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Kaleidoskop14 15„MEIN ROLLSTUHL IST FÜRMICH DAS, WAS ANDEREIHRE BEINE NENNEN“KaleidoskopSpastische Tetraplegie heißt ihr täglicherBegleiter, eine Krankheit, diebei ihrer Geburt vor 24 Jahren diagnostiziertwur<strong>de</strong> und sie seither an<strong>de</strong>n Rollstuhl bin<strong>de</strong>t. Marie-TheresWieme, Stipendiatin <strong>de</strong>r Studienstiftung<strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Volkes, studiertLiteratur und Medien an <strong>de</strong>r<strong>Uni</strong>versität Mannheim.Wanda schiebt zwei Stühle zur Seiteund an ihrer Stelle <strong>de</strong>n Rollstuhl an <strong>de</strong>nTisch. Dann hilft sie Marie, die Jacke auszuziehenund stellt sich in die Schlange hinterdie hungrigen Studieren<strong>de</strong>n, um Marieanschließend das Essen zu bringen. WandaWiniarek ist Maries Betreuerin – zusammensind sie ein eingespieltes Team. Mitan<strong>de</strong>ren Studieren<strong>de</strong>n sitzt Marie in <strong>de</strong>rMensa und macht Mittagspause. Der einzigeUnterschied zu <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren: Sie sitztim Rollstuhl.„Mein Kopf <strong>de</strong>nkt selbstständig“, lässtdie Stu<strong>de</strong>ntin uns wissen, „<strong>de</strong>nn ich organisiereund plane selbst“. Dies ist nicht zubestreiten, schließlich ist die seit 2007 an<strong>de</strong>r <strong>Uni</strong> Eingeschriebene mittlerweile imMasterstudium angekommen. Doch dassoll noch lange nicht das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r universitärenLaufbahn darstellen, <strong>de</strong>nn ihr Zielist es, zu promovieren. Da Geld nicht nurwährend <strong>de</strong>s Studiums eine große Rollespielt, kämpft die Stipendiatin für ihre zukünftigeUnabhängigkeit, in<strong>de</strong>m sie sichnach eigener Aussage „zu 150 Prozent“ aufihr Studium konzentriert: „Wenn ich imBerufsleben angekommen bin, möchte ich<strong>de</strong>m Staat das zurückgeben, was er mir finanziellermöglicht hat.“Bei Fragen können sich die Studieren<strong>de</strong>nan das Stu<strong>de</strong>ntenwerk Mannheim, dieSozialberatung und die Behin<strong>de</strong>rtenbeauftragtewen<strong>de</strong>n. Neben BAföG-Gel<strong>de</strong>rnkönnen Behin<strong>de</strong>rte und chronisch KrankeFör<strong>de</strong>rmöglichkeiten wie beispielsweiseBildungskredite, Studienkredite o<strong>de</strong>r Stipendienbeantragen.Parallel zu ihrem eigentlichen Studiumleitet Marie bereits jetzt ein Tutorium <strong>de</strong>renglischen und amerikanischen Literaturwissenschaft,um hier Erfahrungen für ihrenzukünftigen Beruf zu sammeln. „Zuerstwar ich überrascht und dachte, dass esSchwierigkeiten geben könnte“, gibt TutoriumsbesucherinDaria zu. Nach<strong>de</strong>m Marieallerdings ihr Können unter Beweis stellte,war die Lehramtsstu<strong>de</strong>ntin von ihrer Tutorinüberzeugt: „Jetzt kommt mir das völlignormal vor. Ich habe das Gefühl, sie setztsich richtig ein.“Und wie steht es mit einem Auslandsaufenthalt?Unsere Protagonistin ließ sichauch hier vom Schicksal keine Steine in<strong>de</strong>n Weg legen. Ihr Erasmus-Semester inSwansea hat sie sehr genossen. Kontaktezum Aka<strong>de</strong>mischen Auslandsamt, einedurchdachte Organisation sowie die Unterstützungdurch Familie und Behin<strong>de</strong>rtenbetreuungermöglichten ihr dies. „Dorthatten sie überall elektrische Türen. Selbstdie <strong>de</strong>r Abstellkammer wur<strong>de</strong> elektronischbetrieben“, berichtet die 24-Jährigeschmunzelnd.„Es wäre schön, wenn es mehrereAufzüge gäbe“Aus <strong>de</strong>r diesjährigen Stellungnahme<strong>de</strong>s Landtags über die „Situation von Studieren<strong>de</strong>nmit Behin<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r chronischerErkrankung an ba<strong>de</strong>n-württembergischenHochschulen“ geht hervor, dassMannheims Stu<strong>de</strong>ntenwohnheime 200barrierefreie sowie fünf rollstuhlgerechteWohnheimplätze anzubieten haben. Die<strong>Uni</strong>versität selbst besitze kaum noch Einrichtungen,die nicht barrierefrei seien.Auf einen Platz im Stu<strong>de</strong>ntenwohnheimist Marie nicht angewiesen, da sie beiihren Eltern in Ludwigshafen wohnt. Dochwie sieht es mit <strong>de</strong>r Barrierefreiheit auf <strong>de</strong>mCampus tatsächlich aus? „Wo ich hinkommenmuss, komme ich ohne Probleme hin.Was mich allerdings ärgert und auch oftdazu führt, dass ich zu spät zu Seminarenkomme, sind <strong>de</strong>fekte Aufzüge.“ Die Gegebenheitensind also da, nur an <strong>de</strong>r permanentenInstandhaltung mangelt es noch.„Es wäre schön, wenn es mehrere Aufzügegäbe, auf die im Falle eines Ausfalls zurückgegriffenwer<strong>de</strong>n kann“, so die Betroffene.Was ist eigentlich mit <strong>de</strong>m universitärenSport- und Freizeitangebot für Rollstuhlfahrer?Im Leitfa<strong>de</strong>n für behin<strong>de</strong>rteStudieren<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Stu<strong>de</strong>ntenwerks wird aufdiverse Sportangebote hingewiesen. „Ichbin kein sportlicher Mensch, das hat jedochnichts mit meiner Behin<strong>de</strong>rung zu tun“,bekennt Marie. „Ich kann wie je<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>reStudieren<strong>de</strong> Sport- o<strong>de</strong>r Freizeitaktivitätennachgehen, ich kann es nur nicht spontan,da ich auf an<strong>de</strong>re angewiesen bin.“ Dashält Marie jedoch nicht davon ab, an<strong>de</strong>renpotentiellen Studieren<strong>de</strong>n im RollstuhlMut zu machen: „Wenn jemand studierenmöchte, sollte er keine Hemmungen haben,dies auch zu tun. Die Voraussetzungist eine gute Planung und das Bewusstsein,dass das Studium neben <strong>de</strong>r Organisationeine geistige Verpflichtung abverlangt.“Der Teller ist leer, die Mittagspauseum. Wanda Winiarek trinkt ihren letztenSchluck Kaffee, bevor sie Marie wie<strong>de</strong>r inihre Jacke hilft und die zwei Stühle zurückin ihre Ausgangsposition beför<strong>de</strong>rt. „MeineBehin<strong>de</strong>rung ist nicht mein Problem,son<strong>de</strong>rn meine Aufgabe“, sagt Marie, dannmacht sie sich mit ihrer Betreuerin auf <strong>de</strong>nWeg in die nächste Vorlesung.Rebecca BierbrauerMitarbeit: Ulf ManholdMotiviert unterrichtet sie ihr Tutorium<strong>de</strong>r englischen und amerikanischenLiteraturwissenschaft: Marie-TheresWieme.

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