UTOPIE UND ANTIUTOPIE. - Beate-jonscher.de
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durchbrechen.<br />
Im letzten Stück taucht ein Motiv aus <strong>de</strong>m Drama „Zemlja“ wie<strong>de</strong>r auf: die Entscheidung für <strong>de</strong>n Tod<br />
als „schnelle“ Lösung eines Problems, die Einzelne als „stolze“ Entscheidung treffen, <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren,<br />
ahnungslosen Menschen aber aufgezwungen wer<strong>de</strong>n soll.<br />
Eine pessimistische Grundhaltung <strong>de</strong>s Autors, die sich im Tod <strong>de</strong>r Hel<strong>de</strong>n manifestiert, zeigen bereits<br />
die frühen, vorwiegend an Jules Verne orientierten Romane „Putešestvie na Veneru“ und „Gora zvezdy“.<br />
Als sich Brjusovs Interesse für die wissenschaftliche Phantastik mit <strong>de</strong>r symbolistischen Sicht auf<br />
die mo<strong>de</strong>rne Welt verband und er am Fortschrittsoptimismus <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts zu zweifeln begann,<br />
als er das Werk H.G. Wells kennenlernte (<strong>de</strong>r ja die soziale Dimension in die Phantastik einbrachte),<br />
entstan<strong>de</strong>n Werke wie „Zemlja“ und „Respublika Južnogo Kresta“, die die Unmöglichkeit einer nur<br />
technisch orientierten Zukunft <strong>de</strong>r Menschheit zeigen.<br />
Nach <strong>de</strong>r Revolution verän<strong>de</strong>rte sich die Thematik abermals: das Problem einer nur technizistischen<br />
Umwelt spielte keine Rolle mehr, es wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Diskussion um die Stellung <strong>de</strong>s Menschen im All<br />
abgelöst. Der tragische Grundgestus aber blieb erhalten. Bis auf „Vosstanie mašin“ kommen in allen<br />
von mir näher betrachteten Werken die Hel<strong>de</strong>n ums Leben. Brjusov bevorzugte <strong>de</strong>n distanzierten<br />
Berichterstatter bzw. die Form <strong>de</strong>s Dramas, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Ich-Erzähler in „Gora zvezdy“ o<strong>de</strong>r „Vosstanie<br />
mjašin“ erfor<strong>de</strong>rte ja in <strong>de</strong>r Regel das Überleben <strong>de</strong>r Figur. Selbst in <strong>de</strong>r Erzählung „Pervaja mežplanetarnaja<br />
ėkspedicija“, die die Erforschung <strong>de</strong>s Alls, also <strong>de</strong>n Triumph <strong>de</strong>s Menschen beinhaltet, bil<strong>de</strong>te<br />
keine Ausnahme. Zwei <strong>de</strong>r Expeditionsteilnehmer kommen während <strong>de</strong>r Erkundung <strong>de</strong>s Marses<br />
ums Leben, und vom Erzähler bleiben - wie aus <strong>de</strong>m Vorwort <strong>de</strong>r Herausgeber zu entnehmen ist - nur<br />
seine Aufzeichnungen erhalten, er selbst verunglückt bei <strong>de</strong>r Landung auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>.<br />
In Brjusovs Werke gibt es keine wirkliche Utopie: die friedliche Zukunft, das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Unterdrückung<br />
bewahrt die Menschheit nicht vor neuen Gefahren o<strong>de</strong>r gar <strong>de</strong>m Untergang. Der jeweils Herrschen<strong>de</strong><br />
ist zwar aufgrund seiner Charaktereigenschaften und seiner Ausstrahlung <strong>de</strong>s Postens würdig, aber<br />
nicht gefeit vor Fehlern. Eine Lösung <strong>de</strong>r Konflikte ist nur um <strong>de</strong>n Preis <strong>de</strong>s Untergangs möglich.<br />
Auch wenn Brjusov <strong>de</strong>r Ansicht war, <strong>de</strong>r Dichter müsse auf Gefahren verweisen, soweit ihm das möglich<br />
sei 22 , zeichnete er nicht wie Zamjatin ein à priori negatives Zukunftsbild. Er war aber wohl <strong>de</strong>r<br />
Ansicht, dass sich <strong>de</strong>r Mensch im Laufe seiner Geschichte nicht wesentlich verän<strong>de</strong>rt hat und es so ein<br />
beständiges Glück nicht geben kann.<br />
1 K. Stättke, Nachwort zu V. Brjussow, Ich ahne voraus die stolzen Schatten. Berlin 1978, S. 192.<br />
2 Vgl. S. Grečiškin, Pannaja proza V. Ja. Brjusova, in: Russkaja literatura, 2/1980, S. 201.<br />
3 Vgl. V. Brjusov, Sobranie sočinenij v semi tomach. Moskva 1973-1974.<br />
4<br />
Zit. nach V. Murav'ev, Neopublikovannye i nezaveršennye povesti i rasskazy, in: Literaturnoe nasledstvo, Bd. 85,<br />
Moskva 1976, S. 70.<br />
5<br />
K. Gerasimov, Formen <strong>de</strong>s Zukünftigen in <strong>de</strong>r Lyrik Valerij Brjusovs, in: Wissenschaftliche Zeitschrift <strong>de</strong>r Universität<br />
Jena, 1989, H.1, S. 46.<br />
6 Gedruckt u.a. in: Fantastika 1973-1974, Moskva 1974. (Teilweise <strong>de</strong>utsche Übersetzung in: Der Traumfabrikant, Berlin<br />
1986.)<br />
7<br />
Vgl. K.D. Kluge Überlegungen zur Problematik symbolistischer Utopien am Beispiel von Valerij Brjusovs "Republika<br />
Južnogo Kresta", in: Ebenda, S. 40.<br />
8<br />
Zur Geschichtsauffassung Brjusov s. P. Drews, Einige Aspekte <strong>de</strong>r historischen Prosa V. Ja. Brjusovs, in: Anzeiger für<br />
slavische Philologie, 1982, Bd. XIII, S. 1 ff.<br />
9 V. Brjusov, Zemlja, in: Ders., Zemnaja os'. Moskva 1907, Zit. nach: V. Brjusov, Rasskazy i povesti. Nachdruck <strong>de</strong>r Ausgaben<br />
von 1907, 1913 und 1934. München 1970 (Deutsche Übersezuung: V. Brjussow, Die Er<strong>de</strong>, in: Ders., Nur <strong>de</strong>r<br />
Morgen <strong>de</strong>r Liebe ist schön, Berlin 1987, S. 172.)<br />
10<br />
J. Holthusen, Geschichte und Utopie im russischen Symbolismus, in: Ders., Rußland in Vers und Prosa. München<br />
1973, S. 64.<br />
11 V. Brjusov, Sem' zemnych zoblaznov, in: Serverny Svety, Bd. 5, Moskva 1911, S. 172. Zit. nach: Povesti i rasskazy.<br />
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