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Krisen und Katastrophen - sozusagen - WordPress.com

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takteuren. Diese entstehen durch diezunehmende Komplexität der Finanzmärkte,aufgr<strong>und</strong> derer eineevaluativ kognitive Entscheidungsfindungmitunter nicht möglich ist. Finanzmarktakteuresehen sichhierdurch der Notwendigkeit ausgesetzt,Entscheidungen aufgr<strong>und</strong> andererPrämissen, wie zum Beispielauf der Basis von Gefühlen, zu fällen.Da dies nicht dem normativenSelbstverständnis der Finanzweltentspricht, erleben die Akteure derartigeEntscheidungssituationen als<strong>Krisen</strong>situationen.Doch gibt es überhaupt eine realeWirtschaftskrise oder hängt ihreExistenz von der Konstruktionsleistungdeutungsmächtiger Akteure wieMedien <strong>und</strong> Wissenschaft ab? KristofferKlammer beschäftigt sichim Rahmen seines Promotionsprojekteszwar nicht mit dieser, aber miteiner ganz ähnlichen Frage. Er untersuchtWirtschaftskrisen als diskursivhervorgebrachte Formen gesellschaftlicherSelbstbeschreibung <strong>und</strong>fragt, wie, durch wen <strong>und</strong> mit welchensprachlichen Mitteln diese konstruiertwerden. Sichtbar wird nebenden konstruierenden Mechanismendie Art <strong>und</strong> Weise, wie ein bestimmtesVerständnis von Wirtschaftskrisezur Legitimation politischer Maßnahmenverwendet wird. Wenig überraschend,mag der eine oder andere -die aktuellen Diskurse vor Augen -denken. Kristoffer Klammer aber untersuchtdie Konstruktion vergangener<strong>Krisen</strong> wie dieWeltwirtschaftskrise ab 1929, die„Wachstumsdelle“ 1966/67 <strong>und</strong> diekleine Weltwirtschaftskrise in den1970iger Jahren <strong>und</strong> entdeckt dabeiwiederkehrende „<strong>Krisen</strong>-Muster“.Ob Sozialhilfe- <strong>und</strong> Rentensystemeeine Lösung oder doch eher ein Auslöservon finanziellen <strong>Krisen</strong> sind, istdem jeweiligen Parteibuch des Lesersüberlassen. Dass diese Systemeaber nicht überall nach denselbenPrämissen funktionieren, ist Teil weitererinteressanter Forschung. ImForschungsprojekt FLOOR (Financialassistance, land policy, and globalsocial rights) forscht Moritz vonGliszczynski aktuell zu diskursivenBegründungsmustern von „socialcash transfers“, einer Form von Sozialhilfe-<strong>und</strong> Rentensystemen im globalenSüden. Begründet wird derenNotwendigkeit durch eine zunehmendeAnfälligkeit bzw. „vulnerability“,also Verw<strong>und</strong>barkeit gegenüber <strong>Krisen</strong><strong>und</strong> <strong>Katastrophen</strong> als elementarerBestandteil von Armut.Dementsprechend gelten sogenannte„vulnerable groups“ als Zielgruppevon den Konzepten der Gr<strong>und</strong>sicherung.Dies unterscheidet sich insbesonderevon der klassischenBegründung für Sozialhilfe, welchesich auf „needs“, also Bedürfnissebezieht. 2Sicherheit ist natürlich nicht nur imglobalen Süden ein wichtiges Thema.Auch in unseren Breitengraden stelltsich immer öfter die Frage, was dennnun eigentlich sicherheitsrelevantsei. Dem widmet sich Andreas Vasilachein seiner Forschung zu Sicherheitstheorie<strong>und</strong> -politik. Ein Aspektbesteht hierbei in Tendenzen zurAusweitung der Sicherheitspolitik inTheorie <strong>und</strong> Praxis. Ein Beispiel bildetdas Konzept der „Human Security“,das auf das Individuum abzielt<strong>und</strong> den Bereich der Sicherheitspolitik,entgegen ihrer klassischen Sach<strong>und</strong>Themenbereiche, deutlich erweitert.Es lässt sich dabei eine gegenständliche,sektorielle <strong>und</strong> territorialeEntgrenzung der Sicherheitspolitikfeststellen. Solche Versicherheitlichungstendenzenbergen Risiken,die sich vor allem in der Normalisierungvon <strong>Krisen</strong> – alles kann plötzlicheine Frage der Sicherheit sein –aber auch in der Herausbildungrechtlich prekärer Räume zeigen, indenen rechtliche <strong>und</strong> gesellschaftlicheNormen brüchig oder gar abgeschafftwerden. 3Selbstverständlich gibt es an unsererFakultät auch Forschung zu derwohl prominentesten Form der gesellschaftlichenKrise: dem Krieg.Was geschieht eigentlich mit einerGesellschaft, die sich im Kriegszustandbefindet? Volker Kruse beschäftigtsich in seinen Forschungenmit kriegsbedingten Vergesellschaftungsprozessenwie etwa jenen, diedurch die zwei Weltkriege in der erstenHälfte des zwanzigsten Jahrh<strong>und</strong>ertsinduziert wurden. Dabeiverfolgt er die These, dass großeKriege oder ihre Antizipation gesellschaftlicheTransformationen auslösen,deren Ergebnis dieKriegsgesellschaft ist. Diese kannbeispielsweise durch eine hierarchischeStruktur, zentrale Steuerung<strong>und</strong> eine despotische Spitze geprägtsein. Die Kriegsgesellschaft ist dannanalytisch ein Gesellschaftstypus,vergleichbar mit dem Kapitalismusbei Marx oder mit der funktionalenDifferenzierung bei Luhmann. Mitder theoretischen Ausarbeitung diesesGesellschaftstypus verfolgt VolkerKruse das Ziel, für verschiedeneEinzelforschungen zu gesellschaftlichenEntwicklungen unter Kriegsbedingungeneinen gemeinsamentheoretischen <strong>und</strong> idealtypischenBezugsrahmen bereitzustellen.Einen etwas anderen Ansatz zurAnalyse von Gesellschaft <strong>und</strong> Kriegverfolgt Barbara Kuchler. Sie behandeltein ihrer Dissertation dieFrage nach der Rolle von Krieg inverschiedenen Gesellschaftsstrukturen.Genauer werden die Gesellschaftsstrukturennach ihrenDifferenzierungsformen (segmentär,stratifikatorisch oder funktional differenziert)unterschieden, um zu untersuchen,in welchen Teilen derGesellschaft (Schichten <strong>und</strong> Funktionssysteme)Krieg aktiv betriebenwird <strong>und</strong> welche Konsequenzen darausfür die passiven Schichten oderTeilsysteme entstehen. Als einSchutzmechanismus kann die "GenferKonvention zum Schutz von Zivilistenin Kriegszeiten" interpretiertwerden. Sie hat die Aufgabe, die„passiven“ Gesellschaftsteile nachMöglichkeit vor den Auswirkungendes Krieges zu schützen.Dass Kriege <strong>und</strong> Konflikte einemassive Störung für eine Gesellschaftdarstellen, ist nachvollziehbar.Wie mit diesen <strong>und</strong> anderen Störungenaber umgegangen wird, steht aufeinem anderen Blatt bzw. in der balderscheinenden Habilitation von HendrikVollmer. In dieser untersucht erdie Entstehung, Weitergabe <strong>und</strong> Folgenvon Störungen. Er fragt danach,wie in Situationen, Organisationenoder am Beispiel von Kriegen in größerensozialen Zusammenhängen,Störungen verarbeitet werden <strong>und</strong>welche Folgen wiederum daraus resultieren.Durch Thematisierung <strong>und</strong>Kategorisierung als Unfälle, Anschlägeoder Naturkatastrophen werdenStörungen normalisiert. Durch dieStörungserfahrung entwickeln sichaber auch bei Teilnehmern Aufmerksamkeiten,Erwartungen <strong>und</strong> Verhaltensstrategien,die nicht ohneweiteres anschlussfähig an die Normalisierungsind. Ein Beispiel sindheimkehrende Soldaten, die sich inihrer alten Umgebung nicht mehr zurechtfinden.Insgesamt entwickelt er31

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