Bewusstseins<br />
erklärt, wenn man die Dynamik des menschlichen Gehirns verstanden hat. So<br />
funktioniert nun mal Wissenschaft – egal ob sie Elementarteilchen, das Wetter oder<br />
Gehirne erforscht. Diesem Missverständnis ist entgegen zu setzen, dass es Nagel<br />
und Jackson keineswegs darum geht, dass Wissenschaftler die Perspektive einer<br />
Fledermaus oder eines rot empfindenden Menschen einnehmen müssten. Man<br />
nennt diese Argumente „Argumente des unvollständigen Wissens“, weil es lediglich<br />
darum geht, alles zu wissen, was es über diese Perspektive zu wissen gibt. Sie be-<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE
haupten, dass es ein Wissen gibt, welches man nur haben kann, nachdem man eine<br />
Fledermaus gewesen oder Farben empfunden hat. Ein Wissen, das sich aus der<br />
Perspektive dritter Person, also etwa des forschenden Neurowissenschaftlers nicht<br />
erschließen lässt. Erst dann sind die Argumente nicht mehr trivial – allerdings auch<br />
weniger schlagend. Denn nun stellt sich die Frage nach der Natur von „Wissen“:<br />
Gewinnt man aus der Perspektive der Fledermaus oder des rot empfindenden<br />
Menschen wirklich ein neues Wissen oder eben dasselbe Wissen aus einer anderen<br />
Perspektive (wie etwa Patricia Churchland sagen würde)? Könnte es nicht sein,<br />
dass Mary ihren Raum verlässt und sagt: Super, dass ich endlich mal selbst Farben<br />
sehe. Aber es ist exakt das, was ich aufgrund meines neurobiologischen Wissens<br />
erwartet hätte.<br />
Eliminativer Materialismus<br />
Dennoch scheint es so, als ob der Materialismus mit den Aspekten des Bewusstseins<br />
und der Subjektivität eben solche Probleme hätte wie der Dualismus mit jenen<br />
der Intentionalität und der mentalen Verursachung. Diese Probleme lassen sich<br />
auch in unzähligen Texten von Neurowissenschaftlern über die neurobiologischen<br />
Grundlagen mentaler Zustände wieder finden, so dass es genügend Möglichkeiten<br />
gibt, die Rekonstruktion und Kritik solcher Texte durch die Schülerinnen und Schüler<br />
erüben zu lassen. Als einen sehr konsequenten materialistischen Ansatz, der<br />
sich derartigen Kritikansätzen entzieht, lernen die Schülerinnen und Schüler darauf<br />
hin den eliminativen Materialismus von Patricia Churchland kennen. Dieser Ansatz<br />
bietet nicht zuletzt auch die Möglichkeit, Materialismus als Reduktionismus zu rekonstruieren<br />
und somit eine wissenschaftstheoretische Perspektive in die Diskussion<br />
des Körper-Geist-Problems einzubeziehen. Hierzu muss zunächst das Reduktionskonzept<br />
des Wiener Kreises eingeführt werden: Reduktionen betreffen eigentlich<br />
nicht Begriffe, sondern Theorien. Die Theorie eines komplexeren Phänomenbereiches<br />
wird reduziert, indem sie aus einer grundlegenden Theorie logisch abgeleitet<br />
wird. Im Zusammenhang dieser Ableitung können dann Begriffe der reduzierten<br />
Theorie mit Begriffen der grundlegenderen Theorie identifiziert werden. Die Schülerinnen<br />
und Schüler kennen aus dem naturwissenschaftlichen Unterricht in der Regel<br />
eine breite Palette solcher Reduktionen, auf die zur Verdeutlichung dieses Ansatzes<br />
Bezug genommen werden kann. Im Kontext des Körper-Geist-Problems ist<br />
nun klar, dass es sich bei der grundlegenderen Theorie um eine neurobiologische<br />
Theorie des Bewusstseins (oder auch einzelner mentaler Zustände) handelt. Die zu<br />
reduzierende Theorie ist nun nach Churchlands Auffassung in diesem Falle gar<br />
keine wissenschaftliche Theorie, sondern das komplexe System alltäglicher Annahmen<br />
über das menschliche „Seelenleben“, welches jedem von uns zur Vorhersage<br />
des Verhaltens anderer Menschen dient: die „folk psychology“ oder etwas abwertender<br />
„grandmother psychology“, deutsch meist übersetzt als „Alltagspsychologie“).<br />
Des weiteren macht Churchland darauf aufmerksam, dass kaum eine der erfolgreichen<br />
Reduktionen in der Wissenschaftsgeschichte dem Reduktionsschema<br />
des Wiener Kreises entspricht. Meist muss die zu reduzierende Theorie nach der<br />
Reduktion modifiziert, nicht selten sogar gänzlich verworfen (falsifiziert) werden. Die<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
37
38<br />
Begriffe dieser Theorie können in diesem Fall nicht mit Begriffen der grundlegenden<br />
Theorie identifiziert werden, weil das durch diese Begriffe Beschriebene sich als<br />
überhaupt nicht existent erweist (wie z.B. „Wärmestoff“, „Phlogiston“, „Äther“, „Entelechie“,<br />
„Lebenskraft“). Der Begriff muss also eliminiert werden. Es entsteht also ein<br />
Spektrum von Reduktionen zwischen „retentiven“ Reduktionen im Sinne des Wiener<br />
Kreises und „eliminativen Reduktionen“. Im Falle der Alltagspsychologie ist es<br />
nun nach Churchlands Auffassung sehr wahrscheinlich, dass ihre Reduktion auf die<br />
Neurobiologie eliminativ sein wird, wir also davon ausgehen müssen, dass die Alltagspsychologie<br />
falsch und mentale Zustände im Sinne dieser Theorie schlichtweg<br />
nicht existent sein könnten. (M7)<br />
Im Rückgriff lässt sich Searles Ansatz also als ein „retentiver Reduktionismus“ verstehen.<br />
(Searle selbst macht eine, wie ich finde, weniger fundierte Unterscheidung,<br />
wenn er seinen eigenen Ansatz eine „kausale Reduktion“ nennt und sie der „ontologischen<br />
Reduktion“ von Churchland gegenüber stellt.). Er akzeptiert die Bewusstheit,<br />
Subjektivität, mentale Verursachung und Intentionalität als Aspekte mentaler<br />
Zustände, die die Neurowissenschaften zu erklären haben, und sagt ganz explizit:<br />
„Wenn Ihre Theorie einen dieser Aspekte leugnet, dann wissen Sie, dass sie etwas<br />
falsch gemacht haben!“ Eben hier liegt entsprechend auch der Ansatzpunkt der genannten<br />
Kritikansätze. Churchland hingegen betrachtet die Sache ganz anders:<br />
Wenn in einer hinreichend empirisch fundierten neurobiologischen Theorie Subjektivität<br />
oder mentale Verursachung nicht plausibel sind, dann sind die so beschriebenen<br />
mentalen Zustände eben nicht subjektiv (im Sinne der Alltagspsychologie)<br />
oder verursachen selbst keine Handlungen – und die Kritik läuft ins Leere. Entsprechend<br />
lassen sich viele der neueren Versuche, die menschliche Entscheidungsfreiheit<br />
oder die Existenz eines menschlichen „Ich“ zu bestreiten, als „eliminative Reduktionen“<br />
rekonstruieren. Inwieweit dies in der hier dargestellten Unterrichtsreihe<br />
geschehen kann, ist eine Zeitfrage. Obgleich der Ansatz Churchlands einem philosophisch<br />
geprägten Menschen geradezu absurd erscheinen mag, ist er oftmals für<br />
Schüler sehr attraktiv, die von der methodischen Stringenz neurobiologischer Forschung<br />
im Neurobiologiekurs begeistert sind. (Ich habe es noch nie bei Schülerinnen<br />
erlebt.) Lohnende Texte zum Erüben der Unterscheidung beider Reduktionismen<br />
und zur Vertiefung der Kritikansätze finden sich gerade im deutschen Sprachraum<br />
zuhauf in Kontext des so genannten „nicht-reduktiven Physikalismus“, der<br />
sich unter der Lupe des Reduktionsverständnisses von Churchland ganz klar als<br />
„retentiver Reduktionismus“ erweist (etwa M8).<br />
Funktionalismus<br />
Wenn auch viele Ansätze mit der Perspektive liebäugeln ein „dritter Weg“ zwischen<br />
Materialismus und Dualismus zu sein, erfüllt m.E. als einzige bedeutende moderne<br />
philosophische Position der Funktionalismus diesen Anspruch, eine gleichzeitig<br />
nicht-reduktionistische und nicht-dualistische Sicht auf das Körper-Geist-Problem<br />
zu liefern. Der Funktionalismus definiert einen bestimmten mentalen Zustand nicht<br />
als neuronalen Aktivitätszustand, aber auch nicht als Zustand einer „Seelensubstanz“,<br />
sondern durch seine Funktion oder „funktionale Rolle“ in der „funktionalen<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE
Organisation“ des Gehirns. Er ist in diesem Rahmen gekennzeichnet durch seine<br />
kausalen Relationen zu Inputs (Wahrnehmungen, Empfindungen, gehörter oder gelesener<br />
Sprache etc.), zu Outputs (Handlungen, gesprochene oder geschriebene<br />
Sprache etc.) und zu anderen mentalen Zuständen. (Beispiele in M9.) Der Funktionalismus<br />
ist insofern nicht-reduktionistisch als es für den so gekennzeichneten<br />
mentalen Zustand weitgehend gleichgültig ist, in was für einem materiellen System<br />
oder durch welche neuronalen Zustände er realisiert ist. Er ist aber ebenso nichtdualistisch,<br />
als er (zumindest nach Auffassung der übergroßen Mehrheit der Autoren)<br />
in irgendeinem materiellen System realisiert sein muss. Was eine funktionale<br />
Organisation ist, lässt sich Schülerinnen und Schülern leicht an vielen Alltagsgegenständen<br />
deutlich machen. Uhren, Mausefallen, Cola-Automaten und viele andere<br />
Dinge haben eine auf diese Weise bestimmbare Funktion, die physikalisch in<br />
vielfältigster Weise realisiert sein kann. Schwerer ist ein Begriff dafür zu entwickeln,<br />
was tatsächlich mit „Relationen“ gemeint ist. Denn nur so wird deutlich, dass es einen<br />
mentalen Zustand „an sich“ nicht gibt, sondern er eben erst durch die Relationen,<br />
in denen er steht, zu einem solchen wird.<br />
Die „multiple Realisierbarkeit“ mentaler Zustände wird nicht zuletzt philosophische<br />
Grundlage für die Forschungen zur Künstlichen Intelligenz, die sich den Schülerinnen<br />
und Schülern anhand aktueller Publikationen näher bringen lassen. Wenn es<br />
für einen mentalen Zustand unerheblich ist, in was für einem System er realisiert ist<br />
(wenn es nur komplex genug ist), dann kann man ihn auch in einem technischen<br />
System realisieren. Hier liegt dann auch die Grundlage für die bedeutsamste funktionalistische<br />
Analogie, die Computerprogramm-Analogie: Geist und Körper verhalten<br />
sich zueinander wie Software und Hardware eines Computers. (Viele Autoren<br />
halten diese Analogie für überholt, zeigen damit aber lediglich, dass auch sie nicht<br />
verstanden haben, was eine Relation ist: In der Tat wird heute kein Wissenschaftler<br />
mehr meinen, dass unser Gehirn einem Computer und unser Geist einem Computerprogramm<br />
vergleichbar ist. Dennoch könnte es die Relation der Realisierung des<br />
einen in dem anderen sein. Hingegen ist es schwer vorstellbar, dass mentale Zustände<br />
tatsächlich an Aktionspotenziale gebunden sein sollen, die durch spannungsabhängige<br />
Kalium- und Natriumkanäle fortgeleitet werden.) Als Konsequenz<br />
für die Erforschung mentaler Zustände ergibt sich zudem, dass der Neurobiologie<br />
hier nur eine untergeordnete Rolle zukommen kann. Mit neurobiologischen Methoden<br />
den menschlichen Geist erforschen zu wollen ist aus funktionalistischer Sicht<br />
ebenso wenig sinnvoll wie mit einem Spannungsprüfer herausbekommen zu wollen,<br />
was für ein Programm gerade auf einem Computer läuft. (Auch hier wäre es sinnvoller,<br />
die Inputs über das Keyboard mit den Outputs über den Bildschirm zu vergleichen.)<br />
Neurobiologie kann lediglich untersuchen, wie mentale Zustände allgemein<br />
im Gehirn „implementiert“ sind. Die eigentliche Untersuchung mentaler Zustände<br />
bleibt der Psychologie, der Künstlichen Intelligenz (im Sinne der „Kognitiven<br />
Simulation“) oder auch der <strong>Philosophie</strong> überlassen.<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
39
40<br />
Kritik des Funktionalismus – Das Chinese-Room-Argument<br />
Der Widerspruch vieler Schülerinnen und Schüler regt sich vor allem an der Konsequenz<br />
einer technischen Realisierung mentaler Zustände. Ein klassischer Kritikansatz,<br />
mit dem ihre Zweifel rationalisiert werden können, stammt wieder von John<br />
Searle: Das „Chinese Room Argument“. Stellen wir uns einen Menschen vor, der<br />
kein Chinesisch versteht. Er sitzt in einem Zimmer, welches zwei Fenster hat und<br />
mit Büchern gefüllt ist, die Regeln der sinnvollen Zuordnung von chinesischen Worten<br />
und Sätzen zu anderen chinesischen Worten und Sätzen enthalten. Durch das<br />
eine Fenster geben ihm Chinesen Zettel mit „Fragen“ herein, deren ihm völlig unverständliche<br />
Schriftzeichen er in den Büchern aufsucht und nach den Anweisungen<br />
in den Büchern „Antworten“ in Form von ihm genau so unverständlichen<br />
Schriftzeichen verfasst und wieder nach draußen reicht - wo die Chinesen sich über<br />
seine verständige Beantwortung ihrer Anliegen freuen. Searle hebt in seinem Argument<br />
darauf ab, dass in diesem Zimmer genau dasselbe passiert, wie in einem<br />
Computer: Zeichenketten werden nach rein syntaktischen Regeln ineinander verwandelt<br />
und so den eingegebenen Zeichenketten die auszugebenden zugeordnet.<br />
Was diese Zeichenketten „bedeuten“, worin ihre „Semantik“ besteht, spielt für den<br />
Computer keine Rolle. Er „versteht“ sie ebenso wenig, wie der Mensch im „Chinesischen<br />
Zimmer“ Chinesisch versteht. Computer arbeiten rein syntaktisch, ohne sich<br />
auf die Bedeutung der Zeichen zu beziehen. Eine künstliche „Intelligenz“ ist somit<br />
unmöglich, weil die mindeste Voraussetzung für ein intelligentes System sein sollte,<br />
dass es versteht, was es tut (M10).<br />
Zunächst zielt dieses Argument nur auf den Anspruch einer Künstlichen Intelligenz.<br />
Man kann es aber auch als Argument gegen den Funktionalismus überhaupt verstehen:<br />
Man kann die hineingereichten Zettel als „Inputs“, die hinausgereichten als<br />
„Outputs“ und die Bibliothek als „andere funktionale Zustände“ des Systems verstehen.<br />
Das Verständnis eines chinesischen Satzes wäre dann ein mentaler Zustand,<br />
der definiert ist durch seine Beziehung zu den hereingereichten Zetteln, den herausgereichten<br />
Zetteln und dem Nachschauen in der Bibliothek. Der Mensch im chinesischen<br />
Zimmer verbindet aber auf Grund dieser Beziehungen mit den Zeichen<br />
keinerlei Bedeutung. Searles Argument zeigt also, dass diese Beziehungen keineswegs<br />
hinreichen, um das Verstehen dieses chinesischen Satzes zu erklären.<br />
Ein Beobachter kann nun, wenn man Searles Argument folgt, eine noch so detaillierte<br />
Beschreibung des Zimmers mit seinem Insassen vornehmen, also die hinein<br />
gegebenen Zettel mit den herausgegebenen vergleichen oder sogar die Bücher im<br />
Inneren des Zimmers auf die Richtigkeit der Zuordnungen von Schriftzeichen hin<br />
überprüfen, ohne daraufhin sagen zu können, ob der Insasse Chinesisch versteht<br />
oder nicht. Wenn dieses Argument richtig wäre, dann würde es also zeigen, dass<br />
man mentale Zustände nicht über ihre Beziehungen zu Inputs, Outputs und anderen<br />
funktionalen Zuständen verstehen könnte.<br />
Nicht selten bringen bereits die Schülerinnen und Schüler aus ihrem neurobiologischen<br />
Wissen heraus den Einwand, dass ja auch das Gehirn mit elektrischen Potenzialen,<br />
also an sich völlig bedeutungslosen Zeichen arbeitet – ein Einwand, der<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE
auch von vielen Kritikern des Chinese-Room-Argumentes gebracht wird. Von anderen<br />
Kritikern wurde darauf verwiesen, dass ein System, das das Verstehen von<br />
Chinesisch „simulieren“ würde, höchstkomplex sein müsste und durch Searles Darstellung<br />
hoffnungslos „verniedlicht“ wird. In einem solchen hochkomplexen System<br />
könnte man dann tatsächlich eine Verstehensleistung des gesamten Systems - und<br />
nicht des isolierten, rasend schnell agierenden „Sachbearbeiters“ - unterstellen.<br />
Andere Kritiker verweisen darauf, dass ein solches System spätestens dann „verstehen“<br />
würde, was die Symbole bedeuten, wenn es praktisch in seiner Umgebung<br />
zu handeln gezwungen wäre, also praktische Erfahrungen machen könnte, was die<br />
Symbole bedeuten – ein Denkansatz, der mit der „Embodied Artificial Intelligence“<br />
im Kontext der Robotik zu spannenden Entwicklungen geführt hat.<br />
Absent-Qualia- und Inverted-Qualia-Argumente<br />
Als explizit gegen den Funktionalismus gerichtete Kritikansätze behandeln wir verschiedene<br />
Argumente, die wiederum vom Qualia-Problem ausgehen. Eine Gruppe<br />
von ihnen zeigt eine gewisse Ähnlichkeit mit Searles Chinese-Room-Argument: die<br />
„Absent-Qualia“-Argumente. Sie beziehen sich auf die Denkmöglichkeit, dass ein<br />
System die gleichen kausalen Relationen zu Inputs, Outputs und anderen funktionalen<br />
Zuständen haben könnte wie ein System, das ein bestimmtes Quale empfindet,<br />
ohne selbst überhaupt Erlebnisse zu haben. Intensiver diskutieren wir jedoch<br />
jene antifunktionalistischen Argumente, die unter dem Schlagwort „inverted qualia“<br />
bekannt sind. Sie gehen auf ein Gedankenexperiment zurück, das wohl erstmals<br />
von John Locke formuliert wurde, und versuchen zu zeigen, dass funktional identische<br />
Systeme umgekehrte Qualia aufweisen könnten, um somit nachzuweisen,<br />
dass eine funktionale Charakterisierung mentaler Zustände für ihr Verständnis nicht<br />
hinreichend sein kann (M11). Ein beliebtes Beispiel sind dabei solche Argumente,<br />
die von einem „inverted spectrum“ ausgehen, also etwa von zwei Menschen, von<br />
denen ein Mensch gerade die spektral entgegen gesetzten Qualitäten erleben<br />
könnte als der andere – also beim Anblick eines roten Gegenstandes dieselbe<br />
Empfindung wie der andere beim Anblick eines grünen und umgekehrt. Da beide in<br />
ihrer individuellen Entwicklung hinsichtlich der Rot-Grün-Unterscheidung gleiche<br />
Lernvorgänge durchlaufen hätten und das gleiche nichtsprachliche und sprachliche<br />
Verhalten in Referenz auf farblich unterscheidbare Gegenstände entwickelt hätten,<br />
wären sie auf Grund der Kennzeichnung funktionaler Zustände ununterscheidbar.<br />
Trotz umgekehrter Farbwahrnehmung würden also beide Menschen auf einen Input<br />
wie den Anblick reifer Tomaten mit einem Output wie der sprachlichen Bezeichnung<br />
„rot“ oder genussvollem Zubeißen reagieren und als Beziehung zu anderen mentalen<br />
Zuständen die Überzeugung entwickeln, dass sie essbar wären. Sie würden unreife<br />
Tomaten „grün“ nennen, als Verhältnis zu anderen Zuständen die Überzeugung<br />
haben, dass sie ungenießbar wären, und sie als Verhalten verschmähen. Sie<br />
würden beide beim Input rote Ampel als Output anhalten und beim Input grüne Ampel<br />
als Output losfahren - und bei ersterem Reiz als Verhältnis zu anderen mentalen<br />
Zuständen die Furcht entwickeln, Knöllchen zu kassieren oder einen Unfall zu<br />
riskieren, wenn sie sich anders verhielten. Wenn man akzeptiert, dass es solche<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
41
42<br />
vertauschten Empfindungsqualitäten geben könnte, dann würde man zeigen, dass<br />
die Kennzeichnung mentaler Zustände durch ihre Beziehungen zu Inputs, Outputs<br />
und anderen mentalen Zuständen nicht hinreichend wäre, um diesen Unterschied<br />
zu erfassen. Die vertauschten Empfindungsqualitäten wären „funktional äquivalent“.<br />
Demzufolge wäre der Funktionalismus also nicht in der Lage, Qualia zu beschreiben,<br />
geschweige denn zu erklären.<br />
Pseudonormales Sehen<br />
Gerade dieses Argument finden Schülerinnen und Schüler durchweg total spannend<br />
– wahrscheinlich deshalb, weil es sich mit einer Frage trifft, die sie sich oft<br />
selbst stellen: Empfindet der oder die andere wirklich dasselbe wie ich, wenn er oder<br />
sie dasselbe sagt. (Mir begegnet diese Frage in Bezug auf die Farbwahrnehmung<br />
sehr häufig schon im Biologieunterricht der neunten Klasse.) Wenn die Schülerinnen<br />
und Schüler die Neurobiologie der Farbwahrnehmung hinreichend kennen,<br />
lässt sich auch neurowissenschaftlich die Möglichkeit eines „pseudonormalen Sehens“<br />
plausibilisieren (Zusatzmaterial). Umgekehrt erlaubt die Auseinandersetzung<br />
mit den Gegenargumenten auch erst ein wirklich tief gehendes Verstehen des<br />
Funktionalismus. Genau betrachtet sind Inverted-Qualia-Argumente nämlich zirkulär,<br />
indem sie das voraussetzen, was sie eigentlich zu zeigen hätten: Nämlich, dass<br />
funktional äquivalente Systeme verschiedene mentale Zustände aufweisen können.<br />
Es werden somit entweder dualistische oder (was häufiger der Fall ist) materialistische<br />
Intuitionen vorausgesetzt, die Empfindungsqualitäten als Modi einer „Seelensubstanz“<br />
oder eben als Zustände neuronaler Aktivität zu verstehen suchen. Nimmt<br />
man hingegen die funktionalistische Intuition ernst, dann müsste man unser Farbempfinden<br />
nicht in Bezug auf das Nervensystem oder Seelenqualitäten verstehen,<br />
sondern eben aus ihren Beziehungen zu Reizen, Verhalten und anderen mentalen<br />
Zuständen und ihrer Entwicklung im Rahmen der Ontogenese des Systems. Dann<br />
müsste man die Empfindungsqualität „rot“ eben nicht in Bezug auf neuronale Aktivität<br />
oder Seelenzustände verstehen, sondern als Empfindung der Lippen oder<br />
Brustwarzen der Mutter für den Säugling, als Empfindung der von Aufregung oder<br />
Wut gefärbten Haut eines Menschen oder eben einer reifen Frucht für das kleine<br />
Kind. Dann müsste die Empfindungsqualität „grün“ vielmehr von dem Anblick des<br />
Blätterdaches über dem Kinderwagen während eines Familienausfluges oder dem<br />
Geschmack eines unreifen Apfels bestimmt sein als von der Erregung der Netzhaut.<br />
Farbempfindungen wären also etwas, was wir in unserer Kindheit lernen. Vielleicht<br />
wäre Farbe aus dieser Perspektive sogar etwas, was noch in späterem Alter<br />
unmerklich im Verwandeln ist. Vielleicht prägt ja sogar noch heute unser alltägliches<br />
Erleben oder auch unser künstlerisches Schauen und Tun die Empfindungsqualität<br />
von Farbe. Funktionalisten würden also behaupten, dass jeder Mensch<br />
Farben etwas anders sieht als ein anderer, je nachdem welche Gegenstände, Gefühle,<br />
Erinnerungen er mit den Farben verbindet. Und umso verschiedener, je verschiedener<br />
diese Erfahrungen sind. Ein Eskimo, der sein Leben in einer Schnee-<br />
landschaft verbracht hat, würde also, wenn der Funktionalist recht hat, Farben nicht<br />
nur andere Gefühle und ästhetische Wertungen entgegen bringen, sondern sie<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE
auch auf ganz elementare Weise anders empfinden als ein Afrikaner aus dem farbenfrohen<br />
tropischen Regenwald. Wenn die Schülerinnen und Schüler über hinreichende<br />
neurobiologische Grundkenntnisse verfügen, kann man ein solches Verständnis<br />
von Farbe bzw. Farbempfindung auch anhand moderner neurowissenschaftlicher<br />
Theorien plausibel machen (vgl. Literaturhinweis am Ende). Wie bereits<br />
im Falle des Materialismus setzen sich die Schülerinnen und Schüler im Anschluss<br />
an diese Diskussion des Funktionalismus mit Ausschnitten von Publikationen auseinander,<br />
die aus dem Kontext moderner Forschungen zur Künstlichen Intelligenz<br />
und funktionalistischen Psychologie stammen und erüben dort die schöpferische<br />
Anwendung ihrer Kenntnisse zum Funktionalismus in der Rekonstruktion und Kritik<br />
dieser Texte (etwa M12).<br />
Nachdem die Schülerinnen und Schüler die drei hier vorgestellten Grundpositionen<br />
in der analytisch-philosophischen Diskussion des Körper-Geist-Problems gründlich<br />
kennen und beurteilen können, bemühe ich mich, das aus didaktischen Gründen<br />
eingeführte „Schachteldenken“ abschließend wieder etwas aufzulösen. Besonders<br />
der Wissenschaftsfortschritt in der Erforschung des menschlichen Bewusstseins hat<br />
die Grenzen zwischen der materialistisch orientierten klassischen neurobiologischen<br />
Forschung einerseits und der eher funktionalistisch orientierten psychologischen<br />
Forschung und kognitiven Simulation verschwimmen lassen. Und so setzt<br />
sich auch bei manchen Analytischen Philosophen eine Art „Patchwork-Denken“<br />
durch, das die verschiedenen Ansätze als unterschiedliche methodische Zugänge<br />
für dasselbe Problem sehen. So hält es Patricia Churchland heute beispielsweise<br />
durchaus für denkbar, dass sich der Materialismus als der beste Ansatz für ein Verständnis<br />
elementarer mentaler Zustände erweisen wird, während der Funktionalismus<br />
besser zur Konzeptualisierung höherer mentaler Zustände in der Lage sein<br />
könnte. Zumeist ist den Schülerinnen und Schülern zu diesem Zeitpunkt ohnehin<br />
klar, dass es für sämtliche Positionen gute Argumente gibt und dass all diese Positionen<br />
auch unübersehbare Probleme aufwerfen. Wenn am Ende des Kurses noch<br />
Schülerinnen (selten sind es Schüler) aus ihren Intuitionen oder religiös bedingten<br />
„Glaubenssätzen“ heraus an einer individuellen Unsterblichkeit festhalten, versuche<br />
ich mit ihnen angemessene Strategien zu entwickeln, um auch diese Standpunkte<br />
argumentativ zu vertreten. So lässt sich der Funktionalismus auch durchaus im<br />
Sinne einer den Tod des Körpers überlebenden funktionalen Architektur denken.<br />
Auch ein „Kantianischer“ Ansatz, der die Frage nach der Unsterblichkeit der Seele<br />
eher als ein praktisch- als ein theoretisch-philosophisches Problem denkt, kann hier<br />
seinen Platz haben. Material für solche weiter führenden Überlegungen finden sich<br />
in dem Buch „Im Netzwerk der Unsterblichkeit. Ein Philosoph und ein Biochemiker<br />
Selbstgespräch über Gehirn, Bewusstsein und geistige Welten“, einer um Verständlichkeit<br />
bemühten Einführung in die philosophischen und neurobiologischen<br />
Grundlagen des Körper-Geist-Problems. 1<br />
------------------<br />
1<br />
Ziemke, Axel: Im Netzwerk der Unsterblichkeit. Ein Philosoph und ein Biochemiker im<br />
Selbstgespräch über Gehirn, Bewusstsein und geistige Welten. Info3-Verlag, Frankfurt a. M.<br />
2007<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
43
44<br />
Übersicht über die Materialien<br />
M1 Merkmale mentaler Zustände<br />
John R. Searle, Geist, Hirn und Wissenschaft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1986, S.<br />
14-16<br />
M2 Kritik des Dualismus<br />
John R. Searle, Mind. A Brief Introduction, New York: Oxford Univ. Press 2004, S.<br />
29-30<br />
M3 Mentale Zustände als physikalische Zustände des Gehirns<br />
aus: John R. Searle, Geist, Hirn und Wissenschaft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1986,<br />
S. 17-22<br />
M4 Wie es ist, eine Fledermaus zu sein<br />
Thomas Nagel, What is it like to be a bat? Philosophical Review 83, 435-450 (1974)<br />
M5 Mary<br />
Frank Jackson, Epiphenomenal Qualia, Philosophical Quarterly, 32 (1982), 127-36<br />
M6 Subjektive Erfahrung<br />
Gerald Edelman, Giulio Tononi, aus: Gehirn und Geist. Wie aus Materie Bewusstsein<br />
entsteht, München: Deutscher Taschenbuchverlag 2004<br />
M7 Der eliminative Materialismus<br />
Patricia Churchland, Neurophilosophy. Toward a Unified Science of the Mind/Brain,<br />
Cambridge: MIT Press 1986, S. 278ff.<br />
M8 Der nicht-reduktionistische Physikalismus<br />
Gerhard Roth und Helmut Schwegler: Das Geist-Gehirn-Problem aus der Sicht der<br />
Hirnforschung und eines nicht-reduktionistischen Physikalismus, Ethik und Sozialwissenschaften<br />
6 (1995)1, S. 72<br />
M9 Der Funktionalismus<br />
Janet Levin, Functionalism, http://plato.stanford.edu/entries/functionalism)<br />
M10 Das chinesische Zimmer<br />
John R. Searle, Geist, Hirn und Wissenschaft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1986,<br />
S.30-32<br />
M11 „Absent-qualia“-Argumente<br />
a) Locke, J., 1689, Essay Concerning Human Understanding, Oxford: Oxford University<br />
Press 1975, II, 32, 15<br />
b) Qualia, The Internet Encyclopedia of Philosophy, http://www.iep.utm.edu/q/<br />
qualia.htm#H2)<br />
M12 Roboter werden uns überholen<br />
Hans Moravec, Die Roboter werden uns überholen, in: Spektrum der Wissenschaft,<br />
Spezial: Forschung im 21. Jahrhundert<br />
M13 Zusatzmaterial: Pseudonormales Sehen<br />
Axel Ziemke, a.a.O. (Anm. 1)<br />
Die Materialien stehen auf der Homepage des <strong>Fachverband</strong>es (www.fv-philosophie.de) zum<br />
Download zur Verfügung und können auch beim Autor angefordert werden.<br />
Dr. Axel Ziemke, geb. 1960, war nach dem Studium der Biochemie und der <strong>Philosophie</strong> Postdoktorand<br />
am Graduiertenkolleg „Kognition, Gehirn, Neuronale Netze“ der Ruhr-Universität<br />
Bochum; er ist Lehrer für Biologie, Chemie, <strong>Philosophie</strong> und Schauspiel an der Rudolf-Steiner-<br />
Schule Remscheid. E-Mail: ziemke@web.de<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE
Umfrage zur Ausbildung<br />
der Lehrer/innen für <strong>Philosophie</strong>/Ethik<br />
in den einzelnen Bundesländern<br />
Immer mehr Lehramtsanwärter/innen bzw. ausgebildete Lehrer/innen wechseln das<br />
Bundesland. Die föderale Bildungslandschaft ist jedoch unübersichtlich. Um mehr<br />
Transparenz hineinzubringen, hat der <strong>Fachverband</strong> <strong>Philosophie</strong> eine Umfrage zur<br />
Situation der Ausbildung in den einzelnen Bundesländern durchgeführt. Die folgende<br />
Übersicht beruht auf Auskünften von mindestens einer Gewährsperson in dem<br />
betreffenden Bundesland. Sie wurden nach bestem Wissen erteilt; eine Gewähr für<br />
die Richtigkeit kann jedoch nicht übernommen werden. Korrekturen und Ergänzungen<br />
sind willkommen.<br />
Die zur Abkürzung benutzte Bezeichnung „Ethik“ soll auch die anderen Benennungen<br />
des Faches (Allgemeine Ethik, Ethikunterricht, Lebensgestaltung – Ethik – Religionskunde,<br />
<strong>Philosophie</strong>, <strong>Philosophie</strong>ren mit Kindern, Praktische <strong>Philosophie</strong>,<br />
Werte und Normen) umfassen.<br />
Daten liegen bisher vor für Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen,<br />
Rheinland-Pfalz, das Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-<br />
Holstein. Es ist geplant, die Umfrage demnächst fortzusetzen.<br />
Erfragt wurde:<br />
1. Welche Studiengänge werden für welche Lehrämter angeboten ?<br />
2. Welche Fächerkombinationen sind zugelassen?<br />
3. Welchen Status hat der <strong>Philosophie</strong>- bzw. „Ethik“-Unterricht“?<br />
4.1 Für welche Klassenstufen wird <strong>Philosophie</strong>-Unterricht (gemäß Rahmenrichtlinien)<br />
angeboten?<br />
4.2 Für welche Klassenstufen wird „Ethik“-Unterricht (gemäß Rahmenrichtlinien)<br />
angeboten?<br />
5.1 Berechtigt das Staatsexamen (des eigenen Bundeslandes) in <strong>Philosophie</strong> zum<br />
Unterrichten in „Ethik“?<br />
5.2 Berechtigt das Staatsexamen (des eigenen Bundeslandes) in „Ethik“ zum Unterrichten<br />
in <strong>Philosophie</strong>?<br />
6.1 Berechtigt das Staatsexamen (eines anderen Bundeslandes) in <strong>Philosophie</strong><br />
zum Unterrichten in „Ethik“?<br />
6.2 Berechtigt das Staatsexamen (eines anderen Bundeslandes) in „Ethik“ zum<br />
Unterrichten in <strong>Philosophie</strong>?<br />
7. Ist die Referendarausbildung zu <strong>Philosophie</strong> und zu „Ethik“ eingerichtet?<br />
Wenn ja, an welchen Orten?<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
45
46<br />
Bremen<br />
1. <strong>Philosophie</strong> wird in Bremen nicht als Lehramtsstudium angeboten. (Dementsprechend<br />
ist Frage 2 unzutreffend.)<br />
3. <strong>Philosophie</strong> ist der Sek. I Wahl- resp. Wahlpflichtfach, in der Sek. II reguläres<br />
Unterrichtsfach.<br />
4.1 <strong>Philosophie</strong>unterricht wird angeboten für die Klassen 5-7 und 10 sowie für die<br />
Jahrgangsstufen 11-13.<br />
4.2, 5.1, 5.2, 6.1 -<br />
6.2 Das Staatsexamen eines anderen Bundeslandes in Ethik berechtigt zum Unterrichten<br />
in <strong>Philosophie</strong>.<br />
7. Referendarausbildung für <strong>Philosophie</strong> findet im Fachseminar <strong>Philosophie</strong> am<br />
Studienseminar Bremen statt.<br />
Hamburg<br />
1. Angeboten werden die Studiengänge <strong>Philosophie</strong> für Sek. I und II Gymnasien.<br />
2. Bei der Fächerkombinationen gibt es keine Beschränkung.<br />
3. <strong>Philosophie</strong> ist Wahlpflichtfach.<br />
4.1 <strong>Philosophie</strong>unterricht wird angeboten für Klasse 9 und 10 in Hauptschulen,<br />
Realschulen, Gesamtschulen und Gymnasien sowie für die Jahrgangsstufen<br />
11-13 (in Zukunft nur noch 11 und 12).<br />
4.2, 5.1, 5.2 unzutreffend<br />
6.1, 6.2 Ob das Staatsexamen (eines anderen Bundeslandes) in <strong>Philosophie</strong> oder<br />
Ethik zum Unterrichten in <strong>Philosophie</strong> berechtigt, ist nicht bekannt.<br />
7. Referendarausbildung für <strong>Philosophie</strong> findet im Fachseminar <strong>Philosophie</strong> am<br />
Studienseminar Hamburg statt.<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
1. Angeboten werden die Studiengänge <strong>Philosophie</strong> für das Lehramt am Gymnasium<br />
und für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen sowie Gesamtschulen.<br />
2. Es ist jeweils eine Kombination mit einem beliebigen zweiten Fach möglich.<br />
3. <strong>Philosophie</strong> ist in der Sek. II Wahlpflichtfach; <strong>Philosophie</strong>ren mit Kindern ist in<br />
der Sek. I „Ersatzfach“ für Religion.<br />
4.1 Theoretisch wird <strong>Philosophie</strong>ren mit Kindern angeboten für die Klassen 1-10 in<br />
allen Schulformen (einschließlich Grundschule, Berufsschule, Fachgymnasium),<br />
<strong>Philosophie</strong> für die gymnasiale Oberstufe. Praktisch wird das nicht an allen<br />
Schulen umgesetzt (vor allem im Regionalbereich, aber auch an Grundschulen,<br />
Berufsschulen, Fachgymnasien).<br />
4.2 unzutreffend<br />
5.1, 5.2, 6.1, 6.2 nicht bekannt<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE
7. Referendarausbildung für <strong>Philosophie</strong> am Gymnasium findet statt am Pädagogischen<br />
Regionalinstitut Rostok, für <strong>Philosophie</strong> an anderen Schulformen<br />
am Pädagogischen Regionalinstitut Greifswald.<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
1. Studiengänge werden angeboten für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen<br />
(einheitlicher Studiengang <strong>Philosophie</strong>/Praktische <strong>Philosophie</strong>,<br />
Abschluss: Master of Education) sowie für das Lehramt an Grund-, Haupt- und<br />
Realschulen und den entsprechenden Jahrgangsstufen der Gesamtschulen,<br />
Schwerpunkt Haupt-, Real-, Gesamtschule (Studiengang Praktische <strong>Philosophie</strong>).<br />
2. Kombination <strong>Philosophie</strong>/ Praktische <strong>Philosophie</strong> bzw. Praktische <strong>Philosophie</strong><br />
mit einem beliebigen Zweitfach.<br />
3. <strong>Philosophie</strong> ist Wahlpflichtfach der S II und „Ersatzfach“ für Evangelische oder<br />
Katholische Religion, Praktische <strong>Philosophie</strong> ist „Ersatzfach“ in der Sekundarstufe<br />
I.<br />
4.1 <strong>Philosophie</strong> wird angeboten für die gymnasialen Oberstufe (11-13, demnächst<br />
10 -12 der Gymnasien, 11 -13 der Gesamtschulen).<br />
4.2 Praktische <strong>Philosophie</strong> wird angeboten für die Klassen 5 - 10 aller Schulformen<br />
(Haupt-, Real-, Gesamtschule, Gymnasium).<br />
5.1, 5.2 Das Staatsexamen <strong>Philosophie</strong>/Praktische <strong>Philosophie</strong> für das Lehramt an<br />
Gymnasien und Gesamtschulen berechtigen zum Unterrichten von <strong>Philosophie</strong><br />
in der Sek. II und von Praktische <strong>Philosophie</strong> in der Sek. I, das Staatsexamen<br />
Praktische <strong>Philosophie</strong> berechtigt zum Unterrichten von Praktischer <strong>Philosophie</strong><br />
in der Sek. I.<br />
6.1, 6.2 Die Anerkennung von Staatsexamina anderer Bundesländer in <strong>Philosophie</strong><br />
für das Referendariat Philosphie/Praktische <strong>Philosophie</strong> bzw. Praktische <strong>Philosophie</strong><br />
erfolgt auf Antrag durch die jeweilige Bezirksregierung (Arnsberg,<br />
Detmold, Düsseldorf, Köln, Münster).<br />
7. Die Referendarsausbildung <strong>Philosophie</strong>/Praktische <strong>Philosophie</strong> (derzeit<br />
zweijährige, ab 2011 18monatig und ab 2015 wahrscheinlich einjährig) erfolgt<br />
an fast allen Seminaren für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen<br />
(Aachen, Bielefeld, Bocholt, Bochum, Bonn, Detmold, Dortmund, Duisburg,<br />
Düsseldorf, Engelskirchen, Essen, Hagen, Hamm, Gelsenkirchen, Jülich,<br />
Köln, Krefeld, Leverkusen, Minden, Mönchengladbach, Oberhausen,<br />
Paderborn, Recklinghausen, Rheine, Siegen, Wuppertal).<br />
Die Ausbildung für Praktische <strong>Philosophie</strong> im Rahmen des Lehramts an<br />
Grund-, Haupt- und Realschulen und den entsprechenden Jahrgangsstufen<br />
der Gesamtschulen, Schwerpunkt Haupt-, Real- und Gesamtschule erfolgt an<br />
den Studienseminaren Düsseldorf, Essen, Köln, Siegburg.<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
47
48<br />
Rheinland-Pfalz<br />
1. Angeboten werden die Studiengänge Bachelor und Master of Education im<br />
Fach Ethik für das Lehramt an GS, HS, RS, FS, BBS sowie Bachelor und<br />
Master of Education im Fach <strong>Philosophie</strong>/Ethik für das Lehramt an Gymnasium<br />
und integrierter Gesamtschule (IGS). Voraussetzung für das Lehramt an<br />
allen Schularten ist der Master-Studiengang.<br />
2. Es ist jeweils eine Kombination mit einem beliebigen zweiten Fach möglich.<br />
3. <strong>Philosophie</strong> (nur GY, IGS) ist entweder Wahlpflichtfach oder zusätzlicher<br />
fakultativer Grundkurs in der gymnasialen Oberstufe. Bislang gibt es <strong>Philosophie</strong><br />
nur als Grundkurs, der Lehrplan für den Leistungskurs wird derzeit<br />
erstellt. Ethik (alle Schulformen) ist Religionsersatzfach in SI und SII.<br />
4.1 <strong>Philosophie</strong>unterricht wird angeboten für die gymnasiale Oberstufe (11-13)<br />
4.2 Ethikunterricht wird angeboten für die Klassen 1-13.<br />
5.1 Das Studium <strong>Philosophie</strong>/Ethik für das Lehramt an GY und IGS berechtigt<br />
zum Unterrichten von Ethik in Sek. I und Sek. II.<br />
5.2 Das Fach <strong>Philosophie</strong> darf nur von ausgebildeten <strong>Philosophie</strong>lehrern unterrichtet<br />
werden.<br />
6.1, 6.2 Anerkennung des Staatsexamens eines anderen Bundeslandes in <strong>Philosophie</strong><br />
oder Ethik erfolgt durch die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland-Pfalz<br />
(ADD).<br />
7. Lehramt an GY und IGS: derzeit 24-monatige, ab 2012 15-monatige Ausbildung<br />
in <strong>Philosophie</strong> (später <strong>Philosophie</strong>/Ethik) an den Studienseminaren in<br />
Bad Kreuznach, Kaiserslautern, Koblenz, Speyer und Trier.<br />
Saarland<br />
1. Angeboten wird der Studiengang für das Lehramt am Gymnasium; nach der<br />
alten Studienordnung nur <strong>Philosophie</strong>, nach der neuen Studienordnung (seit<br />
WS 2007/08) die Kombination <strong>Philosophie</strong>/Ethik.<br />
2. <strong>Philosophie</strong>/Ethik kann mit allen Fächern kombiniert werden, die an der Uni<br />
Saabrücken für das Lehramt an Gymnasien studiert werden können<br />
3. <strong>Philosophie</strong> ist Neigungsfach oder Zusatzfach; Allgemeine Ethik ist „Ersatzfach“.<br />
4.1 <strong>Philosophie</strong>unterricht wird in Klasse 10 als Zusatzfach angeboten (2-stündig),<br />
in 11 und 12 als Neigungsfach (4-stündig) oder Zusatzfach (2-stündig).<br />
4.2 Allgemeine Ethik ist ab Klasse 9 „Ersatzfach“ (2-stündig).<br />
5.1 Ob mit dem Staatsexamen in <strong>Philosophie</strong> Ethikunterricht erteilt werden kann,<br />
liegt im Ermessen der Schulleitung, da es keine Facultas für Allgemeine Ethik<br />
gibt.<br />
5.2 entfällt<br />
6.1 Ob mit dem Staatsexamen eines anderen Bundeslandes in <strong>Philosophie</strong> Ethikunterricht<br />
erteilt werden kann, liegt im Ermessen der Schulleitung, da es keine<br />
Facultas für Allgemeine Ethik gibt.<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE
6.2 Ob das Staatsexamen eines anderen Bundeslandes in Ethik zum Unterrichten<br />
in <strong>Philosophie</strong> berechtigt, ungeklärt.<br />
7. Referendarsausbildung in <strong>Philosophie</strong> am Studienseminar für das LA an Gymnasien<br />
und Gesamtschulen des Saarlandes. Die Refendare werden auch in<br />
Ethik ausbildet, diese Zusatzausbildung wird auch bescheinigt. Wenn die ersten<br />
Absolventen des modularisierten Studienganges in das Studienseminar<br />
kommen (frühestens 2012), wird die Referendarausbildung offiziell beide Fächer<br />
umfassen.<br />
Sachsen-Anhalt<br />
1. Angeboten werden der Studiengang für die Lehrämter <strong>Philosophie</strong> Gymnasium,<br />
Ethik Gymnasium, Ethik Sekundarschule, Ethik als Drittfach für die<br />
Grundschule; bislang auch berufsbegleitende Studiengänge.<br />
2. Fächerkombinationen: Ethik und <strong>Philosophie</strong> nur als Drittfach; Kombination<br />
Ethik mit Religion zur Zeit nicht mehr möglich.<br />
3. Ethik bzw. <strong>Philosophie</strong> ist Wahlpflichtfach alternativ zu Evangelische oder Katholische<br />
Religion.<br />
4.1 <strong>Philosophie</strong>unterricht wird in den Jahrgangsstufen 10 -12 angeboten, findet<br />
aber nur an wenigen Orten tatsächlich statt.<br />
4.2 Ethik wird in den Klassen 1-12 aller Schulformen zweistündig angeboten, interimsweise<br />
in den Klassen 8 und 9 immer noch einstündig.<br />
5.1 Das Staatsexamen des eigenen Bundeslandes in <strong>Philosophie</strong> berechtigt nicht<br />
zum Unterrichten in Ethik.<br />
5.2 Das Staatsexamen des eigenen Bundeslandes in Ethik berechtigt nicht zum<br />
Unterrichten in <strong>Philosophie</strong>.<br />
6.1 Ob das Staatsexamen eines anderen Bundeslandes in <strong>Philosophie</strong> zum Unterrichten<br />
in Ethik berechtigt, müsste im Einzelfall geklärt werden.<br />
6.2 Das Staatsexamen eines anderen Bundeslandes in Ethik berechtigt nicht zum<br />
Unterrichten in <strong>Philosophie</strong>.<br />
7. Referendarsausbildung für <strong>Philosophie</strong> und Ethik ist in Bernburg (bei Halle)<br />
eingerichtet.<br />
Schleswig-Holstein<br />
1. Angeboten wird der Studiengang <strong>Philosophie</strong> für das Lehramt am Gymnasium<br />
2. <strong>Philosophie</strong> kann grundsätzlich mit allen Fächern kombiniert werden.<br />
3. <strong>Philosophie</strong> ist „Ersatzfach“ für Evangelische bzw. Katholische Religion.<br />
4.1 <strong>Philosophie</strong>unterricht wird in den Klassen 5-10 angeboten sowie für die Jahrgangsstufen<br />
11-13 im neunjährigen Gymnasium (Modifizierung bei G8).<br />
4.2, 5.1, 5.2, 6.1, 6.2 (unzutreffend)<br />
7. Das Referendariat im Fach <strong>Philosophie</strong> wird für Realschulen/Gemeinschaftsschulen<br />
(Sek. I und II) am IQSH Kiel angeboten.<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
<strong>49</strong>
50<br />
REZENSIONEN<br />
<strong>Philosophie</strong> – eine Schule der Freiheit.<br />
<strong>Philosophie</strong>ren mit Kindern weltweit und<br />
in Deutschland. Hrsg. Deutsche UNESCO-<br />
Kommission, Bonn <strong>2009</strong>, 152 S.<br />
Die Idee des <strong>Philosophie</strong>rens <strong>Philosophie</strong>ren<br />
mit Kindern ist etwa 35 Jahre alt und findet<br />
weltweit zunehmend Verbreitung. Unterstützung<br />
erhält dieser Ansatz durch die UNES-<br />
CO, die Organisation der Vereinten Nationen<br />
für Bildung, Wissenschaft und Kultur. In ihrer<br />
Studie „Philosophy – A School of Freedom“<br />
hat sie den Stand der <strong>Philosophie</strong>lehre<br />
weltweit auf allen Altersstufen, von der Vorschule<br />
bis zur Universität verglichen. In dem<br />
hier rezensierten Band stellt die Deutsche<br />
UNESCO-Kommission nun das erste Kapitel<br />
dieser Studie zur Rolle des <strong>Philosophie</strong>rens<br />
in der Vor- und Grundschule in deutscher<br />
Übersetzung vor.<br />
Kinder machen in Vor- und Grundschule erste große Schritte zur eigenständigen<br />
Entwicklung der Persönlichkeit, zur Aneignung von Werten und Weltanschauungen.<br />
Dazu gehören die Bewahrung von Neugier, Unvoreingenommenheit und Phantasie<br />
sowie die Entwicklung einer differenzierten Wahrnehmung, von Problemlösefähigkeit<br />
und Selbstkritik, von Sensibilität und Respekt für Andersartigkeit, von Konfliktfähigkeit<br />
und Empathie. Das <strong>Philosophie</strong>ren stellt einen pädagogischen Ansatz dar,<br />
der die kindliche Persönlichkeitsentwicklung besonders gut zu unterstützen verspricht.<br />
„<strong>Philosophie</strong>ren mit Kindern" kann auf der Basis verschiedener Methoden in unterschiedlichsten<br />
Fächern eingesetzt werden, um die grundlegende Aufgabe jeder Bildungseinrichtung,<br />
die Entfaltung des Potenzials jedes einzelnen Kindes, zu fördern.<br />
Im Zentrum liegen das Fragen der Kinder und das Gespräch zwischen den Schülern<br />
selbst. Eines haben alle Methoden des „<strong>Philosophie</strong>rens mit Kindern" gemein:<br />
Es geht nicht um die Aneignung von Wissen über philosophische Lehren. Fragen ist<br />
hier wichtiger als Wissen der richtigen Antworten.<br />
Ergänzt wird die Studie der UNESCO durch eine Zusammenstellung von Beispielen<br />
des <strong>Philosophie</strong>rens mit Kindern in Deutschland. Ekkehard Martens steuert eine<br />
vier Doppelstunden umfassende Unterrichtsreihe zum Thema „Können Tiere denken?“<br />
bei, die er mit zehn- bis zwölfjährigen Kindern an der Kinderuniversität Hamburg<br />
durchgeführt hat. Eva Marsal und Takasa Dobashi berichten über ein kinderphilosophisches<br />
Projekt zum Thema Tod in der 4. Klasse der Karlsruher Peter-<br />
Hebel-Grundschule. Barbara Brüning gibt einen Überblick über die Entwicklung des<br />
<strong>Philosophie</strong>rens mit Kindern in Deutschland und listet zusammen mit Barbara We-<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE
er Projekte des <strong>Philosophie</strong>rens mit Kindern in Deutschland auf. Silke Pfeiffer befasst<br />
sich mit dem Unterrichtsfach <strong>Philosophie</strong>ren mit Kindern in Mecklenburg-<br />
Vorpommern und Karlfriedrich Herb und Barbara Weber sowie Roswitha Wiesheu<br />
berichten über die Initiative „<strong>Philosophie</strong>ren mit Kindern“ in Bayern. Christophe Rude<br />
reflektiert den Wert des <strong>Philosophie</strong>rens in Kindertageseinrichtungen und Schulen<br />
uns Helmut Engels entwickelt ein Konzept für das <strong>Philosophie</strong>ren mit Kindern,<br />
das an der <strong>Philosophie</strong> als Lebensform orientiert ist.<br />
Die Publikation der UNESCO liefert überzeugende Argumente für einen noch jungen<br />
pädagogischen Ansatz in der Grundschulbildung, der im Einklang mit zentralen<br />
Anliegen der UNESCO steht. Sie zeigt, dass dieser Ansatz in der Bundesrepublik<br />
zu vielen interessanten Projekten geführt hat. Zu wünschen wäre, dass Bildungspolitiker<br />
den Wert des philosophischen Fragens für Kinder erkennen und institutionalisieren.<br />
Die Schrift ist erhältlich bei der Deutschen UNESCO-Kommission,<br />
(moeller@unesco.de, Tel. 0228 60<strong>49</strong>7 22) und steht auch online im Volltext zur<br />
Verfügung: www.unesco.de/philosophie-grundschule.pdf (BR)<br />
Rohbeck, Johannes: Didaktik der <strong>Philosophie</strong><br />
und Ethik. Thelem, Dresden 2008, 243 S.<br />
Johannes Rohbeck, Prof. für Praktische <strong>Philosophie</strong><br />
und Didaktik der <strong>Philosophie</strong> an der Technischen<br />
Universität Dresden, präsentiert in diesem<br />
Band eine Auswahl seiner fachdidaktischen<br />
Schriften, die er an anderer Stelle, in der ZDPE<br />
und den Jahrbüchern für Didaktik der <strong>Philosophie</strong><br />
und Ethik veröffentlicht hat, in überarbeiteter<br />
Form. Das Buch gliedert sich in vier Kapitel; die<br />
beiden ersten sind didaktischen Positionen und<br />
philosophischen Methoden im Allgemeinen gewidmet,<br />
in den beiden letzten geht es konkreter<br />
um das Lesen und Schreiben von Texten sowie<br />
das literarische <strong>Philosophie</strong>ren.<br />
Alle Beiträge beziehen sich auf den einleitend<br />
entfalteten Gedanken einer didaktischen Transformation<br />
der <strong>Philosophie</strong>, die die Einseitigkeiten<br />
der Abbilddidaktik und des Dialog-Konzeptes der <strong>Philosophie</strong> überwindet. Rohbeck<br />
geht es darum zu zeigen, wie die didaktischen Potentiale der <strong>Philosophie</strong> in von<br />
Schülerinnen und Schülern erwerbbare Unterrichtskompetenzen transformiert werden<br />
können.<br />
Unter dem ersten Titel „Didaktische Positionen“ finden sich zunächst zwei Beiträge,<br />
die sich gegen ein reduziertes Schulfach Ethik wenden und für einen integrativen<br />
<strong>Philosophie</strong>unterricht votieren. Dabei stellt sich u.a. auch die Frage, wie ein schüler-<br />
und problemorientierter <strong>Philosophie</strong>unterricht mit der Geschichte der <strong>Philosophie</strong><br />
umgehen soll. Die Grundidee des zweiten Kapitels besteht darin, die Denkrichtun-<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
51
52<br />
gen der <strong>Philosophie</strong> in philosophische Verfahren des Unterrichts zu transformieren.<br />
Von besonderem Interesse dürfte dabei auch die Auseinandersetzung mit der impliziten<br />
Didaktik Hegels sein, die in der Frage mündet: <strong>Philosophie</strong> lernen oder philosophieren<br />
lernen?<br />
Das dritte Kapitel befasst sich näher mit zehn Arten, einen Text zu lesen (hermeneutisch,<br />
analytisch, dekonstruktivistisch usw.) und das Essayschreiben sowie philosophischen<br />
Sachreibstilen (dialektisch, phänomenologisch usw.). Die Gestalt philosophischer<br />
Texte ist das Thema des vierten Kapitels „Literarisches <strong>Philosophie</strong>ren“.<br />
Anstatt das Schöne nur dazu zu benutzen, zur <strong>Philosophie</strong> hinzuführen, geht<br />
es Rohbeck um die literarischen Formen philosophischer Texte, d.h. um die Literatur<br />
in der <strong>Philosophie</strong> anstelle der <strong>Philosophie</strong> in der Literatur. Für den Unterricht<br />
relevant sind hier auch die Überlegungen zu den didaktischen Potenzialen der Rhetorik:<br />
zum Argumentieren, zur Funktion von Beispielen usw., sowie der Beitrag über<br />
die Funktion der Ironie bei der Vermittlung von philosophischen Gedanken..<br />
Die im Band versammelten Texte stellen wichtige Beiträge zu einer zeitgemäßen<br />
<strong>Philosophie</strong>didaktik dar. Sie zeigen die Bedeutung der Didaktik der <strong>Philosophie</strong> auf<br />
und geben vielfältige Anregungen für die Unterrichtspraxis. Ihren besonderen Wert<br />
erhalten sie dadurch, dass sie von jemandem stammen, der weiß, wovon er spricht,<br />
wenn er von didaktischen Transformationen der <strong>Philosophie</strong> redet, weil er der beide<br />
Welten kennen gelernt hat: die Welt des akademischen <strong>Philosophie</strong>ren als wissenschaftlicher<br />
Assistent und Habilitant an der Freien Universität Berlin und die Welt<br />
der Unterrichtspraxis als Studienrat an einem Berliner Gymnasium, bevor er 1993<br />
als Professor der Didaktik der <strong>Philosophie</strong> zum Vermittler beider Welten wurde.<br />
(BR)<br />
Hanns-Gregor Nissing, Jörn Müller (Hrsg.):<br />
Grundpositionen philosophischer Ethik. Von<br />
Aristoteles bis Habermas. Wissenschaftl.<br />
Buchgesellschaft, Darmstadt <strong>2009</strong>, 192 S.<br />
Nicht jeder, der philosophische Ethik unterrichtet,<br />
fühlt sich hinreichend kompetent dazu, sei<br />
es, weil seine Qualifikation für das Fach lediglich<br />
in einer Weiterbildung bestand, sei es, weil<br />
seine Studienschwerpunkte an der Universität<br />
andere waren. Dem kann durch diesen Sammelband<br />
von Hanns Gregor Nissing, Wissenschaftlicher<br />
Referent für <strong>Philosophie</strong> und Theologie<br />
bei der Thomas-Morus-Akademie Bensberg,<br />
und Jörn Müller, Professor für Geschichte<br />
der <strong>Philosophie</strong> an der Universität Würzburg,<br />
abgeholfen werden. Zusammen mit anderen,<br />
jeweils auf den betreffenden Bereich spezialisierten<br />
Autoren geben sie einen Überblick über<br />
Grundpositionen der Ethik von Aristoteles bis<br />
Habermas in Einzeldarstellungen.<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE
Einleitend befassen sich Nissing und Müller mit Kriterien und Grenzen ethischer<br />
Typologie. So erfährt man z.B., dass die heute gängige Grundunterscheidung zwischen<br />
deontologischer und teleologischer Ethik auf C. D. Broad (1930) zurückgeht<br />
und vor allem durch das Aufgreifen bei William K. Frankena und John Rawls<br />
populär geworden ist.<br />
Die Einzeldarstellungen beginnt Jörn Müller, der unter dem Titel „Glück als Vollendung<br />
der menschlichen Natur“ eine Einführung in die eudaimonistischen Tugendethik<br />
des Aristoteles gibt. Gregor Nissing stellt Thomas von Aquin als Vertreter des<br />
christlichen Eudaimonismus dar. Es folgen Ausführungen über die Pflichtethik<br />
Immanuel Kants (Jörg Splett) und das Prinzip des größten Glücks, den Utilitarismus<br />
John Stuart Mills (von keinem geringeren als Maximilian Forschner). Berthold Wald<br />
befasst sich mit der materialen Wertethik Max Schelers und Markus Stepanius mit<br />
der Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls. Den Schluss bildet ein Beitrag von<br />
Petra Kolmer über die Diskursethik von Jürgen Habermas.<br />
Die einzelnen Darstellungen sind so aufgebaut, dass zunächst die Biographie des<br />
jeweiligen Denkers, sein geisteswissenschaftlicher Kontext und der Anknüpfungspunkt<br />
seines ethischen Entwurfs skizziert werden. Die folgende inhaltliche Darstellung<br />
führt in die Grundbegriffe des Entwurfs ein und macht seine Argumentationsstruktur<br />
transparent. Im dritten Abschnitt jedes Kapitels wird jeweils die Relevanz<br />
der Grundposition für das ethische Nachdenken erörtert sowie ein Ausblick auf die<br />
Rezeptionsgeschichte gegeben. Den Schluss bildet dann Literaturangaben mit<br />
Hinweisen auf die Quellentexte und auf wichtige Sekundärliteratur.<br />
Die Publikation von Nissing und Müller ist ein sinnvoll aufgebautes, gut lesbares<br />
Werk, das sich gut zur Einarbeitung in die Grundpositionen der philosophischen Ethik<br />
eignet. Seine Stärke liegt vor allem in der Einordnung der Positionen, der Erörterung<br />
der Relevanz für die gegenwärtige Ethikdiskussion. Insofern dient es nicht<br />
nur der Einführung, sondern liefert auch denen, die mit den jeweiligen Positionen<br />
schon bekannt sind, noch wertvolle Hinweise. Die Beiträge sind für die Schulpraxis<br />
allerdings nicht alle von gleichem Wert. Während etwa die Erläuterungen zu Aristoteles,<br />
Rawls u.a. für die unterrichtspraktische Anwendung sehr hilfreich sind, fällt<br />
die Darstellung der Ethik Kants eher überblickartig aus und geht nicht konkret genug<br />
auf die Schwierigkeiten ein, die Kants Texte in der Schule bieten. (BR)<br />
Wolfgang Erich Müller: Hans Jonas. Philosoph der Verantwortung. Primus<br />
Verlag, Darmstadt 2008, 256 S.<br />
Eine Position, die in dem zuvor besprochen Sammelband ausgespart wurde, die<br />
dennoch von eminenter Bedeutung für den Schulunterricht ist, ist die Verantwortungsethik<br />
von Hans Jonas. Ihr widmet sich Wolfgang Erich Müller, Professor für<br />
Systematische Theologie an der Universität Hamburg, in dieser Publikation.<br />
Vor dem Jahr des Erscheinens von Das Prinzip Verantwortung, galt Hans Jonas in<br />
akademischen Kreisen vor allem als bedeutender Erforscher der antiken Religionsströmung<br />
der Gnosis. Um so größer war das Erstaunen, als er 1979 mit einem<br />
Werk zur Umweltproblematik an die Öffentlichkeit trat und zum Philosophen der ökologischen<br />
Wende wurde. Den Denkweg vom Gnosisforscher zur Verantwortungsethik<br />
aufzuzeigen, hat sich der Müller zur Aufgabe gesetzt.<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
53
54<br />
Bei der Vermittlung beider Pole spielt ein bisher<br />
kaum rezipiertes Werk, Organismus und Freiheit,<br />
eine wichtige Rolle, eine zwölf Titel umfassende<br />
Aufsatzsammlung (dt. 1973), dessen Ansatz Jonas<br />
selbst für sein wichtigstes Werk gehalten hat.<br />
Dieser Ansatz ist dadurch gekennzeichnet, das<br />
Denken nicht nur auf den Menschen zu fokussieren,<br />
sondern auf das Leben. Es geht Jonas letztlich<br />
um eine ontologische Auslegung biologischer<br />
Phänomene. In einer kritischen Sicht auf die neuzeitliche<br />
Naturdeutung wird die Auffassung entwickelt,<br />
dass der Geist im Organischen schon vorgebildet<br />
ist. Ausgehend vom einer Kritik des Bacon-Projektes<br />
der Naturbeherrschung nimmt Jonas<br />
bereits hier Probleme in den Blick, die sich<br />
aus der entfesselten Anwendung der Technologie<br />
entwickeln.<br />
So gesehen, erweist sich der Gedankengang von<br />
Das Prinzip Verantwortung als das jetzt als Wiederaufnahme und Fortführung von<br />
Fragestellungen, die in Organismus und Freiheit schon angelegt sind. Indem Müller<br />
die teilweise abstrakten Ausführungen von Prinzip Verantwortung mit entsprechenden<br />
Konkretisierungen aus Macht und Ohnmacht der Subjektivität (1981) und<br />
Technik, Medizin, Ethik“ (1985) verbindet, gelingt es ihm, Licht in die nicht immer<br />
ganz einfachen Gedankengänge Jonas’ zu bringen. Er befasst sich u.a. mit Jonas’<br />
Kritik der technologischen Zivilisation, seiner Opposition gegen verfügendes Nützlichkeitsdenken,<br />
der Begründung der Naturordnung in der Metaphysik, der Ableitung<br />
von Werten aus Zwecken der Natur, der Bestimmung des Willens durch die<br />
Pflicht und das Erkennen der Pflicht zum Handeln durch die Heuristik der Furcht.<br />
Schließlich kommt er zu einer differenzierten Beurteilung der Verantwortungsethik. -<br />
Ein Buch, das vor allem dem zu empfehlen ist, der daran interessiert ist, das Prinzip<br />
Verantwortung im Kontext des Jonasschen Denkens zu verstehen. (BR)<br />
Marcus Düwell: Bioethik. Methoden, Theorien und Bereiche. Verlag J. B. Metzler,<br />
Stuttgart 2008; 276 Seiten (auch suhrkamp taschenbuch wissenschaft)<br />
Marcus Düwell ist Professor für Ethik an der Universität Utrecht, Direktor des Ethik-<br />
Instituts in Utrecht und wissenschaftlicher Direktor der Niederländischen Forschungsschule<br />
für Praktische <strong>Philosophie</strong>.<br />
Es ist ein philosophisches, ein anspruchsvolles Buch, das die philosophische Basis<br />
vieler Positionen in der Bioethik erörtert, dabei jedoch die Praxis nicht außer Acht<br />
lässt und die Komplexität der Problemverknüpfungen aufweist. Es geht dem Verfasser<br />
um moralische Verantwortung in Forschung und Anwendung der „Life Sciences“.<br />
Der Verfasser versteht Bioethik als „eine philosophische Teildisziplin, die sich mit<br />
normativen Fragen beschäftigt, mit denen wir im Bereich der Medizin, der Biowissenschaften<br />
und verwandten Bereichen konfrontiert sind“ (S.VII). Es geht um die<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE
Formulierung, Begründung und kritische Prüfung von Kriterien, mit deren Hilfe moralisch<br />
verantwortbares Handeln auf philosophische Weise begründet werden kann.<br />
Die philosophische Position des Autors ist durchgängig und deutlich ausgewiesen<br />
an Kants Ethik orientiert. Er betont die Interdisziplinarität der Bioethik und zeigt auf,<br />
welche nicht-moralischen Fragen wissenschaftlicher Art behandelt werden müssen<br />
(technische Machbarkeit, Absehbarkeit der Folgen, mögliche Alternativen …), bevor<br />
man moralisch argumentieren kann. Vorrang haben jedoch Fragen der normativen<br />
Ethik. „Der wissenschaftstheoretische Status der Bioethik lässt sich nur von dem<br />
Status der philosophischen Ethik im Allgemeinen bestimmen, ohne dass die Bioethik<br />
(:::) darauf reduziert werden kann“, (S.22). Deshalb werden Urteile immer<br />
„gemischte Urteile“ sein, die Bedingungen enthalten. Laut Verfasser ist Bioethik<br />
„Oberbegriff von Medizin-, Tier- und Umweltethik“ (S.23).<br />
Die folgenden Überlegungen beziehen sich auf die „Life Sciences“, ein Begriff, den<br />
der Verfasser nicht übersetzt, da eine Übersetzung („Lebenswissenschaften“) zu<br />
eng konnotiert wäre und „Wissenschaften“ im Deutschen nicht nur „Naturwissenschaften“,<br />
sondern auch Sozial- und Geisteswissenschaften meint. Er sieht die Aufgabe<br />
der Bioethik präskriptiv, nämlich darin, „zu beurteilen, inwiefern die durch die<br />
Life Sciences eröffneten Handlungsmöglichkeiten … moralisch vertretbar sind“ (S.<br />
25); er hat also ein eindeutig philosophisches Anliegen.<br />
Einen breiten Raum nimmt die pointierte Darstellung und Kritik von Ethiktheorien<br />
ein, in denen er sich mit deren jeweiligen Hauptvertretern auseinandersetzt –<br />
zugleich ein Wiederholungskurs in Sachen Ethik – und deren teilweise ungeklärte<br />
Grundlagen aufzeigt (z.B. Spielarten des Utilitarismus, Intuitionismus, Care-<br />
Theorien, Kasuistik …). Gegen die philosophisch nicht zu begründende These von<br />
„Heiligkeit des (menschlichen) Lebens“(S.72) setzt er Menschenwürde und Menschenrechte.<br />
Würde basiert nach Kant auf Vernunftfähigkeit und Autonomie, sich<br />
selbst moralische Gesetze geben zu können; daraus resultiert die besondere moralphilosophische<br />
Stellung des Menschen. Würde ist durch Rechte geschützt; möglich<br />
ist ein Verständnis als „Menschenrecht auf Rechte“ (S.78). „Schutz der Menschenwürde“<br />
hat in die meisten bioethischen Stellungnahmen Eingang gefunden.<br />
Mit diesem Begriff argumentiert der Autor weiter und klammert dabei religiöse Begründungen<br />
der Menschenwürde als nicht verallgemeinerungsfähig aus.<br />
Ergebnis seiner intensiven Auseinandersetzung mit Kants Moralprinzip ist Folgendes:<br />
Moralisch gutes Handeln ist nur dadurch gut, dass es „von dem Respekt und<br />
der Achtung von Wesen gekennzeichnet ist, die jene Vermögen (zu moralischer<br />
Selbstbestimmung, Rationalität,M.M.) praktischer Vernunft besitzen“ (S.84); d.h.<br />
Gegenstand einer moralisch geforderten Anerkennung ist die Würde des vernünftigen<br />
Wesens. – Im Unterschied zu allen anderen diskutierten Theorien wird die Kantische<br />
nicht kritisch befragt.<br />
Auf der Grundlage dieses Würdebegriffs beruhen alle folgenden Stellungnahmen<br />
des Autors zu verschiedenen Teilbereichen der Bioethik. Andere Prinzipien wie<br />
„Nicht-Schädigen“, „Wohltun“, „Gerechtigkeit“ zur Bestimmung und Begründung<br />
richtigen Handelns lehnt er ab, da sie moralisch schwach bestimmt sind, in Konflikt<br />
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55
56<br />
miteinander geraten können oder aus der Praxis gewonnen sind; „das taugt für die<br />
Praxis, aber nicht für die Theorie“ (S.92).<br />
Der Leser wird nicht nur mit der gut begründeten Konzeption des Autors vertraut<br />
gemacht, sondern mit einem breiten Spektrum bioethischer Diskussionen und Begriffe,<br />
deren Schwächen plausibel dargelegt werden, so z.B. der These, dass gewisse<br />
moralische Einsichten von allen geteilt werden, aber sind diese Einsichten auch<br />
vernünftig? Vgl. den Wandel von Einsichten über Homosexualität.<br />
Nach der theoretischen Grundlegung werden im dritten Teil des Buchs praktische<br />
Themen der Bioethik erörtert. Auch hier argumentiert der Verfasser zunächst<br />
grundsätzlich: Wem kommt ein moralischer Status zu? Haben wir, und wenn ja, warum<br />
haben wir gegenüber Embryonen, Feten, Neugeborenen, Tieren, der Natur<br />
moralische Verantwortung?<br />
Zum Embryonenschutz: Nur wenn man Handlungsfähigkeit und Vernunft als Merkmale<br />
von Personen und die Entwicklungsfähigkeit von Embryonen zu Personen annimmt,<br />
kann man sie in die moralische Berücksichtigung einbeziehen. Identität und<br />
Kontinuität liegen erst dann vor, wenn alle frühen Zellteilungen abgeschlossen sind<br />
und sich nur ein Wesen entwickelt. Das ist das einzige Argument, mit dem man die<br />
Beschränkung der Embryonenforschung auf die ersten Tage nach der Befruchtung<br />
philosophisch begründen kann.<br />
Zum Schutz von Tieren: In Auseinandersetzung mit Martha Nussbaum kommt Düwell<br />
zu dem (an Kant orientierten) Ergebnis: Tiere haben wie Menschen einen Leib,<br />
der verletzlich ist, mit dem Menschen aber auch moralisch handeln. Unser Wissen<br />
um die Verletzlichkeit des Leibes könnte uns dazu führen, den Tieren moralischen<br />
Schutz zukommen zu lassen. Damit würde man nicht den Tieren Würde zusprechen,<br />
aber um unserer Würde willen sie moralisch berücksichtigen. Eine Ausweitung<br />
des Würdebegriffs auf jede „Kreatur“ (Nussbaum) wendet den Begriff inflationär<br />
und kriterienlos an, ohne dass erkennbar wird, worauf die Würde begründet ist.<br />
Außerdem setzt „Kreatur“ einen Kreator voraus, einen theologischen und daher<br />
nicht verallgemeinerungsfähigen Begriff.<br />
Zu Hans Jonas’ Klage über den Verlust der teleologischen Naturauffassung, der zu<br />
den neuen Entwicklungen in der Biologie geführt habe, stellt der Verfasser heraus,<br />
dass eine teleologische Naturauffassung eine Interpretation des Menschen ist, die<br />
kulturabhängig und damit ideologieanfällig ist. Außerdem begründe Jonas nicht, wie<br />
aus der Naturteleologie moralische Verpflichtung hergeleitet werden könne.<br />
Bezüglich der Frage, inwiefern Menschenbilder Forschung und Praxis der Bioethik<br />
bestimmen, sagt Düwell, dass anthropologische Annahmen relevant sind, aber<br />
nicht die Rechtfertigung moralischer Verpflichtungen ersetzen.<br />
Zum Umgang mit Behinderung: Wenn selbstbestimmtes Leben als wertvoll angesehen<br />
wird, begründet das die Verpflichtung, auch Behinderten ein möglichst<br />
selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Welche Auswirkungen hat das auf die<br />
prä- und postnatale Diagnostik und auf den Umgang mit Behinderungen, die ein<br />
selbstbestimmtes Leben ausschließen? Hier zeigt der Verfasser nur die Vielfalt und<br />
Vernetzung unterschiedlicher Bereiche auf, ohne eine bestimmte Antwort zu geben.<br />
Er weist auch darauf hin, dass andere Kulturen z.T. andere Vorstellungen vom<br />
FACHVERBAND PHILOSOPHIE
Körper haben, insbesondere fernöstliche (z.B. bei den Balinesen wird ein Mensch<br />
als eines von fünf Geschwistern geboren: Fruchtwasser, Blut, Eihaut und Plazenta.<br />
Diese vier Geschwister sind immer anwesend, auch nachdem sie rituell begraben<br />
worden sind, und beeinflussen ihn das ganze Leben hindurch. Und: In östlichen<br />
und afrikanischen Ländern entscheidet nicht das Individuum über medizinische<br />
Eingriffe, sondern die Familie.) Forschung und Anwendung neuer (im Wesentlichen<br />
westlicher) Technologien sehen sich solchen Menschenbildern gegenüber vor besondere<br />
moralische Probleme gestellt. Es ist die Frage, warum wir annehmen sollten,<br />
dass westliche Konzepte von Individualität und Körperlichkeit überlegen sein<br />
sollten. Bioethik muss über die kulturellen Bedingungen eines moralischen Schutzes<br />
der Betroffenen nachdenken. Verantwortung ist entgrenzt, auch in Bezug auf<br />
die Zukunft.<br />
Dazu erörtert Düwell im vierten Teil die Dimensionen von Verantwortung: Wer?<br />
Wem gegenüber? Wofür? Aufgrund welches Kriteriums? Reichweite der Verantwortung?<br />
und diskutiert relevante Anwendungsbereiche bioethischer Theorie und Praxis.<br />
Während früher ärztliches Handeln durch den Heilungsauftrag des Arztes legitimiert<br />
war und nicht gegen den Willen des Patienten erfolgen durfte, ist dessen<br />
Grundprinzip jetzt die Autonomie des Patienten und die informierte Zustimmung<br />
(gemäß Erklärungen des Weltärztebundes von 1964 und 1975). Da die Fähigkeit<br />
zur Selbstbestimmung der Grund der Würde des Menschen ist, muss medizinisches<br />
Handeln deren Ermöglichung zum Ziel haben. (Wie verhält sich dieses Prinzip<br />
bei Menschen, die noch nicht oder nicht mehr die Fähigkeit zur Selbstbestimmung<br />
haben?)<br />
Diese Forderung wird angewandt auf die Probleme Sterbehilfe, Organtransplantation<br />
und Organgewinnung, auf Xenotransplantation (tierische Organe im menschlichen<br />
Körper), Embryonenforschung, pränatale Diagnostik, Tierethik, Tierversuche,<br />
also auf ein breites Spektrum von Forschungs- und Anwendungsbereichen.<br />
Der Verfasser argumentiert durchgängig gut informiert und vielschichtig, setzt sich<br />
kenntnisreich und begründend mit gängigen Konzeptionen auseinander und weist<br />
auf Grenzfälle und Problemüberhänge hin. Zugunsten einer immer philosophischen<br />
Argumentation verzichtet er z.T. auf eindeutige Entscheidungen. Manche philosophische<br />
Reflexion stehe noch aus, z.B. die Überlegung, dass Tierethik sich möglicherweise<br />
auf die Beschränkung von Freiheitsrechten des Menschen auswirken<br />
könnte; Tiere wären demnach Empfänger moralischer Handlungen (Rechte), ohne<br />
selbst moralisch zu handeln (Pflichten zu haben).<br />
Das Buch von Düwell ist sehr lesenswert, weil der Verfasser durchweg auf einer<br />
philosophischen Grundlage argumentiert, unterschiedliche gängige Positionen erörtert,<br />
so dass der Leser einen Überblick über die gesellschaftspolitische Bandbreite<br />
der Positionen erhält, und noch nicht gelöste Probleme aufweist. Es trägt sicherlich<br />
zur Klärung der eigenen Position bei. Das Buch ist m.E. auch für Laien gut lesbar;<br />
Fachtermini werden erklärt. Manches ist redundant, was angesichts des Umfangs<br />
des Buches z.T. notwendig ist. Leider sind der Druck sehr klein und die Zeilen sehr<br />
eng. (Marieluise Mutke)<br />
MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />
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58<br />
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