Albanische Hefte -2-2005 - PDF - Deutsch-Albanische ...
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und durch friedlicher Mensch. Jahrelang kam er jede Woche<br />
zu mir – auch das ist typisch für Martin Camaj: der<br />
Professor und Lehrer kommt zum Schüler! – und es hat nie<br />
einen Streit gegeben! Camaj hat keine Lobgedichte auf den<br />
Kommunismus geschrieben, wie viele andere, und er hat<br />
keine Haßgedichte auf den Kommunismus geschrieben,<br />
wie viele andere.<br />
FEUER AUF DER BERGKETTE<br />
Feuer auf der Bergkette in Träumen<br />
blutschweißverschmiert.<br />
Ein Kampf und eine Revolution<br />
Wiege und Liege einer Generation<br />
die sich fürchtet<br />
das Fenster zu öffnen<br />
gestern wie heute aus Angst<br />
den Geist auszuhauchen verwundet nackt<br />
noch ehe die Bleisalven<br />
gegen die Felsen knattern<br />
Als ich mich zunächst weigerte, dieses Gedicht zu übersetzen:<br />
„Es paßt nicht zu allen anderen, es ist plakativ“,<br />
sagte Camaj: „Hier ging‘s nicht anders.“<br />
Camaj war kein Nationalpoet, seine Lyrik umfaßt psychologische<br />
und philosophische Themen. Er gehört zu den<br />
albanischen Ausnahmelyrikern die – wie Lasgush Poradeci<br />
– keine kollektive, nationale Thematik besingen, sondern<br />
individuelle und universale Themen behandeln und dabei<br />
gleichzeitig, immanent, beispielhaft albanische Autoren<br />
sind.<br />
Zum Schluß noch etwas zu dem Klischee von Camaj, dem<br />
angeblich altmodischen Traditionalisten und idyllischen<br />
Heimatdichter. Mit der Einführung des freien Verses, mit<br />
dem hohen Maß an Abstraktion und Symbolik war Martin<br />
Camaj – mit Zef Zorba – der erste Modernist in der<br />
albanischen Lyrik.<br />
Mit einem traditionellen Inventar – dem Metrum albanischer<br />
Volkslieder und dem Kolorit der albanischen Bergwelt<br />
– hat er moderne Lyrik geschrieben. Und es gibt in seinen<br />
Gedichten nicht nur das Kolorit von Berg und Fels und Stein,<br />
sondern eine große Bandbreite an Motiven und Themen,<br />
vom Kanun bis zum urbanen Ambient.<br />
VERLORENER FADEN<br />
Vergangene Nacht verlöschten die Lichter und fi nster<br />
lag die Stadt bis der Tag graute.<br />
Die Frauen suchten Öl und Dochte<br />
und fanden sie nicht im Finstern.<br />
Am Morgen versank die Sonne und blaß<br />
wurden die Flächen der Wolkenkratzer.<br />
Am Morgen besah ich den Kreis der Träume<br />
am Boden<br />
und fand den verlorenen Faden<br />
dort wo das Licht abriß.<br />
Natur und Landschaft in Camajs Gedichten sind mit wenigen<br />
Ausnahmen bedrohlich. Verse von Fatos Arapi, der<br />
sich auch vom gereimten Vers gelöst hat, laden ein, sich<br />
am Ionischen Meer seiner schönen Gedichte auszustrecken.<br />
In den meisten von Camajs Naturgedichten gibt es keine<br />
Behaglichkeit. Oder würden Sie es sich gemütlich machen<br />
unter den „Nacken der Bergpässe“?<br />
HARTER MONAT ODER EINSAMKEIT<br />
Erde, Fichte und Bergweide beladen mit Schnee<br />
und Kerzen aus Eis.<br />
Das wilde Tier im eigenen Brustkorb gefangen<br />
kauert sich zusammen und schläft<br />
ohne Spur hinter sich<br />
die Klauen in die Haut gekrallt<br />
unter das Fleisch.<br />
Ein Zaun eingestürzt auf dem Weg<br />
und die Nacken der Bergpässe<br />
ringsum<br />
versperrt von Wolfszähnen<br />
wir irr.<br />
Hans-Joachim Lanksch<br />
München<br />
Kunst & Kultur<br />
21<br />
<strong>Albanische</strong> <strong>Hefte</strong> 2/<strong>2005</strong>