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28 BLAUE COUCH Ein umgänglicher Typ Heute im Interview: Tim Wuttke, Spieler des FC Carl Zeiss Jena „Blaue Couch“ – unter dieser Rubrik gibt es im Stadionmagazin des FC Carl Zeiss Interviews mit einer persönlichen Note. Als vierter Gast in der neuen Saison nach Trainer René van Eck, dem Sportlichen Leiter Heiko Weber und Jens Truckenbrod nahm nun Abwehrspieler Tim Wuttke auf der Couch Platz und plauderte mit Andreas Trautmann über Fußball, Gott und die Welt. Willkommen auf der Couch! Ist das Interview für Dich als eines der „Küken” in der Mannschaft eine besondere Ehre? Ich war schon etwas überrascht, da ja bisher immer die erfahrenen Spieler, Trainer oder Verantwortlichen auf der Blauen Couch Platz nehmen durften. Gibt es Themen, die wir unbedingt ausblenden sollten? Auf diese würde ich dann nämlich näher eingehen wollen! Ich habe nichts zu verheimlichen. Gut. Dann lass uns bei Deiner Kindheit anfangen. Ich nehme an, dass Du als Schüler ganz allein in der ersten Reihe sitzen musstest! Nein. Ich war eigentlich immer ganz beliebt – bei Mitschülern und bei Lehrern. Gerade Letztere konnten mir, wenn ich mal Mist gebaut hatte, nicht wirklich etwas übel nehmen. Das klingt nach dem klassischen Schleimer-Modell! Nein, das nicht. Aber offenbar hatte ich eine Art, die die Lehrer veranlasste, es bei freundlichen Ermahnungen zu belassen. Du kamst in der 5. Klasse auf das Sportgymnasium. Kannst Du Dich noch daran erinnern, welchen Schulsport Du machen musstest? Ich wurde immer mit Korbball belästigt! Wir haben meistens Zweifelderball gespielt.
Herrlich! Zu meiner Zeit hieß das noch Völkerball. Später spielte ich in der Halle bei Oskar Triebsch in der AG Fußball. Hätte man damals nicht schon erkennen müssen, dass…? Nein, anders: Hat man damals schon bemerkt, dass Du durchaus über Talent verfügst? Ich spielte damals beim Bambini- Cup, den wir auch gewannen. Und seit der 1. Klasse bin ich beim FC Carl Zeiss. Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall fragt man gern, was man denn gerade in diesem Moment gemacht hat und ob man sich noch daran erinnern könne. Ich war damals zwei! Ach, wie doch die Zeit vergeht! Du gehörst zweifellos einer anderen Generation an als ich. Du trägst Ohrringe. Bist Du ein Fetzer? Fetzer? Poser! Es mag sein, dass manche das denken. Aber wer mich genauer kennt, weiß, dass ich wirklich ein umgänglicher Typ und alles andere als ein Poser bin. Ich versuche gerade, junge Menschen zu verstehen. Bitte kläre mich über das Privatleben der „Wende-Generation“ auf. Was treibst Du denn so außerhalb des Fußballplatzes? Paragliding, Bungeejumping, Playstation? Ich mag schon andere Sportarten. Und natürlich hänge ich auch mal vor Computerspielen ab. Fußballmanager! Auch. Aber ich mag eher Adventurespiele – Monkey Island zum Beispiel. Ach, gibt es das noch? Das lief damals schon auf meinem C64 mit Datasette. Data-was? Ein Kassettenrekorder, der Computerspiele ermöglichte. Wenn Du den Fußballmanager spielst, siehst Du Dich eher im administrativen Bereich oder stellst Du lieber das Team richtig ein? Trainer liegt mir wohl nicht so… Das sagen jüngere Fußballspieler irgendwie immer! Momentan manage ich lieber das Umfeld, quasi als Geschäftsführer. Glaube mir, da hast Du romantische Vorstellungen! In welcher taktischen Formation schickst Du Deine Mannschaft ins Rennen? Eher offensiv, meist in einem 4-3- 3. Und Du? Ich spiele alte Schule – also mit Libero. Weißt Du, das ist die Position, die für alternde Fußballhelden mit mangelnder Laufbereitschaft geschaffen wurde. Schon klar! Du bist Jenenser. Das ist an sich eine tolle Sache – auch wenn Du nichts dafür kannst. Warst Du von Kindesbeinen an Jena-Fan? Ich spiele seit meinem 6. Lebensjahr für den FC Carl Zeiss. Und natürlich bin ich damals auch zu den ersten Zweitligazeiten in das Stadion gegangen. Wir halten fest: Als uns Mark Zimmermann 1995 mit zwei Toren gegen Sachsen Leipzig wieder in die 2. Bundesliga schoss, warst Du in der 2. Klasse! Und heute ist „Zimme“ Dein Trainer! Das stimmt. Es ist schon ziemlich skurril, wenn Du auf einmal mit BLAUE COUCH denen zusammen arbeiten und auf dem Platz stehen darfst, denen Du als kleiner Zwerg noch zugejubelt hast. Auch wenn das immer ein Ziel war, so ist und bleibt es die Erfüllung eines Traumes. Auch wenn man sieht, wie viele meiner Mitstreiter von damals es eben nicht geschafft haben und auf der Strecke blieben. Viele von ihnen haben heute Berufe erlernt... Warst Du ein guter Schüler? Abi mit 2,4. Mir scheint, Deine Lehrer konnten Dich auch auf dem Gymnasium ganz gut leiden! Nicht nur das. Es lag sicher auch ein bisschen an mir. Im Ernst: Lernen und Schule fielen mir zum Glück nie sonderlich schwer. Nun bist Du in einer ganz anderen Kultur unterwegs als ich – in der Subkultur der „Twens“. Wo treibt man sich da rum? Etwa auf AC/DC-Konzerten? Eher nicht. Ich bin mit House und Electro groß geworden. Sind das Deine Geschwister? Nein, mein Style. Ich brauche keinen Gesang. Den empfinde ich als störend. In meiner Freizeit lege ich auch gern selbst auf. Als Schallplattenunterhalter? Nein – als „DJ T.I.M.“ Dann will ich hoffen, dass Du heute gut aufgelegt bist! 29
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