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Viele Menschen sehen die Kirche wie sie ist und ... - Wir sind Kirche

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finden <strong>sind</strong>, gerät so Mancher in Isolation <strong>und</strong> Einsamkeit, in oft tiefe seelische Not, <strong>die</strong> sichoft auch auf <strong>die</strong> Gemeinde auswirkt. Außerdem können noch so gute PriestergemeinschaftenEhe <strong>und</strong> Familie nicht ersetzen. Ein ausgebrannter <strong>und</strong> verbitterter „Gottesmann“ tut sichschwer, echte Freude zu verbreiten <strong>und</strong> vermittelt gerade dadurch den Eindruck gescheitert zusein.Das wollte Jesus so sicherlich nicht. Er hat seine Jünger <strong>und</strong> Jüngerinnen nicht inEinsamkeit <strong>und</strong> Isolation hineingestellt, sondern in eine neue Familie von Gleichgesinnten,<strong>die</strong> ihnen zu Brüdern, Schwestern, Müttern <strong>und</strong> Kindern geworden <strong>sind</strong>. Er wusste, dass derMensch ein Gemeinschaftswesen <strong>ist</strong>, also Beziehung braucht. Ehelosigkeit, richtigverstanden, kann jedenfalls niemals Beziehungslosigkeit bedeuten.Mit der Aufhebung des Pflichtzölibats wären zwar sicherlich nicht alle kirchlichen <strong>und</strong>menschlichen Probleme gelöst, aber eine neue Ehrlichkeit könnte der Gewinn sein. Aus demBlickwinkel der Pastoralpsychologie schreibt zum Beispiel Wunibald Müller in seinem Buch„Liebe <strong>und</strong> Zölibat“ (Mainz 2000, 20): „Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dassviel Leid, viel Depression, viel Hoffnungslosigkeit auf der einen Seite <strong>und</strong> Unwahrhaftigkeit,Doppelbödigkeit <strong>und</strong> Heuchelei auf der anderen Seite im Zusammenhang mit dem Zölibat in<strong>die</strong> Herzen vieler Priester eingezogen <strong>sind</strong>. ... Der zölibatäre Weg soll in der <strong>Kirche</strong> weiterhineine mögliche, ja wichtige Form der Lebensverwirklichung darstellen. Allein für das Gros derPriester <strong>ist</strong> er offensichtlich nicht der Weg, der ihrer Lebensverwirklichung entspricht. ... Ichwill einfach aus Liebe zu den Priestern <strong>und</strong> zu meiner <strong>Kirche</strong> ... darum bitten, ... <strong>die</strong>Zölibatsverpflichtung für Priester aufzuheben. Ich sehe hier soviel Not, soviel Leben imVerborgenen, soviel Un-Heiliges <strong>und</strong> Un-Heilvolles.“Die Leidensgeschichten der betroffenen Frauen <strong>und</strong> Männer erfordern eine Änderung derStrukturen. Die Härte im Umgang mit Priestern <strong>und</strong> <strong>die</strong> derzeitige Praxis der Lai<strong>sie</strong>rungen,<strong>die</strong> den Betroffenen keinerlei priesterliche Tätigkeit erlauben, lösen bei vielen Gläubigennicht nur Unbehagen aus, sondern werden schlicht <strong>und</strong> einfach als Skandal empf<strong>und</strong>en. Sie<strong>sind</strong> überzeugt, dass der kirchenamtliche Umgang mit Priestern, <strong>die</strong> wegen einer Ehe ihr Amtverlassen müssen, der Vision von einer geschw<strong>ist</strong>erlichen <strong>Kirche</strong> widerspricht.5Die Verwaltung des PriestermangelsEs geht also auch darum, dass Priester, <strong>die</strong> den Zölibat nicht mehr leben können <strong>und</strong> wegendes <strong>Kirche</strong>ngesetzes ihren priesterlichen Dienst aufgeben müssen, in <strong>die</strong> Lage versetzt werden- falls <strong>sie</strong> <strong>die</strong>s wünschen - genau <strong>die</strong>sen Dienst im Volk Gottes gemäß ihrer Weihe <strong>wie</strong>deraufzunehmen. Verheiratete Priester ohne Amt <strong>sind</strong> keine Chr<strong>ist</strong>en zweiter Klasse. Sie werdengebraucht als Seelsorger, in welchem Bereich der <strong>Kirche</strong> auch immer. Da <strong>sind</strong>Mitmenschlichkeit <strong>und</strong> ein positives, offenes Gesprächsklima gefragt <strong>und</strong> nicht nur Pochenauf Recht <strong>und</strong> Festhalten überholter Ansichten.Wenn man genau hinschaut <strong>und</strong> <strong>die</strong> Situation klar analy<strong>sie</strong>rt, muss man feststellen, dass esim Gr<strong>und</strong>e gar keinen Priestermangel gibt, sondern nur eine Blindheit der <strong>Kirche</strong>nführung,<strong>die</strong> bei Frauen <strong>und</strong> Männern vorhandenen <strong>und</strong> manifesten Berufungen zu erkennen, klug <strong>und</strong>liebevoll zu wecken <strong>und</strong> zu fördern. Um ge<strong>ist</strong>liche Berufe zu beten <strong>ist</strong> gut, aber es wird solange keine Frucht bringen, als ge<strong>ist</strong>liche Berufung nur in Verbindung mit dem Zölibatsgesetzanerkannt wird.Der Dogmatiker Edward Schillebeeckx (Das kirchliche Amt, Düsseldorf 1981, 144) ortet inder immer <strong>wie</strong>derholten Aufforderung zum Gebet um „Priesterberufe“ ein ideologischesMoment: „Kein Chr<strong>ist</strong> wird den Wert <strong>und</strong> <strong>die</strong> Kraft des Gebets auch für Berufungen leugnen;aber wenn der Gr<strong>und</strong> eines Priestermangels eine ‚kirchliche Gesetzgebung’ <strong>ist</strong>, <strong>die</strong>veränderbar <strong>ist</strong> <strong>und</strong> aus pastoralen Gründen im Lauf der Zeit geändert werden kann, dannkann ein Appell zum Gebet als Alibi wirken.“ Gebet dispen<strong>sie</strong>rt weder vom Denken nochvom Handeln. Weltweit um ge<strong>ist</strong>liche Berufe zu beten heißt: Gott zu bitten, das Seine zu tun.


Gott wird aber nur das Seine tun, wenn wir bereit <strong>sind</strong>, das Unsere zu tun. Die Aufforderungzum Gebet um ge<strong>ist</strong>liche Berufe ohne Bereitschaft zum Handeln - im Sinne einer wirklichenBehebung <strong>und</strong> nicht nur einer Verwaltung des Priestermangels – wird zunehmend alsAusflucht der <strong>Kirche</strong>nleitung empf<strong>und</strong>en, <strong>die</strong> starre Haltung, dass es nur zölibatäre Priestergeben darf, nicht aufgeben zu müssen.Um <strong>die</strong> Seelsorge trotz allem irgend<strong>wie</strong> aufrecht zu erhalten, werden Laien, Männer <strong>und</strong>Frauen, aber auch Diakone mit der Leitungsfunktion in Pfarrgemeinden beauftragt <strong>und</strong>arbeiten mit einem als „Pfarrmoderator“ bestellten Priester zusammen. Das mag inEinzelfällen menschlich gut funktionieren, hat allerdings fatale Konsequenzen: Durch <strong>die</strong>„Quasi-Priester <strong>und</strong> –Priesterinnen“, <strong>die</strong> sicherlich ihr Bestes geben, wird der priesterlicheDienst ausgehöhlt <strong>und</strong> auf <strong>die</strong> Spendung der Sakramente reduziert. Der Priester wird zum„Kultfunktionär“ degra<strong>die</strong>rt ohne mit der Gemeinde <strong>und</strong> in der Gemeinde mitleben zukönnen.Die sonntäglichen Wortgottes<strong>die</strong>nste mit Kommunionfeiern trennen den Empfang derKommunion von der Euchar<strong>ist</strong>iefeier, was über kurz oder lang zu einem verkürztenVerständnis des Sakraments führen wird. Der „Aushilfspriester“ <strong>und</strong> <strong>die</strong> von außenkommende „Versorgung“ mit den Sakramenten zeigen deutlich genug, dass das Leitbild vonder Gemeinde als Subjekt der Seelsorge nicht ernst genommen wird. Es fragt sich nur, werdafür <strong>die</strong> Verantwortung übernimmt. Franz Kamphaus, Bischof von Limburg, spricht eineSorge aus, <strong>die</strong> viele <strong>Menschen</strong> teilen: „Der Preis für <strong>die</strong> Beibehaltung der bisherigenZugangswege zum Priesteramt <strong>ist</strong> sehr hoch. Ob er nicht zu hoch <strong>ist</strong>?“ (In: Priester ausPassion, Freiburg i. Br. 1993, 101)Es bleibt jedenfalls festzuhalten, dass Gemeindeleitung <strong>und</strong> sonntägliche Euchar<strong>ist</strong>iefeiereine untrennbare Einheit <strong>sind</strong>. Wer in der Gemeinde den Dienst der Einheit(Gemeindeleitung) wahrnimmt, soll auch dem Sakrament der Einheit (Euchar<strong>ist</strong>ie) vorstehen.Wer Gemeindeleitung <strong>und</strong> Euchar<strong>ist</strong>ievorsitz trennen will, fällt hinter das ZweiteVatikanische Konzil zurück. Er reduziert das nach katholischem Verständnis unverzichtbarePriesteramt auf <strong>die</strong> Spendung der Sakramente.Der Dogmatiker Chr<strong>ist</strong>oph Böttigheimer schreibt (Die Krise des Amtes – eine Chance derLaien? In: Stimmen der Zeit 216/1998, 276): „Aus theologischer Sicht scheint dergegenwärtige Traditionsbruch (priesterlose Gemeinden, Verzicht auf sonntäglicheEuchar<strong>ist</strong>iefeiern) jedenfalls weitaus bedenklicher als <strong>die</strong> Zulassung von Frauen zumDiakonat bzw. Presbyterat oder <strong>die</strong> Aufhebung des Zölibats.“ Auf den Punkt gebracht, kanndaher gesagt werden: Die <strong>Kirche</strong>nführung opfert <strong>die</strong> Euchar<strong>ist</strong>ie, das Priesteramt <strong>und</strong> eingutes Stück Seelsorge den Zulassungsbedingungen zum Priesteramt. Ist das noch zurechtfertigen?Die Priesterschaft in unseren Breiten <strong>ist</strong> überaltert <strong>und</strong> vielfach überfordert, der Nachwuchsquantitativ <strong>und</strong> bisweilen qualitativ bedenklich. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren:In einer Zeit des Mangels nimmt man praktisch alle, <strong>die</strong> sich anbieten <strong>und</strong> bereit <strong>sind</strong>, sichden geltenden Gesetzen zu unterwerfen.6Aus der Pflicht in <strong>die</strong> FreiwilligkeitDer Zölibat, der freiwillig <strong>und</strong> glaubwürdig gelebte Verzicht auf Ehe <strong>und</strong> Familie, <strong>ist</strong> einhoher Wert. Die „Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen“ (Mt 19,12) hat ein biblischesF<strong>und</strong>ament. Zu allen Zeiten in der Geschichte des wandernden Gottesvolkes hat es Männer<strong>und</strong> Frauen gegeben, <strong>die</strong> ihr Leben radikal in den Dienst für Gott <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Menschen</strong> gestellthaben. Einer <strong>die</strong>ser für Gott Brennenden <strong>und</strong> vom Ge<strong>ist</strong> Gottes Erfüllten war Jesus vonNazareth.Seinem Beispiel folgten nicht alle, aber viele seiner Jünger <strong>und</strong> Jüngerinnen. Für <strong>sie</strong> war <strong>die</strong>Verkündigung der Frohen Botschaft <strong>und</strong> <strong>die</strong> Arbeit am Reich Gottes mit einem Ehe- <strong>und</strong>


Familienleben nicht vereinbar. Der Apostel Paulus nennt <strong>die</strong>s ein Charisma, eine Gabe desHeiligen Ge<strong>ist</strong>es (vgl. 1 Kor 7,7.17). Er fügt aber sofort hinzu, dass <strong>sie</strong> einigen aber nichtallen zuteil wird. Die so als Berufung verstandene Ehelosigkeit schenkt - so Paulus - <strong>die</strong>Freiheit, sich ganz für <strong>die</strong> Sache Jesu einzusetzen <strong>und</strong> den <strong>Menschen</strong> uneingeschränkt zu<strong>die</strong>nen.Die Ehe-Losigkeit, zusammen mit der Besitz-Losigkeit (Armut) <strong>und</strong> der Macht-Losigkeit(Gehorsam) – „evangelische Räte“ genannt - <strong>ist</strong> ein inneres Moment chr<strong>ist</strong>lichen Glaubens,Bestandteil einer auf das Evangelium bezogenen Lebenskultur, jener Gr<strong>und</strong>haltung, Gott inallen Lebensbereichen den Vorrang zu geben. In <strong>die</strong>sem Sinn sollten alle Chr<strong>ist</strong>innen <strong>und</strong>Chr<strong>ist</strong>en „ehelos, besitzlos <strong>und</strong> machtlos“ leben, weder menschliche Bindungen, noch Besitzoder Macht als höchste Werte betrachten. Einige wissen sich dazu berufen, <strong>die</strong>seGr<strong>und</strong>haltung – Gott an erste Stelle zu setzen - durch eine eigene Lebensform sichtbar zumachen.Es <strong>ist</strong> ärgerlich, dass Ehe <strong>und</strong> zölibatäre Ex<strong>ist</strong>enz immer paralleli<strong>sie</strong>rt <strong>und</strong> zugleichgegeneinander ausgespielt werden, sobald <strong>die</strong> religiös motivierte Ehelosigkeit als „dasBessere“ hingestellt wird. Dabei bringen beide Lebensformen, glaubwürdig gelebt,Entscheidendes zum Ausdruck: Wie <strong>die</strong> bewusst als Sakrament gelebte Ehe <strong>die</strong> Liebe <strong>und</strong>Treue Gottes zu den <strong>Menschen</strong> aufscheinen lässt <strong>und</strong> Sexualität zum Ort derGottesbegegnung werden kann, so kann <strong>die</strong> freiwillige Ehelosigkeit daran erinnern, dass Gottdas letzte Ziel aller menschlichen Sehnsüchte <strong>ist</strong>, dass es sich lohnt, ein Leben ganz imVertrauen auf Gott zu gestalten. Der Mensch bleibt letztlich ein Wanderer <strong>und</strong> findet nur inGott seine Vollendung, seine Heimat.7WeichenstellungenEs geht nicht darum, den Zölibat abzuwerten oder gering zu schätzen, sondern ihm seineGlaubwürdigkeit zurück zu geben. Glaubwürdig aber kann er nur sein, wenn er wirklichfreiwillig gewählt werden kann. Es wird heute massiv hinterfragt, ob <strong>die</strong> Zulassung zumPriesteramt weiterhin mit dem Zölibatsgesetz gekoppelt werden soll, ja gekoppelt werdendarf. Dabei geht es nicht um <strong>die</strong> frei gewählte Lebensform der Ehelosigkeit, auch nicht umdas Gelübde der Ordensleute, sondern um eine Vorschrift im <strong>Kirche</strong>nrecht, nach der sichKandidaten für das Priesteramt verpflichten müssen, „vollkommene <strong>und</strong> immerwährendeEnthaltsamkeit um des Himmelreiches willen zu wahren“ (Can. 277 §1; vgl. Can. 1087 CIC1983). Dieser Vorschrift entspringt das Zölibatsgesetz.Trotz einer positiven Bewertung der Ehelosigkeit im Neuen Testament kann einegesetzliche Verbindung zwischen Amt <strong>und</strong> Ehelosigkeit von daher nicht begründet werden. Inder frühen <strong>Kirche</strong> stehen Ehe <strong>und</strong> Ehelosigkeit gleichberechtigt nebeneinander (vgl. 1 Kor9,5; 1 Tim 3,2.12; Tit 1,6).Das Zölibatsgesetz hat im Laufe der Geschichte unterschiedliche Begründungen erfahren.Neben Fragen des Erbrechtes im Zusammenhang mit kirchlichem Eigentum, neben dem Idealvölliger Verfügbarkeit, nicht nur für <strong>die</strong> Gemeinde, sondern auch für bischöfliche Befehle, hatder Hauptgr<strong>und</strong> vor allem mit der kirchlichen Leibfeindlichkeit zu tun. GeschlechtlicheVereinigung mache den Priester unrein <strong>und</strong> für den Vollzug der liturgischen Handlungenungeeignet. Sexualfeindliche Motive, <strong>die</strong> im Geschlechtsakt etwas Beschmutzendes sahen,ein diskriminierendes Frauenbild <strong>und</strong> eine falsche Aktuali<strong>sie</strong>rung der Reinheitsvorschriftendes Alten Testamentes machten <strong>die</strong> vollkommene sexuelle Enthaltsamkeit zum Idealpriesterlichen Lebens.Mit dem Aufkommen der täglichen Euchar<strong>ist</strong>iefeier in der zweiten Hälfte des 4.Jahrh<strong>und</strong>erts in der Westkirche waren <strong>die</strong> Weichen in Richtung Pflichtzölibat gestellt: Ausdem Gebot zeitweiser Enthaltsamkeit für verheiratete Priester wurde ein Gebot ständiger


Enthaltsamkeit <strong>und</strong> daraus das Zölibatsgebot. Am Beginn des zweiten Jahrtausends wurdeschließlich der Zölibat als Voraussetzung für das Priesteramt im <strong>Kirche</strong>nrecht fixiert.Die Ostkirche entwickelte eine andere Regelung: Orthodoxe Priester <strong>und</strong> Bischöfe könnenzwar nicht heiraten, verheiratete Männer jedoch können Priester, nicht aber Bischöfe werden.Es sei fest gehalten: Beim Zölibatsgesetz handelt es sich nicht um ein göttliches Gebot,sondern um eine kirchenrechtliche Regelung, <strong>die</strong> unter bestimmten h<strong>ist</strong>orischen Bedingungen<strong>und</strong> nur in der westlich-lateinischen Tradition entstanden <strong>ist</strong>, während <strong>die</strong> katholischostkirchlicheTradition am verheirateten Priester festhält. Beim Zweiten Laterankonzil (1139)wurde für <strong>die</strong> westliche <strong>Kirche</strong> beschlossen, dass nur noch unverheiratete Männer zumPriesteramt zugelassen werden.Argumente, <strong>die</strong> seinerzeit zum Eheverbot für Priester führten, <strong>sind</strong> heute nicht mehr haltbar.Umgekehrt begründet man heute den Zölibat mit Argumenten, <strong>die</strong> es zur Zeit seinerEntstehung noch nicht gab. Der Hinweis auf <strong>die</strong> lange Tradition <strong>ist</strong> daher problematisch <strong>und</strong>zeigt, dass <strong>die</strong>ses von <strong>Menschen</strong> gemachte Gesetz nichts mit dem Wesen der <strong>Kirche</strong> <strong>und</strong> ihrerGlaubensverkündigung zu tun hat.8Ein veränderbares <strong>Kirche</strong>ngesetzDas II. Vatikanische Konzil hat <strong>die</strong> Ehelosigkeit als Gnadengabe <strong>und</strong> eschatologischesZeichen erneut ins Bewusstsein gerückt, als Charisma, das Gott Einigen schenkt, um sichleichter ungeteilten Herzens Gott hin zu geben (vgl. LG Nr. 42). Das Konzil betont, dass derZölibat vom Wesen des Weihesakramentes her nicht gefordert <strong>ist</strong>, spricht aber von derAngemessenheit <strong>die</strong>ser Lebensform für das priesterliche Amt (vgl. PO Nr. 16).Die Feststellung des Konzils <strong>ist</strong> von entscheidender Bedeutung: Vom Wesen desPriesteramtes lässt sich der Zölibat nicht einfordern, <strong>wie</strong> <strong>die</strong> gelebte Praxis der frühen <strong>Kirche</strong><strong>und</strong> <strong>die</strong> ostkirchliche Tradition zeigen. Es handelt sich nicht um ein Dogma, nicht um einenverbindlichen Glaubenssatz, sondern um eine, noch dazu unterschiedlich begründete,kirchenrechtliche Regelung, <strong>die</strong> jederzeit verändert oder aufgehoben werden kann.Die <strong>Kirche</strong>nführung könnte also den Zölibat aufheben. Er beruht nicht auf göttlichem Recht,hat in der katholischen <strong>Kirche</strong> nicht immer, nicht überall <strong>und</strong> nicht ausnahmslos gegolten <strong>und</strong><strong>ist</strong> auch in der Gegenwart kein durchgehendes Gesetz der römisch-katholischen <strong>Kirche</strong>. Diemit Rom unierten Ostkirchen kennen <strong>die</strong> Zölibatspraxis in <strong>die</strong>ser Form nicht. Und auch in derrömisch-katholischen <strong>Kirche</strong> <strong>ist</strong> - <strong>wie</strong> etwa in der Ausnahmesituation der kommun<strong>ist</strong>ischenDiktatur - verheirateten Männern das Weihesakrament gespendet worden. Evangelische,anglikanische <strong>und</strong> altkatholische Amtsträger, <strong>die</strong> zur römisch-katholischen <strong>Kirche</strong>übergetreten <strong>sind</strong>, können ihr Amt weiterhin ausüben <strong>und</strong> gleichzeitig ihre Ehe aufrechterhalten.Der dem Zölibatsgesetz zugr<strong>und</strong>e liegende Sexualpessimismus <strong>und</strong> <strong>die</strong> diskriminierendeEinschätzung der Frau wurden in den Dokumenten des II. Vatikanischen Konzils zwargr<strong>und</strong>sätzlich überw<strong>und</strong>en – Konsequenzen blieben aus, wichtige Schritte wurden nichtgesetzt. „Im Sprung gehemmt“ blieb, <strong>wie</strong> Bischof Helmut Krätzl schreibt, <strong>die</strong> <strong>Kirche</strong> auch in<strong>die</strong>sem Punkt.Für <strong>die</strong> Beibehaltung des Amtszölibates werden unterschiedliche Gründe ins Treffengeführt. Zuerst <strong>die</strong> lange Tradition, an der man nicht rütteln will, wohl aus Angst, dass dannnoch manch andere, brüchig gewordene Säule der Macht einstürzen könnte.Weiters scheut man vor der Aufhebung des Zölibatsgesetzes zurück, weil es dann zweiKlassen von Priestern gäbe, den „starken <strong>und</strong> guten zölibatären“ auf der einen <strong>und</strong> den„schwachen, weil verheirateten“ Priester auf der anderen Seite. Diese Annahme <strong>ist</strong>, zumindestwas den Großteil der Gemeindemitglieder anbelangt, unbegründet. Die <strong>Menschen</strong> akzeptierendurchaus weitgehend <strong>die</strong> freie Entscheidung eines Priesters, wenn <strong>die</strong> eine <strong>wie</strong> <strong>die</strong> andereLebensform glaubwürdig gelebt <strong>und</strong> er als guter Seelsorger erfahren wird.


Eine andere Befürchtung zielt auf <strong>die</strong> zunehmende Zerbrechlichkeit ehelicher Beziehungen.Aber auch <strong>die</strong>se Bedenken scheinen übertrieben <strong>und</strong> realitätsfern. Kein Priester wird seineEhe leichtfertig aufs Spiel setzen. Und ob das Scheitern einer Ehe schlimmer wäre als dasvielfache Scheitern am Zölibat, bleibt offen. Beides <strong>ist</strong> bedauerlich.Was der Aufhebung des Zölibatsgesetzes eher entgegen steht, könnte <strong>die</strong> Finanzierbarkeitverheirateter Amtsträger sein. Familienväter wären, so meint man, für <strong>die</strong> <strong>Kirche</strong> zu teuer.Auch wenn <strong>die</strong>s zuträfe, müssten Lösungen gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Finanzierungsmodelle geschaffenwerden. Daran kann es doch wirklich nicht liegen. So gibt es in der deutschsprachigenSchweiz verheiratete Frauen <strong>und</strong> Männer als Gemeindeleiterinnen <strong>und</strong> –leiter in fast derHälfte der Pfarreien, <strong>die</strong> angemessen bezahlt werden. Warum nicht auch in Österreich überalternative Finanzierungsmodelle nachdenken?Und wenn behauptet wird, dass der verheiratete Priester von seinen eigentlichen Aufgabenabgelenkt würde, dann gäbe es auch eine Reihe anderer zölibatswürdiger Berufe. Wie vieleÄrzte, Forscher, Geschäftsleute, Manager etc. haben doch auch ihre Probleme, denAnforderungen von Beruf <strong>und</strong> Familie gleichermaßen gerecht zu werden!9Die Hoffnungen des Volkes GottesDem permanent <strong>wie</strong>derholten Argument, eine Freigabe der priesterlichen Lebensformerfordere eine gesamtkirchliche Regelung, <strong>ist</strong> entgegenzuhalten, dass es ja bereits jetztinnerhalb der katholischen <strong>Kirche</strong> verheiratete Priester gibt - in den unierten Ostkirchen <strong>und</strong>bei konvertierten Ge<strong>ist</strong>lichen evangelischer oder anglikanischer Herkunft. Außerdem <strong>ist</strong> eseine bekannte Tatsache, dass das <strong>Kirche</strong>nrecht immer mit Ausnahmen <strong>und</strong>regionalkirchlichen Regelungen gelebt hat.Ein einzelner Bischof, eine Bischofskonferenz allein, können an denZulassungsbedingungen zum Priesteramt kaum etwas ändern, <strong>und</strong> <strong>die</strong>s gilt auch für <strong>die</strong>österreichischer Bischöfe. Aber: Warum tun sich nicht einzelne Bischöfe oder mehrereBischofskonferenzen zusammen <strong>und</strong> pochen gemeinsam auf ihre im II. Vatikanischen Konzilverkündete apostolische Vollmacht <strong>und</strong> Verantwortung? Ihrer Berufung als „Brückenbauer“jedenfalls werden <strong>sie</strong> erst dann gerecht, wenn <strong>sie</strong> nicht nur <strong>die</strong> Anliegen <strong>und</strong> Interessen der„Zentrale“ in ihren Ortskirchen vertreten, sondern auch <strong>die</strong> brennenden pastoralen Problemeihrer Herde - ob gelegen oder ungelegen - gegenüber Rom vorbringen <strong>und</strong> eine offeneDiskussion einmahnen.Soll ein Dialog ehrlich, geschw<strong>ist</strong>erlich <strong>und</strong> konstruktiv sein, setzt er den Mut zum Konflikt<strong>und</strong> zum freien Wort voraus. Kritische Loyalität <strong>und</strong> intensives Aufeinanderhören <strong>sind</strong> <strong>die</strong>nötigen <strong>und</strong> vielleicht auch not-wendenden Stichworte. Erinnert sei an das Wort von JohannBapt<strong>ist</strong> Metz: „Nicht ein Zuviel an Kritik, sondern ein katastrophaler Mangel anf<strong>und</strong>amentaler <strong>und</strong> eingeübter Freiheit in der <strong>Kirche</strong> <strong>ist</strong> eine der Ursachen der kirchlichenKrise heute.“Dialog <strong>ist</strong> nur dort ernst gemeint, wo er <strong>die</strong> Bereitschaft zum Hinhören einschließt so<strong>wie</strong>den Willen, das als richtig Erkannte auch in <strong>die</strong> Praxis umzusetzen. In einer <strong>Kirche</strong>, <strong>die</strong> denDialog als ihr Lebens- <strong>und</strong> Überlebensprinzip versteht, muss offenes Denken <strong>und</strong> Reden nichtnur erlaubt, sondern gefördert werden. Jesus hat sich keine Duckmäuser <strong>und</strong> Ja-Sager alsNachfolger gewünscht, sondern <strong>Menschen</strong>, <strong>die</strong> seine Sache offen vertreten.Auch in der Zölibatsfrage geht es letztlich um <strong>die</strong> Glaubwürdigkeit der <strong>Kirche</strong>, um <strong>die</strong>Glaubwürdigkeit der römisch-katholischen <strong>Kirche</strong> auf ihrem Weg mit den <strong>Menschen</strong>. Es gehtum <strong>die</strong> Glaubwürdigkeit der Lebensformen von Ehe <strong>und</strong> Ehelosigkeit in einergeschw<strong>ist</strong>erlichen, jesuanischen <strong>Kirche</strong>. Es <strong>ist</strong> uns allerdings bewusst, dass es heute eineVielfalt von Lebensformen gibt, <strong>die</strong> nicht den traditionellen Bildern <strong>und</strong> kirchlichenVorstellungen entsprechen. „<strong>Wir</strong> <strong>sind</strong> <strong>Kirche</strong>“, <strong>und</strong> wir alle <strong>sind</strong> dazu berufen, uns um


Glaubwürdigkeit in unserem Leben zu bemühen - als Laie oder Priester, als Verheiratete oderals Unverheiratete, in welcher Lebensform auch immer.Im „<strong>Kirche</strong>nvolks-Begehren“ meldeten sich viele Katholikinnen <strong>und</strong> Katholiken aufgr<strong>und</strong>ihrer eigenen <strong>und</strong> unverwechselbaren Verantwortung als Glieder <strong>die</strong>ser <strong>Kirche</strong> zu Wort. DieBegründung <strong>ist</strong> denkbar einfach: <strong>Viele</strong>n <strong>Menschen</strong> wird „das Licht verdeckt durch denSchatten, den wir werfen“, <strong>wie</strong> Karl Rahner in „Glaube, der <strong>die</strong> Erde liebt“ (Freiburg i. Br.1971, 104) schrieb. Wie viele <strong>Menschen</strong> wandern aus der <strong>Kirche</strong> aus, weil so vieles in ihrnicht stimmig <strong>ist</strong>! Wie vielen jungen <strong>Menschen</strong> wird der Zugang zur Frohen Botschaftverstellt, weil <strong>sie</strong> <strong>die</strong> Doppelmoral in der <strong>Kirche</strong> <strong>sehen</strong> <strong>und</strong> spüren <strong>und</strong> <strong>die</strong> Botschaft, <strong>die</strong>verkündet wird, im Leben der Verkünder oft nicht erkennen können! Die schlechteinnerkirchliche Atmosphäre <strong>ist</strong> vermutlich eine der Hauptursache für den schmerzlichenVerlust an Glaubensfreude. Der innerkirchliche Problemstau verdunkelt <strong>die</strong> Strahlkraft, <strong>die</strong>Jesu Botschaft gerade heute hätte.In einer Zeit großer Orientierungslosigkeit <strong>sind</strong> Halt <strong>und</strong> Leitbilder <strong>wie</strong>der gefragt.<strong>Menschen</strong> suchen nach Werten, nach ethischen Normen, nach Visionen, <strong>die</strong> dem Leben Sinn<strong>und</strong> Inhalt geben. Hier wäre eine <strong>Kirche</strong> gefordert, <strong>die</strong> ein Licht, das Licht Jesu, anzündet <strong>und</strong>sich nicht in strukturellen <strong>und</strong> institutionellen Machtkämpfen verstrickt, eine <strong>Kirche</strong>, <strong>die</strong> denGe<strong>ist</strong> Gottes wirken lässt <strong>und</strong> ihm Raum gibt.Gerade weil vielen <strong>Menschen</strong> sehr viel an <strong>die</strong>ser <strong>Kirche</strong> <strong>und</strong> an dem von ihr verkündetenGlauben liegt, schmerzen <strong>die</strong> erstarrten, verkrusteten Strukturen, schmerzt <strong>die</strong>Realitätsverweigerung. <strong>Viele</strong> katholische Chr<strong>ist</strong>innen <strong>und</strong> Chr<strong>ist</strong>en erhoffen sich eine <strong>Kirche</strong>,<strong>die</strong> im Vertrauen auf Gottes Ge<strong>ist</strong> fähig <strong>ist</strong>, sich den dramatischen Herausforderungen derGegenwart kompetent zu stellen. Und <strong>sie</strong> erwarten zu Recht von ihrer <strong>Kirche</strong>, dass <strong>die</strong>se inihrem gelebten Miteinander <strong>und</strong> in all ihren Strukturen als Zeichen <strong>und</strong> Werkzeug derunbeirrbaren Liebe Gottes zu den <strong>Menschen</strong> erfahrbar wird.Am Ende unseres Briefes erneuern wir unseren Wunsch nach einem offenen Dialog über <strong>die</strong>Thematik des verpflichtenden Zölibats für Weltpriester.Das Volk Gottes <strong>und</strong> seine Hirten wissen sich verb<strong>und</strong>en in der Sorge um <strong>die</strong> Weitergabedes Glaubens <strong>und</strong> um <strong>die</strong> Zukunft der Gemeinden. Was uns trennt, <strong>sind</strong> unterschiedlicheErfahrungen <strong>und</strong> Deutungen der Realität des Lebens, auch des kirchlichen Lebens.Es <strong>ist</strong> uns wichtig, <strong>die</strong>se verschiedenen Sichtweisen ins Gespräch zu bringen, konstruktivdarüber zu streiten <strong>und</strong> miteinander Lösungen für <strong>die</strong> Zukunft zu finden.Gelingt <strong>die</strong>ser Dialog, so kann Reich Gottes erfahren werden.Chr<strong>ist</strong>innen <strong>und</strong> Chr<strong>ist</strong>en der römisch-katholischen <strong>Kirche</strong> Österreichs10

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