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den. Nach der Niederlage Penthesileas durch Achilles hebt<br />
sich das Podest in die Vertikale und präsentiert frontal die<br />
beiden wie in einem Netz gefangenen Protagonisten, die<br />
sich langsam von der jetzt goldschimmernden Spiegelwand<br />
abseilen. Später schließt Bäckmann den Raum durch einen<br />
schwarzen Vorhang, so dass sich der Liebestodeskampf um<br />
die gegenseitige Unterwerfung in einem weltenthobenen<br />
Nirgendwo abspielt, das sich erst am Schluss wieder einen<br />
Spalt weit öffnet und mit der blutbesudelten Penthesilea<br />
zugleich die Leiche des Achilles freigibt. Zeitlos aktuell sind<br />
auch die Kostüme der Amazonen (Falk Bauer): schwarze,<br />
schulterfreie Reifröcke, von denen sich die weißgekalkten<br />
Hände, Gesichter und Haare fast gespenstisch abheben.<br />
Nichts lenkt hier von der Konzentration auf das Schicksal<br />
der beiden Kontrahenten ab, das mit der Unerbittlichkeit<br />
einer antiken Tragödie abrollt.<br />
Krämers Regie überlässt die Wucht des ungeheuerlichen<br />
Vorgangs – „Sie hat ihn wirklich aufgegessen, den Achill,<br />
vor Liebe“, schrieb Kleist an seine angeheiratete Verwandte<br />
Marie von Kleist (Krämer lässt sie zu Beginn den Brief<br />
rezitierend auftreten) – fast ganz der Musik. Das rückt die<br />
Titelpartie, mit der jede Aufführung des Stücks steht oder<br />
fällt, vollends ins Zentrum. Iris Vermillion verkörperte die<br />
Liebesraserei der Penthesilea mit besessenem Ausdruck<br />
und gebot souverän über die dunklen, bronzenen, bis in die<br />
Altregion hinunterreichenden Töne wie über die ekstatische,<br />
die Soprankantilene mehr als einmal übersteigende<br />
Höhe. Insbesondere mit ihrem Schlussgesang zog sie das<br />
Auditorium völlig in Bann. Anders als Tanja Ariane Baumgartner<br />
aber war sie mehr Furie als Grazie, mehr furchterregende<br />
Täterin als berührt-berührendes Opfer einer erst<br />
in der Grenzüberschreitung zum Tod sich ihrer Tat bewusst<br />
werdenden Frau.<br />
Gerd Albrecht am Pult hat mit der glänzend disponierten<br />
Sächsischen Staatskapelle sowohl die hitzige Ekstase<br />
des rauschhaften Liebesduetts wie die unglaubliche Härte<br />
herausgearbeitet, mit der Schoeck, Jahrzehnte vor Orffs Antigonae<br />
die Musik gleichsam auf den Rhythmus ostinater<br />
Schläge skelettierend, Wort und Handlung akzentuiert. Die<br />
Musik will in Schoecks schroffer, dissonanter Vision nichts<br />
anderes sein als die rhythmisch-klangliche Unterstützung<br />
des gesungenen oder gesprochenen Worts. Dieses „eherne<br />
Klirren“ fordert vom Dirigenten eine dienende Askese, die<br />
Albrecht mit höchster Spannkraft zu geben gewillt war.<br />
Leider ließ auch er sich nicht davon abhalten, unnötige Retuschen<br />
und dramaturgisch problematische Striche vorzunehmen.<br />
Beide Male, in Basel wie in Dresden, hat Schoecks Penthesilea<br />
ihre theatralische Lebensfähigkeit auf überzeugende<br />
Weise bewiesen. Beide Male war das Publikum aufs höchste<br />
beeindruckt, ja gebannt und dankte den Interpreten mit<br />
Ovationen. Uwe Schweikert<br />
Gefangen im Netz. „Penthesilea“ in Dresden (Foto: Matthias Creutziger)<br />
Othmar Schoeck<br />
Penthesilea. Oper in einem Aufzug nach dem Trauerspiel<br />
von Heinrich von Kleist<br />
Personen: Penthesilea (Mezzosopran), Prothoe (Sopran),<br />
Meroe (Sopran), Oberpriesterin (Alt), Achilles (Bariton),<br />
Diomedes (Tenor), Herold (Bariton) – Chor<br />
Orchester: 3 (auch Picc), 1 (auch Eh), 8, 2 BKlar, Kfag –<br />
4,4,4,1 – Pk, Schlg (3) – 2 Klav – 4 Solo-Violinen und tiefe<br />
Streicher – Bühnenmusik: 3 Trp<br />
Verlag: Bärenreiter<br />
Neu: Penthesilea-Suite für Orchester (Arrangement:<br />
Andreas Delfs), Aufführungsdauer: 25 Minuten<br />
1I2008<br />
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[t]akte 1I2008 9