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BFH - Richard Boorberg Verlag

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Gericht: <strong>BFH</strong><br />

Entscheidungsform: Beschluss<br />

Datum: 12.05.2003<br />

Vorinstanz(en): <strong>BFH</strong> - 13.9.2000 - X<br />

R 147/96 (<strong>BFH</strong>E 193,<br />

121, BStBl II 2001,<br />

175)<br />

Kurzleitsatz:<br />

Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen<br />

Amtlicher Leitsatz:<br />

Paragraphenkette:<br />

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 § 22 Nr. 1<br />

»Im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge vereinbarte<br />

abänderbare Versorgungsleistungen sind nicht als dauernde Last (Sonderausgabe nach § 10<br />

Abs. 1 Nr. 1 a EStG) abziehbar, wenn sie zwar aus den erzielbaren laufenden Nettoerträgen<br />

des übergebenen Betriebs gezahlt werden können, das Unternehmen jedoch weder über einen<br />

positiven Substanzwert noch über einen positiven Ertragswert verfügt. Es handelt sich um<br />

Unterhaltsleistungen i.S. des § 12 Nr. 2 EStG.«<br />

Gründe:<br />

A. Anrufungsbeschluss des X. Senats<br />

I. Vorgelegte Rechtsfrage<br />

Der X. Senat des Bundesfinanzhofs (<strong>BFH</strong>) hat durch Beschluss vom 13. September<br />

2000 X R 147/96 (<strong>BFH</strong>E 193, 121, BStBl II 2001, 175) dem Großen Senat folgende<br />

Rechtsfrage vorgelegt:<br />

Sind im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der<br />

Erbfolge vereinbarte abänderbare Versorgungsleistungen auch dann als dauernde<br />

Last (Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a des Einkommensteuergesetzes --<br />

EStG--) abziehbar, wenn sie zwar aus den laufenden Nettoerträgen des übergebenen<br />

Betriebs gezahlt werden können, aber der Substanzwert des --gepachteten-- Betriebs<br />

negativ ist und sein Ertragswert 0 DM beträgt?<br />

II. Sachverhalt<br />

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute; sie wurden für die<br />

Streitjahre (1988 und 1989) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger<br />

© Eine Gerichtsentscheidung aus der Entscheidungsdatenbank des <strong>Richard</strong> <strong>Boorberg</strong> <strong>Verlag</strong>s<br />

GmbH & Co KG, Stuttgart<br />

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ist Gastwirt. Mit privatschriftlichem Vertrag vom 20. Dezember 1987 übernahm er mit<br />

Wirkung vom 1. Januar 1988 von seinen Eltern eine Gaststätte mit allen Aktiven und<br />

Passiven, jedoch mit Ausnahme des von den Eltern betrieblich genutzten PKW. Die<br />

Gaststätte wurde in gepachteten Räumen betrieben. Der Pachtvertrag, in den der<br />

Kläger eintrat, galt bis zum 31. Dezember 1995 und verlängerte sich jeweils um drei<br />

Jahre, wenn er nicht gekündigt wurde.<br />

Ein Entgelt für die Betriebsübertragung war nicht vereinbart worden. Allerdings<br />

erwarben der damals 66 Jahre alte Vater und die 67 Jahre alte Mutter aufgrund des<br />

Übertragungsvertrages einen Anspruch auf Entnahme von Speisen und Getränken<br />

oder von Lebensmitteln für den persönlichen Bedarf, die Übernahme der Miete für<br />

die bisherige Wohnung im Gebäude der Gaststätte sowie der Kosten für Strom und<br />

Heizung. Außerdem hatte der Kläger die Beiträge für private Versicherungen seiner<br />

Eltern zu zahlen.<br />

Der Kläger machte in den für die Streitjahre abgegebenen<br />

Einkommensteuererklärungen folgende Aufwendungen als dauernde Last<br />

(Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 a EStG) geltend:<br />

1988 1989<br />

Entnahme von Lebensmitteln etc. 7 892 DM 7 892 DM<br />

Strom/Heizung 2 280 DM 2 280 DM<br />

Wohnungsmiete 3 240 DM 3 432 DM<br />

Versicherungen 5 245 DM 3 373 DM<br />

Summe 18 657 DM 16 977 DM<br />

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ließ diese Aufwendungen<br />

bei den Einkommensteuerveranlagungen der Streitjahre unberücksichtigt.<br />

Das FA vertrat die Auffassung, es handle sich um Unterhaltsleistungen, die nach<br />

§ 12 Nr. 2 EStG steuerlich nicht abgezogen werden dürften. Insbesondere liege<br />

keine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen vor. Der Substanzwert<br />

des übertragenen Unternehmens sei negativ. Das folge aus dem im Zeitpunkt der<br />

Übergabe negativen Kapitalkonto. Der Ertragswert des Unternehmens belaufe sich auf<br />

0 DM. Der in den Jahren 1984 bis 1991 erzielte durchschnittliche Gewinn habe 36 666<br />

DM betragen. Zur Errechnung des Ertragswertes sei er um den Unternehmerlohn zu<br />

kürzen. Letzterer könne aus dem Bruttogehalt von 50 400 DM hergeleitet werden, das<br />

der Kläger in den Jahren 1984 bis 1987 als Geschäftsführer der Gaststätte von seinen<br />

Eltern erhalten habe.<br />

Die gegen die Einkommensteuerbescheide 1988 und 1989 gerichteten Einsprüche<br />

blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage, mit der die Kläger<br />

ihr Begehren weiter verfolgten, stattgegeben. Zwar sei der Substanzwert des<br />

Betriebsvermögens negativ und auch der Ertragswert des Unternehmens liege bei 0<br />

DM. Trotzdem liege ein steuerlich begünstigter Fall der Vermögensübergabe gegen<br />

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Versorgungsleistungen vor. Die Voraussetzung, dass die Übertragenden sich Erträge<br />

des Vermögens vorbehielten, die der Übernehmer nunmehr erwirtschaften müsse,<br />

seien erfüllt. Das FG-Urteil vom 30. Juli 1996 11 K 5348/92 E ist in Entscheidungen<br />

der Finanzgerichte (EFG) 1996, 1215 veröffentlicht.<br />

Mit der hiergegen gerichteten Revision trägt das FA u.a. vor, im Streitfall liege eine nach<br />

§ 12 Nr. 2 EStG nicht abziehbare Unterhaltszahlung vor. Denn bei überschlägiger und<br />

großzügiger Ermittlung betrage der Wert des übergebenen Vermögens weniger als die<br />

Hälfte des Werts der Rentenverpflichtung. Der Ertragswert des übergebenen Betriebs<br />

liege nach den Feststellungen des FG bei 0 DM. Das FG verkenne, dass durch § 10<br />

Abs. 1 Nr. 1 a EStG "die Übergabe einer ertragsfähigen Substanz begünstigt werde".<br />

Nur eine tatsächlich vorhandene steuerliche Leistungsfähigkeit könne beim Transfer<br />

auf die nächste Generation durch den Abzug einer dauernden Last begünstigt werden.<br />

Ein gepachteter Betrieb erfülle nicht die an eine existenzsichernde Wirtschaftseinheit<br />

gestellten Anforderungen.<br />

Die Kläger halten dem entgegen, die im Schreiben des Bundesministeriums der<br />

Finanzen (BMF) vom 23. Dezember 1996 (BStBl I 1996, 1508) geforderten<br />

Voraussetzungen für die Abziehbarkeit einer dauernden Last ("Typus 1") lägen im<br />

Streitfall vor.<br />

Der vorlegende Senat möchte die Revision als unbegründet zurückweisen.<br />

III. Begründung der Vorlage<br />

Der vorlegende Senat vertritt die Auffassung, die den Eltern des Klägers<br />

versprochenen Versorgungsleistungen seien als dauernde Last abziehbar.<br />

Der Senat habe in seinem Vorlagebeschluss vom 10. November 1999 X R 46/97 (<strong>BFH</strong>E<br />

189, 497, BStBl II 2000, 188) die Auffassung vertreten, dass die Vergleichsrechnung<br />

des Abschn. 123 Abs. 3 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) a.F. (jetzt BMF-<br />

Schreiben vom 26. August 2002, BStBl I 2002, 893, Tz. 17 f., 38 f. - sog. "50v.H.-Grenze")<br />

keine rechtliche Bedeutung habe, wenn die wiederkehrenden Renten<br />

mangels ausreichenden Ertrags des übertragenen Vermögens aus dessen Substanz<br />

gezahlt werden müssten ("Typus 2"). Andererseits könne in Fällen wie dem vorliegend<br />

zu beurteilenden die Abziehbarkeit einer dauernden Last nicht an der "50-v.H.-<br />

Grenze" scheitern, wenn der übergebene Betrieb zwar Erträge abwerfe, aus denen<br />

eine Versorgungsrente gezahlt werden könne, aber keinen ausreichenden Substanzund/oder<br />

Ertragswert habe. Die vom Großen Senat des <strong>BFH</strong> im Beschluss vom<br />

15. Juli 1991 GrS 1/90 (<strong>BFH</strong>E 165, 225, BStBl II 1992, 78) ausgesprochene<br />

Charakterisierung der Versorgungsleistungen "als vorbehaltene Vermögenserträge"<br />

verstehe der vorlegende Senat in dem Sinne, dass durch den Abzug der dauernden<br />

Last beim Verpflichteten und durch die Erfassung wiederkehrender Erträge beim<br />

Bezieher das der gesetzlichen Regelung zugrunde liegende Prinzip der "vorbehaltenen<br />

Vermögenserträge" rechtstechnisch verwirklicht werde (Urteil vom 25. März 1992 X<br />

R 100/91, <strong>BFH</strong>E 168, 243, BStBl II 1992, 803). Dieser Transfer von steuerlicher<br />

Leistungsfähigkeit sei nur, dann aber auch stets möglich, wenn die Erträge des<br />

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übergebenen Vermögens die für das Altenteil typischen Versorgungsleistungen<br />

zuließen.<br />

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den in <strong>BFH</strong>E 193, 121, BStBl II 2001, 175<br />

veröffentlichten Beschluss verwiesen.<br />

IV. Stellungnahme der Beteiligten<br />

Das FA tritt der Auffassung des vorlegenden Senats entgegen. Ein gepachteter Betrieb<br />

könne keine existenzsichernde Wirtschaftseinheit sein.<br />

Das dem Verfahren beigetretene BMF unterstützt die Auffassung des FA.<br />

Es verweist auf seine Stellungnahme zum Vorlagebeschluss in <strong>BFH</strong>E 189, 497, BStBl<br />

II 2000, 188 (wiedergegeben im Beschluss des Großen Senats GrS 1/00 vom heutigen<br />

Tag) und weist ergänzend auf Folgendes hin: Würde man mit dem vorlegenden Senat<br />

als Gegenstand der Vermögensübergabe ein Wirtschaftsgut anerkennen, dessen<br />

Substanzwert negativ und dessen Ertragswert 0 DM sei, beruhten die wiederkehrenden<br />

Leistungen gerade nicht auf der Übergabe von Vermögen seitens der Eltern an<br />

die Kinder, weil aus einem Wirtschaftsgut ohne Substanz- oder Ertragswert keine<br />

Leistungen erbracht werden könnten. Im Streitfall sei der Ertrag, aus dem die<br />

Leistungen erbracht worden seien, nur deshalb ausreichend gewesen, weil das bislang<br />

an den Sohn gezahlte Geschäftsführergehalt nach der Übergabe des Betriebs den<br />

Ertrag nicht mehr gemindert habe. Die Leistungen an die Eltern rührten daher nicht aus<br />

dem übergebenen Vermögen, sondern aus der Arbeitsleistung des Übernehmers her.<br />

Dann aber handle es sich um nicht abziehbare Unterhaltsleistungen.<br />

Die Kläger widersprechen diesen Ausführungen.<br />

Der Ertragswert der übertragenen Gaststätte sei nicht --wie vom FG festgestellt-- 0<br />

DM. In den drei Jahren vor der Übergabe habe das Unternehmen Gewinne erzielt.<br />

Auf dieser Grundlage sei der Ertragswert zu berechnen. Wiederkehrende Leistungen<br />

an die übergebenden Eltern würden nahezu immer auch aus der Arbeitsleistung des<br />

Übernehmers erbracht.<br />

B. Entscheidung des Großen Senats zu Verfahrensfragen<br />

I. Vorlagegrund<br />

Die vorgelegte Frage hat grundsätzliche Bedeutung.<br />

Es liegt nahe, dass der Große Senat im Beschluss in <strong>BFH</strong>E 165, 225, BStBl II 1992,<br />

78 die "50-v.H.-Grenze" zur Abgrenzung von Unterhaltsleistungen gegenüber den als<br />

Sonderausgaben abziehbaren Versorgungsleistungen heranziehen wollte (unter C. II.<br />

4.). Die hierzu von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung ist nicht eindeutig.<br />

Tz. 18 des BMF-Schreibens in BStBl I 2002, 893 kann dahin gehend verstanden<br />

werden, dass die "50-v.H.-Grenze" nur in Fällen des "Typus 2" ("in diesen Fällen")<br />

anzuwenden ist, nicht also in Fällen, in denen der übergebene Betrieb ausreichende<br />

Gewinne abwirft, um den Unterhalt zweier Generationen zu sichern.<br />

II. Entscheidungserheblichkeit<br />

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Die vorgelegte Rechtsfrage ist für die Entscheidung des X. Senats rechtserheblich.<br />

Der Große Senat hat nicht zu prüfen, ob der vorlegende Senat mit einer anderen<br />

Begründung zum gleichen Ergebnis kommen könnte. Die Entscheidung rechtlicher<br />

Vorfragen, deretwegen der Große Senat nicht angerufen worden ist, liegt in der<br />

Zuständigkeit des vorlegenden Senats (<strong>BFH</strong>-Beschluss vom 7. August 2000 GrS 2/99,<br />

<strong>BFH</strong>E 192, 339, BStBl II 2000, 632).<br />

C. Entscheidung des Großen Senats über die vorgelegte Rechtsfrage<br />

I. Rechtsentwicklung<br />

Die "50-v.H.-Grenze" findet sich erstmalig im <strong>BFH</strong>-Urteil vom 23. Januar 1964<br />

IV 8/62 U (<strong>BFH</strong>E 79, 516, BStBl III 1964, 422). Dort hatte der <strong>BFH</strong> eine<br />

Versorgungsrente als Gegenleistung für das übernommene Vermögen angesehen. Auf<br />

diese Weise ließ sich vermeiden, dass die Versorgungsleistungen dem Abzugsverbot<br />

für Unterhaltsleistungen nach § 12 Nr. 2 EStG unterlagen. Das Abzugsverbot des §<br />

12 Nr. 2 EStG --so der <strong>BFH</strong>-- gelte für alle Zuwendungen, die nicht im Hinblick auf<br />

eine Gegenleistung, sondern im Hinblick auf die gesetzliche Unterhaltspflicht erbracht<br />

würden. Eine Rente werde aber nicht erst dann auf Grund der Unterhaltspflicht gezahlt,<br />

wenn der Wert der Gegenleistung so gering sei, dass er im Verhältnis zum Wert<br />

der Unterhaltsleistungen keinen wirtschaftlichen Gehalt besitze. Eine Unterhaltsrente<br />

liege vielmehr schon dann vor, wenn unter Berücksichtigung der Gegenleistung<br />

der Unterhaltscharakter offensichtlich überwiege. Ein wesentlicher Anhaltspunkt für<br />

das Überwiegen könne im Allgemeinen darin gesehen werden, dass der Wert der<br />

Gegenleistung (des übernommenen Betriebsvermögens usw.) bei überschlägiger und<br />

großzügiger Berechnung weniger als die Hälfte des Wertes der Rentenverpflichtung<br />

betrage.<br />

Von einer für möglich gehaltenen Aufteilung der Rente in eine als Sonderausgabe<br />

abziehbare außerbetriebliche Versorgungsrente und in eine nicht abziehbare reine<br />

Unterhaltsrente nach dem Verhältnis des durch den Wert der Gegenleistung gedeckten<br />

und des nicht mehr gedeckten Teils der Rentenverpflichtung sei abzusehen,<br />

weil ein wirtschaftlich einheitlicher Vorgang auch steuerlich möglichst einheitlich<br />

behandelt werden müsse. Eine Aufspaltung der einheitlichen Leistung setze genaue<br />

Berechnungen der Werte voraus und führe zu praktischen Schwierigkeiten, die zu<br />

vermeiden vertretbar erscheine. Bei Überwiegen des Unterhaltscharakters der Rente<br />

liege daher in vollem Umfange eine nicht abziehbare Unterhaltsrente (§ 12 Nr. 2 EStG)<br />

und bei Überwiegen des Gesichtspunktes der Gegenleistung in vollem Umfange eine<br />

außerbetriebliche Versorgungsrente vor.<br />

Der Große Senat hat sich dieser Auffassung im Beschluss in <strong>BFH</strong>E 165, 225, BStBl<br />

II 1992, 78 (unter C. II. 4. c) angeschlossen. Er bezieht sich zusätzlich auf das <strong>BFH</strong>-<br />

Urteil vom 28. Juli 1983 IV R 174/80 (<strong>BFH</strong>E 139, 367, BStBl II 1984, 97). Auch<br />

dieses Urteil sehe in der Vergleichsrechnung, die in Abschn. 123 Abs. 3 EStR ihren<br />

Niederschlag gefunden habe, einen --wenn auch für Hofübergabeverträge praktisch<br />

nicht bedeutsamen-- "Anhaltspunkt" für die Bestimmung der nach § 12 EStG nicht<br />

abziehbaren Unterhaltsleistungen. Dem stimme der Große Senat zu.<br />

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Die Finanzverwaltung hatte ursprünglich in Abschn. 123 Abs. 3 EStR die "50-v.H.-<br />

Grenze" ebenfalls dazu verwendet, Geschäfte, bei denen der Unterhaltscharakter<br />

überwiegt, von solchen zu unterscheiden, bei denen der Gesichtspunkt der<br />

Gegenleistung im Vordergrund steht. Erstmalig im sog. Rentenerlass (BMF-Schreiben<br />

in BStBl I 1996, 1508) wird die "50-v.H.-Grenze" in einen Zusammenhang mit<br />

dem sog. "Typus 2" gebracht. Beim "Typus 2" handelt es sich um die Übergabe<br />

existenzsichernder Wirtschaftseinheiten, deren Nettoerträge nicht ausreichen, um die<br />

dem Übergeber versprochenen wiederkehrenden Leistungen zu erbringen. Auch bei<br />

Übergabe solcher Wirtschaftseinheiten können nach Auffassung der Finanzverwaltung<br />

in Übereinstimmung mit dem <strong>BFH</strong>-Urteil vom 23. Januar 1992 XI R 6/87 (<strong>BFH</strong>E 167,<br />

86, BStBl II 1992, 526) die zugesagten Versorgungsleistungen als Sonderausgaben<br />

abgezogen werden (Tz. 17). Wörtlich heißt es weiter: "Voraussetzung für eine<br />

Vermögensübergabe in diesen Fällen ist, dass der Wert des Vermögens im Zeitpunkt<br />

der Vermögensübergabe bei überschlägiger und großzügiger Berechnung mindestens<br />

die Hälfte des Kapital- oder Barwertes der wiederkehrenden Leistungen beträgt" (Tz.<br />

18; ebenso BMF-Schreiben in BStBl I 2002, 893).<br />

Der XI. Senat hat in seinem Urteil vom 10. April 1991 XI R 25/89 (<strong>BFH</strong>/NV 1991,<br />

720) eine Rente wegen Nichterreichens der "50-v.H.-Grenze" als Unterhaltsrente<br />

angesehen. Der Kläger hatte von seiner Mutter den elterlichen Betrieb --ein<br />

alteingesessenes Geschäft-- gegen Zahlung einer monatlichen Rente erworben. Der<br />

XI. Senat sah in den vom Übernehmer geleisteten Zahlungen weder Betriebsausgaben<br />

noch Sonderausgaben. Während sich der Barwert der Rente auf ca. 213 000 DM<br />

belaufen habe, habe der Wert des übernommenen Betriebsvermögens eindeutig unter<br />

der Hälfte dieses Werts gelegen, so dass es einer genaueren Wertermittlung, wie sie<br />

in dem <strong>BFH</strong>-Urteil vom 21. Januar 1986 VIII R 238/81 (<strong>BFH</strong>/NV 1986, 597) dargelegt<br />

sei, nicht bedurft habe.<br />

II. Auffassung des Großen Senats<br />

Nach Auffassung des Großen Senats sind im Zusammenhang mit einer<br />

Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge vereinbarte abänderbare<br />

Versorgungsleistungen nicht als dauernde Last (Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr.<br />

1 a EStG) abziehbar, wenn sie zwar aus den erzielbaren laufenden Nettoerträgen des<br />

übergebenen Betriebs gezahlt werden können, das Unternehmen jedoch weder über<br />

einen positiven Substanzwert noch über einen positiven Ertragswert verfügt.<br />

1. Dieses Ergebnis folgt --ohne dass es insoweit auf die Bedeutung der "50-v.H.-<br />

Grenze" ankäme-- daraus, dass ein Betrieb ohne Substanz- oder Ertragswert kein<br />

"Vermögen" darstellt, das an die nachfolgende Generation übertragen werden könnte.<br />

a) Selbst dann, wenn ein übergebenes Unternehmen ausreichend Nettoerträge abwirft,<br />

um die im Zusammenhang mit der Übergabe versprochenen Versorgungsleistungen<br />

zu erbringen, hat es möglicherweise keinen oder sogar einen negativen Ertragswert.<br />

Die zur Ermittlung des Ertragswertes eines Unternehmens zugrunde gelegten Gewinne<br />

sind nämlich um einen Unternehmerlohn zu kürzen (IdW-HFA, Die Wirtschaftsprüfung<br />

--WPg-- 2000, 825, Tz. 4.4.2.4).<br />

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) Auch wenn das Unternehmen nicht ausschließlich oder vorwiegend nach dem<br />

Ertragswert bewertet wird, sondern wie etwa bei der sog. Mittelwertmethode Substanzund<br />

Ertragswert je zur Hälfte berücksichtigt werden, wirkt sich der Unternehmerlohn<br />

wertmindernd aus (vgl. <strong>BFH</strong>-Urteil in <strong>BFH</strong>/NV 1986, 597, unter 6. b, m.w.N.). Dessen<br />

Auswirkung ist umso größer, je geringer der Substanzwert ist. Auch bei der Schätzung<br />

des Geschäftswerts ist der Unternehmerlohn abzusetzen (<strong>BFH</strong>-Urteil vom 8. Dezember<br />

1976 I R 215/73, <strong>BFH</strong>E 121, 402, BStBl II 1977, 409, unter II. 4. c). Der Geschäftswert<br />

orientiert sich an den Vorstellungen des gedachten Erwerbers des Unternehmens.<br />

Dieser wird grundsätzlich nur bereit sein, ein Entgelt für diejenigen Werte zu leisten, die<br />

er selbst nutzbringend verwerten kann. Der "good will" eines Unternehmens stellt für<br />

ihn indessen nur insoweit einen nutzbringenden Vermögenswert dar, als dieser ihn in<br />

die Lage versetzt, höhere Einkünfte zu erzielen, als er sie durch die bloße Verwertung<br />

seiner Arbeitskraft erzielen würde (<strong>BFH</strong>-Urteile in <strong>BFH</strong>E 121, 402, BStBl II 1977, 409,<br />

und vom 25. Januar 1979 IV R 56/75, <strong>BFH</strong>E 127, 32, BStBl II 1979, 302; Schmidt/<br />

Glanegger, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl., § 6 Rz. 244).<br />

c) Ist nach Abzug des Unternehmerlohns ein Unternehmenswert nicht mehr vorhanden,<br />

können --abgesehen davon, dass der übergebene Betrieb kein Vermögen darstellt-die<br />

Leistungen, die der Übergeber vom Übernehmer zu seiner Versorgung erhält, nicht<br />

mehr als vorbehaltene Erträge des übergebenen Unternehmens verstanden werden.<br />

Sie werden vielmehr ausschließlich durch die Arbeitsleistung des Übernehmers<br />

finanziert.<br />

d) Der Große Senat hat im Beschluss vom heutigen Tag GrS 1/00 darauf hingewiesen,<br />

dass das Erfordernis der vorbehaltenen Erträge auch dann erfüllt ist, wenn das<br />

übergebene Vermögen beim Übergeber --etwa wegen dessen fortgeschrittenen<br />

Alters-- nur geringe Erträge abwarf, beim Übernehmer jedoch ausreichende<br />

Nettoerträge erwarten lässt (GrS 1/00, unter C. II. 6. c). Dementsprechend ist<br />

auch bei der Ermittlung des Ertragswerts des übergebenen Unternehmens nicht<br />

notwendigerweise nur auf die Gewinne der Vergangenheit abzustellen. Wenn der<br />

Betrieb ausreichende Erträge für den Lebensbedarf zweier Generationen abwirft, wird<br />

im Regelfall auch nach Abzug des Unternehmerlohns ein Geschäftswert verbleiben.<br />

Ist das der Fall, kann --von noch zu behandelnden Ausnahmen abgesehen (s.u. C.<br />

II. 2. b)-- nicht mehr davon gesprochen werden, dass das übergebene Unternehmen<br />

im Zeitpunkt der Übertragung kein Vermögen darstellte. Versorgungsleistungen sind<br />

in einem solchen Fall beim Übernehmer als Sonderausgaben selbst dann abziehbar<br />

und beim Übergeber als wiederkehrende Bezüge zu versteuern, wenn sie teilweise aus<br />

dem Unternehmerlohn herrühren. In Übereinstimmung mit dieser Betrachtungsweise<br />

hat der Große Senat im Beschluss vom heutigen Tag GrS 1/00 entschieden, dass bei<br />

der Ermittlung des "erzielbaren Nettoertrags" ein Unternehmerlohn nicht abgezogen<br />

wird (GrS 1/00, unter C. II. 6. b aa).<br />

In der dem Anrufungsbeschluss zugrunde liegenden Entscheidung hat das FG einen<br />

Ertragswert von 0 DM mit der Begründung angenommen, dass sich ein angemessener<br />

Unternehmerlohn auf 40 000 bis 50 000 DM belaufe. Dabei ist das FG offenbar von den<br />

Gewinnen der Vorjahre ausgegangen. Bei Betrachtung der weiteren Entwicklung der<br />

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Gewinne der übergebenen Gastwirtschaft könnte sich ein anders Bild ergeben. Aus<br />

der Sicht des FG kam es hierauf jedoch nicht an.<br />

2. Nach Auffassung des Großen Senats wird die Bedeutung der "50-v.H.-Grenze" in<br />

Zukunft auf Ausnahmefälle beschränkt sein.<br />

a) Wie sich aus Tz. 18 der BMF-Schreiben in BStBl I 1996, 1508 und 2002, 893<br />

ergibt, misst die Finanzverwaltung der "50-v.H.-Grenze" insbesondere im Hinblick<br />

auf den sog. "Typus 2", also die Übergabe existenzsichernder Wirtschaftseinheiten<br />

ohne ausreichende Nettoerträge, Bedeutung bei. Sie dient dort der Vermeidung von<br />

Missbräuchen (Unterhaltskauf) in extremen Fällen. Nachdem der Große Senat im<br />

Beschluss vom heutigen Tag GrS 1/00 entschieden hat, dass der "Typus 2" mit dem<br />

geltenden Recht nicht vereinbar ist, hat auch die "50-v.H.-Grenze" ihre Bedeutung<br />

weitgehend verloren.<br />

b) Allerdings sind Fälle denkbar, in denen das übergebene Unternehmen ausreichende<br />

Nettoerträge abwirft, um die versprochenen Versorgungsleistungen zu erbringen,<br />

und nach Abzug des Unternehmerlohns ein Unternehmenswert verbleibt (s.o., C.<br />

II. 1. d), der aber so gering ist, dass es nicht mehr gerechtfertigt erscheint, den<br />

Betrieb als "Vermögen" zu bezeichnen. Eine ähnliche Konstellation kann sich ergeben,<br />

wenn beispielsweise ein bebautes Grundstück übergeben wird, dessen Nettoerträge<br />

ausschließlich oder nahezu ausschließlich auf Investitionen des Übernehmers<br />

zurückzuführen sind.<br />

Ein solcher Fall ist jedenfalls dann nicht gegeben, solange der nach Abzug<br />

des Unternehmerlohns verbleibende Unternehmenswert mindestens 50 v.H. des<br />

Kapitalwerts der wiederkehrenden Leistungen ausmacht. Insoweit stellt die "50-v.H.-<br />

Grenze" nach wie vor ein Beweisanzeichen für die Abgrenzung zwischen steuerlich<br />

wirksamen Versorgungsleistungen und steuerlich unbeachtlichen Unterhaltsleistungen<br />

dar. Da es sich nur um ein Beweisanzeichen handelt (vgl. Arndt in Kirchhof/<br />

Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 12 Rz. C 26 bis 29), gilt der<br />

Umkehrschluss zu der vorstehenden Aussage nicht. D.h. die wiederkehrenden<br />

Leistungen stellen nicht zwangsläufig ganz oder zum Teil Unterhaltsleistungen dar,<br />

wenn der Unternehmenswert weniger als 50 v.H. ihres Kapitalwerts beträgt. Die<br />

Beantwortung der Frage richtet sich vielmehr nach der Gesamtheit der Umstände des<br />

jeweiligen Falls.<br />

3. Der <strong>BFH</strong> hat bereits im Urteil in <strong>BFH</strong>E 139, 367, BStBl II 1984, 97 darauf<br />

hingewiesen, dass die "50-v.H.-Grenze" für Hofübergabeverträge praktisch nicht<br />

bedeutsam sei. Auch bei der Übergabe anderer Unternehmen wird sie angesichts<br />

der vorstehenden Ausführungen nur selten praktische Bedeutung gewinnen. Daher<br />

lässt der Große Senat die Frage ausdrücklich offen, ob bei Unterschreiten der "50v.H.-Grenze",<br />

also dann, wenn der Wert des übergebenen Vermögens weniger als<br />

50 v.H. des Kapitalswerts der zugesagten wiederkehrenden Leistungen beträgt, die<br />

wiederkehrenden Leistungen --entsprechend der bisherigen Rechtsprechung und<br />

Verwaltungsauffassung-- insgesamt als Unterhaltsleistungen zu werten sind, oder<br />

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ob entgegen der im <strong>BFH</strong>-Urteil in <strong>BFH</strong>E 79, 516, BStBl III 1964, 422 vertretenen<br />

Auffassung eine Aufteilung in Versorgungsleistungen (vorbehaltene Erträge) einerseits<br />

und Unterhaltsleistungen andererseits vorzunehmen ist. Hierfür könnte sprechen, dass<br />

die Rechtsprechung des <strong>BFH</strong> auch in anderen Fällen, wie z.B. bei der Prüfung der<br />

Angemessenheit von betrieblichen Versorgungsleistungen eine Aufteilung befürwortet<br />

hat (<strong>BFH</strong>-Urteil vom 18. Januar 1979 IV R 76/76, <strong>BFH</strong>E 127, 171, BStBl II 1979, 403;<br />

für eine Aufteilung auch Arndt, aaO., § 12 Rz. C 34; P. Fischer in Kirchhof/Söhn/<br />

Mellinghoff, aaO., § 22 Rz. B 242; Reiß, ebendort, § 16 Rz. B 195).<br />

D. Der Große Senat beantwortet die vorgelegte Rechtsfrage wie folgt:<br />

Im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge<br />

vereinbarte abänderbare Versorgungsleistungen sind nicht als dauernde Last<br />

(Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG) abziehbar, wenn sie zwar aus<br />

den erzielbaren laufenden Nettoerträgen des übergebenen Betriebs gezahlt werden<br />

können, das Unternehmen jedoch weder über einen positiven Substanzwert noch über<br />

einen positiven Ertragswert verfügt. Es handelt sich um Unterhaltsleistungen i.S. des<br />

§ 12 Nr. 2 EStG.<br />

Diese Entscheidung finden Sie auch in: BB 2003, 2163<br />

© Eine Gerichtsentscheidung aus der Entscheidungsdatenbank des <strong>Richard</strong> <strong>Boorberg</strong> <strong>Verlag</strong>s<br />

GmbH & Co KG, Stuttgart<br />

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