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E - Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart

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<strong>Staatliches</strong> <strong>Museum</strong> für <strong>Naturkunde</strong> <strong>Stuttgart</strong>Schloss Rosenstein1


EditorialAusstellungseröffnung: Fluss des Lebens S. 6 Neues Depot S. 18 Zukunftsvisionen S. 15 Älteste Feder S. 24Liebe Leserinnen und Leser,das Darwinjahr 2009 prägte zweifelsfrei diemuseale Bildungsarbeit im vergangenen Jahr.Um den Nucleus der großen Sonderausstellung„Der Fluss des Lebens“ gruppierten sichnicht nur Führungen, Vorträge und Fortbildungen,sondern auch Veranstaltungen wieder web-basierte europaweite Wettbewerbzur Frage der Zukunft Europas in 100 MillionenJahren oder die summerschool „EvolutionaryBiology“. Möglich wurde diesesreichhaltige Angebot sowohl durch die großzügigeUnterstützung der EU, der VW-Stiftungund des Sparkassenverbandes Baden-Württemberg als auch durch die vielfältigenKooperationen des <strong>Museum</strong>s S. 6.Während der „Fluss des Lebens“ zu Endegeht, laufen hinter den Kulissen bereitsdie Vorbereitungen zu den Ausstellungender nächsten Jahre. Im Herbst 2010 eröffnenwir „grad°wanderung“, eine Ausstellungzu Klimawandel heute und in der erdgeschichtlichenVergangenheit.Die Sammlungen wachsen. Zur Dokumentation,Fortsetzung von Zeitreihen undSchließung von Lücken werden sie kontinuierlichund konsequent erweitert. DerRaummangel für die Sammlungen wurde inden letzten Jahren immer akuter; Auslagerungenan verschiedene Standorte warendie Folge. Im Sommer 2009 war es endlichso weit: Eine geeignete Liegenschaft, eineWerkhalle an der Löwentorstraße, war gefunden.Im Auftrag des Landes erfolgt nunder Umbau dieses Gebäudes. Ende 2010 beziehenSammlungen von drei Landesmuseenin <strong>Stuttgart</strong>, darunter das <strong>Naturkunde</strong>museum,das neue Depot. Für das <strong>Naturkunde</strong>museumist dies der nächste Schritt dermehrjährigen Sammlungsreorganisation,die der notwendigen Sanierung des Dachgeschossesvon Schloss Rosenstein vorangehenmuss S. 18.Für Ausstellungen ist dieses Gebäude allerdingsweder geeignet noch gedacht.So bleibt der Mangel an geeigneter großerSonderausstellungsfläche bestehen, wasdie Gesellschaft zur Förderung des <strong>Naturkunde</strong>museumszum Anlass nahm, eine zukunftsweisendeStudie zu den Erweiterungsmöglichkeitendes <strong>Museum</strong>s am Löwentorbei der Universität <strong>Stuttgart</strong> in Auftrag zugeben. Die Visionen der Studenten mündetenin sieben interessanten und durchausunkonventionellen Modellen. Um dieAttraktivität des <strong>Naturkunde</strong>museums beiwachsender Konkurrenz auch in Zukunft zusichern, ist eine zeitgemäße Sonderausstellungsflächewesentliche Voraussetzung. Wirbetrachten dieses Studie als ersten Schrittin diese Richtung S. 15.Die Weiterentwicklung der Dauerausstellungist ebenso von zentraler Bedeutung für das<strong>Museum</strong> als außerschulischen Lernort wieSonderausstellungen. Entlang der mit demErdmittelalter in den Jahren 2007/08 begonnenenGestaltungslinie wurden „Vogelsaal“und Foyer im <strong>Museum</strong> am Löwentor neu gestaltetS. 14, 17 und die Präsentation desErdaltertums konzipiert.Der von den Medien viel beachtete Fund derweltweit ältesten Feder an der FundstelleNusplingen, neue Saurierarten aus der Triasvon Württemberg und der erste Fund einervollständigen Seekatze aus den Posidonienschiefernvon Holzmaden stehen an derSpitze wissenschaftlich bemerkenswerterEntdeckungen. Einige der spannenden Forschungsprojektestellen wir auch in diesemJahresbericht vor S. 18–39.Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesendieses Heftes ebenso wie Lust auf einen Besuchim <strong>Museum</strong> für <strong>Naturkunde</strong>Ihre4 5


Ausstellungen 2009Darwinjahr 2009: Der 200. Geburtstag des großen Naturforschers und der 150.Jahrestag seines bahnbrechenden Buches über die Entstehung der Arten – „On theOrigin of Species“ – haben den Veranstaltungskalender und Ausstellungsfahrplandes <strong>Museum</strong>s für <strong>Naturkunde</strong> <strong>Stuttgart</strong> geprägt. Unser wichtigster Beitrag zumDarwinjahr, die am 30. September eröffnete große Sonderausstellung „Der Fluss desLebens – 150 Jahre Evolutionstheorie“, wurde zum wahren Publikumsmagneten.Interessante Sonderausstellungen und Veranstaltungen boten aber schon vorhervielfach Anlässe, das <strong>Museum</strong> am Löwentor und Schloss Rosenstein zu besuchen.Auf den folgenden Seiten erhalten Sie einen Überblick über das Ausstellungsgeschehenim Jahr 2009.Der Fluss des Lebens – 150 Jahre EvolutionstheorieFünf Jahre war der junge Charles Darwinauf der „Beagle“ unterwegs. Seine Aufgabebestand eigentlich zunächst nur darin, KapitänFitzRoy ein standesgemäßer Begleiterund Gesprächspartner zu sein. Aber erpackte seine Chance beim Schopf. Heutekennt kaum einer mehr den ursprünglichenAuftrag der „Beagle“ – die Vermessung dersüdamerikanischen Küste. Dagegen wissenalle, dass auf dieser Reise in dem jungenNaturforscher Charles Darwin die Evolutionstheoriekeimte, mit der er 20 Jahrespäter das naturwissenschaftliche Weltbildrevolutionierte.Hinter dem Tor zur Ausstellung, das unterdem klassischen Darwinschen Motto „Nichtsist beständiger als der Wandel“ die Vielfaltder Arten als offensichtlichstes Ergebnisder Evolution zeigte, kreuzte die „Beagle“als zentrales Element unserer Sonderausstellungab dem 30. September (fast) inOriginal größe durch den Säulensaal desSchlosses Rosenstein. Zahlreiche interaktiveStationen auf und unter Deck machtenDarwins Reise erlebbar.67


Von hier ausgehend erschlossen sich alleanderen Aspekte:„Licht wird auch fallen auf die Geschichtedes Menschen“ – nur diesen einen Satzschrieb Darwin zu einem der spannendstenThemen der Evolutionsbiologie in seinemHauptwerk. Wieviel Licht inzwischen gefallenist, zeigte eine große Fülle von Fossilienin einem umfassenden Stammbaumder Menschheit. Dazu gehörte auch eineder Pretiosen des <strong>Stuttgart</strong>er <strong>Naturkunde</strong>museums,der 300 000 Jahre alte Schädeldes Steinheimer Menschen.den Fisch bis zum (teilweise) land lebendenAmphib wurden ganz aktuelle Forschungsergebnissesichtbar.Darwins Evolutionstheorien haben im KernBestand – bis heute. Das biologische Wissender Menschheit übersteigt allerdingsdas zu Darwins Zeiten um ein Vielfaches;in den letzten Jahrzehnten ist es mit neuenZweigen wie Genetik und Molekularbiologieregelrecht explodiert.Ausgehend von Darwins Suchen nach Hinweisenauf die „Arbeitsweise“ der Vererbung„Evolution – der Fluss des Lebens“ wurdevon einem Team um den Paläo-EntomologenDr. Günter Bechly (Projektleitung) undden Grafiker Reimund Baumann konzipiertund gestaltet. Das <strong>Museum</strong> kooperierte dabeieng mit den Universitäten Hohenheimund <strong>Stuttgart</strong>, dem Botanisch-ZoologischenGarten Wilhelma und dem <strong>Museum</strong> für <strong>Naturkunde</strong>Berlin.Ein Team der Hochschule der Medien <strong>Stuttgart</strong>(Studiengang Audiovisuelle Medien) entwickelteein Evolutionsspiel zur Ausstellung.SWR2 richtete als Medienpartner eine Loun-Das Begleitprogramm der <strong>Museum</strong>spädagogikumfasste neben zahlreichen Veranstaltungenauch ein Forscherquiz auf DarwinsSpuren, ein Preisausschreiben und einenWettbewerb für Schüler „Wie stellst Du DirMenschen in 5 Millionen Jahren vor?“, ausdem eine eigene kleine Ausstellung im Primatensaalhervorging.Schloss Rosenstein, 1.10.2009 bis24.5.2010Wesentlich weniger spektakulär, aber nichtweniger interessant ist ein kleines, ebenfallsaus unserem Magazin stammendes Kärtchenmit Süßwasserschnecken aus dem Jahr 1866:der weltweit erste mit Fossilien geführteNachweis für den von der Evolutionstheoriegeforderten allmählichen Artenwandel.> Jahresbericht 2006, S. 28Auch an anderer Stelle floss <strong>Stuttgart</strong>er Forscher-Know-howdirekt in die Ausstellungein: In der groß inszenierten Darstellung derevolutionären Entwicklung vom wasserlebenbeiHaustieren wurde in einem zweiten Ausstellungsraumdeutlich, wie das Verständnisevolutionärer Prozesse durch die Genetikund ganz aktuell durch die Entwicklungsbiologie(„Evo-Devo“) regelrechte „Quantensprünge“erfuhr. Der Boden, den Darwinbereitete, erweist sich bis heute alsüberaus fruchtbar. Auch nach 150 Jahrenhat die Evolutionstheorie noch kein bisschenStaub angesetzt, sondern gehört zuden aufregendsten Forschungsgebieten dermodernen Biologie.ge ein, veranstaltete ein Preisrätselund organisierte für die wachsendeGeo cache-Gemeinde eine intelligenteSchnitzeljagd, die im Rosensteinpark starteteund in der Ausstellung endete.Bis zum Ausstellungsende sahen über 90 000Besucher die Evolutionsschau und nutztendas umfangreiche Angebot an Veranstaltungen.Zahlreiche Partner aus Politik, Wirtschaftund Kultur folgten der Einladung des<strong>Museum</strong>s zu exklusiven Abendführungen.EOur large temporary exhibition of 2009 wasshowcased evolution. Major attractions werean almost full-scale replica of the Darwinship ‘Beagle‘, the 300.000-year-old skull ofSteinheim, and many interactive terminals.The exhibition was accompanied by a hugesupporting programme for kids and includedthe competition „What might human beingslook like in five million years?“.8 9


Messel on TourStrichWechsel –von der Tierzeichnung zur TierillustrationVor etwa 47 Millionen Jahren sprengte einegewaltige vulkanische Explosion einen tiefenKrater in die Erdkruste, der sich wenigspäter mit Wasser füllte. Das Leben kehrteschnell an den Ort der Katastrophe zurück– ver ewigt in den 190 Meter mächtigenSedimenten des Maarkratersees, der etwa1–1,5 Millionen Jahre lang bestand.International gilt die Grube Messel als einesder wichtigsten Fenster in die Vergangenheit.1995 wurde dies durch die Anerkennungals Welterbe durch die UNESCO besondersgewürdigt; es war weltweit erst die dritteFossilfundstätte, die auf diese Weise ausgezeichnetwurde.Lebensfeindliche Bedingungen am Grunddes Maarsees verhinderten die Zersetzungabgestorbener Pflanzen und Tiere weitgehend,sodass Fossilien in großer Zahl, Vielfaltund einzigartiger Erhaltung entstanden.Selbst Haut und Haare oder Mageninhaltesind in vielen Fällen erhalten. Die Flügeldeckenmancher Käfer schillern noch wiezu Lebzeiten!Die Grube Messel hat viele spektakuläre Fossiliengeliefert. Dazu gehören natürlich dieberühmten Messeler Urpferdchen Propalaeotherium.Furore weit über die Welt der Wissenschafthinaus machte auch der AmeisenbärEurotamandua. Schließlich war man biszu diesem Fund davon ausgegangen, dass dieAmeisenbären eine rein amerikanische Entwicklungseien – hiermusste ein ganzes Kapitelder Evolutionsgeschichteneu geschriebenwerden.Die hervorragenden Erhaltungsbedingungenhaben aber nicht nurfür außergewöhnliche Fossilien gesorgt, sondernerlauben wegen der Häufigkeit vielerFunde und der inzwischen mehreren hundertbeschriebenen Arten die Rekonstruktiondes kompletten Ökosystems, das sichrund um den See im tropisch-subtropischenKlima des Eozäns entwickelte. In der vomHessischen Landesmuseum Darmstadt übernommenenAusstellung versetzten stimmigeRauminszenierungen die Besucher in die Lebensräumerund um den Maarsee, von derUferzone zum Waldboden und weiter bis indas Astwerk der eozänen Urwälder.<strong>Museum</strong> am Löwentor, 7.5. bis 29.8.2009Versunken in die Betrachtung von Skeletten,Tieren oder Dioramen, dann mit großen Strichenskizzierend oder fein ausarbeitend –Grafikstudenten lehren uns, die Präparate im<strong>Museum</strong> mit neuen Augen zu sehen. Prozessund Ergebnis faszinierendie Besucherdes <strong>Museum</strong>s gleichermaßen.Das gabden Anstoß für einein Zusammenarbeitmit der Akademiefür Kommunikationin <strong>Stuttgart</strong> gestaltete Ausstellung ausgewählterArbeiten im historischen „Frühstückssaal“von Schloss Rosenstein.Am Anfang jeder Zeichnung stand die persönlicheFaszination, welche die biologischeAusstellung im Schloss Rosenstein auf dieGrafikdesign-Studenten der Akademie entfaltete.Die zeichnerischen Studien mitden Tierpräparaten inspirierten die jungenKünstler zu mehr. Das Ergebnis der Projektarbeitprägte die Sonderausstellung „Strich-Wechsel“: Sie spannte einen Themenbogenvon anatomisch exakten Tierstudien auf Papierbis hin zu märchenhaften Illustrationenvon Fabeln und animierten, in Projektionenumgesetzten Tiergeschichten.Zum Begleitprogramm der Ausstellung gehörteein zweitägiger Workshop mit der fürdie Gestaltung der Ausstellung verantwortlichenKünstlerin Gabriele Schedding, Leiterinder Grafikklasse an der Akademie fürKommunikation.Schloss Rosenstein, 18.6. bis 26.7. 200912 13


SammlungDas Jahr 2009 brachte den Durchbruch. Zwar unternimmt das <strong>Museum</strong> viele Anstrengungen,um der drangvollen Enge in den Magazinen durch den Einbau vonFahrregalanlagen abzuhelfen Jahresbericht 2008/2009 S. 14. Die grundsätzlicheRaumnot kann aber nur durch zusätzliche Magazinflächen behoben werden, indenen wertvolle Sammlungen adäquat untergebracht werden können. Nun führtedie jahrelange zeitaufwendige Suche durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschungund Kunst und das Amt Vermögen und Bau Baden-Württemberg zum Erfolg.In unmittelbarer Nähe des <strong>Museum</strong>s am Löwentor erhalten wir neue Flächen.Neues DepotProbebühnen für das Staatstheater im Obergeschoss,Magazinräume für Museen imErdgeschoss – im Spätsommer 2009 setztedie Unterschrift unter einen langfristigenMietvertrag den Startschuss für einen nutzungsgerechtenUmbau einer ehemaligenIndustrie-Immobilie an der Löwentorstraße.Ende 2010 soll der Umbau abgeschlossensein. Dann verfügt das <strong>Museum</strong> für <strong>Naturkunde</strong>dort über 2300 m² Magazinfläche,die dringend benötigt wird.Unter anderem wird dort das Schwerlastdepotder Paläontologie erweitert. Das werdenwir in den kommenden Jahren im Zusammenhangmit einigen anstehenden, mitgewaltigen Erdbewegungen einhergehendengroßen Bauprojekten (z. B. <strong>Stuttgart</strong> 21) mitSicherheit brauchen. Vorbereitet ist auchschon der Umzug der kompletten mineralogischenSammlung aus dem <strong>Museum</strong> amLöwentor. Dadurch schaffen wir dort Platzfür die Säugetiersammlung, die im marodenDachgeschoss von Schloss Rosenstein völligunzureichend untergebracht ist.ETo alleviate the urgent need for collectionspace, a long-term rental contract for 2300 m²off-site was finally signed in 2009. The newfacility will accommodate particularly heavyobjects, such as the entire mineral collectionand some large palaeontological samples.The re-gained space at the Löwentorfacility will be used to relocate the mammalcollection from inadequate rooms at the Rosensteinfacility.HerbarbuchDas Herbarium des Staatlichen <strong>Museum</strong>s für<strong>Naturkunde</strong> <strong>Stuttgart</strong> gehört weltweit zu den25 ältesten Sammlungen seiner Art. Es wurdevor mehr als 200 Jahren gegründet undumfasst über eine halbe Million Belege vonFarn- und Blütenpflanzen. Der älteste datierbareHerbarbeleg stammt aus dem Jahr1740 und wurde von Alexander Wilhelm Martini(1702–1781) in Sibirien gesammelt. Deraus Winnenden stammende Botaniker warTeilnehmer an der von Vitus Bering geleiteten2. Kamtschatkaexpedition (der „GroßenNordischen Expedition“, 1733–1743), dieals logistisch aufwendigstes Forschungsunternehmenvor der Mondlandung in die Geschichteeingegangen ist. Nach Martini warenes über 3000 weitere Sammler, die dasHerbar des <strong>Museum</strong>s zum größten in Südwestdeutschlandmachten.Über 1000 von ihnen sind nun mit Namen,wichtigen Lebensdaten, ihrem Beitrag zurSammlung und oft auch Schriftproben dokumentiert.Prof. Siegmund Seybold, ehemaliger Leiterder Abteilung Botanik, und der botanischePräparator Martin Engelhardt haben sich deraufwendigen Arbeit unterzogen, unbekannteHandschriften den jeweiligen Sammlernzuzuordnen und verschollenes Wissen überdie Herkunft der einzelnen Sammlungen zusammenzutragen.Da schriftliche Aufzeichnungendazu im 2. Weltkrieg zerstört wurden,musste oft „bei Null“ begonnen werden.In detektivischer Kleinarbeit wurden diejährlich publizierten Zugangslisten in den„Jahresheften des vaterländischen Vereinsfür <strong>Naturkunde</strong> in Württemberg“ und zahlreicheandere Quellen ausgewertet.Warum der ganze Aufwand? Das Wissen umdie ursprüngliche Herkunft von wissenschaftlichenBelegen und die Zuordnung vonHandschriften zu Sammlern sind im Laufeder Jahre oft verloren gegangen. Viele ältereHerbarbelege sind nur mangelhaft beschriftet.So fehlt oft der Name des Sammlersoder der Fundort ist nicht eindeutigzuzuordnen. Die wissenschaftliche Benutzungund der Wert der Sammlung waren dadurchmitunter eingeschränkt. Viele offeneFragen sind jetzt beantwortet und zahlreicheBelege sowohl historisch als auch geografischklarer zugeordnet. Die akribische Aufarbeitungder Historie einer Sammlung steigertalso ihren aktuellen wissenschaftlichenWert ganz erheblich.Engelhardt, M., Seybold, S. (2009): DieSammler von Farn- und Blütenpflanzendes Herbariums des Staatlichen <strong>Museum</strong>sfür <strong>Naturkunde</strong> in <strong>Stuttgart</strong> (STU). –Jahres hefte der Gesellschaft für Natur kundein Württemberg 165/2, 5–162.EMartin Engelhardt and Siegmund Seyboldidentify many plant collectors of herbariumrecords by characteristics of handwritingon the schedae. Their annotated indexof collectors contains almost 1000 names,most of them with information about thecollectors‘ biography and contribution tothe collection.18 19


Neues aus der SammlungWesentliche Sammlungszugänge 2009 sindim ausführlichen Bericht des <strong>Museum</strong>s aufgelistet,der demnächst über die Websiteabgerufen werden kann. Diese Doppelseitekann das Spektrum der Neuzugänge nichtabdecken, gibt aber exemplarisch zwei kleineEinblicke.KurzflüglerDie Biodiversität der Käfer ist atemberaubend.Mehrere hunderttausend Arten sindbeschrieben, ein Ende nicht absehbar: DenKäferspezialisten wird die Arbeit so schnellnicht ausgehen. Die Artenfülle ist so groß,dass sich jeder von ihnen auf eine oder wenigeFamilien konzentrieren muss. Dabei entstehenSpezialsammlungen, die das ganze,lebenslang angehäufte Wissen des jeweiligenForschers enthalten.Eine solche Sammlung erhält das <strong>Museum</strong>in den Jahren 2009–12: die Staphylinidensammlungvon Dr. Volker Puthz (Schlitz/Hessen). Staphyliniden oder Kurzflügler sindKäfer, deren Flügeldecken (ähnlich wie beiOhrwürmern) verkürzt sind. Mit derzeit über47 000 Arten gehören sie zu den größtenKäferfamilien überhaupt. In Mitteleuropagibt es etwa 2000 Arten, aus Deutschlandsind gut 1550 bekannt.Volker Puthz gilt als Weltspezialist für einigeUnterfamilien der Kurzflügler, insbesonderefür die Unterfamilie Steninae mit der 3000beschriebene Arten umfassenden RiesengattungStenus, überwiegend an Ufern lebendetagaktive Räuber mit großen Augen und einerbemerkenswerten klebrigen Fangzunge,ähnlich der eines Chamäleons.Die Sammlung umfasst 34 600 Exemplarevon Steninae in 2181 Arten (von ca. 3000beschriebenen Arten!), 2700 Exemplare derUnterfamilie Euaesthetinae in 590 Arten und350 Exemplare der Unterfamilie Megalopsidiinaein 76 Arten. Sie enthält insgesamt75 Holotypen und 4135 Paratypen. Typensind die besonders wertvollen Eich-Exemplareeiner Art – ihre Zahl ist ein zuverlässigerGradmesser für die wissenschaftlicheQualität einer Sammlung.Die Käfer kommen nicht allein. Sie werdenbegleitet von einer umfangreichen Literatur-Das neue Fossil einer vollständigen Seekatzebesteht vor allem aus Haut, Zähnen undeinem großen Stachel. Knochen fehlen denKnorpelfischen wie gesagt vollständig. Gefundenwurde das seltene Stück nur, weil esim wertvollen „Fleins“ liegt, einer hartenSchicht, die heute noch abgebaut und zuFußbodenplatten und dergleichen verarbeitetwird. Die darüber liegenden, nicht verwertbarenSchiefer werden zwar nach Fossammlung,von Zeichnungen, Fotos, mikroskopischenPräparaten und erschließendenDaten, die ihren Wert weiter steigern.EThe museum receives the scientifically veryimportant Coleoptera collection of Dr. VolkerPuthz over three years (2009-12). Dr. Puthzis recognized internationally as a world specialistof staphylinid beetles, in particularof the giant genus Stenus (3.000 species).His collection comprises nearly 38.000 specimensof 2.850 species and includes 75 holotypesand 4.135 paratypes.SeekatzeEine fossile Katze aus dem Unteren Jura?Das wäre eine paläontologische Sensation,würde sie doch die Entstehung der Katzenum glatt 150 Millionen Jahre zurückverlegen.Ganz so sensationell ist die im Jahr 2009gefundene Seekatze dann doch nicht: Seekatzensind Fische. Und zwar solche, die esnoch heute gibt. Die etwa 40 Arten lebenaber in großer Meerestiefe, so dass man sieselten zu Gesicht bekommt.Warum dann solch ein Aufheben um den Fund?Ganz einfach: Seekatzen oder Chimären sindwie Haie und Rochen Knorpelfische und fossilisierenmangels Knochen sehr schlecht.Die traditionsreichen Steinbrüche im Posidonienschieferrund um Holzmaden liefertendeshalb bis jetzt nur eine Skeletthälfteund einen Stachel – gefunden vor genau100 Jahren – sowie einen Zahn: Insgesamteine magere Ausbeute.EThe first complete skeleton of a ratfish wasfound in the famous Lower Jurassic Posidonienschieferin 2009. This discovery was avery fortunate coincidence as fossil skeletonsof these cartilaginous fishes are veryrarely found. So far, this species had onlybeen known from a single fin spine, foundone hundred years ago.silien durchsucht, so unscheinbare Stückewie die Chimäre aber selten gefunden. Diesewurde beim Zusägen der Fleinsplatte im Anschnittentdeckt. Die Präparation enthülltedann die etwa meterlange Seekatze, dasers te vollständige Exemplar aus dem UnterenJura überhaupt. Eine genaue wissenschaftlicheAnalyse steht noch aus. Möglicherweisehandelt es sich um dieselbe ArtMetopacanthus bollensis, von der vor 100Jahren ein Flossenstachel gefunden wordenist. Erst die Seekatzen aus den Oberjura-Plattenkalken von Nusplingen und besondersSolnhofen sind etwas besser bekannt– die oben rechts abgebildete Rekonstruktionschwimmt im Nusplingen-Diorama im<strong>Museum</strong> am Löwentor.20 21


Forschung22 fest angestellte Wissenschaftler/innen arbeiten in den vier Forschungsabteilungen– Paläontologie, Zoologie, Entomologie und Botanik – des <strong>Museum</strong>s für <strong>Naturkunde</strong><strong>Stuttgart</strong>. Dazu kommen noch zahlreiche junge Paläontologen und Biologen,die sich im Rahmen befristeter Projekte in Arbeitsgruppen engagieren.Einige der aktuellen Forschungsprojekte stellen wir auf den folgenden Seiten vor.Einen vollständigen Überblick bietet www.naturkundemuseum-bw.de.Ökologie und Evolution fossiler PanzerlurcheDie meisten Fossilfunde sind Fragmente. VollständigeSkelette sind sehr selten und alsabsolute Ausnahme gilt, wenn ganze Populationenfossil erhalten sind. Diese Glücksfälleerlauben es, Fragen zu klären, die inder Paläontologie oft gestellt, aber fast niebeantwortet werden können: Wie funktioniertdie Evolution im Detail?die wesentlichen, arttypischen Merkmalevon Sclerocephalus haeuseri; auch in derErnährung gab es keinen Unterschied (daslässt sich mit fossilen Mageninhalten belegen).Trotzdem weisen alle Seen eigene,gut unterscheidbare und auf die jeweiligenökologischen Bedingungen angepasste Populationenauf.Insgesamt geben die Funde einen detailliertenEinblick in die Mikroevolution dieserknapp 300 Millionen Jahre alten Amphibien:Durch kleine, ja minimale Veränderungen inder Wachstumskurve konnten ökologischwichtige Anpassungen entstehen. So war esPopulationen von Sclerocephalus möglich,sehr unterschiedliche Gewässer zu besiedelnoder zumindest die Larvenphase dortzu durchleben.Odernheim-SeeJeckenbach-SeeHumberg-SeeSclerocephalusErwachsenengrößePaläontologie und Biologie sind also normalerweisedurch eine „Lücke“ getrennt,die nur durch Untersuchungen wie die anden karbonischen Panzerlurchen überbrücktwerden kann.Darüber hinaus wurde an diesem Beispiel klar,welche fundamentale Rolle die Wechselwirkungvon Ökologie und Wachstum spielt: MinimaleVariationen und Abwandlungen derEin solcher Glücksfall sind die bis 1,8m langen,krokodilartig aussehenden Panzerlurcheaus der späten Karbon-Zeit. Sie lebten voretwa 297 Millionen Jahren in großen Gebirgsseen.Hunderte Skelettfunde dieser urzeitlichenLurche liegen aus dem französischenZentralmassiv, dem Saarland, der Pfalz undThüringen vor – das Ergebnis von 150 JahrenSammeltätigkeit.Dr. Rainer Schoch untersuchte nun Skeletteaus sechs verschieden großen Seen miteinem Durchmesser zwischen 5 und 80 km.Weil hier viele Altersstadien (Größenklassen)vorliegen, sind Rückschlüsse auf dielarvale Entwicklung und das Wachstum derAmphibien möglich. Rainer Schoch konntedadurch eine Wachstumskurve der wuchtigenUrlurche von der Kinderstube bis zum Greisenalterrekonstruieren. Dabei zeigte sichVerblüffendes: Zwar haben alle FossilienIn jedem See erreichte Sclerocephalus eineandere Endgröße, und auch das Wachstumverlief etwas unterschiedlich. Die Bewohnergroßer, tiefer Seen lebten nicht nurals Larven, sondern auch als ausgewachseneTiere im Wasser. Das lässt sich ausAbdrücken von Kanälen für die Seitenlinieund einem viel längeren Ruderschwanzerschließen. Bewohner kleiner Seen, dienicht ausreichend Nahrung für die großenErwachsenen boten, benahmen sich dagegenwie die meisten heutigen Lurche, verließendas Wasser in einem halbwüchsigenStadium und kehrten später nur zum Eierlegenzurück. Das spiegelt sich in den selten,aber doch mit saisonal wiederkehrenderRegelmäßigkeit erhaltenen Fossilien wider.In diesen Populationen waren die Erwachsenenbis zu 30% größer. Ein vollständigverknöchertes Skelett ermöglichte längereAufenthalte an Land.Das sind ungewöhnliche Befunde, denn Paläontologenkönnen üblicherweise nur Aussagenüber Makroevolution machen, alsoVeränderungen in großen Zügen zwischenrecht unterschiedlich aussehenden Arten,Gattungen oder Familien. Durch die lückenhafteFossilüberlieferung gezwungen,arbeiten sie auf einer sehr groben Skala.Meist lässt sich nur bruchstückhaft rekonstruieren,welche Einzelschritte die evolutivenVeränderungen umfassten, von der genauenzeitlichen Abfolge der Einzelschritteganz zu schweigen.Dagegen untersuchen Biologen sowohl imLabor als auch im Freiland im Wesentlichenmikroevolutionäre Prozesse, die Abfolgevieler kleiner und winzigster Einzelveränderungen.Makroevolution vollzieht sich ingroßen Zeiträumen und entzieht sich deshalbder direkten Beobachtung.Larvalphase bieten der natürlichen Ausleseals Triebkraft der Evolution das nötigeSpektrum. Von ökologischen Bedingungenbestimmt, wird die Larvalentwicklung abgewandelt– diese evolutionäre Erfolgsstrategieder Amphibien reicht demnach mind es tens300 Millionen Jahre zurück.EFossils of vertebrates are rarely found andtypically fragmented, hence, the discoveryof entire fossilized vertebrate populationsare exceptional. Several such populations oflarge amphibians in Carboniferous lake depositsof Germany have now been examined.The results for growth and adult size, whichshow lake-specific variations, demonstratehow ecological parameters controlled individualdevelopment and micro-evolution ofthis long-extinct species.22 23


Die älteste FederSaurier aus der Trias-ZeitSensationsfunde müssen nicht groß sein.In diesem Fall sorgen ganze acht Millimeterfür Furore. So groß – oder so klein – istdas Federchen, das Dr. Günter Schweigertam 14. Mai 2009 im seit vielen Jahren intensiverforschten Plattenkalksteinbruchvon Nusplingen (Schwäbische Alb) entdeckteS. 36.Die Medienresonanz war gewaltig! Warumso viel Aufsehen um eine einzige Feder?Schließlich kennen wir vom Urvogel Archaeopteryxbereits zehn Exemplare, daruntervorzüglich erhaltene ganze Skelette. Die Federaus Nusplingen allerdings ist etwa einehalbe Million Jahre älter als die Urvögel ausSolnhofen und Umgebung. Damit gilt sie derzeitals älteste Feder weltweit – chinesische„Konkurrenten“ sind nicht hinreichend exaktdatiert. Natürlich lässt sich aus einer einzigenFeder kein ganzes Tier rekonstruieren,und so wissen wir nicht, ob sie wirklich voneinem Urvogel stammt. Tatsächlich müssenwir damit rechnen, dass die Feder gar keinemVogel, sondern einem kleinen Dinosaurierausgefallen ist. Die Antwort auf dieseFrage ruht hoffentlich noch im NusplingerSteinbruch.Wie auch immer: Die Feder beflügelt auf jedenFall die Mannschaft um Günter Schweigert,die sich im Jahr 2010 mit frischemSchwung Platten spaltend auf die Suchenach dem Federtier begeben wird!EOur excavation team made one of its mostexciting discoveries in the Upper Jurassicplaty limestones of Nusplingen - a tiny fossilfeather. Although the animal bearing suchfeathers remains unknown, this find is the oldestfossil feather from Europe, half a millionyears older than the Bavarian feathersof Archaeopteryx.Fossilpräparation ist oft überaus zeitraubend.Deshalb kann bei weitem nicht alles,was geborgen wird, sofort bearbeitet werden.So steht jeder <strong>Museum</strong>skurator ständigvor schwierigen Entscheidungen: In welcheStücke investiert er seine Arbeitszeit unddie der Präparatoren?PD Dr. Michael Maisch und Dr. Andreas Matzke– derzeit Mitarbeiter in der Sektion fossileReptilien – bearbeiten zusammen mitdem Kurator Dr. Rainer Schoch Saurierfundstellender Trias. Ihr Interesse gilt wenigerEinzelfunden als zusammenhängenden Fundkomplexen,die weitreichende Schlüsse aufLebensgemeinschaften und Ökosysteme erlauben.Sie nahmen sich dazu Funde aus demoberen Buntsandstein des Schwarzwaldes vor,die bereits seit Jahrzehnten nur teilweisepräpariert in den Magazinen ruhen.Das wurde nun nachgeholt. In den etwa 245Millionen Jahre alten Ablagerungen, die amRande eines Flusssystems gebildet wurden,erschienen unter den Händen von Isabel Rosinund Norbert Adorf mindestens vier Saurierarten:zwei kleine Giraffenhalsechsenund ein etwa 1,5 m langer räuberischer Archosaurieraus der Verwandtschaft der Krokodile,ein Verwandter von Batrachotomus,der als Wappentier unserer großen Saurierausstellung2007 populär wurde.Spektakulärer aber ist die Entdeckung einer30 cm langen pflanzenfressenden Schnabelechse(Rhynchosaurier), eine auf der Südhalbkugeldamals verbreitete Gruppe, die bisherin Europa nicht bekannt war. Obwohl Pflanzenfresserin jedem Ökosystem häufiger seinmüssen als Fleischfresser, sind sie unter denFossilfunden dieser Zeit deutlich unterrepräsentiert– eine Beobachtung, für die es bisheute keine plausible Erklärung gibt.Schon jetzt erlauben diese Funde wichtigeRückschlüsse sowohl auf die Ökologie derdamaligen Flussebene als auch zur Evolutionder Reptilien. Zum Glück – in einer sichschnell wandelnden Landschaft keine Selbstverständlichkeit– existiert die Fundstellenoch, die nun als die bedeutendste festländischeFundstelle der frühen Trias Mitteleuropasgilt. Eine wissenschaftliche Grabungsoll in naher Zukunft mehr Material und neueErkenntnisse erbringen.EThe collection of fossils from Triassic depositsin Germany‘s southwest is supplementedby yet another discovery. The preparationof samples from an old quarry in the BlackForest revealed the presence of four reptilesin a river deposit that formed 245 millionyears ago. Among them, a beaked rhynchosaurprovides the first record of the groupfor mainland Europe, closing a substantialgap in our knowledge. These plant-eaters arewell-known from the southern hemisphereand presumably played an important role inearly Mesozoic ecosystems.24 25


Ursprung und Evolution der Haie und RochenWie und wann sind Haie und Rochen entstanden?Warum ist es wichtig, die Evolutionheutiger Haie und Rochen zu verstehen?Das sind einige der grundsätzlichen Fragen,die sich der Arbeitsgruppe „Fossil Shark Research“unter Leitung von PD Dr. Jürgen Kriwetstellen. Dabei werden, anders als derTitel vermuten lässt, nicht nur Fossilien analysiert.Schließlich trägt jede heutige Artihre Evolutionsgeschichte in ihren Genen.Molekulargenetische Untersuchungen heutigerArten helfen also bei der Aufklärungder Stammesgeschichte. Die Kombinationvon klassischen und modernen Methodenführt zu vielen neuen Erkenntnissen. „FossilShark Research“ arbeitet nicht nur rückwärtsgewandtim Sinne einer Aufklärung derverschlungenen Wege der Evolution im Laufder Jahrmillionen, sondern leitet daraus auchVorschläge zum Schutz und der nachhaltigenNutzung von Haien und Rochen ab.Gegenüber den mehr als 26 840 Knochenfischartennimmt sich die Zahl der Haie undRochen mit 1102 Arten zwar bescheiden aus(Haie: 528, Rochen: 574). Allerdings kannkaum eine andere Wirbeltiergruppe auf einederart lange evolutive Erfolgsgeschichtezurückblicken. Haie und Rochen gehörenentwicklungsgeschichtlich zu der ältestenGruppe kiefertragender Wirbeltiere, den Knorpelfischen(Chondrichthyes), deren fossileÜberlieferung bis über 450 Millionen Jahrein das Ordovizium zurückreicht.Da ihr Skelett überwiegend aus Knorpel besteht,beruht unsere Kenntnis über ihre früheevolutive Geschichte hauptsächlich aufFunden isolierter Zähne. Diese allerdings liegenwegen des sehr schnellen und lebenslangenZahnwechsels („Revolvergebiss“)zu tausenden in Meeresablagerungen undauch in den Sedimenten ehemaliger Seenund Flüsse.Die Wurzel aller heute noch lebenden Haieund Rochen findet sich im Unterjura, voretwa 190 Millionen Jahren. Die ältestenSkelette stammen aus Süddeutschland (z.B.Holzmaden) und Südengland. Wenig später,vor etwa 180 Millionen Jahren, erfolgt dieAuffächerung (Radiation) der noch wenigen,unspezialisierten Arten in zahlreicheneue Arten und Gruppen. Diese Radiationgeschah in küstennahen Gewässern am Nordranddes Ur-Mittelmeeres – der Tethys – insubtropischen bis tropischen Klimaregionenin Anpassung an veränderte Umweltverhältnisse.Die im Mitteljura erreichte artlicheVielfalt blieb über lange Zeiträume bis weitin die Kreide hinein stabil. Ab dem Oberjura,vor etwa 150 Millionen Jahren, sindschließlich fast alle Familien der heutigenHaie und Rochen in den Weltmeeren vertreten.Über lange Zeiträume hinweg lebten sieaber weiterhin im Schatten anderer Knorpelfische.Warendie Haie und Rochen desJuras überwiegend kleinwüchsige Räuberflacher Meere, eroberten sie im Verlauf derKreide-Zeit auch den offenen Ozean unddie Tiefsee.Die biologische Krise am Ende des Erdmittelaltersvor etwa 65 Millionen Jahren, derdie Dino- und anderen Saurier zum Opferfielen, ging auch an den Haien und Rochennicht spurlos vorüber: Etwa 85% aller Artenstarben aus. Danach dauerte es etwa25 Millionen Jahre, bis die Artenvielfaltder vor dem katastrophalen Meteroriteneinschlaggleichkam. Im Miozän vor 15–10Millionen Jahren erfolgte schließlich eineletzte große Auffächerung und es entwickeltensich alle heute noch vorkommendenHai- und Rochengattungen, wie zum Beispieldie Hammerhaie. Bullenhaie, Stachelrochenund andere eroberten zu dieser Zeit auchFlüsse und Seen.Über 100 Millionen Jahre war die artlicheVielfalt der Haie und Rochen bis auf wenigeEinschnitte ziemlich konstant. GezielteBejagung einerseits, anderer seits ein hoherAnteil an ungewolltem Beifang bei derSchleppnetzfischerei – jedes Jahr etwa 75Millionen Tiere! – gefährden diese perfektenJäger. Obwohl das Kommen und Gehen vonArten im Laufe der Erdgeschichte normalist, verdeutlicht die lange Geschichte derHaie und Rochen und deren Bedeutung fürÖkosysteme die Notwendigkeit eines sorgfältigenManagements der aktuellen, vomMenschen ausgelösten Populationskrisen,die in der Erdgeschichte bisher einmaligsind! Der tiefere Zusammenhang der eingangsgestellten Fragen ergibt sich aus diesenbesorgniserregenden Entwicklungenund unserer Unkenntnis der evolutivenVorgänge, die die lange Erfolgsgeschichteder Haie und Rochen ermöglichten und siezu wichtigen Bestandteilen mariner Ökosystememachten.ESharks, rays and skates have a tremendouslylong evolutionary history and still play avital role as predators in our oceans. Nevertheless,our knowledge of the processes involvedin shaping these perfectly adaptedpredators is still ambiguous. The palae o-ichthyologist Jürgen Kriwet and his colleaguesanalyse their evolutionary traits andpast patterns of diversity through the examinationof fossils and extant species, usinganatomical characters as well as molecularmarkers. For more information visitwww.fossil-shark-research.com.26 27


Blick in die ZukunftDer globale Klimawandel ist Fakt. Und erwird nicht nur untergehende Inseln oderhurrikangefährdete Küsten beeinflussen.Auch das Leben in Baden-Württemberg wirdsich ändern.Aber wie? Müssen wir einfach abwarten, waskommt oder lassen sich Prognosen erstellen,die Grundlage einer vorausschauendenNaturschutzpolitik werden können?Diese Frage mündet direkt in ein Forschungsprojekt,das der Biologe Dominik Katterfeldtim Auftrag der Landesanstalt für Umwelt,Messungen und Naturschutz Baden-Württembergam <strong>Museum</strong> für <strong>Naturkunde</strong> durchführt:Wie wird sich die Flora in Südwestdeutschlandkonkret verändern, wenn die Durchschnittstemperaturum 2 °C steigt?Alle, die einen Garten haben, wissen: JedePflanzenart stellt spezielle Ansprüche an ihrenStandort, an Boden, Wasserversorgung,Licht und Temperatur. Stimmt nur einer derFaktoren nicht, gedeiht die Art hier nicht.Das ist in der freien Natur nicht anders.Die erste Aufgabe von Dominik Katterfeldtwar deshalb eine Aufnahme der aktuellen Situationder Pflanzen Baden-Württembergs.Dazu wurde das Land in 1200 Rasterzellenmit einer Kantenlänge von 5 x6 Kilometernzerlegt. Für jede Zelle wurden grundlegendeDaten wie Temperaturen, Regen, Bodentypen,Gesteinsklassifikationen, Nährstoffgehaltund vieles weitere bis hin zum Nutzungstypermittelt. Insgesamt wurde jedeseinzelne Rasterfeld durch mehr als 60 Variablencharakterisiert.Welche Pflanzenarten in diesen Rasterfeldernwachsen, wird seit Jahren von den Botanikernder <strong>Naturkunde</strong>museen <strong>Stuttgart</strong> undKarlsruhe erhoben Jahresbericht 2008/09S. 20. Auf diese Daten konnte Dominik Katterfeldtnatürlich zurückgreifen.Im nächsten Arbeitsschritt werden die ökologischenFaktoren in denjenigen Zellen ver-glichen, in denen die jeweils untersuchtePflanze wächst. Daraus erschließen sichihre ökologischen Ansprüche. Ganz wissenschaftlichwird allerdings auch geprüft, obdie Bedingungen in den Zellen, die von derPflanze gemieden werden, tatsächlich anderssind – nur so kann argumentiert werden, aufwelche Faktoren eine Pflanze „steht“ undwelche für sie ungünstig sind.Jetzt schlägt die Stunde der Mathematik.60 Variablen lassen sich nur mit Ungetümenwie „logistische Regression als Spezialfallder Generalisierten Linearen Modelle“ und„Hauptkomponentenanalyse aus der multivariatenStatistik“ in den Griff bekommenund in eine mathematische Formel gießen.Setzt man in diese Formel nun die Datenaus den Szenarien der Klimaforscher ein,kommt heraus, mit welcher Wahrscheinlichkeitwelche Pflanzenarten an welchen Ortenwachsen können. Am Monitor entstehenwissenschaftlich gut abgesichert die Verbrei-tungskarten der Zukunft, die sich mit denheutigen Verbreitungskarten vergleichenlassen. Das sind die Daten, die gebrauchtwerden, um eine gut fundierte praktischeNaturschutzpolitik zu betreiben.Im Augenblick steckt Dominik Katter feldt nochmitten in der Auswertung. Früchte trägt seineArbeit aber schon jetzt – der Wissenschaftlerengagiert sich für „sein“ Thema auch im Planungsteamunserer großen Sonderausstellungzum Klimawandel „grad°wanderung“.EAn externally funded project examines theeffects of climatic change on plant species insouthwestern Germany. <strong>Museum</strong> data fromdecades of surveys and more than sixty environmentalvariables are biostatistically evaluated.A work in progress, the project aimsto provide analyses of changes and maps ofpredicted future plant distributions.aktuelle Verbreitungberechnete Verbreitung28 29zukünftige Verbreitung


AmeisenfroschManche Fragen schwelen fast ein ganzesForscherleben, bevor sie gelöst werden.Diese hier stellt sich seit dem 2. Februar1980. Unterwegs im tropischen RegenwaldPerus hörte der Herpetologe Dr. AndreasSchlüter eine Blockflöte. Das alarmierteden Amphibienforscher – derlei seltsameTöne stammen oft von Fröschen. Noch ungewöhnlicheraber war der Ort der Handlung:Die Töne drangen aus dem Eingangeines bewohnten Nestes von Blattschneiameisenzüchten ihre eigenen Speisepilze)und die Bissattacken der Ameisen setztendie Forscher außer Gefecht. Mit Übelkeitund starkem Fieber verbrachten sie denRest des Tages in ihren Hängematten. Inder darauf folgenden Nacht allerdings entdecktensie zwei Frösche, die blitzschnellim Eingang des Nestes verschwanden. Eshandelte sich um die Art Lithodytes lineatus,über deren Lebensweise bis dahin sogut wie nichts bekannt war.loge beschrieb ihr die Lage eines Ameisennestesim südöstlichen Peru, aus dessenTiefe er ein Jahr zuvor die Rufe mehrererFroschmännchen hören und auch aufnehmenkonnte. Die Naturfilmer zogen los undbrachten tatsächlich Filmaufnahmen vonKaulquappen und Jungfröschen inmitten„friedlicher“ Blattschneider ameisen nachHause: der Beweis, dass sich L. lineatus inden bewohnten Nestern von Blattschneiderameisenfortpflanzt.Dass zwischen Blattschneiderameisen undden von ihnen angebauten „Speisepilzen“eine echte Symbiose besteht, ist seit langembekannt. Recht neu ist dagegen, dassauch ein Bakterium an dieser Lebensgemeinschaftbeteiligt ist. Aber welche Rolle spieltder Frosch in diesem System?Die chemische Kommunikation in ökologischenNetzwerken und deren Rolle in Ökosystemenstehen nun im Mittelpunkt aktuellerbiologischer Forschungsarbeiten.derameisen der Art Atta cephalotes. Solltetatsächlich ein Frosch im Nest der Ameisensitzen, die normalerweise jeden Eindringlingsofort töten? Über ein in das Ameisennestversenktes Mikrofon konnten die Rufeaufgenommen und die daraus angefertigtenSonagramme Fachkollegen zur Identifizierungzugeschickt werden. Doch Fehlanzeigeauf der ganzen Linie – niemand konntediesen Ruf zuordnen.Alle Versuche, den Eingang des Nestes freizulegenund den geheimnisvollen Rufer dingfestzu machen, scheiterten zunächst. DasEinatmen von Pilzpartikeln (Blattschneider-Lockten die rufenden Froschmännchen paarungsbereiteWeibchen in die Tiefen desAmeisenbaus? Die „Keller“ großer Blattschneiderameisen-Kolonienreichen häufigbis zum Grundwasser. Liegt die Kinderstubevon Lithodytes lineatus in diesen unterirdischenWasserspeichern?Fast 30 Jahre später kam die Bestätigungdieser Hypothese. Bei einer Vorbesprechungmit einem wissenschaftlichen Filmteam umPetra Löttker erzählte Andreas Schlüter seineGeschichte vom Ameisenfrosch – und dieFilmemacherin biss sofort an. Der Herpeto-Doch aus einer gelösten Frage ergeben sichmeist mehrere neue: Warum lassen die Ameisendie Frösche in Frieden? Und woran erkennensie die Art? Alle Versuche, nachgezüchteteExemplare von L. lineatus in Nestervon Blattschneiderameisen einzuschleusen,endeten innerhalb weniger Minuten tödlichfür die Frösche. Möglicherweise hatteman bei diesen Versuchen etwas Entscheidendes„übersehen“: Im Freiland gefangeneTiere verströmen einen an Maggiwürze erinnerndenGeruch, den sie schon nach kurzerZeit im Terrarium nicht mehr produzieren.Ist diese Substanz der Passierschein für denungehinderten Zugang des Frosches in dieHöhle des Löwen?EThirty years ago, Andreas Schlüter recordedfrog calls of Lithodytes lineatus, which emanatedfrom inside the nest of leaf-cutter antsin the Peruvian rainforest. He assumed thatthe frog reproduces inside the „lion´s den“,but it wasn‘t until now that a scientific filmteam managed to document the frog´s reproductioninside the nest. Based on additionalobservations, Andreas Schlüter suggests amutual relationship between ant and frog.A case of symbiosis?30 31


Seeadler in Ägypten?Expedition nach KirgisienDer Seeadler gehört mit einer Spannweitebis annähernd zweieinhalb Metern zu denimposantesten Greifvögeln Europas. Er brütetin den gemäßigten, borealen und arktischenZonen Europas und Asiens. Weiterim Süden ist er höchstens im Winter gelegentlichzu beobachten.Kirgisien ist eine ehemalige Sowjetrepublikin Zentralasien, überwiegend geprägt durchdas Hochgebirge des Tien Shan. An der Grenzezu China (Sinkiang) erreicht dieses Gebirgehier mit 7439 m seine größte Höhe. Dadurchsind viele Regionen schwer zugänglich,weshalb Fauna und Flora bislang noch rechtlückenhaft bekannt sind. Dabei liegt KirgiranIris Heynen und die beiden engagiertenRentnerinnen Frau Wüst und Frau Häcker,die sich vor allem bei der Entzifferungund Übertragung alter Handschriften großeVerdienste erworben haben – hat sie in denletzten Jahren viel Zeit investiert, um dieüber 50 000 Objekte umfassende Eiersammlungdes <strong>Museum</strong>s zu erfassen. Darunter be-In Kooperation mit dem Zoologischen Institutder Universität Greifswald und derkirgisischen Akademie der Wissenschaftennahm Dr. Wolfgang Schawaller im Sommer2009 mit der Unterstützung der Gesellschaftzur Förderung des <strong>Naturkunde</strong>museums alsKäferexperte an einer internationalen Expeditionteil. Die Käfersammlung des <strong>Museum</strong>sbesitzt bereits einen geografischenSchwerpunkt in Asien, der jetzt auf dieserForschungsreise durch Kirgisien gezielt ergänztwerden konnte: Wolfgang Schawallerbrachte etwa 1400 Belege mit, vor allemaus Hochlagen bis 3700m.Das war anscheinend nicht immer so. Deraus Hirschlanden bei Leonberg stammendeOrnithologe und Afrikaforscher Theodorvon Heuglin (1824–1876) war Mitte des 19.Jahrhunderts mehrmals und teils jahrelangauf Expedition im nordöstlichen Afrika. Dabeibeobachtete er am Manzala-See in NordägyptenSeeadler und beschrieb sie im Jahr1856 wegen einiger kleinerer Unterschiedezu den weiter nördlich lebenden Adlern zunächstals eigene Art.Aber gehörte der Seeadler einst wirklich zurBrutvogelfauna Afrikas? Weil Vögel höchstmobil sind, lässt sich das anhand der wenigenüberlieferten Präparate nicht definitvklären. Eine Antwort können nur Eier geben.Anders als Bälge belegen sie das Brutvorkommeneiner bestimmten Art zu einerbestimmten Zeit an einem bestimmten Orteindeutig. Das ist einer der Gründe, weshalbDr. Friederike Woog, Ornithologin am <strong>Museum</strong>für <strong>Naturkunde</strong> in <strong>Stuttgart</strong>, die digitaleInventarisierung der Gelegesammlung in denletzten Jahren vorantrieb. Unterstützt vonehrenamtlichen Mitarbeiterinnen – allen vo-fanden sich eben die zwei gut erhaltenenund ausführlich beschrifteten ägyptischenSeeadler-Eier, die Theodor Heuglin in seinenPublikationen über die Vogelwelt Nordost-Afrikaserwähnt. Damit birgt die Sammlungin <strong>Stuttgart</strong>, von einem weiteren Ei im<strong>Museum</strong> of Natural History London (Tring)abgesehen, den einzigen bisher bekanntenkonkreten Brutnachweis für die inzwischenausgestorbene nordafrikanische Populationdes Seeadlers.G. Maurer, D. Russell, F. Woog, P. Cassey(2010): <strong>Museum</strong> specimens of eggs fromthe extinct Egyptian population of WhitetailedEagles, Haliaeetus albicilla. – Bulletinof the British Ornithological Society.ETwo eggs of the White-tailed Eagle collectedat lake Manzala (Egypt) were rediscoveredin the egg collection of the Natural History<strong>Museum</strong> in <strong>Stuttgart</strong>. Together with an eggkept in Tring (England), they are the onlyproof that this large raptor formerly bred asfar south as Egypt.sien zoogeografisch besonders bemerkenswertauf verschiedenen Kontinentalplattenan der Schnittstelle von paläozoischem TienShan und mesozoischem Pamir (das Paläozoikumendete und das Mesozoikum begannvor 250 Millionen Jahren).Darüber hinaus entsteht allein durch dieenorme Vertikalerstreckung von mehrerentausend Metern eine hohe Zahl ökologischerNischen, die zudem vielfach voneinander isoliertsind. All das sind Hauptvoraussetzungenfür vielfältige und dynamische Artbildungsprozessein dieser Region – eine entsprechendhohe Artenzahl ist zu erwarten.Klassische Expeditionen wie diese werdenschon seit Jahrhunderten durchgeführt.Trotzdem ist moderne Biodiversitätsforschungohne sie nach wie vor nicht denkbar.Auch wenn die Arbeit später mit Binokularund Computer fortgeführt und schließlich publiziertwird: Die Erfassung der Artenvielfaltder Erde beginnt vor Ort in der Natur.EWolfgang Schawaller participated as specialistfor Coleoptera in an international biologicalexpedition to Kirghizia. High verticaland wide horizontal zonations in the TienShan Mountains cause a rich fauna and flora.The Coleoptera could be investigated atup to 3700 m altitude, and about 1400 specimenswere collected.32 33


Das PhyloTree-Projekt – der größte Stammbaum der WeltPublikationenStammbäume dienen dazu, verwandtschaftlicheBeziehungen und Abstammungsliniengrafisch sichtbar zu machen. Das kann manfür kleine, überschaubare Gruppen (wie etwadie Menschen und ihre Vorfahren) tun, aberauch für alle bekannten Organismen. Letzteresist das Ziel, das Dr. Günter Bechly seitsieben Jahren in Kooperation mit Dr. ErichWeber (Universität Tübingen) und unterMitwirkung der <strong>Museum</strong>skollegen Dr. RainerSchoch, Dr. Martin Nebel und Dr. Arnold Staniczekverfolgt. Anlässlich des Darwinjahresstellte er den weltweit größten zusammenhängendenEvolutionsstammbaum online:http://goo.gl/jCcrDas Besondere an der Präsentation desStammbaums ist die interaktive Umsetzung:Der Stammbaum kann dynamisch mitder Maus manipuliert werden. Im Stammbaumsind ausgestorbene Gruppen durch einKreuz gekennzeichnet. Ein Farbcode zeigt,wie gut die jeweiligen Gruppen als monophyletischeAbstammungsgemeinschaftenbegründet sind.Bislang (März 2010) sind schon 22 888 Großgruppenausgestorbener und heutiger Lebewesenerfasst, von einfachen Bakterienüber Einzeller, Pflanzen, Pilze und wirbelloseTiere bis hin zu den Wirbeltieren einschließlichdes Menschenund seiner Vorfahren.Als Grundlage für den Stammbaumdienten, neben eigenenUntersuchungen, vor allemdie neuesten Ergebnisse derStammesgeschichtsforschungmittels kladistischer und molekulargenetischerStudien.Die aus unzähligen FachpublikationenzusammengetragenenInformationenwurden geprüft; im Fallevon widersprüchlichen Verwandtschaftshypothesenwurde eine Entscheidung fürdie derzeit am besten begründete Auffassunggetroffen.Der Stammbaum wird laufend erweitert undaktualisiert. Mittelfristiges Ziel ist die Erfassungaller bekannten höheren Gruppen,also aller Taxa oberhalb des Gattungsniveaus.Langfristig sollen zudem alle fossilenGattungen erfasst werden.Darüber hinaus wird an einer Version mitoptimierter Software gearbeitet, die zusätzlicheFunktionen wie Volltextsuche,Synonyme, deutsche und englische Trivialnamensowie Verlinkung aller Namen mitden entsprechenden Seiten der englischenWikipedia-Enzyklopädie aufweist.EBased on modern cladistic and phylogenomicstudies, Günter Bechly works jointly withcolleagues at our museum and the Universityof Tübingen on the worldwide largestphylogenetic tree of fossil and extant organisms.Currently, the tree visualizes theevolutionary relationships of more than 22000 groups and is available on the Internetas a first version of an interactive browserapplet. http://goo.gl/jCcrWissenschaftliche Ergebnisse werden in Fachzeitschriftenpubliziert, ob in klassischer gedruckteroder – wegen schneller Veröffentlichungund geringer Kosten rasant auf demVormarsch – in elektronischer Form. Wissenschaftlerdes <strong>Museum</strong>s haben im Jahr 2009insgesamt 113 fachwissenschaftliche und58 populärwissenschaftliche Artikel undBücher veröffentlicht.Darüber hinaus engagieren sie sich als Herausgeberoder Reviewer – fachkompetenteGutachter eingereichter Manuskripte – imwissenschaftlichen Publikationsbetrieb.Zwei international ausgerichtete Fachzeitschriftengibt das <strong>Museum</strong> für <strong>Naturkunde</strong><strong>Stuttgart</strong> selbst heraus, auch sie redigiertvon Wissenschaftlern des <strong>Museum</strong>s.<strong>Stuttgart</strong>er Beiträge zur <strong>Naturkunde</strong>In der biologisch ausgerichteten Reihe erschienenim Jahr 2009 13 Arbeiten auf 494Seiten. Der Schwerpunkt liegt bei der „klassischen“<strong>Museum</strong>swissenschaft, der Beschreibungund systematischen Einordnung bisherunbekannter Arten. Der Band umfasst aberauch eine komplette Check liste und RoteListe der Fische von La Réunion und einemethodisch interessante Arbeit zum Feinbauvon Blättern.Titel und Zusammenfassungen der Einzelarbeitenauf: www.naturkundemuseum-bw.de/stuttgart/schriften/stuttgarterbeitraege/a.htmlPalaeodiversity18 Einzelbeiträge auf 385 Seiten decken imJahr 2009 ein weites Spektrum aus zahlreichenTeilgebieten der Paläontologie undStratigrafie ab. Der Band kann in gedruckterForm vom <strong>Museum</strong> bezogen oder in Einzelbeiträgenheruntergeladen werden:www.palaeodiversity.orgEThe journals ‘<strong>Stuttgart</strong>er Beiträge zur <strong>Naturkunde</strong>Serie A - Biology‘ and ‘Palaeodiversity‘are peer-reviewed, international scientificjournals. They are available in print asannual volumes, while ‘Palaeodiversity‘ offersadditionally open access online (www.palaeodiversity.org).STUTTGARTER••BEITRAGE ZURNATURKUNDEI :STAATL ICHFSMUSEUM FURNATURKUNDFSfl,;fTCiARfTerrestrial isopods of Greece _ Accessory gills in mayflies_ Neotropical Cicadellinae _ Tenebrionidae from Borneo_ Host catalogue for the Italian Tachinidae _ Deepwaterdragonets from Australia _ Skull identification of waterfowl_ FertileLunularia cruciata34 35


GrabungenWenn Baumaschinen unvermittelt auf Fossilien stoßen, klingelt im <strong>Museum</strong> dasTelefon. So schnell wie möglich versuchen Wissenschaftler und Präparatoren vorOrt zu sein, um die Funde zu begutachten und – sollten sie sich als wertvoll erweisenund damit dem Denkmalschutz unterliegen – eine zügige und sorgfältigeBergung einzuleiten. Solche Notgrabungen gehören zum Alltag, unterscheidensich aber deutlich von den Forschungsgrabungen des <strong>Museum</strong>s, bei denen mitakribischer Sorgfalt und oft über Jahre Fossilien geborgen und Lebensräume rekonstruiertwerden.NusplingenDer wissenschaftlich spektakulärste Funddes Jahres 2009 ist ohne Zweifel eine kleineFeder, die möglicherweise vom UrvogelArchaeopteryx oder einem noch unbekanntenbefiederten Dinosaurier stammt S. 24.Das war aber nicht das einzige interessanteunter den etwa 250 Fossilien, die das Teamvon Dr. Günter Schweigert in der Grabungskampagne2009 aus dem Nusplinger Plattenkalkbarg. So fand sich im Inneren desHinterleibs eines Krebses eine Meeresassel– der zweite Asselfund in Nusplingen überhaupt.Diese war wohl aasfressend und landetezusammen mit dem toten Krebs, andem sie knabberte, am lebensfeindlichenMeeresboden. Unter den Pflanzen befindensich erstmals ein echter Farnwedel und einZweig einer zuvor hierzulande unbekanntenNadelholzart.Das „Reich der Meerengel“ machte seinemNamen wieder alle Ehre: Im Spätsommer erschienein etwa 120 cm langer kompletterMeerengel – hoch willkommen in der Arbeitsgruppevon PD Dr. Jürgen Kriwet, in derdie Evolution eben dieser Haigruppe derzeitsehr intensiv erforscht wird S. 26.Normalerweise arbeiten die Paläontologenim Nusplinger Plattenkalk gerne mit feinerenWerkzeugen. 2009 musste aber wieder einmalder Bagger anrücken, um Schichten freizulegen,die zuvor nur unzureichend oder nochgar nicht untersucht werden konnten.EA new excavation site in the Upper Jurassiclithographic limestones of Nusplingenwas opened in summer 2009. Soon after, acompletely preserved angel shark was recoveredfrom the newly exposed strata. Othernew records are a fossil isopod found withinthe abdomen of a lobster and unique specimensof land plants, among them the firstfern from Nusplingen.Tongrube „Unterfeld“Landunter im Rheingraben: Die Sedimenteder ehemaligen Tongrube „Unterfeld“ beiFrauenweiler, einige Kilometer südlich vonHeidelberg gelegen, sind mariner Herkunft.Vor etwa 30 Millionen Jahren – im unterenOligozän (Rupel) – verlief hier ein Meeresarm.Das belegen die Fossilien der „Fisch-schiefer“ in den Tonsteinbänken der Fundstelle.Aber das Land war nicht fern. Daszeigt nicht nur der Fund einer Seekuh (dievegetarisch lebenden Meeressäuger leben inküstennahen Gewässern). Mehr noch sprechenzahlreiche vom Land her eingewehtenoder verdrifteten Tiere wie Insekten oderFledermäuse dafür. Ein besonders spektakulärerFund wurde schon im Jahresbericht2004, S. 26 vorgestellt, der erste Nachweiseines Kolibris aus Europa.Bei der Forschungsgrabung und systematischenAuswertung der Fundstelle kooperierendie Staatlichen Museen für <strong>Naturkunde</strong>Karlsruhe und <strong>Stuttgart</strong> mit demHessischen Landesmuseum Darmstadt sowieden Privatsammlern A. und H. Oechsler. DiePaläo botanikerinnen Prof. Dr. Johanna Eder,PD Dr. Anita Roth-Nebelsick und die DoktorandinMichaela Grein untersuchen die eingeschwemmtenPflanzenreste. Die Fundesind zum großen Teil organisch erhaltenund erlauben daher auch mikroskopischeFeinstudien an Präparaten. Eines der Zieleist eine Übersicht über die vorkommendenArten. Lorbeergewächse und Palmen weisenauf ein warmfeuchtes Klima hin. AnitaRoth-Nebelsick untersucht vor allem die Zusammenhängezwischen Klima, Pflanzenanatomieund -physiologie. Erste Ergebnissewurden auf der 8th International Organisationof Palaeobotany Conference 2008 inBonn vorgestellt.EThe marine sediments of the former clay pit‘Unterfeld‘ near Heidelberg date back to theRupelian (30 Million years ago) and contain- besides numerous remains of aquatic organismsand scattered terrestrial animals- also plant fossils. The fossilized leaves ofvarious subtropical plant taxa, such as Lauraceae,provide evidence of a warm and humidclimate during the Rupelian.36 37


Randecker MaarDas Randecker Maar ist ein fossiler Kraterseeam Rande der Schwäbischen Alb, oberhalbvon Kirchheim/Teck. Es ist Teil des UracherVulkangebiets und entstand vor rund 17 MillionenJahren, in der Miozän-Zeit, durch eineExplosion beim Kontakt von aufsteigendemMagma mit dem Grundwasser. In dem Explo-Das Randecker Maar ist unter Paläontologenschon lange bekannt, weil dort hervorragenderhaltene Fossilien gefunden werden.Die Sedimente, abgelagert am ehemaligenSeeboden, bestehen aus millimeterdickenSchichten. Jede einzelne wurde währendeines einzigen Jahres abgelagert und zeigtBedingungen auf den Lebensraum zu untersuchen.Dies ist das Ziel einer auf mehrereJahre angelegten Forschungsgrabung, die inKooperation mit der Universität Tübingenim Sommer 2009 gestartet wurde.Bei der Grabung wurde ein 220 cm hohes Profilfreigelegt. Aus der Zahl der Warven ergibtsionstrichter sammelte sich das Wasser. Esentstand ein kreisrunder Maarsee. SolcheMaarseen sind nicht allzu selten. Die bekanntenMaare der Eifel sind aber wesentlichjünger als das Randecker Maar.Das Ende des Maarsees kam mit der Rückverlagerungdes vorher viel weiter nördlichliegenden Albtraufs: Im Norden ist das auchheute noch deutlich erkennbare Rund desMaars durch den tief eingeschnittenen Zipfelbachunterbrochen.jeweils eine helle Sommer- und eine dunkleWinterlage – vergleichbar den Jahresringender Bäume. Diese „Warven“ genannten Sedimentesind sehr feinkörnig, eine gute Voraussetzungfür die detaillierte Erhaltungvon Fossilien bis hin zu winzigen, leicht vergänglichenInsekten. Damit besteht sowohldie Möglichkeit, ein miozänes Ökosystemsehr umfassend zu erfassen und zu verstehen,als auch (über die Warven) den Einflussvon Schwankungen der ökologischensich ein Ablagerungszeitraum von mehr als2500 Jahren. Die unterschiedliche Dicke dereinzelnen Lagen und ihre vertikale Verteilungim Profil werden zur Zeit ausgewertet.Sie erlauben eine extrem hoch auflösendeRekonstruktion von Klimaschwankungen vor17 Millionen Jahren.Um die eingebetteten Fossilien möglichstvollständig zu dokumentieren, wurden dieeinzelnen Lagen schon im Gelände sehr feinaufgespaltet. Insgesamt konnten mehrerehundert Fossilien geborgen werden, darunterBlätter und andere Pflanzenreste, Schnecken,Muschelkrebse, Insekten mit Farberhaltung,Amphibienreste (darunter ein guterhaltener Salamander), ein Vogelbein sowieeine fast vollständige Fledermaus. Erstmalswerden auch die Pollen detailliert bearbeitet– eine wichtige Informationsquelle zurRekonstruktion der vorzeitlichen Vegetationrund um den Maarsee.EThe Randeck Maar is a 17 million year-oldvolcanic crater lake famous for perfectly preservedfossils of its rich former flora and fauna,such as insects with preserved originalcolours. Our excavations will provide new informationabout this unique biotope.38 39


Tagungen & LehreTagungen sind Drehscheiben des Wissens – weit im Vorfeld einer Publikation ineiner Fachzeitschrift werden aktuelle Forschungsergebnisse vorgetragen, Schlussfolgerungendiskutiert, Modelle auf ihre Aussagekraft und Methoden auf ihreTauglichkeit geprüft. Tagungen und Workshops sind zwar nicht schneller als dasInternet, aber sie sorgen dafür, dass sich Menschen treffen, die gleiche Interessen,aber unterschiedliche Ideen und Lösungsansätze haben. Und das setzt allemalmehr kreative Energie frei als Datenverkehr im Netz.SARAWissenschaftliche Kongresse gibt es in allenDimensionen. In den vergangenen Jahrenwurde an dieser Stelle meist über großeTagungen berichtet. Für den wissenschaftlichenAustausch ebenso wichtig ist aberdie Fülle kleinerer Tagungen, wie die derSARA vom 8.–10. Mai 2009.Hinter SARA steht die Südliche ArachnologischeArbeitsgemeinschaft, unter derenDach die Spinnenkundler aus Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland,Hessen sowie aus Österreich, der Schweizund Slowenien seit 1990 aktiv sind. Wieviele solcher wissenschaftlichen Verbündekooperieren Profis hier eng mit professionellarbeitenden Amateuren. Sie haben deshalbwichtige Scharnierfunktion. Das SARA-Jahres treffen fand 2009 auf Einladung vonDr. Joachim Holstein im <strong>Museum</strong> am Löwentorstatt und folgte dem klassischen Muster:Einem mit neuesten wissenschaftlichen Ergebnissenim Halbstundentakt gefüllten Vortragstagfolgte ein Exkursionstag, der die22 Teilnehmer auf den ehemaligen MünsingerTruppenübungsplatz in das BiosphärengebietSchwäbische Alb führte.Das anregende Programm ließ aber genugZeit für das, was solchen Treffen ihren besonderenWert gibt: Begegnungen zwischenForschern, Austausch zwischen Jung und Altund die Diskussion ganz konkreter wissenschaftlicherFragen, einschließlich der gemeinsamenBegutachtung und Überprüfungschwierig zu bestimmender Arten.... keine EintagsfliegeÜber die internationale Fachtagung fürWasserinsekten (Eintagsfliegen und Steinfliegen),zu der sich im Jahr 2008 über 110Teilnehmer aus der ganzen Welt trafen,um ihre Forschungsergebnisse auszutauschen,wurde schon berichtet Jahresbericht2008/2009 S. 38.Damit aus der Eintagsfliegen-Tagung keineEintagsfliege wurde, gab Dr. Arnold Staniczek,Organisator derTagung und Wasserinsektenforscheram<strong>Museum</strong>, eine 750Seiten starke Konferenz-Nachleseheraus:„InternationalPerspectives inMayfly and StoneflyResearch“ erschienals Supplement derFachzeitschrift „Aquatic Insects“. Unteranderem ist die Beschreibung sieben neuerArten zu finden. Der Stammesgeschichteund Verbreitung sind ebenfalls zahlreicheStudien gewidmet. Einen weiteren Schwerpunktstellen neueste Untersuchungen zurÖkologie der Gruppen dar, die von Biologenals wichtige biologische Zeigerorganismengerne zur Beurteilung der Wasserqualitätherangezogen werden.Tagungen und Workshops im <strong>Museum</strong>7.2: Floristische Kartierung Baden-Württemberg;73 Teilnehmer21.2.: Jahresversammlung der OrnithologischenGesellschaft Baden-Württemberg;150 Teilnehmer8.–10.5: Jahrestagung der Südlichen ArachnologischenArbeitsgemeinschaft; 25 Teilnehmeraus Deutschland, Österreich undder Schweiz24.10: Sesien-Tagung (Lepidoptera); 15 Teilnehmeraus sechs europäischen Staaten23.-25.10: 52. Deutsches Koleopterologentreffen(Beutelsbach); 200 Teilnehmer auszehn europäischen Staaten40 41LehreNicht nur dem Austausch mit Fachkollegen,auch der Ausbildung wissenschaftlichenNachwuchses fühlen wir uns verpflichtet.Das tun wir einerseits über wissenschaftlicheVolontariate, Praktika und die Betreuungvon Diplom- und Doktorarbeiten,andererseits über Lehraufträge an den Universitäten.Ein zweiwöchiges Blockpraktikum „Systematik,Taxonomie, Evolution“ führte Studentenaus Hohenheim, <strong>Stuttgart</strong> und Tübingenauch im Jahr 2009 in die praktischeund wissenschaftliche Arbeit an einem <strong>Naturkunde</strong>museumein.Für Lehrer, Studenten und Referendare verschiedenerSchularten veranstalteten wir 46Seminare zur <strong>Museum</strong>spädagogik, Ausstellungsdidaktikund zur Aufgabe der <strong>Naturkunde</strong>museenin der modernen Forschungslandschaft.ENatural history museums are hubs of knowledge,and communicating it is an importantpart of science. The SMNS has a track-recordof supporting scientific conferences and engagingwith universities.


NetzwerkeDie Erkenntnis ist ebenso alt wie banal: Gemeinsam ist man stärker. Die gewachseneStruktur der deutschen und internationalen <strong>Museum</strong>slandschaft hatte allerdingsüber lange Zeit ein eher individuelles Selbstverständnis zur Folge. Umso wichtiger,dass sich die Museen mit international bedeutenden Sammlungen und einem klarenForschungsprofil in den letzten Jahren zunehmend und gezielt vernetzen. Dasgeschieht sowohl auf der nationalen als auch auf der internationalen Ebene.Humboldt-RingAm 24. September 2009 schlossen sich fünfgroße, international tätige Forschungssammlungenzu einem Konsortium zusammen: das<strong>Museum</strong> für <strong>Naturkunde</strong> Berlin, das ZoologischeForschungsmuseum Alexander Koenigin Bonn, die Staatlichen Museen für <strong>Naturkunde</strong>in <strong>Stuttgart</strong> und Karlsruhe und dieStaatlichen Naturwissenschaftlichen SammlungenBayerns. Wenig später stieß der BotanischeGarten und das Botanische <strong>Museum</strong>Berlin-Dahlem als sechstes Mitglied dazu.Mit einem Umfang von nun über 80 MillionenSammlungsobjekten, etwa 320 Wissenschaftlernsowie zahlreichen Laboren undBibliotheken stellt der Ring die größte Forschungsinfrastrukturfür Biodiversitäts- undEvolutionsforschung in Deutschland dar.Der Name des neuen Verbunds wurde zu Ehrendes großen deutschen Naturforschers Alexandervon Humboldt (1769–1859) gewählt.Seine auf intensiver und gut durchdachterGelände- und Sammlungsarbeit beruhendeganzheitliche Erforschung und Vermittlungder Natur macht ihn zum Vorbild.Das Ziel des Humboldt-Rings ist in ersterLinie die Förderung und der Ausbau innovativer,integrativer Forschung samt derdazu notwendigen Infrastruktur. Schwerpunktthemensind Biodiversität, Evolutionund die „System-Erde-Forschung“, die denWechselwirkungen zwischen unbelebter undbelebter Natur gilt.Das Konsortium wird sich auch beim Erwerbvon herausragenden naturkundlichen Sammlungenund Einzelobjekten abstimmen, umsicherzustellen, dass sie der Forschung langfristigzugänglich bleiben.Der Humboldt-Ring strebt, bei gleichzeitigerBewahrung der föderalen Eigenständigkeitender verbundenen Institutionen, eine gemeinsameVertretung in nationalen und internationalenAngelegenheiten an.ESix internationally significant research museumsEDIT published the ‘Manual on field recordingin Germany joined forces in a fede-techniques and protocols for All Taxa Biodi-ral consortium, the „Humboldt-Ring“. Withversity Inventories and Monitoring (ATBI+M)‘ Es wird erwartet, dass das Handbuch großenmore than 80 million objects, 320 scientistsas a special volume of ‘ABC Taxa‘. Its free Anklang unter Feldbiologen sowohl in gemäßigtenand numerous facilities, this new networkelectronic version is a valuable resource andRegionen als auch in den Tropenrepresents Germany‘s largest infrastructureanticipated to be particularly popular with und Subtropen finden wird.for innovative and integrated researchyoung biologists worldwide.of biodiversity, evolution and the Earth as42a biosystem.43EDITEDIT (European Distributed Institute ofTaxonomy) ist ein Konsortium aus 29 EuropäischenInstituten und Partnern in denUSA und Russland, die alle wissenschaftlichin der Taxonomie tätig sind – der Wissenschaftvon der Beschreibung, Benennungund Bestimmung derArten und der Erforschungihrer evolutionären Verwandtschaftsbeziehungen.Dieses Exzellenznetzwerkwird von der EuropäischenKommission für insgesamtfünf Jahre bis Februar 2011gefördert.Zu den Zielen von EDIT gehörtauch die Erfassung dergesamten Artenvielfalt ineinigen ausgesuchten Gebieten.Von <strong>Stuttgart</strong> auswird die Arbeit im französischen AlpennationalparkMercantour koordiniert Jahresbericht2009, S. 40.Ob, welche und wie viele Tierarten erfasstwerden können, hängt nicht zuletzt an derSammelmethode. Für viele Tiergruppen gibtes aber keine verlässlichen Standards. Dieseoffensichtliche Lücke schließt das Teamvon EDIT nun mit einem Handbuch überFeldtechniken und Methoden.EBei einem Workshop im kanarischen botanischenGarten „Viera y Clavijo“ warensich die 35 Teilnehmer schnell einig, dassdie Feldforscher vor allem von praktischenAspekten und vielen in teils jahrzehntelangerErfahrung gesammelten Tipps undTricks profitieren.Das Handbuch wird unter demTitel „Manual on field recordingtechniques and protocolsfor All Taxa BiodiversityInventories and Monitoring(ATBI+M)“ im April 2010 vonder Zeitschrift „Abc Taxa“ publiziertund auch an interessierteForschungsinstitute inEntwicklungsländern verteiltwerden. Eine digitale Versionwird frei verfügbar sein.70 Autoren geben ihre Erfahrung in fünf Abschnittenweiter:1. Allgemeines (EDIT und das ATBI+M Konzept,Planung und Implementierung großangelegter Sammelvorhaben)2. Standardisierte Datenaufnahme3. Besondere Techniken (Bioakustik, Camera-trapping,Aufbewahrung für spätereDNA-Analyse)4. Habitatspezifische Methoden (Sammelnauf Baumkronen, im Boden, in Süßgewässern,im marinen Bereich)5. Taxonspezifische Methoden (Pilze, Moose,höhere Pflanzen, Insekten, Säugetiere, Reptilien,Vögel, Fische)


ArbeitsgemeinschaftenWissenschaft populärDas <strong>Museum</strong> für <strong>Naturkunde</strong> <strong>Stuttgart</strong> pflegt nicht nur seine nationalen und internationalenForschungsnetzwerke. Es ist auch in der regionalen <strong>Naturkunde</strong>gut verankert. Vier verschiedene, von Wissenschaftlern des <strong>Museum</strong>s geleitetenaturkundliche Arbeitsgemeinschaften treffen sich hier zu fachlichen Diskussionen,bereichern das Vortragsprogramm des <strong>Museum</strong>s und starten von hier auszu Exkursionen.Nicht nur Wissensvermehrung durch Forschung , sondern auch Wissenstransfer indie Gesellschaft gehört zu den Aufgaben des <strong>Museum</strong>s für <strong>Naturkunde</strong>. Den größtenBeitrag dazu leisten unsere Ausstellungen S.6 mit ihren Begleitprogrammenund die vielfältigen museumspädagogischen Angebote S. 46. Eine wichtige Rollespielen aber auch die populärwissenschaftlichen <strong>Stuttgart</strong>er Beiträge zur <strong>Naturkunde</strong>(Serie C).SteigenclubDie traditionsreiche geologisch-paläontologischeArbeitsgemeinschaft hat ihren Namennach den „Steigen“, den schmalen Sträßchen,die den steilen Albtrauf überwindenund bei deren Bau zahlreiche geo logischeAufschlüsse entstanden sind. Der Steigenclubist Forum gleichermaßen für ambitionierteAmateure wie für Profis – ablesbaram Vortragsprogramm. Jeden Herbst findeteine ganztägige Exkursion statt, die im Jahr2009 in die Umgebung von Öffingen führte,wo Aufschlüsse vorgeführt wurden, die inkeinem Geologiebuch beschrieben sind.Leitung: Dr. Günter SchweigertBotanischer ZirkelViermal im Jahr geht es ins Gelände, ebensooft kommt das Gelände ins <strong>Museum</strong>, wennMitglieder des botanischen Zirkels von ihrenReisen und Expeditionen berichten. DieExkursionen gingen im Jahr 2009 nach Hohenlohe,auf die Mittlere Schwäbische Alb,ins Obere Donautal, zum Isteiner Klotz undin den Nordschwarzwald.Viele Mitglieder des Botanischen Zirkels engagierensich auch intensiv bei der von den<strong>Naturkunde</strong>museen in <strong>Stuttgart</strong> und Karlsruhekoordinierten langfristigen Kartierungder Flora Baden-Württembergs.Jahresbericht 2008/2009 S. 20Leitung: Dr. Arno WörzEntomologischer VereinDie im Entomolgischen Verein organisiertenInsektenkundler treffen sich nicht nur im<strong>Museum</strong>, sondern auch im vereinseigenenGrundstück am Rotenackerwald bei Markgröningen.Hier muss mitunter auch kräftigHand angelegt werden: Biotoppflegezugunsten einer möglichst großen Insektenvielfalt.Leitung: Dr. Wolfgang Schawallerwww.entomologie-stuttgart.deBioForumDie biologische Arbeitsgemeinschaft für Jugendliche(ab 12 Jahre) konzentriert sichauf die Erfassung der biologischen Vielfaltdes Rosensteinparks – klassische <strong>Naturkunde</strong>von der Bestimmung der Pflanzenartenbis zur Kartierung der Brutvögel undvieles mehr. Die ersten Ergebnisse findensich ebenso wie Arbeitsberichte und Termineauf der von BioForum-Mitarbeiter JanHoffmann aus Kernen im Jahr 2009 programmiertenWebsite.Leitung: Ulrich Schmidwww.science.naturkundemuseum-bw.de/bioforumEUlrich Schmid & Günter Bechly (Hrsg.):Evolution – Der Fluss des Lebens. <strong>Stuttgart</strong>erBeiträge zur <strong>Naturkunde</strong> Serie C, Band66/67, 192 Seiten.Als Begleitband zur großen Sonderausstellungim Schloss S. 6 und zum Darwinjahr2009 erschien erstmals ein umfangreicherDoppelband in der populärwissenschaftlichenSerie. Zahlreiche Autoren aus Museen undUniversitäten geben in 15 Artikeln einenÜberblick über die Evolutionstheorie von Darwinbis heute – eine anregende und überausvielfältige Reise durch die Ideengeschichtemit einem Schwerpunkt bei aktuellen Fragenund Forschungsergebnissen.A variety of local work groups interested ingeology/palaeontology, botany and entomologyThe museum‘s popular science journal comprisesis associated with our museum. For67 volumes. Matching our special exhibitionexample, in the „Bio-Forum“-group youngfor the Year of Darwin, the new volume ‘Evolution‘students explore nature in the local Rosensteinpark.was published in 2009.44 45EFossilien –Zeitschrift für HobbypaläontologenWissenschaftler – auch solche des <strong>Museum</strong>s– spielen hinter den Kulissen eine nichtunbedeutende Rolle im Publikationswesen.Zum Beispiel werden die meisten wissenschaftlichenArtikel fachlich intensiv begutachtet,bevor sie veröffentlicht werden.Wissenschaftliche Expertise wird auchin der Populärwissenschaft gebraucht. Dr.Günter Schweigert und Dr. Michael Maischhaben jetzt die Redaktion und Herausgabeder weitverbreiteten Zeitschrift „Fossilien“übernommen.


<strong>Museum</strong>spädagogikMuseen als stille Musenorte? Wer das schätzt – und es gibt einige Gründe, das zutun – nehme sich einen Besuch am Freitagnachmittag vor oder nutze den Samstagvormittag,wenn Deutschland einkauft, putzt und werkelt. Ansonsten gilt: SchlossRosenstein und das <strong>Museum</strong> am Löwentor sind Orte, an denen es durchaus auchmal etwas lebhafter zugehen kann. Die <strong>Museum</strong>spädagogik mit ihrem vielfältigenAngebot ist dabei das Schwungrad zwischen Wissenschaft und Publikum.Jahr für Jahr berichten wir an dieser Stelleüber verschiedene Aktivitäten der <strong>Museum</strong>spädagogik.Jetzt wird es Zeit für einenzusammenfassenden Überblick und auchdafür, diejenigen vorzustellen, die der Pädagogikdes <strong>Museum</strong>s für <strong>Naturkunde</strong> ihr Profilgeben.Ein paar Zahlen...... zu Beginn: Im Jahr 2009 hat die <strong>Museum</strong>spädagogikinsgesamt 2089 Veranstaltungendurchgeführt und dabei 37 926 Besucherbetreut – das sind etwa 20 Prozentaller <strong>Museum</strong>sbesucher! Noch nicht eingeschlossenist in diese beeindruckende Zahldie „Laufkundschaft“, die unsere Angeboteim Rahmen größerer Ausstellungs-Aktionstageoder <strong>Museum</strong>sfeste wahrnimmt.FührungenFür Schulen ist die „allgemeine <strong>Museum</strong>sführung“die Ausnahme. Spezifische, mitden Bildungsplänen eng verzahnte Themengibt es genug, ob für Vorschulkinder oderfür Abiturienten.Aber natürlich bieten wir auch Highlight-Führungen an, die Erwachsenen sowohl einenschnellen Überblick als auch interessanteEinblicke verschaffen.ProjekteSteinzeit zum Mitmachen im Löwentor, Wiesenblumenunter dem Binokular im SchlossRosenstein – das sind zwei der zahlreichenProjekte, die Führungen im <strong>Museum</strong> oder Exkursionenim Park mit Mitmach-Aktionen inden Schulungsräumen verknüpfen.Freizeit<strong>Naturkunde</strong>museen sind ein wichtiger Pfeilerder Umweltbildung – und zwar weit überdie Schule hinaus. Wir setzen deshalb nichtnur auf Ferienprogramme, sondern haben einkontinuierliches Angebot von Führungen,Aktionen, Projekten und Exkursionen fürnaturinteressierte Kinder entwickelt. Fürviele gehören die allwöchentlichen Donnerstags-<strong>Museum</strong>sstundenim Schloss oderdie Dienstags-Aktionen im <strong>Museum</strong> am Löwentorzum festen Programm. Nicht wenigebegleiten uns über Monate oder gar Jahreund sammeln dabei einen soliden Grundstocknaturkundlichen Wissens. Wegen starkerNachfrage wurde 2009 eine neue regelmäßigeReihe eingerichtet, die sich speziellan Vorschulkinder ab 5 Jahren richtet. Amanderen Ende der jugendlichen Altersskalabieten wir mit dem BioForum S. 44 auchfortgeschrittenen jungen Naturforscherninteressante Möglichkeiten.46 47


Zum freizeitpädagogischen Bereich gehörenauch die (im Jahr 2009 immerhin 323)Geburtstage, die wir ausrichten.Aktionstage (und Nächte)Thementage und Familienfeste mit einemreichhaltigen Programm organisiert die <strong>Museum</strong>spädagogikmit vielen helfenden Händenaus allen Abteilungen des <strong>Museum</strong>s zuSonderausstellungen, zum Sommerfest, amTag der offenen Tür, zur Langen Nacht derMuseen ...Kinderuni, Taschenlampenführungen, Gruselstunden,mesozoisches Sauriertheater,Übernachtung unter Sauriern oder Elefanten,Wettbewerbe – der Fantasie sind kaum Grenzengesetzt.MedienDas klassische Medium der <strong>Museum</strong>spädagogik,das Themenheft, mit dem sich Schülerdie Ausstellungen erarbeiten, hat noch langenicht ausgedient. Das Spektrum reichthier von gezielt für den Biologieunterrichtentwickelten „ernsthaften“ Arbeitspapierenbis hin zu detektivischen Suchspielen– immer aber steht die intensive Auseinandersetzungmit den originalen Objekten imVordergrund.Darüber hinaus entstehen in der Werkstatt der<strong>Museum</strong>spädagogik auch moderne Medienwie zum Beispiel Audioguides. Die Weiterentwicklungund Pflege der Website gehörtebenso zu den Aufgaben wie die Redaktiondes Veranstaltungsprogramms.Ausstellung<strong>Museum</strong>spädagogik beginnt nicht erst, wennAusstellungen stehen. In den von Wissenschaftlerndes <strong>Museum</strong>s geleiteten Planungsgruppenzu ständigen wie zu Sonderausstellungenfließt ausstellungsdidaktisches undmuseumspädagogisches Know-how ein, vonder Auswahl der Exponate über die Präsentationsformenbis zur Redaktion der Ausstellungstexte.Aus- und WeiterbildungMuseen sind wunderbare Lernorte. Sie ladennicht nur zu einer sehr anschaulichen Artder Wissensvermittlung ein, sondern bietenauch Raum für interessante methodische Ansätze.In Seminaren für Lehrer, Studentenund Referendare vermitteln wir die spezifischenQualitäten der <strong>Museum</strong>spädagogikund Ausstellungsdidaktik und verknüpfendiese grundsätzliche Ebene mit inhaltlichenFortbildungen. Schwerpunkt unserer Arbeitwaren im Darwinjahr 2009 Lehrerfortbildungenzum Thema Evolution.ProfileDas Kernteam der <strong>Museum</strong>spädagogik bestehtaus den Paläontologinnen Dr. Ursula Lauxmannund Dr. Christine Stier im <strong>Museum</strong> amLöwentor, dem Biologen Ulrich Schmid imSchloss Rosenstein, und vier wissenschaftlichenVolontär/inn/en, die jeweils zwei Jahredabei sind und währenddessen <strong>Museum</strong>spädagogikin allen ihren Facetten von derPike auf lernen. Im Jahr 2009 waren das dieDiplompaläontologin Anna Bednorz und dieDiplombiolog/inn/en Christoph Joachim,Barbara Kagerer und Sabine Ratzel.Im Führungsbetrieb werden wir von derzeit17 freien Mitarbeiter/inne/n unterstützt.Auf unserer Website können Sie sich überdas gesamte Angebot der <strong>Museum</strong>spädagogikinformieren.www. naturkundemusem-bw.deEThe museum‘s educational team offers amodern pedagogic programme that rangesfrom classic guided tours to entire projectsfor schools. Particularly popular are workshops,special events and advanced trainingfor students and teachers. With 38.000 visitorsof all ages participating during 2009,demand for our programme increased to arecord 20% of total visitors.48 49


Veranstaltungen<strong>Museum</strong> mal ganz anders? Auch 2009 gab es einige Gelegenheiten, die beiden markantenGebäude – das klassizistische Schloss und das moderne Einraum museumam Löwentor – und ihre Ausstellungen auf andere Weise zu erleben. Vieles, wennauch nicht alles, stand im Darwinjahr 2009 natürlich im Zeichen des großenNaturforschers.DarwinianaZwar haben wir unsere große Sonderausstellung„Der Fluss des Lebens – 150 JahreEvolutionstheorie“ S. 6 erst am 30. Septembereröffnet, ins Darwinjahr starteten wiraber natürlich früher.Bereits am 23. Januar veranstaltete SWR 2,einer der Medienpartner für die Ausstellung,eine Podiumsdiskussion im Walsaal.Gábor Paál moderierte ein engagiertesStreitgespräch zwischen Prof. Manfred Milinski(Max-Planck-Institut für EvolutionsbiologiePlön), Prof. Thomas Junker (UniversitätTübingen) und Prof. Joachim Bauer(Universität Freiburg) unter dem Titel „Allesnur ein großer Kampf? Die wahren Gewinnerder Evolution“.Zum 200. Geburtstag Charles Darwins am12. Februar luden wir bereits am Nachmittagzu einer Geburtstagsparty ein. Dabei ginges natürlich auch ums Kuchenessen. Abernur in zweiter Linie. In erster Linie wurdeder Route der großen Seefahrt des Naturforschersim <strong>Museum</strong> nachgereist und seineIdeen in einem Kinderuni-Vortrag vorgestellt.Abends beehrte der Jubilar dann persönlichseine Geburtstagsgäste im bis auf den letztenPlatz gefüllten Walsaal des Schlosses.Arnold Staniczek, im richtigen Leben Spezialistfür Wasserinsekten am <strong>Museum</strong>, fülltedie Rolle mit Leben und streute unterhaltsameDarwin-Zitate in die Geburtsvorlesungvon Ulrich Schmid.Das zweite Jubiläum stand am 24.Novemberan: der 150. Geburtstag der DarwinschenEvolutionstheorie, die Publikationvon „The Origin of Species“ (Die Entstehungder Arten). Das nahmen wir zum Anlass,eine Diskussion zu veranstalten, beider Evolutionsbiologen und prominenteVertreter des „Intelligent Design“ auf demPodium saßen: Genügen die Naturgesetze,um Leben und Evolution zu erklären, oderbrauchen wir eine planenden Geist dahinter?Die Antwort der Wissenschaftler istklar und eindeutig: Darwin hat im Prinzipdie richtigen Antworten und Impulse gegeben;in 150 Jahren intensiver Forschungwurde seine Theorie ständig überprüft, ausgebautund verfeinert. Sie gehört heute zuden best fundierten Theorien der Wissenschaft.Übernatürliche Erklärungen brauchenwir dazu nicht.Ideenwettbewerb „Evolution heute“Zum Darwinjahr 2009 veranstaltete die VolkswagenStiftungden Ideenwettbewerb „Evolutionheute“ mit dem Ziel, das Thema breitund originell „unter die Leute“ zu bringen.Aus der Vielfalt der eingereichten Projektewurden zwölf ausgewählt und mit je 100 000Euro unterstützt, darunter unsere Ausstellung.Bei der Abschlussveranstaltung desWettbewerbs am 10.–11. Dezember wurdendie geförderten Projekte im Veranstaltungszentrum„Expowal“ in Hannover vorgestellt.Die erfreuliche Bilanz: Insgesamt wurdenweit über eine Million Menschen auf unterschiedlicheArt und Weise mit dem Thema„Evolution“ konfrontiert – viele davon aufder „Beagle“ im Schloss Rosenstein.SchlangenlinienDie Lange Nacht der Museen am 21. Märzstand ganz im Zeichen der Schlange – passendzu unserer laufenden Sonderausstellung„Schlangenlinien“ S.17 über die Natur- undKulturgeschichte dieser Reptilien, die niemandenkalt lassen. Um auch ja kein Klischeeauszulassen (oder zurechtzurücken) hieß dasThema des Abends „Welcome to the RattlesnakeSaloon“ und umfasste ein Wiedersehenmit John Wayne, Bullriding, Hufeisenwerfen,Live-Saloonmusik und eine Schlangentänzerinebenso wie eine augenzwinkernde Führung„Unter Geiern“ und natürlich jede Mengefundierte <strong>Naturkunde</strong>, vermittelt durchdie Schlangenexperten des <strong>Museum</strong>s.Wie schon in den letzten Jahren begann dieLange Nacht für die Erwachsenen erst um50 51


Sommerfest<strong>Museum</strong> unterwegs19 Uhr, die für Kinder bereits um 17 Uhr miteinem spannenden Programm. Als Belohnungenwinkten Hilfssheriff-Sterne und –für ganz Mutige – Schlangenstreicheln.Um Schlangen ging es auch bei unseremAktionstag zur Sonderausstellung am 10.Mai. Den gleichzeitigen Muttertag würdigendunterbreiteten wir allen Müttern einspezielles Angebot: eine Tasse Kaffee zurEntspannung und eine Führung zum Thema„Mutterliebe im Tierreich“. Währenddessenkonnten Kinder (und Männer) allein auf Tourdurchs <strong>Museum</strong> gehen: Mit dem Forschertagebuchauf den Spuren eines verschollenenSchlangenforschers. Ins Schlangenkino.Auf Schlangenführungen. Mit allenspeziellen Fragen zum Schlangenexperten.Oder an einen unseren Aktionstische, wosie Daumenkinos oder Schlangenarmbänderherstellen konnten.„Wächter der Wüste“: Als abschließendenHöhepunkt unseres traditionellen Sommerfestes– dieses Jahr am 21. August – im undvor dem Schloss Rosenstein gab es wie immerOpen-Air-Kino mit einem faszinierendenTierfilm für die ganze Familie. Im Zentrumstanden die „Wächter der Wüste“, die durchein hoch interessantes Sozialverhalten bekanntgewordenen Erdmännchen, eine kleineRaubtierart des südlichen Afrikas. In dieafrikanischen Wüsten und Savannen führtenauch die Sonderführungen als Teil des umfangreichenFestprogramms.EDifferent events are hosted by the museumeach year: ‘Darwin‘ was the overarchingtheme of 2009, the ‘Long Night of <strong>Museum</strong>s‘was celebrated under the motto ‘Welcometo the Rattlesnake Saloon‘, and the openaircinema screened the movie ‘The Meerkats‘in summer.Natürlich schätzen wir es besonders, wennBesucher ins <strong>Museum</strong> kommen. Aber wirgehen auch gerne nach außen. Stellvertretendfür zahlreiche Aktivitäten im Jahr2009 zwei Beispiele.<strong>Stuttgart</strong>er StiftungstagIm Forum der Landesbank Baden-Württemberg(LBBW) trafen sich am 13. Novemberhochrangige Vertreter von Stiftungen ausdem ganzen Land. Die das Treffen ausrichtendeLBBW-Stiftung organisierte verschiedeneVeranstaltungen, die ihr Förderprofilwiderspiegeln sollten. Im Workshop „Klimawandel– Manche mögen’s heiß. Ursachenund Wirkungen des Klimawandels globalund lokal“ beleuchteten Wissenschaftler desStaatlichen <strong>Museum</strong>s für <strong>Naturkunde</strong> unterder Moderation von Gábor Páal (SWR2) verschiedeneAspekte des Phänomens.Objekte aus den Sammlungen des <strong>Museum</strong>s– Herbarbelege und Tierpräparate, Fossilienund Sedimente – leisten einen wesentlichenBeitrag zur Erforschung der Vorgänge, dieheute als Klimawandel bezeichnet werden.Die über lange Zeiträume hinweg gesammeltenObjekte und Daten sind eine der wichtigstenkonkreten Quellen für fundierte Aussagenüber klimatische Veränderungen.MessenJedes Jahr ist das <strong>Museum</strong> auf mehrerenFachmessen über Fossilien und Mineralienmit kleinen Ausstellungen, informativenStänden, Vorträgen und Vor-Ort-Beratungvertreten. Im Jahr 2009 waren wir zusammenmit anderen großen Museen auch aufeiner großen Publikumsmesse (CMT) auf derNeuen Messe <strong>Stuttgart</strong> präsent, um über unsereAngebote zu informieren.52 53


LeuteNicht nur Exponate, auch Menschen prägen ein <strong>Museum</strong>, manche von ihnen überJahrzehnte: eine kleine Vorstellungsrunde derer, die im Jahr 2009 zum <strong>Museum</strong>steamdazugestoßen sind oder es verlassen haben.Nach fast 40 Jahren als paläontologischerPräparator ist Peter Riederle seit 1. Juli2009 in Altersteilzeit. Ihn als „paläontologischesUrgestein“ zu bezeichnen, ist kaumübertrieben – obwohl er ursprünglich eigentlichzoologischer Präparator werden wollte.Seine Berufslaufbahn startete er noch in Ludwigsburg,wo die paläontologischen Sammlungendes <strong>Museum</strong>s ein jahrzehntelangesNachkriegsexil durchlitten, bis 1985 das <strong>Museum</strong>am Löwentor eröffnet wurde.Egal ob im Freiland bei einer der großen Grabungskampagnenwie in Kupferzell (1976),Langenau (1977) und Ulm-Westtangente(1987) oder bei der akribischen und oft langwierigenPräparation überwiegend fossilerSäugetiere – Peter Riederle gehörte zu denengagiertesten Mitarbeitern der Abteilung.Auch in der Ausstellung hat er bleibende Spurenhinterlassen. Zu seinen Werken zählendas Hauerelefanten-Skelett (Abguss, Ergänzungenund Montage) ebenso wie eine täuschendecht aussehende Muschelkalk-Steinbruchwandoder das lebensechte Modell derurtümlichen Schildkröte Proganochelys imStubensandstein-Diorama.Nachfolgerin von Peter Riederle ist MaritKamenz, die am Senckenbergmuseum inFrankfurt zur geologisch-paläontologischenPräparatorin ausgebildet wurde. Sie arbeitetbereits seit 2004 im <strong>Museum</strong> in <strong>Stuttgart</strong>und hat neben der klassischen Präparationmesozoischer Wirbeltiere Skelettmontagengefertigt und sowohl Modelle als auchDioramen gestaltet. Zukünftig werden verstärktpaläobotanische Präparationen zuihren Aufgaben gehören.Seit 1.4.2009 gehört die PaläobotanikerinPD Dr. Anita Roth-Nebelsick zum Teamdes <strong>Naturkunde</strong>museums. Nach Studiumund Promotion in Bielefeld, Köln, Bonn undTübingen arbeitete sie viele Jahre in For-schungsprojekten an der Universität Tübingen.Ihr Interesse gilt dabei vor allem demGasaustausch (Photosynthese/Transpiration)und dem Wassertransport bei fossilenund rezenten Pflanzen. Beides steht in engemZusammenhang mit Lufttemperatur,-feuchtigkeit und CO 2-Gehalt, Niederschlag,Jahreszeiten – kurz: mit den wichtigstenklimabestimmenden Werten. Im Lauf derErdgeschichte haben sich die klimatischenBedingungen immer wieder extrem geändert.Eine dieser Veränderungen ist geradeim Gang – Stichwort „Klimawandel“. Ganzgrundsätzliche Fragen erhalten dadurchhöchst aktuelle Bezüge. Wie funktioniertenPflanzen unter den Bedingungen von hohembis sehr hohem atmosphärischem CO 2-Gehalt? Wie wirkten sich die verschiedenenPaläoklimabedingungen auf die pflanzlicheArchitektur aus? Inwiefern können fossilePflanzen zur Rekonstruktion von früherenKlimabedingungen genutzt werden?Auch im technischen Bereich gab es Veränderungen:Siegfried Müller, der seit 1994im <strong>Museum</strong> am Löwentor für widerstandslosenStromfluss sorgte, ist in Altersteilzeit.Sein Nachfolger als Hauselektriker istseit 1.3.2009 Peter Gräff.Thomas Grabert hatte bis zum 1.11.2009 eineHalbtagsstelle im <strong>Museum</strong> und unterstützteuns über mehr als fünf Jahre bei technischenArbeiten, in erster Linie beim Ausstellungsbau.Sein Engagement erschöpfte sich nichtim Bedienen der Maschinen in der <strong>Museum</strong>sschreinerei.Bereits im Planungs stadiumneuer Sonderausstellungen bereicherte erdie Diskussionen durch zahlreiche Ideen –wir sind sicher, das wird ihn auch an seinerneuen Wirkungsstätte in der Kreativen Werkstattder Diakonie Stetten beflügeln!1650 laufende Fachzeitschriften bilden denKern der <strong>Museum</strong>sbibliothek. Die täglichstapelweise eintreffenden Hefte ergeben,zusammen mit den neuen Büchern, einenjährlichen Bestandzuwachs von über 30 Regalmetern.Hier genügen ein paar lässlicheUngenauigkeiten, um dem Chaos Tür und Torzu öffnen. Nicht bei Vera Hyca, seit 1992am <strong>Museum</strong>, seit 1995 im Bibliotheksteam.Mit absoluter Zuverlässigkeit erledigte siealles von der Eingangskontrolle über dasBeschriften bis zum Einräumen. Der Bibliothekund allen ihren Nutzern fehlt sie seitihrem Eintritt in den Ruhestand im September2009.Peter Riederle Marit Kamenz Anita Roth-Nebelsick Siegfried Müller Peter Gräff Thomas Grabert Vera Hyca54 55


FördererOhne sie wäre vieles nicht möglich: Die Gesellschaft zur Förderung des <strong>Naturkunde</strong>museums<strong>Stuttgart</strong> e.V. unterstützt das <strong>Museum</strong> in allen seinen Aufgaben, beider Beschaffung wertvoller Fossilien und anderer Sammlungen für Forschung undAusstellung ebenso wie im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit.Einige der im Jahr 2009 geförderten Projekte stellen wir hier vor.SammlungDer fossile Hai Hybodus fraasi, der durcheine Spende der Förderer erstanden werdenkonnte, ist zwar nach dem berühmtenPaläontologen und Direktor des <strong>Stuttgart</strong>erNaturalienkabinettes (des heutigen Staatlichen<strong>Museum</strong>s für <strong>Naturkunde</strong> <strong>Stuttgart</strong>)Eberhard Fraas benannt. Das <strong>Museum</strong> besaßaber bisher kein Exemplar dieses äußerstseltenen kleinen Hais. Er gehört zueiner Gruppe ausgestorbener Haie, die vonder Karbon- bis zur Kreidezeit gelebt habenund als Schwestergruppe der heute lebendenHaie und Rochen gelten. Hybodus fraasi,der aus dem Oberen Jura von Solnhofenstammt, ist mitsamt seinen in den <strong>Stuttgart</strong>erSammlungen bereits gut vertretenenälteren Verwandten aus dem Unteren Juravon Holzmaden ein wichtiges Objekt fürdie Arbeitsgruppe von PD Dr. Jürgen KriwetS. 26, die sich intensiv mit der Evolutionder Haie beschäftigt.ForschungsprojekteDie miozänen Steinheimer Schnecken sindtraditionell Gegenstand von Forschungenam <strong>Museum</strong>, seit Franz Hilgendorf seineninzwischen weltweit berühmten ersten Fossilien-Stammbaumder Steinheimer Schneckenerarbeitet hat, ein unscheinbares, mitOriginalfossilien beklebtes Kärtchen, das alseines der Highlights in unseren Sammlungengilt Jahresbericht 2006, S. 28.Um Vergleichsmaterial und Daten für das Forschungsprojekt„Evolution durch Isolation“zu erhalten, reiste PD Dr. Michael Rasser mitfinanzieller Hilfe der Förderer an den mazedonischenOhrid-See, der in mancherlei Hinsichtmit dem miozänen See von Steinheimvergleichbar ist. Aus den Merkmalen der dortebenfalls in zahlreichen Arten evolviertenSüßwasserschnecken können Rückschlüsseauf die Verhältnisse in Steinheim vor 14–15Millionen Jahren gezogen werden.Die größte einheimische Schneckenart, derüber 20 cm lang werdende Schwarze Schnegel(Limax cinereoniger), ist Gegenstand eineraktuellen genetischen Untersuchung,um ihre Abstammung, Verwandtschaft undVerbreitung zu klären. Die Förderer ermöglichtendie aufwendigen Untersuchungen,die Hans-Jörg Niederhöfer und Dr. Mike Thivim Labor durchführen.ForschungsreisenNaturkundliche Erkenntnisse können nichtnur am Schreibtisch und im Labor gewonnenwerden. Zahlreiche Fragen der modernenBiodiversitätsforschung lassen sichnur durch Freilandarbeit beantworten. VieleWissenschaftler finanzieren einen Teil ihrerForschungsreisen aus eigener Tasche.Die Förderer helfen, wo es geht. Im Jahr2009 wurde eine Expedition des KäferspezialistenDr. Wolfgang Schawaller nach KirgisienS. 33 ebenso bezuschusst wie eineSammelexkursion von Dr. Lars Krogmannnach Südaustralien. Dort war er von Kollegender Universität Adelaide eingeladenworden, die Inselfaunen von Kangaroo Islandund Neukaledonien mit zu erfassen. DieHautflüglerfauna beider Gebiete ist bislangwenig bearbeitet und verspricht viele neueArten. Besonders die Wespenfauna nahm LarsKrogmann bei seiner Reise unter die Lupe.Durch Sondergenehmigungen war es möglich,Teile der wissenschaftlichen Ausbeutein die Sammlung des <strong>Museum</strong>s in <strong>Stuttgart</strong>zu transferieren.PublikationenÜber den großen internationalen entomologischenWasserinsekten-Kongress (12 thInternational Conference on Ephemeroptera& 16 th International Symposium onPlecoptera) haben wir im letzten JahresberichtS. 38 berichtet, über den dazu erschienenenumfangreichen Tagungsband indiesem S. 41. Die Gesellschaft zu Förderungdes <strong>Naturkunde</strong>museums ermöglichte durcheinen Zuschuss den Druck des 750 Seitenstarken Werks.Auch der Druck der populärwissenschaftlichenReihe der <strong>Stuttgart</strong>er Beiträge zur<strong>Naturkunde</strong> (Serie C) wird von den Förderernfinanziert. Im Jahr 2009 erschien derDoppelband „Evolution – Der Fluss des Lebens“(Band 66/67) S. 45 und der Jahresbericht(Band 68).GrabungenDie auf S. 37 vorgestellte Grabung in derTongrube „Unterfeld“ bei Frauenweiler wurdevon den Förderern unterstützt. Hier arbeitenWissenschaftler aus mehreren Institutionenan der Rekonstruktion eineskomplexen Lebensraumes. Mit dabei sinddie Paläobotanikerinnen Prof. Dr. JohannaEder und PD Dr. Anita Roth-Nebelsick, dieeinen Grabungshorizont mit qualitativ undquantitativ bedeutenden Funden fossilerBlätter aufarbeiten und auswerten.56 57


Zu guter LetztWissenschaftlicher AustauschSeit dem Jahr 2007 läuft am Staatlichen <strong>Museum</strong>für <strong>Naturkunde</strong> <strong>Stuttgart</strong> ein langfristigesKooperationsprojekt mit der ShenyangNormal University in Nord-China. Unter anderemwar bereits Dr. Rainer Schoch, der Saurierexpertedes <strong>Museum</strong>s, mehrere Wochenvor Ort, um sich mit den chinesischen Kollegenauszutauschen und diese zu beraten. ImSeptember 2009 erfolgte der Gegenbesuch.Neben wissenschaftlichem Austausch, demBesuch der Sammlungen des <strong>Museum</strong>s und derVorbereitung einer gemeinsamen Publikationhatten die Gastwissenschaftler Gelegenheit,einige der berühmten Grabungsstellendes <strong>Museum</strong>s zu besuchen. Die Fördergesellschafthat den Aufenthalt der Gastwissenschaftlerin <strong>Stuttgart</strong> ermöglicht.VeranstaltungenIm Vorfeld der Schlosskonzerte mit dem Ensemble„Poetrio Brasilis“ (10. Juni) und zumThema Wein unter dem Motto „Funkelnd wieein Sohn der Sonne“ (24. Juni) waren die Mitgliederder Fördergesellschaft zu einem Empfangund einem besonderen Programmpunkteingeladen. Dr. Günter Bechly gab Einblickein die von der Gesellschaft im Jahr 2008 erworbeneBernsteinsammlung und Prof. Dr.Johanna Eder stellte in Anlehnung an denneu erschienenen Band „Gehölze“ der Stutt-garter Beiträge zur <strong>Naturkunde</strong> eindrucksvolleBäume im Rosensteinpark vor.Veranstaltungen für FördererFür die Mitglieder des Fördervereins gibtes immer wieder exklusive Veranstaltungenwie beispielsweise eine eintägige Exkursionnach Frankfurt. Im Rahmen des Darwinjahres2009 besuchten 24 Mitglieder am14. März die Ausstellung „Darwin. Kunstund die Suche nach den Ursprüngen“ in derSCHIRN Kunsthalle Frankfurt, danach standein Besuch der Tiefseeausstellung im Senckenberg<strong>Museum</strong> auf dem Programm. <strong>Museum</strong>sleiterDr. Bernd Herkner öffnete fürdie Mitglieder der Gesellschaft ausnahmsweiseauch den neuen Tiefspeicher des <strong>Museum</strong>sund gab interessante Einblicke hinterdie Kulissen.Ebenfalls passend zum Darwinjahr undnicht weniger exklusiv: Eine Übernachtungfür Kinder an Bord der „Beagle“ vom 4. aufden 5. Dezember.EThe ‘Gesellschaft zur Förderung des <strong>Naturkunde</strong>museumsin <strong>Stuttgart</strong> e.V.’ supportsthe museum in many ways and sponsors bothscientific work and public education.... neulich bei EbayDa staunte der Entomologe und WasserinsektenspezialistDr. Arnold Staniczek nichtschlecht: Beim Internet-Auktionshaus Ebaystolperte er über ein merkwürdiges Angebot:Eine Fossilienhändler aus Litauen hatteeine in baltischen Bernstein eingeschlosseneEintagsfliege eingestellt.Und zwar nicht irgendeine, sondern genaudas Stück, das in einer zu diesem Zeitpunktnoch in Druck befindlichen Arbeit eben erstneu beschrieben und als Holotyp einer neuenArt deklariert wurde. Zur Erinnerung: EinHolotyp ist das weltweit einmalige „Eichstück“für eine Art. Holotypen haben einenbesonders hohen wissenschaftlichen Wert.Sie sollten unbedingt in öffentlich zugänglichenSammlungen archiviert werden undder Forschung verlässlich und „für immer“zur Verfügung stehen. Verschwinden Holotypenin Privatsammlungen, ist beides nichtgewährleistet.Wer Ebay kennt, weiß: Die Uhr tickt erbarmunglos.In seiner Not wandte sich ArnoldStaniczek an die Gesellschaft zur Förderungdes <strong>Naturkunde</strong>museum. Die sicherteihm kurz entschlossen die Finanzierung desnicht ganz billigen Fossils zu – und seitdemverstärkt die stammesgeschichtlich hochinteressanteBalticobaetisca, eine alte Europäerin,deren Verwandte heute nur noch inNordamerika leben, die international bekannte<strong>Stuttgart</strong>er Bernsteinsammlung.EBy chance and just in time, Dr. Arnold Staniczekdiscovered on eBay a fossil mayfly inBaltic amber, which he recognized as beingillustrated in a new species description alreadyin print. To secure this important to-beholotype for science, he contacted the ‘Societyof the Friends of the <strong>Museum</strong>‘, whichfinanced the purchase of Balticobaetiscastraight away.58 59


<strong>Museum</strong> in ZahlenBesucher im Jahr 2009Insgesamt: 193 288<strong>Museum</strong> am Löwentor: 91 995<strong>Museum</strong> Schloss Rosenstein: 101 293Schüler in Schulklassen: 30 324 (15,7%)Zweigstellen: 17 177<strong>Museum</strong> im Kräuterkasten, Albstadt: 990Federseemuseum, Bad Buchau (anteilig): 7112<strong>Museum</strong> für Brückenbau, Braunsbach: 788Meteorkrater-<strong>Museum</strong>, Steinheim a.A.: 3588Urmensch-<strong>Museum</strong>, Steinheim Murr: 4596Heimatmuseum Auberlehaus, Trossingen: 0(wegen Umbauarbeiten bis 2010 geschlossen)Hohenloher Urweltmuseum, Waldenburg: 153<strong>Museum</strong>spädagogik in ZahlenFührungen und Aktionen für Vorschulkinder: 69Themenorientierte Führungenund Projekte für Schüler (Kl.1–13): 781Führungen für Erwachsene,öffentliche Familienführungen etc.: 268<strong>Museum</strong>spädagogische Projekte undAktionen (öffentliche <strong>Museum</strong>sstunden,Ferienprogramme, Kindergeburtstage etc.): 608<strong>Museum</strong>spädagogischer Dienst derStadt <strong>Stuttgart</strong> (Führungen und Projekte): 317Seminare und Veranstaltungen für AusundWeiterbildung: 46Förderer und SponsorenSparkassenverband Baden-Württemberg,VolkswagenStiftung, NachhaltigkeitsstrategieBaden-Württemberg, Stiftung LandesbankBaden-Württemberg, PE International, IndustrieverbandSteine Erden, Gesellschaft zurFörderung des <strong>Naturkunde</strong>museums <strong>Stuttgart</strong>e.V.Kooperationspartner (Ausstellungen)SWR2, Spektrum der Wissenschaft, StröerDeutsche Städte Medien GmbH, VerkehrsundTarifverbund <strong>Stuttgart</strong>, <strong>Stuttgart</strong>Marketing GmbH, Stadt <strong>Stuttgart</strong>, <strong>Museum</strong>für <strong>Naturkunde</strong> Berlin, Wilhelma, Universität<strong>Stuttgart</strong>, Universität HohenheimDrittmittelgeberBundesministerium für Wissenschaft undForschung (BMWF); Deutsche Forschungsgemeinschaft(DFG); Europäische Kommission(Generaldirektion Bildung und Kultur),Landesanstalt für Umwelt, Messungen undNaturschutz Baden-Württemberg (LUBW);Ministerium für Ernährung und LändlichenRaum Baden-Württemberg (MLR)MitarbeiterZahl der Stellen laut Stellenplan 2008: 70Zahl der fest angestellten Mitarbeiter: 79davon Wissenschaftler: 22 (in den fachwissenschaftlichenAbteilungen und der Direktion)davon Präparatoren: 25Mitarbeiter in den AbteilungenDirektion / Vorzimmer: 2Verwaltung, EDV, Haustechnik 16Abteilung Bildung und Öffentlichkeitsarbeit:<strong>Museum</strong>spädagogik, Presse, Marketing,Grafik, Fotografie, Bibliothek 12Abteilung Botanik:Wissenschaftler 3Präparatoren/techn. Personal 4Abteilung Entomologie:Wissenschaftler: 4Präparatoren/ techn. Personal 5Abteilung Paläontologie:Wissenschaftler: 8Präparatoren/ techn. Personal 10Abteilung Zoologie:Wissenschaftler 5Präparatoren / techn. Personal 6wissenschaftliche Volontäre 14technische Volontäre 4Digitale Sammlungserfassung 3 (2 befristet)Über Drittmittel Beschäftigte 12Ehrenamtliche 116Freie Mitarbeiter der <strong>Museum</strong>spädagogik 14Aufsicht 46Reinigungsdienst 2Fundbergungen, Grabungen undgeologische ExkursionenDeutschland: Dußlingen, Frauenweiler, Gussenstadt,Kirchberg, Nusplingen, Pfaffenhofen,Randecker Maar, TrossingenAußereuropäisch: SüdafrikaBiologische Forschungsreisen(international)Deutschland: Kaiserstuhl, Markgröningen,Neckar-Odenwald-Kreis (Eberstadter Tropfsteinhöhle)Nordschwarzwald, Ober-Krummbach(bei Nürnberg), Rottal, Schwäbisch-FränkischerWald, Weil am Rhein (Tschamberhöhle)Europa: Frankreich (Nationalpark Mercantour),Spanien (Provinz Salamanca)Außereuropäisch: Brasilien (Rio Grandedo Sul und Santa Catarina), Kirgisien,USA (Palm Desert National Park, Kalifornien),Südaustralien und Neukaledonien,Südafrika (Tsitsikamma National Park)HaushaltHaushaltsansatz Sachmittel: 1 203 700.- *Einsparauflagen durch das Land: 173 100.-Eintrittsgelder, Vermietungen etc.: 280 255.-Eingeworbene Drittmittel für Forschung: 355 140.-Weitere eingeworbene Drittmittel: 161 548.-* inklusive Sondermittel für Brandmelde anlage undEin richtungsmaßnahmen im Bereich Löwentor (Kompaktanlagen)Mitarbeiter des <strong>Naturkunde</strong>museums...... publizierten 113 fachwissenschaftlicheund 58 populärwissenschaftliche Artikelund Bücher... leiteten 8 Exkursionen ( darunter3 wissenschaftliche)...hielten 55 (26 wiss. + 29 popul.) Vorträgeam <strong>Museum</strong> und anderen Institutionen… präsentierten 58 Vorträge und Poster aufnationalen und internationalen Tagungen... nahmen Lehraufträge wahr an denUniversitäten <strong>Stuttgart</strong>, Hohenheim,Tübingen, Heidelberg und Berlin, an derFH Freiburg und der HfWU Nürtingen... betreuten 96 Wissenschaftler ausdem In- und 88 aus dem Ausland... organisierten 8 wissenschaftliche TagungenMitarbeiter des <strong>Museum</strong>s sindRedakteure oder (Mit)Herausgeberfolgender Zeitschriften<strong>Stuttgart</strong>er Beiträge zur <strong>Naturkunde</strong>Serie A (Biologie): Peter TschorsnigSerie C (Wissen für alle): Ulrich SchmidPalaeodiversity: Ronald BöttcherActa Conchyliorum: Hans-Jörg NiederhöferAquatic Insects – International Journal ofFresh water Entomology: Arnold StaniczekClub Conchylia Informationen:Hans-Jörg Nieder höferCybium: Ronald FrickeDraco: Axel KwetFossil Record: Rainer SchochFossilien: Günter SchweigertInsect Systematics & Evolution:Lars KrogmannInternational Organisation of PalaeobotanyNewsletter: Johanna EderMitteilungen des EntomologischenVereins <strong>Stuttgart</strong>: Johannes Reibnitzund Wolfgang SchawallerNeues Jahrbuch für Geologie und Paläontologie:Günter SchweigertPalaeodiversity: Rainer SchochPaläontologische Zeitschrift: Jürgen KriwetReptilia: Axel KwetStudies on Neotropical Fauna andEnviron ment: Andreas SchlüterTerraria: Axel KwetTheses Zoologicae: Ronald FrickeVolucella: Ulrich SchmidIn Redaktionsbeiräten / Editorial Boardswissenschaftlicher Zeitschriften arbeiten mit:G. Bechly, J. Eder, J. Kriwet, A. Kwet, D. Mörike,W. Schawaller, A. Schlüter, U. Schmid,R. Schoch, G. Schweigert, F. Woog, R. Ziegler61


ImpressumLieferbare Hefte<strong>Stuttgart</strong>er Beiträge zur <strong>Naturkunde</strong>Serie C – Wissen für alle, Band 69, 2010Herausgeber: <strong>Staatliches</strong> <strong>Museum</strong> für <strong>Naturkunde</strong> <strong>Stuttgart</strong> undGesellschaft zur Förderung des <strong>Naturkunde</strong>museums in <strong>Stuttgart</strong> e.V.© 2010, alle Rechte vorbehaltenRedaktion: Ulrich SchmidGestaltung: Julia GritzkaDruck: Ungeheuer und Ulmer, LudwigsburgLieferbar nur vom Herausgeber.Herausgeber, Redaktion und Autoren sind zu erreichen unter:<strong>Staatliches</strong> <strong>Museum</strong> für <strong>Naturkunde</strong> <strong>Stuttgart</strong>Rosenstein 1, 70191 <strong>Stuttgart</strong>, Tel 0711/ 89 36-0, Fax 0711/ 89 36-100www.naturkundemuseum-bw.deBildquellenAtelier Brückner: S. 17 (l.); R. Böttcher: S. 21, 39 (o.); R. Baumann: S. 4 (l.), 6 (l.); M. Grein: S.37; J. Gritzka: S. 1, 2, 5 (l.), 6 (r.), 7, 8, 9 (l.), 10 (r.), 11, 12, 13, 15, 17 (r.), 19, 42, 46, 47 (l.),48 (l.), 49, 51 (r.), 52, 54, 55, 58, 64; J. Holstein: S. 40; A. Ilg: S. 24, 36; C. Joachim: S. 14 (u.);D. Katterfeldt: S. 28, 29; J. Kriwet: S. 26, 27; L. Krogmann: S. 57; U. Lauxmann: S. 41 , 48 (r.), 50(l.); S. Leidenroth: S. 53 (r.); K. Mebert: S. 30 (r.), 31; A. Meniconzi: S. 16 (r.); H.-J. Niederhöfer:S. 56; M. Rasser: S. 38, 39 (u.); T. Rathgeber: S. 4 (r.), 14 (o.), 18; M. Rech: S. 50 (r.), 53 (l.); W.Schawaller: S. 33; A. Schlüter: S. 30 (l.); U. Schmid: S. 9 (r.); U. Schmidt: S. 20 (u.); R. Schoch: S.23; A. Staniczek: S. 59; U. Stübler: S. 16 (l.), 25, 47 (r.); T. Tischlinger: S. 5 (r.), 24; T. Wilhelm: S.10 (l.), 51 (l.); K. Wolf-Schwenninger: S. 20 (o.); F. Woog: S. 32Umschlagsgestaltung: J. Gritzka; Coverfoto: J. Gritzka; Gebäudeaufnahmen (M): R. HarlingInnenaufnahmen Schloss Rosenstein: J. Gritzka; <strong>Museum</strong> am Löwentor: C. Joachim (Korallen,Belesodon), U. Schmid (Steinheimer Schädel)4 Ammoniten, 3.– 5 Pflanzenwelt im Wandel, 3.– 6 Meteorite und Meteorkrater, 3.–9 Beuteltiere, 3.– 10 Vogelnester und Gelege, 4.– 12 Flechten, 4.– 13 Höhlen, 3.–14 Winterschlaf, 3.– 15 Der Mensch im Eiszeitalter, 3.– 16 Staatenbildende Insekten und ihreBauten, 4.– 17 Asseln, 3.– 20 Vulkanismus, 4.– 21 Das <strong>Museum</strong> am Löwentor, 3.– 22 Umweltin Gefahr, 3.– 23 Der Weiße Jura der Schwäbischen Alb, 4.– 25 Das <strong>Stuttgart</strong>er Quartär, 4.–26 Spinnentiere, 4.– 27 Führer durch das <strong>Museum</strong> am Löwentor, 2.– 28 Das Bernstein-Kabinett,5.– 29 Heilpflanzen, 4.– 30 Aus der Geschichte des <strong>Stuttgart</strong>er <strong>Naturkunde</strong>museums, 4.–31 Bilder aus der Geschichte des <strong>Stuttgart</strong>er <strong>Naturkunde</strong>museums, 3.– 32 Mineralien in derTechnik, 4.– 33 Das Tertiär in Südwestdeutschland, 4.– 34 Schloß und Park Rosenstein, 4.–36 Der Posidonien-Schiefer und seine Fossilien, 4.– 37 Wirbellose Meeresbewohner, 6.– 38 DiePflanzenwelt Australiens, 4.– 39 Miozäne Großsäugetiere, 4.– 40 Auf gläsernen Schwingen:Schwebfliegen, 5.– 41 Mythos Schlange, 5.– 42 Parasiten, 5.– 43 Das Randecker Maar, 6.–44 Urmenschen, 5.– 45 Nusplinger Plattenkalk, 6.– 46 Tiere im Stadtpark, 7.– 47 Natur in derStadt, 7.– 48 Regenwald, 7.– 49 Ur-Geziefer, 7.– 50 Indikator Flechte, 7.– 51 Frösche und Co.,7.– 52 Mammut & Höhlenbär, 7.– 53 Eintagsfliegen, 7.– 54 Jahresbericht 2002, 1.–55 Jahresbericht 2003, 1.– 56 Farben der Natur, 7.– 57 Jahresbericht 2004, 1.– 58 Käfer imHolz, 7.– 59 Mineralien, 7.– 60 Jahresbericht 2005, 1.– 61 Kupferzell, 7.– 62 Jahresbericht2006, 1.– 63 Schloss Rosenstein, 7.– 64 Jahresbericht, 2007/2008, 1.– 65 Gehölze, 7.–66/67 Evolution, 12.– 68 Jahresbericht, 2008/2009, 1.–Heft Nr. Titel, PreisBestellungper Mail, Fax, Brief oder telefonisch an:Gesellschaft zur Förderung des<strong>Naturkunde</strong>museums <strong>Stuttgart</strong>Rosenstein 170191 <strong>Stuttgart</strong>Mail: museum.smns@naturkundemuseum-bw.deTelefon: 0711/89 36-115Fax: 0711/ 89 36-100Lieferung erfolgt gegen Rechnung20% Rabatt ab 10 Exemplareneiner Nummer62 63


<strong>Staatliches</strong> <strong>Museum</strong> für <strong>Naturkunde</strong> <strong>Stuttgart</strong>Am Löwentor64

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