Szenische Lesungvon Marco Lodoliund Silvia Bre,Musik von Fausto TuscanoiteraturCantoNotturnoAn diesem Abend schienen weibliche und männliche Stimmen ebenso wie der Klang derMusikinstrumente zu einem einzigen «Canto notturno» vereint: die hermetischen, sprachlich ebensofragilen wie kunstvollen Gedichte von Silvia Bre, in denen die leiseste Berührung oft die lautesteVerstörung auslöst, erwiesen sich als ideale Ergänzung der Prosatexte aus Marco Lodolis neuemRoman «La notte». Die ausgewählten Texte erzählen die gleichnishaften Erlebnisse eines jungenMannes, die in einer nächtlichen Fahrt auf dem Tiber, welche zugleich seinen körperlichen Todbedeutet, enden. Die Gedichte vertieften förmlich die existentiellen Fragen und Erfahrungen desstupend gebauten und geschriebenen Romans, enthüllten ihren Kern, und erhellten wie kleine helleflammende Fanale die Reise in den Tod durch ein nächtliches, abwesendes, gespenstisches, unddabei auch durchaus heutiges Rom.Der Versuch, in dieser Veranstaltung anhand der Texte zweier bedeutender junger italienischerAutoren - in Verbindung mit der Musik eines jungen italienischen Komponisten - eine moderneParaphrase von Giacomo Leopardis «Canto notturno di un pastore errante dell’Asia» zu erarbeiten,erschien dem Publikum, dem Beifall nach zu schließen, mehr als gelungen. Auch die Tatsache, dassdie Mehrzahl der Texte im Original und dann in deutscher Übersetzung gelesen wurde, nahm demAbend nichts von seiner bezwingenden Atmosphäre.GUNDL HRADILZwischen jazzigenElementen undanspruchsvollerGegenwartsmusikfolgen TuscanosKompositionendem Text, ohneihn beschreibenzu wollen. EinaußergewöhnlicherAbend, an demdie kreativenKräfte der SocietàDante Alighierisehr schön zurGeltung gebrachtwurden8Die von Fausto Tuscano komponierte Musik basiert im Wesentlichen auf zwei Themen, die denRomanfiguren des Närrischen und der Serena zugeordnet sind. Trompete, Klavier und Schlagzeug –mit Francesca Cardone, Mario Fragiacomo und Alexander Kameranov konnten drei hervorragendeInterpreten gewonnen werden – bilden die eigenwillige aber schlüssige Besetzung. Die Musik, diedem Text folgt, ihn aber nicht beschreibt und teilweise auch mutig ihre Wege geht, ist ein großesCrescendo, das seinen ersten Höhepunkt in der Liebesszene erreicht. Zwischen jazzigen Elementenund anspruchsvoller Gegenwartsmusik bringt Tuscanos Arbeit viele zusätzliche Facetten diesergeheimnisvollen „Notte“ zum Ausdruck.Le energie creativeIRMA HOHENDANNERMarco Lodoli ha trasmesso un calore tutto romano ai brani del suo romanzo, Silvia Bre ha datoun tono alto alle sue poesie, Ferdinand Kopeinig, Tina Kubek e Irma Hohendanner hanno interpretatocon partecipazione le congeniali traduzioni tedesche di Christoph Wilhelm Aigner (Bre)e Gundl Nagl (Lodoli). Giorgio Simonetto ha curato organizzazione e regia, ma la creatività dellaDante si è espressa anche e soprattutto grazie al compositore Fausto Tuscano e alla pianistaFrancesca Cardone. Stephanie Harant ha tradotto il dibattito conclusivo. Alla realizzazione delprogetto ha lavorato, in collaborazione con la Dante, un gruppo di studenti dell’Università diSalisburgo nell’ambito di un’esercitazione di Management culturale dell’Istituto di Romanistica.
Il falco SassoÈ mestiere del vento alzare vele –Ma noi possiamo scegliere il colore,il loro verso, la gioia di resistere e che muovedell’albero maestro – fermo,con le radici nel bene della terra –e che ci porta viviin pochi amici, come dopo una guerra.Dem Wind ist es vorbehalten Segel zu straffen –Aber wir können die Farbe wählen,ihr Hissen, die Freude zu widerstehen und die Neigungdes Großmasts - fest,mit den Wurzeln im Guten der Erde –und dass er uns lebend zurückbringt,uns wenige Freunde, wie nach einem Krieg.E venga poi una fine calma di giornatacome arriva il perdono a un’eresia -prima di ridormire per il giorno dopolunghi discorsi sulla vitae belle idee per gioco, abitudini careche mantengono il mondo.Und komme dann ruhig ein Tagausklangwie das Verzeihen einer Lästerung folgt –vor dem wieder schlafen für den nächsten Taglange Gespräche übers Lebenund spielerisch schöne Ideen, teure Gewohnheitenhalten die Welt.Prima di darsi al sole l’uccellettoteso sul ramo forse aspetta un uomoo prega l’uccelletta – spezzami un’ala,fa’ che sia fermo a questo giorno nuovo,eternamente tolto al maestosonavigare del cielo come unoche ha colto il fiore suo,il suo solo, e lascia prati interialla malinconia di un altro.Ma non viene nessuno – così lo vince il voloBevor er sich ins Licht begibt erwartetder kleine Vogel starr am Ast vielleicht einen Menschenoder bittet die Vögelin - knick mir einen Flügel,mach, dass ich mich nicht bewege an diesem neuen Tag,für immer entzogen dem mächtigenZiehen des Himmels wie jemand,der seine Blüte begriffen hat,nur seine, und ganze Wiesender Schwermut eines andern überlässt.Kommt aber niemand - so überkommt ihn der FlugSILVIA BRE, Le barricate misteriose, Einaudi Torino 2000Deutsch von Christoph Wilhelm AignerEra obbediente Sasso, e presto il cielo fu suo. S’involava e inpochi attimi svaniva nell’azzurro. Appoggiato al rastrello,Costantino scrutava tra le cose che vanno e vengono sopra almondo, le scie degli aerei, le nuvole informi, le frange di fumo.S’incantava ad ammirare quei gruppi immensi di storni che nelcielo di Roma di continuo sbandano e si trasformano, ed eracome guardare le onde del mare o il fuoco, un teatro che nonstanca mai. Pareva che quell’intreccio di voli fosse uno scherzopoetico dell’aria, le linee si aprivano e si chiudevano su pianidiversi, disegnando figure che esistono solo nei sogni e nonhanno un nome. E migliaia di uccelli, come regolati da unalegge segreta, s’avvallavano da una parte e dall’altra risalivano,e poi erano crolli e impennate, velature, correnti e controcorrenti:nulla in quei quadri astratti restava uguale per più di unsecondo, nulla era disarmonico. Guardando quei movimenticelesti, Costantino si ricordava di quando si perdeva come unlupo per le strade dietro una donna e la città stringeva in vicolie spalancava in piazze e tutto era confuso e però necessario,come se la città intera nascesse dalla sua fame d’amore.Costantino oscuramente intuiva che la bellezza cresce attornoalla pena, e che ogni gioco e ogni arte, anche lieve come uncolpo d’ala, è una risposta alla morte. Aguzzando gli occhi cercavaaccanto a quelle perfette composizioni aeree il volo solitariodel suo falco, lo scintillio delle fedine. Lui stava lassù, acaccia, e l’esercito degli storni si raggrumava e si spandeva alritmo dei suoi attacchi feroci. Era la paura della morte a farebello il cielo.MARCO LODOLI, La notte, Einaudi Torino 2001, p. 49Der Falke SassoSasso war folgsam, und rasch gehörte der Himmel ihm. Er flogauf und in wenigen Augenblicken war er im Himmelsblau verschwunden.An den Rechen gelehnt, beobachtete Costantinodie Dinge, die über der Welt kommen und gehen, dieKondensstreifen der Flugzeuge, die formlosen Wolken, dieRauchfahnen. Er ließ sich verzaubern durch das Bewundernder riesigen Starschwärme, die im Himmel über Rom unentwegtauseinanderstieben und ihre Form veränderten, und daswar wie das Betrachten der Meereswogen oder des Feuers, einTheater, das nie ermüdet. Es schien, als wäre dieses Sich-Ineinander-Verflechten von Flügen ein poetischer Scherz derLuft, die Reihen öffneten und schlossen sich auf verschiedenenEbenen und zeichneten Figuren, die es nur in den Träumengibt und die keine Namen haben. Und Tausende von Vögeln,wie durch ein geheimes Gesetz geordnet, senkten sich aufeiner Seite nieder und von der anderen stiegen sie wieder auf,und dann waren sie ein Zusammenstürzen und ein Sich-Aufbäumen, Trübungen, Ströme und Gegenströme: nichts indiesen abstrakten Gemälden blieb länger als für eine Sekundegleich, nichts war disharmonisch. Beim Betrachten dieserHimmelsbewegungen dachte Costantino an die Zeit, als er sichwie ein Wolf in den Straßen hinter einer Frau verlor und dieStadt sich in Sackgassen zusammenzog oder zu Plätzen aufsprangund alles wirr und dennoch notwendig war, als würdedie ganze Stadt aus seinem Hunger nach Liebe entstehen.Costantino erfühlte dunkel, dass die Schönheit rund um dieQual erwächst, und dass jedes Spiel und jede Kunst, auchwenn sie leicht ist wie der Schlag eines Flügels, eine Antwortauf den Tod darstellt. Indem er die Augen schärfte, suchte erneben diesen perfekten Luftgebilden den einsamen Flug seinesFalken, das Glitzern der Brillantringe. Er war oben, aufJagd, und das Heer der Stare ballte sich zusammen und stürzteim Rhythmus seiner scharfen Angriffe auseinander. Es wardie Todesangst, die den Himmel schön werden ließ.DEUTSCH VON GUNDL NAGL