W 3828 FX HÖH ENZOLLERISCHE HEIMAT - Hohenzollerischer ...
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HÖH <strong>ENZOLLERISCHE</strong><br />
HEIMÄT<br />
Herausgegeben vom<br />
W <strong>3828</strong> <strong>FX</strong><br />
Hohenzollerischen Geschichtsverein<br />
34. J ahrgang Nr. 1 / März 1984<br />
St. Georgskirche in Burladingen, die ehemalige Pfarrkirche. Über die Baugeschichte der Kirche berichtet Architekt Wallisch (S. 6).<br />
CASIMIR BUMILLER<br />
... und man soll den Maurer rühmen<br />
Uber den Baumeister Hans von Bulach und die Bautätigkeit Graf Eitelfriedrichs I. von Zollern<br />
Gerne würden wir uns der Aufforderung anschließen, jedoch<br />
ist uns vom Werk des hier in Frage stehenden Meisters<br />
allzuwenig erhalten, was seinen Ruhm in unsere Zeit hätte<br />
tragen können. Die Rede ist von Meister Hans von Bulach<br />
genannt Großhans, einem Maurer, der um das Jahr 1435 in<br />
der Grafschaft Zollern ansässig war und hier im Auftrag des<br />
Grafen Eitelfriedrich I. (f 1439) zumindest eine große Arbeit<br />
durchführte: den Bau einer Ringmauer »vmb das hus zu<br />
Hechingen«, also einer Mauer um das Hechinger Stadtschloß,<br />
wofür ihm im Jahr 1436 ein Lohn von 166 Pfund<br />
Heller angewiesen wurde 1<br />
Zur Bautätigkeit des Grafen Eitelfriedrich I.<br />
Graf Ekelfriedrich konnte sich nach dem Ende der für Stadt,<br />
Land und Herrschaft verheerenden Auseinandersetzungen<br />
mit seinem Bruder Friedrich dem Ottinger daran machen,<br />
seine Herrschaft zu reorganisieren. Das fand seinen Ausdruck<br />
im Rückkauf verschiedener dem Haus Zollern verloren<br />
gegangener Besitztümer, in der Anlage eines umfangreichen<br />
Lagerbuches durch den Schreiber Werner von Bickelsperg, in<br />
dem Grundherrschaft und Rechte des Grafen ausführlich<br />
dokumentiert sind, und es fand seinen Ausdruck schließlich<br />
auch in äußeren Aufbauarbeiten. Das »hus« der Grafen von<br />
Zollern in Hechingen, Vorläuferbau des späteren Renaissance-Stadtschlosses<br />
und des heutigen Neuen Schlosses, seit<br />
dem frühen 15. Jahrhundert belegt, muß in den Wirren des<br />
Bruderkrieges beträchtlich gelitten haben; es wurde mehrfach<br />
belagert, aus dem Jahr 1419 ist uns beispielsweise eine Liste<br />
der Edelknechte und Reisigen erhalten, die es verteidigt<br />
hatten 2 . Es wird sichtbar, daß Eitelfriedrich in den 30er
Jahren des 15. Jahrhunderts, noch während er in eine Reihe<br />
von Fehden verwickelt ist, mit den Renovierungsarbeiten an<br />
der Burg beginnt. In einem Brief an einen namentlich nicht<br />
genannten Empfänger vom April 1436 fügt Eitelfriedrich ein<br />
Postscriptum an: »vnd wissend, das ich vast kriegen vnd ouch<br />
vast buw [daß ich heftig in Fehden verwickelt und feste am<br />
Bauen bin] vnd das es mir an dem allen von gotz gnaden wol<br />
gaut 3 «. Und einem Verwandten, der ihn um Geld angegangen<br />
hatte, schreibt er im Juli desselben Jahres: »... wiss das<br />
ich diß jar vast gekrigot vnd darob dusend pfunden haller<br />
verbuwen vnd gar kain gelt han.. , 4 « Es läßt sich zum Teil<br />
konkretisieren, in welche Arbeiten das Geld geflossen ist.<br />
Bereits im Januar und Februar 1434 schließt Graf Eitelfriedrich<br />
einen Vertrag mit einer Handwerkergruppe aus Owingen<br />
und Grosselfingen, die ihm aus in Ostdorf geschlagenem<br />
Holz Hunderte von Dielen mit Nut und Feder liefern sollen 5 .<br />
Hier deutet sich also der Innenausbau der Stadtburg an.<br />
Abgeschlossen werden die Arbeiten offensichtlich mit der<br />
Vollendung der Ringmauer durch Meister Hans von Bulach,<br />
wofür, wie oben erwähnt, 1436 die Bezahlung von 166 Pfund<br />
Heller erfolgt.<br />
Erneuert wurden nur die beiden Seiten zur Stadt hin, also die<br />
Mauer nach Osten zum Rathaus hin und die nach Süden zur<br />
Zehntscheuer (heute Riedel); nach beiden Richtungen hatte<br />
die Mauer 9 Ruten Länge. An einer nicht näher beschriebenen<br />
Stelle befand sich ein Turm. Soviel geht aus dem Bruchstück<br />
der Abrechnung hervor, die uns in einer Abschrift im zollerischen<br />
Kopialbuch, das heute in Stuttgart lagert, erhalten ist.<br />
Nun soll Meister Hans von Bulach nach der Chronik der<br />
Stadt Hechingen 6 und nach den Kunstdenkmälern Hohenzollerns<br />
7 ein zweiter, noch größerer Auftrag erteilt worden<br />
sein, nämlich der Bau der Hechinger Stadtmauer im Jahr<br />
1435. Während die Chronik der Stadt Hechingen keine<br />
Quelle nennt, verweisen die Herausgeber der Kunstdenkmäler<br />
auf das Original des Handwerkervertrages im Fürstlichen<br />
Archiv Sigmaringen (F. A. S.), verschweigen allerdings die<br />
Signatur der Urkunde. Nachforschungen im Staatsarchiv<br />
Sigmaringen haben jedoch ergeben, daß sich das Original<br />
dort nicht befindet 8 . Die Zitat-Bruchstücke, die die Kunstdenkmäler<br />
Hohenzollerns anführen (»Meister Hans von<br />
Bulach ain maurer den man nennt Großhans« soll eine Mauer<br />
errichten »mit Zynnen und Brustwerine und einem gehöwen<br />
2<br />
Tor«) finden sich hingegen fast wörtlich wieder in der<br />
Abschrift eines Verdingbriefs (Handwerkervertrags), der in<br />
dem in Stuttgart lagernden zollerischen Kopialbuch unserer<br />
erwähnten Abrechnung folgt. Der Wortlaut dieses Verdingbriefes<br />
zwischen Graf Eitelfriedrich und Maurer Hans von<br />
Bulach soll hier einmal vollständig abgedruckt werden: Item<br />
min Herre graue Itelfritz von Zolr vnd Maister Hans von<br />
Bulach ain murer den man nempt Großhans sind mitenander<br />
vberkomen das der selb murer minem Herren sechzehen<br />
rüten minder oder mer muren sol das ye ain rüt fünff schüch<br />
dick vnd sechzehen schüch lang vnd brait sige vnd sol im ye<br />
von ainer rüt geben fünff pfund haller für cost vnd für alle<br />
ding vnd man sol im die zynnen vnd brustwerina bezaln als ob<br />
sie ouch fünff schüch dick sigin vnd sol die muren wol<br />
bewerffen vnd füllen er sol ouch ain gut gehouwen ort [Ecke]<br />
machen mit gehouwen stainen mit bössen [Buckeln] vnd sol<br />
ain gehouwen tor machen da durch karren vnd wägen gän<br />
mögen vnd zway gehouwin türlin machen zu baiden siten vff<br />
die muren das sol in das verdingen gän vnd kainen lot haben<br />
doch so sol man im allen züg [alle Sachen, alles Zeug] an die<br />
hend schaffen als nähe man denn mit karren oder wagen<br />
gefaren mag alles vngeuarlich vnd er sol ouch das alles also als<br />
obgeschriben statt gantz vnd gar vßgemachot [fertig] vnd<br />
berait hän biß vff vnser lieben frowen tag assumptionis<br />
nechstkompt vnd des alles also als obgeschriben statt getruwlich<br />
zu hallten zu uollfuren vnd zu tund vnd ouch minem<br />
Herren voran vnd den Burgern beholffen gehorsam vnd<br />
gewertig zu sind alles erberklich vnd vngeuarlich hat ergelopt<br />
by gütten truwen vnd diser zedla sind zwo mit spitzen<br />
vßenander geschnitten vnd vbergeben worden vff mentag<br />
nechst vor Sant Michels tag anno domini xxxv 10 [26. Sept.<br />
1435]. Vnd man sol dem Murer allen rum tun 9 .<br />
Es ist wahrscheinlich, daß sich sowohl die Chronik der Stadt<br />
Hechingen als auch die Kunstdenkmäler Hohenzollerns - auf<br />
welchen Umwegen auch immer 9a - auf diese Quelle beziehen.<br />
Nur ist in diesem Vertrag nirgends von der Stadtmauer<br />
die Rede. Vielmehr hat es den Anschein, daß wir hier den<br />
Auftrag zum Bau der Ringmauer beim Stadtschloß vor uns<br />
haben. Darauf verweist schon die Nachbarschaft dieses Vertrags<br />
zur zuvor erwähnten Abrechnung im Stuttgarter<br />
Kopialbuch, und darauf verweisen auch die Rutenangaben in<br />
beiden Quellen: Hans von Bulach soll laut Auftrag »sechsze-<br />
Stadtplan von Hechingen mit<br />
dem Bild der mittelalterlichen<br />
Stadtanlage. Nach: Kunstdenkmäler<br />
Hohenzollerns, S. 513.<br />
R = möglicher Verlauf der Ringmauer<br />
1435. Die Stadtmauer am<br />
äußeren Häuserring ist besonders<br />
im Osten und Norden erkennbar.
Johann Adam Kraus zum 80. Geburtstag<br />
Am 18. März 1984 ist Pfarrer Johann Adam Kraus,<br />
Erzbischöflicher Archivar i. R. 80 Jahre alt geworden.<br />
Der Jubilar wird mit Recht als Altmeister der hohenzollerischen<br />
Geschichtsforschung bezeichnet. In der Bibliographie<br />
der Hohenzollerischen Geschichte von Bernhardt<br />
und Seigel sind mehr als 650 Titel von J. A. Kraus<br />
verzeichnet. Dies ist mit Abstand die größte Zahl von<br />
Arbeiten zur hohenzollerischen Geschichte. Darunter<br />
befinden sich nicht nur zahlreiche größere Arbeiten, oft<br />
wurden auch in kleineren Aufsätzen wichtige Entdeckungen<br />
mitgeteilt.<br />
Nicht hoch genug kann seine »Kärrnerarbeit« für die<br />
Heimatforschung eingeschätzt werden. Mit Pfarrerlisten,<br />
Genealogien und vielen Veröffentlichungen von Urkunden<br />
aus Archiven, Pfarrhäusern und kaum erreichbaren<br />
Quellen hat Kraus der Geschichtsforschung eine Fülle<br />
von Material zur Verfügung gestellt.<br />
Auch der Achtzigjährige ist noch unermüdlich tätig. Ein<br />
jüngstes Beispiel dafür ist die Entdeckung der St. Georgskapelle<br />
beim Thiergartenhof als romanische Basilika und<br />
Dorfkirche der abgegangenen Siedlung Weiler im Donautal.<br />
In Tageszeitungen nimmt er oft zu heimatgeschichtlichen<br />
Fragen Stellung und in der »Hohenzollerischen<br />
Heimat« erscheinen seine Beiträge in gewohnter Weise.<br />
hen rüten minder oder mer muren«, und aus dieser Längenvorgabe<br />
sind bei der praktischen Durchführung schließlich 18<br />
Ruten geworden, eine akzeptable Toleranz. Wir erfahren<br />
auch beiläufig, daß die zollerische Rute wohl 16 Fuß hatte<br />
(»das ye ain rüt... sechzehen schüch lang... sige«), und<br />
wenn wir den Fuß zu etwa 30 cm annehmen, dann können<br />
wir sogar die Länge der Mauer annähernd bestimmen. Die<br />
Rute würde dann etwa 4,80 m messen, und für die beiden<br />
Seiten der Ringmauer würden sich bei jeweils 9 Ruten etwas<br />
mehr als 40 m Lange ergeben (zusammen zwischen 80 und 90<br />
m). Auch dieses Maß paßt nun keineswegs zur Hechinger<br />
Stadtmauer (es sei denn, man nimmt lediglich eine Teilerneuerung<br />
an), denn deren Länge betrug gut das Zehnfache.<br />
Aber es paßt ausgezeichnet zur Ringmauer der Stadtburg,<br />
deren beide zu errichtenden Seiten sich durchaus mit diesem<br />
Maß vereinigen lassen.<br />
Es ist durchaus wahrscheinlich, daß die Hechinger Stadtmauer<br />
ebenso wie das Stadtschloß unter den andauernden<br />
Fehden gelitten hatte und daß sie erneuerungsbedürftig war.<br />
Solange jedoch nicht der positive Beweis erbracht ist, daß<br />
Meister Hans von Bulach der Erbauer der Hechinger Stadtmauer<br />
ist 10 , kann er aufgrund der behandelten Dokumente<br />
lediglich als Baumeister der Ringmauer gelten. Dies mindert<br />
die Bedeutung des Maurers keineswegs; im Gegenteil, daß<br />
Graf Eitelfriedrich ihn als Baumeister zu einem nicht ganz<br />
unbedeutenden Vorhaben heranzog, fordert dazu heraus,<br />
sich näher mit seiner Person zu befassen. Eine angemessene<br />
Würdigung der Kunst unseres Meisters ist indessen nicht<br />
möglich, da von seinem Werk nichts erhalten ist.<br />
Wer war Meister Hans von Bulach ?<br />
Uns fehlt nicht nur das sichtbare Werk dieses mittelalterlichen<br />
Baumeisters, wir vermissen auch fast gänzlich Bausteine<br />
zu seinem Lebensbild. Außer in den genannten Quellen -<br />
dem Verdingbrief zum Bau der Hechinger Ringmauer vom<br />
26. Sept. 1435 und der Abrechnung von 1436 - gibt uns der<br />
Leser und Schriftleitung der »Hohenzollerischen Heimat«<br />
übermitteln dem Jubilar herzliche Glück- und<br />
Segenswünsche. Niemand hat ihm so viel zu danken wie<br />
wir, für unzählige Beiträge und für großzügige finanzielle<br />
Unterstützung. Wir danken ihm für alles, was er in 33<br />
Jahren für die »Hohenzollerische Heimat« getan hat.<br />
Meister im zollerischen Quellenmaterial nur noch einmal die<br />
Ehre: als am 15. Mai 1437 noch vor dem Frühstück (»vor<br />
frgem imbiß«) ein Hechinger Küfer dem Grafen Leibeigenschaft<br />
schwört, sind als Zeugen eine Reihe von Handwerkern<br />
zugegen, darunter »maister Hans von Bulach genant Großhans<br />
und der Unger sin murer knecht« 11 . Aus diesen drei<br />
Erwähnungen ergibt sich kein besonders detailliertes Bild:<br />
ein Maurermeister namens Hans von Bulach, auch Großhans<br />
genannt, läßt sich zwischen dem Herbst 1435 und dem<br />
Frühjahr 1437 in Hechingen nachweisen. Wir würden diesen<br />
drei erhaltenen Daten kein weiteres Gewicht beilegen, wenn<br />
dieser Maurermeister nicht von Graf Eitelfriedrich einen<br />
relativ großen Bauauftrag erhalten hätte. Wer war also dieser<br />
Mann?<br />
Um es gleich zu sagen: ein Lebensbild läßt sich von dem<br />
Meister wie meistens, wenn wir es mit Personen der ländlichen<br />
Sphäre im Mittelalter zu tun haben, nicht zeichnen. Was<br />
uns bleibt ist der Versuch, seine Herkunft, evtl. sein soziales<br />
Umfeld zu erkunden. Unsere erste Frage muß sein, ob Hans<br />
von Bulach möglicherweise selbst aus der Grafschaft Zollern<br />
stammte. Die Vermutung liegt auf den ersten Blick nahe, da<br />
uns der Name Bulach aus Hechingen und der Umgebung als<br />
heute noch lebender Familienname bekannt ist. Die Bulach<br />
lassen sich als alteingesessene und angesehene Familie in<br />
Wessingen und Hechingen während des ganzen 15. Jahrhunderts<br />
nachweisen; bereits 1318 ist in Wessingen der Bulachhof<br />
erwähnt 12 . Der Name dieser Familie ist wahrscheinlich von<br />
einer zwischen Hechingen und Wessingen abgegangenen<br />
Siedlung Bulach abgeleitet. Unseren Maurermeister mit der<br />
Wessinger Familie in Verbindung zu bringen, ist gleichwohl<br />
unwahrscheinlich, weil sich deren Mitglieder nie »von<br />
Bulach« genannt haben; Meister Hans scheint sich durch sein<br />
»von« geradezu von der eingesessenen Familie bäuerlicher<br />
Herkunft absetzen zu wollen.<br />
Von daher bietet sich eine zweite Überlegung an: Haben wir<br />
es, wenn wir das »von« betrachten, bei Hans von Bulach evtl.<br />
3
mit einem Adligen, besser: ehemals Adligen zu tun? Die<br />
Vermutung ist nicht ganz abwegig, kennen wir doch im<br />
zollerischen Raum wenigstens zwei adlige Geschlechter, die<br />
diesen Weg gegangen sind: die Herren von Holnstein und die<br />
von Ringelstein 13 . Allerdings haben sich diese von dem<br />
Zeitpunkt an, da sie bürgerliche Handwerke ausübten, nicht<br />
mehr »von« genannt. Bleibt uns der dritte Weg: das »von« ist<br />
kein Adelsprädikat, sondern drückt lediglich die regionale<br />
Herkunft aus. Uns fällt da die bekannte zeitgleiche Parallele<br />
ein: Werner von Bickelsperg, der Beamte, der um 1435 die<br />
zollerische Kanzlei reorganisierte, war nach allem, was wir<br />
wissen, kein Adliger, sein Familienname verrät lediglich<br />
seinen Herkunftsort 14 .<br />
Folgen wir diesem Muster, dann müssen wir nach einem Ort<br />
Bulach suchen, von dem unser Meister herstammen könnte.<br />
Hier bieten sich im südwestdeutschen Raum zwei Orte an:<br />
Bulach bei Karlsruhe und die frühere Stadt Bulach bei Calw<br />
(heute Neubulach). Die Quellen zu der kleinen, wegen ihrer<br />
nahegelegenen Silberminen jedoch nicht unbedeutenden<br />
Stadt Bulach bei Calw scheinen unseren Bemühungen<br />
zunächst entgegen zu kommen. Das zur Grafschaft Hohenberg<br />
gehörende Städtchen und seine Minen wurden durch<br />
Vögte verwaltet, deren erster uns von 1277 an besonders gut<br />
faßbar wird. Er hieß Berthold Lothe, nennt sich unterschiedlich<br />
Berthold gen. Lothe, Vogt in Bulach, Berthold Vogt von<br />
Bulach, wobei sich der ursprüngliche Familienname schließlich<br />
zugunsten des »Vogt von Bulach« und bei seinen Nachkommen<br />
einfach »von Bulach« verliert. Zuletzt begegnet uns<br />
eine Agnes von Bulach 1351 15 . Diese Familie ist nicht adlig,<br />
sie ist allerdings aus einem hohen Verwaltungsamt hervorgegangen<br />
und nennt sich nach der Stadt, in der sie ihr (erbliches)<br />
Amt ausübte. Wir könnten meinen, hier unserem Maurermeister<br />
auf der Spur zu sein, allerdings lassen uns die<br />
gedruckten Quellen zu dieser Familie nach 1351 völlig im<br />
Stich. Die Lücke zwischen 1351 und 1435 läßt sich nicht<br />
füllen, Hans von Bulach sich nicht an diese alte Familie aus<br />
der Stadt Bulach anschließen. Wir müssen also andere Wege<br />
beschreiten.<br />
Eine Fährte führt uns in die Reichsstadt Rottweil, denn auch<br />
dort lebt der Name Bulach. Ein Notar Johann (der) Bulach<br />
begegnet uns 1397 und 1401; evtl. noch immer derselbe ist<br />
1422 als Anwohner am Markt belegt und 1423 als Schwiegervater<br />
eines Heinrich der Wirt 16 . Die Wirt zählten zu den<br />
ersten Familien Rottweils, folglich scheint auch Johann<br />
Bulach keine schlechte Adresse gehabt zu haben. Dies bestätigt<br />
sich auch dadurch, daß sein Sohn Conrad Bulach offensichtlich<br />
eine Position im Rat der Stadt oder sogar am<br />
Kaiserlichen Hofgericht hatte 17 . Nach Kindler von Knobloch,<br />
der leider seine Quelle nicht nennt, war Conrad<br />
überdies mit Ursula von Melchingen aus dem bekannten<br />
zollerischen Adelsgeschlecht verheiratet 18 . Er führte sowohl<br />
nach Kindler von Knobloch als auch nach O. von Alberti 19<br />
ein Wappen, das eine Mauer mit Zinnengiebel zeigte.<br />
Dieses Wappen macht uns hellhörig. Es ist zwar nicht<br />
zwingend, daß das Wappenbild eine Andeutung auf das<br />
Maurerhandwerk enthält - es könnte auch auf ein städtisches<br />
Amt, durch die Stadtmauer angedeutet, anspielen -, aber da<br />
es nach den Abbildungen weniger eine Stadtmauer, sondern<br />
eindeutig ein Giebelhaus mit Tor darstellt, liegt die Assoziation<br />
zum Maurerberuf doch nahe. Es ist bei allem sicher, daß<br />
der adelig verheiratete Ratsherr Conrad Bulach in Rottweil<br />
kein Maurer war, aber könnte es nicht sein, daß die Rottweiler<br />
Bulach der patrizisch gewordene Zweig einer Handwerkerfamilie<br />
war, deren Kennzeichen sich Conrad nicht scheute<br />
ins Wappen zu übernehmen?<br />
Die Frage nach der Herkunft des Maurermeisters Hans von<br />
Bulach ließ sich durch unseren Streifzug durch einige südwestdeutsche<br />
Familien, deren Name eine Beziehung vermu-<br />
4<br />
Wappen des Conrat Bulach in Rottweil<br />
nach<br />
Kindler von<br />
Knobloch<br />
1427<br />
nach w<br />
von Alberti Gnnrst fiulaiti<br />
1448 1M8.<br />
ten ließe, nicht klären; es haben sich lediglich unsichere<br />
Indizien ergeben. Dennoch halte ich eine Verbindung zu den<br />
Rottweiler Bulach für denkbar; und es ist letztlich nicht<br />
einmal ausgeschlossen, daß im 14. Jahrhundert ein Zweig der<br />
Bulacher Vogtfamilie in die Reichsstadt zugezogen ist und so<br />
auch zwischen diesen beiden Geschlechtern ein Zusammenhang<br />
besteht. Beweisen läßt sich dies aufgrund des gedruckten<br />
Quellenmaterials allerdings nicht. Wenn wir den zollerischen<br />
Baumeister in Beziehung zu den Rottweiler Bulach<br />
setzen, ergibt sich immer noch das Problem, warum er sich<br />
Hans von Bulach nannte. Hierfür bietet sich eine mehrfach<br />
begründete Erklärung an: Hans von Bulach setzt sich durch<br />
das »von« von der bäuerlichen Familie Bulach in Wessingen<br />
ab, er nimmt bewußt oder unbewußt Bezug auf eine Herkunft<br />
seiner Vorfahren aus der Stadt Bulach und er gibt sich<br />
durch das adlig anmutende »von« ein höheres Prestige, das -<br />
falls er mit dem Rottweiler Patriziat zu tun hat - dem Rang<br />
seiner Verwandten Rechnung trägt, zugleich aber auch seiner<br />
eigenen bevorzugten Stellung gerecht wird.<br />
Stellung und Bedeutung des »Maurers* Hans von Bulach<br />
Da die Untersuchung der familiären und damit sozialen<br />
Herkunft unseres Maurers keine Sicherheit brachte, müssen<br />
wir seinen Rang innerhalb der zollerischen Handwerkerschaft<br />
und seine Bedeutung im Aufbauprogramm des Grafen<br />
Eitelfriedrich aus anderen Anzeichen zu ermitteln versuchen.<br />
Neben Hans von Bulach und seinem Knecht Unger ist mir im<br />
gesamten Quellenmaterial zur Grafschaft Zollern bis ins<br />
16. Jahrhundert hinein kein weiterer Maurer begegnet. Es<br />
läßt sich zwar in Hechingen seit 1345 der Familienname<br />
Murer nachweisen, aber das namengebende Handwerk übte<br />
diese Familie im 15. Jahrhundert sicher nicht aus 20 . Daraus<br />
ergibt sich, daß der Beruf des Maurers in der Grafschaft selbst<br />
äußerst selten, jedenfalls nicht heimisch war.<br />
Ein seltenes Handwerk ist aber ein gesuchtes Handwerk; wer<br />
es beherrscht, genießt von vorneherein ein gewisses Ansehen.<br />
Hinzu kommt, daß Maurerarbeiten in einer Zeit, wo die<br />
Steinbauweise das Privileg einer kleinen aber reichen Bevölkerungsgruppe<br />
war, den Charakter des Außergewöhnlichen<br />
hatte. Potentielle Auftraggeber für Maurerarbeiten waren der<br />
Adel, die Kirche und die reichen Bürger der Städte. Wo<br />
solche Arbeiten vergeben wurden, handelte es sich in der<br />
Regel gleich um Großprojekte wie Kirchen- und Burgenbauten.<br />
Wir können uns vorstellen, daß Hechingen im Winter<br />
und Frühjahr 1435/36 durch den Bau der Ringmauer einer<br />
Großbaustelle geglichen haben muß (sollte in dieser Zeit<br />
tatsächlich auch die Stadtmauer erneuert worden sein, dann<br />
gilt diese Aussage umso mehr). Hans von Bulach war also
kaum irgendein »Maurer«, sondern er muß - um es modern<br />
zu sagen - ein Bauunternehmer gewesen sein, der in der Lage<br />
war, einen Großauftrag zu bewältigen. Er war der »Chef«,<br />
der sicherlich noch einige Gesellen beschäftigte. Bekannt ist<br />
uns immerhin sein »murerknecht der Unger«, der sich allerdings<br />
wie sein Meister in den Quellen äußerst rar macht 21 ; er<br />
muß aber ebenfalls eine ehrbare Person gewesen sein, da er<br />
mit seinem Meister als Zeuge einer Rechtshandlung beiwohnt.<br />
Zum Bautrupp muß wenigstens noch ein Steinmetz<br />
gezählt haben, da im Verdingbrief Ecken mit Bossensteinen<br />
und gehauene Toreinfassungen vereinbart sind. Ansonsten<br />
wird man auf der emporwachsenden Mauer viele frondienstleistende<br />
Bauern als Handlanger gesehen haben. Auch die<br />
Steinbrüche im Land dürften in jenen Tagen Hochkonjunktur<br />
gehabt haben. Es ist vertraglich festgelegt, daß die Wagen<br />
der fronenden Bauern ihre Fuhren möglichst nahe an die<br />
Baustelle heranführen sollen.<br />
Wenn wir die Bedeutung des Hechinger Ringmauerbaus in<br />
den Jahre 1435/36, der für den Wiederaufbau der Grafschaft<br />
durch Eitelfriedrich I. praktischen und symbolischen Wert<br />
hat, also richtig würdigen, erkennen wir, daß die mittelhochdeutsche<br />
Bezeichnung »murer« unseren Meister letztlich<br />
nicht richtig beschreibt. Hans von Bulach war ein Baumeister,<br />
der, wenn er auch vermutlich nicht wie die zollerischen<br />
Baumeister des 16. Jahrhunderts dem gräflichen Beamtenstab<br />
angehörte, doch im Bauwesen dieselbe Funktion<br />
erfüllte 22 wie gleichzeitig der Vogt Wernher von Tieringen als<br />
oberster Beamter oder der Schreiber Wernher von Bickelsperg<br />
als Organisator der gräflichen Kanzlei oder Martin<br />
Schnider von Hartheim als gräflicher Rechtsberater und<br />
-Vertreter. Hans von Bulach war sicher kein Baumeister erster<br />
Güte - das hätte sich Graf Eitelfriedrich kaum leisten können<br />
-, aber er war auch nicht irgendein Handwerker; vermutlich<br />
relativ guter sozialer Herkunft, muß er eine honorable Persönlichkeit<br />
in der Umgebung der gräflichen Kanzlei gewesen<br />
sein.<br />
So gesehen wird am Ende jene erstaunliche Klausel des<br />
Verdingbriefes verständlich, die dem Meister Hans von<br />
Bulach - quasi als Bestandteil des Vertrags - Ruhm zusichert:<br />
»... Vnd man sol dem Murer allen rum tun.«<br />
Anmerkungen<br />
1<br />
Zollerisches Kopialbuch von 1435/36 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart<br />
H 14/15 fol. 132 v .<br />
2<br />
Vgl. Egler/Ehrenberg, Chronik der Stadt Hechingen (Hechingen<br />
1906; 1982) zum Jahr 1419.<br />
3 r<br />
Wie Anm. 1, fol. 26 .<br />
4<br />
Wie Anm. 1, fol. 101".<br />
5 v r<br />
Wie Anm. 1, foll. 122 -125 .<br />
6<br />
Wie Anm. 2, zum Jahr 1435.<br />
7<br />
Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns. Erster Band: Kreis Hechingen.<br />
Bearbeitet von Friedrich Hossfeld und Hans Vogel, geschichtliche<br />
Einleitung und Ortsbeschreibungen von Willy Baur, S. 203 f.<br />
8<br />
Freundliche Mitteilung von Staatsarchivrat Dr. Becker, Sigmaringen,<br />
vom 11. 1. 1984.<br />
9<br />
Wie Anm. 1, fol. 133'<br />
9<br />
' Als Vermittler käme in Frage P. Manns, Geschichte der Grafschaft<br />
Zollern im 15. und 16. Jahrhundert (Hechingen 1897), der<br />
das zollerische Kopialbuch in Stuttgart kannte.<br />
10<br />
Die Bezeichnung >Erbauer< wäre ohnehin irreführend; Hechingen<br />
dürfte von einer Mauer umgeben gewesen sein, seit der Ort als<br />
Stadt belegt ist (2. Hälfte des 13. Jahrhunderts). Die Stadtmauer<br />
ist im 14. und frühen 15. Jh. mehrfach urkundlich bezeugt; vgl.<br />
Urkunden des Dominikanerinnenklosters Stetten im Gnadental<br />
bei Hechingen 1261-1802. Ihrem Inhalt nach dargeboten von<br />
Franz Haug und J. A. Kraus. Beilage zum Hohz. Jahresheft 15<br />
(1955)- 17 (1957) (im folgenden abgek. UDS) Nr. 77 (zum Jahr<br />
1330), 83 (1331), 391 (1412) und 416 (1426). Zum Jahr 1385 nennt<br />
die Hechinger Stadtmauer Crusius, Schwäbische Chronik I,<br />
S. 961.<br />
Das Bickelspergsche Lagerbuch der Grafschaft Zollern von 1435.<br />
Bearbeitet von Franz Herberhold (Sigmaringen 2 1978, Arbeiten<br />
zur Landeskunde Hohenzollerns 1), S. 21.<br />
Bulachhof vgl. UDS NR. 44. Die Stammtafel der Familie Bulach<br />
im 15. Jh. ergibt sich aus folgenden Urkunden und Lagerbucheinträgen:<br />
UDS Nr. 420 und 531; Bickelspergs Lagerbuch (wie<br />
Anm. 11), S. 4, 42, 46, 47, 61, 119; Urkunden im Staatsarchiv<br />
Sigmaringen unter Ho 1 vom 2. 5. 1439, 2. 3. 1478, 11. 8. 1497,<br />
31. 10. 1502, 21. 1. 1505, 4. 3. 1505, 5. 3. 1505, 21. 1. 1518, 1520;<br />
ebendort Rodel St. Peter Steinhofen von 1454, Rodel St. Katharina<br />
Killer 1454, Salbuch Weilheim 1506; zuletzt Stadtarchiv<br />
Hechingen Urkunden Nr. 20 (21. 2. 1521) und 24 (6. 4. 1535).<br />
I<br />
Hans<br />
1435/39<br />
Heiligenpfleger<br />
Wessingen<br />
I<br />
Hans<br />
nach 1454/78/82<br />
Hechingen<br />
Friedrich Bulach<br />
1427/35 Wessingen<br />
N. N.<br />
1435<br />
1<br />
(= Märklin?) Mätz<br />
1454 1454<br />
Cuntz<br />
ca. 1470<br />
Thanheim?<br />
Merklin<br />
1505/06<br />
Wessingen<br />
Thanheim<br />
Fritz<br />
1502/05<br />
Heiligenpfleger<br />
Wessingen<br />
I ^—i ; —I r^ —I—; 1<br />
Stefan Dorothea Lienhart Caspar Heintz Bartlin Hans<br />
Stud. Freiburg t vor 1535 Metzger 1497 1518/21 1520<br />
1495 Hechingen t 1535<br />
Hechingen<br />
Basel<br />
;<br />
' Siehe Theodor Schön, Die Herren von Holnstein, in: Mitt. Hohz.<br />
26 (1892/93), S. 9-24, ders., Der Ausgang der Herren von Holnstein,<br />
in: Mitt. Hohz. 31 (1897/98), S. 137 und J. A. Kraus, Herkunft<br />
und Ende der Herren von Killer, in: Zollerheimat 8 (1939),<br />
S. 59-60.<br />
11<br />
Vgl. Herberhold (wie Anm. 11), S. 6* f.<br />
13<br />
Die Stammtafel der Familie Lothe von Bulach ergibt sich aus<br />
Monumenta Hohenbergica Nr. 74, 75, 90, 104, 106, 109, 118,<br />
142, 152, 155, 159, 162, 164, 187, 489 und Wirtembergisches<br />
Urkundenbuch Nr. 3486, 4711, 4900, 5400, 5538.<br />
r—;<br />
Hailwig<br />
Nonne in Reuthin<br />
1300<br />
Berthold Lothe<br />
Vogt von Bulach<br />
1277/1300<br />
Friedrich<br />
* Willebirg<br />
Vogt von Bulach<br />
1295/1300<br />
I<br />
I<br />
Elle von Bulach<br />
Nonne in Reuthin<br />
1351<br />
Konrad<br />
Pfarrer Haiterbach<br />
1300<br />
Schwester N. N.<br />
Agnes von Bulach<br />
= Joh. Weidhas<br />
1351 Freiburg<br />
1 ' Ruth Elben, Das Patriziat der Reichsstadt Rottweil. Von den<br />
Anfängen bis zum Jahre 1550 (Veröffentlichungen der Kommission<br />
f. geschichtl. Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B<br />
Bd. 30, Stuttgart 1964), S. 147 f. uns S. 177; Rottweiler Urkundenbuch<br />
Nr. 632, 862, 875.<br />
1 Conrat Bulach in Rottweil ist Adressat eines, vielleicht zweier<br />
Schreiben des Grafen Eitelfriedrich, vgl. zollerisches Kopialbuch<br />
(wie Anm. 1), fol. 29 v und 126 v .<br />
1 ' ]. Kindler von Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch.<br />
3 Bde. (Heidelberg 1898), Bd. 1, S. 182. Bisher war bekannt, daß<br />
Ursula von Melchingen 1468 Gattin des Rottweiler Patriziers<br />
Balthasar Lutz war; daß sie zuvor mit Conrat Bulach verheiratet<br />
war, ist bisher nicht beachtet worden. Vgl. auch R. Elben (wie<br />
Anm. 16), S. 111.<br />
1 ' Kindler von Knobloch (wie Anm. 18) und O. von Alberti, Württembergisches<br />
Adels- und Wappenbuch. 2 Bde (Stuttgart<br />
1889-1898), Bd. 1, S. 99. Dasselbe Wappen führte 1464 auch ein<br />
Gebhard von Bulach, vielleicht ein Sohn Conrats. Insgesamt ist<br />
diese Rottweiler Familie also wenigstens über 3 Generationen<br />
belegt, während Gerhard Eis, Zu Hans Bulach von Rottweil, in:<br />
Med. Monatsschrift 23 (1969), S. 502-503 nur den ältesten Hans<br />
5
kennt und in ihm den Autor eines Rezeptes »Kirßwin ze machen<br />
secundum Bulach in Rottwil« sieht; es kommen tatsächlich noch<br />
weitere Personen in Frage. Auch die beiden Nonnen im Kloster<br />
Stetten bei Hechingen, Elisabeth Bulach (StAS DH 56, 395) und<br />
Priorin Anna Bulach (UDS Nr. 472, 475 und 506) würde ich eher<br />
dieser Familie zuzählen als jener aus Wessingen.<br />
Stammtafel:<br />
Johann Bulach, Notar Rottweil<br />
1397/1423<br />
Heinrich der Wirt °° Tochter N. N. Conrat Bulach<br />
1423 1427/t vor 1468<br />
I<br />
Gebhard v. Bulach 1464<br />
HANS-PETER WALLISCH<br />
Die Burladinger St. Georgskirche im Wandel der Zeiten<br />
Seit dem Bau der St. Fideliskirche in Burladingen 1934 wird<br />
die alte Dorfkirche, die St. Georgskirche, nur noch wenig<br />
benützt. Es wurde sogar immer wieder über einen Abbruch<br />
der Kirche gesprochen. Dies wurde besonders akut durch die<br />
Schäden, welche beim Erdbeben 1978 an der Kirche aufgetreten<br />
waren. Im Sommer 1980 wurde dann mit der Erdbebensanierung<br />
und der Außenrenovation begonnen, die bis<br />
Herbst 1981 dauerte. Bei dieser Gelegenheit wurden vom<br />
Landesdenkmalamt auch Ausgrabungen im Inneren der Kirche<br />
vorgenommen.<br />
Die Renovierungs- und Restaurierungsarbeiten in der Kirche<br />
sind noch nicht abgeschlossen. Auch sind die Ergebnisse der<br />
Ausgrabungen des Landesdenkmalamtes von 1982 noch<br />
lange nicht ausgewertet. Trotzdem komme ich dem Wunsch<br />
über die St. Georgskirche zu berichten, gerne nach, ohne<br />
Anspruch auf Vollständigkeit, etwas Licht in die Geschichte<br />
der St. Georgskirche zu bringen. Seit 1976 beschäftige ich<br />
mich mit der Geschichte dieser Kirche. Auslösend für mein<br />
Interesse war die Diskussion in der Burladinger Bevölkerung<br />
über Erhaltung oder Abbruch der St. Georgskirche. Im<br />
Rahmen meines Studiums der Architektur an der Fachhochschule<br />
für Technik in Stuttgart, habe ich im Fach Bauanalyse<br />
und Denkmalpflege die Kirche mit den damals zur Verfügung<br />
stehenden Mitteln untersucht. Ziel der Untersuchungen war<br />
in erster Linie der Versuch, die ursprüngliche Form des<br />
heutigen Gebäudes zu rekonstruieren.<br />
Über Vorgängerkirchen konnten damals nur wenige Anhaltspunkte<br />
gefunden werden. Auf Grund des Kirchenpatronates<br />
St. Georg war zu vermuten, daß hier schon zu einem sehr<br />
frühen Zeitpunkt eine Kirche stand. Die Grabungsfunde<br />
übertrafen jedoch alle diesbezüglichen Erwartungen: Außer<br />
der heute sichtbaren Kirche, standen an dieser Stelle mindestens<br />
drei weitere in Stein gebaute Kirchen.<br />
Die älteste Kirche muß um 700 n. Chr. entstanden sein, sie<br />
hatte eine Gesamtlänge, einschließlich eingezogenem Chor,<br />
von ca. 11,30 m und war 5,20 m breit. Der eingezogene Chor<br />
hat die Ausmaße von ca. 3,20 x 3,00 m. Diese Kirche<br />
überlagerte das bei den Ausgrabungen gefundene Steinkistengrab,<br />
welches ca. 650 n. Chr. angelegt wurde. Man kann<br />
weiterhin annehmen, daß zu dem Steinkistengrab bereits eine<br />
noch frühere Kapelle gehört hat. Auffallend ist, daß die<br />
Fundamente der ältesten Kirche um kein Grad von der<br />
Ausrichtung des Steinkistengrabes abweichen. Im Steinkistengrab<br />
wurden zwei Ohrringe aus gediegenem Gold gefunden,<br />
was darauf schließen läßt, daß es sich bei den vorgefundenen<br />
Skeletten um bedeutendere Persönlichkeiten gehandelt<br />
haben muß. Die Gräber hatten sicher reiche Grabbeigaben,<br />
die aber wohl bei späteren Baumaßnahmen entwendet wur-<br />
6<br />
20<br />
Die Familie stammte wahrscheinlich aus der »alten Stadt« Hechingen<br />
(Unterstadt) und ist gut belegt in den Urkunden des Klosters<br />
Stetten, in Bickelspergs Lagerbuch und auch im zollerischen<br />
Kopialbuch (wie Anm. 1); nichts weist auf den Maurerberuf<br />
hin.<br />
21<br />
Unger ist außer wie Anm. 11 nachgewiesen im zollerischen<br />
Kopialbuch (wie Anm. 1), fol. 23 v .<br />
22<br />
Eine vergleichbare Rolle wie Hans von Bulach spielte evtl. noch<br />
der Weilheimer Zimmermeister Eberhard Schuler, der wohl die<br />
Oberaufsicht über die Holzarbeiten am Hechinger Stadtschloß<br />
führte; Nachweis siehe Anm. 5.<br />
den. Aus den Grabbeigaben geht nicht unbedingt hervor, daß<br />
es sich um Adelspersonen gehandelt hat, es ist jedoch nicht<br />
auszuschließen, daß an der Stelle des früheren Schlößle schon<br />
um diese Zeit ein Adelssitz bestanden hat.<br />
Es kann auch angenommen werden, daß die hier bestatteten<br />
Personen Christen waren, worauf besonders die exakte Ausrichtung<br />
des Steinkistengrabes in Ost-West-Richtung hindeutet.<br />
Schon früher wurde bei der Ausgrabung von Reihengräbern<br />
in Burladingen ein Goldblattkreuz gefunden, was auf<br />
die Christianisierung hinweist. Bei einer Güterschenkung im<br />
Jahre 772 an das Kloster Lorsch werden Burladingen und<br />
einige, im Burichingagau gelegene Nachbarorte erstmals<br />
erwähnt. Schon damals war bei der Bevölkerung, wie beim<br />
Adel eine tief verwurzelte Gläubigkeit vorhanden. Es ist<br />
möglich, daß schon diese erste, aus Stein gebaute Kirche dem<br />
heiligen Georg geweiht war. So ist z. B. in Wasserburg<br />
St. Georg als Kirchenpatron schon im Jahre 784 urkundlich<br />
belegt.<br />
Die zweite Bauphase der Kirche konnte bisher nicht datiert<br />
werden. Diese Kirche war im ersten Bauzustand ca. 9,30 m<br />
lang und ca. 6,50 m breit. Sie wurde in einer weiteren<br />
Bauphase um 3,50 m in der Länge erweitert auf ein Gesamtmaß<br />
von ca. 13 m. Von diesem Bauwerk wurde auch das<br />
Altarfundament gefunden. Eine genaue Datierung war bisher<br />
noch nicht möglich. Auch über den Baustil, die Höhe und die<br />
Ausstattung dieser Kirchen läßt sich noch nichts sagen.<br />
Einen weiteren datierbaren Bauabschnitt stellt die romanische<br />
Kirche dar, von der noch Teile in der Nordwand<br />
erhalten sind. Ihre Entstehung ist wohl im 13. Jahrhundert<br />
anzusetzen. Es war ein Rechteckbau, dessen Chor nahtlos ins<br />
Schiff überging. Der Bau war mit einer Länge von 20 m und<br />
ca. 8 m Breite schon recht stattlich. Zur Ausgestaltung und<br />
Höhe dieser Kirche kann noch nichts Endgültiges gesagt<br />
werden. Sicher ist jedoch, daß sie mindestens so hoch war,<br />
wie die Rundbogenfenster der heutigen Kirche.<br />
Bei den Voruntersuchungen zur Restaurierung der jetzigen<br />
Kirche wurde hinter dem linken Seitenaltar eine Rundbogentür<br />
festgestellt, über der linken, ehemaligen Beichtstuhlnische<br />
eine Fensterleibung. Beiderseits des mittleren Wandpfeilers<br />
fanden sich Wandmalereien. Zu welcher Epoche diese<br />
Wandmalereien gehören, ist noch nicht ganz sicher. Es ist<br />
aber anzunehmen, daß sie von dem Riedlinger Maler Hans<br />
De Pay stammen. Dieser hatte laut einem 1589 zwischen dem<br />
Grafen Eitel Friedrich und ihm ausgehandelten Akkord, die<br />
Kirche zu bemalen. Dort heißt es wörtlich: »Die vier Decken<br />
überall weiß anzustreichen und etliche Stern darein, auch in<br />
der Vorkirche die 12 Apostel mit grau und grauen Wasserfar-
en zu malen, blau ausfüllen, das Fensterwerk mit Rollwerk<br />
einfassen und gleichfalls mit blau ausfüllen. Zwischen den<br />
Fenstern Bilder wie sie sich in die Kirche zu malen geziemt.<br />
Hinter dem Altarchor ein Kruzifix mit unserer lieben Frauen<br />
und St. Johannesbildnis malen.« De Pay erhielt für seine<br />
Arbeit 80 Gulden. Schwierig ist die zeitliche Einordnung des<br />
im Westen an die Kirche angebauten Turmes. Er hat keine<br />
direkte Verbindung mit einer der Vorgängerkirchen. Auch<br />
die heutige Kirche ist an den Turm nur angebaut. Vielleicht<br />
bringt die Auswertung der archäologischen Grabungen noch<br />
weiteren Aufschluß.<br />
Interessant ist der Kupferstich von Merian aus dem Jahre<br />
1662. Er zeigt neben der Burg Hohenzollern auch das<br />
Killertal mit der Kapelle auf der Schlichte und dahinter<br />
mehrere Türme und Gebäude beiderseits einer Kirche mit<br />
spitz aufragendem Turm. Ich nehme aber dennoch nicht an,<br />
daß die Kirche ehemals einen spitzen Turm hatte, sondern<br />
daß es der Künstler bei der Fertigung des Kupferstiches nicht<br />
so genau nahm.<br />
Die erste urkundliche Nennung eines Pfarrers in Burladingen<br />
im Zehntbuch der Diözese Konstanz stammt aus dem Jahre<br />
1275. Eine Glocke mit der Jahreszahl 1435 wurde 1903 wegen<br />
Schadhaftigkeit umgegossen. Nachrichten über die Bautätigkeit<br />
an der Kirche geben seit 1596 mit einigen Lücken die<br />
Rechnungen der Heiligenpflege. Weiteres Material konnte<br />
ich im Fürstlichen Archiv Sigmaringen finden, u. a. den<br />
schon erwähnten Malakkord vom Jahr 1589. Im Dreißigjährigen<br />
Krieg wurden auch die Kirchen nicht vor der Plünderung<br />
verschont. So fehlte hier 1622 das Ciborium und noch<br />
1661 mußte der Burladinger Pfarrer den Meßkelch der Filiale<br />
Gauselfingen benützen. Nach einem Kirchenvisitationsbericht<br />
des Kapitels Trochtelfingen aus dem Jahre 1651 war<br />
unsere Kirche baufällig. Nach und nach wurde die Kirche,<br />
wie aus den Heiligenrechnungen hervorgeht, notdürftig<br />
renoviert. Erst 1720 wird von einem größeren Umbau berichtet,<br />
der sich auf einen neuen Chor, eine Sakristei und eine<br />
Empore erstreckt. 1721 werden dem Orgelmacher von<br />
Hechingen 55 Gulden für eine neue Orgel bezahlt. Dies ist<br />
die erste Erwähnung einer Kirchenorgel in Burladingen.<br />
Schon 1740 werden dem Orgelmacher von Uberlingen 110<br />
Gulden für eine neue Orgel bezahlt. Demnach war man mit<br />
der Orgel aus Hechingen nicht zufrieden. 1746 arbeiteten die<br />
Maurer Michael und Andreas Bauß von Stetten u. H. 78 Tage<br />
lang für 31 Gulden und 12 Kreuzer an der »Kirchenrenovation«.<br />
Der sehr baufreudige Pfarrer Philipp Ferber kam 1763 von<br />
Hechingen, wo er Hofkaplan war, als Pfarrer nach Burladingen.<br />
Schon beim Amtsantritt faßte er den Entschluß, eine<br />
neue Kirche zu bauen. Zunächst renovierte er das Pfarrhaus<br />
und 1769/70 beauftragte er den bekannten Baumeister Christian<br />
Großbayer von Haigerloch mit dem Bau einer neuen<br />
Kirche. Von dieser 1770 neu erbauten Kirche sind leider keine<br />
Baupläne auffindbar. Im Fürstlichen Archiv befindet sich ein<br />
Kostenvoranschlag vom 30. April 1770, der die entsprechenden<br />
Baumaßnahmen umreißt. Dort heißt es u. a.: »Vom<br />
Baumeister die Kirche abzubrechen, aufrommen, Fondtominth<br />
graben, ausmauren, die Kirche aufführen, Dach hinaufthuon<br />
usw...« Nach dem Voranschlag beliefen sich die<br />
Rohbaukosten auf 3104 Gulden, 30 Kreuzer. Die Kirche war<br />
mit allen erforderlichen Inneneinrichtungen schon 1772 fertiggestellt.<br />
Die Ausmalung der Kirche wurde dem Kirchenmaler<br />
Franz Ferdinand Dent übertragen. Der mit ihm abgeschlossene<br />
Akkord über die Deckenfresken und einige andere<br />
Bilder ist im Pfarrarchiv vorhanden. Erwähnt ist auch ein Bild<br />
von der Taufe Christi beim Taufbrunnen, welches bei der<br />
jetzigen Renovation in der entsprechenden Nische an der<br />
Südseite des Langhauses gefunden wurde. An der Nordseite,<br />
in der Beichtstuhlnische wurde ebenfalls ein Bild gefunden,<br />
das aber nicht im Malakkord erwähnt ist. Es ist jedoch<br />
anzunehmen, daß Dent auch dieses Bild gemalt hat. Restaurator<br />
Lorch aus Sigmaringen hat inzwischen die Schönheit<br />
dieser Bilder wiederhergestellt.<br />
Die Kirche hatte ursprünglich eine Empore mit geschwungener<br />
Brüstung, welche bis zum ersten Pfeiler reichte. Dem<br />
Platzmangel in der Kirche, der durch ansteigende Bevölkerungszahl<br />
entstand, suchte man durch den Einbau von<br />
Emporen zu begegnen. Diese Emporen wurden immer wieder<br />
vergrößert und zerstörten dadurch das ursprüngliche<br />
Raumbild. Auf der linken Seite ging die Empore fast bis vor<br />
zum Seitenaltar. Um Platz zu gewinnen, wurden auch die<br />
Kirchenbänke neu eingeteilt. Es paßten 5 Bänke mehr hinein,<br />
die der Schreiner nach dem Vorbild der alten Bänke anzufertigen<br />
hatte. Durch die zusätzlichen Bänke wurde es vor den<br />
Seitenaltären sehr eng. Vermutlich aus diesem Grund wurden<br />
die Aufbauten der Seitenaltäre entfernt und die Altäre auf die<br />
Wand gemalt. Vom südlichen Seitenaltar befindet sich eine<br />
Rechnung im Pfarrarchiv, die am 6. August 1822 vom<br />
Hettinger Maler Johann Rupprecht ausgestellt wurde.<br />
Danach hat er den »Altar in Fresco gemalt«.<br />
Unter dem bekannten Pfarrer Blumenstetter wurde 1851 die<br />
Restaurierung der drei Altäre samt Kanzel und einiger Ölgemälde,<br />
sowie die Ausbesserung der Deckenfresken im Chor<br />
und Langhaus und zweier Nischen, von dem Gammertinger<br />
Maler Konstantin Hanner durchgeführt. Hanner hat offensichtlich<br />
die von Maler Rupprecht im Rokokostil auf die<br />
Wand gemalten Altäre abgekratzt und neue Altäre im »griechischen<br />
Stile« auf die Wand gemalt. Hanners Altäre sind<br />
unter den heute sichtbaren noch erhalten.<br />
1890 wurde eine neue Orgel in der Mitte der unteren Empore<br />
aufgebaut. 1893 ging man an die Erneuerung des Kircheninneren<br />
im neugotischen Stil. Einige ältere Mitbürger können<br />
sich an diese Ausmalung noch erinnern. Seither wurden keine<br />
größeren Reparaturen mehr ausgeführt, da die St. Georgskirche<br />
für die ständig wachsende Bevölkerung schon viel zu<br />
klein war.<br />
Das Hauptaugenmerk richtete sich nun auf den zu erwartenden<br />
Kirchenneubau. Geplant wurde ein neugotischer Bau,<br />
der an der Stelle errichtet werden sollte, wo heute das<br />
Blumenhaus Gunkel steht. Die Verhandlungen mit den verschiedenen<br />
Stellen waren jedoch sehr schwierig und so kam<br />
der Neubau vor dem Ersten Weltkrieg nicht mehr zustande.<br />
Das reichlich angesparte Geld fiel der Inflation zum Opfer.<br />
Unter Umgehung des erzbischöflichen Ordinariates wurde<br />
im Sommer 1924 der nördliche Anbau an der Kirche errichtet.<br />
Im Erdgeschoß wurde Platz für ca. 150 Schulmädchen<br />
geschaffen. Im oberen Stock des Anbaus wurde eine neue<br />
Orgel von Stehle, Bittelbronn, aufgestellt. Auch die untere<br />
Empore im Langhaus wurde verbreitert und verlängert.<br />
Dadurch wurde die Kirche noch dunkler und beengter. Die<br />
Empore wurde deshalb kurze Zeit später wieder verkürzt.<br />
Die baulichen Veränderungen machten erst deutlich, wie<br />
schadhaft das ganze Kircheninnere war. 1925 wurde von<br />
Kirchenmaler Josef Lorch aus Sigmaringen der Hochaltar<br />
und das Deckengemälde restauriert. Im Sommer 1926 folgten<br />
das Deckengemälde im Langhaus und die beiden Seitenaltäre.<br />
Das Bild über der Empore wurde nicht restauriert, man sah es<br />
ohnehin nicht. Einige Bilder, die wahrscheinlich 1893 übertüncht<br />
wurden, konnten 1926 wieder freigelegt werden.<br />
Nachdem unter Pfarrer Richard Biener 1934 die St. Fideliskirche<br />
erstellt worden war, konnte man die unschönen<br />
Emporen der St. Georgskirche entfernen. Die Orgel, die nur<br />
12 Jahre ihren Dienst versehen hatte, wurde für die neue<br />
Orgel der St. Fideliskirche in Zahlung gegeben. Der Anbau<br />
von 1924 wurde nicht mehr entfernt. In der Folgezeit wurde<br />
die Kirche fast nicht mehr benützt. Durch Feuchtigkeit,<br />
7
Erdbeben und Setzungen entstanden viele Schäden. Restaurator<br />
Lorch aus Sigmaringen untersuchte 1973 erstmals die<br />
St. Georgskirche und erstellte einen Kostenvoranschlag für<br />
die Restaurierung. Durch das Erdbeben vom 3. 9. 1978<br />
wurde die Kirche erheblich beschädigt.<br />
Im Sommer 1980 wurde mit der Erdbebensanierung und der<br />
Außenrenovation begonnen, die im Herbst 1981 abgeschlos-<br />
OTTO WERNER<br />
sen werden konnte. Im Frühjahr 1982 führte das Landesdenkmalamt<br />
archäologische Grabungen durch und im Spätherbst<br />
1982 konnte mit der Innenrenovation begonnen werden,<br />
die immer noch im Gange ist. Es ist zu hoffen, daß dieses<br />
kulturgeschichtliche Kleinod von Burladingen bald der Allgemeinheit<br />
wieder zugänglich gemacht wird.<br />
Hechinger Juden 1850 dem Stadtschultheißenamt unterstellt<br />
Der Anschluß Hohenzollerns an Preußen brachte auch für<br />
die Judengemeinde einige Neuerungen.<br />
Das Königliche Oberamt in Hechingen teilte dem Stadtschultheißenamt<br />
am 24. 12. 1850 mit, daß die Königliche<br />
Regierung ausgesprochen habe, die Israeliten bildeten in<br />
Zukunft nur in bezug auf ihre besonderen religiösen Angelegenheiten<br />
eine besondere Körperschaft, im übrigen aber<br />
gehörten sie zur Stadtgemeinde, mit welcher sie einen »politisch<br />
corporativen Verband« bilden, und unterstünden der<br />
städtischen Ortsbehörde. Hiernach habe sich das Stadtschultheißenamt<br />
zu richten. Dieses wurde angewiesen, die<br />
Verfügungen der Königlichen Kassenverwaltung »in Beitreibung<br />
der von Israeliten schuldigen öffentlichen Gefällen« zu<br />
vollziehen.<br />
Wegen der »Weitläufigkeit dieser Verfügung« und bei dem<br />
»Mangel jeder näheren Weisung« sah sich das Stadtschultheißenamt<br />
am 27. Dezember veranlaßt, dem Stadtrat eine<br />
Anfrage an das Königliche Oberamt wegen der »Unterstellung<br />
der Israeliten unter diese Behörde« zur Beschlußfassung<br />
vorzulegen. Im einzelnen berührte diese Anfrage folgende<br />
Punkte:<br />
1. Wie es sich mit dem israelitischen Schul- und Armenwesen,<br />
wie mit Teilungs- und Waisensachen und mit Stiftungsangelegenheiten<br />
verhalte.<br />
2. Welche Verbindlichkeiten den Israeliten bezüglich der<br />
Kosten der Ortsbehörde (- gemeint sind die Gehälter der<br />
städtischen Beamten und Diener - ) obliegen.<br />
3. Wann die neue Rechtslage wirksam werde, und wann die<br />
Ubergabe und Übernahme der öffentlichen Bücher erfolgen<br />
solle.<br />
4. Ob und in welcher Weise die Israeliten beim Stadtmagistrat<br />
vertreten sein sollen, und wie eine etwaige Wahl<br />
durchgeführt werden solle.<br />
5. Ob Urkundspersonen aufgestellt werden sollen, deren<br />
man insbesondere bei der Ausstellung von Leumundszeugnissen<br />
und Vermögenszeugnissen und bei Zeugnissen<br />
zur Erlangung von Reiseurkunden bedürfe.<br />
6. Ob eine Veröffentlichung »der Einverleibung« höhern<br />
Orts angeordnet werde.<br />
Der Stadtrat beschloß aber am 28. Dezember 1850, die<br />
Anfrage zurückzunehmen; die Königliche Regierung sollte<br />
vielmehr um Mitteilung einer genauen »Instruction und<br />
specieller Anweisungen« gebeten werden.<br />
Am 9. Januar 1851 erstattete das Stadtschultheißenamt dem<br />
Königlichen Oberamtsgericht Anzeige, daß man sich »zu der<br />
neuen Wirksamkeit insbesondere Obsignationen, [gerichtl.<br />
Versiegelung; Bestätigung], Theilungen, waisengerichtliche<br />
Gegenstände u. dergl. ... vorkommenden Falles der höheren<br />
Weisung gemäß zu verhalten habe, wenn keine anderweitigen<br />
Verhaltensmaßregeln ertheilt werden würden«.<br />
Das Königlich Preußische Appellationsgericht wiederum<br />
verständigte das Königliche Oberamtsgericht mit Schreiben<br />
vom 10. Januar 1851 davon, daß die Auslegung des Stadt-<br />
8<br />
schultheißenamtes von der Königlichen Regierung nicht<br />
gebilligt werde, und »daß sonach in Theilungs-, Gant- und<br />
Waisensachen eine Änderung der Behandlung nicht eingetreten«<br />
sei. Auch wurde eine Abschrift des Regierungsreskripts<br />
vom 4. Januar 1851 an das Oberamt mitgesandt.<br />
Dieses Reskript hatte folgenden Wortlaut: »Das Rescript<br />
vom 20ten praet. m. et anni [vergangenen Monats und Jahres]<br />
in Bezug auf den Wirkungskreis der israelitischen Ortsvorsteher<br />
hat das Stadtschultheißenamt veranlaßt, in zwei<br />
Berichten genaue Instructionen in Bezug auf seine Stellung<br />
zur Israelitischen Gemeinde zu verlangen.<br />
Hierauf wird erwiedert, daß es eine irrthümliche Auslegung<br />
der Entschließung wäre, wenn derselben eine durchgreifende<br />
Veränderung in Behandlung der israelitischen Gemeindeangelegenheiten<br />
unterstellt werden wollte.<br />
Die Entschließung ist speziell nur auf das Verfahren in<br />
Steuer-Executions-Sachen gerichtet, und, da sie vom bisherigen<br />
Verfahren der Amter abweicht, durch Gründe belegt.<br />
Keineswegs aber sollte durch dieselbe in anderen Beziehungen<br />
eine Änderung an dem Bestehenden gemacht werden,<br />
insofern das Bestehende mit den von uns aufgestellten<br />
Grundsätzen vereinbar ist. Dieses ist z. B. der Fall mit dem<br />
Schul- und Armenwesen und mit dem Stiftungswesen. Diese<br />
Angelegenheiten bilden einen speziellen Theil der in der<br />
besonderen Lage der Israeliten zu findenden Abgeschlossenheit<br />
von der weiteren Gemeinschaft, in welcher sie mit den<br />
christlichen Einwohnern der Stadt leben. Sie müssen also<br />
auch der besonderen Behandlung überlassen bleiben, so<br />
jedoch, daß die Staatsaufsicht nicht ausgeschlossen bleibt, vor<br />
welcher aber die Aufsicht der städtischen Lokalbehörde<br />
verschieden ist; sie sind also der stadtschultheißenamtlichen<br />
Competenz entzogen.<br />
Theilungs- und Waisensachen und deren Behandlung haben<br />
eine andere Grundlage; sie sind keine Angelegenheit der<br />
Israeliten als engere Gemeinheit [Gemeinschaft], und ihre<br />
Behandlung vielmehr Gegenstand der Freiwilligen Gerichtsbarkeit.<br />
In ihrer Behandlung eine Veränderung hervorzurufen,<br />
kann indessen nicht als angemessen erachtet werden, da<br />
die nächste Zukunft ohnedies Veränderungen in Bezug auf<br />
Behandlung aller der Freiwilligen Gerichtsbarkeit und<br />
gerichtlichen Polizei angehörigen Verhältnisse bringen<br />
dürfte, weil sie mit der Gerichtsorganisation im nächsten<br />
Zusammenhange stehen.<br />
Hienach erledigen sich die angestellten Anfragen dahin, daß<br />
durch die ergangenen Entschließungen den israelitischen<br />
Vorstehern das Executionswesen abgenommen, und dem<br />
Stadtschultheißenamt übertragen worden ist.<br />
In andern Verhältnissen ist die weitere Entwicklung durch die<br />
Organisation abzuwarten.<br />
Hechingen den 4. Januar 1851.<br />
Königlich Preußische Regierung gez. von Frank«<br />
(Lagerort: Stadtarchiv Hechingen, Bund 598, Nr. 1 »Unterstellung<br />
der Israeliten unter das Stadtschultheißenamt betr.«)
OTTO WERNER<br />
Vom Kirchhof bei der Hechinger Stiftskirche<br />
Nachdem 1586 die Restaurierung der St. Luzenkirche ins<br />
Werk gesetzt und dort auch ein Franziskanerkloster neu<br />
begründet worden war (Stiftungsbrief vom 26. Juni 1586) 1 ,<br />
verlegte Graf Eitel Friedrich I. von Hohenzollern-Hechingen<br />
(1576-1605) den Friedhof von St. Luzen in die Oberstadt bei<br />
der Stiftskirche. Die Kirche zu unserer lieben Frau und<br />
St. Jakob war 100 Jahre vorher (1472-1488) an der äußersten<br />
südlichen Ecke der Stadt erbaut worden; deshalb mußte der<br />
Friedhof außerhalb des Stadtmauerrings angelegt werden.<br />
Maximilian Schaitel überliefert 2 einen Eintrag in den<br />
Audienz-Protokollen, wonach der Hechinger Bürgermeister<br />
die Stettener Bürger aufgefordert habe, zum »Newen Kirchhoff«<br />
Frondienste zu leisten. Darüber beschwerten sie sich,<br />
weil sie »an dem Hailig Creutz« ein ganzes Jahr gefront<br />
hätten, die Stadt jedoch nicht. Sie meinten, dies solle ihnen<br />
nun beim Kirchhofbau angerechnet werden, »alsdann wellen<br />
sy widerumb mit der Statt heben vnd legen«. Der Bürgermeister<br />
der Stadt Hechingen beschied ihre Beschwerde dahingehend,<br />
daß sie angehalten werden sollten, zu fronen »dieweil<br />
sy todt vnd lebendig zusammen gehören«. Hingegen seien sie<br />
nie dazu angehalten worden, »wegen des Hailig Creutz daß<br />
sy fronen«. Graf Eitel Friedrich, dem der Streitfall zur<br />
Entscheidung vorgelegt wurde, entschied, daß es recht und<br />
billig sei, wenn die Stettener bei der Anlegung des neuen<br />
Friedhofs mitarbeiteten, wenn sie darin begraben sein<br />
wollten.<br />
Im Jahre 1589 gedachte Graf Eitel Friedrich der Abgestorbenen,<br />
indem er hundert Gulden Hauptgut zur Stiftung einer<br />
Samstagsprozession anlegte, die nach der Vesper mit dem<br />
Allerheiligsten über den Kirchhof zu gehen hatte. Diese<br />
Stiftung beschreibt den Friedhof als vor dem oberen Stadttor<br />
an der Stiftskirche gelegen 3 .<br />
Eitel Friedrich war es auch, der auf dem neuen Friedhof bei<br />
der Stiftskirche eine Kapelle zu Ehren der hl. Katharina<br />
erbauen und darin einen Altar aufrichten ließ, der vormals in<br />
St. Luzen gestanden hatte. Die damit verbundene Pfründe<br />
wurde ebenfalls hierher übertragen. Kapelle und Altar wurden<br />
am 14. April 1603 durch den Weihbischof Johann Jakob<br />
von Konstanz geweiht. Pfarrer J. Schellhammer berichtet 4 ,<br />
daß über die Erbauung und Einweihung eine Tafel mit<br />
folgender Inschrift darin hing:<br />
»Zu Gottes Lob und Ehren und auf daß bei vielen gutherzigen<br />
Menschen die christlich Andacht, Gebet und Gottesdienst,<br />
auch dadurch aller Gläubigen sonderlich der Abgestorbenen<br />
Glück und Seligkeit desto besser und mehr<br />
gepflanzet, gemehrt und gefördert werde, so hat der Hochund<br />
Wohlgeborene Eytel Friedrich Graf zu Hohenzollern,<br />
Sigmaringen und Veringen, Herr zu Haigerloch und Wehrstein,<br />
des hl. röm. Reichs Erbkämmerer, röm. kays. Mayestät<br />
Rudolphi Rath mitsammt der auch Hoch- und Wohlgebornen<br />
Frau Sibylla, Gräfin zu Hohenzollern, geborene<br />
Gräfin zu Zimbern, Ihro Gnaden Ehgemahlin aus sonderbarem<br />
christlich gottseligem Eifer, Lieb und Andacht diese<br />
Kirchen und Beinhaus auf ihre Kosten von Grund auf neu<br />
bauen und auf Montag nach misericordia domini, den 14.<br />
Aprilis anno Domini 1603 durch den hchw. Herrn Johannem<br />
Jakobum Episcopum Sebastensem, Suffraganeum zu<br />
Konstanz, dieselbige sammt dem Altar consekriren und<br />
weihen lassen in die Ehre S. Catharinae, der hl. Jungfrau und<br />
Martyrin; sonderlich von wegen, daß derselben hl. Jungfrau<br />
Altar vorhin in der Kirche S. Lucii gestanden und aber, da<br />
Hoch- und Wohlvermeldt Ihro Gnaden dasselbe Kloster und<br />
Kirchen auch aus gottseligem Eifer zur Mehrung des Gottesdienstes<br />
verändert und neu erbaut dem hl. Barfüßer oder<br />
Franziskanerorden übergeben hat, abgebrochen werden,<br />
damit der alten Stiftung nichts destoweniger konnte genug<br />
geschehen und nichts abgehe, so haben Ihro Gnaden denselben<br />
Altar in diese Kirche transferirt und wieder aufgericht.<br />
Es ist auch eben auf den Tag die Glocke, so auf dieser Kirche<br />
hanget, geweiht worden in die Ehre des hl. Johannes des<br />
Apostels und Evangelisten.«<br />
Einige Male erfahren wir im Verlauf der Jahrhunderte etwas<br />
von der Kirchhofmauer. So wurden beim Ruggericht am 5.<br />
Juni 1694 die Bürger ermahnt, »nit allen ohnfladt ahn die<br />
Kirchhofsmauer... zue tragen«. Dadurch würde dem<br />
Gemeinwesen Schaden zugefügt 5 . - Unter den besonders<br />
reparaturbedürftigen Bauwerken der Stadt wird in einem<br />
Akteneintrag der Stadtgerichtsprotokolle vom 15. September<br />
1739 auch die Kirchhofmauer genannt. Dem schlechten<br />
Bauzustand sollte »zeitlich auf das möglichste abgeholfen,<br />
und in bäuwlichen Standt gesetzt werden« 6 . Beim Abbruch<br />
der alten Stifts- und Pfarrkirche, der am 11. November 1778<br />
begann, wurde das Taufbecken zunächst in die Katharinenkapelle<br />
gebracht, bis auch diese wegen des Neubaus am 5.<br />
Juni 1779 geschlossen und abgebrochen wurde 7 . Während<br />
dieser Zeit wurden 64 Kinder in der Katharinenkapelle<br />
getauft.<br />
Noch 1813 schrieb die Stadt zu einer vorhandenen »Gottes<br />
Acker Mauer« bei der neuen Pfarrkirche die Vergabe der<br />
Arbeiten aus. Die Maurerarbeit übertrug man Christoph<br />
Wolf von Boll, der das billigste Angebot einreichte, für 298<br />
Gulden. Die Zeit, zu der er mit den Arbeiten beginnen sollte,<br />
ließ man offen, bis die Resolution der Regierung vorliegen<br />
würde. Der Akkord sah vor: Maurermeister Wolf erhält,<br />
nachdem er ein Drittel vollendet, ein Drittel der Bezahlung,<br />
»und so bei dem 2. und 3ten Trittel«. Auch mußte derselbe<br />
»für maisterhafte Arbeit, und nach der Vorschrift des Bauüberschlags<br />
mit seinem ganzen Vermögen haften« 8 .<br />
Nach Angaben des Kunstdenkmälerwerks für den Kreis<br />
Hechingen (1939) wurde der an der Kirche gelegene Pfarrfriedhof<br />
1814 geschlossen und zur Heiligkreuzkapelle hinaus<br />
verlegt.<br />
In diesem Zusammenhang soll im folgenden auf einige<br />
Gebräuche eingegangen werden, die mit dem Friedhof in<br />
Zusammenhang stehen. Im Jahre 1712 stellte der Heiligenpfleger<br />
den schriftlichen Antrag, die gemeine Stadt wolle »zu<br />
jenem Glöckhle«, welches von der Heiligenpflege dazu angeschafft<br />
werde, um »zum Trost einer in letzten Zügen kämpfenden<br />
Seele« ein Zeichen zu geben, das Seil unterhalten.<br />
Dem stimmte das Stadtgericht zu und bewilligte außerdem<br />
dem Mesner für seine Mühewaltung jährlich einen Gulden<br />
und dreißig Kreuzer 9 . Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war es<br />
Brauch gewesen, daß bei einem Versehgang »zwey Männer<br />
einen kleinen Baldachin über das Hochwürdigste Guth daher<br />
getragen«. Weil dies seit geraumer Zeit unterlassen worden<br />
war, berief das Stadtgericht am 8. Juli 1744, »um dises<br />
löbliche Werckh widerum in Gang zu bringen«, Franz<br />
Mutschier und Matheis Zerlauth vor, um ihnen »dises officium«<br />
aufzutragen. Als Entschädigung dafür wurden beide<br />
von den Fronen und von der Wacht befreit 10 . - Als Matheis<br />
Zerlauth, Bürger und Achter der Gemeinde, im Juni 1747<br />
starb, wurde sein Bruder für die bezeugte Schuldigkeit und<br />
den Fleiß »mit Tragung des Himmels zu denen erkranckten<br />
Leüthen« von allen bürgerlichen Frondiensten befreit sein<br />
9
sollte, demnächst auch von den Wachen, sobald er nicht mehr<br />
bei der Miliz tätig sei 11 . - Am 21. Mai 1750 machte der<br />
verbürgerte Tuchmacher Joseph Wallishauser die Eingabe an<br />
das Stadtgericht, ihm anstelle des Beckens Hans Jerg Wallishauser,<br />
der in die untere Stadt gezogen war, die dadurch<br />
vakante Stelle des Trägers »bey Versehung der Kranckhen«<br />
zu übertragen. Das Stadtgericht beschloß, daß der Bittsteller<br />
»zu einem Himmeitrager dergestalten aufgenommen [werde],<br />
daß er dargegen Fron und Wacht frey sein solle« 12 .<br />
Bis zu Anfang des 18. Jahrhunderts war es offensichtlich<br />
Brauch gewesen, verstorbene Kinder bis zum Alter von zehn<br />
Jahren ohne Geistlichen zu beerdigen, denn 1709 entbot sich<br />
Stadtpfarrer Martin Fischer, künftig solche Kinder - »gleich<br />
wie anderwertig auch gebrauchlich« - mit seinem Beistand zu<br />
begraben. Den Bürgern sollten daraus keine Kosten entstehen,<br />
jedoch würde es der Stadtpfarrer dankend annehmen,<br />
wenn ihm hierfür die gemeine Stadt »etwas Holz, so Er<br />
ohnedem hechst nöttig habe, zuekhommen lassen wollte«.<br />
Gericht und Rat beschlossen daraufhin, in Zukunft die<br />
Kinder allzeit mit einem Geistlichen begraben zu lassen. Als<br />
Anerkennung solle Stadtpfarrer Fischer, solange er in<br />
Hechingen amtiere, jährlich sechs Klafter Holz aus der<br />
Stadtwaldung erhalten 13 .<br />
Einer seiner Vorgänger, Pfarrer Johann Michel Lenz, hatte<br />
beim Jahrgericht 1685 vorgeschlagen, ihm für jede »Jahrzeit<br />
begängnis« 24 Kreuzer anschaffen zu lassen, wie er sie auch<br />
für ein »Leichtbegängnus« erhalte. Er bekomme nämlich nur<br />
drei Kreuzer auf den Altar gelegt. Obwohl das Oberamt<br />
gefunden hatte, es könne ihm wohl nicht zugemutet werden,<br />
dies umsonst zu tun, blieb das Stadtgericht bei der seit vielen<br />
Jahren beibehaltenen Übung, ihm nichts weiter zu bewilligen<br />
14 .<br />
Am 8. Januar 1776 wurde der Bürgerschaft das Dekret der<br />
Fürstlichen Regierung »Die Begrabnus der Verstorbenen<br />
betr.« bekanntgegeben. Danach sollte der Bürger, in dessen<br />
Haus sich ein Todesfall ereignet, sogleich nach der erfolgten<br />
Anzeige im Pfarrhof auch dem Stadtschultheissenamt Nachricht<br />
geben, damit bei solchen Personen »die nicht an einer<br />
bekandten und anhaltenden Kranckheit, sondern etwa gehe<br />
und plötzlich verschieden«, der Stadtschultheiß unter Hinzuziehung<br />
von zwei Gerichtsmännern einen Augenschein vornehme<br />
und mit dem Stadtpfarrer den Zeitpunkt der Beerdigung<br />
festsetze, erforderlichenfalls könne dann noch »die<br />
schleunige Anzeige bey Hfürstl. Hofraths Kanzley gemacht<br />
werden«. Grundsätzlich sollte aber niemand - weder Kinder<br />
noch Erwachsene - »vor Umfluß 24 Stunden« bestattet<br />
OTTO WERNER<br />
Schwarze Schafe im Lehrerrock<br />
Dreißig Jahre lang hatte Tobias Liebel als Ludimoderator<br />
(Schulleiter) an der Hechinger »Teutschen Stadt- und Pfarrschule«<br />
gewirkt, als er am 3. März 1715 starb. Noch im selben<br />
Jahr wurde »Antoni Bahr von Hechingen welcher in Musica,<br />
undt Studiis wohl versieret, ... auf sein wohlverhalten hin der<br />
vacante schuolldienst« übertragen. Er sollte »allem dem<br />
jenigen, was in der Ihm zustellend instruction enthalten,<br />
pflichtmässig nachkhommen« und zu keiner »widrigen<br />
disposition« Anlaß geben.<br />
Doch schon am 9. Februar 1716 wurde eine Verhandlung des<br />
Stadtgerichts »Condemnierung Antoni Bahren gewesten<br />
10<br />
werden; jene Personen aber, die plötzlich sterben, sollten<br />
»erst nach 48 Stunden« begraben werden 15 .<br />
Nicht alle Verstorbenen erhielten ein christliches Begräbnis.<br />
So wurde beispielsweise der Leichnam der 1744 mit dem<br />
Schwert auf der Richtstatt bei Heiligkreuz hingerichteten<br />
Marthae N. vom Scharfrichter bis an die Kirchhofmauer<br />
gebracht, dort von zwei hierzu bestellten Männern übernommen<br />
und auf dem Kirchhof »in loco non benedicto« eingescharrt,<br />
»da zu vor der Todtengräber das Grab eröfnet<br />
hate 16 «.<br />
Noch übler erging es einem Selbstmörder von Burladingen,<br />
dessen Leichnam vom Scharfrichter aus der unteren Öffnung<br />
des Oberen Turms in einem Sack auf die Gasse geworfen,<br />
»sofort auf den Karren unter Convoyirung der Stadtwache<br />
ganz langsam... über den Marckt hin und [zur] Stadt hinaus<br />
bis unter den Galgen gezogen und daselbst... 4. Schuh tief in<br />
die Erde mit abwärts verkehrtem Gesichte verscharret«<br />
wurde 17 .<br />
Anmerkungen<br />
1<br />
Wortlaut siehe bei Max Heinrichsperger, Hechingen/Hohenzollern.<br />
Franziskaner-Observanten. Alemania Franciscaner Antiqua<br />
16 (1971) 149-150 (Lit.).<br />
2<br />
In Zollerheimat 9 (1940) 6.<br />
3<br />
FAS, DH 158. Original 1599 XI. 11. -Vgl. auch bei Peter Manns,<br />
Geschichte der Grafschaft Hohenzollern im 15. und 16. Jahrhundert.<br />
1401-1605. Hechingen: Walther 1897. S. 237.<br />
4<br />
Isidor Schellhammer, Die Stadtpfarrkirche zu Hechingen. Zu<br />
deren hundertjährigem Jubiläum. Haus-Kalender Hechingen. 55<br />
(1884).<br />
5<br />
Stadtgerichtsprotokolle, Folio A 5, 1684-1697.<br />
6<br />
Stadtgerichtsprotokolle, Folio A 8, 1737-1742.<br />
7<br />
Die neue Pfarrkirche ist gegenüber der alten 12,68 m länger und<br />
6,50 m breiter und benötigte daher mehr Platz.<br />
8<br />
Stadtgerichtsprotokolle, Folio A 16, 1807-1818, Actum den 7.<br />
Juni 1813.<br />
9<br />
Stadtgerichtsprotokolle, Folio A 6, 1697-1730, Actum den 26.<br />
Januar 1712.<br />
10<br />
Stadtgerichtsprotokolle, Folio A 9, 1743-1749.<br />
11<br />
Stadtgerichtsprotokolle, Folio A 9, 1743-1749, Actum den 22.<br />
Juni 1747.<br />
12<br />
Stadtgerichtsprotokolle, Folio A 10, 1749-1754.<br />
13<br />
Stadtgerichtsprotokolle, Folio A 6, 1697-1730, Actum den 23.<br />
Mai 1709.<br />
14<br />
Stadtgerichtsprotokolle, Folio A 5, 1684-1697, Actum den 6.<br />
Februar 1685.<br />
15<br />
Stadtgerichtsprotokolle, Folio A 13, 1766-1778.<br />
16<br />
Stadtgerichtsprotokolle, Folio A 9, 1743-1749, Actum den 21.<br />
Juli 1744.<br />
17<br />
Stadtgerichtsprotokolle, Folio A 14, 1778-1801, Actum den 25.<br />
Juni 1781.<br />
Schuellmaisters« geführt. Warum war er bereits ein knappes<br />
Jahr nach seiner Anstellung entlassen worden? Antoni Bahr<br />
hatte, obwohl verheiratet, mit Barbara Kohlerin, ledigen<br />
Standes, die Ehe gebrochen »und Sye geschwängert«. Außerdem<br />
hatte er sie »auß dem Hauß der Eltern in die Fremde<br />
entführet«. Diese Umstände, »wordurch beede wider die<br />
gebott Gottes, wider gaist- und weltliche Rechte auch die<br />
Fürstl. Landesordnung härtiglich gesündiget«, führten dazu,<br />
daß Bahr »nach abgeschworener Urphed, des gesambten<br />
Schwäb. Craises auf Ewig verwiesen« wurde, seinem »weib<br />
aber bevorstehen, ob Sye ihme dißfahls verzeyhen, und
nachziehen wolle.« Nun erinnerte man sich auch wieder, daß<br />
Bahr »ohne dem von vil Jahren her, und ehe ihm der<br />
schuelldienst anvertrawet worden, schlechten Handel und<br />
Wandel gefüehret«. Die Kohlerin mußte, anstatt der Kirchenbuße,<br />
fünfzig Gulden »zue Straf erlegen«. Ihr Bruder<br />
Jacob, der zusammen mit dem Vater Christian das geflüchtete<br />
Pärchen »ohne geheiß der Obrigkeit verfolget« und die<br />
beiden in Oberhausen im Württembergischen antraf, wobei<br />
er dem Bahr »mit der Pistolen am arm mit zwey Kugeln<br />
geschossen hat«, mußte »die Cösten so auf die Cur gegangen,<br />
bezahlen«. Der mit der Verfolgung und dem Schießen begangene<br />
Frevel sollte bei der gnädigsten Territorialherrschaft<br />
verantwortet werden. - Übrigens folgte die Frau des relegierten<br />
Antoni Bahr, Anna Maria Stehlin, diesem nicht nach.<br />
Bereits am 7. Januar 1717 wurde vor dem Stadtgericht eine<br />
Beleidigungsklage des Bürgers und Richters Johann Greylich<br />
gegen sie verhandelt, »betrefendt daß die Beklagte zy des<br />
Klägers nit geringer Verleimbdung sich unterstanden, Ehrverlezter<br />
weise auszugeben, ob hete der Kläger mit Anna<br />
Barbara Kohlerin, die mit dem Bahren sich flaischlich versindiget,<br />
Und von dem Bahren entführt werden wollen, ein<br />
unzulässliches Commercium getriben«. Dafür konnte aber<br />
kein Zeugnis beigebracht werden, und auch die Stehlin wußte<br />
»dise ehrabschneidische Zulag anderster nicht zubeschainen,<br />
dan daß solches ihro ihr sauberer gesell der man vertrawet<br />
hete, zu mahlen die vermeinte Complex hählich betheüret«.<br />
Sie bekannte, daß sie dem Kläger unrecht getan und die<br />
schwere Bezichtigung und ehrverletzende Beleidigung<br />
widerrufen wolle. Daraufhin wurde sie dazu verurteilt, die<br />
dem Kläger angetane Schmach gleich vor dem versammelten<br />
Stadtgericht zu widerrufen und verfiel - nach der fürstlichen<br />
Landesordnung - in eine Strafe von zehn Pfund. Auch durfte<br />
sie die aufgestellte Behauptung »iezt, und zu allen Zeiten«<br />
nicht mehr wiederholen. (Zum Vorstehenden siehe »Stadtgerichtsprotokolle<br />
1697-1730« / Folio A 6.)<br />
Am 11. April 1739 wurde vor dem Hechinger Stadtgericht<br />
eine Klage gegen den Schulmeister Alexander Kohler verhandelt.<br />
In den Stadtgerichtsprotokollen (1737-1742 / Folio A 8)<br />
heißt es: »Codem beschweren sich mehrere wider den schullmeister<br />
dahin, d. er nicht allein in puncto Instructionis seiner<br />
Scholaren große nach Lässigkeith zeige, auch für nembl. selbe<br />
zu gebührendter Ehr barkeith, und pflantzung Christi.<br />
Tugendt, und Ehre Gottes an zu halten mehr mahlen<br />
omitiere, seye aber Hier in falls sich nicht zu bewundern, zu<br />
mahlen derselbe die üble gewohnheit auf sich habe, dem<br />
brandten wein Trunckh ergeben zu seyn.«<br />
OTTO WERNER<br />
Der Gebäudebesitz der Hechinger Juden im Jahre 1839<br />
Im Stadtarchiv Hechingen lagert ein »Brand-Versicherungs-<br />
Kataster« aus dem Jahre 1839. Er gibt u.a. Aufschluß über<br />
den Gebäudebesitz der Hechinger Juden.<br />
Demnach waren 1839 folgende Gebäude Eigentum der Judengemeinden:<br />
A. In der Stadt<br />
Num. 199: »Die Sinagoge, 3 Stok, mit Fachwerk in der<br />
Goldschmidsgaß«, taxiert auf 2000 Gulden, erhöht durch<br />
Beschluß vom 9. Januar 1852 auf 5800 Gulden, und zwar<br />
»Gebäudewerth 5000 [Gulden], der Altar 200 [Gulden],<br />
Betstühle 600 [Gulden].« Die Erhöhung des Versicherungswerts<br />
der Synagoge in der Goldschmiedstraße im Jahre 1852<br />
Das Stadtgericht faßte den Beschluß: »Besagter schullmeister<br />
solle fürnemblich das angewohnte maleur des brandten weins<br />
halber von sich legen, bessern Fleiß zu Instruction der<br />
Scholaren anwenden, dieselben zu schuldiger Gottes forcht<br />
anhalten, ansonsten und bey beschehendten fernem Ciagen<br />
es seynn Dienst kosten möchte.«<br />
Kohler scheint von seinem Laster nicht abgelassen zu haben,<br />
und so heißt es unterm 21. April 1740: »Nachdeme von<br />
seithen des Löbl. Stattgerichts man auf verschiedene wider<br />
den schuelmeister Alexander Kohler eingelaufene Klagene<br />
puncto seines Liederlichen auffüerens sich gemuessigt wohlbetracht<br />
bessere in die Jugendt beschehendter instruction,<br />
woran das maiste gelegene, ein anderes zue solcher functione<br />
betr. Qualificirtes Subjectum außzufinden.«<br />
Es wurde Johann Caspar Bullach, der als Schreiber beim<br />
Amtmann des Klosters Lichtental (bei Baden-Baden) im<br />
Dienste stand, als neuer Schulmeister angenommen, weil er<br />
»ein ehrliches Buergers Kindt, und sowohl dahiro als anderer<br />
orthen sich ehrlich verhalten«, auch Proben seines Verstandes<br />
von sich gegeben und mithin »an des Subjecti capacität der<br />
mündere Zweifel nicht vorhanden«.<br />
Ganz anderer Art waren die Vorwürfe, die der Hechinger<br />
Rabbiner Dr. Samuel Mayer (1834—1875) in einem Schreiben<br />
vom 25. Juni 1847 an die Fürstliche Regierung gegen Oberlehrer<br />
Eppstein vorbrachte. Zunächst duldete er »allzu nachsichtig«,<br />
- mußte er doch mit dem Oberlehrer und dessen<br />
Familie unter einem Dache wohnen und wollte dies nicht in<br />
Unfrieden, - daß die Kinder des Lehrers vor den Schulzimmern<br />
im Hausgang des israelitischen Schul- und Gemeindehauses<br />
in der Goldschmiedstraße »auf die Nachtgeschirre<br />
gesetzt wurden« und »daß der Nachtstuhl des Lehrers an<br />
demselben Platze aufgestellt« war, obwohl durch den Hausgang<br />
alle Personen gehen mußten, die den Rabbiner besuchen<br />
oder in das Gemeindezimmer wollten. »Als aber die Nachtgeschirre<br />
auch in das Schulzimmer kamen, und dasselbe als<br />
Wasch- und Kinderstube, Küche ... behandelt wurde«, hielt<br />
es der Rabbiner für pflichtvergessen, länger zu schweigen.<br />
Außerdem leistete es sich der Lehrer, »daß er mit der Pfeife<br />
im Munde und mit dem Schlafrocke bekleidet« - sogar in<br />
Gegenwart des Rabbiners - unterrichtete. Obwohl der<br />
Rabbiner den Lehrer auf sein Fehlverhalten hinwies, wiederholte<br />
sich der Übelstand. Rabbiner Dr. Mayer vermerkte<br />
deshalb am Rande seines Schreibens unter N. B.: »Noch jetzt<br />
unterrichtet er im Schlafrocke.« (Lagerort des Schreibens:<br />
Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 6 Nr. 272.)<br />
rührt von der Erweiterung der Synagoge her. In den Jahren<br />
1850/52 wurde die Nische für den Tora-Schrein angebaut und<br />
die Synagoge zur Goldschmiedstraße hin erweitert. Außerdem<br />
wurden die Galerien eingebaut, um mehr Platz in der<br />
Synagoge zu schaffen, nachdem sich die Hoffnung auf Übernahme<br />
der Stiftssynagoge der Familie Kaulla durch die<br />
Judengemeinde zerschlagen hatte. (Vgl. hierzu meinen Beitrag<br />
»Nachweis einer weiteren Synagoge in Hechingen« in<br />
der Hohenzollerischen Heimat, Nr. 4,1981, S. 53 f.) Mit dem<br />
»Altar« ist der Tora-Schrein gemeint. Der »Bauplatz, darauf<br />
die Synagoge Nro. 199«, ist im Jahre 1860 mit 13/150.<br />
Jauchert bzw. mit 36,6 württembergischen Ruten angegeben.<br />
Num. 205: »Die Judenschule, 3 Stok hoch, der lte von Stein,<br />
11
die 2 andere in Fachwerk über Abzug des Kellers, im 2t und 3t<br />
Stok Baköfen«, taxiert auf 5000 Gulden. Die »Judenschule«<br />
ist das in den Jahren 1830/32 neben der Synagoge errichtete<br />
Schul- und Gemeindehaus der jüdischen Gemeinde. Nach<br />
seiner Fertigstellung fand auch der Vorsänger darin Wohnung,<br />
so daß die Vorsängerwohnung, die bis dahin mit der<br />
Synagoge verbunden war, entbehrlich wurde und somit Platz<br />
für die Erweiterung der Synagoge freigab. Der »Bauplatz,<br />
darauf das Schul- und Gemeindehaus Nro. 205«, ist im Jahre<br />
1860 mit 10/150. Jauchert bzw. 32,3 württembergischen<br />
Ruten angegeben. (Vgl. hierzu meinen Beitrag »Zur<br />
Geschichte der israelitischen Volksschule in Hechingen« in<br />
der Hohenzollerischen Heimat, 1980, S. 21-25 und S. 44-^-6)<br />
1860 sind ferner als Besitz der israelitischen Gemeinde in der<br />
Stadt aufgeführt:<br />
- Ein »Bauplatz und Garten mit einem halben Haus<br />
Nro. 173«, 3 3 /
GEORG GAUGGEL<br />
Geschichte der Evangelischen Volksschule in Sigmaringen<br />
Sie existiert seit dem Jahre 1868. Bis dahin besuchten die<br />
wenigen evangelischen Kinder die städtische Elementarschule.<br />
In der Chronik heißt es darüber: »Bei Gründung der<br />
Schule war aber ein eingentl. Schulgebäude nicht vorhanden.<br />
Dazu mußte das Pfarrhaus, links neben der Kirche, dienen;<br />
auch die Lehrerwohnung mußte im Pfarrhause eingerichtet<br />
werden. Das Schulzimmer lag im unteren Stockwerke des<br />
Pfarrhauses, jetzt die Studierstube des Geistlichen. Die Lehrerwohnung<br />
umfaßte den übrigen Raum des ersten Stockes,<br />
mit Ausnahme des Zimmers, das durch eine Thüre hinaus auf<br />
die Veranda führt. Das Schulzimmer war ein ungesunder<br />
Aufenthaltsort für die Kinder. Anfangs mochte nicht so<br />
aufgefallen sein, daß die Stube zu klein, und daß die Ventilationen<br />
äußerst mangelhaft seien, weil die Zahl der Schüler nur<br />
23 betrug« Zitat Ende<br />
Der erste Lehrer an der neugegründeten Schule war Carl<br />
Fuchs, der aber nur 1 Jahr hier blieb. Sein Nachfolger<br />
Christoph Rudolphi wurde 1877 von Wilhelm. Küstner abgelöst.<br />
Im August 1881 konnten dann 23 Schüler das Schulzimmer<br />
im neuerbauten Schulhaus neben der Kirche beziehen. Als im<br />
Jahre 1888 die Schülerzahl auf 108 Kinder angestiegen war,<br />
wurde endlich eine 2. Stelle bewilligt und mit dem »Lehrgehilfen«<br />
Ludwig Rümpel besetzt. Da aber kein Klassenzimmer<br />
dafür vorhanden war, mußte ein Zimmer im städtischen<br />
Schulhaus angemietet werden, bis im Frühjahr 1890 das<br />
zweite Schulzimmer bezugsfertig war. Am 13. September<br />
1911 zogen dann die beiden evangelischen Klassen in das<br />
städtische Schulhaus an der Antonstraße, in dem sie von da an<br />
verblieben.<br />
Da durch die Einberufung vieler Lehrer im I. Weltkrieg<br />
großer Lehrermangel herrschte, mußte die Evangelische<br />
Schule von 1914-1919 wieder einklassig geführt werden.<br />
Nach Kriegsende konnte die Schule, am 3. Januar 1919,<br />
wieder mit 2 Lehrkräften eröffnet werden.<br />
Doch schon im Oktober 1924 schlugen die durch die Inflation<br />
bedingten Sparmaßnahmen der Regierung durch, und<br />
die 2. Schulstelle mußte wiederum gestrichen werden. Und<br />
jetzt begann der mühsame und fruchtlose Kampf um die<br />
Wiederbesetzung dieser 2. Stelle. Die Zahl »60« wird zur<br />
»magischen Zahl«, aber die Schülerzahlen bleiben hartnäckig<br />
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Pfarrliste von Stetten bei Haigerloch<br />
Fr. X. Hodler hat in seiner 1928 erschienenen »Geschichte<br />
des OA Haigerloch«, S. 781 f., die Ortsgeschichte Stettens<br />
behandelt und S. 790 die Seelsorger seit 1484 aufgezählt. Hier<br />
folgen Ergänzungen:<br />
1) 1327 u. 1329 Heinrich Vischer, Leutpriester (Kirchb. U<br />
316)<br />
2) 1409 Berthold Wolf von Haigerloch ist anf. d. Jahres<br />
verstorben.<br />
3) 1409 1. u. 25. Mai wurde präsentiert Konrad Wigg von<br />
Trillfingen durch die Patronatsherren Ritter Berthold v.<br />
Falkenstein, Erhard v. Falkenstein-Ramstein u. Ritter<br />
Egenolf v. Falkenstein-Ramstein.<br />
4) 1439 Leupold Härlin ist tot.<br />
5) 1437 14. 3. proklam. u. 27. 3. invest. Petrus Dinkenler<br />
von Oberndorf, präs. d. Eglof, Reinhard u. Eberhard<br />
Gebrüder v. Falkenstein-Ramstein, sowie Konrad u.<br />
Aigelwart v. Nieder-Falkenstein, Freiherren.<br />
im Bereich zwischen 50 und 60. Zwar bringen 9 »Leihstunden«<br />
der Katholischen Schule einige Erleichterung, aber erst<br />
als die Schülerzahl auf 62 steigt, kann am 16. September 1930<br />
der Schulamtsbewerber Heinrich Gehne als Hilfslehrer eingestellt<br />
werden. Die Zweiklassigkeit bleibt erhalten, bis im<br />
Jahre 1937 die Evangelische Volksschule in der »Deutschen<br />
Schule« des Dritten Reiches aufgeht.<br />
Lehrer der Evangelischen Schule:<br />
1868 Carl Fuchs (nur wenige Monate)<br />
1868-1877 Christoph Rudolphi<br />
1877-1892 Wilhelm Küster<br />
1889-1892 Ludwig Rümpel<br />
1892-1910 Carl Küstner<br />
1892-1921 Johannes Blickle<br />
1911-1933 Ludwig Kempf<br />
1921 Waldraff (nur vorübergehend)<br />
1921-1925 Wilhelm Hedenius<br />
1930-1937 Heinrich Gehne (zuerst Hilfslehrer, ab 1933<br />
definitiv)<br />
1933-1934 Hilfslehrerin Maria Arzt<br />
1934-1935 Hilfslehrerin Elisabeth Peinecke<br />
1935-1936 Hilfslehrerin Magd. Bünemann<br />
1936-1937 Hilfslehrerin Ruth Unglaub (ab 1. 1. 37 wieder<br />
2. Stelle)<br />
1937-1938 Ruth Ansorge<br />
1937-1955 Emil Kortmann<br />
Schülerzahlen der Evangelischen Schule<br />
1868 23 1926 48<br />
1883 77 1927 50 (9 Stundei<br />
1889 108 (2. Lehrer) von Kath.<br />
1897 78 1928 56<br />
1912 61 1930 62 (wieder<br />
1914 50 (bis 1919 2. Stelle)<br />
einklassig) 1931 56<br />
1916 51 1932 51<br />
1920 78 1933 56<br />
1921 68 1934 56<br />
1924 52 (ab 1924 1935 53<br />
wieder einklassig) 1936 59<br />
1925 51 1937 53<br />
6) 1442 10. Dez. Michael v. Gärtringen, Kirchrektor, zahlt<br />
10 fl. Erstfrüchte (1453 ebenso in Rangendingen.) 1447<br />
Untersuchung über Vermögen der Pfarrei.<br />
7) 1448 Leutpriester Nikolaus Pistoris hat Streit mit<br />
Gemeinde und Konrad v. Bubenhofen, der den Geistlichen<br />
einsperrte, aber nicht exkommuniziert wurde<br />
(Erzb. Arch, Cop 0 fol. 59 b)<br />
8) 1450 16. Juli Nikolaus Beck zahlt 10 fl. Erstfrüchte d.<br />
Einkommens.<br />
9) 1454 3. Jan. Rektor Johannes Vergenhans ebenso 10 fl.<br />
10) 1459 3. Mai Ludwig Bäggli zahlt 10 fl.; geht 1460 nach<br />
Weildorf.<br />
11) 1460 3. März Johannes Rieh zahlt 10 fl.; ist noch 1485<br />
erwähnt, hat 1497 10 Pfd. Hl. Einkommen.<br />
13
12) 1504 10. Juli Ulrich Plawfuß aus Geislingen b. Bai. zahlt<br />
10 fl., hat 1495 in Basel studiert.<br />
13) 1520 Seelsorger Ulrich Ulin ist tot.<br />
14) 1520 14. Mai wird Michael Strycher investiert, präs. d-<br />
. Johann Heinrich v. Bubenhofen.<br />
15) 1528 Christoph Uel von Rottweil zahlt seine Erstfrüchte.<br />
16) 1534 Kaspar Koch (Kech?) als Seels. genannt, ist 1536<br />
tot, sein Vermögen wird 1536 auf Klage der Witwe des<br />
Juden Seligmann aus Haigerloch arrestiert.<br />
17) 1436 28. Juni Sebastian Kiene aus Tailfingen, präs. d. Johann<br />
v. Weitingen zu Grosselfingen; invest. 4. 9. 36.<br />
18) 1560 6. Juni invest. Georg Wächter, Predigerordens, aus<br />
Rottweil, präs. d. Carl v. Hohenzollern-Sigmaringen;<br />
nimmt 1571 Absenz, und resigniert 1572.<br />
19) 1571 Verweser Anton Braun v. Binsdorf, invest. 26. 2.<br />
1572.<br />
20) 1588 16. Dez. Nikolaus Krieg (Kruog) aus Haigerloch,<br />
invest. 20. 9. 89. ist noch 1609 hier.<br />
21) 1611 Rudolf Fries von Rottweil, tot 1653.<br />
22) 1624-25 Helfer Johann Pfister aus Haigerloch.<br />
23) 1637 Verw. Michael Herzog aus Rottweil (wurde 1642<br />
Pfr. in Owingen.)<br />
24) 1653 30. Jan. Johann Michael Staiger.<br />
25) 1668 22. Sept. präs. Karl Epplin, invest. 19. Dez.; hier<br />
bis 1660.<br />
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Zwei Gedenkkreuze auf der Alb<br />
A. Zwischen Melchingen und Stetten<br />
Verlassen und von den wenigsten gekannt, stand es schief im<br />
Ackerfeld, bis Männer von der Flurbereinigung aus Tübingen<br />
aufmerksam wurden und den Entstehungsgrund wissen wollten.<br />
Das Kreuz steht etwa 150 m östlich der Straßenbrücke<br />
der Lauchert in der Flur Ungerhalde, nur 25 m nördlich des<br />
Bachbettes, also unweit des auffälligen Straßenbogens. Übrigens<br />
heißt in alten Berichten dieser Teil der jungen Lauchert,<br />
schon vom Ringinger Talwies her, Fürchtle (wohl »kleine<br />
Furche«). Man wandte sich an Herrn Pfr. Wilh. Booz von<br />
Stetten um Auskunft und der wußte den rechten Mann für<br />
solche Raritäten, den Ortsvorsteher Thomas Faigle von<br />
Melchingen. Dieser nahm denn auch gleich Augenschein und<br />
berichtete: »Es handelt sich um ein Kreuz aus feinem Sandstein<br />
von 16 cm Stärke, einem Querbalken von 12 cm, jeweils<br />
mit Dreipass-Enden. Die Höhe beträgt 46 cm, Breite 65 cm.<br />
in der Mitte steht die Jahreszahl 1718 und der 34 cm im<br />
Quadrat messende Sockel ist aus Tuffstein gebildet.« (Inzwischen<br />
ist der Sockel erneuert, gerade gestellt und das Ganze<br />
auf 91 cm erhöht.)<br />
Herrn Faigle verdanken wir auch die örtliche Uberlieferung,<br />
die er in Stetten erkundete: »Ein Mann aus der Nachbarschaft<br />
(das Totenbuch Stetten schweigt!) wurde von Werbern für<br />
den Soldatendienst nach reichlichem Alkoholgenuß geworben<br />
und zur Unterschrift eines Vertrags überredet. Nach<br />
seiner Ernüchterung reute es den Mann; er ging fort aus dem<br />
Dorf, wurde jedoch bald von den Häschern im Feld aufgespürt<br />
und bei dem entstehenden Handgemenge tötlich verletzt.<br />
Zum Andenken stiftete man an der Stelle das Kreuz«.<br />
Eine Vermutung, es könne sich um ein altes Sühnekreuz<br />
handeln, wie bekanntlich zwei an der Melchinger Marienkapelle<br />
erhalten sind (HH 1982,23), kann wegen der Jahreszahl<br />
1718 und der äußeren Gestalt des Denkmals nicht bestätigt<br />
werden, siehe Zeichnung A.<br />
B. Auf dem Salmendinger Heufeld<br />
Schon vor Jahrzehnten hatte der Ringinger alte Steinhauer<br />
Karl Dietrich auf ein Altertum unter der mächtigen Linde<br />
14<br />
26) 1661 11. Jan. Mag. Georg Fauler (wohl aus Veringen),<br />
invest. 8. März, lebt noch 1665 hier, 96 J. alt.<br />
27) 1665 14. Juni Johann Jakob Eipper, invest. 13. 9. 65.<br />
Wird 1667 wegen eines Exzesses abgesetzt.<br />
28) 1667 3. März Johann Thumbschütz aus Rottenburg,<br />
bisher Bietenhausen. Invest. 4. 4. 68. ging 1670 ohne<br />
Abschied weg, schuldete noch 1680 nach Konstanz 20 fl.<br />
29) 1670 5. Nov. präs. Nikolaus Sartor von Gruol, invest.<br />
17. 1. 71; hat 1681 noch aus Erstfrüchten 4 fl 48 kr<br />
Schulden.<br />
30) 1704 24. Jan. Sebastian Sartorius aus Munderkingen,<br />
zahlt Erstfrüchte 20 fl 54 kr. Ist bis 1731 hier.<br />
Weiteres siehe bei Hodler S. 790. Zur Leonhardskapelle bei<br />
Stetten 1758 siehe Hohenz. Heimat 1959,31. Auch »Kirchenpatrone<br />
im Kr. Hechingen« 1962 S. 167 von Blessing; u.<br />
Hodler S. 789.<br />
Weitere Listen der Seelsorger im Haigerlocher Gebiet sind in<br />
der Heimatbücherei Hechingen hinterlegt.<br />
Zum Frauenklösterlein zu Stetten siehe Krebs, Investiturprotok.<br />
S. 817. und am 19. Sept. 1481 erhielt es eine bischöfliche<br />
Sammelerlaubnis als »Schwesternhaus oder Iklusorium im<br />
Dorf Stetten, das dem Büßerorden des hl. Dominikus angehört<br />
zu Ehren BV Mariae, Johannes Baptistae und St. Michael«.<br />
südwestlich des Kornbühls hingewiesen, aber es wurde wieder<br />
vergessen, bis man auf das Stettener Kreuz stieß und beim<br />
Gespräch die Frau Mia meines Neffen Christian Kraus die<br />
Rede wieder auf die Salmendinger Viehweide brachte: »Da<br />
steht doch auch so etwas Merkwürdiges!« Ihr Mann benützte<br />
einen sonnigen Novembertag, um den alten Stein zu suchen.<br />
Er fand sich in einem kleinen Gebüsch am Feldweg von<br />
Salmendingen her bei dem ersten, durch das Alter arg zerzausten<br />
mächtigen, aber ruinösen Baum. Die Linde ist heute<br />
ohne Krone und nur noch mit einem einzigen weit ausladenden<br />
Ast, alle andern sind längst verschwunden. Der Stein ist<br />
im Westen verwittert und verrät hohes Alter. Er ist 54 cm<br />
hoch und über 61 cm breit, die Arme ca. 19 und 22 cm stark,<br />
wie die Zeichnung Chr. Ritters zeigt. Die Nachfrage meines
Neffen in Salmendingen erbrachte keine eindeutige Antwort<br />
bezüglich Zweck und Anlaß des Kreuzes. Einige meinten, ein<br />
Junginger Mann, andere ein fremder Handwerksbursche sei<br />
hier erfroren. Andere wollten wissen, es sei jemand vom Blitz<br />
erschlagen worden, wie 1812 einige Willmandinger, auf die<br />
ein Denkstein (zw. dort und Salmendingen) hinweist (Zollerländle<br />
1926,40 und Albv. Blätter 1926,243). Eine andere<br />
Stimme meinte, das Kreuz sei eine Erinnerung an ein früheres<br />
Dorf Korningen. Dies ist jedoch nirgends belegt. Der so<br />
lautende Flurname deutet lediglich auf den Kornbühl. Auch<br />
fehlt hier völlig das Wasser für eine Siedlung. Der Form nach<br />
(Zeichnung B) könnte wohl ein Sühnekreuz in Frage kommen,<br />
etwa vor dem Jahr 1500.<br />
Es ist kaum bekannt, daß einst die »Salmendinger Büsche«<br />
der Weide Heufeld als Stätte von Zank und Schlägereien eine<br />
Rolle spielten. Hat doch dieser Ausdruck in der Literatur des<br />
ausgehenden Mittelalters sogar einen Niederschlag gefunden.<br />
Der schwäbische Dichter Hermann von Sachsenheim, Verwandter<br />
der Ringinger Burgherren mit Namen Schwelher,<br />
schrieb im J. 1463 in seiner romantischen Erzählung »Die<br />
Möhrin« im Vers 547 f.: »Ja, jett ich dich by dinem Kragen,<br />
und war by Salmendinger Büschen, ich wellt dir s'Gelb vom<br />
Snabel wüschen. Sus muoß ich laider schwigen hie!« (Bd. 137<br />
der Bibl. d. Literar. Vereins).<br />
Weidebüsche spielten in der Geschichte des Heufelds eine<br />
wichtige Rolle (Hz. JHeft 1961,50 f.) Zu Ritterfehden lud das<br />
weite Heufeld geradezu ein. Im J. 1460 war eine verwitwete<br />
Margarethe von Sachsenheim Frau des Mettelhans Schwelher<br />
(Hz. Ztg. 16. 6. 1968).<br />
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Kanz a) Körperteil, b) Familienname<br />
a) Der Kanz als Sache ist im Hechinger Gebiet und wohl ganz<br />
Hohenzollern unbekannt, er müßte denn in neuerer Zeit von<br />
Zugezogenen eingeschleppt worden sein. Er bezeichnet nach<br />
Josef K. Brechenmachers »Deutsche Sippennamen« eine<br />
Mähne, bzw. den fleischigen Teil oben am Hals. Johann<br />
Christopf von Schmid nennt ihn in seinem Schwäbischen<br />
Wörterbuch 1832 einfach »Pferdemähne« und W. Keinath<br />
folgte ihm 1927 hierin. Ausführlich behandelt Fischer in<br />
seinem »Schwäbischen Wörterbuch« den Kanz im Band 4,<br />
Spalte 197. Der Begriff Kanz (gesprochen als »khants« mit<br />
langem a, oder »khonts« oder sogar »Kranz«) sei geläufig<br />
zwischen Kirchheim/Teck, Göppingen, Heidenheim, Memmingen,<br />
Allgäu, Waldsee und Riedlingen. Im Ulm bedeute<br />
Kanz sogar »Stück vom Hals eines geschlachteten Schweines«.<br />
In unserer Gegend hörte ich noch niemals auch nur eine<br />
der genannten Bedeutungen. Fischer hält einen Zusammenhang<br />
unseres schwäbischen Begriffes Kanz mit der norddeutschen<br />
»Kante« für erwägenswert. Zu einem Familiennamen<br />
ergeben sich jedoch keine Anhaltspunkte.<br />
b) Der Familienname Kanz (gesprochen wie Franz, also mit<br />
kurzem a) begegnet uns im Umkreis von Hechingen mehrfach,<br />
besonders zahlreich in der Burladinger Teilgemeinde<br />
Gauselfingen. In den Urkunden des Klosters Stetten/<br />
Hechingen finden sich 1330 in Hechingen ein Werner der<br />
Buchbesprechung<br />
Naturpark Obere Donau. Herausgegeben vom Schwäbischen<br />
Albverein e. V. 213 Seiten, zahlreiche Abbildungen, Wanderkarte,<br />
DM 19.80. Erschienen im Konrad Theiss Verlag Stuttgart.<br />
Oberstudiendirektor Wilhelm Rößler aus Sigmaringen hat<br />
die Wanderungen bearbeitet und die Autoren koordiniert.<br />
Das Gebiet des Naturparkes Obere Donau reicht von<br />
Zeichnungen von Chr. Ritter, Burladingen<br />
Kanz, 1345 Heinz der Kanz, 1391 Hans der Kanz, während<br />
das zollerische Lagerbuch Bickelspergs vom Jahre 1435 mehrere<br />
Kantz (!) um Hechingen herum namhaft macht. Die<br />
Ansicht Brechenmachers und anderer, es handle sich um<br />
einen Bei- oder Übernamen für einen Mähnenträger dürfte<br />
kaum beweisbar sein, wenn auch schon 1288 ein Schultheiß<br />
»Eberhard genannt der Kanz« im badischen Osterburken im<br />
Wirtenberger Urkundenbuch vorkommt.<br />
Es kann sich sehr wohl um einen uralten Sippennamen<br />
handeln. Man erinnere sich nur an Denk-Denkingen, Deck-<br />
Deggingen-Döggingen, Dent-Dentingen (NB. Maler Franz<br />
Ferd. Dent, der 1790 in Hechingen starb!), Betz-Betzingen-<br />
Bötzingen, Hipp-Hippetsweiler (1209 Hiltibolteswilare),<br />
End-Endingen, Herbert-Herbertingen, Hepp-Heppenheim<br />
usw.<br />
So kann ebensogut der Familienname Kanz zusammenhängen<br />
mit dem 1094 genannten Cancingen, dem jetzigen Städtchen<br />
Kenzingen bei Freiburg, das heute noch in der alten<br />
Mundart Kanzingen gesprochen wird! Nach Förstermann<br />
steckt der uralte Personenname Kanzo darin, dessen Sippe die<br />
Siedlung anlegte. Ein exakter Beweis ist freilich für so frühe<br />
Zeit urkundlich nicht zu erbringen. Aber diese Erklärung hat<br />
mehr für sich, als ein nur vermuteter Übername.<br />
Immendingen bis Eningen. Es umfaßt eine der schönsten<br />
Landschaften Deutschlands. Berühmt ist das Donautal mit<br />
seinen hochragenden Felsen, den Burgen und einer vielfältigen<br />
Pflanzen- und Tierwelt. Eine eigenständige Landschaft<br />
hat auch der große Heuberg mit dem 1015m hohen Lemberg<br />
und das geschichtsträchtige untere Laucherttal.<br />
Im ersten Teil des Buches findet man eine allgemeine<br />
15
Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong> Geschichtsverein<br />
Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />
W <strong>3828</strong> <strong>FX</strong><br />
Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.<br />
Beschreibung des Gebietes in einzelnen Kapiteln: Bau und<br />
Entstehung der Landschaft, Lebensräume, Urgeschichte, die<br />
vor- und frühgeschichtliche Besiedelung, Burgen, Schlösser<br />
und Klöster, Minnesänger aus dem Raum des Oberen<br />
Donautales, Sagen vom Heuberg und der oberen Donau,<br />
Naturpark Obere Donau. Alle Abschnitte sind von kompetenten<br />
Fachleuten geschrieben.<br />
Der zweite Teil des Buches bringt 5 7 Wanderungen im Gebiet<br />
des Naturparkes mit genauer Wegebeschreibung und vielen<br />
geschichtlichen Hinweisen. Der Text wird aufgelockert<br />
durch zahlreiche hübsche Federzeichnungen, die viel<br />
instruktiver sind, als Fotos. Daneben findet man Detailkarten<br />
Register 1983 Seite<br />
Bietenhausen: Zur Geschichte von<br />
Bittelschieß: Kleiner Ort mit bewegter Vergangenheit<br />
Buchbesprechungen:<br />
Der Bodensee<br />
Burladingen in alten Ansichten<br />
Christian Großbayer<br />
Der Traum von Freiheit<br />
Die Störleute<br />
Gammertingen in alten Ansichten<br />
Heuneburg<br />
Hugo Hermanns Weg nach Trossingen<br />
Monographie für einen Turm<br />
Tübingen und das Obere Gäu<br />
Urgeschichte in Baden-Württemberg<br />
Vom Leben auf dem Lande<br />
Wanderführer - Park Inzigkofen<br />
Weißenau in Geschichte und Gegenwart<br />
Buck, Michel: Zum 150. Geburtstag<br />
Burg Hohenberg seit 115 8<br />
Flurnamenkunde: Wort, Wördt<br />
Gammertingen, Abt Konrad von<br />
Gammertingen: Mühle<br />
Genzmer Walter: Zum Tode von<br />
Grämlich-Jungingen: Rätsel im Wappen<br />
Gremiich von Jungingen zu Menningen<br />
Gruol: Vergessene Klostergebäude<br />
Gutensteiner Schwert (Bild)<br />
HOH<strong>ENZOLLERISCHE</strong> <strong>HEIMAT</strong><br />
hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein.<br />
Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«<br />
ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will<br />
besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />
und der angrenzenden Landesteile mit der<br />
Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie<br />
bringt neben fachhistorischen auch populär<br />
gehaltene Beiträge.<br />
Bezugspreis: 8.00 DM jährlich.<br />
Konto der »Hohenzollerischen Heimat«:<br />
803843 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />
(BLZ 65351050).<br />
Druck:<br />
M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH & Co.,<br />
7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.<br />
16<br />
12000015. 12<br />
HERRN<br />
AMTSRAT<br />
HEINZ ZEKORN<br />
KARLSTRASSE 18<br />
7 480 SIGMAR INGEN 1<br />
° 1605.0<br />
und eine Wanderkarte, in der die beschriebenen Wanderungen<br />
eingezeichnet sind. Verzeichnisse, Literaturhinweise und<br />
ein Register beschließen den gelungenen Band.<br />
Berichtigungen<br />
Heft 3 1983 S. 37: Altes Reichsfürstliches Haus Hohenzollern-Hechingen.<br />
Regierender Fürst: Josephus Wilhelmus<br />
geb. 12. November 1718 (nicht 1760!).<br />
Heft 4 1983 S. 58: Herr Dr. Spelling von der Württembergischen<br />
Landesbibliothek ist eine Dame, Frau Dr. H. Spilling.<br />
Wir bitten um Entschuldigung.<br />
28 Hechingen: Das Hudelgäu<br />
44 Hechinger als Mönche in Allerheiligen<br />
Hechinger Residenzschloß: Strittige Fuhrfronen<br />
31 Hexen Verfolgung: Ich bin des Teufels ...<br />
48 Hohenzollern und die angrenzenden Gebiete<br />
16 Hohenzollern: Zur Geschichte<br />
47 der archäolog. Denkmalspflege<br />
64 Inzigkofen: Das Kloster nach der Säkularisation<br />
31 Inzigkofen: Ehemalige Klosterkirche (Bild)<br />
31 Laiz, ein Rätselname<br />
30 Jungingen zu Kaisers Zeiten<br />
30 Mundart:<br />
31 Alte Ausdrücke und Redensarten<br />
31 Die Armut, das Wetter<br />
63 Naus, na, nom<br />
64 Neufra unter dem Lichtenstein<br />
48 Owingen: Die Eyach bei<br />
15 Rangendinger Seelsorger<br />
27<br />
13<br />
11<br />
2<br />
36<br />
34<br />
22<br />
1<br />
26<br />
40,58<br />
62<br />
62<br />
62<br />
17<br />
29, 45<br />
28 Sigmaringen: Daß die Herstellung eines Ständesaales 52<br />
12 Sigmaringen: Der Orchesterverein 7<br />
5 7 Stein: 150 Jahre Pfarrkirche St. Markus 20<br />
63 Straßberg: St. Verena 44<br />
56 Thalheim: Besiedlung und ... 9<br />
27 Thiergartenhof: Rund um die St. Georgsbasilika (mit Bild) 49<br />
26 Trochtelfinger Urkunde 1161 35<br />
12 Wannenmacher, Johann: Zum Tode von 31<br />
33 Weilheim: Seelsorger von 29,45<br />
Die Autoren dieser Nummer:<br />
Casimir Bumiller<br />
Wolfswinkel 12,<br />
7814 Breisach-Gündlingen<br />
Georg Gauggel, Konrektor i. R.<br />
Roystraße 13, 7480 Sigmaringen<br />
Pfarrer Johann Adam Kraus<br />
Erzbischöfl. Archivar i. R.<br />
Badstraße 8, 7800 Freiburg-Littenweiler<br />
Hans-Peter Wallisch, Architekt<br />
Friedhofstraße 18, 7458 Neufra<br />
Otto Werner, Rektor<br />
Friedrich-List-Straße 55,<br />
7450 Hechingen<br />
Schriftleitung:<br />
Dr. med. Herbert Burkarth,<br />
7487 Gammertingen (Telefon 07574/2329)<br />
Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />
persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />
diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge<br />
verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung<br />
sind als solche gekennzeichnet.<br />
Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />
werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />
Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische<br />
Heimat« weiter zu empfehlen.
HÖH <strong>ENZOLLERISCHE</strong><br />
<strong>HEIMAT</strong><br />
Herausgegeben vom<br />
W <strong>3828</strong> <strong>FX</strong><br />
Hohenzollerischen Geschichtsverein<br />
34. Jahrgang Nr. 2/Juni 1984<br />
Wasserschloß Glatt, Stadt Sulz. Luftbild K. Schwarz, Freigegeben durch das Regierungspräsidium Karlsruhe, Nr. 0/16839.<br />
WOLFGANG HERMANN<br />
Rettet Sulz sein Wasserschloß? Eine Bestandsaufnahme<br />
Am 29. August 1981 veröffentlichte die Stuttgarter Zeitung<br />
einen Artikel mit der feststellenden Uberschrift »Sulz rettet<br />
sein Wasserschloß«. Nach nun fast drei Jahren soll an dieser<br />
Stelle eine kurze Bilanz über die seitherigen Erneuerungsarbeiten<br />
gezogen werden.<br />
Der Ort Glatt, in dessen Mitte das Weiherschloß steht,<br />
gehörte mit seinen Nachbarorten Fischingen und Dettingen<br />
bis zur Kreisreform zum Landkreis Hechingen. Im Jahre<br />
1972 wurde Fischingen Teilgemeinde von Sulz, Glatt folgte<br />
1975. Beide Orte kamen dadurch zum Landkreis Rottweil.<br />
Dettingen wurde nach Horb eingegliedert und gehört nun<br />
zum Kreis Freudenstadt. Die Kreis- und Gebietsreform ist<br />
stets umstritten gewesen und auch heute findet man noch ihre<br />
Gegner. Ob diese Reform für das ehemalige hohenzollerische<br />
Randgebiet von Vorteil war, läßt sich nicht eindeutig feststellen,<br />
jedoch läßt sich mit Bestimmtheit sagen, daß alle betroffenen<br />
Gemeinden peripher geblieben sind. Das einstige<br />
Oberamt Haigerloch, der spätere Kreis Hechingen wurde in<br />
drei Teile zerlegt, den Kreisen Rottweil, Freudenstadt und<br />
Balingen zugewiesen. Die Regierungspräsidien Freiburg,
Karlsruhe und Tübingen wurden die nächst höheren Verwaltungsinstanzen.<br />
Deren Grenzen stoßen an der erweiterten<br />
Gemarkung der Stadt Sulz aufeinander.<br />
Das Verbleiben der Raumschaft Sulz bei der Entscheidungsinstanz<br />
Tübingen, begründet in den gewachsenen Bindungen<br />
des früheren »Südwürttemberg-Hohenzollern« und der<br />
Kenntnis der dortigen Außenstelle des Landesdenkmalamtes,<br />
hätte nach Meinung des Verfassers viel besser die Gewähr<br />
gegeben, sich zeitiger für die Erhaltung des Wasserschlosses<br />
zu engagieren 1 .<br />
Herrschaft, Reinhart von Neuneck und das Wasserschloß<br />
»Wasserschlösser im Lande sind rar« hatte der Journalist im<br />
zitierten Bericht der Stuttgarter Zeitung geschrieben. Und<br />
wer das Schloß Glatt in diesen Tagen besucht, wird bemerken,<br />
wie sehr es der Restaurierung bedarf. Für die Kunstsachverständigen<br />
wird der Seltenheitswert dieses Schloßtyps die<br />
Erneuerung rechtfertigen; und für Leute, die sich mit Hohen -<br />
zollern noch verbunden fühlen, geht es auch um emotionale<br />
Werte. Der Historiker wird sich darüber hinaus fragen<br />
(können) weshalb ein so kleines Dorf wie Glatt ein so<br />
repräsentatives Schloß besitzt. Hodler 2 schreibt in seiner<br />
Geschichte des Oberamts Haigerloch: Schon am Ende des<br />
13. Jahrhunderts treffen wir in Glatt das Adelsgeschlecht von<br />
Neuneck, welches das Dorf 400 Jahre lang innehatte. Die<br />
Neunecker waren in viele Familien verzweigt und die Glatter<br />
Linie dauerte am längsten 3 . Diese Herrschaft umfaßte nur das<br />
Dorf Glatt, das halbe Dorf Dürrenmettstetten - die andere<br />
Hälfte war Besitz des Klosters Alpirsbach - und ein Drittel<br />
von Dettingen. Der übrige Teil des Dorfes befand sich im<br />
Besitz des Ortsadels 4 .<br />
Der berühmteste Ritter dieser Familie war Reinhart, 1489 bis<br />
1551 und dieser stand den größten Teil seines Lebens in den<br />
Diensten des Herzogs von Württemberg und des Pfalzgrafen<br />
Ludwig, der auch Herzog von Ober- und Niederbayern war.<br />
Für ihn war Reinhart als Vogt in Lauingen an der Donau<br />
tätig. Einen besonderen Namen machte sich dieser Junker bei<br />
seinen Standesgenossen, als er 1525 gegen die Bauern zu Felde<br />
zog. Während des Bauernkrieges kämpfte er bei Böblingen<br />
und für Pfalzgraf Ludwig befreite Reinhart das Ellwanger<br />
Stift 5 . Außerdem kämpfte er unter den Kaisern Maximilian I.<br />
und Karl V. gegen die Türken.<br />
Im Jahre 1521 erhielt Reinhart von Karl V. Blutbann und<br />
Marktrecht verliehen 6 , 1541 das seltene Freistatt-Privileg 7 .<br />
Danach wurden alle Personen dem kaiserlichen Frieden<br />
unterstellt, die wegen Schulden, Totschlag und anderen<br />
Handlungen und Freveln in die Ringmauern des Schlosses<br />
Glatt kommen. Ausgenommen waren jedoch Personen, die<br />
sich der Beleidigung der kaiserlichen Majestät schuldig<br />
gemacht haben, sowie offensichtliche Mörder und Brandstifter.<br />
Das Wasserschloß wurde zu Anfang des 16. Jahrhunderts<br />
errichtet. Uber dem Durchgang des Torturms findet sich die<br />
Jahreszahl 1513. Joh. Nep. Wetzel schreibt darüber 1911, das<br />
Schloß sei nach 1533 erbaut worden 8 . Zugrunde lag »ein<br />
ungefährlicher Überschlag auf den neuen Bau zu Glatt, anno<br />
1533 gemacht - Wendelin Kurtz, zu Rottenburg« 9 . Aus<br />
dieser Akte geht nicht eindeutig hervor, ob mit dem neuen<br />
Bau des Ritters wirklich das Wasserschloß gemeint ist, denn<br />
in diesem Überschlag erwähnt der Werkmeister an Stelle von<br />
vier Rundtürmen nur die Arbeiten für zwei Türmlein. Es ist<br />
sehr gut möglich, daß sich diese Zusammenstellungen der<br />
Ausmaße und der zu verwendenden Materialien - in Rottenburger<br />
Meß - auf die Wirtschaftsgebäude beziehen, die zur<br />
Linken und Rechten mit zwei kleinen Rundtürmen abgeschlossen<br />
werden 10 . Jedenfalls muß das Wasserschloß 1534<br />
fertig gewesen sein, denn das Urbar von 1534 11 beschreibt<br />
18<br />
unter den zu leistenden Fronen in Kürze das, was die<br />
Hintersassen des Junkers Reinhart und dessen Bruder<br />
Oswald zu arbeiten hätten: »den Wassergraben und Zaun am<br />
Schloß zu Glatt zu betreuen, zu machen, zu bessern, so weit<br />
und so lange wie not tut«.<br />
Nach dem Aussterben der Glatter Linie kam die Herrschaft<br />
Glatt 1678 an das Domstift Trier. Hans Kaspar, der jüngste<br />
und letzte Sproß der mittlerweile verarmten Linie, hatte die<br />
Herrschaft seiner Schwester Apollonia (geb. 1640) vermacht,<br />
die sie dann ihrem Onkel, dem Johann Wilhelm von Elz, der<br />
Domdechant in Trier war, überschrieben. In einem<br />
Rechtsstreit wurde das neunecksche Erbe zu Glatt 1683<br />
durch das Lehengericht dem Freiherrn Johann Franz zu<br />
Landsee zugesprochen. Es gelang ihm, das Gut Neckarhausen<br />
zu erwerben. Der Besitz konnte jedoch nicht gehalten<br />
werden, so daß 1706 an die Fürstabtei Muri/Schweiz verkauft<br />
wurde. Für nahezu 100 Jahre übte dieses Kloster die Herrschaft<br />
aus. Durch die politischen Umstände bedingt, gelangte<br />
dann die »erweiterte Herrschaft Muri-Glatt 1803 an das Haus<br />
Hohenzollern-Sigmaringen 12 .<br />
Verwahrlosung kommt nicht von ungefähr<br />
Die Mißachtung des Schloßgebäudes begann schon, nachdem<br />
das hohenzollerische Oberamt seinen Sitz im Schloß genommen<br />
hatte. Als »schwäbisch-preußischen Geniestreich« 13<br />
wird bezeichnet, daß der Rittersaal zum Arrest umgebaut<br />
und dadurch völlig verdorben wurde. Verwahrlosung<br />
beginnt mit der Geringschätzung des Vergangenen - vergangen<br />
war die Zeit der murischen Klosterherrschaft. Es war die<br />
Mißachtung jenen Werten und Gütern gegenüber, welche<br />
nicht durch persönlichen Einsatz zu eigen wurden, sondern<br />
lediglich durch die Gunst des Schicksals zufielen. Eben durch<br />
den erzwungenen Säkularisierungsbeschluß des Reichstages<br />
zu Regensburg, durch welchen die Abtei Muri ihren Besitz<br />
und die damit verbundenen Hoheitsrechte 14 , entsprechend<br />
dem Machtwillen einer höheren Gewalt und dem Anpassungswillen<br />
eines Kleinstaates gehorchen mußte. Als im Jahre<br />
1854 das Oberamt Glatt aufgehoben wurde und die Befugnisse<br />
dem Oberamt Haigerloch übertragen waren, setzte der<br />
Verfall ein. In diesen Tagen bietet das Schloß türkischen<br />
Gastarbeiterfamilien Unterkunft an."<br />
Die Gemeinde Glatt hatte das Schloß im Jahre 1970 vom<br />
Fürstenhaus Hohenzollern übernommen, nicht unbedingt<br />
unter dem allgemeinen Beifall. Es war in der Zeit, als man<br />
noch viel vom alten Glump sprach. Wenn heute die Einwohner<br />
von Glatt so ganz dafür sind, das Schloß zu behalten, so<br />
ist dies auf das verstärkte Geschichtsbewußtsein und dem<br />
Eigenwillen der eingemeindeten Ortschaft sowie den Bemühungen<br />
des Ortsvorstehers, Herrn Esslinger, zurückzuführen.<br />
Zwei Probleme stehen seit August 1983 in der Diskussion um<br />
das Wasserschloß: die künftige Nutzung des Kulturdenkmals<br />
und die Finanzierung der Restaurierung. Die Gemeinde Glatt<br />
und auch die Stadt Sulz haben die Verantwortung für ihr<br />
Wasserschloß erkannt und sind bemüht, seinen Wert neu<br />
herauszustellen. (Wie ernst und erfolgreich die Anstrengungen<br />
sind, soll der zweite Teil des Berichtes darlegen).<br />
Beginn der Renovierung<br />
In der ersten Begeisterung hatte die Stadt Sulz gleich mit<br />
kleineren Aufräumungsarbeiten begonnen, den Wassergraben<br />
gereinigt und Karpfen eingesetzt. Mit dem Wasserschloß<br />
erbte die Stadt Sulz auch ein Kulturdenkmal von hohem Rang<br />
- ein solches besitzt die Stadt nur noch in ihrer Stadtkirche<br />
von 1513 - denn im letzten Stadtbrand von 1794 ist so gut wie<br />
alles vernichtet worden.<br />
(Fortsetzung Seite 20)
Ein Stück Hohenzollern ging verloren<br />
Der Hohenzollerische Geschichtsverein hat innerhalb weniger<br />
Tage zwei langjährige Mitglieder und Angehörige des<br />
Vorstandes verloren.<br />
Am 12. Mai 1984 verstarb Dr. jur. Hans Speidel, Landrat<br />
i. R. In Schlatt am 8. Februar 1900 geboren, besuchte Hans<br />
Speidel in Sigmaringen und Konstanz das Gymnasium. Er<br />
studierte an den Universitäten Tübingen, Freiburg und<br />
Frankfurt Jura und Germanistik. Nachdem er zunächst<br />
zwischen einer literarischen und journalistischen Betätigung<br />
und der juristischen Laufbahn schwankte, entschied er sich<br />
für letztere und ließ sich in Köln als Anwalt nieder. Der Krieg<br />
machte jedoch seine Pläne zunichte. Durch den Bombenkrieg<br />
verlor er seine Habe und die Familie wurde nach Schlatt<br />
evakuiert. Nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft,<br />
eröffnete er in Hechingen als Rechtsanwalt und Notar<br />
eine Praxis.<br />
Hans Speidel hatte nie seine Heimat vergessen und er trat<br />
1945/46 für den Aufbau der neuen staatlichen Ordnung ein.<br />
1946 wurde er Landrat des Kreises Hechingen. Mit persönlichem<br />
Mut und Einsatz und mit Ideenreichtum wirkte er an<br />
exponierter Stelle am Aufbau des Landkreises mit. Als Jurist<br />
und Verwaltungsmann kümmerte er sich auch um die Pflege<br />
von Kultur und Tradition. Genannt seien nur seine Bemühungen<br />
um die Hohenzollerische Landessammlung und die<br />
Hohenzollerische Heimatbücherei, die ihm besonders am<br />
Herzen lag.<br />
Als er 1966 nach zwanzigjähriger Tätigkeit aus dem Amt des<br />
Landrates schied, begann für Hans Speidel ein neuer Lebensabschnitt.<br />
Er hatte nun die Zeit, sich forschend mit der<br />
Geschichte seiner Heimat, und das war für ihn Hohenzollern,<br />
zu beschäftigen. Vor allem das 19. und 20. Jahrhundert<br />
faszinierten ihn. Der erste Landtag im Fürstentum Hohenzollern-Hechingen<br />
1835/36, Lebensbilder von politisch herausragenden<br />
Männern, wie Pfarrer Blumenstetter, Erzbischof<br />
P. Dionysius Schuler oder Johannes Diebolder wurden<br />
veröffentlicht. Aber auch die Ortsgeschichte seiner Heimatgemeinde<br />
Schlatt gehörte zu den Themen seiner Forschungen.<br />
Die von ihm erlebte wie selbst mitgestaltete Zeitgeschichte<br />
analysierte er. Seine letzte Arbeit widmete er der<br />
Geschichte des Landkreises Hechingen von 1945 bis 1973.<br />
1949 war er in den Hohenzollerischen Geschichtsverein<br />
eingetreten und wurde 1969 in den Vorstand gewählt. Seither,<br />
bis zu seinem Tode, bekleidete er das Amt des stellvertretenden<br />
Vorsitzenden. Fünfzehn Jahre lang bestimmte er den<br />
Kurs des Hohenzollerischen Geschichtsvereines an maßgeblicher<br />
Stelle mit. Hohenzollern hat einen treuen Sohn verloren,<br />
der Geschichtsverein einen aktiven und verdienten Mitarbeiter.<br />
Landrat i. R. Dr. Hans Speidel wurde unter großer Anteilnahme<br />
am 16. Mai auf dem Friedhof seiner Heimatgemeinde<br />
Schlatt beigesetzt.<br />
Anton Buckenmaier, Landesbankdirektor i. R. verstarb am<br />
9. Mai in Sigmaringen im 81. Lebensjahr. Buckenmaier<br />
wurde am 23. August 1903 in Stetten bei Hechingen geboren.<br />
Nach dem Abitur am Gymnasium in Sigmaringen 1924,<br />
schlug er die Banklaufbahn ein. Nach beruflicher Tätigkeit in<br />
Stuttgart und Bad Mergentheim zog es ihn wieder in die<br />
Heimat zurück. Von 1929 bis zu seiner Pensionierung im<br />
Jahre 1969 war er bei der Hohenzollerischen Landesbank<br />
tätig, seit 1960 als stellvertretender Landesbankdirektor in<br />
Sigmaringen.<br />
Neben der beruflichen Tätigkeit widmete er sich der<br />
Geschichte seiner Heimat. Schon 1935 war er in den<br />
Geschichtsverein eingetreten. Zahlreiche Veröffentlichungen<br />
zur hohenzollerischen Geschichte sind von ihm erschienen.<br />
Mit der Arbeit über »Eugenie Fürstin von Hohenzollern-<br />
Hechingen. Menschen und Mächte um eine Stiefenkelin<br />
Napoleons I.«, die 1965 in der Zeitschrift für Hohenzollerische<br />
Geschichte erschien, hat er sich selbst ein bleibendes<br />
Denkmal geschaffen.<br />
Im September 1965 wurde er in den Vorstand des Geschichtsvereins<br />
gewählt. Ein Jahr später übernahm er das Amt des<br />
Schatzmeisters, das er bis zum 1. Oktober 1982, genau 16<br />
Jahre lang bekleidete. In diesen Jahren hat er sich um die<br />
finanziellen Belange des Vereins gesorgt und ihn trotz mancher<br />
Schwierigkeiten sicher durch die Zeiten gebracht. Bis<br />
zuletzt hat er dem Vorstand angehört.<br />
Anton Buckenmaier wurde am 14. Mai 1984 im Beisein einer<br />
großen Trauergemeinde in seiner Heimat Hechingen zu<br />
Grabe getragen.<br />
19
Zu Beginn des Jahres 1984 war der anfängliche Optimismus<br />
gedämpfter geworden, und die lokale Presse spiegelte das<br />
Zaudern des offiziellen Sulz wider. Die laufend steigenden<br />
Kosten sind hierfür die Erklärung. Bisher steuerte das Land<br />
Baden-Württemberg 1,125 Mio. Mark bei 15 , 200000 DM<br />
sind im städtischen Haushalt eingeplant 16 , der Kreis Rottweil<br />
versprach 60000 DM für die Renovierung der Außenfassade<br />
bereitzustellen. Hierfür sind im vergangenen Jahr 1,4 Mio<br />
DM angesetzt worden. Im September 1982 hatte Sulz bereits<br />
Aufträge in Höhe von 580000 DM vergeben. Am 27. 8. 1983<br />
hatte der Schwarzwälder Bote gemeldet, daß Restaurator<br />
Ernst Lorch aus Sigmaringen und Putzfachmann M. Sebastiani<br />
aus Uberlingen »in einer Woche mit den Arbeiten«<br />
beginnen würden. Die Renovation eines der vier Flügel<br />
wurde von den Restauratoren mit ca. 125000 DM beziffert.<br />
Der Innenhof mit kalkulierten Kosten von 100000 DM,<br />
neuen Fenstern mit 150000 DM (Angabe nach Bürgermeister<br />
Vosseier), statischen Problemen und Rissen im Mauerwerk<br />
(Torgebäude) ließen einen Stadtrat ausrufen, Schloß Glatt<br />
darf kein »Faß ohne Boden« werden 17 . In der Südwestpresse<br />
vom 8. September 1983 wurde bereits darauf hingewiesen,<br />
wie sehr die Stadt unter Druck stünde; es seien »die Freiburger<br />
Denkmalschützer und -restaurierer darauf hinzuweisen,<br />
daß das von der Stadt dafür zur Verfügung gestellte Budget<br />
nicht überschritten werden darf und notfalls einfach aufzuhören<br />
ist. Von der Stadt stehen im Moment noch 420000 Mark<br />
parat, aber kein Pfennig mehr 18 .<br />
Solch eindeutige Worte umschreiben klar, wie weit die Kräfte<br />
reichen. Anders für die Stadtverwaltung liegen die Fragen um<br />
die Renovierung und den Umbau des ehemaligen Amtsgerichts.<br />
Dieses, um 1800 errichtete, jetzt städtische Gebäude,<br />
soll in absehbarer Zukunft einige Abteilungen der Verwaltung<br />
aufnehmen, und es ist von Sulz aus zu verstehen, daß die<br />
Sorgen darum viel größer sind, als um das Wasserschloß.<br />
Stand der Renovierung des Glatter Schlosses<br />
Zur Zeit der Niederschrift waren Teilarbeiten am Dach und<br />
an zwei Turmspitzen abgeschlossen. An der Ostseite war eine<br />
fünf Meter breite Musterachse angebracht worden. Versuchsweise<br />
erhielten die dort angebrachten Läden eine rot-weiße<br />
Schrägbemalung. Ortsvorsteher Esslinger hatte sie nach<br />
»Jahren des Dornröschenschlafes« wiedergefunden 19 . Der<br />
Torturm soll auf alle Fälle einen roten Putz erhalten, ob das<br />
Walmdach über der Apsis der Kapelle erhalten bleibt, oder<br />
dmrch eine Ballustrade ersetzt wird, war im August 1983 noch<br />
unklar 20 . Die Bauarbeiten waren seitdem lange unterbrochen,<br />
im Inneren wurde gearbeitet. Seit dem 11. Mai dieses<br />
Jahres wird der Originalputz verkieselt. Nach Auskunft des<br />
Ortsvorstehers war es aus Witterungsgründen nicht möglich,<br />
früher damit zu beginnen, da die Temperaturen hierbei nicht<br />
unter 8 Grad liegen dürfen.<br />
KARL WERNER STEIM<br />
2!ur Baugeschichte der Kirche in Killer<br />
D'ie Kirche zur Schmerzhaften Muttergottes in Killer wurde<br />
durch das Erdbeben vom 3. September 1978 schwer beschädigt.<br />
Der Turm mußte sogar abgebrochen werden. Die<br />
Mauern wurden überwiegend bis in die Höhe der Decken in<br />
Langhaus und Chor abgetragen und neu aufgebaut. Jetzt<br />
befaßt sich die Kirchengemeinde mit dem Wiederaufbau des<br />
.Kirchturms. Aus diesem Anlaß soll über die Baugeschichte<br />
der Kirche und die in den letzten Jahren erfolgten Baumaßnahmen<br />
berichtet werden.<br />
20<br />
Verantwortlich für die komplexen Arbeiten sind der Architekt<br />
Beuter von Horb-Dettingen, der Leiter der Denkmalaußenstelle<br />
Freiburg, Herr Dr. Wolfgang Stopfel, dessen<br />
Mitarbeiter Dr. Leusch und Oberkonservator Reichwald aus<br />
Stuttgart.<br />
Über den Fortgang der Renovierungsarbeiten und den Stand<br />
der Diskussion um die Gebäudenutzung wird ein weiterer<br />
Bericht folgen.<br />
Anmerkungen<br />
1<br />
Eine ähnliche Randlage besitzt auch die ehemalige Kreisstadt<br />
Horb, jetzt Kreis Freudenstadt. Empfingen ist nach Horb eingemeindet.<br />
Karlsruhe ist Sitz des Regierungsbezirks. Die nötigen<br />
Archivalien liegen in Sigmaringen, bzw. in Stuttgart im Hauptstaatsarchiv.<br />
2<br />
Hodler, Franz, Geschichte des Oberamts Haigerloch, Hechingen<br />
1928, S. 173.<br />
3<br />
Hodler, S. 174.<br />
4<br />
Eisele, Karl Friedrich, Studien zur Geschichte der Grafschaft<br />
Zollern und seiner Nachbarn, Stuttgart 1956. Buckenmaier,<br />
Johannes, Die Herrschaft Glatt, wissenschaftliche Zulassungsarbeit,<br />
maschinenschriftlich, 1965, S. 48.<br />
5<br />
A. Lichtschlag, in Mitteilungen des Vereins für Geschichte und<br />
Altertumskunde IX, 1875/76.<br />
6<br />
Im Staatsarchiv Sigmaringen, unter Ho 163/51, Urkunden. Die<br />
angesprochene Urkunde wurde am 13. 3. 1521 in Worms ausgestellt.<br />
7<br />
Ebendort, unter Ho 163/(92), vom 31. 5. 1541, ausgefertigt in<br />
Regensburg.<br />
8<br />
Wetzel, Joh. Nep., Das hohenzollerische Schwarzwalddorf Glatt<br />
und das Adelsgeschlecht von Neuneck, Blätter des württ.<br />
Schwarzwaldvereins 1911, Nachdruck Glatt, Bürgermeisteramt<br />
1966.<br />
9<br />
Akte im Staatsarchiv unter HO 163, Akte 72<br />
10<br />
Heute wird dieses langgestreckte Bauwerk von der Gemeinde teils<br />
als Festsaal genutzt, ein anderer Teil dient den örtlichen Vereinen,<br />
ein Teil ist Café<br />
11<br />
Urbar im FAS, R 137, K 26, F 14, Nr. 1. Joh. Adam Kraus<br />
benennt in seinem Beitrag »Zur Geschichte von Glatt und der<br />
Herren von Neuneck«, HJh 1962, S. 90, die jeweiligen Hintersassen.<br />
Es sind doch Namen, die im Urbar nur zu einem geringen Teil<br />
wiederkehren.<br />
12<br />
Hodler, S. 188 f.<br />
13<br />
Stuttgarter Zeitung vom 29. 8. 1981<br />
14<br />
Die murische Herrschaft Glatt war durch Kauf von Dießen,<br />
Dettensee und der übrigen 2/3 von Dettingen erweitert worden.<br />
15<br />
Anzeigenblatt »Jede Woche« vom 13. 10. 1983.<br />
16<br />
Schwarzwälder Bote, Sulzer Chronik vom 12. 10. 1983.<br />
17<br />
Siehe Anmerkung 16.<br />
18<br />
Bürgermeister Vosseier vor dem techn. Ausschuß der Stadt Sulz<br />
zitiert nach der Südwestpresse vom 8. 9. 1983.<br />
19<br />
Schwarzwäler Bote vom 27. 8. 1983.<br />
20 Siehe Anmerkung 19.<br />
Mutter-Pfarrei Killer im Mittelalter<br />
Killer, um die Mitte des 13. Jahrhunderts als Kilwilar (Kirchweiler)<br />
erstmals erwähnt, war im Mittelalter Pfarrort für<br />
Hausen, Starzein, Jungingen und das auf Junginger Markung<br />
abgegangene Weiler ob Schlatt. Der Name des Pfarrsprengels<br />
wurde zur Bezeichnung des oberen Starzeltals als Killertal.<br />
1488 wurde der große Pfarrsprengel aufgelöst, Hausen und<br />
Jungingen wurden zu Pfarreien erhoben, Starzein nach Hau-
sen eingepfarrt 1 . Seit etwa 1530 ist schließlich die alte Mutterpfarrei<br />
Killer selbst Filial von Hausen. Warum, ist nicht<br />
bekannt.<br />
Die Kirche in Killer liegt auf halber Höhe des Killertales<br />
mitten im Ort. Nach Westen fällt das Gelände stark ab, im<br />
Süden und Norden nur wenig. Die Spornlage wird durch eine<br />
starke Stützmauer im Westen hervorgehoben 2 . Schon 1262<br />
wird der Killemer Pfarrer »Hainricus plebanus in Kirwilar«<br />
genannt 3 . Pfaff Konrad der Esel von »Kilwilar« führt 1330<br />
die Madonna im Siegel 4 . Das deutet erstmals auf ein Muttergottes-Patrozinium<br />
hin. Nach dem Hagenschen Lagerbuch<br />
von 1537® ist »Unser lieben Frawen patron der pfarrkirchen<br />
zu Khiller.« Maria bleibt die einzige Patronin. Eine Ausnahme<br />
bildet die Visitationsakte von 1608, wonach der<br />
hl. Jakobus Patron sein soll 6 . Vermutlich liegt hier ein Verwechslung<br />
mit einem Jakobus-Altarpatrozinium vor. Heute<br />
wird die Schmerzhafte Muttergottes als Kirchenpatronin<br />
verehrt.<br />
Frühere Kirchenbauten<br />
Es ist anzunehmen, daß schon die mittelalterliche Kirche von<br />
Killer an der heutigen Stelle stand. Eine Kirche ist seit der<br />
Mitte des 13. Jahrhunderts belegt 7 . Vermutlich stand aber<br />
hier schon viel früher die Mutterkirche für das Killertal.<br />
Belege für ältere Kirchenbauten in Killer sind recht rar. Die<br />
frühere Eingangshalle im Turm (Erdgeschoß) hatte ein rundbogiges<br />
Westportal mit der Jahreszahl 1567. Es ist nun nicht<br />
eindeutig, ob es sich hier um die Angabe eines Kirchen- oder<br />
nur Turmbaus, oder gar nur einer Renovation handelt.<br />
Allgemein wird aber von einem Kirchen- oder zumindest<br />
Turmbau in jenem Jahr ausgegangen.<br />
Daß an der Stelle der heutigen Kirche bereits im Mittelalter<br />
eine Kirche gestanden haben muß, läßt sich auch anhand des<br />
Baubefundes belegen. Bei der Abtragung der Mauern anläßlich<br />
der Erdbebensanierung wurde romanisches Mauerwerk<br />
festgestellt und teilweise erhalten 9 .<br />
Der Kirchenbau von 1776/78<br />
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts muß die Kirche in<br />
Killer baufällig geworden sein. In den Kirchenrechnungen 10<br />
heißt es, daß die uralte Mutter-Gottes- und Pfarrkirche<br />
Killer, die vor 235 Jahren die einzige Pfarrkirche im ganzen<br />
Killertal gewesen sei, so »ruinös« war, daß täglich ihr Einsturz<br />
drohte. Davon hätten das Pfarramt in Hausen und das<br />
Vogtamt in Killer der fürstlichen Regierung in Hechingen die<br />
Anzeige gemacht und angefragt, ob man zur Erbauung einer<br />
Kirche 20 Jauchert Acker, die der Heiligen-Fabrik gehörten<br />
und nur geringen Zins brächten, verkaufen dürfe. Kanzler<br />
von Frank und Hofrat Giegling aus Hechingen hätten einen<br />
Augenschein vorgenommen und die Notwendigkeit des Baus<br />
eingesehen und zugleich den Verkauf der Kirchengüter<br />
erlaubt, für die 647 Gulden erlöst worden seien.<br />
Mit dem Haigerlocher Baumeister Christian Großbayer<br />
wurde dann 1776 über das »vollkommene Bauwesen« mit<br />
Ausschluß des Holzes, der Bretter, Steine, Fuhrwerke und<br />
der Handfron ein Akkord über 960 Gulden geschlossen 11 .<br />
Großbayer war seit 1752 vielfältig im Dienste des Fürsten von<br />
Hohenzollern-Hechingen als Baumeister tätig. Daneben<br />
hatte er sich durch seine verschiedenen Kirchenbauten, u. a.<br />
ganz in der Nähe von Killer wie in Mariazell (1757), Starzein<br />
(1759), Weilheim (1767), Melchingen (1767/69) und Burladingen<br />
(1770) bereits einen guten Ruf als Kirchenbauer<br />
erworben 12 .<br />
Großbayer 13 erbaute ein rechteckiges Schiff (18,08 m x 10,15<br />
m), an das sich ein schwach eingezogener, halbrund geschlossener<br />
Chor (6,18 m tief) anschloß mit Sakristei auf der<br />
Südseite und darüber befindlichem Oratorium, das zum<br />
Abgebrochen werden mußte nach dem schweren Erdbeben vom<br />
3. September 1978 der Turm der Kirche in Killer. Er soll nun an der<br />
alten Stelle - etwas höher - wieder erstellt werden. Damit will man<br />
das frühere Kuriosum, daß der Turm praktisch niedriger war als die<br />
Kirche, nicht wieder herstellen.<br />
Chor hin geöffnet war. Das Langhaus wurde durch ein<br />
flaches Muldengewölbe in Stucktechnik mit drei Stichkappen<br />
auf jeder Langhausseite überdeckt und von einem entsprechend<br />
gewölbten Chor durch einen flachen Dreipaßbogen<br />
getrennt. Die Wandpfeiler wurden flach verputzt. Die vier<br />
Langfenster im Schiff sowie im Chor sind bemalt und wurden<br />
anfangs unseres Jahrhunderts angefertigt, die übrigen Fenster<br />
sind mit Butzenscheiben versehen. Im westlichen Joch des<br />
Langhauses ist eine doppelstöckige Empore mit flach vorgeschwungenen<br />
Brüstungen eingebaut. Die untere dieser<br />
Emporen ist weiter als die obere vorgezogen. Hier sind die<br />
Langfenster durch drei übereinanderstehende Rundfenster<br />
ersetzt. Auf der Südseite des Langhauses wurde eine Kanzel<br />
ohne Schalldeckel mit Zugang vom Obergeschoß des Sakristeianbaus<br />
erstellt.<br />
Das Mauerwerk war verputztes Bruchsteinmauerwerk und<br />
mit Sandsteingewänden versehen. Das heutige Dach mit<br />
Biberschwanz-Doppeldeckung bestand ursprünglich wohl<br />
aus einfachen Holzschindeln. Der Fußboden war mit Sandsteinplatten<br />
belegt. Die Fenster erhielten eine Bleiverglasung.<br />
Decken- und Zwickelbilder sowie Puttenköpfe unterhalb der<br />
Kapitelle und die auf die Wand gemalten illusionistischen<br />
Aufbauten der drei Altäre sind in Freskotechnik ausgeführt.<br />
Stuckierungen sind aus weißem Gips gefertigt, Decken und<br />
Wände sind mit Kalkverputz und darüberliegenden Kalkanstrichen<br />
versehen worden.<br />
Aus den Baurechnungen<br />
Uber die Bauarbeiten 1776/78 gibt es fast keine Akten und<br />
nur wenig Unterlagen in den Kirchenrechnungen 14 . Genannt<br />
21
wird der Glaser Johann Hirschauer aus Hechingen, der für<br />
neue Fenster und alte zu flicken 4 Gulden 15 Kreutzer sowie<br />
für das Einmauern der Fenster 45 Kreuzer erhielt. Vogt<br />
Blumenstetter von Killer, der zugleich Heiligenpfleger war,<br />
richtete im Mai 1778 ein Gesuch an die Fürstliche Regierung<br />
in Hechingen. Darin heißt es, die Heiligenfabrik Killer habe<br />
für den Kirchenbau viel Bauholz gebraucht. Das meiste sei<br />
von der Herrschaft - teils unentgeltlich - zur Verfügung<br />
gestellt worden. Auch mehrere Nachbargemeinden hätten<br />
Bauholz geschenkt. Man bitte nun noch um eine Eiche. Im<br />
Dezember desselben Jahres wandte sich Blumenstetter erneut<br />
an die Regierung und wies auf die hohen Kosten hin. Zwar<br />
stünden die beiden Gemeinden Killer und Starzein zu dieser<br />
Kirche »gleichförmig«, da die Starziemer wie die Killemer<br />
»tot und lebendig« in diese Kirche kämen. Die Gemeinde<br />
Starzein habe aber bisher nur 50 Gulden bezahlt sowie 10<br />
weitere Gulden für die Malerei. Die Gemeinde Killer bat den<br />
Kanzler, behilflich zu sein, daß die Gemeinde Starzein, die<br />
viel Bauholz habe, noch für 20 Gulden Holz verkaufe und<br />
dies für den Kirchenbau beisteuere. Davon wolle man Christian<br />
Großbayer 10 Gulden geben und die restlichen für die<br />
Orgel verwenden.<br />
Aus der Stiftskirche in Hechingen kaufte man für die Kirche<br />
in Killer zwei »Gerichtsstühle« mit Armlehnen, ein Kommunikanten-Gitter<br />
beim Hochaltar sowie ein »vielfärbig aus<br />
Seiden gesticktes« Antependium und ein weiteres in Schwarz.<br />
Dafür bezahlte man der Heiligenfabrik Hechingen 6 Gulden<br />
24 Kreuzer und für die Abholung 1 Gulden 8 Kreuzer. Für<br />
212 Gulden 30 Kreuzer wurden Ziegelwaren und Kalk von<br />
der Burladinger Ziegelhütte bezogen.<br />
Anastasius Schuhmacher, Gipser und Steinhauer, berechnete<br />
im Januar 1779 für die Aufrichtung des Hochaltars, den Gips<br />
dazu und das Vergolden an sechseinhalb Tagen ä 24 Kreuzer<br />
zusammen 2 Gulden 36 Kreuzer. Für das Eingipsen der<br />
Fenster an zweieinhalb Tagen erhielt er 1 Gulden. Später<br />
bekam er weitere 21 Gulden 15 Kreuzer für seine Arbeit an<br />
21 Vi Tagen für das Weißein der Kirche und »Besetzen«, das<br />
Gerüst abbrechen und Glockenhaus verfertigen, für Arbeiten<br />
an der Sakristei, am Dach und an der großen Stiege am<br />
Kirchtor hinauf. Auch der Hechinger Glaser erhielt weitere<br />
30 Gulden im Jahre 1778 für seine Arbeit.<br />
Die Maler Dent und Vogel<br />
Aus den Akten über den Kirchenbau geht deutlich hervor,<br />
daß zu wenig Geld zur Verfügung stand. Großbayer hatte<br />
wohl auch zu günstig kalkuliert, was darauf schließen läßt,<br />
daß es wohl Mitbewerber um einen Kirchenbau gab. Darüber<br />
später mehr. Offensichtlich wollte man ursprünglich aus<br />
Kostengründen auf Malereien in der Kirche verzichten, sie<br />
war im Vertrag mit Großbayer auch nicht enthalten. Am<br />
9. September 1778 wollte Großbayer aber vom Heiligenpfleger<br />
Blumenstetter wissen, »ob man gesinnt sei, oberhalb in<br />
dem Chor oder dem Langhaus in der Kirchen zu Killer etwas<br />
von der Malerei machen zu lassen« 15 . Blumenstetter fragte<br />
den Pfarrer, der nach einem Gottesdienst zusammen mit<br />
Großbayer eine Besichtigung der Kirche vornahm. Der<br />
Baumeister zog dann im Chor mit dem Zirkel einen Kreis und<br />
zeigte, wie groß das Gemälde sein müßte. Wenn man eines<br />
vorsehe, müsse man zusätzlich in den vier Ecken des Chores<br />
vier »Schild« (Zwickelbilder) dazu malen mit den Vier Evangelisten.<br />
Großbayer zeigte auch, was »oberhalb in dem<br />
Langhaus gemalt werden müsse«. Der Pfarrer erklärte<br />
jedoch, »um das Langhaus nehme er sich nichts an, aber das<br />
Chor wolle er sich alleinig machen lassen und bezahlen«.<br />
Diese Notizen sind sehr interessant. Zeigen sie doch archivalisch<br />
die damalige künstlerische Zuständigkeit des Baumeisters<br />
auch für die Ausmalung der Kirche. In der Tat wurden<br />
22<br />
im Chor als Zwickelbilder die von Großbayer vorgeschlagenen<br />
Evangelisten gemalt 16 .<br />
Im Chor wurde dann 1778 vom Hechinger Maler Franz<br />
Ferdinand Dent, der viele Kirchen im Mittelbereich Hechingen<br />
ausgemalt hat, die Anbetung des Allerheiligsten Sakramentes<br />
durch die personifiziert dargestellten vier Erdteile<br />
»Europa, Afrika, Asien und Amerika (Australien war zu<br />
dieser Zeit noch nicht bekannt) - dargestellt. Gemalte Blattgirlanden<br />
verbinden diese Darstellungen mit den vier Evangelistenbildern<br />
(Markus, Matthäus, Lukas und Johannes) mit<br />
den dazugehörigen Attributen, in den Zwickelfeldern 17 .<br />
Bisher wurde angenommen, Dent habe auch die Zwickelbilder<br />
gemalt, doch kann jetzt archivalisch nachgewiesen werden,<br />
daß der Hechinger Franz Anton Vogel sie in der Technik<br />
»Ton in Ton« (Grisailletechnik) gemalt hat. Franz Ferdinand<br />
Dent erhielt für seine Arbeit 22 Gulden, Franz Anton Vogel<br />
für jedes Bild 4 Gulden 30 Kreuzer, also 18 Gulden. Joseph<br />
Anton Vogel aus Hechingen erhielt für das Hohenzollern-<br />
Zeil-Wurzachsche Allianzwappen am Scheitel des Chorbogen<br />
2 Gulden. Das Wappen ist bezeichnet: »J. A. Vogel<br />
pinxit«. Nach den Rechnungen wurden an Dent noch 2<br />
Gulden für »Malerei unter die Kapitell« ausbezahlt. Von den<br />
Gesamtkosten mit 42 Gulden im Chor zahlte der Pfarrer von<br />
Hausen 25 Gulden 12 Kreuzer, den Rest mit 16 Gulden<br />
48 Kreuzer die Kirchenfabrik 18 .<br />
Offenbar wurde dann bald beschlossen, auch das Langhaus<br />
ausmalen zu lassen. Noch 1778 malte Franz Ferdinand Dent<br />
Mariae Himmelfahrt; Maria entschwebt einem Sarkophag,<br />
um den sich die Jünger versammelt haben, zu der in den<br />
Wolken thronenden Dreieinigkeit (bezeichnet: F. Ferdinand<br />
Dent 1778). Im Chor wurden ausschließlich Caput mortuum-Töne<br />
verwendet. In den sechs Zwickelbildern im<br />
Langhaus sind die hl. Gregorius, Josef, Hieronymus, Augustinus,<br />
Johann Nepomuk und Thomas von Aquin dargestellt<br />
- wieder in Grisailletechnik und wohl auch von Franz Anton<br />
Vogel. Beim Langhausgemälde wurden Englischrot und<br />
Ockertöne verwendet 19 .<br />
Aus einer Kostenaufstellung ist zu entnehmen, daß die<br />
gesamte Ausmalung 100 Gulden kostete, zu der die Gemeinden<br />
Killer und Starzein Beiträge stifteten. Somit hätte das<br />
Langhaus 58 Gulden gekostet. Die Kosten für die über den<br />
holzmarmorierten Mensen aufgemalten Aufbauten der illusionistischen<br />
Altäre (von wem?) sind hier sicher nicht enthalten<br />
20 .<br />
Orgel von Konrad Keppner<br />
In den Kirchenrechnungen für Killer 21 finden sich auch<br />
Belege dafür, daß nach dem Kirchenbau eine neue Orgel<br />
eingebaut wurde. Der Hechinger Orgelbauer Konrad Keppner,<br />
von dem u. a. Orgeln in Hechingen (Stiftskirche), Steinhofen<br />
und Bietenhausen bekannt sind, erhielt für die neue<br />
Orgel in Killer einmal 17 und dann 25 Gulden. Damit dürfte<br />
die Orgel aber kaum ganz bezahlt worden sein, weitere<br />
Beträge sind nicht bekannt.<br />
Es wurde schon darauf hingewiesen, daß die Finanzierung<br />
der Kirche schwierig war. Ursprünglich war mit Großbayer<br />
ein Akkord über 960 Gulden abgeschlossen worden, der - im<br />
Vergleich mit anderen Großbayer-Kirchenbauten - kaum<br />
ausreichen konnte. Später kam der Baumeister mit einer<br />
Nachforderung von 250 Gulden, die er - wohl ungewöhnlich<br />
— über den Hofkanzler von Frank in Hechingen einreichte.<br />
Dieser hielt die Forderung für gerechtfertigt, so daß sich die<br />
Killemer dagegen nicht wehren konnten. In den Kirchenrechnungen<br />
22 liest sich das so: »Bey bald zu End gegangenem<br />
Bauwesen beschwerte sich der ged. Grosbayer bey<br />
Hochfrstl. Regierung, dass er an seinem Accord sehr großen
Vermutlich um die Jahrhundertwende<br />
wurde die Kirche in<br />
Killer - wie viele andere auch<br />
- neu ausgemalt. Diese Ubertiinchungen<br />
wurden dann vor<br />
Jahrzehnten - also nicht stilecht<br />
— wieder beseitigt. Die<br />
Bilder sind dem Bändchen<br />
»Burladingen in alten Ansichten«<br />
von Karl Werner Steim<br />
entnommen.<br />
Schaden leyde, und den Bau ohne einen weiteren Beytrag<br />
nicht ausführen könne. Es wurde also demselben ohne einige<br />
besondere Arbeit, die er dem ersten Accord nach auch hätte<br />
übernehmen sollen weiteres zugesetzt 250 fl.« Somit kam<br />
Großbayer auf 1210 Gulden. Nach einer Aufstellung wurden<br />
die Kosten wie folgt aufgebracht: 647 Gulden Erlös aus dem<br />
Verkauf von kircheneigenen Grundstücken, 425 Gulden<br />
Darlehen für die Heiligenpflege, 10 Gulden Gratis-Bauholz<br />
des Fürsten, 210 Gulden Gemeinde Killer, 65 Gulden<br />
Gemeinde Starzein, 54 Gulden Gemeinde Hausen, 112 Gulden<br />
Rosenkranzbruderschaft Killer. Das ergibt 1523 Gulden.<br />
Zu den mit Großbayer vereinbarten Kosten kamen noch<br />
weitere für Schreiner, Gipser, Material usw. hinzu.<br />
Der Kirchturm in Killer<br />
Die derzeitigen Bemühungen, den wegen starker Erdbebenschäden<br />
abgebrochenen Kirchturm neu aufzubauen, sind<br />
Veranlassung, sich mit dem Turm auch archivalisch näher<br />
auseinanderzusetzen. Der Turm stand an der Westfront und<br />
stammte vermutlich aus dem Jahr 1567. Er hatte einen glatt<br />
hochgehenden Turmschaft, ein Satteldach mit Staffelgiebel<br />
auf der Ost- und Westseite. Da die Firsthöhe des Turmes<br />
etwa 50 cm niedriger als das über Chor und Schiff gezogene<br />
Satteldach war, erhielt der Turm ein stark gedrungenes<br />
Aussehen. Die Schallöffnungen des Turmes waren schlank<br />
und spitzbogig. Die Eingangshalle befand sich im Erdgeschoß<br />
des Turmes. Man betrat diese durch ein rundbogiges<br />
Westportal. Diese Vorhalle wurde durch schmale Schlitzfenster<br />
erhellt. In den Kirchenraum gelangte man durch ein<br />
weiteres, ehemals spitzbogig gearbeitetes Portal, das später<br />
verändert wurde 23 .<br />
Da die von Killer vorhandenen Kirchenrechnungen erst mit<br />
dem Jahr 1600 beginnen, ist dort über den alten Turm nichts<br />
zu erfahren.<br />
Vom 27. November 1736 datiert ein Ȇberschlag wegen dem<br />
Killemer Glockenthurm« des Hechinger Maurermeisters<br />
Johannes Greuthner im Pfarrarchiv Hausen 24 . Danach war<br />
vorgesehen, den Glockenstuhl, »allwo die Maur abgesetzt<br />
ist«, auf drei Seiten 15 Schuh hoch aufzumauern, weil die<br />
Mauer nur zweieinhalb Schuh dick sei und den Glockenstuhl<br />
nicht tragen könne. Deshalb werde der Glockenstuhl 15<br />
Schuh höher gesetzt, die Mauer 15 Schuh hoch aufgeführt bis<br />
an den Giebel, und der Giebel wiederum aufgemauert mit den<br />
Absätzen (Staffeln) wie zuvor. Nach dem Kostenanschlag<br />
brauchte man dafür 90 Wagen mit Steinen, 60 Malter Kalk<br />
und 70 Wagen Sand. Die Kosten für den Maurer wurden mit<br />
140 Gulden berechnet. Dem Verding nach wurden die Arbeiten<br />
ausgeführt.<br />
Ein weiterer »Überschlag über den Turm zu Killer« vom<br />
10. Dezember 173 9 25 , also nur drei Jahre später, vom fürstlichen<br />
Bauinspektor Hermann Schopf in Hechingen läßt freilich<br />
Zweifel aufkommen, ob die Arbeiten von 1736 tatsächlich<br />
vorgenommen wurde. Jetzt heißt es, der schadhafte<br />
Giebel, der eingefallen sei, soll wieder wie zuvor aufgebaut<br />
und der ganze Turm, wo er schadhaft sei, ausgebessert und<br />
das Dach instandgesetzt werden. Schopf wurden dafür 45<br />
Gulden als Lohn zugesagt. Das Material wurde wie folgt<br />
kalkuliert: 200 Wagen Steine, 80 Wagen Sand, 50 Scheffel<br />
Kalk, 5000 Dachplatten usw.<br />
1786 wollte man den Turm höher bauen<br />
Besonders interessant sind die derzeitigen Planungen, den<br />
Turm höher zu bauen als er war, um zu einer besseren<br />
Proportion zu kommen, wenn man in den Akten des Jahres<br />
178 6 26 blättert. Vogt Blumenstetter schrieb damals an den<br />
Hechinger Kanzler, man bitte um Erlaubnis, den Kirchturm<br />
»etwas höhers aufbauen zu dürfen, welcher nach Proportion<br />
der Kirche nicht hoch genug ist«. Da der Turm direkt an die<br />
Kirche angebaut und gleich hoch sei, hörten die Bauern auf<br />
dem Feld vor allem das Mittagläuten, das nur mit einer<br />
Glocke erfolge, häufig nicht. Eine Umfrage im Ort habe ein<br />
positives Ergebnis für eine Turmerhöhung erbracht. Man<br />
rechne mit 700 Gulden Kosten. Da der Ort aber arm sei und<br />
auch kaum Holz habe, bitte man, ein Darlehen von 200<br />
Gulden aufnehmen zu dürfen. Von den Kosten hätten Killer<br />
und Starzein je die Hälfte aufzubringen. 150 Gulden wolle<br />
man auf die Bürger umlegen oder Gemeindegrundstücke in<br />
diesem Wert verkaufen. Außerdem, so hieß es, müsse auch<br />
die Gemeinde Starzein unbedingt ihren Teil beisteuern.<br />
Schließlich wurde der Fürst bzw. die Regierung gebeten,<br />
Eichen- und Tannenholz »um ein Almosen« zu überlassen,<br />
»worfür wir zeitlebens in unserer alten Wallfahrts- und<br />
Muttergotteskirche vor das Durchl. Haus und Regierung<br />
dafür beten uns anerbieten«. Zwar liegt keine Antwort in den<br />
Akten, doch wurde der Turm offensichtlich doch nicht höher<br />
gebaut. (Fortsetzung folgt)<br />
23
URSMAR ENGELMANN OSB<br />
Chorfrauenstift Inzigkofen - klösterlich<br />
Die religiöse Frauengemeinde, die seit 1354 in Inzigkofen bei<br />
Sigmaringen lebte, hat als Norm ihres gemeinsamen Lebens<br />
1394 die Regel des hl. Augustinus angenommen. Sie<br />
benannte sich: Kloster St. Johannes Baptista zu Inzigkofen<br />
St. Augustini Regulierter Chorfrauen.<br />
Augustinus ist in Nordafrika, in Thagaste; 354 geboren, kam<br />
über Karthago, Rom nach Mailand, wo er Ostern 387 vom<br />
Bischof Ambrosius getauft wurde. Er wird dort mit Mönchsgemeinschaften<br />
bekannt, und als er im Herbst 387 nach<br />
Afrika zurückkehrte, lebte er mit Freunden zunächst wieder<br />
in Thagaste, schrieb 389 eine Mönchsregel mit 12 Kapiteln.<br />
391 wurde er mit einigem Widerstreben vom Bischof von<br />
Hippo zum Priester geweiht, dessen Nachfolger er 395<br />
wurde. Das Mönchtum hat bei Augustin sein eigenes<br />
Gepräge. Durch die ganze Regel zieht sich wie ein roter<br />
Faden der Auftrag der christlichen Liebe, Augustin war<br />
zeitlebens von einem Kreis von Freunden umgeben. In der<br />
R(egel) A(gustins) heißt es Kapitel 8: »ihr seid umso weiter<br />
vorangekommen, je mehr ihr um die Gemeinschaft statt um<br />
eure privaten Interessen besorgt seid, so daß über allen<br />
zeitlichen Bedürfnissen die Liebe leuchtet, die ewig bleibt« -<br />
Bedürfnisse sind die täglichen Notwendigkeiten und der<br />
Dienst im Kloster. Augustinus kannte den Vorsteher, bzw.<br />
die Vorsteherin, besonders die Sorge für Kranke, den Dienst<br />
in Küche, für die Kleider, für die Bücher!<br />
Ohne Augustinus und seinen Einfluß wäre das ganze westliche<br />
Mönchtum nicht das geworden, was es tatsächlich wurde.<br />
Auf Augustinus geht unmittelbar oder mittelbar über Kassian<br />
und Gregor d. Gr. der Priestermönch, der Seelsorgemönch,<br />
der Missionarsmönch, auch der gebildete und gelehrte<br />
Mönch zurück. Und aus seinen persönlichen Erfahrungen,<br />
von denen er in seinen »Bekenntnissen« (397) geschrieben<br />
hat, 10 Jahre nach seiner Taufe, hat er die klösterlichen<br />
Gemeinschaften vor der ständig drohenden Gefahr des Uberschätzens<br />
der eigenen Leistung befreit. Er hat in Thagaste mit<br />
seinen Freunden, in Hippo als Priester und als Bischof mit<br />
seinen Mitarbeitern, die alle Seelsorger waren, zusammengelebt.<br />
Modell seines klösterlichen Lebens war die Urgemeinde<br />
in Jerusalem. In der RA 1 heißt es: vor allen Dingen soll Gott<br />
geliebt werden, sodann der Nächste, das sind die Hauptgebote.<br />
Das erste Gebot soll durch das zweite Gebot erfüllt<br />
werden. »Ein Herz und eine Seele« nach Apg 4, 32ff.<br />
Augustinus erkannte sehr gut die Notwendigkeit der Arbeit,<br />
auch der Handarbeit, für eine Mönchsgemeinde und schrieb<br />
deswegen um 400 ein kleines Werk über »Die Arbeit der<br />
Mönche«, in dem er von Paulus mit seinem Wort in 2 Thess<br />
2,10 ausgeht: »wir haben euch die Regel eingeprägt: wer nicht<br />
arbeitet, soll auch nicht essen.«<br />
Augustinus stand mit seinen Klöstern in der Überlieferung<br />
des Mönchtums, das damals gut 100 Jahre alt war, vor allem<br />
Basilius d. Gr. in Kappadokien (f379) wie auch des hl. Pachomius<br />
(346). Für Basilius ist das Leben als Gemeinde notwendig,<br />
weil nur hier das Liebesgebot verwirklicht werden kann,<br />
er betonte Mt 25,25.40! Er kannte die Pflicht zur Arbeit,<br />
nämlich für den eigenen Unterhalt und ausdrücklich zur<br />
Unterstützung der Dürftigen und dazu trat Apg 2,44-46, das<br />
Modell der Urgemeinde. Sein Kloster, eine Kirche im Kleinen<br />
im Rahmen der Großkirche, wie das vor ihm bereits<br />
Pachomius, ein Kopte in Oberägypten praktiziert hatte. Zum<br />
Bild der Urgemeinde trat die Vorstellung der Nachfolge<br />
Christi, die Kreuzesnachfolge zu sein hat. Auf diesem bereiteten<br />
Boden sind die Klöster Augustins zu sehen, denen beim<br />
Wandaleneinfall in Nordafrika und der anschließenden Verfolgung<br />
im 5. und 6. Jahrhundert schwere Wunden geschlagen<br />
wurden bis zur völligen Vernichtung. Dadurch kam das<br />
augustinische Mönchtum nach Süditalien, nach Spanien und<br />
24<br />
s Leben einst und jetzt<br />
Gallien (Frankreich). Auch Benedikt kannte natürlich die<br />
Regel Augustins.<br />
Erst nach Jahrhunderten erlebte diese Regel geradezu einen<br />
Siegeszug, als sie von Gemeinden der Chorherrn und Chorfrauen<br />
übernommen wurde, auch von Domkapiteln. Jetzt<br />
gab es regulierte Augustiner-Chorherrn. Später haben neue<br />
Ordensgründungen die RA übernommen bis in die moderne<br />
Zeit hinein. So auch die religiöse Frauengemeinde in Inzigkofen<br />
im Jahre 1394, die zur Regel alsbald und in gewissen<br />
Abständen immer neu Satzungen-Statuten-Anweisungen,<br />
die das tägliche Leben im Rahmen einer Frauengemeinde<br />
nach den Grundsätzen des Evangeliums und der RA verdeutlichen.<br />
Wichtige Ordnung war jene von 1643, die nach dem<br />
Reformkonzil von Trient und nach Konstanzer Diözesanrecht<br />
ausgearbeitet ist.<br />
Hier steht an erster Stelle als Aufgabe der Frauen das<br />
gemeinsame Gebet im Chor der Kirche, deswegen Chorfrauen.<br />
Die Statuten sagen: »das vornehmste Amt der gottgeweihten<br />
Klosterfrauen ist, Gott dem Herrn allezeit Lob und<br />
Dank zu sagen und ihn zu bitten, daß er seine grundlose<br />
Barmherzigkeit allen Menschen zu ihrem Heil gnädiglich<br />
mitteilt: darum sollen sie bei Tag und bei Nacht den Gottesdienst<br />
im Chor emsig abwarten und die 7 Tagzeiten treulich<br />
und andächtig singen oder beten.« Schon Augustinus hatte in<br />
seiner Regel 3 gesagt: »Wenn ihr Psalmen und Lieder zu Gott<br />
betet, soll auch im Herzen leben, was der Mund spricht.«<br />
Zum Gebet kam in Inzigkofen die Meditation, alltäglich nach<br />
der Schriftlesung, nach den Psalmen, nach dem Leben und<br />
Leiden Jesu, auch nach dem Kreuzweg. Im Frauenchor zu<br />
Inzigkofen gab es Kreuzwegbilder. Man verehrte das Herz-<br />
Jesu, man hielt alljährlich Exerzitien für die ganze Gemeinde<br />
und konnte für die Meditation auch Bücher aus der reichhaltigen<br />
Bibliothek ausleihen. Unter diesen Büchern gab es noch<br />
»Geistliche Jakobsleitern«, das uralte Motiv der Leiter, das<br />
sich von der christlichen Frühe durchgehalten hat. Dazu noch<br />
andere mit Titeln wie Geistliche Praktik, Reformierbüchlein,<br />
Einsamkeiten, Trübseligkeiten, Bildnisse des Todes, auch<br />
direkte Vorbereitung zu einem guten Tod, Heilsame Bereitungen,<br />
geistliche Sendschreiben. Es gab auch Titel wie Der<br />
Myrrhenberg, Seelenschatz, Buch der Vermählung, Herzensquell,<br />
Würzgärtlein, Geistlicher Mai und geistlicher<br />
Herbst, Bittersüßes Seelenbad, Seelenweide, Gemahlschaft,<br />
Offener Himmel, Trostborn und Tal der Demut.<br />
Als die Frauen in Konstanz zur Zeit des Dreißigjährigen<br />
Krieges und danach in der Emigration lebten, haben sie eine<br />
handliche Ausgabe der RA 1651 drucken lassen und dabei<br />
über 100 unbedruckte Seiten dazugebunden für persönliche<br />
Notizen der Benützer. Natürlich haben die Frauen auch in<br />
einem Netz von Gebetsverbrüderungen gestanden, also das<br />
gegenseitige Gedenken gepflegt. Inzigkofen war verbrüdert<br />
mit den Schwestern in Reute, Rorschach, den Brigittinnen in<br />
Altomünster, den Augustinerchorherrn in Untersdorf, Wengen<br />
zu Ulm, Waldsee, Beuron, St. Mang-Stadtamhof, mit<br />
den Benediktinern in Wiblingen, Ottobeuren, St. Gallen und<br />
Einsiedeln, auch mit den Kartäusern in Buxheim u. a. mehr.<br />
Im zweiten Teil der Statuten werden die Ämter und Dienste<br />
besprochen. Danach stand die Pröpstin-Vorsteherin, die in<br />
ihr Amt gewählt wird, an der Spitze. (Man vergleiche dazu<br />
die gut einführende Arbeit von Frau Dr. M. Kuhn-Rehfus in<br />
dieser Zeitschrift Jg. 32, 1982 S. 49-53 und U. Engelmann in<br />
der Zs. f. Hohenzoll. Geschichte, Bd. 16, 1980 S. 180-113).<br />
Ein wichtiges Amt hatte die Novizenmeisterin zu verwalten.<br />
Ihre Aufgabe war es, mit eigenem guten Beispiel in die RA<br />
einzuführen, ebenso in die Statuten, in das Verhalten im Chor<br />
und in die Bräuche im Haus, vor allem aber »wie man das
Brevier, d. s. die Psalmen recht beten soll und das Amt singen<br />
und lesen soll«. Sie soll die Novizen in Demut und Geduld<br />
einüben, auch geistliche und schwesterliche Liebe zu üben<br />
und wie sie einander dienen können. Die Novizenmeisterin<br />
war gehalten, bei der Aufnahme von Frauen nicht Rücksicht<br />
auf persönliche Verwandtschaft zu nehmen, es heißt wörtlich:<br />
»man soll nicht lauter vom Adel oder Reiche nehmen...<br />
sondern bei denen mehr und größere Zeichen der Tugend und<br />
Gnade Gottes, insbesonders aber der Demut und des Eifers<br />
zu geistlichen Beruf erscheinen. Derohalben sollen sie sich<br />
durch kein menschliche Lieb, Gunst sowie Bitten, Verheißung<br />
der Freunde dazu bewegen lassen, daß sie untaugliche<br />
Personen ins Kloster annehmen!« Für das alltägliche Leben<br />
der Schwestern galt nach RS 5: je anspruchsloser, desto<br />
besser, das steht der Dienerin Gottes an!<br />
Aber die Sorge spricht aus RA 8, wenn es dort heißt, daß<br />
keiner Schwester das, was sie nötig hat, versagt werden darfund<br />
gleichsam zusammenfassend, daß alle Bedürfnisse überstrahlt<br />
werden sollen von der Liebe, die ewig bleibt! Von der<br />
Pröpstin als Vorsteherin heißt es RA 11: sie soll sich nicht<br />
deshalb glücklich schätzen, weil sie kraft ihres Amtes gebieten,<br />
sondern weil sie in Liebe dienen kann... sie soll mehr<br />
danach streben, von euch geliebt als gefürchtet zu werden<br />
und sich immer bewußt bleiben, daß sie für euch vor Gott<br />
einst Rechenschaft ablegen muß.«<br />
In Inzigkofen lebten noch im Jahre 1802, im Jahr der<br />
gewaltsamen Aufhebung, 26 Chorfrauen und 12 Vor- =<br />
Laienschwestern. Im Durchschnitt kamen die Frauen aus der<br />
näheren und weiteren Umgebung wie Veringen, Rottenburg,<br />
Binzwangen, Altshausen, Stockach, Uberlingen, Rottweil,<br />
Sigmaringen, Freiburg, Konstanz, aber auch aus Feldkirch,<br />
Luzern, Zug oder Innsbruck, Salzburg, Matrei in Tirol,<br />
München, Augsburg, Dillingen, Günzburg, Schwäbisch<br />
Gmünd - und zwar aus bäuerlichen, bürgerlichen Familien in<br />
der Mehrzahl, aber auch aus dem Adel.<br />
Zum Heute und Jetzt: im südwestdeutschen Raum gibt es nur<br />
in Offenburg Augustiner-Chorfrauen, und Augustiner-<br />
Chorherrn leben im uralten St.-Maurice-Agaunum, nächst<br />
Martigny im Wallis gelegen, zahlreicher in Osterreich mit so<br />
berühmten Namen wie St. Florian, Klosterneuburg, Herzogenburg<br />
oder Reichersberg u. a. Aber hier soll etwas zur<br />
Aktualität klösterlichen Lebens durch die Jahrhunderte bis in<br />
unsere Tage gesagt werden.<br />
Augustinus erlebte in seiner zweiten Lebenshälfte die Einnahme<br />
der uralten Hauptstadt des Römischen Reichs nach<br />
dreijähriger Belagerung durch die Goten am 28. August 410,<br />
er war so betroffen, daß er seinen Freunden schrieb: die Welt<br />
stürzt zusammen! Augustinus erlebte außerdem die Einschließung<br />
seiner Bischofsstadt Hippo durch die Wandalen<br />
und überlebte die Eroberung der Stadt nicht, er starb vorher.<br />
Im Jahre 451 ist der Bischof von Rom, Papst Leo, dem<br />
Hunnenfürsten Attila nach Norditalien entgegengezogen<br />
und konnte diesen in persönlicher Unterredung von einer<br />
Invasion nach Italien abhalten - alle drei Beispiele für die<br />
schweren allgemeinen Heimsuchungen damaliger Zeit und<br />
Welt. In dieser Zeit der Auflösung und Katastrophen haben<br />
die Mönchsgemeinschaften Augustins, des hl. Basilius in<br />
Süditalien, Benedikts ebenso die Urform menschlichen<br />
Lebens, die Familie, vom Evangelium her neugeschaffen mit<br />
ihren Gemeinden von Schwestern und Brüdern und mit der<br />
Arbeit verbunden. Nicht die naive, ziellose Unstetigkeit<br />
eines geistigen oder materiellen Eigenbrödlertums bis zu<br />
pessimistischen Weltverneinung sondern der intensive Dienst<br />
an Gott und dem Menschen war die Aufgabe, das sollte in der<br />
klösterlichen Gemeinde geübt werden. Diese Aufgabe blieb<br />
den Klöstern durch die folgenden Jahrhunderte verbunden.<br />
Und dabei ist die wichtige Beobachtung festzuhalten, nämlich<br />
daß geschichtliche Wirkkraft, die wir hier vorfinden,<br />
dem Zweckfreien geschenkt wird. Das Zweckfreie aber ist<br />
gerade das Anliegen der Frauen und Männer in ihren Klöstern.<br />
Nichts hatte Augustinus, Basilius oder Benedikt ferner<br />
gelegen als etwa für ihre Tage und die kommenden Jahrhunderte<br />
einen bestimmten Wirtschaftstyp mit ihren Regeln<br />
auszubilden oder eine Art Gelehrtenakademie oder Schulen<br />
zu begründen. Es ging den Mönchsregeln und ihren Verfassern<br />
um den Menschen, um seine absolute Wende zum<br />
Religiösen, welche das ganze Leben bis in seine letzten<br />
Einzelheiten hinein durchdringen sollte. Die Form dieses<br />
Lebens war so fest und so biegsam zugleich, daß sie die<br />
Gewähr der Dauer und der Anwendbarkeit auf verschiedene<br />
Länder und Zeiten in sich trug. Von allen Anfängen an haben<br />
sich diese klösterlichen Gemeinden im Versprechen der<br />
Profeß gebunden. Hier liegen die Kräfte für Geist und Form.<br />
Profeß verstand man von Anfang an als eine Ratifikation der<br />
Taufe, Bestätigung der Taufe, die ja seit Augustins Zeiten<br />
allermeist und später allgemein der Christ in der Kindertaufe<br />
nicht bewußt vollzog. Taufe aber geschieht in der Nachfolge<br />
Christi als Ganzes, nämlich daß das ganze Leben des Menschen<br />
umfaßt wird, wo man nach Rom 6 mit Christus<br />
begraben wird und mit ihm zu einem neuen Leben aufersteht.<br />
In diesem Geschehen ausharren - die Statuten von Inzigkofen<br />
sprechen immer wieder, auch im Blick auf die Profeß der<br />
Frauen vom »verharren«, von der Beständigkeit als Bindung<br />
an eine konkrete Gemeinde von Menschen. Hier ist das<br />
Christliche deutlich wie es Johannes in seinem Evangelium<br />
einfach als das »Bleiben« ausspricht: bleibt in meiner Liebe Jo<br />
5,9 oder Jo 1,39 von den ersten Jüngern: Sie sahen, wo er<br />
wohnte, und sie blieben bei ihm an jenem Tag um die 10.<br />
Stunde. Die 10. Stunde ist die Ewigkeit. Der Teufel in der<br />
Sprache der Bibel ist jener, der nicht geblieben ist - Verharren,<br />
Bleiben, das Stehen-Können als Gehorsam gegenüber<br />
der Offenbarung, gegenüber dem Evangelium. Dieser<br />
Gehorsam ist das Zeichen im Leben Jesu Christi, der in die<br />
Welt zu seiner Aufgabe gekommen ist, um den Willen des<br />
Vaters zu tun. Gehorsam in diesem Sinn ist die Form des<br />
Lebens, mit der der Mensch bereit ist, sich für Jesus in Dienst<br />
nehmen zu lassen, so wie Christus in Dienst genommen<br />
wurde vom Vater für die Erlösung der Welt. Daraufhin muß<br />
das Leben einer Gemeinde völlig durchsichtig sein in ihrer<br />
Lebenspraxis, einem Leben »unter der Führung des Evangeliums«<br />
wie Benedikt sagt. Klöster sind deswegen niemals und<br />
auch heute nicht so etwas wie kirchliche Zweckverbände,<br />
wenn sie auch allen sich gebenden Arbeiten offenstehen.<br />
Zweckmäßigkeitserwägungen und Nützlichkeitserwägungen<br />
sind nie erstrangig, sie würden verhindern, daß der Mensch in<br />
die freie Luft des Evangeliums kommt. Gegen Wachstumseuphorie<br />
und Erfolgstrend hat Martin Buber einmal gesagt:<br />
Erfolg ist keiner der Namen Gottes! Die Frauen in Inzigkofen<br />
mußten allein im 17. Jahrhundert viermal monatelang und<br />
jahrelang ihr Kloster verlassen, auch im 18. Jahrhundert<br />
haben sie zweimal lange Zuflucht gesucht, in Konstanz,<br />
Kreuzlingen, Augsburg oder Sigmaringen, bis sie 1802 völlig<br />
unterdrückt wurden - menschlich organisierte Sicherheit gab<br />
es nicht und gibt es auch heute nicht und wird auch nicht<br />
gesucht. Die Frage ist nicht, wieweit heute dieser Weg<br />
zeitgemäß ist, sondern immer nur, wieweit er dem Evangelium<br />
gemäß ist und bleibt.<br />
An dieser Frage haben sich durch alle Jahrhunderte wie auch<br />
heute Reformen, Erneuerungen entzündet. Wieweit die<br />
Gemeinden von Schwestern oder Brüdern als Gemeinde von<br />
Getauften in der Liebe Christi »bleiben« und diese Wirklichkeit<br />
mitten im Rationalismus, Materialismus und platten<br />
Pragmatismus unserer Jahre durchhalten, ist und bleibt die<br />
immer kritsche Frage. Vor 1400 Jahren hat Benedikt im<br />
Prolog seiner Regel diese Forderung schon zusammengefaßt<br />
mit den Worten: »Wir wollen uns mit dem Glauben umgürten<br />
(Eph 6,14), in Treue das Gute tun und unter der Führung<br />
des Evangeliums die Wege gehen, die der Herr uns zeigt.«<br />
25
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Das Ringinger »E-loch«<br />
Die so benannte Stelle oder Hofstatt gegenüber der abzweigenden<br />
Alten Killerstraße besteht seit 1938/40 nicht mehr. Sie<br />
befand sich an der Hälschlochstraße zwischen zwei bescheidenen<br />
Bauernhäusern, die parallel nach der Talseite (Norden)<br />
standen, den Giebel also zur Straße streckten und im Westen<br />
und Osten einen kleinen Garten hatten, wie schon der<br />
Ortsplan des Jahres 1728 im Donaueschinger Archiv zeigt.<br />
Die letzten Besitzer waren östlich Josef Dietrich mit Hausnummer<br />
5 und westlich Josef Dietmann mit Nummer 6.<br />
Beide Besitzer rissen ab und bauten damals neu, aber diesmal<br />
der Straße entlang, so daß diese Häuser bei der Neuordnung<br />
die Straßennummer 11 und 13 erhielten, während vorher alle<br />
Bauten des Ortes durchgehend nummeriert waren. Der<br />
genannte Hofraum zwischen den alten Häusern fiel stark<br />
nach Norden ab, woraus wohl der Name »Loch« entstanden<br />
war. Heute wohnen in Nr. 11 Titus mit Sohn Pfister, und<br />
rechts unweit des laufenden Brunnens in Nr. 13 Wilhelm<br />
Locher mit Theresia Dietrich, Tochter des Moritz und<br />
Enkelin obigen Josef Dietrichs. Die nirgends urkundlich<br />
nachgewiesene, sondern nur im Volksmund gebräuchliche<br />
Bezeichnung E-löch konnte niemand deuten. Dies wurde erst<br />
möglich durch einen Hinweis des Heimatforschers Roland<br />
Simmendinger in Killer, der berichtete, dort am Starzelbach<br />
hinter der Wirtschaft zum Lamm befinde sich auch ein Eloch,<br />
das man als Öl-loch, also Stelle einer ehemaligen<br />
Olschläge mit Wasserantrieb ansehe. Nun gab und gibt es am<br />
Ringinger Platz außer dem erst 1881 hergeleiteten Brunnen<br />
(der vom Hälschloch ehemals zur Alten Staig im oberen<br />
»Bach« gerichtet war), keinerlei Gewässer. Man darf somit<br />
annehmen, daß ehemals zwischen oder in einem dortigen<br />
Haus eine Olschläge mit Handbedienung betrieben wurde.<br />
Eine Ölpresse mit Wasserantrieb sah ich um 1918 in einer<br />
Hütte unterhalb Trochtelfingens an der Seckach und<br />
beschrieb sie in den »Jugenderinnerungen« 1 .<br />
»Ein hölzerner starker Trog, am vorderen Ende überdeckt<br />
und mit einem Abflußröhrchen versehen, unter dem eine<br />
Blechkanne stand, in die das dickflüssige Naß floß. In dem<br />
Trog war in einer Art von Tuch der Mohnsamen (Ölmaga)<br />
eingewickelt und wurde durch einen in den Trog passenden<br />
Holzklotz nach vorne zur Röhre gedrückt und zwar auf<br />
folgende Weise. Hinter den Holzklotz im Trog war ein<br />
dicker Hartholzkeil oder Speidel, auf den ein mittels Wasserkraft<br />
emporgehobener Rammbalken immer wieder senkrecht<br />
HEDWIG MAURER<br />
»Pettinwilare«<br />
Johann Adam Kraus versucht in seinem Artikel »Rund um<br />
die St. Georgsbasilika bei Thiergartenhof« Hz. Heimat 4/83,<br />
die 1956 von Michael Walter geäußerten Vermutungen über<br />
die Lage von Pettinwilare in Frage stellen.<br />
Die Schilderung von Kraus wirkt Tatsachen entstellend. Ich<br />
möchte mich hierzu äußern:<br />
1 Jeder, der Michael Walter kannte, weiß mit welcher<br />
Gewissenhaftigkeit er seine heimatkundliche Forschung<br />
betrieben hat. Der Historiker Ludwig Baumann<br />
(1846-1915), der einige Bände des Fürstenbergischen Urkun-<br />
26<br />
niederfiel. War der Speidel ganz eingeschlagen, so wurde ein<br />
weiterer daneben eingesetzt, und das Spiel wiederholte sich,<br />
bis der Ölsamen genügend ausgepresst war«. Den übrig<br />
bleibenden Ölkuchen hat man in der Notzeit des ersten<br />
Weltkrieges und danach mit Vergnügen gegessen. Spätere<br />
hydraulische Pressen lieferten nur ungenießbare harte<br />
Kuchen! Man darf vermuten: In Ringingen habe man statt des<br />
unmöglichen Wasserantriebs die Speidel durch Holzhämmer<br />
mit Hand eingeschlagen, weshalb man anderwärts in Schwaben<br />
den Familiennamen Ölschläger findet.<br />
Anfang und Ende unserer Ölschläge sind unbekannt. Der<br />
Platz der beiden Häuser samt Gärtchen und Hofraum<br />
(»Loch«), der westlich an den sog. Gallengarten 2 grenzt,<br />
gehörte seit Jahrhunderten zum Lehenhof (heute noch<br />
»s'Baura Haus« ufm Gallenberg: »Bergwirtschaft«), den im<br />
Jahre 1404 »der alte Klaus« als Lehen des adeligen Walz von<br />
Sunchingen (Sinkingen b. Villingen) baute. Letzterem folgte<br />
um 1410 unser Burgherr Kleinhans Schwelher und um 1470<br />
der Graf von Werdenberg in Trochtelfingen und 1534 von<br />
Fürstenberg. Lehenbauern dort auf dem Lai oder Gallenberg<br />
waren um 1524 Kunlin Hegner, 1545 Aberlin Ostertag, 1578<br />
Aberlin der jüngere Ostertag, dann Hans Alber von Schlatt<br />
1599, den man 1650 vergantete. Georg Nadler erwarb einen<br />
Teil des Hofes, dazu auch den oben geschilderten Platz. Ihm<br />
folgte ein gleichnamiger Sohn. Die beiden Enkel Sebastian<br />
und Josef Nadler bauten 1698 die beiden parallelen Häuser<br />
und betrieben vermutlich im gemeinsamen Hof in einer<br />
Hütte ein Ölpresse, wahrscheinlich auf Anregung der Herrschaft<br />
Fürstenberg.<br />
Das Ende des Ölschlagens im Öl-Loch ist nicht bekannt,<br />
obwohl man aus dem Häuserbuch 3 die Inhaber der beiden<br />
Bauten ersieht. Wasserbetriebene Pressen in Trochtelfingen<br />
und im Killertal erwiesen sich bald als einfacher und bequemer.<br />
Anmerkungen:<br />
1<br />
»Jugenderinnerungen« von J.A. Kraus, 1965, S. 52, Druck von<br />
Seb. Acker- Gammertingen.<br />
2<br />
Vgl. »Ringingen und St. Gallen«, Hohenz. JHeft 1957, 35-51.<br />
3<br />
»Mein Häuserbuch« von Ringingen; Kopie im Rathaus, Orig.<br />
kommt zu den Unterlagen sind Fürstl. hohz. Archiv in Sigmaringen. <br />
denbuches herausgegeben hat, schrieb in einem Aufsatz über<br />
die »Grafschaft im Nebelgau« - »Nach alledem dürfte Pettinwilare<br />
ein bei Vilsingen gelegener, nunmehr abgegangener<br />
Weiler gewesen sein.« Dr. Bruno Stehle und Willy Baur<br />
teilten in ihren Veröffentlichungen diese Ansicht. Auf dieser<br />
Grundlage versuchte nun Walter durch eigene Forschung die<br />
Meinung Baumannns zu überprüfen und gegebenenfalls zu<br />
untermauern.<br />
2 Nach Kraus sind Auszüge aus Pfarrurbaren »magere<br />
Beweise« wie der Hinweis auf »sant gallen ackker« und »von<br />
der Wyler«. Warum eigentlich? Dagegen wird er Angaben
aus dem Fluratlas von 1844 wohl nicht bezweifelnn können.<br />
Aus diesem Fluratlas erwähnt Walter die Flur »auf dem<br />
Weiler« als zwischen »Benzenberg« und »Altenberg« gelegen.<br />
Bei E.G. Johler, Geschichte von Hohenzollern 1824, las<br />
ich in anderem Zusammenhang über die Bezeichnung »Alt«:<br />
»...wenn wir den Alterthumsforschern, welche das Wort<br />
»alt« nicht immer als Zeiterklärung, sondern auch die Verlassenschaft<br />
eines Ortes oder einer Sache bezeichnend, gebrauchen,<br />
Glauben beimessen, so ist dieser Name (in unserem<br />
Falle »Altenberg«) - ein sicherer Beweis für das Dasein...« -<br />
einer abgegangenen Siedlung. Die Flur »Baumacker« läßt<br />
Walter eine alte Obstanlage an dieser Stelle vermuten, was<br />
wohl einsichtig sein dürfte. Er spricht nie von einer Quelle in<br />
diesem Gebiet.<br />
3 Die von Walter beschriebenen Gebiete sind von ihm<br />
erwandert worden. Auf einer solchen Wanderung hat er von<br />
Vilsinger Bauern erfahren, daß sie beim Pflügen hie und da<br />
noch auf alte Dorfwege ud Mauerreste gestoßen sind. Da<br />
diese Wanderungen zu einer Zeit stattfanden, als der Bauer<br />
noch »sein Rößlein einspannte«, dürften diese Mitteilungen<br />
wohl glaubhaft sein. Der Versuch von Kraus diese Walterschen<br />
Angaben durch den Inhalt eines Briefes vom Ortsvorsteher<br />
von Vilsingen aus dem Jahre 1983 zu widerlegen und<br />
damit zu unterstellen Walter habe die Unwahrheit gesagt,<br />
wäre nur dann zu verwerten, wenn der Schreiber des an Kraus<br />
gerichteten Briefes Fachmann in Wüstungsforschung wäre.<br />
Dieser Beweis steht bei Kraus aus und wäre nachzuliefern.<br />
Die zitierte Angabe des Ortsvorstehers sagt nur aus, daß ihm<br />
selbst über Mauerreste nichts bekannt ist, das heißt nicht, daß<br />
solche nicht vorhanden waren oder eventuell noch sind.<br />
4 Zu den »Mauerresten nach 1000 Jahren« darf ich an die<br />
bedeutend älteren Reste des in den letzten Jahren ausgegrabenen<br />
römischen Gutshofes bei Stein erinnern. (Berichte nachzulesen<br />
in der Hz. Heimat 1/78 oder im Nachrichtenblatt des<br />
Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg). Aus eigenem<br />
Erleben mochte ich noch berichten. Auf einer Reise durch die<br />
Osttürkei besuchte ich einen Ort, auf dessen Flur kurz zuvor<br />
ein Bauer beim Pflügen einen Mosaikfußboden aus der<br />
Römerzeit entdeckt hatte. Wenn ich zurückdenke, empfinde<br />
ich heute noch die gleiche Faszination wie damals, als der<br />
Bauer mit einem Besen sorgfältig die Ackerkrumme wegschob<br />
und mit Hilfe eines Eimer Wasser das Mosaik zum<br />
Leuchten brachte, das 1700 Jahre unbeschädigt unter der<br />
Erde schlummerte. Heute hängt es sorgfältig konserviert im<br />
Museum von Adyaman.<br />
5 Walter schreibt nie von einer Urkunde, die in Vilsingen<br />
ausgestellt wurde, wie Kraus glauben machen will. Im<br />
Gegenteil! Er versucht aufzuzeigen, daß eben deshalb ein<br />
Ortstermin notwendig war, weil Unklarheiten über die<br />
Schenkung entstanden waren. Daß selbst Abt Grimald von<br />
St. Gallen anwesend war, bezeugt wohl die Wichtigkeit der<br />
Schenkung bei der es um Besitzverhältnisse in Vilsingen ging.<br />
GERHARD ENDERLE<br />
6 Zu »alia« andere Filisninga - verweise ich auf die Veröffentlichung<br />
von M. Walter »Vilsingen, eine alte Doppelsiedlung«<br />
Hz. Heimat 1956. Diese Version wurde von Dr.<br />
Stemmler im Handbuch der Historischen Stätten Baden-<br />
Württemberg übernommen.<br />
7 Da Kraus aus der Zimmerschen Chronik zitiert, kennt er<br />
sicher auch die vielen Einträge, die von »Weilern« sprechen.<br />
Z.B. Der Weiler unterhalb Falkenstein, Weiler und Mühle zu<br />
Neidingen, die Weiler Krayen- und Rheinstetten ... was uns<br />
zeigt, daß es zu jener Zeit eine Menge »Weiler« gab - nach<br />
unserem Sprachgebrauch eher ein Gehöft als ein Dorf. Bei<br />
Josef Bader (Badische Landesgeschichte 1834) und bei Huttenlocher<br />
(Geographische Landeskunde 1960) kann man<br />
nachlesen daß viele dieser Weiler kamen und bald wieder<br />
verschwanden.<br />
8 Nachdem Kraus früher einmal, wie es scheint, Gettenweiler<br />
für Pettinwilare angeboten hat, versucht er es nun mit dem<br />
Weiler, dessen Kirche nach seinen Angaben erstmals 1138<br />
erwähnt wird. Ob in den 274 Jahren, die zwischen der letzten<br />
Nennung von Pettinwilare und der ersten Erwähnung von<br />
Weiler nicht das eine verlassen und das andere entstanden sein<br />
könnte? Oder - um mit Kraus zu reden - »bildet sich jemand<br />
ein, beweisen zu können« - daß es anders war?<br />
Auch in St. Gallen liegen keine neueren Forschungen zur<br />
Lage der abgegangenen Siedlung Pettinwilare vor, wie mir<br />
Stiftsarchivar Dr. Werner Vogler versicherte.<br />
Z» den Ausführungen von Frau Hedwig Maurer:<br />
Man braucht eigentlich nicht zu betonen, daß historische<br />
Forschungen nur möglich sind auf Grund bewiesener Tatsachen<br />
mit Kombinationen oder Vermutungen, die diese Tatsachen<br />
in Einklang zu bringen suchen und verbinden. Diesem<br />
Zweck dienten sowohl die Veröffentlichungen unseres hochverdienten<br />
Heimatforschers Michael Walter als auch meine<br />
eigenen Versuche in HH 1983, 49-52, nämlich Licht in die<br />
Vergangenheit der Heimat an der Donau zu bringen, die oben<br />
angesprochen ist. Jeder Leser hat das Recht, Veröffentlichungen<br />
zu prüfen und seine eigene Meinung kundzutun,<br />
besonders wenn familiäre Bindungen zum Autor bestehen.<br />
Jeder hat fernerhin die Möglichkeit, Tatsachen und Vermutungen<br />
zu kritisieren und aufzuzeigen. Dieses Recht nehme<br />
ich auch für mich in Anspruch. Somit ist anzumerken, daß<br />
nicht ich, sondern der bekannte Forscher mit dem klingenden<br />
Namen Hans Jänichen irrig das alte Pettinwilare mit Gettenweiler<br />
gleichsetzen wollte und daß mit dem adeligen Hug von<br />
Weiler um 1138 und seiner Schenkung an Zwiefalten nichts<br />
von der Kirche eines Weilers gesagt ist, wie die Verfasserin<br />
mir in die Schuhe schieben will. Irren ist eben menschlich.<br />
So sah wohl das Großengstinger Schloß aUS Die Geschichte einer Rekonstruktion<br />
Vorbemerkung d. Red.:<br />
Im Kodex des Klosters Lorsch ist verzeichnet, daß am<br />
24. Januar 783 ein Mann namens Altwin dem Kloster eine<br />
Hube (Bauerngut) in dem Dorf Ainigistingen im Gau Alemannien<br />
schenkte. So hielt 1983 die Gemeinde Engstingen,<br />
Johann Adam Kraus<br />
die aus den Gemeinden Großengstingen, Kleinengstingen<br />
und Kohlstetten gebildet wurde, ihre 1200-Jahrfeier. Anläßlich<br />
der Festwoche vom 2. bis 11. Juli 1983 erschien ein<br />
ansprechendes Heimatbuch, in dem über den Ort und seine<br />
Geschichte berichtet wird.<br />
27
Großengstingen gehörte schon im Jahre 939 dem Bischof von<br />
Chur. Lehensträger der Churer Bischöfe waren später die<br />
Herren von Lichtenstein (bis 1438/40) und die Edeln von<br />
Neuhausen bis 1635. Die Gemeinden Kleinengstingen und<br />
Kohlstetten wurden mit Württemberg reformiert, Großengstingen<br />
blieb katholisch. Am 31. März 1694 verkaufte<br />
Bischof Ulrich von Chur dem Kloster Zwiefalten um 90000<br />
Gulden das Herrschaftsgebiet Großengstingen<br />
(A. Schwarz). Das Kloster Zwiefalten hatte keine rechte<br />
Freude an dem Besitz. Es gab nicht nur Streit mit dem Bistum<br />
Chur wegen der Verzinsung des Kaufpreises, auch die neuen<br />
Untertanen waren widerspenstig und rebellisch. 1746/47 kam<br />
es zu einer richtigen Meuterei der Untertanen. 1750 trat<br />
Zwiefalten das Dorf an Württemberg ab. Ein Andenken an<br />
die Zwiefalter Zeit ist die schöne Barockkirche, die 1719 von<br />
Franz Beer gebaut wurde.<br />
Das Schloß in Großengstingen<br />
Ursprünglich wurde das Großengstinger Schloß wohl von<br />
den Ortsadeligen bewohnt, den Herren von Lichtenstein und<br />
von Neuhausen. Später wohnten hier die Vögte des Bischofs<br />
von Chur. Seit 1694 bewohnten nacheinander 35 Zwiefalter<br />
Patres, die Herren Pater Statthalter das Schloß. P. Aurelius<br />
Fischer wurde 1736 in der Großengstinger Kirche begraben<br />
und P. Gabriel Rothmund, der 1746 den »Aufstand« der<br />
Großengstinger ausstehen mußte, starb 1767 als Beichtvater<br />
in Mariaberg, wo er in der Klosterkirche begraben wurde.<br />
Nach der Abtretung des Dorfes an Württemberg hatte an<br />
dem baulich wohl sehr heruntergekommenen Schloß niemand<br />
mehr Interesse und so wurde 1766-69 abgebrochen.<br />
Gerhard Enderle, Heimatforscher und Baufachmann in<br />
Großengstingen begann 200 Jahre später, nach den Spuren<br />
des Schlosses zu forschen. Daß in Großengstingen einst ein<br />
Schloß stand, war bekannt, Ortsbezeichnungen wie Schloßhof<br />
und Schloßgasse erinnerten daran. Man vermutete, das<br />
Schloß sei im jetzigen Pfarrgarten gestanden. Wichtigste<br />
Unterlage für die Größe und das Aussehen des Schlosses war<br />
die »Schloßrechnung«, die Enderle im Rathaus fand. Daraus<br />
geht hervor, daß die Gemeinde von der »Herrschaft« das<br />
Schloß gekauft und 1767 begann, das Schloßgebäude abzureißen.<br />
Der Pfarrer kaufte um 200 Gulden den Schloßgarten, ein<br />
Grundstück, das heute eben der Pfarrgarten ist. Enderle<br />
berichtet:<br />
Aus der ganzen Umgebung kamen Käufer, denn Rohstoffe<br />
waren knapp und einen Fichtenwald zum Abholzen gab es<br />
nicht. 50 Türen, darunter 44 Zimmertüren wurden gekauft;<br />
1 Tür vom Oberstetter Heiligenpfleger für seine Kirche, 10<br />
Türen vom Schreiner Nikolaus Schoser für das hiesige Pfarrhaus<br />
und das untere Hoftörle - wieder ein Hinweis über das<br />
Aussehen des Schloßkomplexes - von Andreas Hertter.<br />
Vom Umfang der Anlage zeugen Rechnungsposten wie<br />
6 Ofen, 70 Fenster, 172 Fensterläden, Stiegen und Stiegentritte.<br />
Adlerwirt Raitbauer erwarb das Stück einer Bildhauerarbeit,<br />
Balthas Eisele von Trochtelfingen 100 Pfd. schwere<br />
kupferne Dachrinnen. Insgesamt brachte der große Ausverkauf<br />
in der Abteilung »Haus und Vorrath« 1142 fl und<br />
6 Kreuzer in die Kasse.<br />
Bei dieser Auszählung fehlt noch der Betrag von über 6 fl, den<br />
der Haigerlocher Baumeister Christian Großbayer für eines<br />
der drei zentnerschweren Gitter zahlen mußte. Er verwendete<br />
es für die Pfarrkirche St. Stephan in Melchingen, die<br />
noch weit mehr Schloßteile ihr eigen nennt. Großbayer<br />
verwendete nämlich - ähnlich wie der Pfullinger Zimmerzunftmeister<br />
und Sägmüller Seiz, der die Sparren aus »Bürkenholz«<br />
für das Großengstinger Pfarrhaus ankaufte - für<br />
den gesamten Dachstuhl der Kirche Bauholz vom Schloß.<br />
Das Verkaufsprotokoll ist ziemlich lückenlos. Es zählt auch<br />
28<br />
Dachgebälk der Pfarrkirche St. Stephan in Melch'igen. Man sieht,<br />
daß die Balken früher schon einmal verwendet wurden.<br />
die neuen Eigentümer der Steine auf, wobei ein Stanislaus<br />
Geiselhart 75 Schuh lange Fußquader (1 Stück = 28,65 cm)<br />
wieder zum Kirchbau nach Kleinengstingen weiterverkaufte<br />
und notierte die Einnahmen für 5920 »Besetzplatten«<br />
(Bodenplatten), 71 »Fürstziegel«, 5875 »Bachenstein« und<br />
20530 »Dachplatten «, 3550 Stück davon kommen ins Steinhilber<br />
»Schloß«. Von den 845 Brettern (und 6800 Bretternägeln)<br />
werden zu 1 fl und 30 Kr einige für Stände bei<br />
Jahrmärkten abgegeben.<br />
In der »Eisenabteilung« ist wieder Baumeister Großbayer mit<br />
74 Pfd. Schlaudereisen als Käufer verzeichnet und Schmied<br />
Anton Hummel ersteht erstaunliche 39 Zentner und 30 Pfund<br />
für 268 fl. Das steinerne Portal - man sieht, der Ausverkauf ist<br />
total - erwirbt das Trochtelfinger Bürgermeisteramt. Der<br />
Schloßrechner, Ziegler Stanislaus Geiselhart, so das Abrechnungsbuch,<br />
brauchte für den Abbruch zusammen 120 und<br />
1/4 Tage und bekam als Entschädigung 40 fl und 5 Kr.,<br />
Schloßrechner Dominikus Freudenmann 124 und 3/4 Tage<br />
und bekam 41 fl und 35 Kr. Am 1. April 1769 hatten die<br />
Schloßrechner den Abbruch abgerechnet und somit abgeschlossen.<br />
Amtlicherseits wurde die Rechnung genehmigt,<br />
von Schultheiß und Richtern (Gemeinderäten), am<br />
14. Dezember 1769 nochmals von Oberamtmann (Vogt) Joh.<br />
Rümelin aus Pfullingen. Damit war das alte Wahrzeichen<br />
Großengstingens - es hatte über 50 Churer Bischöfe und 5<br />
Zwiefälter Abte als oberste Herren erlebt - für alle Zeiten<br />
verschwunden.<br />
Der zunächst wichtigste Hinweis was die Schloßkonstruktion<br />
anging, fand sich jedoch nicht in den Angaben über die<br />
vielen verkauften Gegenstände, sondern in einer Notiz über<br />
vorhandene Zimmer: Prälatenstub, Tafelstub, Magdstub,<br />
Knechtstub, Priorstub, Pater-Mauriti-Zimmer und das sogenannte<br />
»Kirchle« (Kapelle). Ein bißchen begann dadurch das<br />
Schloß wieder zu leben und beflügelte die wissenschaftliche<br />
Neugier.<br />
Neben dieser aufschlußreichen Rechnung von verkauften<br />
Teilen des Schloßgebäudes fand man nämlich zwei weitere<br />
Dokumente. Oder besser: man entdeckte sie wieder, da sie<br />
nun von neuem Interesse waren. Das eine war eine Abschrift<br />
über den »Verkauf der Schloßgüter« von 1753. In ihr wird<br />
aufgerechnet , daß mehr als ein Dutzend Zugochsen, 30<br />
Kühe, 25 Kalben und 900 bis 1000 Schafe an andere Interessenten<br />
kamen. 222 Jauchert Acker der Herrschaft und »44<br />
und 3 Vi Tagwerk Wiesen« (was der Größe des Jauchert<br />
entspricht) wechselten ebenfalls den Besitzer, nach heutigem<br />
Maß eine Gesamtfläche von über 126 ha. Auch erhielt die<br />
Gemeinde in diesem Zusammehang die Weidegerechtigkeit
Schloßanlage von Großengstingen um 1750. Rekonstruiert von Gerhard Enderle, gezeichnet von Uwe Seiferth.<br />
und mußte dafür jährlich 250 Gulden aufbringen, für die<br />
Befreiung von sämtlichen Frondiensten 200 Gulden.<br />
Bedeutsamer für die Rekonstruktionsabsicht als diese Eintragungen,<br />
die mehr den Umfang der Güter beschrieben, waren<br />
Notizen im anderen »Enträtselungsbuch«, dem Kaufvertrag,<br />
der im Pfarrarchiv liegt. Hier werden die verkaufte herrschaftliche<br />
Ziegelhütte, »oben im Dorf« erwähnt, - heute<br />
Haus Geiselhart, Kirchstr. 43; Konrad Freudigmann als<br />
letzter Ziegler hat hier nach 1900 seinen Betrieb eingestellt, -<br />
und dann, vor allem, alle Stallungen und Scheuern: »a) eine<br />
Futterscheuer mit Stallungen, gleich unter der reservierten<br />
Pfisterei (Bäckerei), b) die sogenannte Obere Scheuer und<br />
Stallung zwischen erst gedachter Scheuer und der c) nachfolgenden<br />
Schafstallung, so an den reservierten zwei unteren<br />
Scheuern angebaut ist, d) das Bäule linkerhand an dem großen<br />
Thor beim Eingang, so das Backhaus gewesen, worauf ein<br />
Schulhaus gebaut werden solle, somit den Schweineställen.<br />
Ausgenommen sind die Zehnt- und Pfarrscheuern«.<br />
Das ließ die Vermutung zur Gewißheit werden, daß die noch<br />
bis vor kurzem bestehende Zehnt- und Pfarrscheuer Teil der<br />
Schloßgüter war, das alte »Haible-Haus« an der heutigen<br />
Grieserstraße der Aufzeichnungsreihenfolge nach der<br />
Schafstall war, und weiterhin entsprach, »das Bäule, so das<br />
Backhaus gewesen«, nun eindeutig dem abgebrochenen<br />
Gemeinde- und also herrschaftlichen Backhaus. Nicht zu<br />
enträtseln blieb, daß hier zwei Bäckereien waren.<br />
Am 24. Oktober 1766 verkaufte die Herzogliche Württembergische<br />
Rentkammer, so der Kaufvertrag, das Schloßgebäude<br />
mit allem, »was die Mauer umschließt: den Hof, den<br />
Garten samt dem Bronnen und Gartenhäuslein, welche mit<br />
einer besonderen Mauer umfangen nebst den Gefängnissen...«<br />
um 4750 Gulden an die Gemeinde. Die übrigens<br />
keine Verwendung für den renovierungsbedürftigen Bau<br />
fand, andererseits auch dort kein Franziskanerkloster wollte,<br />
denn das Gesuch des Hechinger Franziskaner-Provinzials<br />
Georg Seiz im Dezember 1766 bei der Herzoglichen Regie-<br />
rung in Stuttgart wurde mit Rücksicht auf die Gemeinde<br />
abgelehnt. Waren im Vertrag schon dem Schloß Grafeneck<br />
im Falle des Abbruchs »Baumaterialien« angeboten worden,<br />
so wurde dieser neue Bestimmungsort zwar nicht beliefert,<br />
der Schloßabbruch aber dennoch 1767 begonnen und nach<br />
1 Vi Jahren abgeschlossen. Mauer, Hof, Garten (später<br />
Pfarrgarten), »Bronnen« - sicher dann der Brunnen in diesem<br />
Garten; die Lücken schlossen sich. Dieser Brunnen, im Lauf<br />
der Zeit aufgefüllt, wurde bei der Umgestaltung des Schloßhofes<br />
in seiner ursprünglichen Form aufgemauert.<br />
In einem Güterbuch fand die Annahme von 1785, daß der<br />
Schafstall an die Pfarrscheuer »stößt«, eine Bestätigung, und<br />
in einem Lagerbuch von 1800/04 stand, daß an die Stelle des<br />
Fruchtkastens innerhalb des Schloßkomplexes das Pfarrhaus<br />
gebaut wurde. Mit den Anmerkungen im Kaufvertrag ergab<br />
sich von diesem wertvollen Fixpunkt nach unten die Reihenfolge:<br />
Fruchtkasten, Scheuern, Schafstall am Eck, dann die<br />
Pfarr-, und Zehntscheuer mit Backhaus Richtung Eingangstor.<br />
In »Strafakten« fand sich zusätzlich der Begriff »im<br />
Turm« für den höchsten Punkt »hinter dem Schloß«, dem<br />
heutigen Anwesen Fäustle in der Churstraße. Die mögliche<br />
Lage des Hauptgebäudes war dadurch erheblich begrenzter.<br />
Ein Satzteil aus dem Kaufvertrag versprach nun, diese restlichen<br />
Unklarheiten zu beseitigen. Er vermerkte, daß alle<br />
aufgeführten Teile »auf dem zugrund gelegten Riß gezeichnet<br />
sind«. Das Exemplar im Pfarrhaus enthielt ihn jedoch leider<br />
nicht. Auch in Chur war diesbezüglich nichts zu finden und<br />
in einem weiteren Exemplar des Kaufvertrags im Stuttgarter<br />
Hauptstaatsarchiv - lag kein Riß bei.<br />
Sozusagen kurz vor dem Ende schien die »Enthüllung« zu<br />
stocken. In Stuttgart gab es zum Glück eine Berechnung der<br />
»Gefälle des Zwiefalter Klosterhofes« in Reutlingen (H 128,<br />
Band 331). Diese »Statthalterei« des Zwiefalter Klosters in<br />
Reutlingen führte - wie die in Neuhausen/Erms - über die<br />
Steuern und Abgaben Buch. Für 1749, also ein Jahr bevor die<br />
Zwiefalter Herrschaft in Großengstingen aufhörte - steht<br />
29
hier über die Gebäude innerhalb der Schloßmauer: »1 Fruchtkasten,<br />
worunter ein Käsgewölb und Waschhaus befindlich,<br />
woneben auch der Gaststall angebaut ist. Eine Futterscheuer<br />
mit Stallung, die sogenannte obere Scheuer und Stallung. Die<br />
zwei unteren Scheuern samt einem Schafstall. Das Backhaus<br />
mit Schweinestall. Hinter dem Schloß befindet sich ein<br />
Schwengschopf, Holzlege und Gefängnis alles unter einem<br />
Dach. Mitten im Hof ist ein Kuchen- und Blumengarten mit<br />
einer Mauer umfangen nebst einem Schöpfbronnen. Außerhalb<br />
des Schloßhofs befindet sich noch eine Behausung mit<br />
vier Stuben, so vor diesem das Maierhaus gewesen sein<br />
dürfte«.<br />
Dieses »Käsgewölb« ist heute noch der Keller des Pfarrhauses.<br />
»Hinter dem Schloß« bedeutete vom Turm in Richtung<br />
Kirchstraße gesehen, eine Gebäudezeile mit Gefängnis,<br />
Holzlege und einem »Schwengschopf«, einer Hütte zum<br />
Schwingen des Flachses. Hanfland befand sich dann außerhalb<br />
des Schloßbezirks.<br />
In Wohnungsnähe war seit jeher die »Holzlege« und der<br />
Brunnen, der ja schon bekannt war. Unter Einbeziehung von<br />
Fundamentresten mußte das Herrschaftsgebäude also dort<br />
gestanden sein, wo heute die Häuser Churstr. 3 und 5 stehen.<br />
Das Backhaus mit Schweinestall war das spätere »Schneiderbastes<br />
Haus« (Reinhold Leippert) und das Maierhaus außerhalb<br />
war eventuell das alte »Urbanen-Haus«, das vor der<br />
heutigen Drogerie stand und 1957 abgebrochen wurde.<br />
Die Berechnungen des Zwiefalter Hofes geben uns auch<br />
Aufschluß über Bau und Aussehen des Schlosses: Es »ist<br />
dreistockig und hat auf dem unteren Boden zwei Stuben mit<br />
eisernen Ofen, sieben Kammern, eine Kapell, ein Weinkeller,<br />
worin ein Lagerfaß befindlich, zwei andere Keller zu Käs,<br />
Eier und Obst. Auf der mittleren Etage: drei Stuben mit<br />
eisernen Ofen, fünf Kammern, eine Küche, eine Speisekammer.<br />
Auf der oberen Etage: vier Stuben, darunter drei mit<br />
eisernen Ofen und sieben Kammern. Unter dem Dach befinden<br />
sich vier Bühnen (Stockwerke) übereinander«. Ein<br />
Grundriß vom Schloßareal konnte nun fast gezeichnet werden.<br />
Da nun Einzelheiten gefragt waren, erinnerte man sich<br />
wieder der Schloßrechnung und damit der Türengerichte, der<br />
Kreuzstöcke, »Ofentürle«, der Fensterläden und »Fürstziegel«.<br />
Da man zwischen 30 und 40 cm Länge je Firitziegel<br />
annehmen kann und 71 Stück verkauft wurden, einigte man<br />
sich auf 26 m Firstlänge, für die Schloßbreite nahm man das<br />
gebräuchliche Verhältnis von runden zwei Dritteln davon.<br />
Die Höhe blieb unklar. Eine Exkursion zur Melchinger<br />
Kirche, deren Baumeister Großbayer ja für beträchtliche<br />
306 fl Schloßbauholz verarbeitet hatte, brachte nun ein überraschendes<br />
Ergebnis: Sämtliche Balken des Dachstuhles weisen<br />
noch heute auf eine frühere Verwendung hin. An den<br />
rund 80 Sparren kann die Stockhöhe der vier Schloßbühnen<br />
noch genau erkannt werden. Der überwiegende Teil des<br />
Dachstuhls ist also heute in Melchingen und damit für uns das<br />
einzige sichtbare Beweisstück vom ehemaligen Großengstin-<br />
OTTO WERNER<br />
Die »allgemeine Gesangschule« zu Hechingen<br />
Vorgeschichte<br />
Bereits in der »Hochfürstlichen Regierungs-Verordnung, die<br />
Einführung einer allgemeinen Schulordnung für die Stadtund<br />
Landschulen betreffend« v. 1. Juni 1833 ist unter dem<br />
II. Abschnitt bei den »Lehrgegenständen und Unterrichtsmethoden<br />
in den Schulen« dem Gesang ein eigener Paragraph<br />
gewidmet; er lautet:<br />
30<br />
ger Schloßgebäude. Zur Ausgestaltung der Fassade entlehnte<br />
man für die Fensterläden die Schraffierung, wie sie in Rot-<br />
Weiß bei den Erbauern, dem Neuhäuser Adelsgeschlecht (auf<br />
den Fildern) üblich war.<br />
Zwei Nachträge, die zur Konstruktion nichts beitragen,<br />
sollen das Bild vom Schloß abrunden. In den Zwiefalter<br />
Klosterrechnungen werden für 1747 auch die Namen der<br />
Bediensteten und ihre Tätigkeiten angegeben und zwar: »Der<br />
Hofmeister Ulrich Buck (vorher Jerg Hem), Josef Müller,<br />
Gärtner, Jerg Koch, Fuhrknecht, Jerg Hertkorn, Schäfer,<br />
Chrisostomus Geiselhart, Kühhirt, Joh. Sonderegger,<br />
Nachtwächter, Anton Bayer, Oxenknecht, Jerg Freudenmann,<br />
Oxenbub, Josef Humel, Oxenbub, Josef Raitbaur,<br />
Zieglerbub, Aureli Raitbaur, Kühbub, Augustin Wölz,<br />
Kastenknecht, Michael Herter, Hausknecht, Katharina<br />
Koch, Obermagdt, Anna Maria Strobel, Kuchenmagd, Cordula<br />
Schiiger, Viehmagd, Agnes Gogel, Schweinemagd, und<br />
4 Dienstmägde«. Ein interessanter Einblick in damalige<br />
Berufe, Personenzahl im Schloß und in Großengstinger<br />
Namensgeschichte.<br />
Das andere soll ein Hinweis auf die Bauten sein, die sozusagen<br />
alle auf herrschaftlichem Boden stehen. 1776 kaufte der<br />
Wagner Vitalis Schiiger laut Bürgermeister (Gemeindepfleger)<br />
Rechnung den größeren, 60 Schuh (1 Schuh = 28,65 cm)<br />
betragenden »Schloßplatz«, Churstraße 5. Sein zweistockiges<br />
Haus mit Scheuer wurde später Eigentum der Familien<br />
Rudolph, Wahl und ab 1891 und später, jeweils für kurze<br />
Zeit, des jüdischen Handelsmannes Albert Marx aus Buttenhausen.<br />
Danach gehörte es der Familie Butterstein und heute<br />
besitzt es Werner Walter. Den kleineren, 28 Schuh großen<br />
Schloßanteil, Churstr. 3, erhielt 1775 der Taglöhner Matthäus<br />
Hauser. Das einstöckige Haus besaßen u.a. die Familien<br />
Hummel, Johannes Enderle (ab 1814, »Schloßmetzger«),<br />
Staneker und schließlich Bayer. Das Haus von Theo Raach,<br />
Churstraße 6, ist die ehemalige Holzlege. Es wechselte 1794<br />
von Josef Hummel an Josef Raiber, später zu Josef Zeiler,<br />
Karl Wendler aus Reutlingen und weiter zu Joh. Georg<br />
Leippert. Die ehemalige Pfisterei (Bäckerei), heute Haus<br />
Wiehl, Churstraße 7, war seit 1785 zunächst in Besitz von<br />
Sailer Eisele und Nachkommen. Das heutige Pfarrhaus<br />
stammt aus dem Jahre 1873, das alte von 1768 wurde damals<br />
abgebrochen.<br />
Das Notariat, hinter dem früher die »Obere Scheuer« stand,<br />
baute man 1909/10 bekanntlich als »Neues Schulhaus«, übrigens<br />
auf dem Platz des alten Pfarrschweinestalls. Der herrschaftliche<br />
Schafstall, das »Haible«-Haus, gehörte 1785 dem<br />
Pottaschensieder Jakob Freudenmann, später den Familien<br />
Wächter, Heinzelmann und Hummel. Jakob Leippert<br />
(genannt »Haibles«-Jakob) vererbte es 1965 an seine Kinder.<br />
Die Häuser in Richtung Kirche verschwanden erst 1967 bei<br />
der Neugestaltung dieses Schloßplatzareals, von dessen<br />
ursprünglichem Gesicht wir nun, zweihundert Jahre nach<br />
dem Abbruch, eine ziemlich genaue Vorstellung haben.<br />
Ȥ.3. Da der Gesang in den Schulen ein Mittel zur Erheiterung<br />
und sittlichen Bildung der Jugend, so wie auch eine<br />
zweckförderliche Vorbereitung eines allgemeinen Kirchengesanges<br />
ist, so haben sämmtliche Pfarrer und Lehrer des<br />
Landes, die eine Fähigkeit für die Anleitung zum Singen<br />
besitzen, denselben in den Schulen einzuführen, und die<br />
Kinder in Absingung geistlicher, oder sonst anständiger
Lieder, hauptsächlich aber in den Gesängen, welche bei dem<br />
öffentlichen Gottesdienste gebraucht werden, zu üben. 1 «<br />
Zwei Jahre später stellt Kammermusikus Georg Wichtl in<br />
einem Schreiben an »Hochfürstliches Stadtamt« fest: »Auch<br />
hat man in der hiesigen Schule angefangen Lieder nach dem<br />
Gehör singen zu lernen. Dieses ist eben so zwecklos; denn die<br />
Kinder lernen dabei nicht singen sondern schreyen, und die<br />
Töne die sie nun auf diese Art zu Tage befördern, sind ganz<br />
natürlich falsch und fehlerhaft, denn es war noch nie von<br />
einem regelrechten Stimmenansatz, Vokalisation und Artikulation<br />
die Rede, viel weniger von Stimmenbildung, denn<br />
man singt schon vorher ehe die Stimme gebildet ist, das ist<br />
freylich auch wieder eine Kunst, welche nicht alle besitzen,<br />
aber man sollte doch etwas vorsichtiger mit den armen<br />
Kinderchen umgehen. 2 «<br />
Besonders entrüstet sich Wichtl über einen Vorfall bei einer<br />
Schulwanderung: »... wo ist auch so lange die Welt steht<br />
einmal gehört worden daß Kinder einen fünf Stunden langen<br />
Spatziergang machen musten, dabei natürlicher Weise auch<br />
gesungen wurde und das nicht wenig, welches alle recht ist,<br />
daß man aber auf dem Heimwege über einen Berg wie unsere<br />
Steige ist sie zu wiederholltenmalen singen läst, das heißt die<br />
Stimmorgane mit Gewalt zerstören, und es dürfte nur ein<br />
paar mal geschehen so könnten sich viele sogar Krankheiten<br />
zuziehen, denn es ist nichts vorsichtiger zu behandeln als die<br />
Stimmritze bey Kindern.«<br />
Wichtl weist die Mitglieder des löbl. Magistrats darauf hin,<br />
»daß man nicht immer glauben müße, ein guter Elementarlehrer,<br />
sei auch ein guter Gesanglehrer.«<br />
Auch wurden zu jener Zeit aus einer Stiftung jährlich 150 fl.<br />
verwendet, »um vier Singknaben für den hiesigen Chor zu<br />
bilden, welche der Kantor Lorch bezieht«. Doch auch hierüber<br />
urteilt Wichtl vernichtend: »... jedoch es sind bis jetzt<br />
aus dieser Schule noch wenige taugliche Subjekte hervorgegangen,<br />
sonst könnte es nicht so schlecht um unsern Kirchengesang<br />
aussehen.«<br />
Dagegen streicht Wichtl hervor, daß Kinder »privatim« bei<br />
ihm Gesangunterricht genießen, und daß er im vorigen Jahr<br />
das Glück gehabt habe, »nach vollendeter Prüfung mit<br />
meinen Gesangschülern allgemeinen Beifall zu ärndten«.<br />
OTTO WERNER<br />
Der mutwillige Salomon<br />
Der kaullaische Hausdiener Salomon Abraham von Schwabach<br />
hatte »mittelst naturlichen nachahmung einer Kalb<br />
Stimme« die zur Tränke getriebene Kuh des Hans Adam<br />
Buemiller, welche erst vor zehn Tagen gekalbt hatte, so<br />
gereizt, daß sie auf ihn losging und ihn an die Wand drückte.<br />
Als Glashändler Anton Hummel sie abwehren wollte und<br />
wegzutreiben suchte, stieß sie ihn mit den Hörnern und trieb<br />
ihn so in die Enge, »daß derselbe ... ohnfehlbar zu Todt<br />
gestossen worden wäre«, wenn die Metzger Johannes Fecker<br />
und Gottfried Egler ihm nicht zu Hilfe gekommen wären.<br />
Am 12. Juni 1809 wurde daraufhin Salomon Abraham »vor<br />
Gericht gefordert, um die Umstände dieses Hergangs näher<br />
zu vernehmen«.<br />
Salomon Abraham gab an, er sei am vergangenen Sonntag vor<br />
dem Haus des Wassermann mit anderen auf der Bank gesessen.<br />
Als die Kuh zur Tränke getrieben wurde, »habe er laut<br />
gesungen«, worauf die Kuh aufmerksam geworden und auf<br />
ihn zugegangen sei »und ihne mehrmalen gestossen habe«.<br />
Der »sogennte Glas Mann« sei herbeigesprungen und habe<br />
Er macht deshalb den Vorschlag, wie andernorts so auch in<br />
Hechingen eine Gesangschule für die Jugend zu errichten.<br />
»... ich werde sie mit Vergnügen leiten,« so Wichtl, »und<br />
werde die Mühe nicht scheuen, die damit verbunden ist«. -<br />
»Ich zweifle... nicht«, fährt Wichtl fort, »daß nicht auch von<br />
Seite unserer Stadt für eine Gesangschule eine gewiße Summe<br />
verwendet wird, weil ich die Uberzeugung habe, daß unser<br />
Magistrat und Ausschuß Mitglieder zählt, welche vielen Sinn,<br />
für Verbeßerungen entwickeln.« Auch rechnet er damit, »daß<br />
von Seite der gnädigsten Herrschaft auch etwas für diese<br />
Sache gethan wird«. Auch die Kirche sollte nicht zurückstehen,<br />
»denn es würde dann bald um unsern Kirchengesang<br />
beßer stehen.« Die oben erwähnte Faktur, werde sie einmal<br />
erledigt, »so könnte gleich diese Summe der allgemeinen<br />
Gesangschule zufließen, und es hätte daher der Magistrat<br />
vielleicht nur so lange bis jene Zeit erscheint aus der Kommunkaße<br />
den Beitrag zu leisten.« Die Wichtigkeit eines<br />
Gesangunterrichts für Elementarschüler, so führt er am<br />
Schluße seines Schreibens aus, »kann nur derjenige läugnen,<br />
welcher die Erhabenheit und Kraft der himmlischen Tonkunst<br />
überhaupt läugnet, der die noch halb wilden Griechen<br />
schon die Macht beylegten, daß sie Pflanzen und Steine<br />
bewege.« Mit dem Appell: »Laßen sie uns daher diesen<br />
Idealen nachstreben, man wird es uns in der Folge zu Dank<br />
wißen«, empfiehlt er seine Vorstellungen dem »löbl. Stadtrathe«.<br />
Abhaltung des Gesangunterrichts im Schulgebäude<br />
Ein erster Schritt zur Verwirklichung seiner Idee war es<br />
sicher, als ihm auf sein Ansuchen hin 1836 die Erlaubnis<br />
erteilt wurde, »den Gesang-Unterricht künftighin in dem<br />
städtischen Schulgebäude halten zu dürfen. 3 « Die Lehrer der<br />
Stadtschule beschwerten sich daraufhin bei der Fürstlichen<br />
Oberschulkommission. Diese übergab die Angelegenheit »zu<br />
einer Untersuchung von Seite der Lokal-SchulCommihsion,<br />
um auf Erfund der Umstände ... zu beschließen, ob dem<br />
fraglichen Privatsing-Unterricht ohne Hinderung und<br />
Benachteiligung des öffentl. Unterrichts der hiesigen Schuljugend,<br />
und der Funktion der Schullehrer statt gegeben<br />
werden könne, und somit der gedachte Singunterricht im<br />
Lokal der hiesigen Stadtschule fortzusetzen sey oder nicht. 4 «<br />
(Fortsetzung folgt)<br />
die Kuh von ihm weggetrieben, »welche sofort auch selben<br />
gepackt, ihme mehrere Stösse versezt, und mit Horn seine<br />
hirchlederne Hosen aufgeschlitzt habe«. Wären die beiden<br />
Metzger nicht herbeigeeilt, »der Glas Thone eüsserst unglüklich<br />
gewesen wäre. - Daß er die Stimme eines Kalbs nachgemacht<br />
habe, werde ihme niemand beweisen können«. Möglicherweise<br />
sei die Kuh »durch sein Humsen« aufmerksam<br />
geworden und »in der Meynung gewesen..., daß es eine<br />
Kalbstime seye«, sonst wäre sie wohl nicht auf ihn losgegangen.<br />
Die gleichfalls vorberufene Tochter des Hans Adam Buemiller<br />
gab an, ihre Kuh »seye immer unter dem Hirthen gelofen<br />
und niemals gegen selbe eine Beschwerdt, daß sie unfrom<br />
seye. Sie habe die Kuh am Freitag und Samstag vorher an den<br />
Bronnen getrieben, weil sie im Stall nicht habe saufen wollen,<br />
sie seye immer Lam from gewesen«. Wenn Salomon Abraham<br />
die Kuh nicht geneckt und die Stimme eines Kalbes nicht<br />
nachgeahmt hätte, wäre nichts passiert. Die bei demjuden auf<br />
der Bank gesessenen Leute könnten bezeugen, »das Salomon<br />
Abraham durch mehrmaliges schreyen wie ein Kalb die Kuh<br />
31
Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong> Geschichtsverein<br />
Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />
W <strong>3828</strong> <strong>FX</strong><br />
12000015.12 OA 01605.0<br />
HERRN<br />
AMTSRAT<br />
HEINZ ZEKORN<br />
KARLSTRASSE 18<br />
Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt. 7 4 8 0 SIGMAR INGEN 1<br />
aufgeritzt habe«. Schon mehrmals habeJud »Salmele« z.B.<br />
bei Johann Carrii, Philipp Freudemann und Xaveri Karg<br />
»derley Neckereyen an dem Vieh verübt«.<br />
Man hielt dem Salomon Abraham sein Leugnen vor und<br />
drohte, weitere Zeugen vorzuberufen. Darauf wollte er es<br />
doch nicht ankommen lassen, sondern gestand nun freiwillig<br />
ein, »daß er durch mehrmaliges schreüen wie ein Kalb diese<br />
Kuh aufgeschreckt und den ganzen Hergang veranlaßt habe«.<br />
Er machte das Angebot, falls die Kuh durch seine Veranlassung<br />
»den Fehler als bösartig beibehalten solte«, Hans Adam<br />
Buemiller die Kuh zu vergüten und Anton Hummel die<br />
zerrissene Hose zu ersetzen. Er bat das Gericht wegen seines<br />
verübten Mutwillens um eine milde Strafe. Das Stadtgericht<br />
Buchbesprechung<br />
Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg<br />
Vor kurzem erschien Band 3 (1983) dieser Veröffentlichung,<br />
die im Auftrag des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg,<br />
des »Förderkreises für die vor- und frühgeschichtliche<br />
Forschung in Baden« und der »Gesellschaft für Vor- und<br />
Frühgeschichte in Württemberg und Hohenzollern« herausgegeben<br />
wird. Wie in den vorhergehenden Bänden sind auch<br />
Funde im hohenzollerischen Raum beschrieben.<br />
Siedlungsreste der älteren und jüngeren Eisenzeit wurden bei<br />
Stetten u. H. Stadt Burladingen ausgegraben. In der Nähe<br />
von Stetten gab es bisher nur wenige Funde, die von einer<br />
frühen Besiedlung zeugen. Eine Fundstelle wurde neuerdings<br />
bei Kanalisationsarbeiten im Baugebiet »Eschle«, östlich der<br />
Straße Stetten-Erpfingen entdeckt. Es kamen Scherben und<br />
schwarze Verfärbungen von Pfostengruben zum Vorschein.<br />
420 qm wurden untersucht; dabei waren zahlreiche Pfostengruben<br />
und Wandgräbchen im helleren Lehmboden zu<br />
sehen. Die meisten Scherbenfunde und das Fragment eines<br />
Feuerbocks gehören in die Zeit der jüngeren Urnenfelderkultur.<br />
Ein Dutzend Scherben ist in die mittlere bis späte<br />
Hallstattzeit zu datieren, einige Scherben in die späte Latenezeit.<br />
Auch Eisenschlacken und Bohnerzklumpen wurden<br />
gefunden. Das Baugebiet »Eschle« wird von der Bodendenkmalpflege<br />
weiterhin beobachtet (n. H.Reim).<br />
HOH<strong>ENZOLLERISCHE</strong> <strong>HEIMAT</strong><br />
hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein.<br />
Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«<br />
ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will<br />
besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />
und der angrenzenden Landesteile mit der<br />
Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie<br />
bringt neben fachhistorischen auch populär<br />
gehaltene Beiträge.<br />
Bezugspreis: 8.00 DM jährlich.<br />
Konto der »Hohenzollerischen Heimat«:<br />
803843 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />
(BLZ 65351050).<br />
Druck:<br />
M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH & Co.,<br />
7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.<br />
32<br />
Die Autoren dieser Nummer:<br />
Gerhard Enderle<br />
Mörikestraße 5, 7411 Engstingen<br />
P. Dr. Ursmar Engelmann OSB<br />
Erzabt (res.)<br />
7792 Beuren<br />
Wolfgang Hermann<br />
Fischinger Straße 66, 7247 Sulz<br />
Pfr. fohann Adam Kraus<br />
Erzbischöfl. Archivar i. R.<br />
Badstraße 8, 7800 Freiburg-Littenweiler<br />
Hedwig Maurer<br />
Stettengasse 25, 7850 Lörrach<br />
Karl Werner Steim<br />
In der Au 30, 7480 Sigmaringen<br />
Rektor Otto Werner<br />
Friedrich-List-Straße 55<br />
7450 Hechingen<br />
verurteilte Salomon Abraham »als Stifter und uhrhaber dises<br />
Hergangs« zu einer 24stündigen Turmstrafe bei Wasser und<br />
Brot; außerdem hatte er dem Glashändler Anton Hummel<br />
Schadenersatz »wegen denen Hosen« zu leisten. Weil Hans<br />
Adam Buemillers Kuh wieder ganz ruhig geworden sei,<br />
müsse er keinen weiteren Ersatz leisten. Er wurde aber<br />
ernstlich verwarnt, »daß wan derselbe fernerhin durch<br />
muthwillen oder Policeywidrige Aufführung den mindesten<br />
Anlaß zu einer Beschwerde geben würde, er mit Stockstreich<br />
gezüchtiget und von hier ausgewiesen werden solle«.<br />
Quellennachweis:<br />
Stadtarchiv Hechingen, Stadtgerichtsprotokolle, Foliant A 16,<br />
1807-1818.<br />
Die Luftbildarchäologie befaßte sich im Jahr 1983 u. a. mit<br />
dem römischen Kastell Burladingen. Die Mittelgebäude, das<br />
Südtor und Teile der Ummauerung wurden durch negative<br />
Bewuchsspuren sichtbar. Außerhalb des Militärlagers,<br />
unmittelbar neben der Schleife der Bundesstraße 32, konnten<br />
einige Gebäudeumrisse sichtbar gemacht werden, darunter<br />
befindet sich ein großes Haus, möglicherweise ein Badgebäude<br />
(n. R. Gensheimer).<br />
Aus den beiden vorhergehenden Bänden ist zu erwähnen:<br />
»Ein frühmittelalterlicher Bestattungsplatz in Inneringen<br />
Gd. Hettingen, Krs. Sigmaringen« (H.Reim 1982).<br />
»Archäologische Untersuchungen in der St. Michaelskapelle<br />
in Gammertingen Krs. Sigmaringen« (E.Schmidt 1982).<br />
»Zum Abschluß der Ausgrabungen in der römischen Gutsanlage<br />
bei Hechingen-Stein, Zollernalbkreis (H.Reim 1981).<br />
Die »Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg«<br />
erscheinen jährlich und enthalten 50 bis 70 Beiträge<br />
bekannter Landesarchäologen. Die handlichen Bände sind<br />
sehr gut ausgestattet mit zahlreichen Fotos, Plänen und<br />
Zeichnungen. Die Reihe erscheint im Konrad Theiss Verlag,<br />
Stuttgart. Die Mitglieder der Gesellschaft für Vor- und<br />
Frühgeschichte in Württemberg bekommen das Buch als<br />
Jahresgabe zugeschickt (Anmeldungen als Mitglied an die<br />
Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte, Schillerplatz 1,<br />
Stuttgart 1).<br />
Schriftleitung:<br />
Dr. med. Herbert Burkarth,<br />
7487 Gammertingen (Telefon 07574/2329)<br />
Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />
persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />
diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge<br />
verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung<br />
sind als solche gekennzeichnet.<br />
Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />
werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />
Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische<br />
Heimat« weiter zu empfehlen.
HOH<strong>ENZOLLERISCHE</strong><br />
<strong>HEIMAT</strong><br />
Herausgegeben vom<br />
Bad Imnau: Pfarrkirche St. Jakobus 1779-1784<br />
M <strong>3828</strong> F<br />
Hohenzollerischen Geschichtsverein<br />
34. Jahrgang Nr. 3 / September 1984
HANS PETER MÜLLER<br />
Imnau im Mittelalter<br />
Die erste urkundliche Erwähnung Imnaus ist eng mit der<br />
Gründung des Schwarzwaldklosters Reichenbach im Jahre<br />
1082 verbunden, weshalb die Gemeinde auch unlängst ihr<br />
900jähriges Jubiläum feiern konnte und aus diesem Anlaß ein<br />
Heimatbuch herausgegeben hat. Da jedoch in dieser Ortschronik<br />
die mittelalterliche Geschichte nur in sehr knapper<br />
Form dargestellt wurde, soll hier ein etwas genauerer Uberblick<br />
über diesen Zeitraum gegeben werden. Dabei richtet<br />
sich das Hauptaugenmerk auf die Herrschaftsverhältnisse im<br />
Spätmittelalter, und zwar aus folgendem Grund. Einerseits<br />
bildete Imnau einen Bestandteil der Herrschaft Haigerloch,<br />
andererseits nahm es aber insofern eine Sonderstellung ein,<br />
als es gleichzeitig ein hohenbergisches bzw. österreichisches<br />
Mannlehen war.<br />
Die Reichenbacher Schenkung<br />
Uber die Entstehung des Klosters Reichenbach im Schwarzwald<br />
und die dabei erfolgte Schenkung in Imnau berichtet<br />
sowohl das Reichenbacher Schenkungsbuch als auch, in<br />
etwas verkürzter Form, der Hirsauer Kodex 1 . Die Gründung<br />
Reichenbachs erfolgte Mitte Mai 1082 durch den Hirsauer<br />
Abt Wilhelm, der zu diesem Zwecke 8 Mönche und Laienbrüder<br />
in das Murgtal schickte. Besondere Verdienste bei der<br />
Gründung des neuen Klosters haben sich zwei Personen<br />
erworben, zum einen der Edelfreie Bern von Fischbach, der<br />
den Grund und Boden für die zu errichtende Zelle hergab,<br />
und zum andern Ernst von Geisenheim, der ansehnliche<br />
Eigengüter im Rheingau schenkte. In der Überlieferung wird<br />
Ernst sogar als »provisor et quasi pater secundus«, d. h.<br />
Vorsteher und gleichsam zweiter Vater, bezeichnet. Im einzelnen<br />
schenkte er seinen Besitz in Essenheim und Geisenheim<br />
sowie in Heimsheim, was jedoch alles gegen anderen,<br />
nähergelegenen eingetauscht wurde. Die Güter in Heimsheim<br />
wurden gegen solche in Ditzingen eingetauscht und die<br />
Güter in Essenheim und Geisenheim gegen solche in Sulzau<br />
und Imnau, die von dem Freien Engelbold vn Elsoff<br />
stammten.<br />
Die Übergabe der drei eingetauschten Besitzungen an das<br />
Kloster erfolgte offenbar erst bei dessen Weihe, die am<br />
22. September 1085 durch den Bischof Gebhard von<br />
Konstanz vorgenommen wurde. Nach dem Tode von Abt<br />
Wilhelm im Jahre 1091 wurden die Schenkungen Emsts an<br />
Reichenbach durch den neuen Hirsauer Abt Gebhard bestätigt,<br />
wobei wir erfahren, daß die Güter in Imnau als Jahrtagsstiftung<br />
für Ernst dienten.<br />
Obwohl der Imnauer Besitz ziemlich weit entfernt lag, hat<br />
ihn das Kloster doch nicht abgestoßen, sondern auf Dauer<br />
behalten. Diesem Umstand verdanken wir auch einige interessante<br />
Klosterurkunden über Imnau aus dem Spätmittelalter.<br />
So vertauschte Reichenbach im Jahre 1355 von seinem<br />
hiesigen Besitz zwei Äcker gegen einen anderen, der in den<br />
Hof der Gebrüder Hans und Heinz Amman von Haigerloch<br />
gehörte. Dieser Acker war »hinter der Kilchen« gelegen,<br />
womit wir das erste Zeugnis über ein Gotteshaus in Imnau<br />
haben. Im Jahre 1246 mußte ein aus Horber Bürgern bestehendes<br />
Schiedsgericht einen Streit zwischen dem Reichenbacher<br />
Prior und einem Imnauer wegen eines Hofs schlichten.<br />
Etwa um dieselbe Zeit entschied ein anderes Schiedsgericht<br />
über Streitigkeiten zwischen dem Prior und den Untertanen<br />
(armen Lüten) des Volz von Weitingen zu Imnau wegen eines<br />
weiteren Hofs 2 .<br />
34<br />
Wie groß der Reichenbacher Besitz in Imnau war, hat<br />
K. F. Eisele in seinem Historischen Atlas der Grafschaft<br />
Zollern anhand des Klosterlagerbuchs von 1587 aufgezeigt 3 .<br />
Er bestand damals aus 9 Höfen mit einer Gesamtfläche von<br />
176Jauchert Äckern und 37 Mannsmahd Wiesen.<br />
Bestandteil der Herrschaft Haigerloch<br />
In zahlreichen Quellen aus dem 14. und 15. Jahrhundert,<br />
seien es Urkunden, Steuerlisten oder Lagerbücher, erscheint<br />
Imnau stets als Bestandteil der Herrschaft Haigerloch. So<br />
wird es bereits in einer Urkunde von 1368 zu jenen 9 Dörfern<br />
gezählt, die zur Haigerlocher Unterstadt gehörten 4 . Als im<br />
Jahre 1392 die ganze Herrschaft Haigerloch von Herzog<br />
Leopold von Österreich an die Herren von Weitingen verpfändet<br />
wurde, wird Imnau ebenso genannt wie später im<br />
Jahre 1436 bei der Auslösung und Weiterverpfändung an die<br />
Freiherrn von Stoffeln.<br />
Folgerichtig finden wir Imnau auch in den verschiedenen<br />
hohenbergischen Steuerlisten, die es aus der Zeit nach dem<br />
Übergang der Herrschaft Hohenberg an Österreich gibt. Als<br />
nach 1384 eine erste Schätzung in Hohenberg durchgeführt<br />
wurde, zahlten die Imnauer 8 Pfund Heller; eine recht<br />
bescheidene Summe, die von den insgesamt 11 Haigerlocher<br />
Dörfern die zweitniedrigste war. Bei der großen Schätzung<br />
im Jahre 1394 hatte jeder Untertan in Hohenberg den 20. Teil<br />
seines Vermögens als Sondersteuer abzuführen. Damals gab<br />
es in Imnau 7 Steuerzahler mit einem Gesamtvermögen von<br />
253 Pfund Heller, wovon also 5 Prozent oder 12 Pfund<br />
13 Schilling bezahlt wurden 5 . In der Liste der 13 Haigerlocher<br />
Dörfer rangierte Imnau nach der Zahl der Steuerzahler<br />
an viertletzter Stelle und nach der Höhe des Gesamtvermögens<br />
an drittletzter Stelle. Bei einem Durchschnittsvermögen<br />
von 36 Pfund besaß der ärmste Imnauer 6 Pfund und der<br />
reichste 100 Pfund.<br />
Auch in den beiden Haigerlocher Lagerbüchern, die während<br />
der Herrschaft der Erzherzogin Mechthild in den Jahren 1458<br />
und 1472 angelegt wurden, ist Imnau mit seinen Abgaben<br />
aufgeführt 6 . Danach hatte die Bauernschaft eine jährliche<br />
Geldsteuer in Höhe von 4 Pfund Heller zu leisten sowie eine<br />
Kornsteuer von 2 Malter Vesen (= Dinkel) und 2 Malter<br />
Haber Haigerlocher Meß. An Grundzinsen bezog die Herrschaft<br />
zusammengenommen 1 Pfund Heller und 3 Malter<br />
Haber aus folgenden Gütern: dem Widemhof, dem Lutzenlehen,<br />
dem Wickengut und den drei Reichenbacher Höfen.<br />
Ferner hatte jedes Haus »das der Herrschaft ist« jährlich<br />
3 Hühner und eine Fasnachtshenne zu geben, was im Jahre<br />
1472 jedoch nur für 6 Häuser galt. Von den Leibeigenen der<br />
Herrschaft wurde das Hauptrecht eingezogen und »die der<br />
Herrschaft zugehörnd« hatten dienstbar zu sein wie die<br />
andern.<br />
Aus den hier angedeuteten Einschränkungen geht schon<br />
hervor, daß es noch einen anderen Herren im Ort gegeben<br />
haben muß, was auch durch das Fehlen der »Frevel« bestätigt<br />
wird, die bei den übrigen Dörfern stets angegeben wurden.<br />
Die Frevel, und das bedeutet soviel wie die Gerichtsbarkeit,<br />
mußten also einem anderen Herren zugestanden haben, dem<br />
eigentlichen Ortsherren. Diese Ortsherren, das sei hier vorweggenommen,<br />
waren zur damaligen Zeit die Herren von<br />
Weitingen, die das Dorf als Mannlehen von den Herzögen<br />
von Österreich trugen.
Hohenbergisches Mannlehen<br />
Neben den obengenannten Quellen über die Herrschaft<br />
Haigerloch haben wir noch andere, für Imnau sehr aufschlußreiche<br />
Zeugnisse ins Auge zu fassen, insbesondere die<br />
hohenbergischen Lehenregister und Lehenurkunden. Als<br />
erstes ist dabei ein Lehenrodel des Grafen Rudolf von<br />
Hohenberg aus der Zeit um 1325 heranzuziehen 7 . Darin<br />
werden als Lehenleute aufgeführt einmal ein Ulrich von<br />
Imnau und zum andern »der Maiger« von Imnau, wobei<br />
leider nicht gesagt wird, welcher Art die betreffenden Lehen<br />
waren.<br />
Nun hat aber V. Schäfer in seiner Dissertation über die<br />
Grafen von Sulz festgestellt, daß es sich bei diesem Dokument<br />
nicht um einen hohenbergischen, sondern um einen<br />
Sulzer Lehenrodel handelt, der von Graf Berthold von Sulz<br />
aus der Zeit um 1315 stammt. In der Tat lassen sich viele der<br />
darin genannten Lehen später im Besitz der Sulzer Grafen<br />
nachweisen, doch scheinen einige davon an die Grafen von<br />
Hohenberg bzw. an deren Nachfolger, die Herzöge von<br />
Osterreich, gelangt zu sein, so auch die Imnauer Lehen.<br />
Aus der Zeit nach dem Tode des Grafen Rudolf III. von<br />
Hohenberg (1389) gibt es ein ausführliches Verzeichnis von<br />
hohenbergischen Lehen, und darin finden sich gleich vier<br />
Einträge über Imnau: 8<br />
1. Konrad Zimerlin (Träger: Hans von Leinstetten): das Dorf<br />
Imnau mit der Vogtei;<br />
2. Friedrich Büringer von Haigerloch: Güter im Dorf Imnau;<br />
3. Hans von Dettingen: Güter zu Imnau;<br />
4. Kloster Kirchberg (Träger: Bentz Amman von Rottenburg):<br />
Güter, die Hans Amman von Haigerloch zu Imnau<br />
gehabt hat.<br />
Um beim letzten Lehen anzufangen, so wurde dessen Vorbesitzer<br />
Hans Amman von Haigerloch gleich mitgenannt.<br />
Dieser Hans Amman hatte seine Güter in Imnau als Jahrtagsstiftung<br />
dem Kloster Kirchberg vermacht, das im Jahre 1383<br />
von Graf Rudolf von Hohenberg damit belehnt wurde. Das<br />
Lehensverhältnis wurde aber später aufgelöst, als Herzog<br />
Leopold von Osterreich 1392 das Eigentumsrecht den<br />
Klosterfrauen schenkte 9 .<br />
Auch die Vorgänger des Hans von Dettingen sind uns<br />
bekannt aufgrund einer Urkunde vom Jahre 1367 10 . Damals<br />
verkaufte Contz Zimmerli an Diem von Dettingen mehrere<br />
Güter in Imnau, die zusammen 10 Malter Roggen zinsten,<br />
um 100 Pfund Heller. Zwar wird in der Verkaufsurkunde<br />
nichts von einem hohenbergischen Lehen gesagt, doch darf<br />
man ein solches wohl annehmen.<br />
Mit Contz Zimmerli haben wir zugleich den Vater jenes<br />
Konrad, der nach 1389 das interessanteste hohenbergische<br />
Mannlehen hatte, nämlich das Dorf selbst mit der Vogtei, was<br />
soviel heißt wie die niedere Gerichtsbarkeit oder Ortsherrschaft.<br />
Ob allerdings schon Contz das Dorf als Lehen<br />
innehatte oder sogar dessen Vorfahren, läßt sich nicht mit<br />
Bestimmtheit sagen. Jedenfalls werden die Zimmerli oder<br />
Zimmerer bereits seit dem Ende des 13. Jahrhunderts im<br />
Gefolge der Grafen von Hohenberg genannt, wobei man den<br />
Ritter Wernher Zimmerli hervorheben könnte, der im Jahre<br />
1296 hohenbergischer Vogt in Haigerloch war. Dem Namen<br />
nach zu urteilen, dürften die Zimmerli aus dem benachbarten<br />
Heiligenzimmern stammen.<br />
Nach dem obengenannten Lehenregister hatte also Konrad<br />
Zimmerli nach 1389 das Dorf Imnau als hohenbergisches<br />
Lehen inne, trug es aber nicht persönlich, denn für ihn<br />
fungierte Hans von Leinstetten als Lehensträger. Den Grund<br />
dafür kennen wir nicht, doch könnte Konrad vielleicht<br />
minderjährig gewesen sein. Aus dem Jahre 1395 haben wir<br />
dann ein urkundliches Zeugnis von ihm, als er sein Fischwasser<br />
in der Eyach bei Imnau um 40 Pfund Heller an den Ritter<br />
Volz von Weitingen verpfändete 11 . Unter den Zeugen dieser<br />
Verpfändung befand sich auch sein Bruder Hans, und dieser<br />
sollte wenig später das ganze Dorf an die Weitinger verkaufen.<br />
Die Herren von Weitingen<br />
Die Herren von Weitingen besaßen, wie schon erwähnt<br />
wurde, seit 1392 die Herrschaft Haigerloch als Pfand von<br />
Österreich, so daß es naheliegend war, auch das Dorf Imnau<br />
zu erwerben. Tatsächlich kauften die Weitinger dann auch<br />
das Dorf, und zwar am 27. Juli 1402. Allem Anschein nach ist<br />
die Verkaufsurkunde nicht mehr vorhanden, doch kennen<br />
wir ihren wesentlichsten Inhalt aus einem späteren Registraturbuch<br />
der Herrschaft Haigerloch 12 . Darin steht folgende<br />
kurze Notiz:<br />
»Hans Zimmerli verkauft Herrn Voltz von Weitingen, Rittern,<br />
das Dorf Imnau mit seiner Zugehör um 659 fl.«<br />
(Gulden)<br />
Nach dem Tode des Ritters Volz fiel der beträchtliche<br />
Weitinger Besitz an seine beiden Söhne Konrad und Volz, die<br />
im Jahre 1410 eine Erbteilung vornahmen. Leider kennen wir<br />
nur den Erbteil Konrads, der aus der Burg Frundeck mit<br />
Ahldorf und dem Dorf Sulzau bestand; es läßt sich aber<br />
erschließen, daß Volz Burg und Dorf Mühringen sowie<br />
Imnau erhalten haben muß.<br />
Als Ortsherr von Imnau tritt Volz von Weitingen nur einmal<br />
in Erscheinung in der bereits erwähnten Schlichtungsurkunde<br />
zwischen dem Prior von Reichenbach und seinen<br />
Imnauer Untertanen aus der Zeit um 1425. Im Jahre 1442 ist<br />
Volz als Hauptmann der Herrschaft Hohenberg gestorben<br />
und ein Jahr später verkaufte seine Witwe Anna von Dettingen<br />
ihrem Sohn aus erster Ehe, dem Truchsessen Wolf von<br />
Waldeck, ihr gesamtes Heiratsgut, worunter sich auch zwei<br />
Höfe in Imnau befanden. Wolf hat später übrigens den<br />
gesamten Besitz an das Kloster Alpirsbach verkauft 13 .<br />
Aus seiner ersten Ehe hinterließ Volz zwei Söhne mit Namen<br />
Konrad und Friedrich. Ersterer, der sich zur Unterscheidung<br />
von seinem Onkel, dem Ritter Konrad, als »der Jüngere«<br />
bezeichnete, wurde im Jahre 1458 von der Erzherzogin<br />
Mechthild von Österreich mit dem Dorf Imnau »mitsampt<br />
der Vogty und dem Gericht daselbst« belehnt. Konrad ist<br />
jedoch wenig später gestorben, worauf Imnau an seinen<br />
Bruder Friedrich fiel, der 1464 die Belehnung von der<br />
Erzherzogin Mechthild empfing 14 .<br />
Friedrich von Weitingen und sein Onkel, der alte Ritter<br />
Konrad, haben sich um Imnau besonders verdient gemacht,<br />
indem sie hier eine Kaplaneipfründe stifteten. Im Dezember<br />
1468 bestätigte der Bischof von Konstanz die Stiftung der<br />
beiden Weitinger in der Kapelle »Beatae Mariae Viginis ac SS.<br />
Jacobi et Michaelis« und im März des darauffolgenden Jahres<br />
investierte er mit Christoph Sutoris von Binsdorf den ersten<br />
Kaplan in Imnau 15 . Das Präsentationsrecht der neuen Kaplanei<br />
stand aber nicht den Stiftern zu, sondern dem Pfarrer von<br />
Bierlingen, der Imnauer Mutterkirche.<br />
Nicht nur in kirchlicher, sondern auch in »kommunaler«<br />
Hinsicht ist die Zeit Friedrichs von großem Interesse für<br />
Imnau, denn aus ihr stammen die ersten urkundlichen Zeugnisse<br />
über die Gemeinde. Entstanden sind diese Zeugnisse,<br />
wie bei den meisten andern Dörfern auch, aus Anlaß von<br />
Streitigkeiten. So wurde im Jahre 1480 vor dem Dorfgericht<br />
von Empfingen ein Streit zwischen »Schultheiß, Richtern<br />
und Gemeinde« des Dorfes Imnau und der Nachbargemeinde<br />
Wiesenstetten geschlichtet, bei dem es um eine Zufahrt ging.<br />
Sieben Jahre später entschieden »Schultheiß und Richter« von<br />
Imnau eine Klage des Klosters Kirchberg gegen zwei Imnauer<br />
wegen eines Ackers, aus dem das Kloster Zinsen bezog. Die<br />
35
etreffende Urkunde wurde von Junker Volz von Weitingen<br />
besiegelt 16 .<br />
Nach dem Tode seines Onkels hatte Friedrich von Weitingen<br />
die Herrschaft Wehrstein geerbt, die gleichfalls hohenbergisches<br />
Lehen war, so daß er im Jahre 1483 von Erzherzog<br />
Sigmund von Österreich sowohl mit Wehrstein als auch<br />
Imnau belehnt wurde. Als er 1488 starb, erbten seine beiden<br />
Söhne Hans und Friedrich den gesamten Weitinger Besitz<br />
und 1489 wurden sie von Erzherzog Sigmund mit Wehrstein<br />
und Imnau belehnt. Bei einer Teilung fiel Imnau zwar an<br />
Wilhelm, doch verkaufte er das Dorf später an seinen Bruder,<br />
worauf dieser im Jahre 1507 von König Maximilian damit<br />
belehnt wurde. Nur ein Jahr später, am 13. März 1508,<br />
verkaufte Hans von Weitingen, der damals württembergischer<br />
Obervogt vorm Schwarzwald war, das Dorf Imnau um<br />
1600 Gulden an den Grafen Eitelfriedrich von Zollern 17 .<br />
Um das Bild abzurunden, sei erwähnt, daß Hans im Jahre<br />
1516 auch noch die Herrschaft Wehrstein samt dem Dorf<br />
Dettensee um 15000 Gulden an die Grafen von Zollern<br />
verkaufte. Allerdings ist es wegen dieser beiden Verkäufe zu<br />
Auseinandersetzungen mit Österreich gekommen, weil sie<br />
offenbar ohne lehensherrlichen Konsens erfolgt waren. Den<br />
Zollern wurden sogar die beiden Lehen entzogen, doch<br />
GERHARD EGER<br />
200 Jahre Kirche und Pfarrei Imnau<br />
Die Kaplanei Imnau<br />
Das Kapitel Haigerloch als kirchlicher Verband gehörte seit<br />
seiner Entstehung zum ehemaligen Bistum Konstanz. Diesem<br />
Kapitel zugeteilt war auch die große Urpfarrei Bierlingen,<br />
deren Kirche schon zu Beginn des 9. Jahrhunderts<br />
erwähnt wird. Bei dieser Pfarrei taucht Imnau als Kaplanei<br />
des Jakobus im Jahre 1468 im Subsidienregister auf. Kaplanei<br />
bedeutete, daß die Gemeinde keinen eigenen Pfarrer hatte<br />
und als Filiale von der Mutterkirche aus seelsorgerlich betreut<br />
wurde. Ein »Kirchlein« war im Ort vorhanden. Auch taucht<br />
bereits 1469 ein Kaplan der »Capellam Jakobi et Michaelis im<br />
Ort Ymenow« auf. Doch der wohnte nicht immer hier,<br />
obwohl die Pfründe ein eigenes Kaplaneihaus besaß. Er<br />
durfte bloß die heilige Messe lesen, zu anderen seelsorgerlichen<br />
Funktionen war er weder berechtigt noch verpflichtet.<br />
Die Gemeindeangehörigen mußten an Sonn- und Feiertagen<br />
den Pfarrgottesdienst in Bierlingen besuchen. Die hiesige<br />
Kirche hatte weder einen Taufstein, noch wurden in ihr das<br />
Allerheiligste und die hl. Öle aufbewahrt. Die Toten mußten<br />
in Bierlingen beerdigt werden, ebenso wurden die neugeborenen<br />
Kinder dort getauft. Kranke starben oft ohne die<br />
Sterbesakramente auf dem Weg dorthin oder bis der Pfarrer<br />
aus Bierlingen eintraf. Die schlechten Wege, die weite Entfernung<br />
und die Unbilden der Witterung hinderten besonders<br />
die Kinder, altersschwache und kranke Leute am Besuch der<br />
Gottesdienste. Die Jugend wuchs ohne Bildung und den<br />
nötigen Unterricht heran.<br />
Im Jahre 1683 wurden die verschiedenen Pfarreien Haigerlochs,<br />
Weildorf und Trillfingen zu einer Union zusammengeschlossen.<br />
Diese Pfarrei hatte nun 1 Pfarrer und 4 bis 5<br />
Kapläne. Aus dieser Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse<br />
ist zu entnehmen, daß der Oberfrühmesser von Haiger-<br />
36<br />
konnten sie sich schließlich mit Kaiser Maximilian einigen<br />
und ihren Besitz wiedererlangen.<br />
Anmerkungen:<br />
1<br />
Württ. Urkundenbuch Bd. 1 S. 284, Bd. 2 S. 391 ff. und Württ.<br />
Vierteljahreshefte 1887 S. 54f.<br />
2<br />
HStA Stgt A 516 Nr. 114 und 115.<br />
3<br />
Studien zur Geschichte der Grafschaft Zollern und ihrer Nachbarn,<br />
Stuttgart 1956, S. 28f. und 60.<br />
4<br />
Monumenta Hohenbergica Nr. 603.<br />
5<br />
K. O. Müller, Quellen zur Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte<br />
der Grafschaft Hohenberg, 1. Bd. (1953) S. 1 und 101.<br />
6<br />
E. Blessing, Stadt und Herrschaft Haigerloch im Mittelalter,<br />
Sigmaringen 1974, S. 64f. und 80-84.<br />
7<br />
Zs. für württ. Landesgeschichte 6 (1942) S. 89.<br />
8<br />
K. O.Müller, aaO.S. 134 und 142.<br />
' Mon. Höh. Nr. 683 und HStA Stgt. B 462 S. 728.<br />
10<br />
HStA Stgt. A 470 Nr. 402.<br />
11<br />
FAS, Haigerloch R 48 Nr. 7.<br />
12<br />
HStA Stgt. A 193 Bü 48.<br />
13<br />
HStA Stgt. A 470 Nr. 341 und 438.<br />
14<br />
HStA Stgt. B 31 Bü 394 und FAS, Haigerloch R 102 Nr. 16.<br />
15<br />
Die Investiturprotokolle der Diözese Konstanz aus dem 15. Jahrhundert,<br />
FDA 66 (1938) S. 420f.<br />
16<br />
StAS Ho 177 Nr. 54 und HStA Stgt. B 462 Nr. 479.<br />
17<br />
FAS, Ausgef. Akten Sigm. R 102 Nr. 7.<br />
loch jeden 3. Sonn- und Feiertag und wöchentlich eine hl.<br />
Messe in Imnau zu lesen, sowie Kinderlehre zu halten hat.<br />
Die Predigt wurde ihm freigestellt. Er erhielt dafür Einkünfte<br />
aus der Kaplanei. Doch konnte dieser Zustand die Bevölkerung<br />
auch nicht zufriedenstellen.<br />
Wahrscheinlich auf Betreiben der Gemeinde wurde die<br />
Kaplanei Imnau durch bischöfliche Urkunde vom 3. Januar<br />
1701 von der Oberfrühmeß Haigerloch getrennt und wieder<br />
von Bierlingen aus betreut.<br />
1705 unternahm die Gemeinde beim Bischof Johann Franz in<br />
Konstanz den Versuch, sich von der Mutterkirche zu lösen.<br />
Die Errichtung des Fürstenbaus 1733 gab erneut Gelegenheit,<br />
einen Anlauf für eine selbständige Pfarrei zu unternehmen.<br />
Neben den schon bekannten Gründen wird nun noch<br />
erwähnt, daß »Freunde des Landesfürsten im hiesigen Sauerbronnen<br />
ankommen und sie mit Leibesschwachheit befallen<br />
werden könnten, welcher dann bei den vorhandenen<br />
Umständen einer Filiale nicht auf die nötige Art begegnet<br />
werden könnte«.<br />
Das nächste Begehren wurde 1746 vorgebracht, daraufhin<br />
wurde der Pfarrei die »Provisiones« gestattet.<br />
Bei ihren ablehnenden Bescheiden führte die Kirchenbehörde<br />
stets denselben Grund an: Die Gemeinde ist mit ihren<br />
Einkünften nicht in der Lage, wirtschaftlich einen Pfarrer zu<br />
unterhalten.<br />
Gründung der Pfarrei<br />
Im Urbarium von 1817 ist darüber zu lesen: »Endlich erreichten<br />
die Bitten und Flehen ihr Ziel. Die höchsten Behörden<br />
beherzigten mit inniger Anteilnahme den verlassenen
Zustand der Gemeinde und sandten eine Kommission nach<br />
Imnau, welche am 15. September 1783 damit begann, die oft<br />
erhobenen Beschwerden der Gemeinde zu untersuchen.<br />
Viele Schwierigkeiten stellten sich den Verhandlungen, doch<br />
siegten die Gründe der Gemeinde und sie wurde endlich als<br />
selbständige Pfarrei erklärt.«<br />
Das Erectionsinstrument vom 5. Mai 1784 besiegelte die<br />
Trennung von der Mutterkirche Bierlingen. In 8 Punkten<br />
wurden die Bedingungen dieses Vertrages festgelegt, eine<br />
davon verpflichtete die Gemeinde Imnau, eine Entschädigung<br />
von 400 Gulden an die Pfarrei Bierlingen zu bezahlen.<br />
Die bischöfliche Behörde gestattete jedoch, daß mit Rücksicht<br />
auf die anderen finanziellen Opfer dieser Betrag nach<br />
dem Tode des ersten Pfarrers aus den Einkünften der Pfarrei<br />
an die Gemeindekasse zurückerstattet werden müsse.<br />
Die Hauptschwierigkeit der Verhandlungen war der künftige<br />
Unterhalt des neuen Pfarrers. Sein Einkommen wurde im<br />
Seperationsprotokoll vom 19. September 1783 festgelegt:<br />
An barem Geld Gulden Kreuzer<br />
Von der Gemeinde 20<br />
Von der hl. Fabrik (Heiligenpflege) 1 17<br />
Hellerzinsen 10<br />
Jahrtagen 10 28<br />
An Früchten von der Gemeinde<br />
4 Malter Veesen 20<br />
2 Malter Hafer 6 24<br />
An Gülten (Zinsen in Naturalien)<br />
1 Malter 10 Viertel Roggen 13<br />
2 Viertel Hafer 27<br />
An Fruchtzehnten<br />
Von 48 Jauchert 70 25<br />
An Heuzehnten<br />
20% Mansmaad 10 22<br />
Aus eigenen Gütern<br />
Ertrag aus 3V4 Jauchert Ackerfeld 35 32<br />
5 Mansmaad Wiesen 100<br />
An Holz<br />
Aus den Pfarrwaldungen 18 Klafter 54<br />
1800 Reisigbüschel 6<br />
Kraut- und Hanfland 4<br />
Diese Erträge standen bisher dem jeweiligen Kaplan zu.<br />
Daneben bezog der Pfarrer aus Bierlingen folgende Gefälle<br />
aus Imnau:<br />
Gulden Kreuzer<br />
Fruchtzehnten aus 7 Jauchert Acker 14 28<br />
Klee- und Heuzehnten 32<br />
Obst- und Krautzehnten 10<br />
Flachs-, Hanf-, Rübenund<br />
Kartoffelzehnten 12<br />
Blutzehnten (Geburt junger Tiere) 5<br />
Stolgebühren (Taufen, Trauungen u. ä.) 6<br />
2% Jauchert von der Gemeinde 30<br />
Daneben bewilligte die Gemeinde dem Pfarrer einen Platz für<br />
einen Küchengarten, auch durfte er so viel Vieh auf die Weide<br />
treiben als er halten konnte. Weiter wurde ihm das gleiche<br />
Recht beim Bürgernutzen, der Schäferei, dem Pferch und.der<br />
Beholzung zugestanden wie jedem Bürger.<br />
Das gesamte jährliche Einkommen des Pfarrers betrug demnach<br />
471 Gulden 23 Kreuzer (1 Gulden = 60 Kreuzer). Dabei<br />
muß aber bedacht werden, daß die Zehnten eine recht<br />
schwankende Einnahmequelle darstellten, da sie von der<br />
Fruchtbarkeit der Felder und den Preisen der Naturalien<br />
abhängig war.<br />
Der Einzug der Zehnten oblag dem Pfarrer selbst, was zu<br />
vielen Streitigkeiten mit der Gemeinde führte. So erging es<br />
dem ersten Pfarrer Weßner. Durch fehlerhafte Listen und<br />
Aufzeichnungen und der persönlichen Gleichgültigkeit sei-<br />
ner Vorgänger erhielt er nur einen Teil seiner Einkünfte, so<br />
daß er nie ein sicheres Einkommen hatte und sich auf die<br />
Ehrlichkeit und Unterstützung seiner Pfarrkinder verlassen<br />
mußte. Auch seinem Nachfolger erging es nicht anders.<br />
Spannungen um den Kleezehnten führten 1813 zum Streit,<br />
der zu Gunsten des Pfarrers entschieden wurde. Er war dann<br />
seiner Stelle so entleidet, daß er die Gemeinde ein Jahr später<br />
verließ.<br />
Um neuerliche Streitigkeiten zu vermeiden, wurde vom<br />
Pfarrer Sebastian Buick 1817 beim Oberamt der Antrag auf<br />
eine genaue Erhebung (Urbarium) aller Pfarrgefälle gestellt<br />
und auch bewilligt. Sie erbrachte in wesentlichen Punkten<br />
eine Erhöhung seiner Einkünfte.<br />
Die Pfarrkirche<br />
Bereits vor der jetzigen Kirche war in der Gemeinde ein<br />
»Kirchlein« vorhanden, das sich, wie 1778 berichtet, in einem<br />
solch baufälligen Zustand befand, daß es täglich einzustürzen<br />
drohte und die Schäden auch durch eine gründliche Reparatur<br />
nicht mehr zu beheben waren. Man faßte den Entschluß, eine<br />
ganz neue Kirche zu bauen. Dieses Vorhaben brachte allein<br />
vom künftigen Standort der Kirche große Probleme für die<br />
Bewohner. Man war sich des Platzes wegen sehr uneinig und<br />
eine fürstliche Kommission nahm die 3 vorgeschlagenen<br />
Plätze näher in Augenschein. Nach ihrem Bericht an den<br />
Fürsten vom 18. Mai 1778 ist die Rede von einem oberen<br />
Platz, welcher auch vom damaligen Dekan Waldraff gutgeheißen<br />
wurde. Nachteilig wurde daran die weite Entfernung<br />
zum Badehaus befunden. Ein weiterer Mangel war, daß erst<br />
wenige Jahre zuvor ein Wasserausbruch bei einem Gewitter<br />
viel Schaden an den umliegenden Behausungen verursachte.<br />
Es bestand die Befürchtung, ähnliches könnte sich wiederholen<br />
und das vom Berg stürzende Wasser dabei die Kirche<br />
beschädigen.<br />
Auch der Platz der alten Kirche stand zur Besichtigung an. Er<br />
wurde in dem Bericht ebenso abgelehnt, weil er folgende<br />
Mängel aufwies:<br />
- das bestehende Mesnerhaus müßte abgerissen und dafür<br />
ein neues gebaut werden,<br />
- es wäre notwendig allein für die neue Kirche wenigstens<br />
12 Schritte in den Berg zu graben, weil das neue Gebäude<br />
länger und breiter als das alte werden sollte. Weitere<br />
Abgrabungen wären notwendig, damit die hinteren Mauern<br />
vor Feuchtigkeit verschont blieben,<br />
- gegen den Berg könnten keine Fenster eingesetzt werden,<br />
damit während des Gottesdienstes durch herabfallende<br />
Steine kein Unglück eintrete,<br />
- der Baumeister Großbayer könnte sein Angebot nicht<br />
mehr halten und es wäre dann mit Kosten von 2500 wenn<br />
nicht gar 3000 Gulden zu rechnen.<br />
Auf dem dritten Platz steht das Haus des Kirchbiehler (auch<br />
Kirchbichler mögl.). Dieser würde es samt dem Hofraum<br />
unentgeltlich abtreten, wenn er dafür das alte Mesnerhaus<br />
und er sowie sein Sohn das Bürgerrecht der Gemeinde<br />
erhielte. Dieser Platz böte alle Vorteile, die für den Bau einer<br />
gesunden, schönen und dauerhaften Kirche gefordert werden.<br />
Ein Großteil der Einwohner wollte aber ihre Kirche, des<br />
Eigentümers wegen, nicht auf diesem Platz errichtet haben,<br />
dann lieber gar kein Gotteshaus.<br />
Es kam zu keiner Einigung mit den Kommissionsmitgliedern,<br />
so daß diese Angelegenheit wahrscheinlich von oben<br />
entschieden wurde.<br />
Man kann davon ausgehen, daß die heutige Kirche auf dem<br />
alten Kirchenplatz steht. Am 18. März 1778 bewilligte das<br />
Generalvikariat die Bitte der Gemeinde, »die Filialkirche von<br />
Imnau Pfarrei Bürlingen abzubrechen und aufzubauen, den<br />
Grundstein zu legen und zu segnen und für die Zeit des Baues<br />
37
auf einem Tragaltar zu zelebrieren«. Die Gottesdienste wurden<br />
während der Zeit des Aufbaus im Badehaus gehalten.<br />
Dieses hätte nicht geschehen brauchen, wenn die baufällige<br />
Kirche auf einem anderen Platz gestanden hätte. Die Fenster<br />
in der Wand gegen den Berg wurden möglicherweise durch<br />
eine Auffüllung des Platzes der alten Kirche ermöglicht. Die<br />
heutige Kirche steht wesentlich höher als die vorbeiführende<br />
Straße.<br />
Die Gemeinde schloß im Februar 1778 zu diesem Vorhaben<br />
einen Vertrag mit dem bekannten Baumeister Christian<br />
Großbayer aus Haigerloch ab. Von diesem ist auch noch ein<br />
Grundriß und eine Gesamtansicht an Plänen vorhanden.<br />
Jedoch stimmen diese mit dem ausgeführten Bau nicht überein.<br />
Mit dem Neubau wurde 1779 begonnen und 1783<br />
konnten die Arbeiten beendet werden. Bereits in der<br />
Anfangsphase zog Großbayer sich von dem Bau zurück.<br />
Einem Schriftstück vom 10. Mai 1779 ist zu entnehmen, daß<br />
»die löbliche Gemeinde Imnau entschlossen mit diesem<br />
Baumeister Matheis Pfeffer von birlingen einen acort von<br />
wegen diesem Kirchenbau zu machen«. Da aber der Maurermeister<br />
von Haigerloch noch eine Forderung von 50 Gulden<br />
habe, soll er sie auch erhalten.<br />
Auf diesem Schreiben machte Großbayer einen Tag später in<br />
Hechingen eine Anmerkung, die den Vorgang bestätigt.<br />
Darin heißt es u. a.: »Wenn die Gemeinde Imnau entschlossen<br />
ist, heuer noch zu bauen und ich unmöglich abkommen<br />
kann, so kann sie mit Wissen des Oberamts Haigerloch und<br />
mit Genehmigung mit mir wegen der ausgestreckten Unkosten<br />
abkommen. Da ist 320 Gulden bekommen habe, 341<br />
Gulden aber - ohne mein Verdienst - ausgelegt, so bin ich<br />
damit einverstanden, wenn sie mir noch 50 Gulden zuzahlen.<br />
Damit kann die Angelegenheit als erledigt angesehen<br />
werden.«<br />
Die Ausführung und Vollendung wird wohl von Pfeffer<br />
geleistet worden sein. Die Grunddisposition jedoch weist auf<br />
den Formenkreis Großbayers hin.<br />
Der Neubau der Kirche mußte von der politischen Gemeinde<br />
unter großen Opfern bezahlt werden. Damit wollte sie<br />
gleichzeitig ihren guten Willen unter Beweis stellen, einen<br />
eigenen Pfarrer unterhalten zu können. In der schon erwähnten<br />
Bewilligung des Generalvikariats wird erwähnt »dass, da<br />
diese Filialkirche früher vor allem für die Filialisten und von<br />
diesen gebaut wurde, nun auch die Kosten des neuen Baues<br />
sie allein belasten«.<br />
Möglicherweise war die lange Bauzeit auch durch Finanzierungsschwierigkeiten<br />
bedingt. Erst von den Jahren 1781 und<br />
1782 liegen Aufstellungen der Gemeinde für den Kirchenbau<br />
vor. Aus ihnen ist ersichtlich, daß 1781 für ein Kapital von<br />
1200 Gulden Zins bezahlt und weitere 150 Gulden samt Zins<br />
abgelöst wurden. Die Zinssätze lagen bei 3 bzw. 4 %. Weiter<br />
sind größere Beträge für Platten, Kalk, Gips, Schmiedearbeiten<br />
und den Stukkateur ausgewiesen. Auch mußte die<br />
Gemeinde für die Kirchenbauherren 2 Jahre lang je 5 Schafe<br />
auf der Weide laufen lassen.<br />
Am 5. August 1784 wurde das neue Gotteshaus durch<br />
Weihbischof Wilhelm Joseph Leopold von Baden feierlich<br />
eingeweiht und am folgenden Tag der neue Gottesacker, der<br />
um die Kirche angelegt war, eingesegnet. Der Friedhof ist<br />
dann 1831 an den jetzigen Platz außerhalb des Dorfes verlegt<br />
worden.<br />
Die Gemeinde hatte nun einen eigenen Pfarrer und ein neues,<br />
aber nicht vollendetes Gotteshaus. Es dauerte bis 1812, ehe<br />
Aloys Engelfried aus Mühringen den Auftrag erhielt, eine<br />
Orgel mit 8 Registern und 54 Claves zu bauen zum Preis von<br />
260 Gulden. Schwierigkeiten bestanden wegen der Ausfuhr<br />
aus dem benachbarten, nur 1 km entfernten Königreich<br />
Württemberg. Die Kirche war in den folgenden Jahren sehr<br />
38<br />
feucht, denn 20 Jahre später mußten große Teile der Orgel<br />
erneuert werden.<br />
Erst im Jahre 1824 konnte die Bevölkerung die Uhrzeit vom<br />
Kirchturm ablesen, denn Großuhrmachermeister Ackermann<br />
aus Eutingen installierte eine neue Uhr mit 2 Zeigwerken<br />
für 255 Gulden.<br />
Die ersten Hinweise auf Glocken stammen von 1829. Möglicherweise<br />
wurden erst 1899 die ersten Seitenaltäre, Josephsund<br />
Marienaltar, aufgestellt durch Altarbauer Hausch aus<br />
Horb, denn bei der großen Kirchenrenovation 1875 sind nur<br />
Kanzel, Hochaltar, Gestühl und Orgel aufgeführt. Dabei<br />
wurden besonders die Wände und Decken neu bemalt.<br />
Die Gemeinde hatte bereits damals Vorteile vom Badebetrieb,<br />
denn die Baukosten von 1459 Mark wurden aufgebracht<br />
von:<br />
Sammlung in der Gemeinde 803 Mark<br />
Badegäste und Herrschaften 636 Mark<br />
Opferstock in der Kirche 6 Mark<br />
Reparaturfond der Kirche 14 Mark<br />
Mit einer gründlichen Überholung des Hochaltars, er wurde<br />
in wesentlichen Teilen verändert oder neu gestaltet, wurde<br />
1879 die Renovation abgeschlossen.<br />
Die Bevölkerungsentwicklung machte es notwendig, das<br />
Gotteshaus und die Sakristei (sie war nur 7,5 qm groß) zu<br />
erweitern. Die Kirche bot Platz für 300 Personen. Pfarrer<br />
Sickinger, der 1925 in die Pfarrei kam, setzte sich tatkräftig<br />
für die Erweiterung ein. Schwierigkeiten bei der Planung<br />
brachte die Lage zum Berg. In der Kirche waren 2 Emporen,<br />
in Zukunft aber sollte der Übersichtlichkeit wegen nur noch<br />
eine vorhanden sein, dieser Umstand brachte einen weiteren<br />
Platzverlust mit sich. Nach vielen Varianten entschloß man<br />
sich, die Längswände bis zum Westabschluß des Turmes<br />
vorzuziehen, um so auch links und rechts neuen Platz zu<br />
gewinnen und auf der Empore Gelegenheit zur Aufstellung<br />
einer neuen Orgel zu erhalten.<br />
Die Pläne der Architekten Schilling und Lütkemeier aus<br />
Rottenburg wurden am 6. April 1934 genehmigt (Gebühr<br />
2,45 Mark). Der Voranschlag belief sich auf 16000<br />
Reichsmark, davon stiftete allein Pfarrer Sickinger 6000<br />
Mark. Nach Abrechnung beliefen sich die Kosten samt Orgel<br />
auf rund 24 000 Mark. Diese wurde von der Orgelbauanstalt<br />
Walcker aus Ludwigsburg aufgestellt, sie kostete 5400 Mark.<br />
Mit der Weihe des Anbaues mit Orgel wurde am 21. 10. 1934<br />
das 150jährige Jubiläum der Konsekration der Pfarrkirche<br />
verbunden. Die weltliche Feier fand im großen Kursaal des<br />
Stahlbades statt.<br />
Die jüngste große Renovation war unter Pfarrer Krämer, sie<br />
verschlang den stolzen Betrag von 280000 DM.<br />
Die beiden Weltkriege verlangten auch von der kleinen<br />
Kirche ihren Tribut. Jedesmal mußten Glocken und Orgelpfeifen<br />
an die Heeresverwaltung abgegeben und danach unter<br />
großen Opfern neu angeschafft werden.<br />
Kapläne und Pfarrer der Gemeinde<br />
Kapläne<br />
1469-1472 Arnold Kopp<br />
1472-1481 Ludwig Stainwand<br />
1481-1492 Georg Schärtlin aus Rottenburg<br />
1492-1497 Melchior Ower aus Wachendorf<br />
1497 Georg Schärtlin<br />
1520 Martin Pflüger<br />
Christopf Lyphain (keine Jahresangabe)<br />
1534-1547 Johannes Knechtlein (auch Hans Knecht)<br />
etwa 1550 Peter König<br />
1578 Michael Reuber<br />
1597-1615 Leonard Reyser
1615 Jakob Volk 1886 Kuno Schmid<br />
1672 Johann Balthasar Volk (später Stadtpfarrer in Haigerloch)<br />
1675 Johann Heinrich Salzhuber 1887 Pfarrstelle wird mit 2200 Mark ausgeschrieben<br />
1709 Johann Petrus Arnold 1887-1896 Otto Lenz<br />
1741 Johann Michael Weber 1897-1900 Friedrich Biermann Pfarrverweser<br />
1767-1775 Stephan Hammerbacher aus Rottenburg 1900-1906 Dr. Adolf Rösch<br />
1775-1784 Jakob Weßner aus Rottenburg<br />
(später Domkapitular in Freiburg)<br />
1906-1909 Sebastian Danner Pfarrverweser<br />
Pfarrer<br />
1909-1924<br />
1924-1925<br />
Hermann Schweizer<br />
Kaplan Karl Kreidler Pfarrverweser<br />
1784-1807 Jakob Weßner 1925-1936 Wilhelm Sickinger<br />
1809-1814 Augustin Pfister aus Gruol o. Heiligenzimmern 1936-1943 A. Waldenspul<br />
1814-1830 Sebastian Buick 1943-1946 W.Branner Pfarrverweser<br />
1831 Pfarrer Koz in Höfendorf für Imnau zuständig 1946-1949 L.Birkle<br />
1832 Pfarrverweser Zimmermann 1950 Pfarrer Reiber (stirbt nach 12 Tagen)<br />
1833-1847 Anton Back aus Haigerloch 1950-1955 Anton Volm aus Owingen<br />
1847 Fidel Stauggel 1955-1956 K. Enderle Pfarrverweser<br />
1847-1851 Karl Staudinger aus Sigmaringen 1956-1963 Wilhelm Frank<br />
1852 von Mühringen aus betreut 1963 Rudolf Kilian Pfarrverweser<br />
1853-1867 Franz Xaver Klaffschenkel aus Burladingen 1963-1981 Georg Krämer<br />
1867-1886 Valentin Sauter aus Langenenslingen seit 1981 Pater Otto Funk<br />
KARL WERNER STEIM<br />
Zur Baugeschichte der Kirche in Killer (Fortsetzung)<br />
Kirchenbeschreibung von 1865<br />
Im Zusammenhang mit der Baulasten-Ablösungsberechnung<br />
aus dem Jahr 1865 sind wieder interessante Daten über die<br />
Kirche überliefert 27 . Der Haigerlocher Baumeister Kapitzke<br />
erstellte eine genaue Baubeschreibung, aus der nachstehend<br />
zitiert ist, auch wenn es zu teilweisen Überschneidungen mit<br />
dem bisherigen Text kommt. Danach hatte das Langhaus der<br />
Kirche ein Länge von 63 Fuß, eine Breite von 35 Fuß und eine<br />
Höhe von 28,6 Fuß »zwischen dem Fußboden und dem<br />
Scheitel der gewölbartig verschalten und verputzten Balkendecke«.<br />
Die 3,3 Fuß starken Umfassungswände sind aus<br />
Kalkbruchsteinen in Kalkmörtel erbaut und innen und außen<br />
glatt verputzt. Auf beiden Seiten sind zwei Rundbogenfenster,<br />
deren Verglasung in hölzernen Rahmen durch Bleisprossen<br />
gefaßt ist. Am westlichen Giebel befinden sich zwei<br />
Emporen übereinander, von denen die untere 23,8 und die<br />
obere 15 Fuß vorgebaut ist. Die auf Unterzügen ruhenden<br />
Balkendecken werden durch hölzerne Säulen getragen und<br />
sind von unten mit Kalkmörtel glatt geputzt. Der innere<br />
Raum der Kirche enthält am westlichen Eingang und am<br />
Chor zwei Vorplätze, einen Mittel- und Quergang von 7 Fuß<br />
und zwei Seitengängen von 2,5 Fuß. Diese sind teils mit<br />
Kalksteinplatten, teils mit Ziegeln belegt. Der übrige Kirchenraum<br />
ist zur Aufstellung von 26 Kirchenbänken mit<br />
jeweils 11 Vi Fuß Länge benutzt. Der Fußboden unter<br />
denselben ist mit Brettern gedielt. Die östliche Giebelwand<br />
enthält den zum Chorraum führenden, in einer geschweiften<br />
Bogenlinie überwölbten Triumphbogen. Der nur drei Stufen<br />
erhöhte Chor ist 29,6 Fuß breit und 21,4 Fuß lang und von<br />
drei Fuß starken Umfassungswänden halbkreisförmig abgeschlossen.<br />
Zu beiden Seiten des Hochaltars befinden sich<br />
zwei Rundbogenfenster, deren Verglasung zwischen hölzer-<br />
. nen Rahmen in Blei gefaßt ist.<br />
An der Südseite ist die 8,9 Fuß breite und 17,6 Fuß lange, von<br />
massiven, 2 Vi Fuß starken Umfassungwänden eingeschlossene<br />
Sakristei angebaut, über der sich eine Paramentenkammer<br />
befindet, die mittels einem überwölbten Gang mit dem<br />
Chorraum in Verbindung steht. Von dort führt ein überdeckter,<br />
balkonartig angebauter Gang zur Kanzel.<br />
Das Dach, bestehend aus einem doppelt liegenden Dachstuhl<br />
mit mittlerer Hängewerkssäule ist bei siebenzolliger Lattung<br />
mit Flachziegeln gedeckt. Die Balkenlage, mit Ausnahme des<br />
Chors, mit Brettern belegt. Die vorstehend beschriebenen<br />
Gebäudeteile sind dem Anschein nach unter Benutzung alter<br />
Gebäudeteile in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts<br />
(falsch!) erbaut; doch ist die Ausführung im allgemeinen<br />
mangelhaft und auf die Auswahl der Materialien wenig<br />
Sorgfalt verwendet. Auch ist die Lage der Kirche an dem stark<br />
abhängigen Terrain nicht günstig. Namentlich die Umfassungswände<br />
des Chors, dessen Fußbogen etwa acht Fuß<br />
unter dem anliegenden Terrain liegt, haben durch das Eindringen<br />
der Erdfeuchtigkeit, die übrigen Umfassungswände<br />
aber an der Außenseite durch das Anschlagen des frei herabfallenden<br />
Regenwassers und durch die schädlichen Wirkungen<br />
des Frostes sehr gelitten und sind besonders am Fuß stark<br />
verwittert. Dadurch sind am Chor mehrfach Risse sichtbar.<br />
Schließlich ist die Innenausstattung der Kirche dürftig, Türen<br />
und Fenster undicht, und der Fußboden zum Teil ausgetreten<br />
und eingesunken. Kapitzke stellte fest, eine »Hauptreparatur«<br />
lohne sich wegen der hohen Kosten nicht mehr und regte<br />
einen Neubau mit »würdigerer Ausstattung« an.<br />
Der Hochaltar wurde wie folgt beschrieben: Er besteht aus<br />
einem gemauerten, mit Holz bekleideten Tisch von 8 Fuß<br />
Länge, 9 Fuß Breite mit einem niedrigen Aufsatz von Holz<br />
mit buntem, marmorartigem Ölfarbenanstrich und einfachen<br />
Vergoldungen. Die beiden in den Ecken neben dem<br />
Triumphbogen aufgestellten Seitenaltäre haben eine Länge<br />
von 6 Vi Fuß und eine Breite von 9 Fuß, im übrigen dieselbe<br />
Ausstattung wie der Hochaltar. Die an der südlichen Langseite<br />
angebrachte Kanzel, die durch einen Gang von der<br />
Paramentenkammer aus zugänglich ist, ist aus Holz im<br />
Achteck erbaut und besteht aus einem konsolenartig ausgebildeten<br />
Fußbogen und einer Brüstung mit zusammenge-<br />
39
stemmten Rahmen und gekehlten Füllungen. Die Kanzel hat<br />
einen weißen Ölfarbanstrich.<br />
Die 26 Bänke im unteren Kirchenraum sind jeweils 12 Fuß<br />
lang, aus Tannenholz, bestehend aus einer Sitzbank und<br />
einem Kniebrett; zwischen einfach profilierten Wangen aus<br />
eichenen, zweizölligen Bohlen. Vor denselben befinden sich<br />
vier Kinderbänke mit 8 Fuß Länge aus Tannenholz in etwas<br />
roher Ausführung. Außerdem sind zwei alte Chorstühle zu<br />
drei bzw. vier Sitzen mit Brüstung aus Tannenholz und<br />
farbigem Olanstrich vorhanden, ein Beichtstuhl in der nördlichen<br />
Ecke des Chores in sehr dürftiger Ausstattung ist<br />
bereits defekt.<br />
Der vor dem westlichen Giebel des Langhauses gelegene<br />
Turm ist in quadratischer Grundform von 27 Fuß, drei<br />
Etagen hoch und zwar die untere Etage von 11 Fuß Höhe mit<br />
4,5 Fuß, die obere Etage von 14 Fuß Höhe mit 2,5 Fuß<br />
starken Umfassungswänden erbaut und von außen glatt<br />
verputzt. Darüber befindet sich zwischen massiven Giebelwänden<br />
ein 18 Fuß hohes Satteldach aus Eichenholz, das bei<br />
sieben Zoll weiter Lattung mit Flachziegeln gedeckt ist. Die<br />
Etagen sind durch einfache, mit Brettern belegte Balkenanlagen<br />
abgeteilt; die obere enthält drei in Spitzbogen überwölbte<br />
Schalluken mit Sandsteingewändern.<br />
Im Oberen Geschoß des Turmes hängen in einem eichenen<br />
Glockenstuhl drei Glocken; die eine hat 42 Zoll Durchmesser<br />
und ist im Jahre 1832 gegossen, eine weitere hat 30 Zoll<br />
Durchmesser und ist bereits viermal umgehängt, sonst aber<br />
gut erhalten. Die dritte Glocke hat 21 Zoll Durchmesser,<br />
wurde 1857 umgegossen und ist gut erhalten.<br />
Die in der zweiten Etage des Turmes aufgestellte Uhr hat ein<br />
Gehwerk und ein Stundenschlagwerk, ist alt und vor 12 Jahren<br />
repariert worden.<br />
Die in der oberen Empore eingebauten Orgel hat sechs<br />
klingende Register, ein Manual und ein Pedal. Sie ist bereits<br />
sehr alt, verstimmt und in der Mechanik äußerst fehlerhaft.<br />
Dazu gehören zwei auf dem Dachboden der Kirche in einem<br />
Brettergehäuse aufgestellte Blasebälge von sechs Fuß Länge<br />
und drei Fuß Breite. Eine Orgelreparatur ist wegen des<br />
bedeutenden Kostenaufwandes nicht lohnend und es wird ein<br />
Neubau als notwendig erachtet. Der Baumeister berechnete<br />
einen Kirchenneubau auf 34200 Gulden für Material und<br />
Löhne sowie 6227 Gulden für Fronen. Dazu ist es freilich<br />
nicht gekommen. Die vielen interessanten Angaben können<br />
hier aus Platzgründen nicht näher untersucht und zum<br />
heutigen Zustand in Bezug gesetzt werden.<br />
Wie viele Kirchen in unserem Raum wurde die in Killer -<br />
wohl vor 1900 - stark farbig und mit überladenen Ornamenten<br />
ausgemalt (Kirchenmaler Sprissler aus Hechingen?). Der<br />
Hochaltar wurde ebenfalls Ende des 19. Jahrhunderts ausgeführt<br />
und störte den sonst ziemlich einheitlichen Kirchenraum".<br />
Im Jahre 1934 entschloß sich die Kirchengemeinde, die<br />
Kirche neu ausmalen und den ursprünglich lichten Eindruck<br />
wiederherstellen zu lassen 29 . Dafür und für die Erneuerung<br />
einiger Fenster reichten die Mittel aus. Landeskonservator<br />
Walter Genzmer schlug 1935 einige weitere Arbeiten vor.<br />
Hierzu gehörte in erster Linie die Entfernung des Hochaltars<br />
und Wiederverwendung des noch vorhandenen Tabernakels<br />
und des alten Altargemäldes. Ferner sollten fünf figürliche<br />
Plastiken instandgesetzt und neu gefaßt werden, der Ersatz<br />
der störenden neuen Kommunionschranke durch die teilweise<br />
noch vorhandene der Erbauungszeit, die Herstellung<br />
von neuen Rahmen für die Stationsbilder und die Abänderung<br />
der Lichtanlage vorgenommen werden. Auf den ebenfalls<br />
als wünschenswert bezeichneten Ersatz der farbigen<br />
durch weiß verglaste Fenster wurde mit Rücksicht auf noch<br />
lebende Stifter verzichtet. Genzmer berechnete die Kosten<br />
40<br />
auf 4800 RM, von denen die Gemeinde etwa 2600 RM<br />
aufbringen könnte. Der Minister für Wissenschaft, Erziehung<br />
und Volksbildung in Berlin bewilligte am 11. Juli 1935<br />
zu den Kosten der Instandsetzung eine Staatsbeihilfe von<br />
1800 RM, 400 RM bewilligte der Regierungspräsident von<br />
Sigmaringen.<br />
Restaurierung nach dem Erdbeben<br />
Nach dem starken Erdbeben vom 3. September 1978 wies der<br />
gesamte Bau Schäden solchen Ausmaßes auf, daß ein Erhalt<br />
des originalen Mauerwerks nicht oder nur mit zu hohem<br />
Aufwand möglich war. Darauf entschloß sich die Kirchengemeinde<br />
im Einvernehmen mit den Denkmalschutzbehörden,<br />
die Mauern bis in die Höhe der Decken im Langhaus und<br />
Chor abzutragen und neu aufzubauen. Dachstuhl und Decke<br />
wurden abgestützt und blieben somit unverändert 30 .<br />
Bemalungen an den Wänden, ein illusionistisch auf die<br />
Wände gemalter Seiten-und Hochaltar sowie verschiedene<br />
Darstellungen, Putten- Frauen- und Geißbockköpfe unter<br />
den einzelnen Kapitellen an den Jochbögen wurden von der<br />
Firma Restaurator Ernst Lorch jun. in Sigmaringen mittels<br />
Aufkleben einer Gaze und reversiblem, tierischem Leim vor<br />
dem Abriß vorsichtig abgenommen. Der rechte Seitenaltar<br />
war nach dem Beben so stark beschädigt, daß sich eine<br />
Abnahme nicht mehr lohnte. Die durch die Bauarbeiten<br />
gefährdeten Zwickelbilder wurden mit Leinengewebe gesichert,<br />
um ein möglichst schadloses Abstützen der Decke zu<br />
ermöglichen. Nach den Plänen der ursprünglichen Kirche<br />
wurden die neuen Mauern eingezogen. Die Öffnung vom<br />
Oratorium zum Chor wurde verschlossen. Der Boden im<br />
Chor war 1964 erneuert worden, im Langhaus war schon<br />
1964 ein Terrazzoboden. Es wurde ein heller Muschelkalkplattenboden<br />
verlegt. Die bei einer früheren Renovation<br />
begradigte, hölzerne Emporenbrüstung wurde bei dieser<br />
Baumaßnahme wieder nach altem Muster mit den vorgeschwungenen,<br />
verputzten Brüstungen versehen und mit<br />
Stuckrahmen verziert. Decke, Dachstuhl sowie der Sakristeianbau<br />
sind noch vom originalen Baubestand erhalten geblieben.<br />
Auch die von schmalen Stuckbändern umrahmten<br />
Zwickel- und Deckenbilder überstanden die Bauarbeiten,<br />
ohne sichtbare substanzielle Schäden aufzuweisen.<br />
Schwierig war die Restaurierung der Fresken an den Decken.<br />
Die als Folge der Alterung, wohl auch durch Erdbeben<br />
verursacht gelösten Putzteile an Bild und Deckenteilen,<br />
mußten gefestigt werden. Hierzu wurde an Stellen, an denen<br />
es möglich war, flüssiger Gips vom Dachboden aus, nach<br />
Entfernen der Holzdielen, auf die gelösten Bereiche nach<br />
vorausgehender Sicherung mit Stempeln an der Putzoberfläche<br />
von Bild- bzw. Deckenseite her, gegossen. An von der<br />
Rückseite nicht zugänglichen Stellen wurde durch kleine,<br />
vorgebohrte Löcher Gips gespritzt. Dieses Verfahren wurde<br />
hauptsächlich an den Zwickelbildern angewendet, die von<br />
oben nicht erreichbar waren.<br />
Eine früher angebrachte, störende Schraubensicherung - die<br />
Schraubenköpfe waren nicht eingelassen worden, sondern<br />
ragten einige Millimeter aus der Bildoberfläche hervor -<br />
konnte nach diesen Maßnahmen entfernt werden. Die an der<br />
Oberfläche entstandenen Risse wurden mit einem Gemisch<br />
aus Sumpfkalk und Kalkmehl verschlossen, größere Schäden<br />
wurden mit grobem Kalkmörtel verputzt. Nachdem die Risse<br />
verschlossen waren, wurden die Bilder gereinigt, was durch<br />
teilweise synthetische Überzüge sehr schwierig war. Danach<br />
wurden die Bilder mit schwacher Kaseinlösung mit Hilfe der<br />
Spritzpistole überzogen. Auch die nötigen Retuschen wurden<br />
mit Kaseinbindemittel und kalkechten Pigmenten ausgeführt.<br />
Der Schlußüberzug, der eine gleichmäßige Oberfläche<br />
herstellen soll, wurde ebenfalls mit Kasein vorgenommen.
Die Stuckrahmen mußten ebenfalls teilweise gesichert werden.<br />
Fehlende Teile sowie Risse wurden mit weißem Stuckgips<br />
ergänzt bzw. verschlossen. Bei der Reinigung der ockergold-gefaßten<br />
Rahmen erschien unter stumpf ockerfarbenen<br />
Fassungen eine ältere Schicht. Diese, ein lasierend auf weißem<br />
Gipsgrund hellockerfarbene Fassung, wurde freigelegt<br />
und ergänzt. Die begleitend in Olgold aufgeführte Lichtkante<br />
der Stuckrahmen mußte größtenteils neu ausgeführt werden.<br />
Auf die fertig gestrichenen Wände wurden die vor der<br />
Abnahme angefertigten Pausen angebracht und die Konturen<br />
mit Hilfe eines Farbbeutels neu aufgepaust. Die Altäre und<br />
Köpfe wurden anhand von Fotos und freigelegten Präparaten<br />
der originalen Fresken in Farbe und Ausführung rekonstruiert.<br />
Kasein ist auch hier das Bindemittel für die Bemalung.<br />
Die Neubemalung wurde im Tonwert heller als die Original<br />
gehalten, um sie im Kontrast der neuen Wandoberfläche<br />
anzupassen.<br />
Auch das Inventar wurde gereinigt, lose Farbpartikel wurden<br />
mit Leim fixiert, Fehlstellen mit Kreidegrund ausgefüllt und<br />
geglättet. Abgesplitterte Holzteile oder gelöste Teile wurden<br />
neu verleimt. Fehlstellen in der Farbgebung, Marmorierung<br />
der Altaraufbauten, Fassung der Skulpturen und Vergoldungen<br />
wurden retuschiert bzw. ergänzt und der originalen<br />
Oberfläche angeglichen. Das gesamte Inventar erhielt einen<br />
schützenden Überzug 31 .<br />
Anmerkungen<br />
1 Heimatbuch Jungingen. Hechingen 1976. S. 124-128.<br />
2 Elmar Blessing; Die Kirchen-, Kapellen und Altarpatrozinien für<br />
den Kreis Hechingen im Mittelalter und in der Neuzeit. Stuttgart<br />
1962. S. 141.<br />
3 S. Anm. 2.<br />
OTTO WERNER<br />
4<br />
Franz Haug und JOHANN ADAM KRAUS; Urkunden des Dominikanerinnenklosters<br />
Stetten im Gnadental. Beilage zum Hohenzollerischen<br />
Jahresheft. 1957. Nachtrag 26 zu U. 78.<br />
5<br />
Staatsarchiv Sigmaringen, Dep. Fürstl. Hohenz. Haus- und Domänenarchiv.<br />
6<br />
S. Anm. 2.<br />
7<br />
Monumenta Zollerana. 1. Band. Berlin 1852. S. 79, Nr. 196.<br />
8<br />
Ernst Lorch jun.; Bericht über die Restauration der Kirche in<br />
Killer.<br />
9<br />
S. Anm. 8.<br />
10<br />
Pfarrarchiv Hausen<br />
11<br />
S. Anm. 10<br />
12<br />
Eckart Hannmann und Karl Werner Steim; Christian Großbayer.<br />
Ein hohenzollerischer Baumeister des Spätbarock. Sigmaringen<br />
1982.<br />
13<br />
Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns. Band I: Kreis Hechingen.<br />
Hechingen 1939. S. 234-236. S. Anm. 8.<br />
14<br />
S. Anm. 10.<br />
15<br />
Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 235, I, X, H, Nr. 971<br />
16<br />
S. Anm. 8.<br />
17<br />
S. Anm. 13, S. 236.<br />
18<br />
S. Anm. 15.<br />
19<br />
S. Anm. 13.<br />
20<br />
S. Anm. 10.<br />
21<br />
S. Anm. 10.<br />
22<br />
S. Anm. 10.<br />
23<br />
S. Anm. 8.<br />
24<br />
Staatsarchiv Sigmaringen, Dep. Fürstl. Hohenz. Haus- und<br />
Domänenarchiv, NVA Nr. 9410.<br />
25 S. Anm. 10.<br />
26 S. Anm. 15.<br />
27 S. Anm. 24.<br />
28 S. Anm. 15.<br />
29 S. Anm. 15.<br />
30 S. Anm. 8.<br />
31 S. Anm. 8.<br />
Die »allgemeine Gesangschule« zu Hechingen (Schluß)<br />
Die Lehrer hätten u. a. vorgebracht, daß »die Abhaltung der<br />
Gesangschule im städtischen Schulgebäude mit dem öffentlichen<br />
oder Privatunterricht unvereinbar sei, und auf denselben<br />
störend einwirke. 5 « Die Lokalschulkommission hielt<br />
aber die vorgetragenen Gründe nicht für überzeugend,<br />
»indem der Gesangunterricht erst nach vollendetem öffentl.<br />
Unterricht ertheilt wird, und der Privatunterricht des Lehrers<br />
Bachmann ganz füglich in einem anderen Schulzimmer abgehalten<br />
werden kann. 6 « Auch die weiteren Gründe bezüglich<br />
der »Sträflinge« (Nachsitzer) und der Störung der Lehrer in<br />
ihren Wohnungen erschien der Kommission nicht erheblich<br />
genug, »um sie zu veranlaßen, den durch Verlegung des<br />
Gesangunterrichts in das Schulgebäude beabsichtigten guten<br />
Zweck der Bequemlichkeit der Lehrer aufzuopfern. 7 «<br />
Die Lokalschulkommission empfahl jedoch den Lehrern,<br />
sich wegen der Verlegung des Gesangunterrichts in die<br />
Rathausstube (wenigstens für den größten Teil des Jahres) an<br />
den Stadtrat zu wenden, da diese Abänderung nicht in der<br />
Befugnis der Kommission liege; sie sagte dazu den Lehrern<br />
aber ihre Unterstützung zu.<br />
Die Schullehrer ließen denn auch nicht locker. Mit Schreiben<br />
vom 20. August 1836 wandten sich Oberlehrer Reiner und<br />
Lehrer Bachmann in einem Gesuch an den Wohllöblichen<br />
Stadtmagistrat »durch Einräumung des Rathaussaales zu<br />
genanntem Zwecke, sowohl dem guten Fortgange des Unter-<br />
richts, als auch den häuslichen Verhältnissen der Lehrer,<br />
diese Erleichterung gütigst zu gewähren. 8 «<br />
Einführung einer allgemeinen Gesangschule<br />
In der Sitzung des Stadtrats und des Bürgerausschusses vom<br />
30. November 1836 sicherte man Wichtl von Seiten der Stadt<br />
zunächst zu, daß ihm jährlich 50 Gulden (von der Almosenpflege)<br />
überlassen werden sollten, falls er als öffentlicher<br />
Gesanglehrer angestellt werden würde. Wichtl hatte vorher<br />
die schriftliche Erklärung abgegeben, daß die von ihm von<br />
den Eintrittsgeldern eines Kinderoperettchens mit einem<br />
Kostenaufwand von 33 Gulden beschaffte Zimmerorgel in<br />
das Eigentum der Stadt überginge, falls die bestehende (private)<br />
Gesangschule einst aufhöre. Auf seine weitere Vorstellung<br />
wurde am 16. November 1837 seine Besoldung als<br />
künftiger Gesanglehrer auf 80 Gulden angesetzt.<br />
In einem Brief an Hochf. Regierung führt Wichtl ein Protokoll<br />
der Hechinger Regierung vom 20. April 1838 (Sitzung<br />
16. § 3.) an, worin hinsichtlich der allgemeinen Gesangschule<br />
u. a. auch beschlossen worden sei, »daß jedes hiezu befähigte<br />
Kind zum Besuch des wöchentlich in 2 Stunden vorzunehmenden<br />
Gesangunterrichtes gesezlich verpflichtet ist. 9 « Im<br />
Mai 1838 nahm die allgemeine Gesangschule ihren Lauf.<br />
Wichtl bekam als Besoldung schließlich jährlich 150 Gulden,<br />
- weniger als er als Privatlehrer verdiente, wie er sich ein Jahr<br />
41
später beklagte. Von den hehren Vorstellungen, die er noch<br />
1835 vertrat, mußte er jedoch bald Abstriche machen.<br />
Damals schrieb er: »... wir werden so Gott will den Nutzen<br />
davon erleben, unsere Jugend wird empfänglich werden für<br />
das Schöne, und es wird eine Zeit kommen, wo man nicht<br />
mehr nöthig haben wird, sie auf dem Rathause abzustrafen,<br />
sie werden an Sonn und Feyertagen nicht selten von der<br />
Langeweile geplagt, sich nicht so leicht dem Trünke, Spiel<br />
oder anderen Thorheiten und Laster hingeben, sondern sie<br />
werden sich ihre müßigen Stunden durch Gesang, und andere<br />
nützliche Kenntniße, für deren Erlernung der löbl. Magistrat<br />
in neuerer Zeit Sorge getragen hatte, vertreiben; doch Gesang<br />
wirkt am Mächtigsten auf das Gefühl! 10 «<br />
Bereits am 22. August 1839 beklagt er, es sei leider der Fall,<br />
»daß dieses Gesez [- die Pflicht zum Besuch der Gesangschule<br />
-] schon seit langer Zeit von einer großen Schülerzahl<br />
nicht befolgt wird. 11 «<br />
Die »gewöhnlichen Schulstrafen«, die »den betheiligten Kindern<br />
zuerkannt worden«, halfen wenig; deshalb sollte das<br />
Stadtamt die gesetzlichen Geldstrafen für Schulversäumnisse<br />
aussprechen. Weil dies aber nicht geschah, »in folge dieser<br />
Nachsicht«, so folgerte Wichtl, »ist es nun soweit gekommen,<br />
daß ich die nöthige Achtung, welche der Schüler dem<br />
Lehrer schuldig ist, gänzlich entbehre, u. es ist mir nicht mehr<br />
möglich, die nöthige Aufmerksamkeit herzustellen, weil,<br />
wenn ich mit Strenge auftrete, mir schon von vielen Kindern<br />
geantwortet wird >ich komme gar nicht mehr, ich darf nicht<br />
singen lernen !
Zwangsmaßregeln hinzuwirken, auch die Versäumniße des<br />
Musikunterrichts wie andere Schulversäumniße zu behandeln<br />
und zu rügen. 13 «<br />
Das Fürstl. Stadtamt kam dadurch in Zugzwang und mußte<br />
aufgrund der von Wichtl vorgelegten Versäumnislisten der<br />
Gesangschule Strafmaßnahmen ergreifen. So wurden die<br />
Eltern von 20 Schülern laut Schreiben vom 12. November<br />
1840 am darauffolgenden Samstag auf das Rathaus bestellt,<br />
ihnen die Zahlung der Strafe (2 kr pro Versäumnis) binnen<br />
drei Tagen bei Pfändungsvermeidung aufgegeben; auch<br />
wurde ihnen eröffnet, daß künftighin jedes Versäumnis mit<br />
zwei bis sechs kr Strafe angesetzt werde. Das evtl. gezogene<br />
Pfand komme am zweiten Tage darauf zum öffentlichen<br />
Verkauf. 14<br />
Aus einer »Petition« der Betroffenen an »Wohllöbliches<br />
Stadtgericht« v. 14. November 1840 wissen wir, daß mit der<br />
Bestrafung ernst gemacht wurde. Die »Petition« lautet: »Die<br />
ehrerbietig Unterzeichneten wurden heute von dem fürstlichen<br />
Stadtamte mit Strafe belegt, weil ihre Kinder im Gesangunterricht<br />
öfters fehlten. Ohne zu untersuchen, in wie weit<br />
dieser Unterricht für die Jugend nothwendig und zwekdienlich<br />
sey, erlauben die Unterzeichneten sich, hier nur anzuführen<br />
daß ihre Kinder weder Talent für diesen Lehrgegenstand<br />
besitzen, noch weniger aber, um aus dem angeführten<br />
Grunde Eifer und Liebe hiefür erzeigen. Beides ergibt sich<br />
aus den Fortschritten, welche diese bisher in dem Gesänge<br />
machten, und da es an den Haupterfordernissen fehlt, so ist es<br />
natürlich, daß die Fortschritte der übrigen Kinder nur<br />
gehemmt und nicht befördert werden. Deßwegen glauben die<br />
Unterzeichneten, daß es zwekdienlich seyn würde, wenn<br />
man die tauglichen allein zum Gesänge anhalten, und überhaupt<br />
nur Jenen diesen Unterricht ertheilen würde, die nicht<br />
sowohl mit ihrem eigenen, als auch und insbesondere mit<br />
dem Willen ihrer Eltern die Gesangschule besuchen wollen.<br />
Bey dieser Bestimmung würde dann aller Zwang wegfallen,<br />
und selbst gegen jene, die einmal aufgenommen worden,<br />
könnte mit Ernst und Strenge vorgefahren werden; so aber ist<br />
es gewiß nicht billig, daß die Eltern jederzeit gestraft werden,<br />
so oft ihre Kinder den Gesangunterricht, wofür sie gar nicht<br />
passen, nicht besuchen. Wie nachtheilig überhaupt Zwang<br />
und Strafe hier noch einwirken, ist leicht zu begreifen; freilich<br />
etwas anderes wäre, wenn dieser Unterricht für Heranbildung<br />
der Kinder zum bürgerlichen Leben unumgänglich<br />
nothwendig wäre; allein es ist dieses bekanntlich nicht der<br />
Fall und daher stellen wir an ein Wohllöbliches Stadtgericht<br />
die geziemende Bitte: das fürstl. Stadtamt zu veranlassen, die<br />
gegen uns erkannte Strafe aufzuheben und wegen Besuchs der<br />
Gesangschule andere Bestimmungen zu treffen. 15 «<br />
Durch ein Actum vom 18.July 1840 wird deutlich, wie<br />
Bestrafung und Pfändung durchgeführt wurden. Es heißt:<br />
»Josef Windlinger wurde vor wenigen Wochen wegen 3mal<br />
versäumter Singschule seines Stiefsohnes Franz Bailer mit 6<br />
kr bestraft, und ihm Zahlungsfrist von 3 Tagen resp. 24<br />
Stunden bei Pfändungsvermeidung gegeben, u. da er nicht<br />
Zahlung leistete ihm eine Tabakspfeife gepfändet. - Jos.<br />
Windlinger bringt vor, daß er seinen Sohn nicht in die<br />
Singschule schickte, und auch die Strafe nicht bezale, man<br />
möge die Pfeife verkaufen.« Hierauf wurde ihm eröffnet: »Da<br />
Jos. Windlinger den Schulgesezen hartnäkigen Troz bietet,<br />
und ebenso hartnäkig die Strafe von 6 kr verweigert, so wird<br />
beschlossen<br />
1. Zu Einlösung des Pfandes Frist von 24 Stunden a dato<br />
anzuberaumen nach fruchtlosem Ablaufe das Pfand<br />
öffentlich zu verkaufen, u. aus dem Erlöse die 6 kr Strafe<br />
abzuziehen, den Rest ihm zuzustellen<br />
2. Dem Windlinger für den Fall, daß er sein Stiefkind von der<br />
Singschule abhalte u. den Besuch derselben verweigere<br />
einen Thurmstrafe von 48 Stunden anzudrohen. 16 «<br />
In der Frage des allgemeinen oder freiwilligen Besuchs der<br />
Gesangschule folgte die Regierung mit folgender Begründung<br />
nicht den Vorstellungen Wichtls: »Bei Errichtung<br />
dieser Gesangschule hat man den wohltätigen Einfluß im<br />
Auge gehabt, welchen der Unterricht in der Musik auf die<br />
Gesittung der Jugend hervorzubringen so wohl geeignet ist. -<br />
Da man nun diesen Einfluß möglichst allgemein zu machen<br />
wünscht und vorauszusehen ist, daß falls der Besuch der<br />
Gesangschule der Willkühr der Eltern anheim gestellt wird,<br />
die Gesangschule sehr wenig Theilnehmer finden würde, so<br />
kann man auf den Antrag des Gesanglehrer Wichtl... nicht<br />
eingehen und ist daher Beschluß:<br />
daß es bei der gegenwärtigen Einrichtung der Gesangschule<br />
sein Verbleiben habe, wonach alle schulpflichtigen<br />
Kinder, sofern sie die erforderlichen Eigenschaften hiezu<br />
besitzen, die Gesangschule, gleich anderen Unterrichtszweigen,<br />
zu besuchen verpflichtet sein sollen. Das Fürstliche<br />
Stadtamt und die Localschul-Commihsion ist zugleich<br />
angewiesen, so viel von ihnen abhängt, den Kammermusikus<br />
Wichtl in seinem Amte als Gesanglehrer zu unterstützen<br />
und ersteres hat insbesondere die Versäumniße des<br />
Gesangunterrichts gleich jenen der übrigen Unterrichtsgegenstände<br />
stetsfort nach den bestehenden Vorschriften zu<br />
bestrafen, so daß eine Beschwerde des Gesanglehrers in<br />
dieser Beziehung nicht mehr veranlaßt wird. 17 «<br />
Dieser Beschluß wurde sowohl vom Schulvorstand als auch<br />
von den Vorständen des Stadtamtes »gelesen und beherzigt«.<br />
Die benötigten Gesangbücher<br />
Am 17. Mai 1839 zeigt Wichtl bei der Stadt an, daß drei<br />
Tabellen zur Gesangschule notwendig seien und daß die<br />
Lernmittel künftig gedruckt würden, welche armen Schülern<br />
aus städtischer Kasse angeschafft werden möchten. Der<br />
Stadtrat beschloß daraufhin am 28. Mai 1839, die drei Tabellen<br />
zur Anschaffung zu genehmigen, jede weitere Belastung,<br />
namentlich die Anschaffung gedruckter Lernmittel auf<br />
Kosten der Stadt, aber zurückzuweisen. Im Schreiben vom<br />
22. August 1839 an die Hochfürstliche Regierung bringt<br />
Wichtl deshalb vor, daß er genötigt ist, »Hochf.Reg. zu<br />
bitten, durch den Schulvorstande den Gesangschülern<br />
auftragen zu wollen: sich das nöthige Lehrbuch welches in<br />
der Ribl. Hofbuchhdl. für 2 kr gebunden zu haben ist anzuschaffen,<br />
u. dafür Sorge zu tragen, daß selbes unbemittelten<br />
Kindern aus städt. Mitteln angeschafft werde, welches das<br />
Stadtamt bei Errichtung der Gesangschule, laut ebenerw.<br />
Prot., auch eingegangen hat. 18 «<br />
Dazu meinte der Schulvorstand: »Was die Anschaffung von<br />
Büchern aus städtischen Mitteln anbelangt, so mag wohl<br />
solch ein Bedarf gewisser Lehrmittel zugesichert worden<br />
sein; Lernmittel hat aber die Stadt nicht versprochen, u. muß<br />
man den Ankauf derselben den Betheiligten überlassen. 19 «<br />
Doch auch in dieser Angelegenheit fand Wichtl die Unterstützung<br />
der Regierung. In der Sitzung vom 9. Juni 1840<br />
wurde die Beschwerde des Gesanglehrers Wichtl, »wegen<br />
von Seite des Stadtrats verweigerter Anschaffung des Löhle-<br />
'schen Lehrbuches für arme Schulkinder« behandelt und<br />
beschlossen, »in sofern der Localschulfond zu Bestreitung<br />
der für arme Schulkinder benöthigten Bücher p. p. nicht<br />
vermögend ist,« sei die Stadtgemeinde »verbunden, die erforderlichen<br />
Lehrbücher und somit auch das Löhle'sche Lehrbuch<br />
für unbemittelte Gesangschüler auf Kosten der Stadtrechnerei<br />
ungesäumt anzuschaffen. 20 «<br />
Am 2. März 1841 berichtet die Lokalschulkommission an die<br />
Höchstfürstliche Regierung, daß »aus städtischen Mitteln<br />
den armen Gesangschülern die benöthigten Gesangbücher<br />
angeschafft u. die Kinder der vermöglicheren Eltern ermahnt<br />
wurden, sich die fraglichen Bücher aus eigenen Mitteln zu<br />
43
kaufen, welches auch von dem größten Theile derselben<br />
geschehen ist. 21 «<br />
Durch die ständigen Beschwerden Wichtls bei der Fürstlichen<br />
Regierung war der Schulvorstand gezwungen, sich zu<br />
rechtfertigen; so auch hier: »Daß der Schul-Vorstand dem<br />
Gesanglehrer Wichtl auf seine Klage >mehrere der vermöglichen<br />
Kinder hätten noch keine Gesangbüchlein< erwiderte:<br />
>Man könne die Leute nicht wohl zwingen< - ist allerdings<br />
richtig; allein hiermit hat der Schulvorstand blos seine subjective<br />
Ansicht ausgesprochen. - Können und werden jedoch die<br />
fraglichen Eltern durch die weltliche Obrigkeit zur Anschaffung<br />
der bezeichneten Bücher gezwungen, so hat er, wie<br />
natürlich und billig, nichts dagegen einzuwenden. 22 «<br />
Im Jahr 1843 schließlich erschien in Stuttgart bei Karl Erhard<br />
ein von Wichtl verfaßtes Lehrbuch. Es trägt den Titel:<br />
»Theoretisch-praktische Anleitung zum gemeinschaftlichen<br />
Gesangunterrichte in Volksschulen und anderen Lehranstalten.<br />
Nebst vier und achtzig neuen ein-, zwei- und dreistimmigen<br />
Liedern und Gesängen. Verfaßt und in vier Abtheilungen<br />
geordnet von Georg Wichtl, Fürstlich Hohenzollernschem<br />
Kammermusikus, und städtischem Gesanglehrer in<br />
Hechingen. Gesetzlich eingeführt in den Fürstlich Hohenzollern-Hechingenschen<br />
Schulen. 23 « Es ist »Seiner Hochfürstlichen<br />
Durchlaucht dem Fürsten und Herrn Herrn<br />
Friedrich Wilhelm Constantin, regierenden souverainen Fürsten<br />
von Hohenzollern-Hechingen, Burggraf zu Nürnberg,<br />
Herzog von Sagan... ehrfurchtsvoll und unterthänigst zugeeignet<br />
vom Verfasser.«<br />
Wichtl bestand nun umsomehr auf der Anschaffung, da es<br />
sich ja nun um sein Werk handelte. Die Fürstl. Oberschulkommission<br />
wies daraufhin die Lokalschulkommission an:<br />
»Nachdem mehrere hiesigen Schulkinder (etwa 30 an der<br />
Zahl) den Wichtl'schen Gesangunterricht noch nicht angeschafft<br />
haben, und somit die durch Beschlußnahme Fürstl.<br />
Regierung angeordnete Einführung dieser Gesangbücher<br />
nicht erfolgt ist, so wird die LokalSchulCommihsion daran<br />
seyn, die erwähnte und unterbliebene Anschaffung durch<br />
geeignete Maaßnahme zu bewerkstelligen. Hechingen den<br />
25.ten Nov. 1843.« Das Stadtamt aber meinte: »Nach der<br />
Verfügung f. Regg. v. 4. July 1. J., Verdgsblatt Nr. 27. ist<br />
zwar fragl. Lehrbuch für alle Schulen des Fürstenthums als<br />
solches vorgeschrieben; allein damit wurde nicht verfügt, daß<br />
auch die einzelnen Schüler diese Anleitung zum Gesangunterrichte<br />
anzuschaffen gehalten seien, weshalb man sich nicht<br />
veranlaßt sehen kann, den verzeichneten Schülern, resp.<br />
deren Eltern, die Anschaffung dieses Lehrbuches anzubefehlen.<br />
Hech. d. 23. Nov. 43. F. Stadtamt. 24 «<br />
Die Oberschulkommission gab sich damit nicht zufrieden.<br />
»Auf den Bericht der LocalSchulCommihsion dahier (die<br />
Anschaffung des Wichteischen Gesangbuches für mehrere<br />
hiesigen Schulkinder betreffend)« erwiderte sie, »daß, in<br />
sofern der LocalSchulCommihsion obliegt, für den Unterricht<br />
der Schuljugend überhaupt, und somit auch für den<br />
Gesangunterricht Sorge zu tragen, es auch ganz gewiß in ihrer<br />
Competenz liegen müße, für die Mittel besorgt zu seyn,<br />
wodurch solcher Unterricht erzielt werden kann. Weil aber<br />
Schulbücher für den Unterricht unentbehrlich sind, so muß<br />
auch die Anschaffung der nothwendigen Bücher für den<br />
Gesangunterricht Seitens der LocalSchulCommihsion angeordnet,<br />
und durch die zu Geboth stehenden Mittel verwirklicht<br />
werden. 25 « Da die Lokalschulkommission aber keine<br />
Exekutivgewalt besaß, gab sie die Erwiderung dem F. Stadtamte<br />
zur Kenntnis zur weiteren Verfügung. Dieses blieb aber<br />
bei seinem Standpunkt, die einzelnen Schüler zur Anschaffung<br />
der Wichtischen Gesangschule nicht durch Zwangsmaßnahmen<br />
anhalten zu können. - Wichtl war sehr erbost und<br />
schrieb: »Wenn die Anschaffung der nöthigen Lehrbücher<br />
44<br />
für die namhaft gemachten Schüler nicht ehestens statt findet,<br />
so bin ich genöthigt, diese von der Gesangschule auszuschließen.<br />
Hechingen den 11. 1. 44. 26 «<br />
Wichtls Rückblick<br />
Im Vorwort zu seinem Lehrbuch für den Gesangunterricht<br />
betrachtet Wichtl rückblickend die Gesangschule. Er<br />
schreibt: »Im Sommer 1934 machte ich den Versuch, hier in<br />
Hechingen eine bis dahin gänzlich fehlende Gesangschule für<br />
Kinder zu errichten, hierbei beabsichtigend: die Lust und<br />
Liebe zum Gesänge im Allgemeinen zu wecken, vorerst aber<br />
die liebe Jugend mit dem Schönen und Nützlichen desselben<br />
bekannt zu machen. Mein Unternehmen fand bei denen,<br />
welche den Gesang auch vorzugsweise als Bildungsmittel<br />
betrachten, die freundlichste Aufnahme, und so meldeten<br />
sich denn gleich acht Zöglinge, mit welchen ich sofort den<br />
Unterricht begann. Nach einem halben Jahr veranstaltete ich<br />
mit ihnen die erste öffentliche Prüfung, und das Resultat<br />
derselben fiel so günstig aus, daß sich sogleich die Zahl der<br />
Schüler um das Doppelte vermehrte. So wuchs denn auch die<br />
Theilnahme zusehends, bis im dritten Jahre meine Privatanstalt<br />
gegen 40 Schüler zählte. ... Meine Idee: durch die<br />
Errichtung der »Gesangschule« und des »Singvereins« die<br />
Lust und Liebe zum Gesänge im Allgemeinen zu wecken,<br />
fand sich zu meiner Freude nun schon verwirklicht; denn es<br />
wurde mir um diese Zeit von Seite des fürstlichen Stadtamtes,<br />
mit Genehmigung fürstlicher Regierung, der ehrenvolle<br />
Antrag gemacht, in den hiesigen Elementarschulen eine<br />
»Allgemeine Singschule« zu gründen, und die Leitung derselben<br />
zu übernehmen. Unser Durchlauchtigster Fürst, stets für<br />
die Kunst erglühend, den wohlthätigen Einfluß des Gesanges<br />
auf die Veredlung des jugendlichen Gemüthes aber besonders<br />
in's Auge fassend, unterstützte dieses Unternehmen auf eine<br />
erhabene Weise.<br />
Es sind nun vier Jahre vorüber, seitdem ich dieser Anstalt<br />
vorstehe, und der Gesangkurs nach meinem, bei der Errichtung<br />
derselben entworfenen Plane, zum erstenmal durchgemacht.<br />
Die ehrenvolle Anerkennung welche von unserer<br />
gnädigsten Herrschaft, wie von allen andern, den jährlichen<br />
Gesangprüfungen Anwohnenden, den Leistungen meiner<br />
Schüler - laut öffentlichen Blättern - zu Theil wurde, veranlaßte<br />
mich, diese meine von Sachverständigen äußerst<br />
bewährt gefundene, und von fürstlicher Regierung als Lehrbuch<br />
für die Hohenzollern-Hechingen'schen Schulen gesetzlich<br />
bestimmte Methode hiermit der Öffentlichkeit zu übergeben,<br />
mit dem innigsten Wunsche: daß dieselbe auch an<br />
andern Schulen und Lehranstalten diejenige Würdigung finden<br />
möchte, welcher sie sich bereits in meinem Wirkungskreise<br />
zu erfreuen hatte!<br />
Hechingen, im März 1843. Georg Wichtl.«<br />
Bleibt zu hoffen, daß fernerhin und andernorts Sachverstand<br />
und pädagogisches Geschick besser in Einklang standen.<br />
Anmerkungen<br />
1 Allgemeine Schulordnung. S. 7. Lagerort: HHB Hechingen, No<br />
H. 50<br />
2 Schreiben Wichtls an Hochfürstliches Stadtamt v. 9. Sept. 1835 -<br />
SAH Bd. 122 »Einführung einer allgemeinen Gesangschule betr.<br />
R. No. 18« Rubrik: Pfarr- u. Schuldienste. Nr. 3/ Aktenstück 7-<br />
Daraus auch die folgenden Zitate.<br />
3 Aus einem Schreiben der Lehrer Reiner und Bachmann v. 20.08.<br />
1836 an den Stadtmagistrat. -SAH Bd. 122-s. o. - Aktenstück 15.<br />
4 Schreiben der Oberschulkommission an die Lokalschulkommission<br />
v. 30.Juli 1836. SAH Bd. 122 - s.o. - Aktenstück 12.<br />
5 LokalschulCommißion. 11.08. 1836. - SAH Bd. 122 - s.o. -<br />
Aktenstück 14.<br />
6 Ebenda.<br />
7 Ebenda.
8<br />
S. Fußnote 3<br />
9<br />
Schreiben Wichtls an Hochf. Regierung v. 22. Aug. 1839 - SAH<br />
Bd. 122 - s. o. - Aktenstück 6.<br />
10<br />
Siehe Fußnote 2.<br />
11<br />
Schreiben Wichtls an Hochf. Regierung - SAH Bd. 122 - s.o. -<br />
Aktenstück 6. - Daraus auch die folgenden Zitate.<br />
12<br />
Stadtpfarrer Bulach an Hochf. Regierung Dahier. - Schreiben vom<br />
2. Nov. 1839 - SAH Bd. 122 - s. o. - Aktenstück 8. - Daraus auch<br />
die folgenden Zitate.<br />
13<br />
Auszug aus dem Hochfürstlichen-Regierungs-Protokoll vom 3.<br />
März 1840. Sitzung Nro. 7. §. 11. - SAH Bd. 122 - s.o. -<br />
Aktenstück 4<br />
14<br />
Verzeichniß der Versäumniße der Gesangschüler seit dem 12ten<br />
September mit der Notiz des Fürstl. Stadtamtes (gezeichnet Stehle)<br />
vom 12. November 1840 - SAH Bd. 122 - s. o. - Aktenstück 10<br />
15<br />
SAH Bd. 122 - s. o. - Aktenstück 7<br />
16<br />
Actum. Hechingen den 18. July 1840. Bei f. Stadtamte! - SAH<br />
Bd. 122 - s.o. - Aktenstück 17<br />
STEPHAN WIEST<br />
17<br />
Auszug aus dem Hochfürstlichen Regierungsprotokoll. Hechingen<br />
den 6. April 1841 Sitzung Nro. 20. §. 23. - SAH Bd. 122 - s. o.<br />
- Aktenstück 1.<br />
18<br />
SAH Bd. 122 - s.o. - Aktenstück 6<br />
19<br />
Siehe Fußnote 12<br />
20<br />
Auszug aus dem Hochfürstlichen Regierungsprotokoll vom 9.ten<br />
Juni 1840. Sitzung Nro. 23. §. 2.-SAH Bd. 122-s. o.-Aktenstück<br />
11<br />
21<br />
Schreiben der Local-Schul-Commihsion an Hochfürstl. Hochpreisl.<br />
Regierung dahier v. 2. März 1841 »Eine beschwerende<br />
Eingabe des Gesanglehrer Wichtl betreffend«. - SAH Bd. 122 -<br />
s. o. - Aktenstück 5<br />
22<br />
Ebenda<br />
23<br />
Lagerort: HHB Hechingen No. K. 86.<br />
24<br />
Lagerort: SAH Bd. 122 »Die Anschaffung des Gesanglehrbuchs<br />
von G. Wichtl betr.« / Aktenstück 3<br />
25 Ebenda. Aktenstück 2<br />
26 Ebenda. Aktenstück 5<br />
Streit zwischen Herrschaft und Gemeinden vor 150 Jahren<br />
im Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen<br />
am Beispiel der Friedhofsverlegung in Walbertsweiler<br />
1. Politische Verhältnisse in der ersten Hälfte des vorigen<br />
Jahrhunderts<br />
»Wer nach Wurzeln demokratischen Lebens in den Hohenzollerischen<br />
Landen sucht, wird zunächst auf die Jahrhunderte<br />
währende Renitenz der geplagten Bauern im nachmaligen<br />
Fürstentum Hohenzollern-Hechingen stoßen« 1 . Dort<br />
»sind die seit 1584 aus Bauernrevolten hervorgegangenen<br />
Untertanenkonflikte zu erwähnen, die bis zum Ende des<br />
alten Reiches andauerten. Wohl in keinem anderen Territorium<br />
weist der Abwehrkampf der bäuerlichen Untertanen<br />
gegen die staatliche Verwaltung eine solche Beständigkeit<br />
auf« 2 .<br />
Dabei ging es vor allem um fünf Streitpunkte: um freie Pirsch;<br />
Jagd- und Hagfronen; Leibeigenschaft mit Abgaben; Steuern;<br />
herrschaftliche Monopole im Einzelhandel und beim<br />
Bierbrauen 3 .<br />
Von solchen jahrhundertelangen Kämpfen zwischen Untertanen<br />
und Landesherren weiß die Geschichte im Fürstentum<br />
Hohenzollern-Sigmaringen nicht zu berichten. »Dafür sind<br />
zwei Gründe zu nennen: die Bevölkerungsdichte war geringer<br />
als im stammverwandten Hechinger Bereich und die<br />
landwirtschaftliche Nutzfläche, war, vor allem im Oberland,<br />
größer und ergiebiger. Auch bestand das tiefe Mißtrauen der<br />
Untertanen gegen ihre Herrschaft hier nicht. 4 « Oft wurde<br />
das ehemalige patriarchalische System für besser gehalten.<br />
Dafür ein Beispiel: »Einst bat eine Frau den Fürsten Anton<br />
Aloys (1785-1831) um Befreiung ihres Sohnes vom Militärdienst.<br />
Als der Fürst erwiderte, er wolle dies zuvor mit seinen<br />
Räten besprechen, sagte die Frau: i hau gmoint, Sie seied<br />
alloin Moaster! 5<br />
Das Bedürfnis nach politischen Rechten war gering. Wenn<br />
Leute aufbegehrten, ging es um materielle Fragen, um Auflagen,<br />
Fronen und Abgaben. Ein bezeichnendes Beispiel für<br />
eine beharrliche Auflehnung ist der Widerstand der Gemeinden<br />
Walbertsweiler und Kappel von 1828 bis 1835 gegen die<br />
erzwungene Neuanlage eines Friedhofes außerhalb des Ortes<br />
und die Übernahme der Kosten dafür. Die jahrelange Auseinandersetzung<br />
zeigt auch, wie damals »die Rechtspflege ein<br />
Teil der Verwaltung war und man eine Trennung von Justiz<br />
und Verwaltung nicht kannte« 6 . Die Oberämter waren<br />
zugleich erste Rechtsinstanz und die Richter des Hofgerichts<br />
gehörten zugleich der Regierung and. Erst das durch Staatsvertrag<br />
von 1824 auch für Sigmaringen zuständige Obertribunal<br />
in Stuttgart entsprach in etwa unserem Grundsatz der<br />
Gewaltenteilung.<br />
2. Die Lage der Friedhöfe<br />
Das Vorrecht von Geistlichen und Adeligen, in Kirchen<br />
bestattet zu werden, war Ende des achtzehnten Jahrhunderts<br />
weitgehend beseitigt worden, zuerst 1776 in Frankreich, in<br />
Preußen durch das 1794 in Kraft getretene allgemeine Landrecht.<br />
Die für die Allgemeinheit gewählten Bestattungsstätten<br />
lagen als »Gottesacker« um das Gotteshaus herum und<br />
genossen ebenfalls dessen Schutz und Imunität. Die schon<br />
zur Zeit der Reformation auftretenden Bestrebungen, den<br />
Friedhof von der meist in der Ortsmitte liegenden Kirche aus<br />
gesundheitlichen Gründen zu trennen und außerhalb des<br />
Wohnbezirks anzulegen, waren wenig erfolgreich. Noch bis<br />
ins neunzehnte Jahrhundert hinein finden sich Neuanlagen<br />
von Kirche und Gottesacker in enger Verbindung miteinander.<br />
Im Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen sah eine Verordnung<br />
vom 6. Mai 1835 die Verlegung der Friedhöfe aus den<br />
Ortschaften erstmals vor. Danach sollten diese auf »500<br />
Schritt oder 1250 Fuß von den äußersten Wohngebäuden<br />
entfernt und möglichst erhaben nordöstlich und an trockenen<br />
Orten angelegt werden. Die Seite gegen den Ort ist mit<br />
Bäumen zu bepflanzen« 1 . Wegen der Behinderung des Luftzuges<br />
durch Baumpflanzungen scheinen noch Bestimmungen<br />
aus dem französischen Nachbarlande nachgewirkt zu haben,<br />
wenn auf ein Dekret vom 23. praerial 8 Bezug genommen<br />
wird: »On fera les précautions convenables pour ne point la<br />
circulation des aires« (Man wird Pflanzungen anlegen und<br />
dabei angemessene Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um die<br />
Luftbewegung in keiner Weise zu behindern).<br />
Ein neuer Entwurf vom 7. August 1835 setzte die Entfernung<br />
auf 1000 Fuß fest und verlangt: »Die Plätze werden vom<br />
Oberamts-Physikus im Einvernehmen mit dem Ortsvorsteher<br />
bestimmt. Die in den Orten gelegenen Friedhöfe sind<br />
längstens binnen drei Jahren auf die Entfernung von 1000 Fuß<br />
45
Die kleine Glocke im Turm der neuen Halle stammt aus dem<br />
13. Jahrhundert.<br />
zu verlegen. Alte Friedhöfe sollen fünf Jahre lang geschlossen<br />
bleiben und erst nach zehn Jahren wieder benützt werden.<br />
Baumpflanzungen sind binnen zehn Jahren anzulegen, wenn<br />
nach Ansicht des Physikus sie der Lüftung nicht nachteilig<br />
erscheinen. Der ganze Platz ist mit einer wenigstens 4'hohen,<br />
verhältnismäßig dicken Mauer mit einem verschließbaren<br />
Eingangstor zu umgeben.« 9<br />
Weitere Vorschriften befassen sich mit der Leichenaufbewahrung,<br />
der Leichenschau sowie mit dem Verbot von Mißbräuchen<br />
wie »zum Ende rufen« oder mit lautem gemeinsamen<br />
Gebet vor dem Haus des Sterbenden während der Austeilung<br />
der Sterbesakramente. Eine Ergänzung vom 11. August 1835<br />
setzt die Entfernung auf 600 Fuß (300 Schritt) herab. Eine<br />
Abänderung vom 12. Februar 1835 nimmt jene Bestimmungen<br />
heraus, die sich gegen religiöse Gewohnheiten und<br />
Empfindungen der Bevölkerung richten könnten. Am<br />
11. März 1835 wurde die Vorlage beschlossen.<br />
Völlig unverständlich und nicht festzustellen ist es, warum<br />
die Gemeinden Walbertsweiler und Kappel vom Fürstlichen<br />
Oberamte Wald mit Unterstützung durch die Regierung<br />
schon Jahre vor dieser Verordnung zur Neuanlage eines<br />
Friedhofes außerhalb des Ortes gezwungen wurden. Nach<br />
einer im Jahre 1983 durchgeführten Erhebung, für deren<br />
Ergebnis besonders Herrn Bürgermeister Pius Widmer in<br />
Inzigkofen und seinen Kollegen in den Gemeinden des<br />
früheren Landkreises Sigmaringen gedankt sein soll, befinden<br />
sich heute nach über einhundertundfünfzig Jahren von 54<br />
Friedenhöfen in diesen Gemeinden noch 24, das sind rund 45<br />
Prozent bei der Kirche im Wohnbereich. So kann unterstellt<br />
werden, daß es nicht nur oder gar nur in erster Linie um<br />
gesundheitspolitische Maßnahmen in den von nachjosephinistischen<br />
Aufklärungsideen beeinflußten Jahrzehnten ging.<br />
Lage der Friedhöfe im ehemaligen Landkreis Sigmaringen<br />
nach einer Erhebung im Jahre 1983<br />
Im Bereich der Kirche und des Wohnbereiches<br />
Bachhaupten, Beuron, Billafingen (1975 erweitert), Bingen,<br />
46<br />
Benzingen, Einhart, Esseratsweiler, Hausen a. A., Hermentingen,<br />
Kaiseringen, Kettenacker, Langenenslingen (1972<br />
erweitert), Rulfingen Siberatsweiler, Sigmaringendorf, Steinhilben,<br />
Storzingen, Straßberg, Thalheim, Thiergarten,<br />
Trochtelfingen, Veringendorf, Veringenstadt, Vilsingen, (24)<br />
Abseits der Kirche, außerhalb des Wohnbereiches (seit)<br />
Ablach (1830), Bärental, Bittelschieß, Dietershofen (1840),<br />
Feldhausen (19. Jahrhundert), Frohnstetten (1898), Gammertingen<br />
(1830), inzwischen vom Wohnbezirk eingeholt,<br />
Gutenstein (1840), Habsthal (um 1900), Harthausen<br />
a. d. Sch., Hettingen (vom Wohngebiet eingeholt), Hochberg,<br />
Inneringen, Jungnau (1828, vorher in Veringendorf),<br />
Krauchenwies (vor 1900), Laiz (1972, ehem. kirchlicher<br />
Friedhof bis 1997 geräumt), Levertsweiler, Liggersdorf,<br />
Magenbuch, Mindersdorf, Neufra (um 1860), Oberschmeien<br />
(1820), Ostrach, Otterswang (1848), Ringgenbach, Sigmaringen<br />
(um 1825), Tafertsweiler, Unterschmeien, Walbertsweiler<br />
(um 1835), Wald (um 1870), (31)<br />
3. Streit der Gemeinden mit Ämtern und Erstinstanzen<br />
Aus der schon acht Jahre vor der Regierungsverordnung von<br />
1835 erzwungenen Anlegung eines Friedhofes in Walbertsweiler<br />
entstand ein jahrelanger Rechtsstreit um die Kostenübernahme,<br />
der dadurch gekennzeichnet war, daß der Fürst<br />
als Landesherr zugleich Lehensherr als Rechtsnachfolger des<br />
ehemaligen Klosters war. Bereits im Regierungsreskript vom<br />
23. April 1828 Nr. 1227 an das Oberamt Wald wird verfügt,<br />
daß bei Anlage eines Gottesackers an einem abgesonderten<br />
Ort weder die Kirche, noch die Zehentherrschaft, sondern<br />
die seiner bedürftigende Gemeinde die Last zu tragen habe.<br />
Dem Rechtspraktikanten Schmunz in Meßkirch als Vertreter<br />
der Gemeinden Walbertsweiler und Kappel gibt Schultheis<br />
Moser als Einwendungsgründe an: der alte Friedhof sei groß<br />
genug, die arme Gemeinden könnten nicht auch noch diese<br />
Kosten bestreiten, da sie in strenger Leibeigenschaft die 4.<br />
und die 10. Garbe geben müßten 10 ; die 10 Pferde-Bauern<br />
seien überfordert, da »man mit Ochs und Kuh nicht über<br />
Land pasieren und die Fraundrechte leisten kann« 11 . Der<br />
trotz des Widerspruches der Gemeinden von Bauinspektor<br />
Brom aus Sigmaringen vorgelegte Kostenvoranschlag für den<br />
Platz auf dem Acker des Bauern Andreas Blum sah vor:<br />
»Maurerarbeit 600 fl, Zimmerarbeiten 25 fl 34 kr und Schlosserarbeiten<br />
9 fl 30 kr, Summe 635 fl 4 kr« 12 .<br />
Als Ergebnis hält ein weitschweifiges Gutachten des Pfarrers<br />
Kohler aus Dietershofen über Bestattungsgrundsätze fest:<br />
»Wer die Baupflicht der Kirche hat, hat auch die Baupflicht<br />
des neuen Friedhofes als anexum der Kirche. Daß der alte<br />
Platz dem Kirchengut-Inhaber gehört, unterliegt nirgends<br />
einem Zweifel als zu Sigmaringen, wo man gar zu frygebig<br />
den alten Hofraum der Gemeinde überlassen will« 13 .<br />
In dieser Richtung argumentierte der Verteidiger der<br />
Gemeinden vor dem Oberamt Wald als erster und dem<br />
Sigmaringer Hofgericht als zweiter Instanz - beidesmal vergeblich.<br />
»Solange das aufgehobene Reichsstift Wald bestand, wurde<br />
auf dessen ausschließliche Kosten sämtliche vorkommende<br />
Bauwesen an hiesiger Kirche und Kirchhofsmauer ohne<br />
irgend ein Zuthun der hiesigen Gemeinde bestritten. Wenn<br />
nun polizeiliche Maßregeln die Entfernung der gebrauchten<br />
Grabstätten außerhalb des Ortes erheischen, so folgt doch<br />
hieraus natürlich, daß die Baupflicht des Hochfürstlichen<br />
Retltamtes wegen Gleichheit des Zweckes auch für die durch<br />
gebieterische Notwendigkeit herbeigeführte Bauwesen in<br />
Anspruch genommen werde, damit nicht hiesige Gemeinde,<br />
die bisher ein solche Last nicht kannte, zur Ungebühr<br />
beschwert werde« 14 .<br />
Die »ehrfurchtsvoll vertrauend und in Untertänigkeit ausge-
sprochene Bitte« lehnte die Regierung ab: »Es sey die<br />
Gemeinde Walbertsweiler mit ihren Ansprüchen auf die<br />
Baulast des Rentamtes Wald zum neuen Begräbnisplatz ab<br />
und zu deßen schleuniger Herstellung anzuweisen, wobei ihr<br />
unbenommen sey, ihre vermeintlichen Rechte im gerichtlichen<br />
Wege auszuführen« 15 .<br />
In der von der Regierung verlangten Anhörung der Bürger<br />
zur Eröffnung eines Prozesses stimmten am 27. April 1830<br />
durch ihre Unterschrift aus Walbertsweiler alle 36 Bürger,<br />
aus Kappel 11 Insassen für den Rechtsstreit; nur der Schullehrer<br />
Josef Klötzle in Kappel stimmte dagegen 16 .<br />
Auf die »Untertänige Imploration« zum Schutze des bisher<br />
befreiten Besitzstandes vom 29. April 1830 der Gemeinden<br />
mit den bisher schon ausgeführten Begründungen an das<br />
Hofgericht erhielten die Gemeinden am 19. April 1830 den<br />
Bescheid, daß es sich um eine reine Polizeisache handle und<br />
nur wegen des Kostenpunktes Anstände obwalten und die<br />
schriftliche Zustimmer der Mehrheit der Bürger zur Prozeßführung<br />
dem Oberamt übergeben werden solle.<br />
Inzwischen habe die Errichtung des Begräbnisplatzes ungesäumt<br />
zu beginnen; die Gemeinden haben die Frohnarbeiten<br />
zu verrichten und die Kosten vorschußweise zu leisten,<br />
indem eine als dringend erkannte Polizeyanstalt von dem<br />
Ausgang eines Rechtsstreites über den Kostenpunkt nicht<br />
abhängig gemacht werden könne, und das Rentamt Wald<br />
hinlängliche Mittel zum allenfalsigen Ersaz der Kosten besize.<br />
Dagegen wandten die Gemeinden wiederum ein: »In jedem<br />
Staate unseres zivilisierten Europas schreiten Gerichtsstellen<br />
ein, wenn es sich um Mein und Dein handelt und nicht die in<br />
der Reichskammergerichtsordnung von 1575 genannten Fälle<br />
betrifft. Schon oberflächlicher Anblick legt klar, daß unsere<br />
Handlungsweise:<br />
a) nicht ein factum per se illicitum nulle jure justificabile (ein<br />
unerlaubter, durch kein Recht zu rechtfertigener Vorfall)<br />
- oder<br />
b) Lob damnum imminens irreparabile (ein hoher, unersetzlicher<br />
Schaden) - oder<br />
c ob salutem publicam (es sich um öffentliches Wohl handelt)<br />
- noch endlich<br />
d) ob periculam in mora (daß Gefahr im Verzugist)<br />
den mindesten Verzug leide und daher ohne rechtliche Erörterung<br />
abgethan werden müßte.<br />
Wir befinden uns mit unserem Nachbarorte Dietershofen in<br />
ganz gleicher Lage; demungeachtet hat der letzteren Orts<br />
befindliche Kirchhof vor den Augen der Administrativ Stellen<br />
Gnade gefunden, obwohl der physikamtliche Antrag<br />
auch auf deßen Verlegung gerichtet war. Wir schmeicheln<br />
uns, eine ebenso gesunde Lage wie Dietershofen zu haben;<br />
der dahier wegen der hohen Lage des Ortes stets mit gesunder<br />
Atmosphäre versehene Luftzug hat uns durch Jahrhunderte<br />
ohne ansteckende Seuche und ohne böse Folgen wegen Nähe<br />
unseres Begräbnißplatzes erhalten«. Die Entscheidung des<br />
Fürstlichen Hofgerichts erging am 3. Mai 1830. Nach allgemeinen<br />
Ausführungen über die Baupflicht der Gemeinden<br />
wurde erkannt: »Die Gemeinden Walbertsweiler und Kappel<br />
seyen zur ungesäumten Herstellung des Begräbnisplatzes auf<br />
ihre Kosten jedoch vorbehaltlich ihrer Petitorii (ihres Klagerechts)<br />
in bezug auf die Baukosten anzuweisen. Auch haben<br />
die Imploranten sämtliche Kosten des gegenwärtigen Verfahrens<br />
auf sich zu nehmen« 17 .<br />
4. Verhandlung in der Berufungsinstanz<br />
Der Wortlaut der nach Bescheinigung des Fürstlich Hohenzollern<br />
Sigmaringenschen Thum und Taxisschen Postamtes<br />
vom 27. Juli 1830 Beschwerde an das Obertribunal in Stuttgart<br />
stand nicht zur Verfügung, dagegen bezeichnende Briefe<br />
und Anträge des nunmehrigen Gemeindevertreters, des Hof-<br />
Ein eindrucksvolles Dokument<br />
der Zeitgeschichte<br />
Ma\ Gin^er und<br />
(¡regia- KR'htcr IHreg.)<br />
Das Land<br />
Württemberg-<br />
Hohenzollern<br />
DradvFIungtIi und<br />
Tkifbevki' F.riBcruimen<br />
Max Gögler/Gregor Richter<br />
(Hrsg.)<br />
Das Land Württemberg-<br />
Hohenzollern 1945-1952<br />
Darstellungen und<br />
Erinnerungen<br />
Herausgegeben in Zusammenarbeit<br />
mit Gebhard Müller.<br />
528 Seiten mit 122 Illustrationen<br />
und Abbildungen. Leinen.<br />
DM 32.-<br />
Jan Thorbecke Verlag<br />
Postfach 546 • 7480 Sigmaringen<br />
gerichtsadvokaten Karl Otto Würth aus Sigmaringen.<br />
Bezeichnend für den Verfasser als »geschickter politischer<br />
Taktiker« ist sein ausführlicher Schriftsatz an die Regierung<br />
vom 4. Oktober 1832, der seine Beurteilung als agitatorisch<br />
begabten Volksmann verstehen läßt, der sich »als Abgeordneter<br />
zur populärsten Gestalt in Sigmaringen« machte und<br />
zur Frage herausfordert: »Mußte nicht der einfache Mann in<br />
diesem Advokaten den Vertreter seiner eigentlichen Wünsche<br />
sehen, wenn dieser für die Freiheit von Abgaben, von Steuern<br />
und für Rede- und Pressefreiheit eintrat? Dieser Abgeordnete<br />
scheute sich nicht, den Herren von der Regierung Unangenehmes<br />
zu sagen« 18 . Das spricht aus den wichtigsten<br />
Abschnitten seiner Eingabe an die Regierung:<br />
»Die supplizierenden Gemeinden halten ihren Friedhof für<br />
genügend und groß genug, frei und im Windzug gelegen, auf<br />
einem Boden, der die Verwesung beschleunigt. Es gibt noch<br />
viele größere Ortschaften, welche ihre Verstorbenen im Orte<br />
selbst bestatten. Stehen wir nicht unter denselben Gesetzen?<br />
Ist hier erlaubt, was dort verboten ist? Wodurch haben wir<br />
diese belästigende Ungleichheit herbeigeführt? Einer Schuld<br />
sind wir uns nicht bewußt. Wir sind Lehensleute, haben kein<br />
Zoll Eigentum, müssen alles zur Bezahlung der Landschaftsund<br />
Gemeindeschulden und zu starken Lehensentrichtungen<br />
verwenden, so daß nur das Nötigste für unseren Lebensunterhalt<br />
übrig bleibt.<br />
Schon geht von Mund zu Mund, daß sich Ausländer aus<br />
Meßkirch an uns bereichern und durch Steinfuhren mehr als<br />
1000 fl an sich ziehen. Werden wir denn gar nicht gehört,<br />
verfügt man über unseren Beutel ganz nach Belieben? Wenn<br />
wir auch nur arme Lehensleute sind, so leben wir doch auch<br />
gerne! Der Trieb der Selbsterhaltung ist auch in den Vasallen<br />
noch nicht erstickt; auch eine Vasallengemeinde läßt ihre<br />
Verstorbenen nicht in ihren Häusern vermodern, sie weiß die<br />
freie Luft zu schätzen, da sie das einzige freie Gut ist, worauf<br />
sie Anspruch zu machen hat. Die beiden Gemeinden hoffen<br />
wenigstens auf soviel Gnade, daß dem Friedhofsbau noch so<br />
lange Ausstand gegeben wird, bis die Frage der Kostentragung<br />
entschieden ist« 19 .<br />
Da es nur noch um die Bezahlung der Kosten ging, erklärten<br />
die Vorstände trotz des anhängigen Rechtsstreites am<br />
10. Oktober 1832, daß sie zu dem vorhandenen Bau die<br />
erforderlichen Fuhr- und Handfrohnen, soweit sie hiezu<br />
verhalten werden, unweigerlich leisten und damit sogleych<br />
beginnen werden. Diese unsere Erklärung in einer sehr<br />
bedrängten Lage soll jedoch unsere Rechte nicht präjudizieren,<br />
die bei den vordenklichen Gerichten wir uns vorbehalten<br />
20 . (Fortsetzung folgt)<br />
47
Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong> Geschichtsverein<br />
Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />
M <strong>3828</strong> F<br />
Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.<br />
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Eine Elendenkerze<br />
In Güterbeschrieben ums Jahr 1530 finden sich in Ringingen,<br />
Salmendingen und m. E. auch Gauselfingen Abgaben verzeichnet,<br />
die offenbar seit langem von bestimmten Grundstücken<br />
an die »Elendenkerze« der Ortschaft zu liefern<br />
waren. Es heißt deutlich »Elendenkerze«, nicht an eine<br />
elende Kerze! Somit handelte es sich ehemals in den genannten<br />
Dörfern und wohl auch anderwärts um Elende, der<br />
mittelhochdeutschen Bezeichnung für »in der Fremde<br />
Befindliche, Verbannte, Unglückliche«, nämlich um die<br />
Armen Seelen, die noch von der Seligkeit ausgeschlossen<br />
sind. Die Kerze ist das Zeichen des Gedenkens und Gebetes<br />
für sie. Noch heute sieht man ja auf Gräbern in den Friedhöfen<br />
Kerzen neben anderem Schmuck. Früher brannte man<br />
diese Lichter in der Kirche oder auf dem sie umgebenden<br />
Friedhof in besonderen Lichthäuslein. Beim Dom von<br />
Regensburg sieht man m. W. noch eine jahrhundertealte<br />
Steinsäule, in der die Kerze ihren Platz fand. In Steinhofen<br />
hat der frühere Pfarrer Nikolaus Maier eine solche Säule bei<br />
der Kirche wieder aufgerichtet und sie dürfte wohl noch dort<br />
stehen.<br />
Nach einem Zeitungsbericht vom 22. März 1983 besteht in<br />
Paderborn eine »Elendenbruderschaft«, die seit dem Jahre<br />
1349 nachgewiesen sei. Von dieser Bürgervereinigung werden<br />
heute Fremde und verlassene Personen versorgt und nach<br />
dem Tode beerdigt. Früher habe es sich um Pestkranke<br />
gehandelt. Die Elendenbruderschaft vertritt somit menschlich-karitative<br />
Zwecke, und hält jährlich um Allerseelentag<br />
ein frugales Essen und für die Verstorbenen ein Requiem, d.i.<br />
Gedächtnisgottesdienst. Ob es sich tatsächlich wie vor dem<br />
letzten Konzil um ein lateinisches »Requiem aeternam...«<br />
mit anschließendem Kyrie handelt, oder nur wie meist bei uns<br />
um eine gewöhnliche Singmesse, war nicht zu ersehen. Der<br />
Termin um Allerseelentag zeigt m. E., daß diese Elendenbruderschaft<br />
sich ehemals auf die Armen Seelen bezog.<br />
Wie lange in Ringingen die Elendenkerze bestand, wissen wir<br />
nicht. Vielleicht wurde sie im 17. Jahrhundert, einer Zeit<br />
ansteckender Krankheiten, in die »Sebastianskerze« umgewandelt,<br />
die man am Altar dieses Pestheiligen noch heute<br />
aufsteckt und durch milde Gaben der Dorfbewohner unterhält.<br />
HOH<strong>ENZOLLERISCHE</strong> <strong>HEIMAT</strong><br />
hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein.<br />
Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«<br />
ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will<br />
besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />
und der angrenzenden Landesteile mit der<br />
Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie<br />
bringt neben fachhistorischen auch populär<br />
gehaltene Beiträge.<br />
Bezugspreis: 8.00 DM jährlich.<br />
Konto der »Hohenzollerischen Heimat«:<br />
803843 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />
(BLZ 653 51050).<br />
Druck:<br />
M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH & Co.,<br />
7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.<br />
48<br />
Die Autoren dieser Nummer:<br />
Gerhard Eger<br />
Uhlandstraße 9<br />
7452 Haigerloch-Trillfingen<br />
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Pfr. Johann Adam Kraus<br />
Erzbischöfl. Archivar i. R.<br />
Badstraße 8, 7800 Freiburg-Littenweiler<br />
Hans Peter Müller<br />
Weiherplatz 7, 7246 Empfingen<br />
Karl Werner Steim<br />
In der Au 30, 7480 Sigmaringen<br />
Otto Werner, Rektor<br />
Friedrich-List-Straße 55,<br />
7450 Hechingen<br />
Stephan Wiest<br />
Ludwig-Egler-Straße 12<br />
7450 Hechingen<br />
Zum Namen Buckenmaier<br />
Seit 1458 nachweisbar<br />
Durch bloßes Raten wird man schwerlich auf eine befriedigende<br />
Erklärung kommen. Alle Maier, Mayer, Meier, Mejer,<br />
Meyer usw. (amtlich festgelegt wurden sie bei uns erst 1871!)<br />
gehen auf das lateinische Wort »maior = der größere«<br />
zurück. »Hausmaier« hießen vor rund 1200 Jahren die Hausverwalter<br />
der fränkischen Könige. Später nannte man Maier<br />
die Vorsteher bzw. Inhaber der Bauernhöfe, die von der<br />
Herrschaft als Lehen an Landbauern ausgegeben waren.<br />
Schon um 1524 gab es jedoch in Ringingen mehrere Einwohner<br />
dieses Namens neben den eigentlichen Lehenmaiern, von<br />
denen das Ortsrecht oder Fleckenbüchle von 1530 sagt:<br />
»Jeder Maier hat dem Mesner einen Laib Brot zu geben«<br />
(Mitt. Hohz. 1924, 209 f).<br />
Aber was soll »Buck« bedeuten? Zwar nennt man im Breisgau<br />
einen Hügel oder Buckel einfach »Buck« und wir heißen die<br />
durch einen Stoß verursachte »Dalle« oder Einbiegung eines<br />
Gefäßes einen »Buck«, aber zu einem Familiennamen würde<br />
ein solcher kaum führen.<br />
Vielmehr hieß in Trochtelfingen um 1500 nachweislich ein<br />
Burkarth Vattlin (Fattlin) in anderen Urkunden einfach<br />
»Buck-Vattlin«.<br />
Familienforscher wie Dr. K. Linnartz bringen gleich einige<br />
Dutzend Ableitungen des alten Taufnamens Burkarth-Burkhard<br />
(bürg = Schutz und hard = kühn!), so unter vielen<br />
anderen: Birkle, Buggle, Burcht, Burthe, Buck, Bucherth,<br />
Bucher, Bockel, Busse und andere. Im Jahr 1351 lebte in<br />
Gammertingen ein Burtli Manz, der somit ein Burkhard war,<br />
und sein Geschlechtsname Manz ist vom Vornamen Mangold<br />
abgeleitet! Auch die 1530-1583 in Ringingen vorkommenden<br />
Buckenmaier stammten aus Stetten bei Hechingen. Hier<br />
findet sich nach 1435 ein Henslin Buckenmayger im Nachtrag<br />
des Bickelsberger Lagerbuchs. Er scheint identisch zu sein<br />
mit dem 1458 als Stettener Einwohner erwähnten Hans<br />
Buggenmayer (Stettener Klosterurkunde Nr. 498), der somit<br />
als erster nachweisbar ist.<br />
Obiger Burtli war ein schwäbisches »Burkhardle«. Burkhard<br />
hieß ja einer der beiden ersten Zollerngrafen des Jahres 1061<br />
(nämlich »Burkhart und Wezil (= Wernher) von Zolorin.«<br />
Schriftleitung:<br />
Dr. med. Herbert Burkarth,<br />
7487 Gammeningen (Telefon 07574/2329)<br />
Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />
persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />
diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge<br />
verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung<br />
sind als solche gekennzeichnet.<br />
Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />
werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />
Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische<br />
Heimat« weiter zu empfehlen.
HOH<strong>ENZOLLERISCHE</strong><br />
<strong>HEIMAT</strong><br />
Herausgegeben vom<br />
Der Karlsplatz in Sigmaringen um 1860 mit dem »Ständehaus«, seit 1849 Sitz der Spar- und Leihkasse<br />
bzw. Hohenzollerischen Landesbank.<br />
KARL WERNER STEIM<br />
150 Jahre Hohenzollerische Landesbank<br />
Fürst Carl von Hohenzollern-Sigmaringen gründete die Bank aus sozialen Beweggründen<br />
Die Hohenzollerische Landesbank feierte in diesem Jahr ihr<br />
150jähriges Bestehen. Schon der Umstand ihrer Gründung<br />
im Jahre 1834 macht deutlich, daß dies mehr als irgend ein<br />
Firmenjubiläum war, das hier auch sonst kaum dargestellt<br />
werden könnte. Fürst Carl von Hohenzollern-Sigmaringen<br />
( !i 1785, f 1853) verwirklichte am 4. November 1834 mit der<br />
Gründung der damaligen Spar- und Leihkasse, die er mit<br />
10000 Gulden dotierte, die sozialen Beweggründe und Auffassungen,<br />
die er beispielsweise in seinen »Ansichten und<br />
Anleitungen über das Leben« 1831 dem Erbprinzen Carl<br />
Anton zum 20. Geburtstag widmete. Dort steht u. a.: »Ein<br />
Fürst muß ein Mann seiner Zeit seyn; er muß das Zeitalter<br />
kennen, die Menschen, ihre Bedürfnisse...« An anderer<br />
Stelle ermahnt der Fürst seinen Sohn: »Alle persönlichen<br />
Vortheile opfere den wichtigeren Interessen, dem Heile, dem<br />
Wohlstande und der Sicherheit deiner Unterthanen.«<br />
M <strong>3828</strong> F<br />
Hohenzollerischen Geschichtsverein<br />
34.Jahrgang Nr.4 / Dezember 1984<br />
Das kleine Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen (wie auch<br />
das Nachbarfürstentum Hechingen) erlangte zwar zum<br />
Beginn des 19. Jahrhunderts politische Souveränität. Die<br />
Napoleonischen Kriege hatten aber das Land arg mitgenommen,<br />
die Bauern und Handwerker waren zusätzlich durch<br />
Steuern und Mißernten stark verschuldet und kämpften um<br />
ihre Existenz. Diese Notlage wurde durch sogenannte Viehversteller<br />
und Zinswucherer rigoros ausgenutzt. Auch die<br />
Gemeinden konnten die Steuern nicht mehr voll aufbringen,<br />
und die Regierung des Fürstentums mußte davon absehen,<br />
die von Jahr zu Jahr anschwellenden Steuerreste einzuziehen.<br />
Um der allgemeinen Notlage entgegenzutreten, half die<br />
anläßlich der Hochzeit des Erbprinzen Carl Anton mit der<br />
Prinzessin Josephine von Baden gestiftete Spar- und Leihkasse<br />
mit zinsgünstigen Krediten. Bald erweiterte sich das<br />
Kreditgeschäft auf den kommunalen Sektor, im Zuge der
fortschreitenden Industrialisierung auch auf den Handel und<br />
das Gewerbe. Unlösbar verbunden mit der Pflege und Förderung<br />
der Landwirtschaft und gewerblichen Wirtschaft war<br />
eine der vornehmsten Aufgaben die Förderung des Sparsinns<br />
der Bevölkerung.<br />
Fürst Carl hatte sich am 31. Oktober 1834 an die Geheime<br />
Konferenz gewandt und mitgeteilt, er sei aus Anlaß der<br />
Vermählung des Erbprinzen geneigt, »Werke der Wohlthätigkeit<br />
und Milde vollziehen zu lassen« und bat um Vorschläge.<br />
Insbesondere dachte er zunächst an eine Amnestie.<br />
Die Geheime Konferenz riet aber davon ab und schlug als<br />
besonders gemeinnützige Einrichtung die Gründung einer<br />
»Landes-Creditanstalt« als vereinigte Spar- und Leihkasse<br />
vor. Bereits am 9. November 1834 wurde im Wochenblatt des<br />
Sigmaringer Fürstentums der Entschluß des Fürsten vom<br />
4. November mitgeteilt: »Aus Veranlassung der Vermählung<br />
meines geliebten Sohnes des Erbprinzen wird unter dem<br />
Heutigen eine Summe von Zehentausend Gulden auf die<br />
Hofkammerkasse angewiesen für die erste Begründung einer<br />
Spar- und Leihkasse des Fürstenthums...« Dieser Erlaß ist<br />
als die eigentliche Stiftungs-Urkunde der Bank anzusehen.<br />
Bereits am 25. November 1834 wurde ein Entwurf der Statuten<br />
für die Spar- und Leihkasse dem Fürsten vorgelegt. Die<br />
Genehmigung erfolgte am 9. Januar 1835. Am<br />
5. Februar 1835 wurden der Spar- und Leihkasse dann noch<br />
die Vorrechte der »milden Stiftungen« verliehen. Am<br />
7. Februar 1835 öffneten sich zum ersten Male die Pforten der<br />
Spar- und Leihkasse für den Geldverkehr.<br />
Die Verwaltung der Spar- und Leihkasse wurde durch eine<br />
Verwaltungskommission geführt. Vorsitzender wurde<br />
Regierungsrat Horn, erster Kassier Hofapotheker Baumeister,<br />
der jedoch die Geschäfte bald an Kaufmann Arnaud<br />
abgab. Die Aufsicht über die Verwaltung der Kasse führte die<br />
fürstliche Landesregierung.<br />
Die Spareinlagen entwickelten sich bald außerordentlich<br />
günstig. Schon nach dem ersten Geschäftsjahr erreichten sie<br />
die Summe von 29632 Gulden. Ende 1846, nach zwölf<br />
Jahren, wurde schon eine Summe von 560344 Gulden Einlagen<br />
registriert.<br />
Um diese Zeit begann die Spar- und Leihkasse bereits mit der<br />
Ausgabe von Kassenscheinen. Dies war ein besonderes<br />
Recht, das nach dem Übergang Hohenzollerns an Preußen<br />
der Anstalt weiterhin verliehen blieb und das nur wenige<br />
preußische Banken besaßen.<br />
Schon in den Anfangsjahren nahm die Spar- und Leihkasse<br />
einen raschen Aufschwung; nicht nur Gelder aus dem Fürstentum,<br />
sondern auch aus dem benachbarten Ausland flössen<br />
ihr zu. Zu einer Verschlechterung der Zahlungsmoral<br />
kam es im Revolutionsjahr 1848. Nur langsam kam wieder<br />
ein geordneter Geschäftsverkehr in Gang.<br />
Bis zum Jahre 1849 war die Spar- und Leihkasse in verschiedenen<br />
angemieteten Häusern untergebracht. Im Jahre 1849<br />
zog sie in den Neubau des sogenannten Ständehauses um, wo<br />
sich bis heute der Hauptsitz befindet.<br />
Als die beiden hohenzollerischen Fürstentümer 1850 an<br />
Preußen kamen, wurde schon zwei Jahre später in Hechingen<br />
eine Filiale errichtet. Der Name der Bank wurde in »Sparund<br />
Leihkasse für die Hohenzollerischen Lande« erweitert.<br />
In fast allen Gemeinden waren sogenannte Einnehmer, heute<br />
Zweigstellen, vorhanden. König Friedrich Wilhelm IV. von<br />
Preußen erhöhte 1854 das Stiftungskapital von 10 000 Gulden<br />
um weitere 20000 Gulden, um für das gesamte Land Hohenzollern<br />
ein funktionsfähiges Institut zu erhalten und den<br />
Kreditwünschen der Bevölkerung entsprechen zu können.<br />
Als im Jahre 1866 der Krieg zwischen Preußen und Österreich<br />
ausbrach, tauchten Schwierigkeiten auf. Die Direktion<br />
50<br />
Mit dieser handgeschmiedeten Truhe wurde im Jahre 1866 versucht,<br />
Gelder der Spar- und Leihkase der Hohenzollerischen Lande vor den<br />
einmarschierenden Württembergern in die Schweiz in Sicherheit zu<br />
bringen.<br />
selbst war nervös geworden, denn viele ängstliche Gemüter<br />
bangten um ihre Spargroschen und kündigten die Gelder auf.<br />
Aus dieser Zeit gibt es eine interessante Anekdote: »Man war<br />
nämlich aus übergroßer Ängstlichkeit etwas kopflos geworden.<br />
In sicherer Voraussicht der Besetzung der Hohenzollerischen<br />
Lande durch feindliche Truppen wurden am<br />
27. Juni 1866 zwei Beamte der Hauptkassenverwaltung zu<br />
Sigmaringen - Hauptkassierer Fischer und Direktionalsekretär<br />
Steidle - nach vorausgegangener Beratung mit dem Kuratorium<br />
und unter Zustimmung der königlichen Regierung<br />
beauftragt, über die Kriegszeit 11219 Gulden und 22 Kreuzer<br />
in bar, sowie Wertpapiere und Urkunden bei einer schweizerischen<br />
Kreditanstalt zu deponieren. Die Sache wurde aber<br />
ruchbar, und mit Windesflügeln kam über Überlingen am<br />
Bodensee nach Konstanz das Gerücht, es würden Gelder der<br />
Spar- und Leihkasse zu Sigmaringen nach der Schweiz<br />
geschafft, Angabe des Betrages schwankend zwischen<br />
100000 und 2500000 Gulden. Viele der Konstanzer Gläubiger<br />
glaubten das Märchen, hielten ihre Interessen für ernstlich<br />
gefährdet und veranlaßten die Verhaftung der oben genannten<br />
Flüchtlinge noch am selbigen Tage in Konstanz. Auf das<br />
Geld wurde alsbald gerichtlicher Beschlag gelegt. Da die<br />
Entscheidung der Frage, ob die mit Beschlag belegten Gelder,<br />
Wertpapiere und Urkunden einer öffentlichen oder Privatkasse<br />
angehörten, dem Ermessen des Bundeskommissars in<br />
Sigmaringen, Grafen von Leutrum, unterlag, so verfügte der<br />
großherzogliche badische Minister des Innern unterm<br />
30. Juni 1866 die Verbringung der Gelder etc. unter sicherer<br />
Bedeckung nach Sigmaringen. So zogen denn die Flüchtlinge<br />
nach kurzer Zeit unter Gendarmeriebegleitung in der Heimatstadt<br />
wieder ein. Der Bundeskommissar behielt aus den<br />
beschlagnahmten Geldern 6242 Gulden und 11 Kreuzer<br />
Brandkassengelder, welche staatlicherseits bei der Spar- und<br />
Leihkasse angelegt waren, zurück, und den Rest gab er frei<br />
nach Abzug der Transportkosten von Konstanz nach Sigmaringen.<br />
Bei der Besetzung Sigmaringens durch die württ.<br />
Truppen wurde die Spar- und Leihkasse, weil nicht Staatsbetrieb,<br />
übrigens nicht mit Beschlag belegt.«<br />
Eine vornehme Aufgabe war es von Anfang an, nicht nur die<br />
nötigen Reserven zu bilden, sondern laut Satzung die Überschüsse<br />
wohltätigen Anstalten zuzuführen. In den Jahren<br />
1883 bis 1914 stellte beispielsweise die Bank 2,2 Millionen<br />
Mark für wohltätige und gemeinnützige Zwecke zur Verfügung.
Die Haftung für alle Verbindlichkeiten der Spar- und Leihkasse<br />
wurde bereits 1873/75 dem neu gebildeten Hohenzollerischen<br />
Landeskommunalverband übertragen. Sie blieb bis<br />
zu dessen Auflösung zum Jahresende 1972 bestehen.<br />
Die Kreisreform brachte eine erhebliche Veränderung für die<br />
Bank. Ein Anteil der Bank mit einem Geschäftsvolumen von<br />
rund 300 Millionen DM ging an die Kreissparkassen Balingen,<br />
Reutlingen und Freudenstadt. Von der Kreissparkasse<br />
Saulgau, die -1854 gegründet-dieses Jahr auf 130 Jahre ihres<br />
STEPHAN WIEST<br />
Streit zwischen Herrschaft und Gemeinden<br />
vor 150 Jahren im Fürstentum Hohenzollern Sigmaringen<br />
am Beispiel der Friedhofsverlegung in Walbertsweiler (Schluß)<br />
Nach den Gemeindeprotokollen in Walbertsweiler vom<br />
5. Februar 1833 und in Kappel vom 17. Juni 1833 wurden<br />
folgende Fuhren geleistet<br />
Zugpferde <br />
Zugochsen<br />
Zahl der<br />
11 Pferde-Bauern<br />
in Walbertsweiler<br />
25 sonstige Lehens-<br />
37 43 311<br />
pflichtige dort<br />
5 Pferde-Bauern<br />
- 53 162<br />
in Kappel<br />
6 sonstige Pflicht-<br />
11 20<br />
tige in Kappel<br />
12<br />
Fuhren in<br />
Walberts-<br />
Kappel<br />
weiler<br />
115<br />
36<br />
473 151<br />
Die Hofkammer beschloß am 11. März 1835, den Obertribunal-<br />
und Prokurator Abel aus Stuttgart zur Übernahme<br />
dieser Sache vor dem Berufungs- zu ersehen und die Kosten<br />
in Höhe von 25 fl 47 kr von den klagenden Gemeinden zu<br />
erheben 21 .<br />
Schultheiß Moser gibt am 24. Januar 1835 die Platzgröße<br />
nach Vermessung durch Fürst aus Rengetsweiler mit 2 Vi V1<br />
Rute 77 Schuh an. Da der Morgen zu 120 fl geschätzt wurde,<br />
beträgt die Entschädigung für Andreä Burth 75 fl. Dieser<br />
Betrag war vom 1. Januar 1833 mit 4 Prozent zu verzinsen 22 .<br />
In einem Situationsplan des Geometers Kömter aus Pfullendorf<br />
ist die Platzgröße mit 3/8 Morgen 5 Ruten und 19 Schuh<br />
angegeben.<br />
Das Urteil des Obertribunals in Stuttgart vom 11. Juni 1835<br />
anerkennt, daß jeder Gottesacker bei Katholiken durch die<br />
Benediction und als zeitweilige Gebetsstätte als eine kirchliche<br />
Sache angesehen werden könne, bei der die Baupflicht so<br />
liege, wie bei der ecclesia selbst. Dagegen spricht jedoch, daß<br />
selbst nach der Ansicht katholischer Kirchenrechtslehrer die<br />
Leichenhöfe jetzt überall außerhalb der Orte auf Kosten der<br />
Gemeinden angelegt werden müssen. Dieser Auffassung<br />
steht auch kein entgegengesetztes Herkommen im Fürstentum<br />
Sigmaringen entgegen. Die Kläger können keinen Fall im<br />
Fürstentum angeben, in dem nach ihrer Forderung verfahren<br />
worden wäre, daher die gegenwärtige Berufung wegen Mangels<br />
an einer begründeten Beschwerde unter Zuscheidung der<br />
Kosten an die Klägerinnen zu verwerfen ist 23 .<br />
Bestehens zurückblicken kann, fiel der Geschäftsbereich<br />
Saulgau und Mengen an die Landesbank mit einem Bilanzvolumen<br />
von rund 150 Millionen DM.<br />
Auf die nähere Geschichte der Bank kann hier nicht eingegangen<br />
werden. Es wird auf die von der Hohenzollerischen<br />
Landesbank, Kreissparkasse Sigmaringen, zum 150jährigen<br />
Jubiläum herausgegebene und von Bankdirektor a.D.<br />
Lorenz Menz verfaßte Festschrift hingewiesen. Ihr ist auch<br />
vorstehender Beitrag zum großen Teil entnommen.<br />
Eine Schlußabrechnung über die Kosten der neuen Friedhofsanlage<br />
fand sich nicht in den Unterlagen; bis zum<br />
30. April 1835 liegt eine Zusammenstellung vor. Bis dahin<br />
hatten aufgewendet:<br />
die Gemeinden Walbertsweiler 482 fl20 kr 7 h<br />
die Gemeinde Kappel 165 fl 52 kr 5 h<br />
gesamt<br />
648 fl 13 kr 4 h<br />
Vermutlich kamen noch weitere Aufwendungen dazu, so am<br />
10. Februar 1836 eine Kostenrechnung von Rechtsanwalt<br />
Würth über 92 fl 28 kr.<br />
Über die Aufbringung der Mittel entschied das Oberamt<br />
Wald am 13. November 1835: zunächst aus der Gemeindekasse,<br />
soweit der Barüberschuß reicht, der Rest als Umlage<br />
nach dem gegenwärtigen Steuerfuß. Ein Rekurs der Söldner<br />
Mathias Halmer, Mathä Renz und Kilian Endriß gegen die<br />
Art der Veranlagung wird von der Regierung am 31. Dezember<br />
1835 als unbegründet abgewiesen. Die Gebühr für diese<br />
Entscheidung betrug 1 fl 24 kr. Uber die Beschaffung der<br />
Geldmittel durch die Gemeinde Walbertsweiler gibt eine<br />
Aufstellung von der Hand des Schultheißen Moser in ungelenker<br />
Schrift Auskunft:<br />
den 23. November 1832 von Dismas Günter aus<br />
Vöringenstadt zu 5 Prozent 100 fl<br />
den 19. Juni 1833 vom Waldschütz Restle<br />
von Wald zu 4 Prozent 150 fl<br />
den 14. November 1833 von Soldat Wunibald Mantz<br />
aus Liggersdorf zu 4 Prozent 80 fl<br />
den 16. September 1834 von Dismas Günter von<br />
Vöringenstadt zu 4 Prozent<br />
im voraus bezahlt mit Summe<br />
es bleiben dem Maurer Motz<br />
am Akkord<br />
der ganze Akkord betregt Summe<br />
5. Spätere Veränderung am Friedhof<br />
34 fl 27 kr /3 h<br />
364 fl 27 kr '/, h<br />
165 fl 13 kr % h<br />
528 fl 40 kr 3 /3 h 24<br />
Die erste Erweiterung erfolgt fünfzig Jahre nach der Anlage.<br />
Nach einem Plan des W. Vogel von Wald vom Januar 1885<br />
war vorgesehen: Vergrößerung der Mauer in dei Breite um<br />
zwei mal zwanzig Meter, in der Länge um siebenundfünfzig<br />
Meter. Die Höhe der Mauer sollte 1,40 m, die Fundamenttiefe<br />
0,50 m, die Mauerstärke 0,30 m und die des Fundaments<br />
0,50 m betragen. Die Mauer sollte oben mit 45 Grad abgeschrägt<br />
und mit Dachziegeln abgedeckt werden.<br />
Nach dem Kaufvertrag vom 28. Juni 1884 zwischen den drei<br />
Gemeinden Walbertsweiler, Kappel und Glashütte tritt<br />
51
Richard Strobel von der von ihm käuflich erworbenen Parzelle<br />
Nr. 10293/5 Acker beim Friedhof 3 /s Morgen an die<br />
genannten drei Gemeinden zum Zwecke der Erweiterung des<br />
Friedhofes für die vereinbarte Summe von 700 M, siebenhundert<br />
Mark pro Morgen ab. Der Kaufschilling von 262,50 M<br />
wird bar bezahlt, sobald das Grundstück durch gerichtliche<br />
Verschreibung in die Hand der Käufer übergegangen ist.<br />
Vermessungs- und Gerichtskosten werden von Käufern getragen<br />
25 .<br />
Der Verkäufer übernahm auch den Bau der Wege und die<br />
Anfuhr des dazu benötigten grobkörnigen Kieses aus den<br />
Gruben in Walbertsweiler oder Reischach für 1,20 M je<br />
Kubikmeter. Es unterschrieben für Kappel Bürgermeister<br />
Krall, Alois Koch, Peter Schneider, Josef Fetscher; für<br />
Glashütte Bürgermeister Halder, Gustav Vochazer, Eduard<br />
Kermerle; für Walbertsweiler Bürgermeister Blum, Josef<br />
Geiger, Jakob Burth, Josef Bosch, Franz Moser.<br />
Eine Zusammenstellung der Erweiterungskosten ohne<br />
Grundstückserwerb von W. Vogel, Baumeister in Wald vom<br />
Januar 1885 wies aus:<br />
1. Abbrucharbeiten 50,85 M<br />
2. Grabarbeiten 8,97 M<br />
3. Maurerarbeiten 1100,00 M<br />
4. Steinhauerarbeiten 88,50 M<br />
5. Reparatur der alten Friedhofsmauer 295,90 M<br />
6. Schlosserarbeiten 136,00 M<br />
1680,22 M 26<br />
Zum Bau einer Leichen- und Aussegnungshalle von<br />
1972-1976 erwarben die damals noch selbständigen drei<br />
Gemeinden der Pfarrei Walbertsweiler vom Enkel des früheren<br />
Verkäufers, wiederum mit dem Namen Richard Strobel,<br />
das benötigte Grundstück für 7284 DM. Einschließlich der<br />
beim Grunderwerb entstehenden Nebenkosten übernahm<br />
von den Gesamtkosten in Höhe von 7740,55 DM Walbertsweiler<br />
5000 DM, Kappel 1459,80 DM und Glashütte 1280,75<br />
DM.<br />
Die inzwischen gebildete Gesamtgemeinde Wald übernahm<br />
den Bau der Halle sowie die Gesamtkosten in Höhe von<br />
154000 DM. An der Herstellung waren beteiligt: Architekt<br />
Karl Halmer, Wald; Bauunternehmer Traber aus Meßkirch;<br />
Karl Müller aus Rengetsweiler an Zimmerarbeiten; Konrad<br />
Wöttke aus Wald an Schreinerarbeiten; Anton Lernhart aus<br />
Wald an Flaschnerarbeiten; Bacher aus Mengen an Schlosserarbeiten;<br />
August Jerg, Walbertsweiler an Wegeanlagen. Am<br />
Büß- und Bettag 1976 war die Einweihung 27 .<br />
Die kleine Glocke im Turm der Halle hat als »UK-Gestellte«<br />
zwei Weltkriege überstanden; bürgerschaftliche Verantwortung<br />
rettete sie aus den Trümmern des 1950 eingestürzten<br />
Kirchturms und ließ die beschädigte Krone wieder ausbes-<br />
FRIEDRICH R. WOLLMERSHÄUSER<br />
Auswandererforschung in Hohenzollern<br />
Trotz der geringen Abmessungen dieses Gebiets, oder gerade<br />
deswegen, gibt es über Hohenzollern ein reiches historisches<br />
Schrifttum, das bis 1972 in der Bibliographie zur Hohenzollerischen<br />
Geschichte von Bernhardt und Seigel 2 , danach in<br />
der Landesbibliographie von Baden-Württemberg 3 nachgewiesen<br />
wird. Die älteren Arbeiten zur Auswanderung sind<br />
auf S. 250-253 des erstgenannten Werkes zu finden.<br />
In den 1930er Jahren hat sich neben anderen auch Josef<br />
Schäfer mit der Erforschung von Auswanderern beschäftigt 3 ,<br />
52<br />
sern. In »Ihrer aus dem 13. Jahrhundert stammenden Zukkerhutform«<br />
28 verbindet sie nun mit hellem Klang die längst<br />
eingeebneten Gräber um die einst 1803 hinter dem Pfarrhaus<br />
erstellte Kirche mit denen ihrer Nachfahren auf dem<br />
ursprünglich so umkämpften, auswärts gelegenen Friedhofversöhnend<br />
für alle, die zu ihrer Zeit verschiedene Auffassungen<br />
tatkräftig vertraten. So mahnt ihr Klang zur Einsicht, daß<br />
Zeit Wunden heilt gemäß den Confessiones des hl. Augustinus:<br />
»Tempore lenitum est vulnus meum!«<br />
Anmerkungen<br />
1<br />
Willi Bim, Die Hohenzollerischen Lande in Baden-Württemberg,<br />
ZfHG 19. (106.) Bd. 1983 S. 197<br />
2<br />
Gerhard Weng, Die Hohenzollerischen Lande in Baden-Württemberg,<br />
Vortrag am 18. 3. 1983 in Sigmaringen, Maschinenschrift<br />
3<br />
Eberhard Gönner, Die Revolution von 1848—49 in den Hohenzollerischen<br />
Fürstentümern und deren Anschluß an Preußen,<br />
Hechingen 1952 S. 5<br />
4<br />
Eberhard Gönner, wie Anm. 3 S. 10<br />
5<br />
Friedrich Eisele, Der erste ordentliche Landtag im ehemaligen<br />
Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen im Jahre 1838, Sigmaringen<br />
1933, S. 3<br />
6<br />
Wilhelm Haase, Rechtspflege in Hohenzollern (1815-1975),<br />
ZfHG 18. (105.) Bd. 1982 S. 116<br />
7<br />
StAS: Akten Verordnungen über die Einrichtung von Friedhöfen<br />
u.a. Ho 86 NVA 5117<br />
8<br />
Praerial = 9. Monat vom 20. 5. bis 19. 6. im französischen<br />
Revolutionskalender (1793-1805)<br />
9<br />
Wie Anmerkung 7<br />
10<br />
Eberhard Gönner, wie Anm. 3 S. 15: »Die Leibeigenschaft<br />
bedeutet nicht viel mehr als eine besondere Art der Besteuerung«.<br />
11<br />
Ortsschaftsarchiv Walbertsweiler: Akten spec. des Bürgermeisteramtes<br />
Walbertsweiler betr. Begräbnisse Rep. Nr. 3 spec. Reg.<br />
Akten 8410<br />
12<br />
Wie Anm. 11<br />
13<br />
Wie Anm. 11<br />
14<br />
Wie Anm. 11<br />
15<br />
Wie Anm. 11<br />
16<br />
Wie Anm. 11<br />
17<br />
Wie Anm. 11<br />
18<br />
Eberhard Gönner, wie Anm. 3 S. 25<br />
19<br />
Wie Anm. 11<br />
20<br />
Wie Anm. 11<br />
21<br />
FHDA: Fürstliche Hofkammer Akten, Der Friedhofbau in Walbertsweiler<br />
resp. Baukosten und Streit wegen der Baupflicht<br />
betreffend NUZ 16881<br />
22<br />
Wie Anm. 11<br />
23<br />
Wie Anm. 11<br />
24<br />
Wie Anm. 11<br />
25<br />
Ortschaftsarchiv Walberts weiler: Akten spec. des Bürgermeisteramtes<br />
Walbertsweiler betr. Gemeindeverfassung und Verwaltung<br />
Heft I angefangen 1807 Rep. Nr. 10 spec.<br />
26<br />
Wie Anm. 25<br />
27<br />
Mitteilung des Bürgermeisteramtes Wald vom 22. Oktober 1982<br />
28<br />
Walter Genzmer, Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns Band II<br />
Kreis Sigmaringen, W.Speemann Verlag 1949, S. 410<br />
doch scheint die von ihm betreute Auswanderer-Forschungsstelle<br />
für Hohenzollern 4 kaum über die Erfassung der damals<br />
im Ausland lebenden Zeitgenossen hinausgekommen zu<br />
sein 5 . Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Werner Hacker die<br />
Auswanderer aus dem Gebiet der späteren Hohenzollernschen<br />
Lande vor dem Jahr 1806 nach Südosteuropa aus den<br />
Quellen zusammengestellt und veröffentlicht 6 . Hackers<br />
überaus gründliche Arbeit macht ein weiteres Eingehen auf<br />
diesen Zeitraum überflüssig.
Bei den Vorbereitungen zur ADS 7 wurde im Staatsarchiv<br />
Sigmaringen ein Verzeichnis der dort vorliegenden Akten zur<br />
Auswanderung nach Amerika erstellt. Die darin genannten<br />
Archivalien, deren Signaturen sich seither teilweise geändert<br />
haben, enthalten auch zahlreiche Auswanderer nach anderen<br />
Zielorten.<br />
Auswanderung aus dem Fürstentum Hechingen<br />
Für das Fürstentum Hechingen scheinen keine Auswanderungsakten<br />
vorzuliegen.<br />
Man findet jedoch zahlreiche Auswanderer in dem seit 1829<br />
erscheinenden Wochenblatt für das Fürstentum Hohenzollern-Hechingen<br />
(später unter anderem Titel erschienen) 8 ,<br />
und zwar erstmals 1833, als die Auswanderung von Johannes<br />
Mutschier nach Nordamerika angekündigt wurde 9 . Auswanderer<br />
können auch unter den Stichworten Toterklärung,<br />
Verschollenenaufrufe, Steckbrief, Aufforderung zum Militär,<br />
Desertionen und anderen erscheinen. Da die bewußte<br />
Zeitung wöchentlich erschien und nur wenige Seiten<br />
umfaßte, geht die Durchsicht recht schnell vonstatten.<br />
Einen Teil der Auswandereranzeigen (leider nicht die bezüglich<br />
Amerikas und Ungarns) hat Walter Sauter 1940 veröffentlicht<br />
9 . Sein Aufsatz enthält auch Funde aus den Hechinger<br />
Erbschaftsakten des 17. und 18. Jhs.<br />
Kennt man den Zeitpunkt der Auswanderung einigermaßen<br />
genau, dann können einem die Kontraktenprotokolle (mit<br />
Verkäufen, Gütertausch, Leibgeding, Kapitalaufnahmen,<br />
Kontrakten etc.) 10 weiterhelfen, da vor der Auswanderung<br />
oft Besitz verkauft wurde. Diese Bände haben aber kein<br />
Register, so daß die Benutzung etwas mühselig ist. Viele<br />
Namen enthalten auch die Rentei-Rechnungen 11 , in denen<br />
Auswanderer unter anderem in den Rubriken Taxen (Gebühren<br />
für ausgefertigte Urkunden) und Abzug erscheinen können.<br />
Nicht vergessen sollte man die Rubrik Kanzlei-Ausstände,<br />
wo nicht bezahlte Abzugsgelder oft jahrelang mitgeschleppt<br />
wurden. Gutes Namenmaterial bietet auch das<br />
Repertorium zu den Kammer-Protokollen 12 .<br />
Falls der Auswanderer 1847-1850 Waise war oder verwaiste<br />
Kinder hatte, dann erscheint er in den für diese Jahre<br />
vorliegenden, sorgfältig geführten Waisenbüchern des Oberamtsgerichts<br />
Hechingen 13 .<br />
Auswanderung aus dem Fürstentum Sigmaringen<br />
Das Fürstentum Sigmaringen hatte eine im Vergleich zu<br />
Hechingen bessere Verwaltung, was sich auch in einer größeren<br />
Zahl von Archivalien ausdrückt. Auswanderungsakten<br />
der Zentralbehörden und der Amter gehen vereinzelt bis ins<br />
18. Jh. zurück 14 .<br />
Zum Auffinden der Herkunft eines Auswanderers kann das<br />
1809 beginnende Wochenblatte (ab 1835 Verordnungs- und<br />
Anzeigeblatt) für das Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen<br />
15 dienen, in dem ab 1830 auch Auswanderungsvorhaben<br />
bekanntgegeben wurden. Im übrigen gilt hier das oben bei<br />
Hechingen gesagte.<br />
Im Jahre 1818 wurde im Fürstentum eine Volkszählung<br />
durchgeführt, die für die meisten Amter Namenslisten (mit<br />
Kindern, Dienstboten und Fremden) erbrachte 16 . Die meisten<br />
Auswanderer aus der Zeit vor 1850 dürften in diesen<br />
Listen erscheinen, teils als Kinder, teils als Erwachsene.<br />
Auswanderung aus den Hohenzollerischen Landen<br />
Die wichtigste Quelle für Auswanderungen in der preußischen<br />
Zeit bilden die vier Verzeichnisse der in den Hohenzollerischen<br />
Landen stattgefundenen Auswanderungen, umfassend<br />
die Zeit von 1854—1937 (für die letzten Jahrgänge aber<br />
sehr unvollständig) 17 . Diese Listen enthalten die laufende<br />
Nummer, das Datum der Entlassungsurkunde, Vor- und<br />
Zuname, Stand und Gewerbe der Auswanderer, Heimatort<br />
und -oberamt, den Betrag des mitgenommenen Vermögens<br />
und mögliche Bemerkungen. Sehr viele Auswanderungen<br />
gingen nach Amerika. In einer Reihe von Fällen befand sich<br />
die betroffene Person bereits im Ausland und ließ sich den<br />
Abzug nachträglich genehmigen. Man suche also immer auch<br />
die auf die Auswanderung folgenden Jahre durch.<br />
Hat man auf diese Art den Heimatort des Auswanderers<br />
gefunden, so kann man aus den Auswanderungsakten der<br />
Preußischen Regierung und der einzelnen Oberämter nähere<br />
Einzelheiten erfahren 18 . Beide Quellengruppen sind nur<br />
unvollständig ins Archiv gekommen. Für die Oberämter<br />
Gammertingen, Haigerloch, Hechingen und Sigmaringen<br />
liegen sowohl die Regierungs- als auch die Ämterakten mehr<br />
oder weniger vollständig vor, während sie für die übrigen<br />
Bezirke fehlen.<br />
Unerlaubte Auswanderungen findet man am ehesten im<br />
Amtsblatt der Königlich Preußischen Regierung zu Sigmaringen<br />
bzw. dessen Beilage, dem Oeffentlichen Anzeiger 19 .<br />
Insbesondere empfielt sich hier eine Nachschau, wenn der<br />
Auswanderer als Rekrut oder Soldat desertiert sein könnte.<br />
Eine Fahndungsliste von 1870 wurde unlängst veröffentlicht<br />
20 .<br />
Insbesondere soll hier auf die im Oeffentlichen Anzeiger<br />
angekündigten Toterklärungen hingewiesen werden, die<br />
regelmäßig etwa 70 Jahre nach der Geburt eines Verschollenen<br />
ergingen. Hierzu ein Beispiel 21 :<br />
264. (Bekanntmachung). Moses Levi von Hechingen, geboren<br />
am 23. Mai 1799, Sohn der verstorbenen Eheleute Isaak<br />
Emanuel und Sara Levi daselbst, soll in den Jahren 1821 oder<br />
1822 Hechingen verlassen haben, um sich nach Nordamerika<br />
zu begeben, und soll seitdem verschollen sein. Der genannte<br />
Moses Levi und seine etwaigen unbekannten Erben werden<br />
daher aufgefordert, sich bis spätestens den 9. September 1870,<br />
Morgens 10 Uhr, Zimmer Nr. 18 des Gerichts zu melden,<br />
widrigenfalls Moses Levi von Hechingen für todt erklärt<br />
werden wird.<br />
Hechingen den 10. Oktober 1869.<br />
Königl. Kreisgericht, I. Abteilung.<br />
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß sich Erbschaftsakten<br />
aus dem 19. Jhdt. in den Stadt- und Gemeindearchiven<br />
befinden 22 . Oft läßt sich mit deren Hilfe eine<br />
vermutete Auswanderung beweisen, wenn der Auswanderer<br />
von daheim zu erben hatte. Auch in den kath. Kirchenbüchern<br />
23 findet man öfters Hinweise auf eine Auswanderung,<br />
insbesondere in den 1819 angelegten Familienregistern. Fast<br />
alle dieser Kirchenbücher wurden von der Genealogical<br />
Society, Salt Lake City, verfilmt. Die Filme können bei den<br />
außerdeutschen Zweigbibliotheken und beim Erzbischöflichen<br />
Archiv, Herrengasse 35, 7800 Freiburg i. Br., eingesehen<br />
werden.<br />
Anmerkungen<br />
1 1 Walter Bernhardt, Rudolf Seigel, Bibliographie der Hohenzollerischen<br />
Geschichte. Arbeiten zur Landeskunde Hohenzollerns<br />
12. ZHG 10/11. (Sigmaringen: Thorbecke 1975).<br />
2 Werner Schulz, Günter Stegmaier (und später andere Bearbeiter),<br />
Landesbibliographie von Baden-Württemberg, 1 (1978) für die<br />
Berichtsjahre 1973/74, und folgende. (Stuttgart: Kohlhammer<br />
1978 ff.).<br />
3 Joseph Schäfer, >Die Auswandererbewegung in Hohenzollern von<br />
1743-1872«, Zollerheimat 5 (1936) 2-A, 6-7. (Geschichte der<br />
Auswanderung im 18. und 19. Jhdt., soziale Hintergründe, statistische<br />
Aufstellung der Auswanderer nach Orten).<br />
4 Josef Schäfer, >Auswandererforschung in Hohenzollern«, Sippenkunde<br />
des Deutschtums im Ausland 3 (1938) 192, 196.<br />
5 Auskunft von Herrn Dr. Otto Becker, Sigmaringen.<br />
53
6<br />
Werner Hacker, Auswanderung aus dem Raum der späteren<br />
Hohenzollerischen Lande nach Südosteuropa im 17. und 18. Jahrhundert«,<br />
ZH 5(1969) 45-230. (Übersicht über die Quellen für das<br />
17. und 18. Jahrhundert, umfangreiche Auswandererlisten, Ortsverzeichnis).<br />
Als Ergänzung dazu Otto Hellstern, Auswanderungen<br />
von Glatt nach Südosteuropa«, Glatter Schriften 1 (1979)<br />
31-50 (Namen).<br />
7<br />
Americana in deutschen Sammlungen (ADS). Ein Verzeichnis von<br />
Materialien zur Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika<br />
in Archiven und Bibliotheken der Bundesrepublik Deutschland<br />
und West-Berlin. Zusammengestellt im Auftrag der Deutschen<br />
Gesellschaft für Amerikastudien (Ohne Ort und Verleger: 1967).<br />
8<br />
1829-1836 Wochenblatt für das Fürstentum Hohenzollern-<br />
Hechingen. - 1837-1844 Verordnungs- und Intelligenzblatt für<br />
das Fürstentum Hohenzollern-Hechingen. - 1845-1850 Verordnungs-<br />
und Anzeigeblatt für das Fürstentum Hohenzollern-<br />
Hechingen (Alle SAS 17/G1 und FAS).<br />
9<br />
Ebenda 23. Feb. 1833 S. 33.<br />
10<br />
SAS Ho 13 (Oberamt Hechingen) Band 19-40 (1805-1848) und<br />
Bd. 41-85 (betr. einzelne Ortschaften).<br />
" FAS unsigniert. Siehe hierzu Otto H. Becker (Bearb.), Übersicht<br />
über die Rechnung im Depositum Fürstl. Hohenz. Haus- und<br />
Domänenarchiv. Typoskript (Sigmaringen 1981) S. 84-87 (auf<br />
Vorarbeiten von Johannes Maier).<br />
12<br />
FAS Repertorium zu den Hofkammerprotokollen Hechingen<br />
(»Repertorium Kammer-Protocolls«) für die Jahre 1803, 1805,<br />
1811-1813, 1813-1819, 1833-1846.<br />
13<br />
SAS Ho 22 NVA I 9997-10027 (je Ort ein Heft).<br />
14<br />
Hacker (wie Anm. 7) S. 88, ADS (wie Anm. 8).<br />
15<br />
1809-1834 Wochenblatt für das Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen<br />
- 1835-1850 Verordnungs- und Anzeigeblatt für das<br />
Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen. (Beide SAS 17/G2 und<br />
FHDA).<br />
WOLFGANG HERMANN<br />
" SAS Ho 80 (allg. Teil) C I 2 d Nr. 3, Paket 160: Bevölkerungslisten<br />
1818 der Ämter Ostrach, Glatt, Beuron, Achberg, Trochtelfingen,<br />
Straßberg, Jungnau, Klosterwald, Gammertingen und<br />
Hettingen. Wegen der fehlenden Amter siehe Ziegler (wie<br />
Anm. 1)48. SAS ebenda Nr. 2, Paket 159: Namenslisten 1813 für<br />
die Amter Beuron, Achberg und Gammertingen.<br />
17<br />
SAS Ho 235 B, I-I, Nr. 157 I-IV (Namentliche Auswandererlisten<br />
1854-1859, 1860-1885, 1886-1894, 1894-1937)<br />
18<br />
SAS Ho 235 B, I-I, Nr. 146 (Gammertingen), 147 (Haigerloch),<br />
148 (Hechingen) und 150 (Sigmaringen) sowie in den Ämterakten,<br />
vgl. Anm. 8.<br />
19<br />
1855-1943 Amtsblatt der Königlich Preußischen Regierung zu<br />
Sigmaringen sowie als Beilage Oeffentlicher Anzeiger zum Amtsblatt<br />
der Königlich Preußischen Regierung zu Sigmaringen. (Vorhanden<br />
im SAS 17/G7, sowie im FHS). Über die Verordnungsund<br />
Anzeigeblätter der Jahre 1850-1852 siehe Haase (wie<br />
Anm. 23) 176 f.<br />
20<br />
Friedrich R. Wollmershäuser, >Deserters of the Prussian Army in<br />
1870«, Germanic Genealogist No. 26 (1983) S. 367f.<br />
21<br />
Oeffentlicher Anzeiger (wie Anm. 20) 4. März 1870 S. 34.<br />
22<br />
Wilhelm Haase, »Rechtspflege in Hohenzollern«, ZH 18 (1982)<br />
111-178, insbesondere 126 und 145.<br />
23<br />
Franz Haug, »Verzeichnis der Kirchenbücher Hohenzollerns«,<br />
Hohenzollernsche Jahreshefte 8 (1941, hrsg. 1949) 5-29 (katholische,<br />
evangelische und jüdische Gemeinden).<br />
Abkürzungen<br />
SAS Staatsarchiv Sigmaringen (Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen).<br />
FAS Fürstlich Hohenzollernsches Haus- und Domänenarchiv<br />
(Karlstraße 32, 7480 Sigmaringen).<br />
ZH Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte 1 (1965)ff.<br />
Das Wasserschloß in Glatt: Fortgang der Renovierungsarbeiten<br />
und die ungesicherte Baugeschichte im 16. Jahrhundert<br />
Seitdem die Gemeinde Glatt das Wasserschloß im Jahre 1970<br />
einschließlich des Gartens für 134000 DM vom Fürsten von<br />
Hohenzollern nach schwierigen Verhandlungen erworben<br />
hatte, mußten sich viele Hoffnungen mehr als ein Jahrzehnt<br />
gedulden, um den gewünschten Renovierungsbeginn zu erleben.<br />
Der östliche Schloßflügel<br />
Als im Frühjahr 1982 an der Ostseite das Gerüst aufgebaut<br />
wurde, glaubten die Freunde des Schlosses, daß der »Dornröschenschlaf«<br />
endlich abgeschlossen wäre. Jedoch dauerte es<br />
noch eine ganze Weile, bis im ersten Drittel des Jahres 1983<br />
der Beginn der Arbeiten ermöglicht wurde 1 . Verursacht<br />
wurde diese Verzögerung durch Streitigkeiten um Baukompetenzen<br />
und Entscheidungsbefugnisse zwischen den Denkmalbehörden<br />
Freiburg und Stuttgart.<br />
Diese erste Bauphase konnte erst in diesem Spätjahr abgeschlossen<br />
werden, da infolge des feuchten und kühlen Sommers<br />
die Arbeiten an der Außenfassade des Ostflügels nur<br />
allmählich vorankamen, bis das Gerüst in den Monaten<br />
Oktober bis November nach und nach abgebaut werden<br />
konnte.<br />
Neben der Verkieselung, welche die Firma Sebastiani aus<br />
Uberlingen durchführte, waren die Leute des Restaurators<br />
Lorch mit den aufgefundenen Secco-Malereien beschäftigt 2 ,<br />
deren Reste u. a. auch am Nordostturm gefunden wurden.<br />
54<br />
An allen diesen Bildwerken war seit der Winterpause 1983/<br />
1984 gearbeitet worden. Nach der Freilegung und Reinigung<br />
wurden sie auf Folien gepaust und ergänzt. Derzeit sind nur<br />
die Rotmalereien an der Ostseite und dem Südostturm zu<br />
sehen. Die Arbeiten an den übrigen Bildwerken wurden<br />
vorläufig zurückgestellt.<br />
Der zweite Sicherungsabschnitt - nicht mit den allgemeinen<br />
Bauabschnitten zu verwechseln - ist vorbereitet und gilt der<br />
Nordfront mit dem Torturm und der steinernen Brücke über<br />
den Schloßgraben 3 . Der Torturm weist in seinem Mittelteil<br />
langjährige Risse auf, und die Steinbrücke zeigt nach manchen<br />
Jahrhunderten ihres Bestehens Ausbauchungen nach<br />
beiden Seiten. Der äußere Rundturm hatte sich im Verlaufe<br />
der Zeit auswärts geneigt. Inzwischen ist die Neigung durch<br />
eine Stahlbänderung aufgefangen 4 . In der Sitzung des technischen<br />
Ausschusses war moniert worden, daß die Arbeiten so<br />
lange Zeit andauerten 5 , was u.a. dadurch zu erklären war,<br />
daß immer neue Entdeckungen an der Ostfassade gemacht<br />
wurden. Dies erforderte neue Fachgespräche, bis Entscheidungen<br />
getroffen werden konnten.<br />
Der zweite Bauabschnitt gilt der Südfront, danach ist die<br />
Westseite an der Reihe und zuletzt die Nordseite zum<br />
äußeren Schloßhof. Nach Schätzungen der Experten werden<br />
die gesamten Außenerneuerungen noch zwei bis drei Jahre<br />
andauern, wenn das bisherige Arbeitstempo eingehalten werden<br />
kann.
Ortsplan non Glatt mit dem Wasserschloß {aufgen. v. Gecm. ]. Hartlieb 1842).<br />
Ungewisse Baugeschichte des Wasserschlosses<br />
Uber das Schloß ist bis heute noch keine exakte Baugeschichte<br />
geschrieben worden, da es die Quellenlage nicht<br />
erlaubt. Was sich quellenmäßig findet, sind Nennungen in<br />
Zusammenhängen mit Verkäufen 6 , Erbschaftsangelegenheiten<br />
7 , Inventaríen 8 , welche nur beschreiben was ist und nicht,<br />
wie sich der Schloßbau entwickelt hat. Was außer diesen<br />
Quellen zur Erhellung der Baugeschichte beitragen kann, ist<br />
das Gebäude selbst, an dem sich im wesentlichen drei Epochen<br />
ablesen lassen.<br />
Der heutige Schloßkomplex besteht aus dem Hauptbau, der<br />
Merkmale von der Gotik bis zur Renaissance aufweist; dem<br />
Wirtschaftshof mit dem einbezogenen Wehrteil und einem<br />
östlichen und westlichen Rundturm längs des Mühlgrabens 9 .<br />
Und ihnen schließt sich quergestellt an: im Westen der<br />
Torbau mit einem aufgesetzten Fachwerk-Obergeschoß von<br />
1768, errichtet von der Klosterherrschaft Muri und im Osten<br />
die Zehntscheuer von 1815, als Fachwerkbau errichtet.<br />
Nach Ottmar wird das Schloß erstmals 1402 erwähnt 10 ,<br />
dieser vermutet darin ein noch älteres mittelalterliches Wasserschloß,<br />
vielleicht schon mit einem fast quadratischen<br />
Innenhof. Auf die gotische Bauepoche verweisen der mittelalterliche<br />
spitzgiebelige Torturm mit dem Gewölbeschlußstein<br />
von 1513, mit dem neuneckschen Wappen darüber<br />
(silberner Stern über goldenem Balken auf rotem Grund), die<br />
steinerne Brücke über den Schloßgraben und zwei kleine<br />
Spitzbogenfenster, links und rechts vom Kapelleneingang,<br />
auf den man vom Innenhof her stößt.<br />
Baubeschreibung<br />
Das Hauptgebäude wird aus drei Wohntrakten gebildet: dem<br />
Ost-, West- und Südflügel. Die Nordfront ist uneinheitlich:<br />
in der Mitte der Torturm, rechts von ihm (aus der Sicht vom<br />
äußeren Hof) eine Wehrmauer mit innerem Wehrgang, die in<br />
der Höhe mit dem dritten Stockwerk abschließt. Linkerhand<br />
liegt die Nordgiebelseite des Westflügels; rechts im Anschluß<br />
an den Torturm sieht man den Giebel des Ostflügels. Vier<br />
Rundtürme bilden den Abschluß der Schloßseiten und<br />
reichen mit ihren Spitzen in die Höhen des Dachfirsts der drei<br />
einheitlich durchgebildeten Gebäudeflügel.<br />
Vier Stockwerke bauen übereinander auf; teils sind sie aus<br />
Tuffstein, teils aus behauenem Kalkstein erstellt. Die vier<br />
Seiten ergeben ein Geviert, das aber nicht quadratisch ist. Auf<br />
alten Fundamenten wurde versucht, Baugedanken der<br />
Renaissance dem Vorhandenen anzupassen. Die spätmittelalterliche<br />
Wehrhaftigkeit findet ihren Ausdruck am Schloßbau<br />
in Höhe des Erdgeschosses: Im Zeitalter der Musketen sind<br />
die typischen horizontal angelegten Schießschlitze dem Bau<br />
eingefügt worden. Besonders deutlich sind sie, wenige Meter<br />
über der Wasserlinie des Schloßgrabens, in den Rundtürmen<br />
zu sehen.<br />
Im Innern des östlichen und westlichen Gebäudeteils befinden<br />
sich die Treppenaufgänge, von denen Ottmar sagt, er<br />
zitiert Friedrich Mielke, daß sie »die frühesten zweiarmig<br />
geradläufigen Treppen, die bisher in einem Schloß nachgewiesen<br />
sind« n , enthalten. Das Kreuzgratgewölbe ist aus dem<br />
55
Westflügel entfernt, im Ostflügel ist es noch über eineinhalb<br />
Stockwerke zu sehen. Betritt man den Ostflügel durch den<br />
Haupteingang, der früher zum Gericht führte, gelangt man<br />
ins Erdgeschoß, von dem die beschriebene Treppe aufsteigt.<br />
Dort nun, links von dem Aufgang, befindet sich ein Saal, in<br />
den auch das Erdgeschoß des Nordostturms einbezogen ist.<br />
Er mißt ungefähr die halbe Länge des Ostflügels und reicht<br />
durch die beiden untersten Geschosse. Zwei Fenster des<br />
Nordostturms gaben dem Saal ein zusätzliches Licht. Sie sind<br />
später zugemauert worden. Noch vor einigen Jahren diente<br />
dieser Raum als Turnsaal. Mittlerweile ist der ursprüngliche<br />
Zustand wieder hergestellt worden 12 .<br />
Der ehemalige eigentliche Wohnbereich reichte vom zweiten<br />
bis zum vierten Stockwerk. Der Zugang dahin erfolgt von<br />
den Fluren, die zu der Hofseite hin liegen. Das vierte<br />
Stockwerk stammt nicht aus der gleichen Erbauungszeit wie<br />
die darunterliegenden Etagen, ein Indiz dafür findet sich u. a.<br />
in der vertikalen Gliederung der Fensteröffnungen der beiden<br />
Giebel an der Nordseite 13 . Auch die Südfront ist uneinheitlich<br />
bezüglich der Fensterreihen, das heißt, die horizontale<br />
Anordnung der Fenster ist nicht auf die gleiche Höhe hin<br />
ausgerichtet: In Blickrichtung nach Süden sehen wir, daß die<br />
jeweiligen Fenster des zweiten und dritten Geschosses zwischen<br />
Kapelle und Südostturm tiefer angebracht sind, als die<br />
Fenster auf der anderen Seite der Kapelle.<br />
Diese Kapelle wurde mehrfach verändert. Es ist nicht<br />
bekannt, wie sie in gotischer Zeit ausgesehen hat. Beeindrukkend<br />
sind heute die Stuckdecke und die Wappentafeln der<br />
Familien von Landsee/Traßberg und des Fürstabtes Plazidus<br />
Zurlauben (f 1723). Es ist anzunehmen, daß das Kloster Muri<br />
nach dem Kauf der Herrschaft im Jahre 1706 die Neugestaltung<br />
der Kapelle vornehmen ließ.<br />
Ihr Außeres, die Abdachung, muß mit der Ausgestaltung des<br />
vierten Stockes im Südflügel in einem Zusammenhang gesehen<br />
werden. Dieser enthielt dort oben einen Rittersaal, von<br />
dem Türen auf eine Bailustrade hinausführten, die über der<br />
Kapelle angebracht war. Als 1835 dieser stukkierte Saal in<br />
Gefängniszellen umgebaut wurde, vermauerte man die<br />
Fenster und Türen und errichtete wahrscheinlich das Pultdach,<br />
das auf Seite 179 in Hodlers Oberamtsbeschreibung im<br />
Photo noch zu sehen ist. Der Zustand vor dieser Umgestaltung<br />
wird im zweiten Bauabschnitt wiederhergestellt werden,<br />
der im November 1984 begonnen hat.<br />
Schmuck und Symbolik<br />
Die vielleicht bedeutendsten Erneuerungen an der Ostfassade<br />
sind nicht architektonischer Natur, sondern beziehen sich auf<br />
die oben erwähnten Secco-Malereien. Wieviele von diesen<br />
noch an der Süd-, West- und Nordfront gefunden werden,<br />
läßt sich heute nicht voraussagen. Die bisher vorgefundenen<br />
wirken durch ihre phantasievolle Gestaltung geradezu grotesk.<br />
Zwar lassen sich Tiere als Hasen, Füchse, Wildschweine<br />
und Katzen identifizieren, jedoch stellen die musizierenden<br />
Hasen nur Narreteien oder hintergründigen Humor dar?<br />
Diese Malereien, in rotem Farbton ausgeführt, umrahmen ein<br />
Fenster am Südostturm in der zweiten Etage, eine kleine<br />
Nische am selben Turm, in der eine bemalte Wappentafel aus<br />
Holz der Familie von Rechberg angebracht war. Ranken und<br />
Bänder umgeben eine Schießscharte für die Musketen,<br />
schließlich findet sich verschiedentlich die Darstellung einer<br />
Nixe, zum Beispiel sehr schön in der Mitte der Ostwand. In<br />
etwas Abstand darunter und nach der Seite versetzt, ist die<br />
seltsame Tierwelt zu sehen. Die Abbildung der Nixe zeigt<br />
Verwandtschaft mit jener auf dem Gedenkstein für Wildhans<br />
von Neuneck fl454) in der Glatter Kirche. Diese symbolhafte<br />
Darstellung, dort mit Fisch und Vogel, einem gekreuzten<br />
Schwert und Zepter, gilt als Zeichen der Turniergesell-<br />
56<br />
Wasserschloß Glatt mit den neu entdeckten Secco-Malereien.<br />
schaft »Vom Fisch und vom Falken« und wird dem schwäbischen<br />
Ritterbund vom Bodensee zugeordnet 14 .<br />
Noch wissenschaftlich undatiert und unausgewertet, stammen<br />
diese Malereien wohl aus dem 16. Jahrhundert und sind<br />
ohne mediterrane Einflüsse kaum denkbar 13 . Wer aus der<br />
Familie von Neuneck diese künstlerische Gestaltung anregte,<br />
ist noch nicht zu bestimmen. Vielleicht war es ein weitgereister<br />
Neunecker, der im Mittelmeerraum oder an den großen<br />
Höfen mit dieser Kunstrichtung bekannt wurde. Die oben<br />
erwähnte Wappentafel war Mitte September 1984 an der<br />
bezeichneten Stelle in der Turmwand aufgefunden worden<br />
und ist jetzt dort wieder zu sehen. Diese zeigt das Wappen<br />
derer von Hohenrechberg und verweist auf Magdalena von<br />
Rechberg 16 . Sie war mit dem Neffen Reinhards von Neuneck,<br />
Hans Heinrich, verheiratet, der 1578 starb. Sein Epitaph<br />
befindet sich gleichfalls in der Pfarrkirche von Glatt 17 .<br />
Es bleiben viele Fragen bzw. Anstöße zu künftigen Forschungen:<br />
- Weshalb zeigt die Wappentafel ausschließlich das Rechberger<br />
Wappen?<br />
- Wann wurde diese Tafel geschaffen?<br />
- Schließlich, ist die zeitliche Einordnung der Wappentafel<br />
gleichzeitig ein Indiz für die Datierung der Secco-Malereien?<br />
- Warum wurde die Wappentafel zugemauert?<br />
Diese Fragen werden sich nicht so schnell lösen lassen, vor<br />
allem auch deswegen, weil die geschichtliche Forschung<br />
dieses Randgebiet Hohenzollerns seit Franz Xaver Hodler<br />
nur beiläufig untersucht hat.
Anmerkungen<br />
1<br />
Siehe Bericht in der Hohenz. Heimat, Nr. 2, Seite 18. - Zu diesem<br />
Beitrag eine redaktionelle Berichtigung. Seite 20, Abschnitt »Verwahrlosung<br />
kommt nicht von ungefähr« muß es heißen bei<br />
Anmerkung 14: »... durch welchen die Abtei Muri ihren Besitz<br />
und die damit verbundenen Hoheitsrechte, entsprechend dem<br />
Machtwillen einer höheren Gewalt und dem Anpassungswillen<br />
eines Kleinstaates, abtreten mußte.«<br />
2<br />
Schwarzwälder Bote vom 18. 8. 1984 - Secco-Malerei, vom ital.<br />
>a secco« bezeichnet jede Technik der Wand- bzw. Deckenmalerei<br />
unter Verwendung von Bindemitteln wie Kaikasein, Ei usw. auf<br />
trockenem Putz.<br />
3<br />
Schwarzwälder Bote vom 20. 9. 1984.<br />
4<br />
Die Gesamtkosten dieser Sicherungen werden mit ca. 42000 DM<br />
angesetzt, Schwarzwälder Bote vom 20. 5. 1984.<br />
5<br />
Wie in Anm. 3.<br />
6<br />
FAS, Bestand Glatt, R 151/Nr. 71 und 72 von 1463 bzw. 1500.<br />
7<br />
Ebd. R 184/Nr. 21 und Nr. 22 von 1482 vzw. 1597.<br />
8<br />
Ebd. R 72/Nr. 5 von 1540.<br />
9<br />
Siehe Beitrag in Nr. 2, Anm. 8-10.<br />
10<br />
Johann Ottmar, Das Glatter Schloß, Beitrag zum Heimatbuch<br />
»Sulz am Nckar«, Sulz 1984, S. 402. - Hodler in »Geschichte des<br />
EMIL HAULER<br />
Oberamts Haigerloch«, S. 176 erwähnt dieses Jahr im Zusammenhang<br />
mit einer Erbteilung.<br />
11<br />
Wie Anm. 10, S. 402 - Friedrich Mielke, Das Haus Wittelsbach<br />
und die Treppenbaukunst in Bayern, in: Burgen und Schlösser,<br />
Zeitschrift der Deutschen Burgenvereinigung e.V., 23.Jg. Heft<br />
1982/11 S. 64-72.<br />
12<br />
Ottmar, s. Anm. 10S. 403: »Dieser Saal ist im 17. Jh. als Speisesaal<br />
urkundlich nachweisbar (>die große Tafelerkerstube
Körper besichtigt. Hat man von Herrschaftswegen ihrem<br />
Pfarrer selbig ein Mißtrauen vorgesandt, vermeinen möchte,<br />
es wäre etwan ein ihm allhier gegebener tödlicher Streich oder<br />
sonst ein anderes ihm zugefügte Unheil des Tods die Ursach.<br />
Selbiger durch geschworenen Barbirer auf ihre Kosten inspicieren<br />
und besichtigen lassen. Weil aber selbiger schon krank<br />
hierhero gekommen. Als hat diese Klag von ihnen nicht<br />
gemacht werden können. Juden haben dem Befreundeten<br />
selbig seinen Körper rein gewaschen, in ihr gewöhnliches<br />
weißes Sterbkleid angekleidet, mit eigenen Händen einen<br />
Toten-Sarge gemacht und selbigen in dem zubereiteten Ort,<br />
nebst vielen ihrer jüdischen Zeremonien, führen lassen und<br />
gleichfalls eigenhändig eingescharrt. Und nachdem alles vollendet,<br />
haben die Befreundeten bei gnädiger Herrschaft sich<br />
untertänig angeben und des nach bemelten Vermögens halber<br />
Richtigkeit zur Prob angeboten, bis dahin man dessen Habschaft<br />
nit extrhieren.<br />
NB: Hiebei ist für die Zukunft zu merken, daß wenn sich in<br />
diesem ain solcher Fall sich widerholen sollte, den Corpus<br />
nicht ohne daß man es der benachbarten Judenschaft und<br />
durch diese sein Weib und hinterlassenen Kindern zu wissen<br />
gemacht und den Fall hatte notificieren lassen, befriedigt man<br />
nit allein großen Prozess und Haß den man bekommen hätte,<br />
als die Judenschaft sagt, er wäre unter den Christen ermordet<br />
worden und man ihn in ein Loch geworfen hätte. - Und auch<br />
dieses doch gewiß geschehen wäre trotz ihrer kayserl. Privilegien,<br />
kraft dessen man den Körper gegen Erlegung der<br />
Unkosten undisputierlich ausfolgen lassen muß nahmhaft<br />
ohne Gewalt und ebenmäßig. Das sich schwer erwiesen hat,<br />
da diese Klag schon vielemal geschehen. Also beim jeweiligen<br />
Fall sogleich Klag, daß 2 Judenschaften es notificieren und<br />
freistellen, ob primo selbiger Cörper im jeweiligen Sterbeort<br />
vergraben, oder gegen Revers und barer Erlegung der Unkosten,<br />
selbig in den Ort wohin er Schutzverwandter ist,<br />
abführen lassen wollte. Die Zech muß dann auch darauf<br />
gemacht werden. - Zur Information!<br />
Specification der Unkosten, so über den Körper ergangen!<br />
Erstlich gnädige Herrschaft, als hoch und<br />
niedrige Jurisdiction hier vor den Platz und<br />
das Fraisch-Pfand. In Ansehnung ihres wenigen<br />
Vermögens, das doch 100 Rchsthlr. billig<br />
kunt abgefordert werden in allem 12 fl.<br />
Item selbige Jüry-Gelt 1 fl.<br />
Dem Obervogt vor das Protocoll zu führen 1 fl.<br />
Vor das Inventarium 1 fl. 30 x.<br />
Item ihm, daß er in dem Sterbhaus nebst den 2<br />
des Gerichts, welche seine Habschaft inspicieret,<br />
umb daß nichts zurück bleiben möchte<br />
anwesend sein und beständig hin und wider<br />
laufen müssen vor Bemühungen 1 fl.<br />
Wegen denen gerichtlich Gezeugen, welche<br />
auch den ganzen Tag damit zugebracht seint,<br />
yr miteinand aufkommen, darum jedem 45 x.,<br />
miteinand also gemacht worden 1 fl. 30x.<br />
Dem Jenigen, so das Loch gemacht 1 fl.<br />
Item dem Amtsknecht, welcher den Körper<br />
visitiert hin und wider getragen und ausgezogen<br />
20 x.<br />
Denjenigen 2 Männer, welche selbig 2 Tag<br />
und 1 Nacht verwachen müssen miteinand 1 fl. 30 x.<br />
Item denen 2 Botten, so nach Riedlingen und<br />
in der Stadt hin und wider laufen und umb<br />
benachbarte Juden umbfragen müssen 20 x.<br />
Summa 21 fl. 40x.<br />
58<br />
Revers Brief der Juden!<br />
Wir Endtß Unterschriebene bekennen hiermit, und in Craft<br />
dieses Briefs, daß, nachdem Samuel ben Schmuel (sein Name)<br />
Schutzjud von Hechingen als mein Benachbarter und Mitconsort<br />
wurd morgens am heimgehen, allhier zu Grüningen<br />
an einer etlich tägigen unbekannten Unpäßlichkeit deß Zeitlichen<br />
beurlaubt und gestorben. Von allhießig hochfreiherrlich<br />
gnädiger Herrschaft, auch in Ansehung des Vorseihenden<br />
Armut, sowohl in Abforderung des gewöhnlichen Freischpfandes<br />
und Fall, als auch in all anderen Observationen<br />
(Beobachtungen), so zu dergleichen Fällen nach Anlaß und<br />
Rechts in Confideration (Vertrauen?) zu erhalten sind, dermaßen<br />
mit gnädigem Auge angesehen worden, daß man<br />
darunter von Seiten der ganzen Judenschaft zu bemeltem<br />
Hechingen unendlich obligiert zu sein sich erkennet. Dahero<br />
dann auch craft dieß mit freyem Gemüt und Willen nit<br />
weniger denn schuldig bekennen und unani (gemeinsam)<br />
weiter sagen müssen. Weßwegen wir auch gegenwärtigen<br />
Reversbrief von und soll, daß es aus keiner gewesenen<br />
Schuldigkeit, weniger auf Befehl, Rechte, oder sonsten<br />
Observation kommen und wir es sonsten supponiert oder in<br />
anderer Weis davon gesprochen und raifoniert (weitersagen)<br />
können. Sondern ganz und gar aus angeborener hoher Gnad<br />
und Commiseration (Mitleid), einig allein geschehen sein!<br />
Das ist zu wahrer Urkund und Bekräftigung halber, sowohl<br />
im Namen und anstatt des, der hinterlassen Kinder bestellten<br />
Anwalts, als auch des Verstorbenen hinterlassenen Sohn,<br />
gegenwärtigen Revers eigenhändig unterschrieben und mit<br />
dem gewöhnlichen Pötschaft corroborieren (mit dem Siegel<br />
bekräftigen) wollen.<br />
Gegeben: Grüningen 31. Sept. 1718.<br />
Quelle: Frh. von Hornstein'sches Protokollbuch 1711-1745.<br />
Kommentar zum Tod dieses Juden!<br />
Es mag uns heute seltsam oder gar herzlos erscheinen, einen<br />
hier im Ort verstorbenen Israeliten nicht auf dem Dorffriedhof,<br />
sondern in dem ca. 1 km vom Dorf entfernten Wäldchen<br />
Berket genannt, zu beerdigen. Bei der Pietät, die man den<br />
eigenen Toten angedeihen läßt und mit der Liebe, mit der<br />
man ihre Gräber pflegt, ist das fast unverständlich. - Wenn<br />
man aber der Sache nachgeht, so mögen es wohl die Juden<br />
selber gewesen sein, die diesen Platz gewählt haben.<br />
Von 1711 bis 1717 hatte die hießige Herrschaft 4 israelitische<br />
Familien als Schutzjuden hier im Dorf aufgenommen, da<br />
ihnen die Stadt Riedlingen zu ihrem Handel gar günstig<br />
gelegen sei. In diesen Jahren starben ihnen 3 Kinder, die auf<br />
dem für sie bestimmten Beerdigungsplatz im Wald »Berket«<br />
begraben wurden. Die Herrschaft scheint mit ihnen nicht<br />
zurechtgekommen zu sein und betrieb ihre Ausweisung. Es<br />
wurde sogar das Landgericht eingeschaltet. Bei diesen 3 toten<br />
Kindern wurde auch der hier verstorbene Jude aus Hechingen<br />
beerdigt.<br />
Wie man in der einschlägigen Literatur nachlesen kann,<br />
mögen für die Wahl dieses Beerdigungsplatzes wohl religiöse<br />
Gründe der Juden den Ausschlag gegeben haben. Denn nach<br />
ihrem Glauben sollen die Juden nach dem Kommen des<br />
Messias auferstehen. Schon immer gab es große Dispute<br />
zwischen den Gottesgelehrten, wem diese Gunst zuteil werden<br />
wird. - Allen Völkern der Erde, oder nur dem »Volk<br />
Gottes«, oder wenigstens allen Juden und den Gerechten<br />
unter den anderen Völkern. - Es gab auch große Diskussionen,<br />
ob wirklich alle Juden auferstehen sollen, auch Mörder<br />
und Einbrecher und solche die ihre Untaten mit dem Tod<br />
gesühnt hatten. Nur die Selbstmörder sollten nicht unter den<br />
Auferstandenen sein, darin waren sich alle einig.
Man darf den Juden auch keine Organe zur Transplantation<br />
entnehmen, denn dann könnte ja ein Jude ohne Niere, oder<br />
ohne Netzhaut auferstehen. Auch müssen ihre Friedhöfe<br />
immer von anderen getrennt sein und werden oft hunderte<br />
von Jahren gepflegt. Auch dürfen sich Juden nach ihrem Tode<br />
nicht unter die Nichtjuden mischen, denn es könnte sonst<br />
passieren, daß der Messias sie bei seiner Ankunft übersieht. -<br />
Auch wenn ein Nichtjude auf einem jüdischen Friedhof<br />
beigesetzt wird, sind die umliegenden Gräber »gefährdet«.<br />
OTTO WERNER<br />
Herrschaftliche Gebäude in Hechingen<br />
Die Auflistung der herrschaftlichen Gebäude in Hechingen<br />
erfolgt nach dem »Brand-Versicherungs-Kataster« aus dem<br />
Jahre 1839. Dieser Kataster lagert im Stadtarchiv Hechingen.<br />
A. In der Stadt Hechingen<br />
Num. 22 »Das Museumsgebäude, 2 Stok hoch, mit<br />
Fachwerk, über Abzug des Kellers« taxiert auf 6000 Gulden,<br />
»hiezu ein neuerbauter Saal, laut Taxationsurkunde vom<br />
27. Septjember] 1839 4500 Gulden«.<br />
Num. 22a »1 Stall hiebei, 45' [= Schuh] breit, 2 Stok im<br />
Fachwerk«, taxiert auf 350 Gulden. (1 Schuh entspricht<br />
29,617 cm.)<br />
Num. 23 »Das Gewächshaus im fürstlichen] Garten in der<br />
Mittelgaß, 1 Stok hoch, von Stein über Abzug der Mauern«<br />
taxiert auf 2000 Gulden. (Die »Mittelgaß« ist die heutige<br />
Zollerstraße.)<br />
Num. 24 »Das Badhäuschen im fürstlichen] Garten in der<br />
Mittelgaß, 1 Stok mit Fachwerk«, taxiert auf 300 Gulden.<br />
Nachgetragen wurden die Nummern 24 a-c, und zwar<br />
Num. 24a »1 Küchengebäude, 2 Stok, von Stokmauren über<br />
Abzug des Kellers u[nd] sämtlicher] Stokmauren laut<br />
Beschluß v. 6. May 1843« taxiert auf 4000 Gulden;<br />
Num. 24b »1 Holzstall, 2 Stok von Stein, nach diesem<br />
Beschluß« taxiert auf 400 Gulden;<br />
Num. 24c »1 Hühnerhaus, 1 Stok, von Fachwerk, nach<br />
diesem Beschluß tax[iert auf] 200 [Gulden]«.<br />
Num. 25 »Das Beschließeringebäude im fürstlichen] Garten,<br />
2 Stok, mit Fachwerk, über Abzug des Kellers« taxiert auf<br />
3000 Gulden.<br />
Num. 26 »Das Hühnerhaus im fürstlichen] Garten, 1 Stok<br />
hoch, mit Fachwerk«, taxiert auf 200 Gulden.<br />
Num. 27 »Die Bibliothek im ffürstlichen] Garten, 1 Stok<br />
hoch, mit Fachwerk«, taxiert auf 800 Gulden.<br />
Num. 32V2 »Das Kleinkinderbewahranstalt-Gebäude vor<br />
dem obern Thor, 65' lang, 30' breit, 1 Stok, von Stein mit<br />
Aswalddach«, taxiert auf 3500 Gulden.<br />
Num. 32Va »1 Schopf dabei, 28' lang, 12' breit, 1 Stok hoch,<br />
mit Fachwerk«, taxiert auf 200 Gulden.<br />
Soweit die Gebäude vor dem oberen Tor. Es folgen die<br />
Gebäude in der Innenstadt:<br />
Num. 111 »1 dreistökiges Wohnhaus in der Schloßgaß von<br />
Stein, (Wohnung des Präsidenten)«, taxiert auf 5000 Gulden.<br />
(Dieses Wohnhaus ist die frühere Hauptwache zwischen<br />
Schloß und Kanzlei. Das Schloß ist nicht aufgeführt; es war<br />
1813/14 abgebrochen worden.)<br />
Num. 113 »Das alte Kanzleigebäude in der Schloßgaße,<br />
2V2 Stok hoch, von Stein«, taxiert auf 12000 Gulden. (Die<br />
alte Kanzlei heißt im Volksmund >Altes Schloßt)<br />
Num. 144 »Das obere Bräuhaus, 2 Stok von Stein, über<br />
Abzug der Keller« taxiert auf 8000 Gulden. (Das obere<br />
Bräuhaus war im selben Gebäude wie die spätere Fruchtschranne<br />
und das spätere Schulhaus in der Kaufhausstraße.)<br />
Da sich die Juden ja schon zu allen Zeiten in verschiedene<br />
Glaubensrichtungen gespalten haben, dürfte sich das heute<br />
nicht mehr auf alle anwenden lassen. - Wie man aber immer<br />
wieder aus Pressemeldungen erfahren kann, gibt es immer<br />
noch Gruppen, die um die »Reinheit« ihrer Friedhöfe sehr<br />
besorgt sind und allen Andersgläubigen die Bestattung auf<br />
ihren Friedhöfen nicht erlauben und sich selbst auch nicht auf<br />
nichtjüdischen Friedhöfen beerdigen lassen wollen.<br />
vor 150 Jahren<br />
»Laut Beschluß v. 18. July 1844, da die Brauereieinrichtungen<br />
hinweg kamen, erniedrigt zu 6000f.«<br />
Num. 145 »Das Dikasteriengebäude, 3 Stok mit Fachwerk,<br />
nach Abzug des Kellers« taxiert auf 10000 Gulden. (Dieses<br />
Gerichtsgebäude wurde das spätere Gebäude des Landratsamtes<br />
in der Kaufhausstraße; heute Baulücke: Parkplätze.)<br />
Num. 225 »Das Pfarrhaus samt Anbau, 2 Stok hoch, der lte<br />
Stok von Stein, die 2 andern mit Fachwerk, im 2t Stok ein<br />
Bakofen« taxiert auf 4500 Gulden. (Das frühere Pfarrhaus<br />
stand an der Ecke Hohenbergerstraße/Schulstraße; heute:<br />
Parkplätze.)<br />
Es folgen die Gebäude in der Unterstadt:<br />
Num. 372 »Kloster St. Luzen mit 3 Flügel, 2 Stok hoch, von<br />
Stein, über Abzug der Keller« taxiertauf 10000 Gulden. (Das<br />
Kloster war in der Säkularisation aufgehoben und der<br />
Klosterbesitz samt Kirche dem Fürsten von Hohenzollern-<br />
Hechingen zugesprochen worden.)<br />
Num. 373 »Das Bräuhaus bei St. Luzen, 2 Stok hoch, von<br />
Stein, über Abzug der Keller« taxiert auf 7000 Gulden. - Im<br />
Jahre 1843 heißt es: »Obiges Gebäude ist cassirt, u[nd] an<br />
dessen Stelle ein neues errichtet worden, 234' lang, 28' breit;<br />
taxiert mit Einschluß von 3 Kühlen u[nd] 2 Maischkästen,<br />
u[nd] über Abzug sämtlicher Keller 2 Braupfannen u[nd]<br />
5Brantweinhäfen zu 22000 [Gulden].«<br />
Num. 374 »Die Kirche bei St. Luzen samt dem Kreuzgange,<br />
2 Stok von Stein«, taxiert auf 8000 Gulden. - Laut Schätzungsurkunde<br />
vom 18. Januar 1840 kamen hinzu: 2 Glocken<br />
zu 500, 1 Orgel zu 100, 1 Hochaltar zu 125, 2 Seitenaltäre zu<br />
je 25, 1 Altar zu 75 und Bet- und Chorstühle zu 75 Gulden.<br />
Num. 375 »1 Stall u[nd] Remise bei St. Luzen, 1 Stok, die<br />
Hälfte von Stein, die andre mit Fachwerk erbaut«, taxiert auf<br />
400 Gulden. - Eine Malzmühle wurde laut Beschluß vom<br />
18. Juli 1844 taxiert auf 300 Gulden.<br />
Num. 421 »Die Spitalkirche, 2 Stok, von Stein«, taxiert auf<br />
4000 Gulden. Dazu kamen 2 Glocken zu 600, 1 Uhr zu 150,<br />
1 Kanzel zu 25, 1 Hochaltar zu 150, 2 Seitenaltäre zu je 25,<br />
Bet- und Chorgestühl zu 100 Gulden.<br />
Num. 422 »Das Hospitalgebäude, 2 Stok, von Stein«, taxiert<br />
auf 6000 Gulden.<br />
Num. 423 »Die Hospitalscheuer, 2 Stok, mit Fachwerk«,<br />
taxiertauf 1800 Gulden. Die Scheuer wurde um das Jahr 1850<br />
abgebrochen. - Stattdessen wurde<br />
Num. 423 »eine neue Scheune, 2 Stok hoch, der lte Stok von<br />
Stein, der 2te von Fachwerk« erbaut. Inhaber war die Spitalverwaltung.<br />
Taxiert wurde die neue Scheuer 1851 auf 3000<br />
Gulden.<br />
Num. 425 »Der Fruchtkasten beim Spital, 2 Stok, v[on]<br />
Stein«, taxiert auf 8000 Gulden.<br />
Num. 426 »Das Materialhaus beim Hofgarten samt Scheune<br />
unter einem Dach, 1 Stok, von Stein«, taxiert auf 2000<br />
Gulden.<br />
59
Num. 435 »Die Stadtmühle, 2 Stok, von Stein«, taxiert auf<br />
4000 Gulden, der Gerbgang mit allen seinen Teilen auf 155,<br />
der 1. Mahlgang auf 160, der 2. ebenfalls auf 160, der 3. und 4.<br />
zusammen an einem Wasserrad auf 850 (später erniedrigt auf<br />
750), der Mühlenstuhl (bzw. »Bieth«) auf 150 Gulden.<br />
Num. 436 »1 Stall bei der Stadtmühle, 1 Stok, mit<br />
Fachwerk«, taxiert auf 150 Gulden. - »Nach vorgenommenen<br />
Baute laut Beschluß vom 8. Feb[ruar] 1844 taxirt zu<br />
600 [Gulden].«<br />
Num. 465 »Das Wohnhaus im Stuttenhof, 2 Stok, mit<br />
Fachwerk«, taxiert auf 2500 Gulden.<br />
Num. 465a »Der Maststall und Viehhaus allda, 2 Stok, mit<br />
Stein«, taxiert auf 7000 Gulden.<br />
Num. 465b »1 Garbenscheuer allda, 1 Stok, von Stein«,<br />
taxiert auf 6000 Gulden.<br />
Num. 465c »1 Schafstall allda, 2 Stok, von Stein«, taxiert auf<br />
9000 Gulden.<br />
Num. 465d »1 Waschhaus, 1 Stok, von Stein, über Abzug der<br />
Stokmauern taxiert l[aut] Beschluß v[om] 6. May 1843 [auf]<br />
100 [Gulden]«.<br />
Num. 466 »Das Wohnhaus im Hofgarten, 2 Stok, mit<br />
Fachwerk«, taxiert auf 1200 Gulden.<br />
Num. 466a »Das Gewächshaus allda, 1 Stok, mit Fachwerk«,<br />
taxiert auf 300 Gulden. (Das Gewächshaus wurde im Jahre<br />
1852 abgebrochen.)<br />
Num. 469 »Die Gypsmühle, 2 Stok, mit Fachwerk, Öhlmühl-Feuerstätte,<br />
hiebei noch ein Anbäule«, taxiert auf<br />
500 Gulden. - Die Gipsmühle wurde im Jahre 1840 umgebaut<br />
und einschließlich des laufenden Werks neu taxiert auf<br />
2000 Gulden.<br />
HERBERT RÄDLE<br />
Zwei Porträts von Mitgliedern der Gelehrtenfamilie Grynaeus (Griener)<br />
aus Veringendorf<br />
I. Zur Biographie der Dargestellten<br />
Die Sippe der Grynaei hat im 16. Jh. mehrere bedeutende<br />
Professoren hervorgebracht, die in Heidelberg, Tübingen<br />
Basel und Bern wirkten 1 . Zeitlich der erste und zugleich der<br />
bedeutendste unter ihnen ist der Humanist und Theologe<br />
Simon Grynaeus, geb. 1493 (oder 1494/95) als Bauernsohn in<br />
Veringendorf, gestorben 1541 in Basel, den unser erstes<br />
Porträt darstellt. Er war über die Stationen Wittenberg und<br />
Heidelberg 1529 nach Basel gelangt, wohin ihn der Reformator<br />
Oekolampad als Gräzisten berufen hatten. Er sollte dort<br />
Erasmus ersetzen, der aus Verärgerung über die Einführung<br />
der Reformation zusammen mit anderen Gelehrten die Stadt<br />
verlassen hatte. Nach Oekolampads frühem Tod im Jahr 1531<br />
galt Crynaeus während seiner Zeit in Wittenberg - dort<br />
immatrikulierte er sich am 17. April 1522 als Magister<br />
Viennensis 3 - hatte er sich der Reformation genähert. Durch<br />
Vermittlung seines Freundes aus der Pforzheimer Schulzeit,<br />
Philipp Melanchthon, war er auch mit Luther persönlich<br />
bekannt geworden. Seine stark vom Piatonismus geprägte<br />
Denkungsart prädestinierte ihn jedoch eher zum Zwinglianismus<br />
4 . Herzog Ulrich von Württemberg berief den Basler,<br />
zusammen mit dem Konstanzer Ambrosius Blarer, 1534 zur<br />
Durchführung der Reformation an die Universität Tübingen.<br />
Im Sommer 1535 wieder nach Basel zurückgekehrt, übernahm<br />
Simon Grynaeus die Nachfolge des Antistes<br />
(= Bischofs) Oswald Mykonius als Neutestamentier. Er<br />
hatte aktiven Anteil an der Abfassung der sog. ersten helvetischen<br />
Konfession, die im Januar 1536 von den schweizerischen<br />
Theologen in Basel vereinbart wurde, sowie an den<br />
Konferenzen, die abgehalten wurden, um die Schweizer zur<br />
Annahme der Wittenberger Konkordie von 1536 zu bewe-<br />
60<br />
B. Auf der Friedrichstraße<br />
Num. 470 »Die Strekemühle samt Scheune, die Mühle 2 Stok,<br />
einer von Stein, der obere mit Fachwerk, die Scheune einstökig<br />
mit Fachwerk«, taxiert auf 6000 Gulden. - Der Gerbgang<br />
samt Zubehör wurde auf 100, der 1. Mahlgang auf 125, der 2.<br />
auf 150, der Mühlstühl auf 125 Gulden taxiert.<br />
Num. 475 »Die mittlere Mühle, 2 Stok, von Stein, deren<br />
Stallung, IV2 Stok, mitFachwerk«, taxiert auf 3500 Gulden.-<br />
Dazu kamen Gerbgang samt Zubehör, 3 Mahlgänge, der<br />
Mühlstuhl und das Waschhaus mit 800 Gulden.<br />
Num. 476 »Das Schafhaus, 1 Stok, von Stein«, taxiert auf<br />
2000 Gulden.<br />
Num. 481 »Das Wohnhaus der untern Mühle, 2 Stok, mit<br />
Fachwerk, im 2t Stok ein Bakofen«, taxiert auf 800 Gulden.<br />
Num. 482 »Die untere Mühle, 1 Stok, von Stein«, taxiert auf<br />
1600 Gulden. - Hinzu kamen an Einrichtungen 675 Gulden.<br />
Irrtümlich eingetragen worden waren drei herrschaftliche<br />
Gebäude, die - wie im Jahre 1843 bemerkt wird - nicht auf<br />
Hechinger sondern auf Markung Stetten lagen:<br />
Num. 492 »Brielhof, die Maiereibewohnung samt allen<br />
Anbäuen, 1 Stok von Stein«, taxiert auf 8000 Gulden.<br />
Num. 494 »Hof Ziegelbach, 1 Stok mit Fachwerk«, taxiert<br />
auf 2400 Gulden, »deßen Waschhaus, 1 Stok, von Stein« auf<br />
200 Gulden.<br />
Num. 495 »Die Heiligkreuzkapelle, samt Wohnhaus, 1 Stok,<br />
von Stein«, taxiert auf 800 Gulden.<br />
JCDL—xocz«» qfc -JUX- jooL--JUC: J j»—«x »7*r:<br />
SIMON GRYNAEVS PHILOS.<br />
& Theoloiius Bafilicnlis.<br />
t¡ttjmfw< er tndu< ,honore gr.iuu.<br />
AL D. XLL<br />
KJA 1D XXJ Ol » _ OL«
gen 5 . An dem Religionsgespräch zu Worms 1540 nahm er als<br />
Abgeordneter Basels teil. Er starb 1541 als gewählter Rektor<br />
der Universität Basel. - Bedeutender noch als seine theologische<br />
und reformatorische Tätigkeit war seine Leistung als<br />
vielseitiger Humanist. Er hat zahlreiche griechische und<br />
lateinische Autoren herausgegeben und mit gelehrten Vorworten<br />
versehen 6 . Bleibendes Andenken auf philologischem<br />
Gebiet sicherte ihm die Entdeckung der bis dahin unbekannten<br />
Bücher 41-45 des Livius.<br />
Auch sein in Abb. 2 dargestellter Großneffe Johann Jakob<br />
Grynaeus (1540-1617) ist - exakt 50 Jahre nach ihm - als<br />
Reformator einer süddeutschen Universität hervorgetreten.<br />
Dem Ruf Johann Kasimirs folgend, organisierte Johann<br />
Jakob Grynaeus 1584-86 die Universität Heidelberg auf<br />
reformierter Grundlage und trug damit wesentlich zur Festigung<br />
der reformierten Lehre in der Pfalz bei. Der Sohn des<br />
Thomas Grynaeus - über ihn weiter unten - hatte Schule und<br />
Universität in Basel besucht, wurde 1559 Vikar und 1565<br />
Nachfolger seines Vaters als Superintendent der badischen<br />
Landeskirche in Röteln im Wiesental, nachdem er 1563/64 in<br />
Tübingen den Doktorgrad der Theologie erworben hatte.<br />
1575 als Professor für Altes Testament nach Basel berufen,<br />
wurde er 1586 Nachfolger Simon Sulzers und setzte als<br />
Antistes und Professor für NT der von Sulzer betriebenen<br />
Annäherung Basels an das Luthertum ein Ende. Gemeinsam<br />
mit seinem Schwiegersohn Amandus Polanus formte er die<br />
Basler Kirche in Lehre und kirchlicher Ordnung, nicht ohne<br />
Widerstand, zu einer autoritären Staatskirche um. Er schuf<br />
einen Katechismus, verteidigte Calvins Prädestinationslehre,<br />
veröffentlichte 1590 eine ausführliche Gottesdienstordnung<br />
und strebte die Anerkennung der zweiten helvetischen Konfession<br />
an, die aber erst 1644 erfolgte. Seine Vorlesungen über<br />
Kirchen- und Profangeschichte erfreuten sich eines guten<br />
Besuchs 7 .<br />
II. Die Porträts<br />
Das in Abb. 1 gezeigte Porträt des Simon Grynaeus, ein<br />
Holzschnitt, entstammt einer Sammlung mit dem Titel Icones<br />
sive imagines virorum literis illustrium, hrsg. von Nicolaus<br />
Reusner, Straßburg 1585 (Neudruck Leipzig/Gütersloh/<br />
Zwickau 1973). Es ist das früheste bekannte Porträt des<br />
Gräzisten und geht vermutlich auf eine vera icon, sei es eine<br />
Zeichnung oder ein Gemälde zurück 8 . In der Uberschrift<br />
wird Grynaeus als Basler Philosoph - d. h. Professor an der<br />
Artistenfakultät - und Theologe präsentiert. Die Unterschrift,<br />
eine Art Grabepigramm, rühmt ihn als einen frommen<br />
und gelehrten Mann (pius et doctus), angenehm im<br />
Umgang (suavis moribus), einen Mann von rechtschaffener<br />
Gesinnung (mente probus), von untadeligem Lebenswandel<br />
(vita sanctus) und großem Ansehen (honore gravis). In der<br />
Hand trägt der Dargestellte - als homo literatus - eine<br />
Schriftrolle. Das insgesamt schlicht gehaltene Porträt strahlt<br />
eine strenge Würde aus, die durch den ragenden Bart unterstrichen<br />
wird. Inwieweit es sich dabei um Porträtähnlichkeit<br />
handelt, läßt sich allerdings nicht nachprüfen. In der letzten<br />
Zeile findet sich die lateinische Jahreszahl 1541, das Todesdatum<br />
des Dargestellten.<br />
Die Kenntnis des in Abb. 2 wiedergegebenen Porträts von<br />
Johann Jakob Grynaeus verdanke ich Herrn Josef Schülzle<br />
aus Burladingen, der dem Leben und Wirken der Grynaei seit<br />
Jahren nachgegangen ist. Da die Inschrift nur das Geburts-,<br />
nicht aber das Todesjahr angibt, muß der Stich vor dem Tod<br />
des Abgebildeten im Jahr 1617 entstanden sein. Der Abgebildete,<br />
dessen Antlitz Intelligenz, Strenge und Entschlossenheit<br />
ausdrückt, wird als Theologus celeberrimus, als hochberühmter<br />
Theologe, präsentiert. Geboren ist er, so lesen wir,<br />
zu Bern im Jahre 1540. Dort war sein Vater, Thomas<br />
Grynaeus (1512 in Veringendorf geboren, später von Simon<br />
GRYNstXlM Sfu<br />
.•Ineelus, rrt Nahmt an<br />
Grynaeus nach Basel geholt, verheiratet seit 1533 mit Adelheid<br />
Steuber) seit 1535 Professor für Latein und Griechisch.<br />
Das unter dem in ovaler Form gehaltenen Porträt eingetragene<br />
Epigramm lautet: Ein Engel Jehovas rettete einst seinen<br />
Vater Grynaeus aus Speyer: hier ist der Sohn, ein glänzender<br />
Theologe, dargestellt. Der Verfasser des Epigramms ist also<br />
der Meinung, Johann Jakob Grynaeus sei ein Sohn vn Simon<br />
Grynaeus, auf eine Geschichte aus dessen Leben er anspielt 9 .<br />
Dieser hatte aber nur einen - mit Johann Jakob Grynaeus<br />
allerdings nahezu gleichaltrigen - Sohn Samuel (1539-1599).<br />
Er wurde 1564 Professor der Eloquenz in Basel, 1571 Professor<br />
der Jurisprudenz, 1591 Stadtsyndikus. Verheiratet war er<br />
zweimal, mit Elisabeth Peyer und Anna Rüdin. Es war mir<br />
nicht möglich, von Samuel Grynaeus ein Porträt ausfindig zu<br />
machen. Es ist mir auch nicht bekannt, ob in der königlich<br />
englischen Bibliothek heute noch jenes Porträt des Humanisten<br />
Simon Grynaeus hängt, das Heinrich VIII. 1531 dort<br />
aufhängen ließ, versehen mit lateinischen Versen »voll des<br />
schmeichelhaftesten Lobes« 10 .<br />
Anmerkungen:<br />
1<br />
Vgl. Carl Roth, Stammtafeln einiger ausgestorbener Basler<br />
Gelehrtenfamilien, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde<br />
16, 1917, S. 398 f.<br />
2<br />
Vgl. M, E. Welti, Der Gräzist Simon Grynaeus und England, in:<br />
Archiv für Kulturgeschichte 45, 1963, S. 234.<br />
3<br />
Er hatte also in Wien sein Magisterexamen gemacht. Vgl. Philipp<br />
Melachthons Declamationes, hrsg. von K. Hartfelder, Berlin<br />
1891, S. XXV.<br />
4<br />
So J. V. Pollet, Martin Bucer, Etudes Sur la correspondance, Paris<br />
1962, S. 372.<br />
5<br />
Vgl. K. Gauß, Die Berufung des Simon Grynaeus nach Tübingen,<br />
in: Basler Jahrbuch 1911, S. 118 ff.<br />
6<br />
Vgl. G. Th. Streuber, Simonis Grynaei clarissimi quondam academiae<br />
Basiliensis theologi et philologi epistolae. Accedit Index<br />
auctorum Grynaei opera editorum, Basel 1847, S. 57ff.<br />
7<br />
Literatur: F. Weiß, in: Basler Biographien I, Basel 1900, S.<br />
150-194.<br />
AHM RITTET IOLIA:<br />
platzt* >TU.att<br />
k
8 Das in der Aula des Museums für Natur- und Völkerkunde in<br />
Basel befindliche Olbildnis ist jüngeren Datums.<br />
9 Die Geschichte, daß Simon Grynaeus bei dem Religionsgespräch<br />
in Speyer 1529, an dem er von Heidelberg aus teilnahm, von den<br />
Häschern des Königs Ferdinand gesucht und nur durch das<br />
Eingreifen eines geheimnisvollen Unbekannten gerettet worden<br />
JOHANN ADAM KRAUS<br />
sei, geht auf A. Gast, Sermones convivales II, 158 ff. zurück.<br />
R. Thommen, Geschichte der Universität Basel von 1532-1632,<br />
Basel 1889, S. 112 verweist den Bericht Gasts allerdings ins Reich<br />
der Fabel.<br />
10 So berichtet G. Th. Streuber, Simon Grynaeus, in: Basler<br />
Taschenbuch auf das Jahr 1853, Basel 1853, S. 24.<br />
Nachlese zu den Herren von Killer-Ringelstein, gen. Affenschmalz<br />
Seit dem Aufsatz im Hohenzollerischen Jahresheft 1954<br />
(S. 103-141) haben sich noch einige bisher unbekannte Daten<br />
zur Adelsfamilie von Killer-Ringelstein genannt Affenschmalz<br />
gefunden:<br />
1) 1156 (zu S. 127): Anselm von Ringelstein ist letzter Zeuge<br />
nach dem Grafen Sigebert von Frankenburg für K. Friedrich<br />
Barbarossa betr. Privilegien für Kloster Neuburg<br />
(J.D. Schöpflin, Alsatiae dipl. I, Seite 472, Nr. 670).<br />
2) 1256 Dez. 31: Ein Heinrich, genannt von Kilwiler, ist<br />
Kaplan auf Burg Zollern (Mon. Zoll. I und Cod. Salem)<br />
3) 1365 Feb. 25: Eine große Wiese zu Sehan (Saia, Seeheimertal<br />
zwischen Killer und Ringingen) gehörte dem verstorbenen<br />
Albrecht von Kirchwiler (HJHeft 1957, 355, betr. Stettener<br />
Urkunde Nr. 253).<br />
4) 1380 Mai 18: Heinz von Killer, genannt Affenschmalz,<br />
siegelt neben Renhard von Melchingen, Anshelm und Burkart<br />
von Höllnstein für drei Fräulein von Werstein (Weitinger<br />
Kopialbuch S. 60 im fürstl. höh. Archiv Sigmaringen).<br />
5) 1383 Juli 25: Heinrich von Kyller, des da Ringingen<br />
(eigen) ist, den man nennt Affenschmalz, ist Bürge und<br />
Siegler einer Urkunde des Burkart von Holnstein für das<br />
Frauenkloster Pfullingen (Arch. Stuttg. A 514, Nr. 92).<br />
Heinrich scheint mit dem im Kriegsdienst 1375 in Italien<br />
verdienten Geld das Dorf Ringingen von den Truchsessen<br />
erworben zu haben (ohne die Burg). Denn auf letzterer saß<br />
noch 1390 im Oktober der Truchseß Jörg von Ringingen<br />
(Cod. Salem: HJHeft 1952, 97).<br />
6) 1394 Dez. 1: Heinrich von Killer, gen. Affenschmalz,<br />
verschreibt seiner lb. Tochter Grete von Killer zwei Pfund<br />
jährlicher Gilt auf Michaelistag. Ein Pfund geht aus dem<br />
Oberen Hagenbrühl, den jetzt Hainz Erhart von Hechingen<br />
baut, das andere aus dem anstoßenden Unteren Hagenbrühl<br />
unter Zollern, den Haila Gebsin und ihr Mann bauen. Nach<br />
Gretes Tod fallen die zwei Pfund Heller ans Kloster Kirchberg,<br />
»darin ich och die obgenannte min Dochter Greten<br />
getaun haun. (Vgl. den Dialekt!). Neben Heinrich siegelt<br />
Georg von Winkental (b. Aalen: Arch. Stuttg. B 462,<br />
Nr. 383).<br />
7) Das Original des Affenschmalzer Jahrtags (1406 nach<br />
Ringingen gestiftet) fand sich nachträglich in Stuttgart: A 478<br />
(Blaubeuren!) Nr. 278.<br />
8) 1411 Nov. 26: Vor kurzem ist die Schwester Grete die<br />
Killerin (oben) im Kloster Kirchberg verstorben. Auf dem<br />
Todbett hat sie gebeten, von ihrem Nachlaß möge das Kloster<br />
ein Pfund Hlr jährlich ans Seelgerät daselbst zu einem Jahrtag<br />
für sie verwenden. Somit wurde ihr geretlaht (Hinterlassenschaft)<br />
verkauft und ein Pfund jährlich auf Michaelis zum<br />
Jahrtag bestimmt, wiederum aus dem Hagenbrühl unter<br />
Zollern, den derzeit Fritz Murer von Hechingen baut. Die<br />
Seelfrauen sollen jährlich den Jahrtag besorgen und »trülich<br />
haißen gedenken mit Singen und Lesen, Vigilien und anderen<br />
guoten Werken, wie es Gewohnhait ist im genannten<br />
Kloster«. Dies wird unterm genannten Datum festgelegt<br />
62<br />
(Arch. Stuttg. B 462, No 384). - Der Hagenbrühl scheint mit<br />
Heinrich dem Hagge von Ringelstein von 1328, dem Vorfahr<br />
Heinrichs von Killer, zusammen zu gehören. Heinrichs<br />
Schwester Adelheid v. K. war 1390 Nonne zu Kirchberg,<br />
seine Base Adelheid 1351-71 im Kloster Stetten (HJHeft<br />
1954, 141).<br />
9) 1413 Mai 18: Laut Hechinger Stiftslagerbuch (Kernler):<br />
»Ich Wilhelm von Killer, Heinrichs v. K. seligen, den man<br />
nennt Affenschmalz, ehelicher Sohn« urkundet betr. einen<br />
Hanfgarten am Stettenerbach (Höh. Heimat 1955, 63). Heinrich<br />
war 1413 gestorben und im Chor der Martinskirche zu<br />
Ebingen beigesetzt worden; Grabstein jetzt im Nebenraum!<br />
10) 1422 Palmtag, 5. April: Der Stadt Bern haben widersagt:<br />
Konrad von Hornberg, Diem von Lichtenfels, Wilhelm von<br />
Ringelstein gen. Affensch., Hans von First etc. wegen des<br />
Herzogs von Urslingen (Anzeiger f. schweizerische<br />
Gesch. 5, 1886-89).<br />
11) 1981: Ende der in den Bürgerstand herabgesunkenen<br />
Familie Ringelstein? (HJHeft 1954, 121: Zu ihr gehörte<br />
vielleicht auch der am 27. Juli 1543 erwähnte Sigmaringer<br />
Untervogt Christoph Ringelstein (Höh. Heimat 1961, 44).<br />
Im Februar 1981 überraschte eine Nachricht aus Freiburg i.<br />
Brsg. die Heimatfreunde: Am 18. Februar war nach kurzer<br />
Krankheit der 51jährige Hausmeister des Badischen Verlages<br />
Hans Ringelstein daselbst verstorben. Er hinterließ keinen<br />
Sohn, sondern neben der Witwe Auguste Mammitsch zwei<br />
verheiratete Töchter Ilona Reinhard und Karin Stelzer. Hans<br />
war Feinschleifer gewesen und wegen Kränklichkeit Hausmeister<br />
geworden seit 7 Jahren, wohnte in der Runzstraße 21.<br />
Er scheint der Letzte der bürgerlich gewordenen Ringelstein<br />
aus der Hechinger Gegend gewesen zu sein als Nachkomme<br />
des Kaspar Ringelstein von 1520, bzw. des 1743 in Ringingen<br />
geborenen Andreas R, des Sohnes des kurz vorher verblichenen<br />
Johannes Ringelstein und der Margaretha Elisabeth<br />
Bopeyin aus einer Landfahrerfamilie. (Vgl. Schwarzwälder<br />
Bote vom 25. Febr. 1981 und HJHeft 1954, 121).<br />
12) Zur Deutung des Namens Affenschmalz (1375 Affensmalz),<br />
den ich a. a. O. aus einem italienischen Kraftwort des<br />
Heinrich von Killer ableitete, ohne es beweisen zu können:<br />
Immerhin heißt italienisch »äffe« als Interjektion »wahrlich«,<br />
»smalto« aber »Schmelz« und »smaltamento« »Verdauung«,<br />
was »schwäbisch »Jo, an Dreck« ergeben könnte.<br />
Der begeisterte Heimatfreund Michael Lore aus Killer hatte<br />
dagegen in der Hohenz. Zeitung vom 14. Juli 1951 geschrieben:<br />
»Der gemeine Mann hatte ehedem nicht die Mittel die<br />
(von mir für 1500 angegebenen) Modetorheiten mitzumachen.<br />
Wenn aber der edle Herr und Gutsbesitzer Heinrich<br />
von Killer mit seinem affenschmalzgeschmierten Haaraufbau<br />
sich gezeigt hat, wie mögen ihn dann die Killertäler wohl<br />
genannt haben?«<br />
Dagegen bleibt zu beachten: Heinrich brachte schon 1375,<br />
also lange vor den genannten Modesachen, seinen Namen aus<br />
Italien mit und nannte sich stolz: »Ich Heinrich von Killer,<br />
genannt Affenschmalz!«
Buchbesprechungen<br />
Joachim. Feist, Reutlinger und Uracher Alb<br />
Text von Jörg Bischoff<br />
145 Seiten mit 100 Tafeln, davon 40 in Farbe. Konrad Theiss<br />
Verlag Stuttgart. DM 49,80.<br />
Joachim Feist ist als Fotograf schon mit mehreren Bildbänden<br />
hervorgetreten. Auch dieser Band enthält überwiegend<br />
schöne und ansprechende Bilder. Neben bekannten »Sehenswürdigkeiten«<br />
werden auch einfache Dinge aus dem Alltag<br />
gezeigt. Landschaftlich am eindrucksvollsten ist der Albtrauf<br />
zwischen Gönningen und dem Seeburger Tal. Aber auch vom<br />
»Unterland« und von der, nur scheinbar, eintönigen Hochfläche<br />
der Alb sind zahlreiche schöne und interessante Bilder<br />
zu sehen.<br />
Die Texte stammen von Jörg Bischoff, Redakteur bei der<br />
»Stuttgarter Zeitung«. In kurzen Einführungen und den<br />
Bilderläuterungen wird viel historisches, kulturelles und<br />
geographisches Wissen zu den dargestellten Landschaften<br />
und Orten vermittelt. Anzumerken wäre, daß Trochtelfingen<br />
nicht im Lauchert- sondern im Seckachtal liegt. B.<br />
Herbert Schwedt, Elke Schwedt, Martin Blümcke, Masken<br />
und Maskenschnitzer der schwäbisch-alemannischen Fastnacht<br />
328 Seiten mit 176 Abbildungen auf 104 Tafeln. Konrad<br />
Theiss Verlag Stuttgart. DM 54.-<br />
Holzmasken sind ein charakteristischer Bestandteil der<br />
schwäbisch-alemannischen Fasnacht. Mit der Gründung von<br />
einigen hundert Narrenzünften erlebte die Fasnacht in den<br />
letzten Jahrzehnten einen ungeahnten Aufschwung. Eine<br />
große Anzahl Masken (eigentlich Larven) mußte neu geschaffen<br />
werden und in den alten Fasnachtszentren kam es zu einer<br />
gewaltigen Vermehrung der Narren. Die Verfasser sind der<br />
Frage nachgegangen, wo diese Masken herkommen und<br />
haben 130 Schnitzer besucht. Die Schnitzer wurden über ihre<br />
Ausbildung, ihre Arbeitsweise und ihre Vorstellungen<br />
befragt. Das Spektrum reicht vom Amateurschnitzer, der nur<br />
eine Zunft mit Masken versorgt, bis zum anspruchsvollen<br />
Holzbildhauer. Ebenso unterschiedlich sind die Erzeugnisse.<br />
Es gibt Masken, die nach einem Protoyp mit der Kopierfräse<br />
hergestellt werden, was vielen Zünften schon vom Preis her<br />
recht ist und wahre Kunstwerke von hohem Wert. Nicht<br />
unterschätzt werden darf auch der Einfluß, den die Maskenschnitzer<br />
bei der Beratung der Zünfte ausüben. An Hand der<br />
Bilder des Buches können sich die Fasnacht-Aktiven über<br />
gute und weniger gute Maskengestaltung informieren. Auch<br />
in unserer näheren Umgebung gibt es eine ganze Anzahl von<br />
Maskenschnitzern und Zünften, über die berichtet wird.<br />
Dem volkskundlichen Standardwerk ist eine weite Verbreitung<br />
zu wünschen, was bei dem günstigen Preis sicher nicht<br />
schwierig ist. B<br />
P. Corbinian Gindele, Die Orgelbauer Leopold und Hieronymus<br />
Spiegel aus Fridingen in Prag, Rottenburg und Waldsee<br />
Beuroner Kunstverlag, Auslieferung Heimatmuseum 7203<br />
Fridingen. 72 Seiten mit mehreren Fotos und Zeichnungen<br />
Pater Corbinian Gindele vom Kloster Beuron stellt in dem<br />
Büchlein die Ergebnisse seiner Forschungen über die Orgelbauer<br />
Spiegel vor. Leopold Spiegel ist schon in jungen Jahren<br />
von Fridingen nach Prag ausgewandert und schuf dort eine<br />
ganze Anzahl von Orgeln. Er starb in Prag 1730. Sein Sohn<br />
Anton setzte das Werk fort. Hieronymus Spiegel lernte die<br />
Kunst des Orgelbauens wahrscheinlich bei seinem Onkel<br />
Leopold in Prag. 1736 erwarb er das Bürgerrecht von Rottenburg.<br />
Auch in unser Gebiet lieferte er mehrere Orgeln, so<br />
z. B. Beuron, St. Anna in Haigerloch und Kloster Mariaberg<br />
(heute in Kaiseringen). Als 73jähriger zog Hieronymus Spiegel<br />
nach Waldsee. 1778 baute er eine Orgel für die dortige<br />
Frauenbergkapelle. P. Corbinian schreibt: Nach 1960 begann<br />
es, daß schwäbische Spiegel-Orgeln von Fachmännern und<br />
Orgelbauern als Kleinode, als meisterhaft gearbeitete Denkmäler<br />
der Orgelbaukunst gepriesen wurden. B.<br />
Beuron. Alte Photographien aus Beuron und den Ortsteilen<br />
Hausen im Tal, Thiergarten, Neidingen und Langenbrunn.<br />
Im Geiger-Verlag, Horb a.N., ist ein 72 Seiten starkes, 92<br />
alte Photos umfassendes Büchlein über Beuron erschienen.<br />
Es beinhaltet auch Bilder aus den übrigen Beuroner Ortsteilen<br />
Hausen im Tal, Thiergarten, Neidingen und Langenbrunn.<br />
Die Texte hat Karl Werner Steim zusammengestellt.<br />
Vorgestellt wird zunächst die heutige Gemeinde Beuron,<br />
wobei auch die Entwicklungen aufgeführt sind, die zur<br />
Bildung der neuen Gemeinde Beuron geführt haben. Es folgt<br />
jeweils eine kurze Geschichte der einzelnen Ortsteile, denen<br />
Reisebeschreibungen aus Büchern der Jahre 1850 und 1883<br />
angeschlossen sind, die sich hervorragend zur Abrundung<br />
der dann folgenden alten Photographien eignen. Von der<br />
Kern-Gemeinde Beuron finden sich 43. Es sind Postkarten<br />
und Photos vom Kloster- und Ortsbereich von der Jahrhundertwende<br />
bis in die Zeit vor wenigen Jahrzehnten, wobei die<br />
baulichen Veränderungen und Ortserweiterungen verfolgt<br />
werden können. Überhaupt wurde besonderer Wert auf<br />
Photos gelegt, die Veränderungen gegenüber heute aufzeigen.<br />
Dann sind alte und zum Teil sehr seltene Photos aus dem<br />
Klosterinneren zu sehen, denen sich Bilder vom Klosterleben<br />
(Prozessionen, Landwirtschaft, Fischfang usw.) anschließen.<br />
Auf einen Abstecher nach St. Maurus folgen Bilder von<br />
zahlreichen - oft inzwischen abgebrochenen oder wesentlich<br />
umgebauten - Häusern und sonstigen Details. Photos vom<br />
Eisenbahnbau und der Eisenbahn beschließen diesen Teil.<br />
Neben Ortsansichten liegt bei Hausen im Tal (25 Photos) der<br />
Schwerpunkt beim Vereins- und sonstigen Gemeindeleben.<br />
Mehrere Schulklassen, Familien und Erinnerungen von Fasnacht,<br />
Musikkapelle, Radfahrverein »Danubia«, Männergesangverein,<br />
Feuerwehr und Fußballclub sind festgehalten.<br />
Stark geprägt sind die Bilder von Thiergarten noch durch das<br />
einstige Hüttenwerk mit großer Kohlenscheuer usw. Thiergartenhof,<br />
Kapelle, Bahnhof, Eisenbahnunglück, Marmorwerk,<br />
Fasnacht und Ruine Falkenstein sind hier festgehalten.<br />
Selbst aus Neidingen (fünf Photos) gibt es interessante Ortsbilder<br />
mit der alten Brücke, der Neidinger Mühle und dem<br />
Schaufelsen. Mit neun Photos ist Langenbrunn mit Schloß<br />
Werenwag vertreten. Hier reizte u. a. der Blick vom Eichfelsen,<br />
der im übrigen auch als (farbiges) Titelbild gewählt<br />
wurde. Abgebildet sind auch die alte Ortsdurchfahrt und der<br />
Talhof. Vom Schloß Werenwag selbst sind auch Photos<br />
aufgenommen worden. Besonders interessant wirken hier die<br />
Gartenpartie und das Schloß mit der früheren Wirtschaft.<br />
Das Buch ist im Sigmaringer und Beuroner Buchhandel<br />
erhältlich.<br />
Geschichte und Geschichten rund um die St.-Georgs-Brücke<br />
Beuron-Thiergarten<br />
Hrsg. von der Gemeinde Beuron, zusammengestelt von Fidel<br />
Mathias Fischer und Karl Werner Steim, o. O. 1984. 34 S.<br />
Text mit 7 Fotos.<br />
Vorliegende Schrift, die von der Gemeinde Beuron anläßlich<br />
der Einweihung der St.-Georgs-Brücke am 2. Juni 1984 herausgegeben<br />
wurde, enthält interessante Beiträge zur<br />
Geschichte der Gesamtgemeinde, vor allem aber der Ortsteilgemeinde<br />
Thiergarten. Nach einem Geleitwort dokumentiert<br />
Bürgermeister Fidel Mathias Fischer zunächst den Bau der<br />
St.-Georgs-Brücke, die 1983/84 anstelle einer aus dem Jahre<br />
1906 stammenden Stampfbetonbrücke errichtet wurde, und<br />
63
Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong> Geschichtsverein<br />
Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />
M <strong>3828</strong> F<br />
Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.<br />
zeichnet in einem weiteren Beitrag die verschlungenen Pfade<br />
nach, die zur Bildung der aus dem ehemaligen hohenzollerischen<br />
bzw. badischen Ortschaften Beuron, Hausen im Tal,<br />
Neidingen und Thiergarten hervorgegangenen Gemeinde<br />
und ihrer Einverleibung in den neuen Landkreis Sigmaringen<br />
führten.<br />
Es folgt der Aufsatz von Johann Adam Kraus »Rund um die<br />
St. Georgsbasilika beim Thiergarterhof«, der bereits bei seiner<br />
Veröffentlichung in der Hohenzollerischen Heimat 33<br />
(1983), S. 49-52, große Beachtung gefunden hat. Der Beitrag<br />
»Geschichte des Fürstl. Fürstenbergischen Hüttenwerkes<br />
Thiergarten« von Jakob Barth, von einer 1858 erschienenen<br />
Monographie abgedruckt, bietet einen Abriß der Geschichte<br />
des 1571 von Graf Wilhelm von Zimmern errichteten Tiergartens<br />
und des dort 1670 bis 1841 bestehenden Hüttenwerks.<br />
Die für die Ortsgeschichte Beurons wichtige Festschrift wird<br />
durch Beiträge von Karl Werner Steim »Von der einstigen<br />
Schule in Thiergarten« und »Interessantes aus der Thiergartener<br />
Schulchronik« sowie von Burkhart Stark »Fragmente aus<br />
dem kirchlichen Leben während der Barockzeit« ergänzt und<br />
abgerundet. Otto H.Becker<br />
1834-1984. Hohenzollerische Landesbank - Kreissparkasse<br />
Sigmaringen<br />
Zu ihrem 150jährigen Jubiläum hat die Hohenzollerische<br />
Landesbank Kreisparkasse Sigmaringen, eine »Festschrift«<br />
herausgegeben, dargestellt und dokumentiert von Bankdirektor<br />
a.D. Lorenz Menz. Das 164 Seiten starke, in Leinen<br />
gebundene Buch mit zahlreichen Abbildungen, auch farbigen,<br />
sprengt den Rahmen einer gewöhnlichen Festschrift.<br />
(Gesamtbetreuung: Deutscher Sparkassenverlag GmbH in<br />
Stuttgart, Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH in<br />
Sigmaringen). Hier wird eine - vom Fachmann flüssig<br />
geschriebene - Veröffentlichung geboten, die ein Stück<br />
Geschichte beinhaltet, wie sie wohl nicht so bald wieder<br />
dargestellt werden dürfte. Ein Grund ist die Kreisreform, die<br />
das Gesicht der einstigen Hohenzollerischen Landesbank<br />
total verändert und zur Landesbank-Kreissparkasse geführt<br />
hat. Anderen Kreissparkassen zugeteilt wurde nämlich das<br />
Gebiet des früheren Kreises Hechingen und von Teilen des<br />
Kreises Sigmaringen. Neu hinzugekommen ist die Kreissparkasse<br />
Saulgau, die in diesem Jahr ihr 130jähriges Jubiläum<br />
feiern kann.<br />
HOH<strong>ENZOLLERISCHE</strong> <strong>HEIMAT</strong><br />
hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein.<br />
Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«<br />
ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will<br />
besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />
und der angrenzenden Landesteile mit der<br />
Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie<br />
bringt neben fachhistorischen auch populär<br />
gehaltene Beiträge.<br />
Bezugspreis: 8.00 DM jährlich.<br />
Konto der »Hohenzollerischen Heimat«:<br />
803843 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />
(BLZ 65351050).<br />
Druck:<br />
M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH & Co.,<br />
7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.<br />
64<br />
Die Autoren dieser Nummer:<br />
Dr. Otto H. Becker<br />
Gustav-Bregenzer-Str. 4, 7480 Sigmaringen<br />
Emil Hauler<br />
7940 Riedlingen 5-Grüningen<br />
Wolfgang Hermann<br />
Fischinger Straße 66, 7247 Sulz<br />
Pfr. Johann Adam Kraus, Eh.Archivar i.R.<br />
Badstraße 8, 7800 Freiburg-Littenweiler<br />
Dr. Herbert Rädle, Oberstudienrat<br />
Veit-Jung-Str. 13a, 8430 Neumarkt/Oberpf.<br />
Karl Werner Steim<br />
In der Au 30, 7480 Sigmaringen<br />
Otto Werner, Rektor<br />
Friedrich-List-Straße 55, 7450 Hechingen<br />
Stephan Wiest, Oberstudiendirektor i. R.<br />
Ludwig-Egler-Straße 12, 7450 Hechingen<br />
Friedrich R. Wollmershäuser<br />
Stuttgarter Straße 133, 7261 Ostelsheim<br />
Schon die Grußworte hochkarätiger Prominenz (Friedrich<br />
Wilhelm Fürst von Hohenzollern, Ministerpräsident Lothar<br />
Späth, Regierungspräsident Dr. Max Gögler, Präsident des<br />
Württembergischen Sparkassen- und Giroverbandes Bruno<br />
Rühl) lassen die Bedeutung des Buches und der Institution,<br />
die dahinter steht, erkennen.<br />
Mit Geographie und Geschichte der ehemaligen »Hohenzollerischen<br />
Lande« wird begonnen. Dann folgt das wichtige<br />
Kapitel über die Gründung der Spar- und Leihkasse im Jahre<br />
1834 durch den Fürsten Carl von Hohenzollern-Sigmaringen<br />
anläßlich der Heirat seines Sohnes, wobei auch auf die<br />
wirtschaftliche Not der damaligen Zeit eingegangen wird und<br />
die sozialen Umstände erläutert werden.<br />
Die Entwicklung bis zum Ersten Weltkrieg zeigt ein stetes<br />
Aufwärts mit dem Wachstum von Handwerk, Handel und<br />
Industrie. Aber es gab auch Rückschläge, nicht nur in den<br />
Revolutionsjahren 1848/49. Ein weiterer Abschnitt ist »Vom<br />
Ersten Weltkrieg bis zur Weltwirtschaftskrise« überschrieben,<br />
wo der Bankfachmann die speziellen Probleme aufzeigt.<br />
Schwierig war auch die Zeit des Nationalsozialismus, des<br />
Zweiten Weltkrieges und erst recht danach. »Kriegsende und<br />
Kriegsfolgen« ist ein wichtiger Teil davon. Von der Währungsreform<br />
bis heute wird dann die Bank dargestellt, wobei<br />
es u. a. um den Wiederaufbau, die Hochkonjunktur und die<br />
einschneidenden Maßnahmen der Kreisreform geht.<br />
Ein eigenes Kapitel ist den Geschäftsgebäuden in Sigmaringen,<br />
Hechingen, Burladingen, Gammertingen, Haigerloch,<br />
Ostrach, Trochtelfingen und Veringenstadt gewidmet.<br />
Sehr umfangreich dargestellt ist auch die 130jährige<br />
Geschichte der Kreissparkasse Saulgau, die seit der Kreisreform<br />
zur Hohenzollerischen Landesbank gehört.<br />
Besonders interessant ist der Anhang, wo die führenden<br />
Persönlichkeiten der Bank durch 150 Jahre chronologisch<br />
und nach Gremien usw. geordnet aufgeführt sind. Dokumente<br />
usw. runden diesen Teil ab.<br />
Der Verfasser hat für seine dankenswerte Arbeit vor allem das<br />
Archiv der Landesbank und die einschlägige Literatur sehr<br />
gründlich ausgewertet. Beigefügt ist dem Buch der Nachdruck<br />
einer gerade 100 Jahre alten Karte Hohenzollerns aus<br />
dem Jahre 1884. K.W. Steim<br />
Berichtigung zu Heft Nr. 2, 5. 27 zu Pettinwillare. In Punkt 8<br />
Zeile 3 muß es heißen Weiler, dessen Name (nicht dessen<br />
Kirche).<br />
Schriftleitung:<br />
Dr. med. Herben Burkarth,<br />
7487 Gammertingen (Telefon 07574/2329)<br />
Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />
persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />
diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge<br />
verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung<br />
sind als solche gekennzeichnet.<br />
Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />
werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />
Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische<br />
Heimat« weiter zu empfehlen.