6 IM FOKUSdie Konsolidierungsphase erreicht. Erbeschrieb vor kurzem, dass <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong>im Seetal von vielen mittlerweile alsPartnerin betrachtet werde: Das ist auchsein Verdienst. Und zur Kulturlandschaftgehört eben auch Kultur auf der Landschaft,z. B. Theater: Roger Hodels Darstellungdes Querkopfs Dällebach Kariim Theater Altishofen war eindrücklich.SumpfheidelibelleEin Quantum Querköpfigkeit brauchtdie konsequente Arbeit in einer Naturschutzorganisation.Man muss sich rechtoft quer zum Strom stellen. Die Organisationensind Anwältinnen einer Natur,die ihre eigenen Ansprüche nicht selbervertreten kann. Es braucht Mut, mit einerEinsprache im medialen Gegenwindzu stehen. Ich kenne keine und keinen,die/der solches gerne macht. Im Gegenteil.Mit einer Einsprache etwa gegendie Auswüchse des an und für sichspannenden Kultur-<strong>Pro</strong>jekts Tempelhofin Uffikon holt man sich keine Lorbeeren,aber wahrscheinlich Recht, wie meistens,wenn sich die Organisationen zueiner Einsprache entscheiden. Und immerwieder gegen die unsäglichen undbösartigen Unterstellungen anzukämpfen,dass die Organisationen Einsprachengegen Geld zurückziehen würden, kannschon ermüden. Es ist halt manchmalso, dass die Überbringerin der schlechtenNachricht – bedrängte Landschaft,bedrohte Artenvielfalt – anstelle der VerursacherPrügel bezieht. Das Beschwerderechtist wirkungsvoll für die Durchsetzungvon Umweltnormen, vor allempräventiv, denn der Respekt vor der Einsprachemöglichkeitlässt manchen <strong>Pro</strong>jekterarbeiterdie gesetzlichen Vorgabengenauer beachten oder die Organisationenschon von Anfang an mit einbeziehen.Die Umwelt- und Naturschutzgesetzesind ja nach wie vor wesentlichschärfer als die Umsetzung.Naturschutzorganisationen und lokaleGruppen sind für mich die Flaggschiffeim Naturschutz: Sie segeln voraus, nehmenImpulse von Interessierten und Naturschutzfachleutenauf, zeigen Notwendigkeitenauf und setzen sie um. Siekönnen dies aber nicht flächendeckendtun. Naturschutz ist Sache der Kantone.Flächendeckend sind sie verantwortlichund übernehmen oft diese Vorarbeit derOrganisationen oder wenigstens die Finanzierung.Aber unter der Finanzknappheitder öffentlichen Hand – im Kanton<strong>Luzern</strong> mit Steuersenkungen immerwieder künstlich angeheizt – besteht diegrosse Gefahr, dass staatliche Aufgabenan private Organisationen oder Gemeindenausgelagert werden. Zudem gibt esinnerhalb der Verwaltung widerstreitendeInteressen, wobei Naturschutz nichtdie stärkste Position hat. Nicht minderwichtig ist der Beitrag der Naturschutzorganisationenin der Öffentlichkeitsarbeit,in der Jugendarbeit und in der Begeisterungder Menschen für die Natur.Ich habe einmal eine Übersichtsfotodes Seetals aus den 1930er-Jahren gesehen:Unglaublich! Da war den Hängenentlang ein durchgehender Obstbaumwaldzu sehen, aus dem vereinzelteKirchtürme ragten, im Tal die offeneGraureiherRiedlandschaft. Dahin zurück gehen wirnicht mehr. Aber die typischen Elementeaus der Naturlandschaft – See, Verlandungsmoore,Fliessgewässer, Wälder,Tobel – und aus der traditionellen artenreichenKulturlandschaft – Streue- undMagerwiesen, Hecken, Hochstammobstgärten– sind die Richtschnur für die Naturschutzarbeit.Deshalb hat <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong>Seetal mit Beharrlichkeit und guter Zusammenarbeitmit allen Beteiligten inden letzten 13 Jahren an beiden SeeendenFeuchtgebiete aufgewertet und wiedergeschaffen, 3000 Hochstammobstbäumegepflanzt, sich kritisch mit derzu rigorosen Feuerbrandbekämpfungauseinandergesetzt, die Baldeggersee-Ufer wieder aufgelichtet, 3 KilometerHecken gepflanzt oder Most-Marketingbetrieben. Deshalb ist es richtig, dass <strong>Pro</strong><strong>Natura</strong> den Baldeggersee nicht verkauft.Sie ist Garantin, dass dieser kein Rummelplatzwird und von der Bevölkerungangemessen genutzt werden kann. Wennich mir das Seetal in Gedanken vorstelle,ist immer zuerst der See und dann die
IM FOKUS 7Ruhe auf dem See. Ich denke, das gehtvielen so. Der mittlerweile abgewehrteKaufangriff des Kantons war doppelzüngig,denn derzeit verkaufen Regierungund Parlament grundsätzlich alles,was nicht niet- und nagelfest ist. Und10 Millionen oder wie viel auch immerauszugeben, um dann dasselbe zu garantieren,was <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> schon von sich ausmacht, klingt in den Ohren eines Sparpaketgeeichten Politikers nicht wirklichglaubwürdig. So viel Sozialverantwortlichkeit,wie <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> für ihr Eigentumzeigt, würde ich mir von anderen Landeigentümernauch wünschen. Und suchenSie den Landeigentümer, der trotz«Eigenbedarf» die Mieterinnen, wie inden Familiengärten Ronfeld, rücksichtsvollnoch acht Jahre lang weiter gärtnernlässt, damit sie ausreichend Zeit haben,etwas anderes zu finden!Wer Bauzonen sät, erntet Verkehr und Zersiedelung.Das Seetal setzt auf Wohntal.Gemeint sind nicht diejenigen, die schonda sind, sondern ZuzügerInnen sollen angelocktwerden, vor allem reiche. Parlamentund Verwaltung stützen diesenWeg, obwohl er eigentlich nicht mit denGrundsätzen des Bundes für die Neue Regionalpolitikvereinbar ist. Im ländlichenRaum wären Nachhaltigkeit und regionaleWertschöpfungsketten gefordert undnicht Villen- und Einfamilienhauszonen.Landschaftsschutz und haushälterischerUmgang mit dem Boden sind im Kanton<strong>Luzern</strong> in der Praxis leider an einem kleinenOrt geschrieben. Im Standortwettbewerbdroht die Qualität, mit der man sichselbst anpreist und definiert, geopfert zuwerden. Die baldige Eröffnung der AutobahnKnonaueramt ist für die Landschaftdes Seetals ein Trauertag, für den Klimaschutzsowieso. Da ist es äusserst wohltuend,gibt es mit <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> im Seetal eineKraft, die sich kritisch querstellt undbeharrlich mit der Vision einer naturnahenLandschaft und eines zukunftsfähigen Lebensraumsdagegen hält, konstruktiv «anstössig»bleibt.Was <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> besonders auszeichnet,ist die unspektakuläre und beharrlicheArt, mit der sie ihre gemeinnützigenZiele verfolgt. KULA Seetal isteine langfristige Sache. Kein schneller,mediengerechter Erfolg, wenig «action».Nicht, dass solches nicht auch mal wichtigwäre. <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> hat mit dem VorzeigeprojektRonfeld das Wesen der Naturernst genommen: Ruhig auf das Landschafts-und Regionstypische setzen, dieVoraussetzungen für natürliche <strong>Pro</strong>zesseschaffen, aber es selber werden lassen.Selbstorganisation als Prinzip. Selbstverständlichmit der ausreichenden Pflege,wo nötig.Klar, in der Natur wirken oft auch gigantischeKräfte wie in den Flussauen.Der Mangel an landschaftlicher Dynamikist heute ein grosses <strong>Pro</strong>blem imNaturschutz. Ich gehe aber davon aus,dass das Seetal auch natürlicherweise zuden eher ruhigen, sanften Landschaftengehört. Das Einzugsgebiet ist klein, dieHügel sanft. Die Ron ist nur selten einFurcht erregendes Gewässer. Eine Dynamikist aber noch da: Der See ist – eineRarität in der Schweiz – noch unreguliert,was ihm viele spezialisierte undgefährdete Arten danken.Und wenn ich der Landschaftsvisionnoch etwas hinzufügen darf: Ich träumevon ausgedehnten, unzerschnittenenRiedebenen an beiden Seeenden. Die Voraussetzungensind eigentlich sehr gut.Ich wünschte mir die Schliessung derStrasse Baldegg–Nunwil, damit am südlichenSeeende Ruhe einkehrt, Tiere ohneGefahr ihre Wanderungen vollziehenkönnen. Und wie wäre es, die Strassean der Westseite des Sees auf den Zubringerverkehrzu beschränken, bevores zu spät ist. Die 5000 Amphibien, dieam nördlichen Seeende auf dem Weg zuden Laichgebieten über die Strasse wandernund seit zwei Jahren von Freiwilligengeschützt werden, hätten wieder einetwas gefahrloseres Leben. Keine Inselträume,sondern der Traum der Wiedervernetzung.Hinter <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> Seetal stehen nochviele andere, etwa Bruno Jans als KULA-Mitstreiter der ersten Stunde, Jörg Baumannals langjähriger Präsident von <strong>Pro</strong><strong>Natura</strong> <strong>Luzern</strong>, Heinz Bolzern als naturschutzfachlicherIdeengeber, Ueli Berchtoldals Partner bei <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> Schweizoder Brigitt Brünisholz als Organisatorinder Amphibienrettungen von Ermensee,um nur einige wenige «Anstössige»zu nennen. <strong>Pro</strong> <strong>Natura</strong> ist viel Ehrenamtlichkeitund eine Idee, für die es sich einzusetzenlohnt. Ich beglückwünsche dieStiftung «<strong>Luzern</strong> – Lebensraum mit Zukunft»für die Anerkennung dieser Idee,gratuliere den PreisträgerInnen und dankeallen Beteiligten herzlich!EisvogelSchwebfliege auf Teufelsabbiss