DEBRA Aktuell - DEBRA Austria
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Eine Woche auf See<br />
Unser Segelschiff, die „Sir Roberts”<br />
Ich möchte euch von einer ungewöhnlichen Reise<br />
über das Mittelmeer erzählen. Zunächst wie es dazu<br />
kam: unsere Tochter Lisa ist im zweiten Berufsvorbereitungsjahr<br />
in Altdorf bei Nürnberg. Hier wohnt<br />
sie in einem Internat des Wichernhauses. Kurzfristig<br />
bekamen wir die Nachricht, dass Lisa mit anderen<br />
Bewohnern/innen des Internats die Gelegenheit<br />
hat, eine Woche auf einem Segelschiff zu verbringen.<br />
Für uns war es wie ein Geschenk Gottes, da Lisa<br />
gerade ihren 18. Geburtstag gefeiert hatte und sich<br />
sehnlich eine Kreuzfahrt wünschte. Da es für uns<br />
fast unmöglich erschien, mit Rollstuhl, sämtlichen<br />
Verbandsmaterialien und keinen Erfahrungswerten<br />
in Bezug auf Schiffe, Lisa eine solche Reise zu<br />
ermöglichen, freuten wir uns alle sehr über dieses<br />
Angebot. Die Peter-Maffay-Stiftung organisierte<br />
diese Reise auf der „Sir Roberts“ für Kinder mit<br />
Behinderung. Und so traten wir die ungewöhnliche<br />
Reise an: mit weiteren sechs Kindern des heilpädagogischen<br />
Internats, vier Betreuern, vielen Koffern<br />
und reichlich viel Neugier, Spannung und einem<br />
Kribbeln im Bauch auf das was kommen mag.<br />
Gemeinsam begannen wir unser Erlebnis am Flughafen<br />
Nürnberg, wo unser Flieger Richtung Palma<br />
um 17:40 Uhr startete. Schon die Zeit im Flugzeug<br />
war für einige eine neue und ungewohnte Herausforderung.<br />
Samt Rollstühlen betraten wir das Flugzeug,<br />
erhofften uns eine gute Landung und dachten<br />
im Hinterkopf auch an unser Gepäck. Vor allem<br />
machten wir uns Sorgen um den Medizinkoffer<br />
mit dem Verbandsmaterial und den nötigen Medikamenten,<br />
welcher hoffentlich auch mit uns am<br />
gleichen Ort landen würde. In Palma angekommen<br />
H e f t J u l i 2 0 0 9<br />
erwartete uns ein Bus, mit dem wir noch ungefähr<br />
eine Stunde bis an die Küste von Calla Radiata<br />
fuhren. Aus der Ferne erkannten wir schon die<br />
beleuchtete „Sir Roberts“ und konnten es gar nicht<br />
mehr erwarten das rund 47 Meter lange Segelschiff<br />
zu betreten. Die Kabine, in der wir die Woche über<br />
schlafen sollten, übertraf unsere Vorstellungen in<br />
jeder Hinsicht. Sie war etwa vier Quadratmeter groß<br />
und verfügte über eine eigene Toilette mit Dusche.<br />
Nie hatten wir das Gefühl beengt zu sein. Den ersten<br />
Abend schliefen wir schön schaukelnd ein und<br />
konnten am nächsten Morgen den türkisblauen<br />
Himmel und das Meer genießen. Nach dem ersten<br />
Frühstück an Bord setzten wir die Segel und ließen<br />
uns vom Wind in Richtung Menorca lenken. Durch<br />
Anti-Seekrank-Tabletten überstanden wir den ersten<br />
Abschnitt der Reise über das Mittelmeer ohne<br />
Probleme. Umgeben von den Weiten des Wassers<br />
genossen wir das Gefühl von Freiheit, Unbeschwertheit<br />
und passten uns den Bewegungen der Wellen<br />
an. Bei Abenddämmerung konnten wir dann die<br />
Küsten Menorcas sichten.<br />
Die weiteren Tage segelten wir die Küste entlang<br />
und konnten einsame, wunderschöne Buchten<br />
bewundern. Am Hafen von Mahón setzten wir den<br />
Anker und hatten Gelegenheit die Stadt näher zu<br />
erkunden. Damals wussten wir noch nicht, dass<br />
wir an diesem Ort längere Zeit verbringen würden,<br />
da das Wetter etwas anderes mit uns vorhatte:<br />
Windstärken zwischen 7 und 9 erlaubten uns nicht<br />
den Hafen zu verlassen. Unter diesen Umständen<br />
setzten wir unsere Reise auf festem Boden fort und<br />
mieteten kurzfristig einen Bus, mit dem wir dann<br />
weitere Orte Menorcas besuchten. Ein Höhepunkt<br />
dieser Tagesfahrt war für uns das Cap de Cavalleria,<br />
wo wir die Wellen, die sich an den Felsen brachen,<br />
aus sicherer Entfernung bestaunen konnten. Mit<br />
Lisa genießt die Reise in vollen Zügen<br />
Die Wellen vor Cap de Cavalleria Fotos: privat<br />
vielen Eindrücken kehrten wir wieder auf die „Sir<br />
Roberts“ zurück, genossen es, weit weg vom Alltag<br />
zu sein und ließen uns von der Sonne verwöhnen.<br />
Der Verbandswechsel war für uns auch kein Problem<br />
und verlief fast wie zu Hause.<br />
Als wir endlich begriffen hatten, welch schöne Zeit<br />
wir auf dem Schiff verbringen durften, kam leider<br />
auch schon der Tag, an dem wir Abschied nehmen<br />
mussten. Mit einem Captain’s Dinner am letzten<br />
Abend neigte sich unsere ungewöhnliche Reise<br />
dem Ende zu. Es war wie ein Traum, der zu Ende<br />
ging. Unsere Rückfahrt nach Palma begann schon<br />
um 5 Uhr in der Früh und wurde von einem wunderschönen<br />
Sonnenaufgang begleitet. Als wir der<br />
Meinung waren, dass wir alles Schöne schon erlebt<br />
hatten, wurden wir noch von einem Wal überrascht.<br />
Dieser schwamm direkt an uns vorbei, hinter ihm<br />
einige Delfine, die uns noch eine Weile begleiteten.<br />
Sie sprangen immer wieder aus dem Wasser und<br />
es schien, als würden sie uns einen schönen und<br />
freudigen Abschied von einer Zeit, die uns immer<br />
in Erinnerung bleiben wird, wünschen. Um Mitternacht<br />
landeten wir wieder sicher am Nürnberger<br />
Flughafen und wurden von Kathrin, unserer Tochter,<br />
mit offenen Armen empfangen und wieder in unser<br />
Zuhause gebracht.<br />
Von Herzen sind wir dankbar, dass die Peter-Maffay-Stiftung<br />
uns und vielen anderen Kindern eine so<br />
unvergessliche Zeit geschenkt hat und wir dadurch<br />
viele schöne, neue und unvergessliche Momente<br />
mitnehmen konnten. Den Kindern wurde es ermöglicht<br />
auf recht begrenztem Raum immer in Bewegung<br />
und im Gleichgewicht zu bleiben und die<br />
Weite des Meeres zu spüren.<br />
Es grüßen euch Lisa und Renate Fleischer<br />
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