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Das Risiko der Gewaltfreiheit. Was können die Weltreligionen für ...

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<strong>Das</strong> <strong>Risiko</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewaltfreiheit</strong>In den Seligpreisungen <strong>der</strong> Bergpredigt (Mt 5, 3-10) heißt es: »Selig sindSanftmütige, sie werden das Erdreich besitzen« und »Selig sind Friedenstifter,sie werden Gottes Kin<strong>der</strong> heißen.« Diese Verheißungen sind ungeheuerlich:Jesus sagte den Sanftmütigen zu, dass sie durch Gewaltlosigkeit denErdkreis erobern werden. Nicht <strong>die</strong> römischen Heere, son<strong>der</strong>n <strong>die</strong> Sanftmütigenerobern das Land! Und Jesus sprach jedem, auch dem kleinstenFriedenstifter zu, dass er Gottes Sohn heißen werde – ein Prädikat, das nurdem römischen Kaiser zukam!Und in <strong>der</strong> 1., 5. und 6. Antithese (Mt 5, 21-26, 38-48) heißt es dann:»Wer mit seinem Bru<strong>der</strong> zürnt, ist des Gerichts und des höllischen Feuersschuldig« und: »Wi<strong>der</strong>stehet nicht dem Bösen; und wenn dich jemand auf<strong>die</strong> rechte Wange schlägt, dem biete auch <strong>die</strong> an<strong>der</strong>e dar« und »Liebt eureFeinde und bittet für <strong>die</strong>, <strong>die</strong> euch verfolgen«.Diese For<strong>der</strong>ungen Jesu lassen unseren Atem stocken: »Wer zürnt, tötetschon!« (1. Antithese). Radikaler, ja ›hinduistischer‹ o<strong>der</strong> ›buddhistischer‹kann eine For<strong>der</strong>ung nach Gewaltlosigkeit nicht aussehen. MahatmaGandhi hatte deshalb auch bekannt, dass er um <strong>der</strong> Bergpredigt willengerne Christ geworden wäre, aber angesichts <strong>der</strong> Kirchen davon Abstandgenommen habe. Jesus meinte es ernst: Verbale und psychische Gewaltkann auch töten, d.h. Christen sollen sich nicht nur physischer, son<strong>der</strong>nauch verbaler, psychischer, kultureller und struktureller Gewalt enthalten.Welch ein Anspruch!»Wi<strong>der</strong>stehet nicht dem Bösen!« (2. Antithese). Ist das nicht <strong>die</strong> absurdesteFor<strong>der</strong>ung, <strong>die</strong> man sich vorstellen kann? Ziel je<strong>der</strong> Friedensethikund Friedenspädagogik ist es doch, dem Bösen zu wi<strong>der</strong>stehen! Und nunfor<strong>der</strong>t Jesus, dem Bösen nicht zu wi<strong>der</strong>stehen! Wie kommt er dazu? Mankann es nur so verstehen, dass er den Anbruch des Reiches Gottes erwarteteund angesichts dessen auffor<strong>der</strong>te, Gott den Kampf gegen das Böse zuüberlassen. So ist m.E. auch seine absurd erscheinende Anweisung zuverstehen »Richtet nicht, damit nicht ihr gerichtet werdet!« (Mt 7, 1). Wirsollen Gott, meint Jesus, nicht das Richteramt wegnehmen, son<strong>der</strong>n ihm<strong>die</strong> Rechtsprechung überlassen. Er wird gerecht richten. Und auch <strong>die</strong>merkwürdige, unserer Ethik total wi<strong>der</strong>sprechende Auffor<strong>der</strong>ung »Sorgteuch nicht« (Mt 6, 25ff) ist m.E. nur so zu verstehen, dass wir Gott nichtdas Sorgerecht über uns entziehen sollten.Wie ist Jesu Erwartung »Liebt eure Feinde!« zu verstehen? Es gab undgibt nur wenige Christen, <strong>die</strong> <strong>die</strong>ser Erwartung gerecht wurden bzw.werden. Meistens sagen wir: Feindesliebe ist nicht realisierbar und auchnicht sinnvoll. Deshalb ersetzen wir sie durch eine stufenweiseEntfeindungsliebe: Schritt für Schritt sollten wir uns unseren Feindendurch symbolische Handlungen <strong>der</strong> Versöhnung annähern. Dazu bedarf eseiner kreativen und reichen Phantasie. Jesus hat sie selbst mit seinen Bei-177

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