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„Der Sturm“ am Theater Bielefeld (Premiere: 31.3.2007, Musikalische<br />

Leitung: Leo Siberski, Inszenierung: Michael Heicks)<br />

nicht als Nationalkomponist und Nachfolger Smetanas positionieren<br />

können, dessen Oper Libuše er überdies inhaltlich<br />

mit Šárka fortsetzt. Dem hymnisch-erhabenen Ton<br />

Smetanas in Libuše setzt Fibich in Šárka einen dramatisch<br />

geschärften, lyrisch glutvollen Stil entgegen – Assoziationen<br />

zu Die Walküre und Tristan und Isolde drängen sich<br />

musikalisch wie stofflich auf. Šárka endet in einem Wahngesang<br />

der Heldin, als gespenstischer Chor erscheinen ihr<br />

die Schatten der erschlagenen Gefährtinnen, die sie verraten<br />

hat. Ein eindrücklicher und experimenteller Schluss,<br />

den Janáček in einer Rezension 1899 ausführlich kommentierte.<br />

Janáček stand Fibich zwiespältig gegenüber, was in<br />

Bezug auf Šárka wohl auch darauf zurückzuführen ist, dass<br />

er den Stoff in einer anderen Version 1888/89 selbst komponiert<br />

hatte und Fibich die gelungenere und erfolgreichere<br />

Oper schuf, „eine aber in jeder Beziehung souveräne<br />

Kunstleistung von klassischem Zuschnitt … sensibel in der<br />

Verteilung von Licht und Schatten, stimmig im Timing groß<br />

angelegter Steigerungsphasen und gekonnter Übergänge“,<br />

wie Hans-Klaus Jungheinrich in seinem Buch Hudba.<br />

Annäherungen an die tschechische Musik (Bärenreiter 2007)<br />

schreibt und von „meisterlichen Schraubenwindungen einer<br />

tristannahen Leidenschaftsmusik“ spricht, der Janáček<br />

letztlich fern gestanden sei. Dieser vergleicht seinen Eindruck<br />

von Fibichs Šárka mit einem „großen mächtigen See,<br />

durch den der Wind tobt“. Doch würde der „Schaum der brechenden<br />

Wellen sich nie mit den Wolken mischen“.<br />

Mit der drei Jahre vor seinem Tod vollendeten und am<br />

28. Dezember 1897 im Nationaltheater Prag uraufgeführten<br />

Oper errang Fibich höchste Anerkennung und seinen endgültigen<br />

Durchbruch, der sich allerdings auf sein Heimatland<br />

beschränkte. Anders als Dvořák, der durch seine Aufenthalte<br />

im Ausland international auf sich aufmerksam<br />

machte und dessen Œuvre durch Verleger, Kritiker und Dirigenten<br />

verbreitet wurde, blieb Fibich eine lokale Größe.<br />

Seine Werke wurden zwar am Prager Nationaltheater bis<br />

Ende der 1930er-Jahre regelmäßig aufgeführt, hatten aber<br />

später kaum noch eine Chance auf weitere Verbreitung,<br />

wohingegen Smetana, Dvořák und Janáček, später auch<br />

Martinů, im Ausland als die tschechischen Exponenten erfolgreich<br />

waren.<br />

Literaturopern „Der Sturm“ und „Die Braut von<br />

Messina“<br />

Doch ist Šárka ein unbestrittenes Meisterwerk des 19. Jahrhunderts,<br />

und es lohnt sich, sich wieder mit ihr zu beschäftigen,<br />

ebenso mit den ihr zeitlich benachbarten, nicht weniger<br />

reizvollen Die Braut von Messina nach Schiller (1882/<br />

83), Der Sturm nach Shakespeare (1893/94) und einer äußerst<br />

originellen Schöpfung: den szenischen Melodramen,<br />

genauer: der Trilogie Hippodamie (1890/91) nach einer<br />

Dichtung von Jaroslav Vrchlický, die im 19. Jahrhundert<br />

zahlreiche Nachfolger inspirierte. Während seine sieben<br />

vollendeten Opern reizvolle und dankbare Gesangspartien<br />

aufweisen, beschäftigte Fibich sich dort mit einer ästhetischen<br />

Fragestellung, die auf das Problem der natürlichen<br />

und ausdrucksvollen Deklamation zielt und letztlich zum<br />

Melodram führt. Fibich war ein äußerst gebildeter und belesener<br />

Komponist, der mit mehreren Dichtern eng befreundet<br />

war und zusammenarbeitete.<br />

Schon in Die Braut von Messina entwickelte er in Auseinandersetzung<br />

mit dem Kunsttheoretiker Otakar Hostinský,<br />

der Schillers Drama für Fibichs Oper übersetzte und bearbeitete,<br />

einen eigenen deklamatorischen Vokalstil, den<br />

man als hochmelodiöse Rezitativik bezeichnen könnte und<br />

die Figuren und Situationen durch Leitmotive psychologisch<br />

ausdeutet. Schon Schiller ließ in seinem „Trauerspiel<br />

mit Chören“ den Chor in Anlehnung an die antiken Vorbilder<br />

eine aktive und prominente Rolle einnehmen, darüber<br />

hinaus schafft Fibich in der Opernfassung mit den Chornummern<br />

musikalisch glanzvolle, liedartige oder ariose<br />

Tableaus und Momente höchster Intensität. Die Braut von<br />

Messina, im deutschsprachigen Raum bisher nicht aufgeführt,<br />

interessiert aber nicht nur wegen ihrer originellen<br />

Konzeption, sondern ist auch ein dramatisch wirkungsvolles,<br />

musikalisch äußerst faszinierendes Werk, das es<br />

allerdings in Prag nach der Uraufführung schwer hatte, weil<br />

es als zu wagnerianisch und düster abgetan wurde.<br />

Gleiche Meisterschaft zeigt Der Sturm, für dessen Textbuch<br />

Jaroslav Vrchlický Shakespeares Schauspiel sinnvoll<br />

straffte und einen Akzent auf das junge Liebespaar Fernando<br />

und Miranda legte. Alle Opern wurden im deutschen<br />

Sprachraum kaum oder gar nicht wahrgenommen. Bis auf<br />

wenige Ausnahmen: Das Theater Bielefeld brachte 2007<br />

eine viel beachtete Produktion von Der Sturm heraus, schon<br />

1998 dirigierte Sylvain Cambreling in Wien eine konzertante<br />

Aufführung von Šárka, die auch auf CD erschien, Die<br />

Braut von Messina wurde bislang im deutschsprachigen<br />

Raum nicht uraufgeführt, ebensowenig die übrigen vier erhaltenen<br />

Opern.<br />

1I2008<br />

]<br />

[t]akte 1I2008 5

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