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W 3828 FX HÖH ENZOLLERISCHE HEIMAT - Hohenzollerischer ...

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HÖH <strong>ENZOLLERISCHE</strong><br />

HEIMÄT<br />

Herausgegeben vom<br />

W <strong>3828</strong> <strong>FX</strong><br />

Hohenzollerischen Geschichtsverein<br />

34. J ahrgang Nr. 1 / März 1984<br />

St. Georgskirche in Burladingen, die ehemalige Pfarrkirche. Über die Baugeschichte der Kirche berichtet Architekt Wallisch (S. 6).<br />

CASIMIR BUMILLER<br />

... und man soll den Maurer rühmen<br />

Uber den Baumeister Hans von Bulach und die Bautätigkeit Graf Eitelfriedrichs I. von Zollern<br />

Gerne würden wir uns der Aufforderung anschließen, jedoch<br />

ist uns vom Werk des hier in Frage stehenden Meisters<br />

allzuwenig erhalten, was seinen Ruhm in unsere Zeit hätte<br />

tragen können. Die Rede ist von Meister Hans von Bulach<br />

genannt Großhans, einem Maurer, der um das Jahr 1435 in<br />

der Grafschaft Zollern ansässig war und hier im Auftrag des<br />

Grafen Eitelfriedrich I. (f 1439) zumindest eine große Arbeit<br />

durchführte: den Bau einer Ringmauer »vmb das hus zu<br />

Hechingen«, also einer Mauer um das Hechinger Stadtschloß,<br />

wofür ihm im Jahr 1436 ein Lohn von 166 Pfund<br />

Heller angewiesen wurde 1<br />

Zur Bautätigkeit des Grafen Eitelfriedrich I.<br />

Graf Ekelfriedrich konnte sich nach dem Ende der für Stadt,<br />

Land und Herrschaft verheerenden Auseinandersetzungen<br />

mit seinem Bruder Friedrich dem Ottinger daran machen,<br />

seine Herrschaft zu reorganisieren. Das fand seinen Ausdruck<br />

im Rückkauf verschiedener dem Haus Zollern verloren<br />

gegangener Besitztümer, in der Anlage eines umfangreichen<br />

Lagerbuches durch den Schreiber Werner von Bickelsperg, in<br />

dem Grundherrschaft und Rechte des Grafen ausführlich<br />

dokumentiert sind, und es fand seinen Ausdruck schließlich<br />

auch in äußeren Aufbauarbeiten. Das »hus« der Grafen von<br />

Zollern in Hechingen, Vorläuferbau des späteren Renaissance-Stadtschlosses<br />

und des heutigen Neuen Schlosses, seit<br />

dem frühen 15. Jahrhundert belegt, muß in den Wirren des<br />

Bruderkrieges beträchtlich gelitten haben; es wurde mehrfach<br />

belagert, aus dem Jahr 1419 ist uns beispielsweise eine Liste<br />

der Edelknechte und Reisigen erhalten, die es verteidigt<br />

hatten 2 . Es wird sichtbar, daß Eitelfriedrich in den 30er


Jahren des 15. Jahrhunderts, noch während er in eine Reihe<br />

von Fehden verwickelt ist, mit den Renovierungsarbeiten an<br />

der Burg beginnt. In einem Brief an einen namentlich nicht<br />

genannten Empfänger vom April 1436 fügt Eitelfriedrich ein<br />

Postscriptum an: »vnd wissend, das ich vast kriegen vnd ouch<br />

vast buw [daß ich heftig in Fehden verwickelt und feste am<br />

Bauen bin] vnd das es mir an dem allen von gotz gnaden wol<br />

gaut 3 «. Und einem Verwandten, der ihn um Geld angegangen<br />

hatte, schreibt er im Juli desselben Jahres: »... wiss das<br />

ich diß jar vast gekrigot vnd darob dusend pfunden haller<br />

verbuwen vnd gar kain gelt han.. , 4 « Es läßt sich zum Teil<br />

konkretisieren, in welche Arbeiten das Geld geflossen ist.<br />

Bereits im Januar und Februar 1434 schließt Graf Eitelfriedrich<br />

einen Vertrag mit einer Handwerkergruppe aus Owingen<br />

und Grosselfingen, die ihm aus in Ostdorf geschlagenem<br />

Holz Hunderte von Dielen mit Nut und Feder liefern sollen 5 .<br />

Hier deutet sich also der Innenausbau der Stadtburg an.<br />

Abgeschlossen werden die Arbeiten offensichtlich mit der<br />

Vollendung der Ringmauer durch Meister Hans von Bulach,<br />

wofür, wie oben erwähnt, 1436 die Bezahlung von 166 Pfund<br />

Heller erfolgt.<br />

Erneuert wurden nur die beiden Seiten zur Stadt hin, also die<br />

Mauer nach Osten zum Rathaus hin und die nach Süden zur<br />

Zehntscheuer (heute Riedel); nach beiden Richtungen hatte<br />

die Mauer 9 Ruten Länge. An einer nicht näher beschriebenen<br />

Stelle befand sich ein Turm. Soviel geht aus dem Bruchstück<br />

der Abrechnung hervor, die uns in einer Abschrift im zollerischen<br />

Kopialbuch, das heute in Stuttgart lagert, erhalten ist.<br />

Nun soll Meister Hans von Bulach nach der Chronik der<br />

Stadt Hechingen 6 und nach den Kunstdenkmälern Hohenzollerns<br />

7 ein zweiter, noch größerer Auftrag erteilt worden<br />

sein, nämlich der Bau der Hechinger Stadtmauer im Jahr<br />

1435. Während die Chronik der Stadt Hechingen keine<br />

Quelle nennt, verweisen die Herausgeber der Kunstdenkmäler<br />

auf das Original des Handwerkervertrages im Fürstlichen<br />

Archiv Sigmaringen (F. A. S.), verschweigen allerdings die<br />

Signatur der Urkunde. Nachforschungen im Staatsarchiv<br />

Sigmaringen haben jedoch ergeben, daß sich das Original<br />

dort nicht befindet 8 . Die Zitat-Bruchstücke, die die Kunstdenkmäler<br />

Hohenzollerns anführen (»Meister Hans von<br />

Bulach ain maurer den man nennt Großhans« soll eine Mauer<br />

errichten »mit Zynnen und Brustwerine und einem gehöwen<br />

2<br />

Tor«) finden sich hingegen fast wörtlich wieder in der<br />

Abschrift eines Verdingbriefs (Handwerkervertrags), der in<br />

dem in Stuttgart lagernden zollerischen Kopialbuch unserer<br />

erwähnten Abrechnung folgt. Der Wortlaut dieses Verdingbriefes<br />

zwischen Graf Eitelfriedrich und Maurer Hans von<br />

Bulach soll hier einmal vollständig abgedruckt werden: Item<br />

min Herre graue Itelfritz von Zolr vnd Maister Hans von<br />

Bulach ain murer den man nempt Großhans sind mitenander<br />

vberkomen das der selb murer minem Herren sechzehen<br />

rüten minder oder mer muren sol das ye ain rüt fünff schüch<br />

dick vnd sechzehen schüch lang vnd brait sige vnd sol im ye<br />

von ainer rüt geben fünff pfund haller für cost vnd für alle<br />

ding vnd man sol im die zynnen vnd brustwerina bezaln als ob<br />

sie ouch fünff schüch dick sigin vnd sol die muren wol<br />

bewerffen vnd füllen er sol ouch ain gut gehouwen ort [Ecke]<br />

machen mit gehouwen stainen mit bössen [Buckeln] vnd sol<br />

ain gehouwen tor machen da durch karren vnd wägen gän<br />

mögen vnd zway gehouwin türlin machen zu baiden siten vff<br />

die muren das sol in das verdingen gän vnd kainen lot haben<br />

doch so sol man im allen züg [alle Sachen, alles Zeug] an die<br />

hend schaffen als nähe man denn mit karren oder wagen<br />

gefaren mag alles vngeuarlich vnd er sol ouch das alles also als<br />

obgeschriben statt gantz vnd gar vßgemachot [fertig] vnd<br />

berait hän biß vff vnser lieben frowen tag assumptionis<br />

nechstkompt vnd des alles also als obgeschriben statt getruwlich<br />

zu hallten zu uollfuren vnd zu tund vnd ouch minem<br />

Herren voran vnd den Burgern beholffen gehorsam vnd<br />

gewertig zu sind alles erberklich vnd vngeuarlich hat ergelopt<br />

by gütten truwen vnd diser zedla sind zwo mit spitzen<br />

vßenander geschnitten vnd vbergeben worden vff mentag<br />

nechst vor Sant Michels tag anno domini xxxv 10 [26. Sept.<br />

1435]. Vnd man sol dem Murer allen rum tun 9 .<br />

Es ist wahrscheinlich, daß sich sowohl die Chronik der Stadt<br />

Hechingen als auch die Kunstdenkmäler Hohenzollerns - auf<br />

welchen Umwegen auch immer 9a - auf diese Quelle beziehen.<br />

Nur ist in diesem Vertrag nirgends von der Stadtmauer<br />

die Rede. Vielmehr hat es den Anschein, daß wir hier den<br />

Auftrag zum Bau der Ringmauer beim Stadtschloß vor uns<br />

haben. Darauf verweist schon die Nachbarschaft dieses Vertrags<br />

zur zuvor erwähnten Abrechnung im Stuttgarter<br />

Kopialbuch, und darauf verweisen auch die Rutenangaben in<br />

beiden Quellen: Hans von Bulach soll laut Auftrag »sechsze-<br />

Stadtplan von Hechingen mit<br />

dem Bild der mittelalterlichen<br />

Stadtanlage. Nach: Kunstdenkmäler<br />

Hohenzollerns, S. 513.<br />

R = möglicher Verlauf der Ringmauer<br />

1435. Die Stadtmauer am<br />

äußeren Häuserring ist besonders<br />

im Osten und Norden erkennbar.


Johann Adam Kraus zum 80. Geburtstag<br />

Am 18. März 1984 ist Pfarrer Johann Adam Kraus,<br />

Erzbischöflicher Archivar i. R. 80 Jahre alt geworden.<br />

Der Jubilar wird mit Recht als Altmeister der hohenzollerischen<br />

Geschichtsforschung bezeichnet. In der Bibliographie<br />

der Hohenzollerischen Geschichte von Bernhardt<br />

und Seigel sind mehr als 650 Titel von J. A. Kraus<br />

verzeichnet. Dies ist mit Abstand die größte Zahl von<br />

Arbeiten zur hohenzollerischen Geschichte. Darunter<br />

befinden sich nicht nur zahlreiche größere Arbeiten, oft<br />

wurden auch in kleineren Aufsätzen wichtige Entdeckungen<br />

mitgeteilt.<br />

Nicht hoch genug kann seine »Kärrnerarbeit« für die<br />

Heimatforschung eingeschätzt werden. Mit Pfarrerlisten,<br />

Genealogien und vielen Veröffentlichungen von Urkunden<br />

aus Archiven, Pfarrhäusern und kaum erreichbaren<br />

Quellen hat Kraus der Geschichtsforschung eine Fülle<br />

von Material zur Verfügung gestellt.<br />

Auch der Achtzigjährige ist noch unermüdlich tätig. Ein<br />

jüngstes Beispiel dafür ist die Entdeckung der St. Georgskapelle<br />

beim Thiergartenhof als romanische Basilika und<br />

Dorfkirche der abgegangenen Siedlung Weiler im Donautal.<br />

In Tageszeitungen nimmt er oft zu heimatgeschichtlichen<br />

Fragen Stellung und in der »Hohenzollerischen<br />

Heimat« erscheinen seine Beiträge in gewohnter Weise.<br />

hen rüten minder oder mer muren«, und aus dieser Längenvorgabe<br />

sind bei der praktischen Durchführung schließlich 18<br />

Ruten geworden, eine akzeptable Toleranz. Wir erfahren<br />

auch beiläufig, daß die zollerische Rute wohl 16 Fuß hatte<br />

(»das ye ain rüt... sechzehen schüch lang... sige«), und<br />

wenn wir den Fuß zu etwa 30 cm annehmen, dann können<br />

wir sogar die Länge der Mauer annähernd bestimmen. Die<br />

Rute würde dann etwa 4,80 m messen, und für die beiden<br />

Seiten der Ringmauer würden sich bei jeweils 9 Ruten etwas<br />

mehr als 40 m Lange ergeben (zusammen zwischen 80 und 90<br />

m). Auch dieses Maß paßt nun keineswegs zur Hechinger<br />

Stadtmauer (es sei denn, man nimmt lediglich eine Teilerneuerung<br />

an), denn deren Länge betrug gut das Zehnfache.<br />

Aber es paßt ausgezeichnet zur Ringmauer der Stadtburg,<br />

deren beide zu errichtenden Seiten sich durchaus mit diesem<br />

Maß vereinigen lassen.<br />

Es ist durchaus wahrscheinlich, daß die Hechinger Stadtmauer<br />

ebenso wie das Stadtschloß unter den andauernden<br />

Fehden gelitten hatte und daß sie erneuerungsbedürftig war.<br />

Solange jedoch nicht der positive Beweis erbracht ist, daß<br />

Meister Hans von Bulach der Erbauer der Hechinger Stadtmauer<br />

ist 10 , kann er aufgrund der behandelten Dokumente<br />

lediglich als Baumeister der Ringmauer gelten. Dies mindert<br />

die Bedeutung des Maurers keineswegs; im Gegenteil, daß<br />

Graf Eitelfriedrich ihn als Baumeister zu einem nicht ganz<br />

unbedeutenden Vorhaben heranzog, fordert dazu heraus,<br />

sich näher mit seiner Person zu befassen. Eine angemessene<br />

Würdigung der Kunst unseres Meisters ist indessen nicht<br />

möglich, da von seinem Werk nichts erhalten ist.<br />

Wer war Meister Hans von Bulach ?<br />

Uns fehlt nicht nur das sichtbare Werk dieses mittelalterlichen<br />

Baumeisters, wir vermissen auch fast gänzlich Bausteine<br />

zu seinem Lebensbild. Außer in den genannten Quellen -<br />

dem Verdingbrief zum Bau der Hechinger Ringmauer vom<br />

26. Sept. 1435 und der Abrechnung von 1436 - gibt uns der<br />

Leser und Schriftleitung der »Hohenzollerischen Heimat«<br />

übermitteln dem Jubilar herzliche Glück- und<br />

Segenswünsche. Niemand hat ihm so viel zu danken wie<br />

wir, für unzählige Beiträge und für großzügige finanzielle<br />

Unterstützung. Wir danken ihm für alles, was er in 33<br />

Jahren für die »Hohenzollerische Heimat« getan hat.<br />

Meister im zollerischen Quellenmaterial nur noch einmal die<br />

Ehre: als am 15. Mai 1437 noch vor dem Frühstück (»vor<br />

frgem imbiß«) ein Hechinger Küfer dem Grafen Leibeigenschaft<br />

schwört, sind als Zeugen eine Reihe von Handwerkern<br />

zugegen, darunter »maister Hans von Bulach genant Großhans<br />

und der Unger sin murer knecht« 11 . Aus diesen drei<br />

Erwähnungen ergibt sich kein besonders detailliertes Bild:<br />

ein Maurermeister namens Hans von Bulach, auch Großhans<br />

genannt, läßt sich zwischen dem Herbst 1435 und dem<br />

Frühjahr 1437 in Hechingen nachweisen. Wir würden diesen<br />

drei erhaltenen Daten kein weiteres Gewicht beilegen, wenn<br />

dieser Maurermeister nicht von Graf Eitelfriedrich einen<br />

relativ großen Bauauftrag erhalten hätte. Wer war also dieser<br />

Mann?<br />

Um es gleich zu sagen: ein Lebensbild läßt sich von dem<br />

Meister wie meistens, wenn wir es mit Personen der ländlichen<br />

Sphäre im Mittelalter zu tun haben, nicht zeichnen. Was<br />

uns bleibt ist der Versuch, seine Herkunft, evtl. sein soziales<br />

Umfeld zu erkunden. Unsere erste Frage muß sein, ob Hans<br />

von Bulach möglicherweise selbst aus der Grafschaft Zollern<br />

stammte. Die Vermutung liegt auf den ersten Blick nahe, da<br />

uns der Name Bulach aus Hechingen und der Umgebung als<br />

heute noch lebender Familienname bekannt ist. Die Bulach<br />

lassen sich als alteingesessene und angesehene Familie in<br />

Wessingen und Hechingen während des ganzen 15. Jahrhunderts<br />

nachweisen; bereits 1318 ist in Wessingen der Bulachhof<br />

erwähnt 12 . Der Name dieser Familie ist wahrscheinlich von<br />

einer zwischen Hechingen und Wessingen abgegangenen<br />

Siedlung Bulach abgeleitet. Unseren Maurermeister mit der<br />

Wessinger Familie in Verbindung zu bringen, ist gleichwohl<br />

unwahrscheinlich, weil sich deren Mitglieder nie »von<br />

Bulach« genannt haben; Meister Hans scheint sich durch sein<br />

»von« geradezu von der eingesessenen Familie bäuerlicher<br />

Herkunft absetzen zu wollen.<br />

Von daher bietet sich eine zweite Überlegung an: Haben wir<br />

es, wenn wir das »von« betrachten, bei Hans von Bulach evtl.<br />

3


mit einem Adligen, besser: ehemals Adligen zu tun? Die<br />

Vermutung ist nicht ganz abwegig, kennen wir doch im<br />

zollerischen Raum wenigstens zwei adlige Geschlechter, die<br />

diesen Weg gegangen sind: die Herren von Holnstein und die<br />

von Ringelstein 13 . Allerdings haben sich diese von dem<br />

Zeitpunkt an, da sie bürgerliche Handwerke ausübten, nicht<br />

mehr »von« genannt. Bleibt uns der dritte Weg: das »von« ist<br />

kein Adelsprädikat, sondern drückt lediglich die regionale<br />

Herkunft aus. Uns fällt da die bekannte zeitgleiche Parallele<br />

ein: Werner von Bickelsperg, der Beamte, der um 1435 die<br />

zollerische Kanzlei reorganisierte, war nach allem, was wir<br />

wissen, kein Adliger, sein Familienname verrät lediglich<br />

seinen Herkunftsort 14 .<br />

Folgen wir diesem Muster, dann müssen wir nach einem Ort<br />

Bulach suchen, von dem unser Meister herstammen könnte.<br />

Hier bieten sich im südwestdeutschen Raum zwei Orte an:<br />

Bulach bei Karlsruhe und die frühere Stadt Bulach bei Calw<br />

(heute Neubulach). Die Quellen zu der kleinen, wegen ihrer<br />

nahegelegenen Silberminen jedoch nicht unbedeutenden<br />

Stadt Bulach bei Calw scheinen unseren Bemühungen<br />

zunächst entgegen zu kommen. Das zur Grafschaft Hohenberg<br />

gehörende Städtchen und seine Minen wurden durch<br />

Vögte verwaltet, deren erster uns von 1277 an besonders gut<br />

faßbar wird. Er hieß Berthold Lothe, nennt sich unterschiedlich<br />

Berthold gen. Lothe, Vogt in Bulach, Berthold Vogt von<br />

Bulach, wobei sich der ursprüngliche Familienname schließlich<br />

zugunsten des »Vogt von Bulach« und bei seinen Nachkommen<br />

einfach »von Bulach« verliert. Zuletzt begegnet uns<br />

eine Agnes von Bulach 1351 15 . Diese Familie ist nicht adlig,<br />

sie ist allerdings aus einem hohen Verwaltungsamt hervorgegangen<br />

und nennt sich nach der Stadt, in der sie ihr (erbliches)<br />

Amt ausübte. Wir könnten meinen, hier unserem Maurermeister<br />

auf der Spur zu sein, allerdings lassen uns die<br />

gedruckten Quellen zu dieser Familie nach 1351 völlig im<br />

Stich. Die Lücke zwischen 1351 und 1435 läßt sich nicht<br />

füllen, Hans von Bulach sich nicht an diese alte Familie aus<br />

der Stadt Bulach anschließen. Wir müssen also andere Wege<br />

beschreiten.<br />

Eine Fährte führt uns in die Reichsstadt Rottweil, denn auch<br />

dort lebt der Name Bulach. Ein Notar Johann (der) Bulach<br />

begegnet uns 1397 und 1401; evtl. noch immer derselbe ist<br />

1422 als Anwohner am Markt belegt und 1423 als Schwiegervater<br />

eines Heinrich der Wirt 16 . Die Wirt zählten zu den<br />

ersten Familien Rottweils, folglich scheint auch Johann<br />

Bulach keine schlechte Adresse gehabt zu haben. Dies bestätigt<br />

sich auch dadurch, daß sein Sohn Conrad Bulach offensichtlich<br />

eine Position im Rat der Stadt oder sogar am<br />

Kaiserlichen Hofgericht hatte 17 . Nach Kindler von Knobloch,<br />

der leider seine Quelle nicht nennt, war Conrad<br />

überdies mit Ursula von Melchingen aus dem bekannten<br />

zollerischen Adelsgeschlecht verheiratet 18 . Er führte sowohl<br />

nach Kindler von Knobloch als auch nach O. von Alberti 19<br />

ein Wappen, das eine Mauer mit Zinnengiebel zeigte.<br />

Dieses Wappen macht uns hellhörig. Es ist zwar nicht<br />

zwingend, daß das Wappenbild eine Andeutung auf das<br />

Maurerhandwerk enthält - es könnte auch auf ein städtisches<br />

Amt, durch die Stadtmauer angedeutet, anspielen -, aber da<br />

es nach den Abbildungen weniger eine Stadtmauer, sondern<br />

eindeutig ein Giebelhaus mit Tor darstellt, liegt die Assoziation<br />

zum Maurerberuf doch nahe. Es ist bei allem sicher, daß<br />

der adelig verheiratete Ratsherr Conrad Bulach in Rottweil<br />

kein Maurer war, aber könnte es nicht sein, daß die Rottweiler<br />

Bulach der patrizisch gewordene Zweig einer Handwerkerfamilie<br />

war, deren Kennzeichen sich Conrad nicht scheute<br />

ins Wappen zu übernehmen?<br />

Die Frage nach der Herkunft des Maurermeisters Hans von<br />

Bulach ließ sich durch unseren Streifzug durch einige südwestdeutsche<br />

Familien, deren Name eine Beziehung vermu-<br />

4<br />

Wappen des Conrat Bulach in Rottweil<br />

nach<br />

Kindler von<br />

Knobloch<br />

1427<br />

nach w<br />

von Alberti Gnnrst fiulaiti<br />

1448 1M8.<br />

ten ließe, nicht klären; es haben sich lediglich unsichere<br />

Indizien ergeben. Dennoch halte ich eine Verbindung zu den<br />

Rottweiler Bulach für denkbar; und es ist letztlich nicht<br />

einmal ausgeschlossen, daß im 14. Jahrhundert ein Zweig der<br />

Bulacher Vogtfamilie in die Reichsstadt zugezogen ist und so<br />

auch zwischen diesen beiden Geschlechtern ein Zusammenhang<br />

besteht. Beweisen läßt sich dies aufgrund des gedruckten<br />

Quellenmaterials allerdings nicht. Wenn wir den zollerischen<br />

Baumeister in Beziehung zu den Rottweiler Bulach<br />

setzen, ergibt sich immer noch das Problem, warum er sich<br />

Hans von Bulach nannte. Hierfür bietet sich eine mehrfach<br />

begründete Erklärung an: Hans von Bulach setzt sich durch<br />

das »von« von der bäuerlichen Familie Bulach in Wessingen<br />

ab, er nimmt bewußt oder unbewußt Bezug auf eine Herkunft<br />

seiner Vorfahren aus der Stadt Bulach und er gibt sich<br />

durch das adlig anmutende »von« ein höheres Prestige, das -<br />

falls er mit dem Rottweiler Patriziat zu tun hat - dem Rang<br />

seiner Verwandten Rechnung trägt, zugleich aber auch seiner<br />

eigenen bevorzugten Stellung gerecht wird.<br />

Stellung und Bedeutung des »Maurers* Hans von Bulach<br />

Da die Untersuchung der familiären und damit sozialen<br />

Herkunft unseres Maurers keine Sicherheit brachte, müssen<br />

wir seinen Rang innerhalb der zollerischen Handwerkerschaft<br />

und seine Bedeutung im Aufbauprogramm des Grafen<br />

Eitelfriedrich aus anderen Anzeichen zu ermitteln versuchen.<br />

Neben Hans von Bulach und seinem Knecht Unger ist mir im<br />

gesamten Quellenmaterial zur Grafschaft Zollern bis ins<br />

16. Jahrhundert hinein kein weiterer Maurer begegnet. Es<br />

läßt sich zwar in Hechingen seit 1345 der Familienname<br />

Murer nachweisen, aber das namengebende Handwerk übte<br />

diese Familie im 15. Jahrhundert sicher nicht aus 20 . Daraus<br />

ergibt sich, daß der Beruf des Maurers in der Grafschaft selbst<br />

äußerst selten, jedenfalls nicht heimisch war.<br />

Ein seltenes Handwerk ist aber ein gesuchtes Handwerk; wer<br />

es beherrscht, genießt von vorneherein ein gewisses Ansehen.<br />

Hinzu kommt, daß Maurerarbeiten in einer Zeit, wo die<br />

Steinbauweise das Privileg einer kleinen aber reichen Bevölkerungsgruppe<br />

war, den Charakter des Außergewöhnlichen<br />

hatte. Potentielle Auftraggeber für Maurerarbeiten waren der<br />

Adel, die Kirche und die reichen Bürger der Städte. Wo<br />

solche Arbeiten vergeben wurden, handelte es sich in der<br />

Regel gleich um Großprojekte wie Kirchen- und Burgenbauten.<br />

Wir können uns vorstellen, daß Hechingen im Winter<br />

und Frühjahr 1435/36 durch den Bau der Ringmauer einer<br />

Großbaustelle geglichen haben muß (sollte in dieser Zeit<br />

tatsächlich auch die Stadtmauer erneuert worden sein, dann<br />

gilt diese Aussage umso mehr). Hans von Bulach war also


kaum irgendein »Maurer«, sondern er muß - um es modern<br />

zu sagen - ein Bauunternehmer gewesen sein, der in der Lage<br />

war, einen Großauftrag zu bewältigen. Er war der »Chef«,<br />

der sicherlich noch einige Gesellen beschäftigte. Bekannt ist<br />

uns immerhin sein »murerknecht der Unger«, der sich allerdings<br />

wie sein Meister in den Quellen äußerst rar macht 21 ; er<br />

muß aber ebenfalls eine ehrbare Person gewesen sein, da er<br />

mit seinem Meister als Zeuge einer Rechtshandlung beiwohnt.<br />

Zum Bautrupp muß wenigstens noch ein Steinmetz<br />

gezählt haben, da im Verdingbrief Ecken mit Bossensteinen<br />

und gehauene Toreinfassungen vereinbart sind. Ansonsten<br />

wird man auf der emporwachsenden Mauer viele frondienstleistende<br />

Bauern als Handlanger gesehen haben. Auch die<br />

Steinbrüche im Land dürften in jenen Tagen Hochkonjunktur<br />

gehabt haben. Es ist vertraglich festgelegt, daß die Wagen<br />

der fronenden Bauern ihre Fuhren möglichst nahe an die<br />

Baustelle heranführen sollen.<br />

Wenn wir die Bedeutung des Hechinger Ringmauerbaus in<br />

den Jahre 1435/36, der für den Wiederaufbau der Grafschaft<br />

durch Eitelfriedrich I. praktischen und symbolischen Wert<br />

hat, also richtig würdigen, erkennen wir, daß die mittelhochdeutsche<br />

Bezeichnung »murer« unseren Meister letztlich<br />

nicht richtig beschreibt. Hans von Bulach war ein Baumeister,<br />

der, wenn er auch vermutlich nicht wie die zollerischen<br />

Baumeister des 16. Jahrhunderts dem gräflichen Beamtenstab<br />

angehörte, doch im Bauwesen dieselbe Funktion<br />

erfüllte 22 wie gleichzeitig der Vogt Wernher von Tieringen als<br />

oberster Beamter oder der Schreiber Wernher von Bickelsperg<br />

als Organisator der gräflichen Kanzlei oder Martin<br />

Schnider von Hartheim als gräflicher Rechtsberater und<br />

-Vertreter. Hans von Bulach war sicher kein Baumeister erster<br />

Güte - das hätte sich Graf Eitelfriedrich kaum leisten können<br />

-, aber er war auch nicht irgendein Handwerker; vermutlich<br />

relativ guter sozialer Herkunft, muß er eine honorable Persönlichkeit<br />

in der Umgebung der gräflichen Kanzlei gewesen<br />

sein.<br />

So gesehen wird am Ende jene erstaunliche Klausel des<br />

Verdingbriefes verständlich, die dem Meister Hans von<br />

Bulach - quasi als Bestandteil des Vertrags - Ruhm zusichert:<br />

»... Vnd man sol dem Murer allen rum tun.«<br />

Anmerkungen<br />

1<br />

Zollerisches Kopialbuch von 1435/36 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart<br />

H 14/15 fol. 132 v .<br />

2<br />

Vgl. Egler/Ehrenberg, Chronik der Stadt Hechingen (Hechingen<br />

1906; 1982) zum Jahr 1419.<br />

3 r<br />

Wie Anm. 1, fol. 26 .<br />

4<br />

Wie Anm. 1, fol. 101".<br />

5 v r<br />

Wie Anm. 1, foll. 122 -125 .<br />

6<br />

Wie Anm. 2, zum Jahr 1435.<br />

7<br />

Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns. Erster Band: Kreis Hechingen.<br />

Bearbeitet von Friedrich Hossfeld und Hans Vogel, geschichtliche<br />

Einleitung und Ortsbeschreibungen von Willy Baur, S. 203 f.<br />

8<br />

Freundliche Mitteilung von Staatsarchivrat Dr. Becker, Sigmaringen,<br />

vom 11. 1. 1984.<br />

9<br />

Wie Anm. 1, fol. 133'<br />

9<br />

' Als Vermittler käme in Frage P. Manns, Geschichte der Grafschaft<br />

Zollern im 15. und 16. Jahrhundert (Hechingen 1897), der<br />

das zollerische Kopialbuch in Stuttgart kannte.<br />

10<br />

Die Bezeichnung >Erbauer< wäre ohnehin irreführend; Hechingen<br />

dürfte von einer Mauer umgeben gewesen sein, seit der Ort als<br />

Stadt belegt ist (2. Hälfte des 13. Jahrhunderts). Die Stadtmauer<br />

ist im 14. und frühen 15. Jh. mehrfach urkundlich bezeugt; vgl.<br />

Urkunden des Dominikanerinnenklosters Stetten im Gnadental<br />

bei Hechingen 1261-1802. Ihrem Inhalt nach dargeboten von<br />

Franz Haug und J. A. Kraus. Beilage zum Hohz. Jahresheft 15<br />

(1955)- 17 (1957) (im folgenden abgek. UDS) Nr. 77 (zum Jahr<br />

1330), 83 (1331), 391 (1412) und 416 (1426). Zum Jahr 1385 nennt<br />

die Hechinger Stadtmauer Crusius, Schwäbische Chronik I,<br />

S. 961.<br />

Das Bickelspergsche Lagerbuch der Grafschaft Zollern von 1435.<br />

Bearbeitet von Franz Herberhold (Sigmaringen 2 1978, Arbeiten<br />

zur Landeskunde Hohenzollerns 1), S. 21.<br />

Bulachhof vgl. UDS NR. 44. Die Stammtafel der Familie Bulach<br />

im 15. Jh. ergibt sich aus folgenden Urkunden und Lagerbucheinträgen:<br />

UDS Nr. 420 und 531; Bickelspergs Lagerbuch (wie<br />

Anm. 11), S. 4, 42, 46, 47, 61, 119; Urkunden im Staatsarchiv<br />

Sigmaringen unter Ho 1 vom 2. 5. 1439, 2. 3. 1478, 11. 8. 1497,<br />

31. 10. 1502, 21. 1. 1505, 4. 3. 1505, 5. 3. 1505, 21. 1. 1518, 1520;<br />

ebendort Rodel St. Peter Steinhofen von 1454, Rodel St. Katharina<br />

Killer 1454, Salbuch Weilheim 1506; zuletzt Stadtarchiv<br />

Hechingen Urkunden Nr. 20 (21. 2. 1521) und 24 (6. 4. 1535).<br />

I<br />

Hans<br />

1435/39<br />

Heiligenpfleger<br />

Wessingen<br />

I<br />

Hans<br />

nach 1454/78/82<br />

Hechingen<br />

Friedrich Bulach<br />

1427/35 Wessingen<br />

N. N.<br />

1435<br />

1<br />

(= Märklin?) Mätz<br />

1454 1454<br />

Cuntz<br />

ca. 1470<br />

Thanheim?<br />

Merklin<br />

1505/06<br />

Wessingen<br />

Thanheim<br />

Fritz<br />

1502/05<br />

Heiligenpfleger<br />

Wessingen<br />

I ^—i ; —I r^ —I—; 1<br />

Stefan Dorothea Lienhart Caspar Heintz Bartlin Hans<br />

Stud. Freiburg t vor 1535 Metzger 1497 1518/21 1520<br />

1495 Hechingen t 1535<br />

Hechingen<br />

Basel<br />

;<br />

' Siehe Theodor Schön, Die Herren von Holnstein, in: Mitt. Hohz.<br />

26 (1892/93), S. 9-24, ders., Der Ausgang der Herren von Holnstein,<br />

in: Mitt. Hohz. 31 (1897/98), S. 137 und J. A. Kraus, Herkunft<br />

und Ende der Herren von Killer, in: Zollerheimat 8 (1939),<br />

S. 59-60.<br />

11<br />

Vgl. Herberhold (wie Anm. 11), S. 6* f.<br />

13<br />

Die Stammtafel der Familie Lothe von Bulach ergibt sich aus<br />

Monumenta Hohenbergica Nr. 74, 75, 90, 104, 106, 109, 118,<br />

142, 152, 155, 159, 162, 164, 187, 489 und Wirtembergisches<br />

Urkundenbuch Nr. 3486, 4711, 4900, 5400, 5538.<br />

r—;<br />

Hailwig<br />

Nonne in Reuthin<br />

1300<br />

Berthold Lothe<br />

Vogt von Bulach<br />

1277/1300<br />

Friedrich<br />

* Willebirg<br />

Vogt von Bulach<br />

1295/1300<br />

I<br />

I<br />

Elle von Bulach<br />

Nonne in Reuthin<br />

1351<br />

Konrad<br />

Pfarrer Haiterbach<br />

1300<br />

Schwester N. N.<br />

Agnes von Bulach<br />

= Joh. Weidhas<br />

1351 Freiburg<br />

1 ' Ruth Elben, Das Patriziat der Reichsstadt Rottweil. Von den<br />

Anfängen bis zum Jahre 1550 (Veröffentlichungen der Kommission<br />

f. geschichtl. Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B<br />

Bd. 30, Stuttgart 1964), S. 147 f. uns S. 177; Rottweiler Urkundenbuch<br />

Nr. 632, 862, 875.<br />

1 Conrat Bulach in Rottweil ist Adressat eines, vielleicht zweier<br />

Schreiben des Grafen Eitelfriedrich, vgl. zollerisches Kopialbuch<br />

(wie Anm. 1), fol. 29 v und 126 v .<br />

1 ' ]. Kindler von Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch.<br />

3 Bde. (Heidelberg 1898), Bd. 1, S. 182. Bisher war bekannt, daß<br />

Ursula von Melchingen 1468 Gattin des Rottweiler Patriziers<br />

Balthasar Lutz war; daß sie zuvor mit Conrat Bulach verheiratet<br />

war, ist bisher nicht beachtet worden. Vgl. auch R. Elben (wie<br />

Anm. 16), S. 111.<br />

1 ' Kindler von Knobloch (wie Anm. 18) und O. von Alberti, Württembergisches<br />

Adels- und Wappenbuch. 2 Bde (Stuttgart<br />

1889-1898), Bd. 1, S. 99. Dasselbe Wappen führte 1464 auch ein<br />

Gebhard von Bulach, vielleicht ein Sohn Conrats. Insgesamt ist<br />

diese Rottweiler Familie also wenigstens über 3 Generationen<br />

belegt, während Gerhard Eis, Zu Hans Bulach von Rottweil, in:<br />

Med. Monatsschrift 23 (1969), S. 502-503 nur den ältesten Hans<br />

5


kennt und in ihm den Autor eines Rezeptes »Kirßwin ze machen<br />

secundum Bulach in Rottwil« sieht; es kommen tatsächlich noch<br />

weitere Personen in Frage. Auch die beiden Nonnen im Kloster<br />

Stetten bei Hechingen, Elisabeth Bulach (StAS DH 56, 395) und<br />

Priorin Anna Bulach (UDS Nr. 472, 475 und 506) würde ich eher<br />

dieser Familie zuzählen als jener aus Wessingen.<br />

Stammtafel:<br />

Johann Bulach, Notar Rottweil<br />

1397/1423<br />

Heinrich der Wirt °° Tochter N. N. Conrat Bulach<br />

1423 1427/t vor 1468<br />

I<br />

Gebhard v. Bulach 1464<br />

HANS-PETER WALLISCH<br />

Die Burladinger St. Georgskirche im Wandel der Zeiten<br />

Seit dem Bau der St. Fideliskirche in Burladingen 1934 wird<br />

die alte Dorfkirche, die St. Georgskirche, nur noch wenig<br />

benützt. Es wurde sogar immer wieder über einen Abbruch<br />

der Kirche gesprochen. Dies wurde besonders akut durch die<br />

Schäden, welche beim Erdbeben 1978 an der Kirche aufgetreten<br />

waren. Im Sommer 1980 wurde dann mit der Erdbebensanierung<br />

und der Außenrenovation begonnen, die bis<br />

Herbst 1981 dauerte. Bei dieser Gelegenheit wurden vom<br />

Landesdenkmalamt auch Ausgrabungen im Inneren der Kirche<br />

vorgenommen.<br />

Die Renovierungs- und Restaurierungsarbeiten in der Kirche<br />

sind noch nicht abgeschlossen. Auch sind die Ergebnisse der<br />

Ausgrabungen des Landesdenkmalamtes von 1982 noch<br />

lange nicht ausgewertet. Trotzdem komme ich dem Wunsch<br />

über die St. Georgskirche zu berichten, gerne nach, ohne<br />

Anspruch auf Vollständigkeit, etwas Licht in die Geschichte<br />

der St. Georgskirche zu bringen. Seit 1976 beschäftige ich<br />

mich mit der Geschichte dieser Kirche. Auslösend für mein<br />

Interesse war die Diskussion in der Burladinger Bevölkerung<br />

über Erhaltung oder Abbruch der St. Georgskirche. Im<br />

Rahmen meines Studiums der Architektur an der Fachhochschule<br />

für Technik in Stuttgart, habe ich im Fach Bauanalyse<br />

und Denkmalpflege die Kirche mit den damals zur Verfügung<br />

stehenden Mitteln untersucht. Ziel der Untersuchungen war<br />

in erster Linie der Versuch, die ursprüngliche Form des<br />

heutigen Gebäudes zu rekonstruieren.<br />

Über Vorgängerkirchen konnten damals nur wenige Anhaltspunkte<br />

gefunden werden. Auf Grund des Kirchenpatronates<br />

St. Georg war zu vermuten, daß hier schon zu einem sehr<br />

frühen Zeitpunkt eine Kirche stand. Die Grabungsfunde<br />

übertrafen jedoch alle diesbezüglichen Erwartungen: Außer<br />

der heute sichtbaren Kirche, standen an dieser Stelle mindestens<br />

drei weitere in Stein gebaute Kirchen.<br />

Die älteste Kirche muß um 700 n. Chr. entstanden sein, sie<br />

hatte eine Gesamtlänge, einschließlich eingezogenem Chor,<br />

von ca. 11,30 m und war 5,20 m breit. Der eingezogene Chor<br />

hat die Ausmaße von ca. 3,20 x 3,00 m. Diese Kirche<br />

überlagerte das bei den Ausgrabungen gefundene Steinkistengrab,<br />

welches ca. 650 n. Chr. angelegt wurde. Man kann<br />

weiterhin annehmen, daß zu dem Steinkistengrab bereits eine<br />

noch frühere Kapelle gehört hat. Auffallend ist, daß die<br />

Fundamente der ältesten Kirche um kein Grad von der<br />

Ausrichtung des Steinkistengrabes abweichen. Im Steinkistengrab<br />

wurden zwei Ohrringe aus gediegenem Gold gefunden,<br />

was darauf schließen läßt, daß es sich bei den vorgefundenen<br />

Skeletten um bedeutendere Persönlichkeiten gehandelt<br />

haben muß. Die Gräber hatten sicher reiche Grabbeigaben,<br />

die aber wohl bei späteren Baumaßnahmen entwendet wur-<br />

6<br />

20<br />

Die Familie stammte wahrscheinlich aus der »alten Stadt« Hechingen<br />

(Unterstadt) und ist gut belegt in den Urkunden des Klosters<br />

Stetten, in Bickelspergs Lagerbuch und auch im zollerischen<br />

Kopialbuch (wie Anm. 1); nichts weist auf den Maurerberuf<br />

hin.<br />

21<br />

Unger ist außer wie Anm. 11 nachgewiesen im zollerischen<br />

Kopialbuch (wie Anm. 1), fol. 23 v .<br />

22<br />

Eine vergleichbare Rolle wie Hans von Bulach spielte evtl. noch<br />

der Weilheimer Zimmermeister Eberhard Schuler, der wohl die<br />

Oberaufsicht über die Holzarbeiten am Hechinger Stadtschloß<br />

führte; Nachweis siehe Anm. 5.<br />

den. Aus den Grabbeigaben geht nicht unbedingt hervor, daß<br />

es sich um Adelspersonen gehandelt hat, es ist jedoch nicht<br />

auszuschließen, daß an der Stelle des früheren Schlößle schon<br />

um diese Zeit ein Adelssitz bestanden hat.<br />

Es kann auch angenommen werden, daß die hier bestatteten<br />

Personen Christen waren, worauf besonders die exakte Ausrichtung<br />

des Steinkistengrabes in Ost-West-Richtung hindeutet.<br />

Schon früher wurde bei der Ausgrabung von Reihengräbern<br />

in Burladingen ein Goldblattkreuz gefunden, was auf<br />

die Christianisierung hinweist. Bei einer Güterschenkung im<br />

Jahre 772 an das Kloster Lorsch werden Burladingen und<br />

einige, im Burichingagau gelegene Nachbarorte erstmals<br />

erwähnt. Schon damals war bei der Bevölkerung, wie beim<br />

Adel eine tief verwurzelte Gläubigkeit vorhanden. Es ist<br />

möglich, daß schon diese erste, aus Stein gebaute Kirche dem<br />

heiligen Georg geweiht war. So ist z. B. in Wasserburg<br />

St. Georg als Kirchenpatron schon im Jahre 784 urkundlich<br />

belegt.<br />

Die zweite Bauphase der Kirche konnte bisher nicht datiert<br />

werden. Diese Kirche war im ersten Bauzustand ca. 9,30 m<br />

lang und ca. 6,50 m breit. Sie wurde in einer weiteren<br />

Bauphase um 3,50 m in der Länge erweitert auf ein Gesamtmaß<br />

von ca. 13 m. Von diesem Bauwerk wurde auch das<br />

Altarfundament gefunden. Eine genaue Datierung war bisher<br />

noch nicht möglich. Auch über den Baustil, die Höhe und die<br />

Ausstattung dieser Kirchen läßt sich noch nichts sagen.<br />

Einen weiteren datierbaren Bauabschnitt stellt die romanische<br />

Kirche dar, von der noch Teile in der Nordwand<br />

erhalten sind. Ihre Entstehung ist wohl im 13. Jahrhundert<br />

anzusetzen. Es war ein Rechteckbau, dessen Chor nahtlos ins<br />

Schiff überging. Der Bau war mit einer Länge von 20 m und<br />

ca. 8 m Breite schon recht stattlich. Zur Ausgestaltung und<br />

Höhe dieser Kirche kann noch nichts Endgültiges gesagt<br />

werden. Sicher ist jedoch, daß sie mindestens so hoch war,<br />

wie die Rundbogenfenster der heutigen Kirche.<br />

Bei den Voruntersuchungen zur Restaurierung der jetzigen<br />

Kirche wurde hinter dem linken Seitenaltar eine Rundbogentür<br />

festgestellt, über der linken, ehemaligen Beichtstuhlnische<br />

eine Fensterleibung. Beiderseits des mittleren Wandpfeilers<br />

fanden sich Wandmalereien. Zu welcher Epoche diese<br />

Wandmalereien gehören, ist noch nicht ganz sicher. Es ist<br />

aber anzunehmen, daß sie von dem Riedlinger Maler Hans<br />

De Pay stammen. Dieser hatte laut einem 1589 zwischen dem<br />

Grafen Eitel Friedrich und ihm ausgehandelten Akkord, die<br />

Kirche zu bemalen. Dort heißt es wörtlich: »Die vier Decken<br />

überall weiß anzustreichen und etliche Stern darein, auch in<br />

der Vorkirche die 12 Apostel mit grau und grauen Wasserfar-


en zu malen, blau ausfüllen, das Fensterwerk mit Rollwerk<br />

einfassen und gleichfalls mit blau ausfüllen. Zwischen den<br />

Fenstern Bilder wie sie sich in die Kirche zu malen geziemt.<br />

Hinter dem Altarchor ein Kruzifix mit unserer lieben Frauen<br />

und St. Johannesbildnis malen.« De Pay erhielt für seine<br />

Arbeit 80 Gulden. Schwierig ist die zeitliche Einordnung des<br />

im Westen an die Kirche angebauten Turmes. Er hat keine<br />

direkte Verbindung mit einer der Vorgängerkirchen. Auch<br />

die heutige Kirche ist an den Turm nur angebaut. Vielleicht<br />

bringt die Auswertung der archäologischen Grabungen noch<br />

weiteren Aufschluß.<br />

Interessant ist der Kupferstich von Merian aus dem Jahre<br />

1662. Er zeigt neben der Burg Hohenzollern auch das<br />

Killertal mit der Kapelle auf der Schlichte und dahinter<br />

mehrere Türme und Gebäude beiderseits einer Kirche mit<br />

spitz aufragendem Turm. Ich nehme aber dennoch nicht an,<br />

daß die Kirche ehemals einen spitzen Turm hatte, sondern<br />

daß es der Künstler bei der Fertigung des Kupferstiches nicht<br />

so genau nahm.<br />

Die erste urkundliche Nennung eines Pfarrers in Burladingen<br />

im Zehntbuch der Diözese Konstanz stammt aus dem Jahre<br />

1275. Eine Glocke mit der Jahreszahl 1435 wurde 1903 wegen<br />

Schadhaftigkeit umgegossen. Nachrichten über die Bautätigkeit<br />

an der Kirche geben seit 1596 mit einigen Lücken die<br />

Rechnungen der Heiligenpflege. Weiteres Material konnte<br />

ich im Fürstlichen Archiv Sigmaringen finden, u. a. den<br />

schon erwähnten Malakkord vom Jahr 1589. Im Dreißigjährigen<br />

Krieg wurden auch die Kirchen nicht vor der Plünderung<br />

verschont. So fehlte hier 1622 das Ciborium und noch<br />

1661 mußte der Burladinger Pfarrer den Meßkelch der Filiale<br />

Gauselfingen benützen. Nach einem Kirchenvisitationsbericht<br />

des Kapitels Trochtelfingen aus dem Jahre 1651 war<br />

unsere Kirche baufällig. Nach und nach wurde die Kirche,<br />

wie aus den Heiligenrechnungen hervorgeht, notdürftig<br />

renoviert. Erst 1720 wird von einem größeren Umbau berichtet,<br />

der sich auf einen neuen Chor, eine Sakristei und eine<br />

Empore erstreckt. 1721 werden dem Orgelmacher von<br />

Hechingen 55 Gulden für eine neue Orgel bezahlt. Dies ist<br />

die erste Erwähnung einer Kirchenorgel in Burladingen.<br />

Schon 1740 werden dem Orgelmacher von Uberlingen 110<br />

Gulden für eine neue Orgel bezahlt. Demnach war man mit<br />

der Orgel aus Hechingen nicht zufrieden. 1746 arbeiteten die<br />

Maurer Michael und Andreas Bauß von Stetten u. H. 78 Tage<br />

lang für 31 Gulden und 12 Kreuzer an der »Kirchenrenovation«.<br />

Der sehr baufreudige Pfarrer Philipp Ferber kam 1763 von<br />

Hechingen, wo er Hofkaplan war, als Pfarrer nach Burladingen.<br />

Schon beim Amtsantritt faßte er den Entschluß, eine<br />

neue Kirche zu bauen. Zunächst renovierte er das Pfarrhaus<br />

und 1769/70 beauftragte er den bekannten Baumeister Christian<br />

Großbayer von Haigerloch mit dem Bau einer neuen<br />

Kirche. Von dieser 1770 neu erbauten Kirche sind leider keine<br />

Baupläne auffindbar. Im Fürstlichen Archiv befindet sich ein<br />

Kostenvoranschlag vom 30. April 1770, der die entsprechenden<br />

Baumaßnahmen umreißt. Dort heißt es u. a.: »Vom<br />

Baumeister die Kirche abzubrechen, aufrommen, Fondtominth<br />

graben, ausmauren, die Kirche aufführen, Dach hinaufthuon<br />

usw...« Nach dem Voranschlag beliefen sich die<br />

Rohbaukosten auf 3104 Gulden, 30 Kreuzer. Die Kirche war<br />

mit allen erforderlichen Inneneinrichtungen schon 1772 fertiggestellt.<br />

Die Ausmalung der Kirche wurde dem Kirchenmaler<br />

Franz Ferdinand Dent übertragen. Der mit ihm abgeschlossene<br />

Akkord über die Deckenfresken und einige andere<br />

Bilder ist im Pfarrarchiv vorhanden. Erwähnt ist auch ein Bild<br />

von der Taufe Christi beim Taufbrunnen, welches bei der<br />

jetzigen Renovation in der entsprechenden Nische an der<br />

Südseite des Langhauses gefunden wurde. An der Nordseite,<br />

in der Beichtstuhlnische wurde ebenfalls ein Bild gefunden,<br />

das aber nicht im Malakkord erwähnt ist. Es ist jedoch<br />

anzunehmen, daß Dent auch dieses Bild gemalt hat. Restaurator<br />

Lorch aus Sigmaringen hat inzwischen die Schönheit<br />

dieser Bilder wiederhergestellt.<br />

Die Kirche hatte ursprünglich eine Empore mit geschwungener<br />

Brüstung, welche bis zum ersten Pfeiler reichte. Dem<br />

Platzmangel in der Kirche, der durch ansteigende Bevölkerungszahl<br />

entstand, suchte man durch den Einbau von<br />

Emporen zu begegnen. Diese Emporen wurden immer wieder<br />

vergrößert und zerstörten dadurch das ursprüngliche<br />

Raumbild. Auf der linken Seite ging die Empore fast bis vor<br />

zum Seitenaltar. Um Platz zu gewinnen, wurden auch die<br />

Kirchenbänke neu eingeteilt. Es paßten 5 Bänke mehr hinein,<br />

die der Schreiner nach dem Vorbild der alten Bänke anzufertigen<br />

hatte. Durch die zusätzlichen Bänke wurde es vor den<br />

Seitenaltären sehr eng. Vermutlich aus diesem Grund wurden<br />

die Aufbauten der Seitenaltäre entfernt und die Altäre auf die<br />

Wand gemalt. Vom südlichen Seitenaltar befindet sich eine<br />

Rechnung im Pfarrarchiv, die am 6. August 1822 vom<br />

Hettinger Maler Johann Rupprecht ausgestellt wurde.<br />

Danach hat er den »Altar in Fresco gemalt«.<br />

Unter dem bekannten Pfarrer Blumenstetter wurde 1851 die<br />

Restaurierung der drei Altäre samt Kanzel und einiger Ölgemälde,<br />

sowie die Ausbesserung der Deckenfresken im Chor<br />

und Langhaus und zweier Nischen, von dem Gammertinger<br />

Maler Konstantin Hanner durchgeführt. Hanner hat offensichtlich<br />

die von Maler Rupprecht im Rokokostil auf die<br />

Wand gemalten Altäre abgekratzt und neue Altäre im »griechischen<br />

Stile« auf die Wand gemalt. Hanners Altäre sind<br />

unter den heute sichtbaren noch erhalten.<br />

1890 wurde eine neue Orgel in der Mitte der unteren Empore<br />

aufgebaut. 1893 ging man an die Erneuerung des Kircheninneren<br />

im neugotischen Stil. Einige ältere Mitbürger können<br />

sich an diese Ausmalung noch erinnern. Seither wurden keine<br />

größeren Reparaturen mehr ausgeführt, da die St. Georgskirche<br />

für die ständig wachsende Bevölkerung schon viel zu<br />

klein war.<br />

Das Hauptaugenmerk richtete sich nun auf den zu erwartenden<br />

Kirchenneubau. Geplant wurde ein neugotischer Bau,<br />

der an der Stelle errichtet werden sollte, wo heute das<br />

Blumenhaus Gunkel steht. Die Verhandlungen mit den verschiedenen<br />

Stellen waren jedoch sehr schwierig und so kam<br />

der Neubau vor dem Ersten Weltkrieg nicht mehr zustande.<br />

Das reichlich angesparte Geld fiel der Inflation zum Opfer.<br />

Unter Umgehung des erzbischöflichen Ordinariates wurde<br />

im Sommer 1924 der nördliche Anbau an der Kirche errichtet.<br />

Im Erdgeschoß wurde Platz für ca. 150 Schulmädchen<br />

geschaffen. Im oberen Stock des Anbaus wurde eine neue<br />

Orgel von Stehle, Bittelbronn, aufgestellt. Auch die untere<br />

Empore im Langhaus wurde verbreitert und verlängert.<br />

Dadurch wurde die Kirche noch dunkler und beengter. Die<br />

Empore wurde deshalb kurze Zeit später wieder verkürzt.<br />

Die baulichen Veränderungen machten erst deutlich, wie<br />

schadhaft das ganze Kircheninnere war. 1925 wurde von<br />

Kirchenmaler Josef Lorch aus Sigmaringen der Hochaltar<br />

und das Deckengemälde restauriert. Im Sommer 1926 folgten<br />

das Deckengemälde im Langhaus und die beiden Seitenaltäre.<br />

Das Bild über der Empore wurde nicht restauriert, man sah es<br />

ohnehin nicht. Einige Bilder, die wahrscheinlich 1893 übertüncht<br />

wurden, konnten 1926 wieder freigelegt werden.<br />

Nachdem unter Pfarrer Richard Biener 1934 die St. Fideliskirche<br />

erstellt worden war, konnte man die unschönen<br />

Emporen der St. Georgskirche entfernen. Die Orgel, die nur<br />

12 Jahre ihren Dienst versehen hatte, wurde für die neue<br />

Orgel der St. Fideliskirche in Zahlung gegeben. Der Anbau<br />

von 1924 wurde nicht mehr entfernt. In der Folgezeit wurde<br />

die Kirche fast nicht mehr benützt. Durch Feuchtigkeit,<br />

7


Erdbeben und Setzungen entstanden viele Schäden. Restaurator<br />

Lorch aus Sigmaringen untersuchte 1973 erstmals die<br />

St. Georgskirche und erstellte einen Kostenvoranschlag für<br />

die Restaurierung. Durch das Erdbeben vom 3. 9. 1978<br />

wurde die Kirche erheblich beschädigt.<br />

Im Sommer 1980 wurde mit der Erdbebensanierung und der<br />

Außenrenovation begonnen, die im Herbst 1981 abgeschlos-<br />

OTTO WERNER<br />

sen werden konnte. Im Frühjahr 1982 führte das Landesdenkmalamt<br />

archäologische Grabungen durch und im Spätherbst<br />

1982 konnte mit der Innenrenovation begonnen werden,<br />

die immer noch im Gange ist. Es ist zu hoffen, daß dieses<br />

kulturgeschichtliche Kleinod von Burladingen bald der Allgemeinheit<br />

wieder zugänglich gemacht wird.<br />

Hechinger Juden 1850 dem Stadtschultheißenamt unterstellt<br />

Der Anschluß Hohenzollerns an Preußen brachte auch für<br />

die Judengemeinde einige Neuerungen.<br />

Das Königliche Oberamt in Hechingen teilte dem Stadtschultheißenamt<br />

am 24. 12. 1850 mit, daß die Königliche<br />

Regierung ausgesprochen habe, die Israeliten bildeten in<br />

Zukunft nur in bezug auf ihre besonderen religiösen Angelegenheiten<br />

eine besondere Körperschaft, im übrigen aber<br />

gehörten sie zur Stadtgemeinde, mit welcher sie einen »politisch<br />

corporativen Verband« bilden, und unterstünden der<br />

städtischen Ortsbehörde. Hiernach habe sich das Stadtschultheißenamt<br />

zu richten. Dieses wurde angewiesen, die<br />

Verfügungen der Königlichen Kassenverwaltung »in Beitreibung<br />

der von Israeliten schuldigen öffentlichen Gefällen« zu<br />

vollziehen.<br />

Wegen der »Weitläufigkeit dieser Verfügung« und bei dem<br />

»Mangel jeder näheren Weisung« sah sich das Stadtschultheißenamt<br />

am 27. Dezember veranlaßt, dem Stadtrat eine<br />

Anfrage an das Königliche Oberamt wegen der »Unterstellung<br />

der Israeliten unter diese Behörde« zur Beschlußfassung<br />

vorzulegen. Im einzelnen berührte diese Anfrage folgende<br />

Punkte:<br />

1. Wie es sich mit dem israelitischen Schul- und Armenwesen,<br />

wie mit Teilungs- und Waisensachen und mit Stiftungsangelegenheiten<br />

verhalte.<br />

2. Welche Verbindlichkeiten den Israeliten bezüglich der<br />

Kosten der Ortsbehörde (- gemeint sind die Gehälter der<br />

städtischen Beamten und Diener - ) obliegen.<br />

3. Wann die neue Rechtslage wirksam werde, und wann die<br />

Ubergabe und Übernahme der öffentlichen Bücher erfolgen<br />

solle.<br />

4. Ob und in welcher Weise die Israeliten beim Stadtmagistrat<br />

vertreten sein sollen, und wie eine etwaige Wahl<br />

durchgeführt werden solle.<br />

5. Ob Urkundspersonen aufgestellt werden sollen, deren<br />

man insbesondere bei der Ausstellung von Leumundszeugnissen<br />

und Vermögenszeugnissen und bei Zeugnissen<br />

zur Erlangung von Reiseurkunden bedürfe.<br />

6. Ob eine Veröffentlichung »der Einverleibung« höhern<br />

Orts angeordnet werde.<br />

Der Stadtrat beschloß aber am 28. Dezember 1850, die<br />

Anfrage zurückzunehmen; die Königliche Regierung sollte<br />

vielmehr um Mitteilung einer genauen »Instruction und<br />

specieller Anweisungen« gebeten werden.<br />

Am 9. Januar 1851 erstattete das Stadtschultheißenamt dem<br />

Königlichen Oberamtsgericht Anzeige, daß man sich »zu der<br />

neuen Wirksamkeit insbesondere Obsignationen, [gerichtl.<br />

Versiegelung; Bestätigung], Theilungen, waisengerichtliche<br />

Gegenstände u. dergl. ... vorkommenden Falles der höheren<br />

Weisung gemäß zu verhalten habe, wenn keine anderweitigen<br />

Verhaltensmaßregeln ertheilt werden würden«.<br />

Das Königlich Preußische Appellationsgericht wiederum<br />

verständigte das Königliche Oberamtsgericht mit Schreiben<br />

vom 10. Januar 1851 davon, daß die Auslegung des Stadt-<br />

8<br />

schultheißenamtes von der Königlichen Regierung nicht<br />

gebilligt werde, und »daß sonach in Theilungs-, Gant- und<br />

Waisensachen eine Änderung der Behandlung nicht eingetreten«<br />

sei. Auch wurde eine Abschrift des Regierungsreskripts<br />

vom 4. Januar 1851 an das Oberamt mitgesandt.<br />

Dieses Reskript hatte folgenden Wortlaut: »Das Rescript<br />

vom 20ten praet. m. et anni [vergangenen Monats und Jahres]<br />

in Bezug auf den Wirkungskreis der israelitischen Ortsvorsteher<br />

hat das Stadtschultheißenamt veranlaßt, in zwei<br />

Berichten genaue Instructionen in Bezug auf seine Stellung<br />

zur Israelitischen Gemeinde zu verlangen.<br />

Hierauf wird erwiedert, daß es eine irrthümliche Auslegung<br />

der Entschließung wäre, wenn derselben eine durchgreifende<br />

Veränderung in Behandlung der israelitischen Gemeindeangelegenheiten<br />

unterstellt werden wollte.<br />

Die Entschließung ist speziell nur auf das Verfahren in<br />

Steuer-Executions-Sachen gerichtet, und, da sie vom bisherigen<br />

Verfahren der Amter abweicht, durch Gründe belegt.<br />

Keineswegs aber sollte durch dieselbe in anderen Beziehungen<br />

eine Änderung an dem Bestehenden gemacht werden,<br />

insofern das Bestehende mit den von uns aufgestellten<br />

Grundsätzen vereinbar ist. Dieses ist z. B. der Fall mit dem<br />

Schul- und Armenwesen und mit dem Stiftungswesen. Diese<br />

Angelegenheiten bilden einen speziellen Theil der in der<br />

besonderen Lage der Israeliten zu findenden Abgeschlossenheit<br />

von der weiteren Gemeinschaft, in welcher sie mit den<br />

christlichen Einwohnern der Stadt leben. Sie müssen also<br />

auch der besonderen Behandlung überlassen bleiben, so<br />

jedoch, daß die Staatsaufsicht nicht ausgeschlossen bleibt, vor<br />

welcher aber die Aufsicht der städtischen Lokalbehörde<br />

verschieden ist; sie sind also der stadtschultheißenamtlichen<br />

Competenz entzogen.<br />

Theilungs- und Waisensachen und deren Behandlung haben<br />

eine andere Grundlage; sie sind keine Angelegenheit der<br />

Israeliten als engere Gemeinheit [Gemeinschaft], und ihre<br />

Behandlung vielmehr Gegenstand der Freiwilligen Gerichtsbarkeit.<br />

In ihrer Behandlung eine Veränderung hervorzurufen,<br />

kann indessen nicht als angemessen erachtet werden, da<br />

die nächste Zukunft ohnedies Veränderungen in Bezug auf<br />

Behandlung aller der Freiwilligen Gerichtsbarkeit und<br />

gerichtlichen Polizei angehörigen Verhältnisse bringen<br />

dürfte, weil sie mit der Gerichtsorganisation im nächsten<br />

Zusammenhange stehen.<br />

Hienach erledigen sich die angestellten Anfragen dahin, daß<br />

durch die ergangenen Entschließungen den israelitischen<br />

Vorstehern das Executionswesen abgenommen, und dem<br />

Stadtschultheißenamt übertragen worden ist.<br />

In andern Verhältnissen ist die weitere Entwicklung durch die<br />

Organisation abzuwarten.<br />

Hechingen den 4. Januar 1851.<br />

Königlich Preußische Regierung gez. von Frank«<br />

(Lagerort: Stadtarchiv Hechingen, Bund 598, Nr. 1 »Unterstellung<br />

der Israeliten unter das Stadtschultheißenamt betr.«)


OTTO WERNER<br />

Vom Kirchhof bei der Hechinger Stiftskirche<br />

Nachdem 1586 die Restaurierung der St. Luzenkirche ins<br />

Werk gesetzt und dort auch ein Franziskanerkloster neu<br />

begründet worden war (Stiftungsbrief vom 26. Juni 1586) 1 ,<br />

verlegte Graf Eitel Friedrich I. von Hohenzollern-Hechingen<br />

(1576-1605) den Friedhof von St. Luzen in die Oberstadt bei<br />

der Stiftskirche. Die Kirche zu unserer lieben Frau und<br />

St. Jakob war 100 Jahre vorher (1472-1488) an der äußersten<br />

südlichen Ecke der Stadt erbaut worden; deshalb mußte der<br />

Friedhof außerhalb des Stadtmauerrings angelegt werden.<br />

Maximilian Schaitel überliefert 2 einen Eintrag in den<br />

Audienz-Protokollen, wonach der Hechinger Bürgermeister<br />

die Stettener Bürger aufgefordert habe, zum »Newen Kirchhoff«<br />

Frondienste zu leisten. Darüber beschwerten sie sich,<br />

weil sie »an dem Hailig Creutz« ein ganzes Jahr gefront<br />

hätten, die Stadt jedoch nicht. Sie meinten, dies solle ihnen<br />

nun beim Kirchhofbau angerechnet werden, »alsdann wellen<br />

sy widerumb mit der Statt heben vnd legen«. Der Bürgermeister<br />

der Stadt Hechingen beschied ihre Beschwerde dahingehend,<br />

daß sie angehalten werden sollten, zu fronen »dieweil<br />

sy todt vnd lebendig zusammen gehören«. Hingegen seien sie<br />

nie dazu angehalten worden, »wegen des Hailig Creutz daß<br />

sy fronen«. Graf Eitel Friedrich, dem der Streitfall zur<br />

Entscheidung vorgelegt wurde, entschied, daß es recht und<br />

billig sei, wenn die Stettener bei der Anlegung des neuen<br />

Friedhofs mitarbeiteten, wenn sie darin begraben sein<br />

wollten.<br />

Im Jahre 1589 gedachte Graf Eitel Friedrich der Abgestorbenen,<br />

indem er hundert Gulden Hauptgut zur Stiftung einer<br />

Samstagsprozession anlegte, die nach der Vesper mit dem<br />

Allerheiligsten über den Kirchhof zu gehen hatte. Diese<br />

Stiftung beschreibt den Friedhof als vor dem oberen Stadttor<br />

an der Stiftskirche gelegen 3 .<br />

Eitel Friedrich war es auch, der auf dem neuen Friedhof bei<br />

der Stiftskirche eine Kapelle zu Ehren der hl. Katharina<br />

erbauen und darin einen Altar aufrichten ließ, der vormals in<br />

St. Luzen gestanden hatte. Die damit verbundene Pfründe<br />

wurde ebenfalls hierher übertragen. Kapelle und Altar wurden<br />

am 14. April 1603 durch den Weihbischof Johann Jakob<br />

von Konstanz geweiht. Pfarrer J. Schellhammer berichtet 4 ,<br />

daß über die Erbauung und Einweihung eine Tafel mit<br />

folgender Inschrift darin hing:<br />

»Zu Gottes Lob und Ehren und auf daß bei vielen gutherzigen<br />

Menschen die christlich Andacht, Gebet und Gottesdienst,<br />

auch dadurch aller Gläubigen sonderlich der Abgestorbenen<br />

Glück und Seligkeit desto besser und mehr<br />

gepflanzet, gemehrt und gefördert werde, so hat der Hochund<br />

Wohlgeborene Eytel Friedrich Graf zu Hohenzollern,<br />

Sigmaringen und Veringen, Herr zu Haigerloch und Wehrstein,<br />

des hl. röm. Reichs Erbkämmerer, röm. kays. Mayestät<br />

Rudolphi Rath mitsammt der auch Hoch- und Wohlgebornen<br />

Frau Sibylla, Gräfin zu Hohenzollern, geborene<br />

Gräfin zu Zimbern, Ihro Gnaden Ehgemahlin aus sonderbarem<br />

christlich gottseligem Eifer, Lieb und Andacht diese<br />

Kirchen und Beinhaus auf ihre Kosten von Grund auf neu<br />

bauen und auf Montag nach misericordia domini, den 14.<br />

Aprilis anno Domini 1603 durch den hchw. Herrn Johannem<br />

Jakobum Episcopum Sebastensem, Suffraganeum zu<br />

Konstanz, dieselbige sammt dem Altar consekriren und<br />

weihen lassen in die Ehre S. Catharinae, der hl. Jungfrau und<br />

Martyrin; sonderlich von wegen, daß derselben hl. Jungfrau<br />

Altar vorhin in der Kirche S. Lucii gestanden und aber, da<br />

Hoch- und Wohlvermeldt Ihro Gnaden dasselbe Kloster und<br />

Kirchen auch aus gottseligem Eifer zur Mehrung des Gottesdienstes<br />

verändert und neu erbaut dem hl. Barfüßer oder<br />

Franziskanerorden übergeben hat, abgebrochen werden,<br />

damit der alten Stiftung nichts destoweniger konnte genug<br />

geschehen und nichts abgehe, so haben Ihro Gnaden denselben<br />

Altar in diese Kirche transferirt und wieder aufgericht.<br />

Es ist auch eben auf den Tag die Glocke, so auf dieser Kirche<br />

hanget, geweiht worden in die Ehre des hl. Johannes des<br />

Apostels und Evangelisten.«<br />

Einige Male erfahren wir im Verlauf der Jahrhunderte etwas<br />

von der Kirchhofmauer. So wurden beim Ruggericht am 5.<br />

Juni 1694 die Bürger ermahnt, »nit allen ohnfladt ahn die<br />

Kirchhofsmauer... zue tragen«. Dadurch würde dem<br />

Gemeinwesen Schaden zugefügt 5 . - Unter den besonders<br />

reparaturbedürftigen Bauwerken der Stadt wird in einem<br />

Akteneintrag der Stadtgerichtsprotokolle vom 15. September<br />

1739 auch die Kirchhofmauer genannt. Dem schlechten<br />

Bauzustand sollte »zeitlich auf das möglichste abgeholfen,<br />

und in bäuwlichen Standt gesetzt werden« 6 . Beim Abbruch<br />

der alten Stifts- und Pfarrkirche, der am 11. November 1778<br />

begann, wurde das Taufbecken zunächst in die Katharinenkapelle<br />

gebracht, bis auch diese wegen des Neubaus am 5.<br />

Juni 1779 geschlossen und abgebrochen wurde 7 . Während<br />

dieser Zeit wurden 64 Kinder in der Katharinenkapelle<br />

getauft.<br />

Noch 1813 schrieb die Stadt zu einer vorhandenen »Gottes<br />

Acker Mauer« bei der neuen Pfarrkirche die Vergabe der<br />

Arbeiten aus. Die Maurerarbeit übertrug man Christoph<br />

Wolf von Boll, der das billigste Angebot einreichte, für 298<br />

Gulden. Die Zeit, zu der er mit den Arbeiten beginnen sollte,<br />

ließ man offen, bis die Resolution der Regierung vorliegen<br />

würde. Der Akkord sah vor: Maurermeister Wolf erhält,<br />

nachdem er ein Drittel vollendet, ein Drittel der Bezahlung,<br />

»und so bei dem 2. und 3ten Trittel«. Auch mußte derselbe<br />

»für maisterhafte Arbeit, und nach der Vorschrift des Bauüberschlags<br />

mit seinem ganzen Vermögen haften« 8 .<br />

Nach Angaben des Kunstdenkmälerwerks für den Kreis<br />

Hechingen (1939) wurde der an der Kirche gelegene Pfarrfriedhof<br />

1814 geschlossen und zur Heiligkreuzkapelle hinaus<br />

verlegt.<br />

In diesem Zusammenhang soll im folgenden auf einige<br />

Gebräuche eingegangen werden, die mit dem Friedhof in<br />

Zusammenhang stehen. Im Jahre 1712 stellte der Heiligenpfleger<br />

den schriftlichen Antrag, die gemeine Stadt wolle »zu<br />

jenem Glöckhle«, welches von der Heiligenpflege dazu angeschafft<br />

werde, um »zum Trost einer in letzten Zügen kämpfenden<br />

Seele« ein Zeichen zu geben, das Seil unterhalten.<br />

Dem stimmte das Stadtgericht zu und bewilligte außerdem<br />

dem Mesner für seine Mühewaltung jährlich einen Gulden<br />

und dreißig Kreuzer 9 . Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war es<br />

Brauch gewesen, daß bei einem Versehgang »zwey Männer<br />

einen kleinen Baldachin über das Hochwürdigste Guth daher<br />

getragen«. Weil dies seit geraumer Zeit unterlassen worden<br />

war, berief das Stadtgericht am 8. Juli 1744, »um dises<br />

löbliche Werckh widerum in Gang zu bringen«, Franz<br />

Mutschier und Matheis Zerlauth vor, um ihnen »dises officium«<br />

aufzutragen. Als Entschädigung dafür wurden beide<br />

von den Fronen und von der Wacht befreit 10 . - Als Matheis<br />

Zerlauth, Bürger und Achter der Gemeinde, im Juni 1747<br />

starb, wurde sein Bruder für die bezeugte Schuldigkeit und<br />

den Fleiß »mit Tragung des Himmels zu denen erkranckten<br />

Leüthen« von allen bürgerlichen Frondiensten befreit sein<br />

9


sollte, demnächst auch von den Wachen, sobald er nicht mehr<br />

bei der Miliz tätig sei 11 . - Am 21. Mai 1750 machte der<br />

verbürgerte Tuchmacher Joseph Wallishauser die Eingabe an<br />

das Stadtgericht, ihm anstelle des Beckens Hans Jerg Wallishauser,<br />

der in die untere Stadt gezogen war, die dadurch<br />

vakante Stelle des Trägers »bey Versehung der Kranckhen«<br />

zu übertragen. Das Stadtgericht beschloß, daß der Bittsteller<br />

»zu einem Himmeitrager dergestalten aufgenommen [werde],<br />

daß er dargegen Fron und Wacht frey sein solle« 12 .<br />

Bis zu Anfang des 18. Jahrhunderts war es offensichtlich<br />

Brauch gewesen, verstorbene Kinder bis zum Alter von zehn<br />

Jahren ohne Geistlichen zu beerdigen, denn 1709 entbot sich<br />

Stadtpfarrer Martin Fischer, künftig solche Kinder - »gleich<br />

wie anderwertig auch gebrauchlich« - mit seinem Beistand zu<br />

begraben. Den Bürgern sollten daraus keine Kosten entstehen,<br />

jedoch würde es der Stadtpfarrer dankend annehmen,<br />

wenn ihm hierfür die gemeine Stadt »etwas Holz, so Er<br />

ohnedem hechst nöttig habe, zuekhommen lassen wollte«.<br />

Gericht und Rat beschlossen daraufhin, in Zukunft die<br />

Kinder allzeit mit einem Geistlichen begraben zu lassen. Als<br />

Anerkennung solle Stadtpfarrer Fischer, solange er in<br />

Hechingen amtiere, jährlich sechs Klafter Holz aus der<br />

Stadtwaldung erhalten 13 .<br />

Einer seiner Vorgänger, Pfarrer Johann Michel Lenz, hatte<br />

beim Jahrgericht 1685 vorgeschlagen, ihm für jede »Jahrzeit<br />

begängnis« 24 Kreuzer anschaffen zu lassen, wie er sie auch<br />

für ein »Leichtbegängnus« erhalte. Er bekomme nämlich nur<br />

drei Kreuzer auf den Altar gelegt. Obwohl das Oberamt<br />

gefunden hatte, es könne ihm wohl nicht zugemutet werden,<br />

dies umsonst zu tun, blieb das Stadtgericht bei der seit vielen<br />

Jahren beibehaltenen Übung, ihm nichts weiter zu bewilligen<br />

14 .<br />

Am 8. Januar 1776 wurde der Bürgerschaft das Dekret der<br />

Fürstlichen Regierung »Die Begrabnus der Verstorbenen<br />

betr.« bekanntgegeben. Danach sollte der Bürger, in dessen<br />

Haus sich ein Todesfall ereignet, sogleich nach der erfolgten<br />

Anzeige im Pfarrhof auch dem Stadtschultheissenamt Nachricht<br />

geben, damit bei solchen Personen »die nicht an einer<br />

bekandten und anhaltenden Kranckheit, sondern etwa gehe<br />

und plötzlich verschieden«, der Stadtschultheiß unter Hinzuziehung<br />

von zwei Gerichtsmännern einen Augenschein vornehme<br />

und mit dem Stadtpfarrer den Zeitpunkt der Beerdigung<br />

festsetze, erforderlichenfalls könne dann noch »die<br />

schleunige Anzeige bey Hfürstl. Hofraths Kanzley gemacht<br />

werden«. Grundsätzlich sollte aber niemand - weder Kinder<br />

noch Erwachsene - »vor Umfluß 24 Stunden« bestattet<br />

OTTO WERNER<br />

Schwarze Schafe im Lehrerrock<br />

Dreißig Jahre lang hatte Tobias Liebel als Ludimoderator<br />

(Schulleiter) an der Hechinger »Teutschen Stadt- und Pfarrschule«<br />

gewirkt, als er am 3. März 1715 starb. Noch im selben<br />

Jahr wurde »Antoni Bahr von Hechingen welcher in Musica,<br />

undt Studiis wohl versieret, ... auf sein wohlverhalten hin der<br />

vacante schuolldienst« übertragen. Er sollte »allem dem<br />

jenigen, was in der Ihm zustellend instruction enthalten,<br />

pflichtmässig nachkhommen« und zu keiner »widrigen<br />

disposition« Anlaß geben.<br />

Doch schon am 9. Februar 1716 wurde eine Verhandlung des<br />

Stadtgerichts »Condemnierung Antoni Bahren gewesten<br />

10<br />

werden; jene Personen aber, die plötzlich sterben, sollten<br />

»erst nach 48 Stunden« begraben werden 15 .<br />

Nicht alle Verstorbenen erhielten ein christliches Begräbnis.<br />

So wurde beispielsweise der Leichnam der 1744 mit dem<br />

Schwert auf der Richtstatt bei Heiligkreuz hingerichteten<br />

Marthae N. vom Scharfrichter bis an die Kirchhofmauer<br />

gebracht, dort von zwei hierzu bestellten Männern übernommen<br />

und auf dem Kirchhof »in loco non benedicto« eingescharrt,<br />

»da zu vor der Todtengräber das Grab eröfnet<br />

hate 16 «.<br />

Noch übler erging es einem Selbstmörder von Burladingen,<br />

dessen Leichnam vom Scharfrichter aus der unteren Öffnung<br />

des Oberen Turms in einem Sack auf die Gasse geworfen,<br />

»sofort auf den Karren unter Convoyirung der Stadtwache<br />

ganz langsam... über den Marckt hin und [zur] Stadt hinaus<br />

bis unter den Galgen gezogen und daselbst... 4. Schuh tief in<br />

die Erde mit abwärts verkehrtem Gesichte verscharret«<br />

wurde 17 .<br />

Anmerkungen<br />

1<br />

Wortlaut siehe bei Max Heinrichsperger, Hechingen/Hohenzollern.<br />

Franziskaner-Observanten. Alemania Franciscaner Antiqua<br />

16 (1971) 149-150 (Lit.).<br />

2<br />

In Zollerheimat 9 (1940) 6.<br />

3<br />

FAS, DH 158. Original 1599 XI. 11. -Vgl. auch bei Peter Manns,<br />

Geschichte der Grafschaft Hohenzollern im 15. und 16. Jahrhundert.<br />

1401-1605. Hechingen: Walther 1897. S. 237.<br />

4<br />

Isidor Schellhammer, Die Stadtpfarrkirche zu Hechingen. Zu<br />

deren hundertjährigem Jubiläum. Haus-Kalender Hechingen. 55<br />

(1884).<br />

5<br />

Stadtgerichtsprotokolle, Folio A 5, 1684-1697.<br />

6<br />

Stadtgerichtsprotokolle, Folio A 8, 1737-1742.<br />

7<br />

Die neue Pfarrkirche ist gegenüber der alten 12,68 m länger und<br />

6,50 m breiter und benötigte daher mehr Platz.<br />

8<br />

Stadtgerichtsprotokolle, Folio A 16, 1807-1818, Actum den 7.<br />

Juni 1813.<br />

9<br />

Stadtgerichtsprotokolle, Folio A 6, 1697-1730, Actum den 26.<br />

Januar 1712.<br />

10<br />

Stadtgerichtsprotokolle, Folio A 9, 1743-1749.<br />

11<br />

Stadtgerichtsprotokolle, Folio A 9, 1743-1749, Actum den 22.<br />

Juni 1747.<br />

12<br />

Stadtgerichtsprotokolle, Folio A 10, 1749-1754.<br />

13<br />

Stadtgerichtsprotokolle, Folio A 6, 1697-1730, Actum den 23.<br />

Mai 1709.<br />

14<br />

Stadtgerichtsprotokolle, Folio A 5, 1684-1697, Actum den 6.<br />

Februar 1685.<br />

15<br />

Stadtgerichtsprotokolle, Folio A 13, 1766-1778.<br />

16<br />

Stadtgerichtsprotokolle, Folio A 9, 1743-1749, Actum den 21.<br />

Juli 1744.<br />

17<br />

Stadtgerichtsprotokolle, Folio A 14, 1778-1801, Actum den 25.<br />

Juni 1781.<br />

Schuellmaisters« geführt. Warum war er bereits ein knappes<br />

Jahr nach seiner Anstellung entlassen worden? Antoni Bahr<br />

hatte, obwohl verheiratet, mit Barbara Kohlerin, ledigen<br />

Standes, die Ehe gebrochen »und Sye geschwängert«. Außerdem<br />

hatte er sie »auß dem Hauß der Eltern in die Fremde<br />

entführet«. Diese Umstände, »wordurch beede wider die<br />

gebott Gottes, wider gaist- und weltliche Rechte auch die<br />

Fürstl. Landesordnung härtiglich gesündiget«, führten dazu,<br />

daß Bahr »nach abgeschworener Urphed, des gesambten<br />

Schwäb. Craises auf Ewig verwiesen« wurde, seinem »weib<br />

aber bevorstehen, ob Sye ihme dißfahls verzeyhen, und


nachziehen wolle.« Nun erinnerte man sich auch wieder, daß<br />

Bahr »ohne dem von vil Jahren her, und ehe ihm der<br />

schuelldienst anvertrawet worden, schlechten Handel und<br />

Wandel gefüehret«. Die Kohlerin mußte, anstatt der Kirchenbuße,<br />

fünfzig Gulden »zue Straf erlegen«. Ihr Bruder<br />

Jacob, der zusammen mit dem Vater Christian das geflüchtete<br />

Pärchen »ohne geheiß der Obrigkeit verfolget« und die<br />

beiden in Oberhausen im Württembergischen antraf, wobei<br />

er dem Bahr »mit der Pistolen am arm mit zwey Kugeln<br />

geschossen hat«, mußte »die Cösten so auf die Cur gegangen,<br />

bezahlen«. Der mit der Verfolgung und dem Schießen begangene<br />

Frevel sollte bei der gnädigsten Territorialherrschaft<br />

verantwortet werden. - Übrigens folgte die Frau des relegierten<br />

Antoni Bahr, Anna Maria Stehlin, diesem nicht nach.<br />

Bereits am 7. Januar 1717 wurde vor dem Stadtgericht eine<br />

Beleidigungsklage des Bürgers und Richters Johann Greylich<br />

gegen sie verhandelt, »betrefendt daß die Beklagte zy des<br />

Klägers nit geringer Verleimbdung sich unterstanden, Ehrverlezter<br />

weise auszugeben, ob hete der Kläger mit Anna<br />

Barbara Kohlerin, die mit dem Bahren sich flaischlich versindiget,<br />

Und von dem Bahren entführt werden wollen, ein<br />

unzulässliches Commercium getriben«. Dafür konnte aber<br />

kein Zeugnis beigebracht werden, und auch die Stehlin wußte<br />

»dise ehrabschneidische Zulag anderster nicht zubeschainen,<br />

dan daß solches ihro ihr sauberer gesell der man vertrawet<br />

hete, zu mahlen die vermeinte Complex hählich betheüret«.<br />

Sie bekannte, daß sie dem Kläger unrecht getan und die<br />

schwere Bezichtigung und ehrverletzende Beleidigung<br />

widerrufen wolle. Daraufhin wurde sie dazu verurteilt, die<br />

dem Kläger angetane Schmach gleich vor dem versammelten<br />

Stadtgericht zu widerrufen und verfiel - nach der fürstlichen<br />

Landesordnung - in eine Strafe von zehn Pfund. Auch durfte<br />

sie die aufgestellte Behauptung »iezt, und zu allen Zeiten«<br />

nicht mehr wiederholen. (Zum Vorstehenden siehe »Stadtgerichtsprotokolle<br />

1697-1730« / Folio A 6.)<br />

Am 11. April 1739 wurde vor dem Hechinger Stadtgericht<br />

eine Klage gegen den Schulmeister Alexander Kohler verhandelt.<br />

In den Stadtgerichtsprotokollen (1737-1742 / Folio A 8)<br />

heißt es: »Codem beschweren sich mehrere wider den schullmeister<br />

dahin, d. er nicht allein in puncto Instructionis seiner<br />

Scholaren große nach Lässigkeith zeige, auch für nembl. selbe<br />

zu gebührendter Ehr barkeith, und pflantzung Christi.<br />

Tugendt, und Ehre Gottes an zu halten mehr mahlen<br />

omitiere, seye aber Hier in falls sich nicht zu bewundern, zu<br />

mahlen derselbe die üble gewohnheit auf sich habe, dem<br />

brandten wein Trunckh ergeben zu seyn.«<br />

OTTO WERNER<br />

Der Gebäudebesitz der Hechinger Juden im Jahre 1839<br />

Im Stadtarchiv Hechingen lagert ein »Brand-Versicherungs-<br />

Kataster« aus dem Jahre 1839. Er gibt u.a. Aufschluß über<br />

den Gebäudebesitz der Hechinger Juden.<br />

Demnach waren 1839 folgende Gebäude Eigentum der Judengemeinden:<br />

A. In der Stadt<br />

Num. 199: »Die Sinagoge, 3 Stok, mit Fachwerk in der<br />

Goldschmidsgaß«, taxiert auf 2000 Gulden, erhöht durch<br />

Beschluß vom 9. Januar 1852 auf 5800 Gulden, und zwar<br />

»Gebäudewerth 5000 [Gulden], der Altar 200 [Gulden],<br />

Betstühle 600 [Gulden].« Die Erhöhung des Versicherungswerts<br />

der Synagoge in der Goldschmiedstraße im Jahre 1852<br />

Das Stadtgericht faßte den Beschluß: »Besagter schullmeister<br />

solle fürnemblich das angewohnte maleur des brandten weins<br />

halber von sich legen, bessern Fleiß zu Instruction der<br />

Scholaren anwenden, dieselben zu schuldiger Gottes forcht<br />

anhalten, ansonsten und bey beschehendten fernem Ciagen<br />

es seynn Dienst kosten möchte.«<br />

Kohler scheint von seinem Laster nicht abgelassen zu haben,<br />

und so heißt es unterm 21. April 1740: »Nachdeme von<br />

seithen des Löbl. Stattgerichts man auf verschiedene wider<br />

den schuelmeister Alexander Kohler eingelaufene Klagene<br />

puncto seines Liederlichen auffüerens sich gemuessigt wohlbetracht<br />

bessere in die Jugendt beschehendter instruction,<br />

woran das maiste gelegene, ein anderes zue solcher functione<br />

betr. Qualificirtes Subjectum außzufinden.«<br />

Es wurde Johann Caspar Bullach, der als Schreiber beim<br />

Amtmann des Klosters Lichtental (bei Baden-Baden) im<br />

Dienste stand, als neuer Schulmeister angenommen, weil er<br />

»ein ehrliches Buergers Kindt, und sowohl dahiro als anderer<br />

orthen sich ehrlich verhalten«, auch Proben seines Verstandes<br />

von sich gegeben und mithin »an des Subjecti capacität der<br />

mündere Zweifel nicht vorhanden«.<br />

Ganz anderer Art waren die Vorwürfe, die der Hechinger<br />

Rabbiner Dr. Samuel Mayer (1834—1875) in einem Schreiben<br />

vom 25. Juni 1847 an die Fürstliche Regierung gegen Oberlehrer<br />

Eppstein vorbrachte. Zunächst duldete er »allzu nachsichtig«,<br />

- mußte er doch mit dem Oberlehrer und dessen<br />

Familie unter einem Dache wohnen und wollte dies nicht in<br />

Unfrieden, - daß die Kinder des Lehrers vor den Schulzimmern<br />

im Hausgang des israelitischen Schul- und Gemeindehauses<br />

in der Goldschmiedstraße »auf die Nachtgeschirre<br />

gesetzt wurden« und »daß der Nachtstuhl des Lehrers an<br />

demselben Platze aufgestellt« war, obwohl durch den Hausgang<br />

alle Personen gehen mußten, die den Rabbiner besuchen<br />

oder in das Gemeindezimmer wollten. »Als aber die Nachtgeschirre<br />

auch in das Schulzimmer kamen, und dasselbe als<br />

Wasch- und Kinderstube, Küche ... behandelt wurde«, hielt<br />

es der Rabbiner für pflichtvergessen, länger zu schweigen.<br />

Außerdem leistete es sich der Lehrer, »daß er mit der Pfeife<br />

im Munde und mit dem Schlafrocke bekleidet« - sogar in<br />

Gegenwart des Rabbiners - unterrichtete. Obwohl der<br />

Rabbiner den Lehrer auf sein Fehlverhalten hinwies, wiederholte<br />

sich der Übelstand. Rabbiner Dr. Mayer vermerkte<br />

deshalb am Rande seines Schreibens unter N. B.: »Noch jetzt<br />

unterrichtet er im Schlafrocke.« (Lagerort des Schreibens:<br />

Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 6 Nr. 272.)<br />

rührt von der Erweiterung der Synagoge her. In den Jahren<br />

1850/52 wurde die Nische für den Tora-Schrein angebaut und<br />

die Synagoge zur Goldschmiedstraße hin erweitert. Außerdem<br />

wurden die Galerien eingebaut, um mehr Platz in der<br />

Synagoge zu schaffen, nachdem sich die Hoffnung auf Übernahme<br />

der Stiftssynagoge der Familie Kaulla durch die<br />

Judengemeinde zerschlagen hatte. (Vgl. hierzu meinen Beitrag<br />

»Nachweis einer weiteren Synagoge in Hechingen« in<br />

der Hohenzollerischen Heimat, Nr. 4,1981, S. 53 f.) Mit dem<br />

»Altar« ist der Tora-Schrein gemeint. Der »Bauplatz, darauf<br />

die Synagoge Nro. 199«, ist im Jahre 1860 mit 13/150.<br />

Jauchert bzw. mit 36,6 württembergischen Ruten angegeben.<br />

Num. 205: »Die Judenschule, 3 Stok hoch, der lte von Stein,<br />

11


die 2 andere in Fachwerk über Abzug des Kellers, im 2t und 3t<br />

Stok Baköfen«, taxiert auf 5000 Gulden. Die »Judenschule«<br />

ist das in den Jahren 1830/32 neben der Synagoge errichtete<br />

Schul- und Gemeindehaus der jüdischen Gemeinde. Nach<br />

seiner Fertigstellung fand auch der Vorsänger darin Wohnung,<br />

so daß die Vorsängerwohnung, die bis dahin mit der<br />

Synagoge verbunden war, entbehrlich wurde und somit Platz<br />

für die Erweiterung der Synagoge freigab. Der »Bauplatz,<br />

darauf das Schul- und Gemeindehaus Nro. 205«, ist im Jahre<br />

1860 mit 10/150. Jauchert bzw. 32,3 württembergischen<br />

Ruten angegeben. (Vgl. hierzu meinen Beitrag »Zur<br />

Geschichte der israelitischen Volksschule in Hechingen« in<br />

der Hohenzollerischen Heimat, 1980, S. 21-25 und S. 44-^-6)<br />

1860 sind ferner als Besitz der israelitischen Gemeinde in der<br />

Stadt aufgeführt:<br />

- Ein »Bauplatz und Garten mit einem halben Haus<br />

Nro. 173«, 3 3 /


GEORG GAUGGEL<br />

Geschichte der Evangelischen Volksschule in Sigmaringen<br />

Sie existiert seit dem Jahre 1868. Bis dahin besuchten die<br />

wenigen evangelischen Kinder die städtische Elementarschule.<br />

In der Chronik heißt es darüber: »Bei Gründung der<br />

Schule war aber ein eingentl. Schulgebäude nicht vorhanden.<br />

Dazu mußte das Pfarrhaus, links neben der Kirche, dienen;<br />

auch die Lehrerwohnung mußte im Pfarrhause eingerichtet<br />

werden. Das Schulzimmer lag im unteren Stockwerke des<br />

Pfarrhauses, jetzt die Studierstube des Geistlichen. Die Lehrerwohnung<br />

umfaßte den übrigen Raum des ersten Stockes,<br />

mit Ausnahme des Zimmers, das durch eine Thüre hinaus auf<br />

die Veranda führt. Das Schulzimmer war ein ungesunder<br />

Aufenthaltsort für die Kinder. Anfangs mochte nicht so<br />

aufgefallen sein, daß die Stube zu klein, und daß die Ventilationen<br />

äußerst mangelhaft seien, weil die Zahl der Schüler nur<br />

23 betrug« Zitat Ende<br />

Der erste Lehrer an der neugegründeten Schule war Carl<br />

Fuchs, der aber nur 1 Jahr hier blieb. Sein Nachfolger<br />

Christoph Rudolphi wurde 1877 von Wilhelm. Küstner abgelöst.<br />

Im August 1881 konnten dann 23 Schüler das Schulzimmer<br />

im neuerbauten Schulhaus neben der Kirche beziehen. Als im<br />

Jahre 1888 die Schülerzahl auf 108 Kinder angestiegen war,<br />

wurde endlich eine 2. Stelle bewilligt und mit dem »Lehrgehilfen«<br />

Ludwig Rümpel besetzt. Da aber kein Klassenzimmer<br />

dafür vorhanden war, mußte ein Zimmer im städtischen<br />

Schulhaus angemietet werden, bis im Frühjahr 1890 das<br />

zweite Schulzimmer bezugsfertig war. Am 13. September<br />

1911 zogen dann die beiden evangelischen Klassen in das<br />

städtische Schulhaus an der Antonstraße, in dem sie von da an<br />

verblieben.<br />

Da durch die Einberufung vieler Lehrer im I. Weltkrieg<br />

großer Lehrermangel herrschte, mußte die Evangelische<br />

Schule von 1914-1919 wieder einklassig geführt werden.<br />

Nach Kriegsende konnte die Schule, am 3. Januar 1919,<br />

wieder mit 2 Lehrkräften eröffnet werden.<br />

Doch schon im Oktober 1924 schlugen die durch die Inflation<br />

bedingten Sparmaßnahmen der Regierung durch, und<br />

die 2. Schulstelle mußte wiederum gestrichen werden. Und<br />

jetzt begann der mühsame und fruchtlose Kampf um die<br />

Wiederbesetzung dieser 2. Stelle. Die Zahl »60« wird zur<br />

»magischen Zahl«, aber die Schülerzahlen bleiben hartnäckig<br />

JOHANN ADAM KRAUS<br />

Pfarrliste von Stetten bei Haigerloch<br />

Fr. X. Hodler hat in seiner 1928 erschienenen »Geschichte<br />

des OA Haigerloch«, S. 781 f., die Ortsgeschichte Stettens<br />

behandelt und S. 790 die Seelsorger seit 1484 aufgezählt. Hier<br />

folgen Ergänzungen:<br />

1) 1327 u. 1329 Heinrich Vischer, Leutpriester (Kirchb. U<br />

316)<br />

2) 1409 Berthold Wolf von Haigerloch ist anf. d. Jahres<br />

verstorben.<br />

3) 1409 1. u. 25. Mai wurde präsentiert Konrad Wigg von<br />

Trillfingen durch die Patronatsherren Ritter Berthold v.<br />

Falkenstein, Erhard v. Falkenstein-Ramstein u. Ritter<br />

Egenolf v. Falkenstein-Ramstein.<br />

4) 1439 Leupold Härlin ist tot.<br />

5) 1437 14. 3. proklam. u. 27. 3. invest. Petrus Dinkenler<br />

von Oberndorf, präs. d. Eglof, Reinhard u. Eberhard<br />

Gebrüder v. Falkenstein-Ramstein, sowie Konrad u.<br />

Aigelwart v. Nieder-Falkenstein, Freiherren.<br />

im Bereich zwischen 50 und 60. Zwar bringen 9 »Leihstunden«<br />

der Katholischen Schule einige Erleichterung, aber erst<br />

als die Schülerzahl auf 62 steigt, kann am 16. September 1930<br />

der Schulamtsbewerber Heinrich Gehne als Hilfslehrer eingestellt<br />

werden. Die Zweiklassigkeit bleibt erhalten, bis im<br />

Jahre 1937 die Evangelische Volksschule in der »Deutschen<br />

Schule« des Dritten Reiches aufgeht.<br />

Lehrer der Evangelischen Schule:<br />

1868 Carl Fuchs (nur wenige Monate)<br />

1868-1877 Christoph Rudolphi<br />

1877-1892 Wilhelm Küster<br />

1889-1892 Ludwig Rümpel<br />

1892-1910 Carl Küstner<br />

1892-1921 Johannes Blickle<br />

1911-1933 Ludwig Kempf<br />

1921 Waldraff (nur vorübergehend)<br />

1921-1925 Wilhelm Hedenius<br />

1930-1937 Heinrich Gehne (zuerst Hilfslehrer, ab 1933<br />

definitiv)<br />

1933-1934 Hilfslehrerin Maria Arzt<br />

1934-1935 Hilfslehrerin Elisabeth Peinecke<br />

1935-1936 Hilfslehrerin Magd. Bünemann<br />

1936-1937 Hilfslehrerin Ruth Unglaub (ab 1. 1. 37 wieder<br />

2. Stelle)<br />

1937-1938 Ruth Ansorge<br />

1937-1955 Emil Kortmann<br />

Schülerzahlen der Evangelischen Schule<br />

1868 23 1926 48<br />

1883 77 1927 50 (9 Stundei<br />

1889 108 (2. Lehrer) von Kath.<br />

1897 78 1928 56<br />

1912 61 1930 62 (wieder<br />

1914 50 (bis 1919 2. Stelle)<br />

einklassig) 1931 56<br />

1916 51 1932 51<br />

1920 78 1933 56<br />

1921 68 1934 56<br />

1924 52 (ab 1924 1935 53<br />

wieder einklassig) 1936 59<br />

1925 51 1937 53<br />

6) 1442 10. Dez. Michael v. Gärtringen, Kirchrektor, zahlt<br />

10 fl. Erstfrüchte (1453 ebenso in Rangendingen.) 1447<br />

Untersuchung über Vermögen der Pfarrei.<br />

7) 1448 Leutpriester Nikolaus Pistoris hat Streit mit<br />

Gemeinde und Konrad v. Bubenhofen, der den Geistlichen<br />

einsperrte, aber nicht exkommuniziert wurde<br />

(Erzb. Arch, Cop 0 fol. 59 b)<br />

8) 1450 16. Juli Nikolaus Beck zahlt 10 fl. Erstfrüchte d.<br />

Einkommens.<br />

9) 1454 3. Jan. Rektor Johannes Vergenhans ebenso 10 fl.<br />

10) 1459 3. Mai Ludwig Bäggli zahlt 10 fl.; geht 1460 nach<br />

Weildorf.<br />

11) 1460 3. März Johannes Rieh zahlt 10 fl.; ist noch 1485<br />

erwähnt, hat 1497 10 Pfd. Hl. Einkommen.<br />

13


12) 1504 10. Juli Ulrich Plawfuß aus Geislingen b. Bai. zahlt<br />

10 fl., hat 1495 in Basel studiert.<br />

13) 1520 Seelsorger Ulrich Ulin ist tot.<br />

14) 1520 14. Mai wird Michael Strycher investiert, präs. d-<br />

. Johann Heinrich v. Bubenhofen.<br />

15) 1528 Christoph Uel von Rottweil zahlt seine Erstfrüchte.<br />

16) 1534 Kaspar Koch (Kech?) als Seels. genannt, ist 1536<br />

tot, sein Vermögen wird 1536 auf Klage der Witwe des<br />

Juden Seligmann aus Haigerloch arrestiert.<br />

17) 1436 28. Juni Sebastian Kiene aus Tailfingen, präs. d. Johann<br />

v. Weitingen zu Grosselfingen; invest. 4. 9. 36.<br />

18) 1560 6. Juni invest. Georg Wächter, Predigerordens, aus<br />

Rottweil, präs. d. Carl v. Hohenzollern-Sigmaringen;<br />

nimmt 1571 Absenz, und resigniert 1572.<br />

19) 1571 Verweser Anton Braun v. Binsdorf, invest. 26. 2.<br />

1572.<br />

20) 1588 16. Dez. Nikolaus Krieg (Kruog) aus Haigerloch,<br />

invest. 20. 9. 89. ist noch 1609 hier.<br />

21) 1611 Rudolf Fries von Rottweil, tot 1653.<br />

22) 1624-25 Helfer Johann Pfister aus Haigerloch.<br />

23) 1637 Verw. Michael Herzog aus Rottweil (wurde 1642<br />

Pfr. in Owingen.)<br />

24) 1653 30. Jan. Johann Michael Staiger.<br />

25) 1668 22. Sept. präs. Karl Epplin, invest. 19. Dez.; hier<br />

bis 1660.<br />

JOHANN ADAM KRAUS<br />

Zwei Gedenkkreuze auf der Alb<br />

A. Zwischen Melchingen und Stetten<br />

Verlassen und von den wenigsten gekannt, stand es schief im<br />

Ackerfeld, bis Männer von der Flurbereinigung aus Tübingen<br />

aufmerksam wurden und den Entstehungsgrund wissen wollten.<br />

Das Kreuz steht etwa 150 m östlich der Straßenbrücke<br />

der Lauchert in der Flur Ungerhalde, nur 25 m nördlich des<br />

Bachbettes, also unweit des auffälligen Straßenbogens. Übrigens<br />

heißt in alten Berichten dieser Teil der jungen Lauchert,<br />

schon vom Ringinger Talwies her, Fürchtle (wohl »kleine<br />

Furche«). Man wandte sich an Herrn Pfr. Wilh. Booz von<br />

Stetten um Auskunft und der wußte den rechten Mann für<br />

solche Raritäten, den Ortsvorsteher Thomas Faigle von<br />

Melchingen. Dieser nahm denn auch gleich Augenschein und<br />

berichtete: »Es handelt sich um ein Kreuz aus feinem Sandstein<br />

von 16 cm Stärke, einem Querbalken von 12 cm, jeweils<br />

mit Dreipass-Enden. Die Höhe beträgt 46 cm, Breite 65 cm.<br />

in der Mitte steht die Jahreszahl 1718 und der 34 cm im<br />

Quadrat messende Sockel ist aus Tuffstein gebildet.« (Inzwischen<br />

ist der Sockel erneuert, gerade gestellt und das Ganze<br />

auf 91 cm erhöht.)<br />

Herrn Faigle verdanken wir auch die örtliche Uberlieferung,<br />

die er in Stetten erkundete: »Ein Mann aus der Nachbarschaft<br />

(das Totenbuch Stetten schweigt!) wurde von Werbern für<br />

den Soldatendienst nach reichlichem Alkoholgenuß geworben<br />

und zur Unterschrift eines Vertrags überredet. Nach<br />

seiner Ernüchterung reute es den Mann; er ging fort aus dem<br />

Dorf, wurde jedoch bald von den Häschern im Feld aufgespürt<br />

und bei dem entstehenden Handgemenge tötlich verletzt.<br />

Zum Andenken stiftete man an der Stelle das Kreuz«.<br />

Eine Vermutung, es könne sich um ein altes Sühnekreuz<br />

handeln, wie bekanntlich zwei an der Melchinger Marienkapelle<br />

erhalten sind (HH 1982,23), kann wegen der Jahreszahl<br />

1718 und der äußeren Gestalt des Denkmals nicht bestätigt<br />

werden, siehe Zeichnung A.<br />

B. Auf dem Salmendinger Heufeld<br />

Schon vor Jahrzehnten hatte der Ringinger alte Steinhauer<br />

Karl Dietrich auf ein Altertum unter der mächtigen Linde<br />

14<br />

26) 1661 11. Jan. Mag. Georg Fauler (wohl aus Veringen),<br />

invest. 8. März, lebt noch 1665 hier, 96 J. alt.<br />

27) 1665 14. Juni Johann Jakob Eipper, invest. 13. 9. 65.<br />

Wird 1667 wegen eines Exzesses abgesetzt.<br />

28) 1667 3. März Johann Thumbschütz aus Rottenburg,<br />

bisher Bietenhausen. Invest. 4. 4. 68. ging 1670 ohne<br />

Abschied weg, schuldete noch 1680 nach Konstanz 20 fl.<br />

29) 1670 5. Nov. präs. Nikolaus Sartor von Gruol, invest.<br />

17. 1. 71; hat 1681 noch aus Erstfrüchten 4 fl 48 kr<br />

Schulden.<br />

30) 1704 24. Jan. Sebastian Sartorius aus Munderkingen,<br />

zahlt Erstfrüchte 20 fl 54 kr. Ist bis 1731 hier.<br />

Weiteres siehe bei Hodler S. 790. Zur Leonhardskapelle bei<br />

Stetten 1758 siehe Hohenz. Heimat 1959,31. Auch »Kirchenpatrone<br />

im Kr. Hechingen« 1962 S. 167 von Blessing; u.<br />

Hodler S. 789.<br />

Weitere Listen der Seelsorger im Haigerlocher Gebiet sind in<br />

der Heimatbücherei Hechingen hinterlegt.<br />

Zum Frauenklösterlein zu Stetten siehe Krebs, Investiturprotok.<br />

S. 817. und am 19. Sept. 1481 erhielt es eine bischöfliche<br />

Sammelerlaubnis als »Schwesternhaus oder Iklusorium im<br />

Dorf Stetten, das dem Büßerorden des hl. Dominikus angehört<br />

zu Ehren BV Mariae, Johannes Baptistae und St. Michael«.<br />

südwestlich des Kornbühls hingewiesen, aber es wurde wieder<br />

vergessen, bis man auf das Stettener Kreuz stieß und beim<br />

Gespräch die Frau Mia meines Neffen Christian Kraus die<br />

Rede wieder auf die Salmendinger Viehweide brachte: »Da<br />

steht doch auch so etwas Merkwürdiges!« Ihr Mann benützte<br />

einen sonnigen Novembertag, um den alten Stein zu suchen.<br />

Er fand sich in einem kleinen Gebüsch am Feldweg von<br />

Salmendingen her bei dem ersten, durch das Alter arg zerzausten<br />

mächtigen, aber ruinösen Baum. Die Linde ist heute<br />

ohne Krone und nur noch mit einem einzigen weit ausladenden<br />

Ast, alle andern sind längst verschwunden. Der Stein ist<br />

im Westen verwittert und verrät hohes Alter. Er ist 54 cm<br />

hoch und über 61 cm breit, die Arme ca. 19 und 22 cm stark,<br />

wie die Zeichnung Chr. Ritters zeigt. Die Nachfrage meines


Neffen in Salmendingen erbrachte keine eindeutige Antwort<br />

bezüglich Zweck und Anlaß des Kreuzes. Einige meinten, ein<br />

Junginger Mann, andere ein fremder Handwerksbursche sei<br />

hier erfroren. Andere wollten wissen, es sei jemand vom Blitz<br />

erschlagen worden, wie 1812 einige Willmandinger, auf die<br />

ein Denkstein (zw. dort und Salmendingen) hinweist (Zollerländle<br />

1926,40 und Albv. Blätter 1926,243). Eine andere<br />

Stimme meinte, das Kreuz sei eine Erinnerung an ein früheres<br />

Dorf Korningen. Dies ist jedoch nirgends belegt. Der so<br />

lautende Flurname deutet lediglich auf den Kornbühl. Auch<br />

fehlt hier völlig das Wasser für eine Siedlung. Der Form nach<br />

(Zeichnung B) könnte wohl ein Sühnekreuz in Frage kommen,<br />

etwa vor dem Jahr 1500.<br />

Es ist kaum bekannt, daß einst die »Salmendinger Büsche«<br />

der Weide Heufeld als Stätte von Zank und Schlägereien eine<br />

Rolle spielten. Hat doch dieser Ausdruck in der Literatur des<br />

ausgehenden Mittelalters sogar einen Niederschlag gefunden.<br />

Der schwäbische Dichter Hermann von Sachsenheim, Verwandter<br />

der Ringinger Burgherren mit Namen Schwelher,<br />

schrieb im J. 1463 in seiner romantischen Erzählung »Die<br />

Möhrin« im Vers 547 f.: »Ja, jett ich dich by dinem Kragen,<br />

und war by Salmendinger Büschen, ich wellt dir s'Gelb vom<br />

Snabel wüschen. Sus muoß ich laider schwigen hie!« (Bd. 137<br />

der Bibl. d. Literar. Vereins).<br />

Weidebüsche spielten in der Geschichte des Heufelds eine<br />

wichtige Rolle (Hz. JHeft 1961,50 f.) Zu Ritterfehden lud das<br />

weite Heufeld geradezu ein. Im J. 1460 war eine verwitwete<br />

Margarethe von Sachsenheim Frau des Mettelhans Schwelher<br />

(Hz. Ztg. 16. 6. 1968).<br />

JOHANN ADAM KRAUS<br />

Kanz a) Körperteil, b) Familienname<br />

a) Der Kanz als Sache ist im Hechinger Gebiet und wohl ganz<br />

Hohenzollern unbekannt, er müßte denn in neuerer Zeit von<br />

Zugezogenen eingeschleppt worden sein. Er bezeichnet nach<br />

Josef K. Brechenmachers »Deutsche Sippennamen« eine<br />

Mähne, bzw. den fleischigen Teil oben am Hals. Johann<br />

Christopf von Schmid nennt ihn in seinem Schwäbischen<br />

Wörterbuch 1832 einfach »Pferdemähne« und W. Keinath<br />

folgte ihm 1927 hierin. Ausführlich behandelt Fischer in<br />

seinem »Schwäbischen Wörterbuch« den Kanz im Band 4,<br />

Spalte 197. Der Begriff Kanz (gesprochen als »khants« mit<br />

langem a, oder »khonts« oder sogar »Kranz«) sei geläufig<br />

zwischen Kirchheim/Teck, Göppingen, Heidenheim, Memmingen,<br />

Allgäu, Waldsee und Riedlingen. Im Ulm bedeute<br />

Kanz sogar »Stück vom Hals eines geschlachteten Schweines«.<br />

In unserer Gegend hörte ich noch niemals auch nur eine<br />

der genannten Bedeutungen. Fischer hält einen Zusammenhang<br />

unseres schwäbischen Begriffes Kanz mit der norddeutschen<br />

»Kante« für erwägenswert. Zu einem Familiennamen<br />

ergeben sich jedoch keine Anhaltspunkte.<br />

b) Der Familienname Kanz (gesprochen wie Franz, also mit<br />

kurzem a) begegnet uns im Umkreis von Hechingen mehrfach,<br />

besonders zahlreich in der Burladinger Teilgemeinde<br />

Gauselfingen. In den Urkunden des Klosters Stetten/<br />

Hechingen finden sich 1330 in Hechingen ein Werner der<br />

Buchbesprechung<br />

Naturpark Obere Donau. Herausgegeben vom Schwäbischen<br />

Albverein e. V. 213 Seiten, zahlreiche Abbildungen, Wanderkarte,<br />

DM 19.80. Erschienen im Konrad Theiss Verlag Stuttgart.<br />

Oberstudiendirektor Wilhelm Rößler aus Sigmaringen hat<br />

die Wanderungen bearbeitet und die Autoren koordiniert.<br />

Das Gebiet des Naturparkes Obere Donau reicht von<br />

Zeichnungen von Chr. Ritter, Burladingen<br />

Kanz, 1345 Heinz der Kanz, 1391 Hans der Kanz, während<br />

das zollerische Lagerbuch Bickelspergs vom Jahre 1435 mehrere<br />

Kantz (!) um Hechingen herum namhaft macht. Die<br />

Ansicht Brechenmachers und anderer, es handle sich um<br />

einen Bei- oder Übernamen für einen Mähnenträger dürfte<br />

kaum beweisbar sein, wenn auch schon 1288 ein Schultheiß<br />

»Eberhard genannt der Kanz« im badischen Osterburken im<br />

Wirtenberger Urkundenbuch vorkommt.<br />

Es kann sich sehr wohl um einen uralten Sippennamen<br />

handeln. Man erinnere sich nur an Denk-Denkingen, Deck-<br />

Deggingen-Döggingen, Dent-Dentingen (NB. Maler Franz<br />

Ferd. Dent, der 1790 in Hechingen starb!), Betz-Betzingen-<br />

Bötzingen, Hipp-Hippetsweiler (1209 Hiltibolteswilare),<br />

End-Endingen, Herbert-Herbertingen, Hepp-Heppenheim<br />

usw.<br />

So kann ebensogut der Familienname Kanz zusammenhängen<br />

mit dem 1094 genannten Cancingen, dem jetzigen Städtchen<br />

Kenzingen bei Freiburg, das heute noch in der alten<br />

Mundart Kanzingen gesprochen wird! Nach Förstermann<br />

steckt der uralte Personenname Kanzo darin, dessen Sippe die<br />

Siedlung anlegte. Ein exakter Beweis ist freilich für so frühe<br />

Zeit urkundlich nicht zu erbringen. Aber diese Erklärung hat<br />

mehr für sich, als ein nur vermuteter Übername.<br />

Immendingen bis Eningen. Es umfaßt eine der schönsten<br />

Landschaften Deutschlands. Berühmt ist das Donautal mit<br />

seinen hochragenden Felsen, den Burgen und einer vielfältigen<br />

Pflanzen- und Tierwelt. Eine eigenständige Landschaft<br />

hat auch der große Heuberg mit dem 1015m hohen Lemberg<br />

und das geschichtsträchtige untere Laucherttal.<br />

Im ersten Teil des Buches findet man eine allgemeine<br />

15


Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong> Geschichtsverein<br />

Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />

W <strong>3828</strong> <strong>FX</strong><br />

Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.<br />

Beschreibung des Gebietes in einzelnen Kapiteln: Bau und<br />

Entstehung der Landschaft, Lebensräume, Urgeschichte, die<br />

vor- und frühgeschichtliche Besiedelung, Burgen, Schlösser<br />

und Klöster, Minnesänger aus dem Raum des Oberen<br />

Donautales, Sagen vom Heuberg und der oberen Donau,<br />

Naturpark Obere Donau. Alle Abschnitte sind von kompetenten<br />

Fachleuten geschrieben.<br />

Der zweite Teil des Buches bringt 5 7 Wanderungen im Gebiet<br />

des Naturparkes mit genauer Wegebeschreibung und vielen<br />

geschichtlichen Hinweisen. Der Text wird aufgelockert<br />

durch zahlreiche hübsche Federzeichnungen, die viel<br />

instruktiver sind, als Fotos. Daneben findet man Detailkarten<br />

Register 1983 Seite<br />

Bietenhausen: Zur Geschichte von<br />

Bittelschieß: Kleiner Ort mit bewegter Vergangenheit<br />

Buchbesprechungen:<br />

Der Bodensee<br />

Burladingen in alten Ansichten<br />

Christian Großbayer<br />

Der Traum von Freiheit<br />

Die Störleute<br />

Gammertingen in alten Ansichten<br />

Heuneburg<br />

Hugo Hermanns Weg nach Trossingen<br />

Monographie für einen Turm<br />

Tübingen und das Obere Gäu<br />

Urgeschichte in Baden-Württemberg<br />

Vom Leben auf dem Lande<br />

Wanderführer - Park Inzigkofen<br />

Weißenau in Geschichte und Gegenwart<br />

Buck, Michel: Zum 150. Geburtstag<br />

Burg Hohenberg seit 115 8<br />

Flurnamenkunde: Wort, Wördt<br />

Gammertingen, Abt Konrad von<br />

Gammertingen: Mühle<br />

Genzmer Walter: Zum Tode von<br />

Grämlich-Jungingen: Rätsel im Wappen<br />

Gremiich von Jungingen zu Menningen<br />

Gruol: Vergessene Klostergebäude<br />

Gutensteiner Schwert (Bild)<br />

HOH<strong>ENZOLLERISCHE</strong> <strong>HEIMAT</strong><br />

hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein.<br />

Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«<br />

ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will<br />

besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />

und der angrenzenden Landesteile mit der<br />

Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie<br />

bringt neben fachhistorischen auch populär<br />

gehaltene Beiträge.<br />

Bezugspreis: 8.00 DM jährlich.<br />

Konto der »Hohenzollerischen Heimat«:<br />

803843 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />

(BLZ 65351050).<br />

Druck:<br />

M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH & Co.,<br />

7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.<br />

16<br />

12000015. 12<br />

HERRN<br />

AMTSRAT<br />

HEINZ ZEKORN<br />

KARLSTRASSE 18<br />

7 480 SIGMAR INGEN 1<br />

° 1605.0<br />

und eine Wanderkarte, in der die beschriebenen Wanderungen<br />

eingezeichnet sind. Verzeichnisse, Literaturhinweise und<br />

ein Register beschließen den gelungenen Band.<br />

Berichtigungen<br />

Heft 3 1983 S. 37: Altes Reichsfürstliches Haus Hohenzollern-Hechingen.<br />

Regierender Fürst: Josephus Wilhelmus<br />

geb. 12. November 1718 (nicht 1760!).<br />

Heft 4 1983 S. 58: Herr Dr. Spelling von der Württembergischen<br />

Landesbibliothek ist eine Dame, Frau Dr. H. Spilling.<br />

Wir bitten um Entschuldigung.<br />

28 Hechingen: Das Hudelgäu<br />

44 Hechinger als Mönche in Allerheiligen<br />

Hechinger Residenzschloß: Strittige Fuhrfronen<br />

31 Hexen Verfolgung: Ich bin des Teufels ...<br />

48 Hohenzollern und die angrenzenden Gebiete<br />

16 Hohenzollern: Zur Geschichte<br />

47 der archäolog. Denkmalspflege<br />

64 Inzigkofen: Das Kloster nach der Säkularisation<br />

31 Inzigkofen: Ehemalige Klosterkirche (Bild)<br />

31 Laiz, ein Rätselname<br />

30 Jungingen zu Kaisers Zeiten<br />

30 Mundart:<br />

31 Alte Ausdrücke und Redensarten<br />

31 Die Armut, das Wetter<br />

63 Naus, na, nom<br />

64 Neufra unter dem Lichtenstein<br />

48 Owingen: Die Eyach bei<br />

15 Rangendinger Seelsorger<br />

27<br />

13<br />

11<br />

2<br />

36<br />

34<br />

22<br />

1<br />

26<br />

40,58<br />

62<br />

62<br />

62<br />

17<br />

29, 45<br />

28 Sigmaringen: Daß die Herstellung eines Ständesaales 52<br />

12 Sigmaringen: Der Orchesterverein 7<br />

5 7 Stein: 150 Jahre Pfarrkirche St. Markus 20<br />

63 Straßberg: St. Verena 44<br />

56 Thalheim: Besiedlung und ... 9<br />

27 Thiergartenhof: Rund um die St. Georgsbasilika (mit Bild) 49<br />

26 Trochtelfinger Urkunde 1161 35<br />

12 Wannenmacher, Johann: Zum Tode von 31<br />

33 Weilheim: Seelsorger von 29,45<br />

Die Autoren dieser Nummer:<br />

Casimir Bumiller<br />

Wolfswinkel 12,<br />

7814 Breisach-Gündlingen<br />

Georg Gauggel, Konrektor i. R.<br />

Roystraße 13, 7480 Sigmaringen<br />

Pfarrer Johann Adam Kraus<br />

Erzbischöfl. Archivar i. R.<br />

Badstraße 8, 7800 Freiburg-Littenweiler<br />

Hans-Peter Wallisch, Architekt<br />

Friedhofstraße 18, 7458 Neufra<br />

Otto Werner, Rektor<br />

Friedrich-List-Straße 55,<br />

7450 Hechingen<br />

Schriftleitung:<br />

Dr. med. Herbert Burkarth,<br />

7487 Gammertingen (Telefon 07574/2329)<br />

Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />

persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />

diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge<br />

verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung<br />

sind als solche gekennzeichnet.<br />

Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />

werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />

Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische<br />

Heimat« weiter zu empfehlen.


HÖH <strong>ENZOLLERISCHE</strong><br />

<strong>HEIMAT</strong><br />

Herausgegeben vom<br />

W <strong>3828</strong> <strong>FX</strong><br />

Hohenzollerischen Geschichtsverein<br />

34. Jahrgang Nr. 2/Juni 1984<br />

Wasserschloß Glatt, Stadt Sulz. Luftbild K. Schwarz, Freigegeben durch das Regierungspräsidium Karlsruhe, Nr. 0/16839.<br />

WOLFGANG HERMANN<br />

Rettet Sulz sein Wasserschloß? Eine Bestandsaufnahme<br />

Am 29. August 1981 veröffentlichte die Stuttgarter Zeitung<br />

einen Artikel mit der feststellenden Uberschrift »Sulz rettet<br />

sein Wasserschloß«. Nach nun fast drei Jahren soll an dieser<br />

Stelle eine kurze Bilanz über die seitherigen Erneuerungsarbeiten<br />

gezogen werden.<br />

Der Ort Glatt, in dessen Mitte das Weiherschloß steht,<br />

gehörte mit seinen Nachbarorten Fischingen und Dettingen<br />

bis zur Kreisreform zum Landkreis Hechingen. Im Jahre<br />

1972 wurde Fischingen Teilgemeinde von Sulz, Glatt folgte<br />

1975. Beide Orte kamen dadurch zum Landkreis Rottweil.<br />

Dettingen wurde nach Horb eingegliedert und gehört nun<br />

zum Kreis Freudenstadt. Die Kreis- und Gebietsreform ist<br />

stets umstritten gewesen und auch heute findet man noch ihre<br />

Gegner. Ob diese Reform für das ehemalige hohenzollerische<br />

Randgebiet von Vorteil war, läßt sich nicht eindeutig feststellen,<br />

jedoch läßt sich mit Bestimmtheit sagen, daß alle betroffenen<br />

Gemeinden peripher geblieben sind. Das einstige<br />

Oberamt Haigerloch, der spätere Kreis Hechingen wurde in<br />

drei Teile zerlegt, den Kreisen Rottweil, Freudenstadt und<br />

Balingen zugewiesen. Die Regierungspräsidien Freiburg,


Karlsruhe und Tübingen wurden die nächst höheren Verwaltungsinstanzen.<br />

Deren Grenzen stoßen an der erweiterten<br />

Gemarkung der Stadt Sulz aufeinander.<br />

Das Verbleiben der Raumschaft Sulz bei der Entscheidungsinstanz<br />

Tübingen, begründet in den gewachsenen Bindungen<br />

des früheren »Südwürttemberg-Hohenzollern« und der<br />

Kenntnis der dortigen Außenstelle des Landesdenkmalamtes,<br />

hätte nach Meinung des Verfassers viel besser die Gewähr<br />

gegeben, sich zeitiger für die Erhaltung des Wasserschlosses<br />

zu engagieren 1 .<br />

Herrschaft, Reinhart von Neuneck und das Wasserschloß<br />

»Wasserschlösser im Lande sind rar« hatte der Journalist im<br />

zitierten Bericht der Stuttgarter Zeitung geschrieben. Und<br />

wer das Schloß Glatt in diesen Tagen besucht, wird bemerken,<br />

wie sehr es der Restaurierung bedarf. Für die Kunstsachverständigen<br />

wird der Seltenheitswert dieses Schloßtyps die<br />

Erneuerung rechtfertigen; und für Leute, die sich mit Hohen -<br />

zollern noch verbunden fühlen, geht es auch um emotionale<br />

Werte. Der Historiker wird sich darüber hinaus fragen<br />

(können) weshalb ein so kleines Dorf wie Glatt ein so<br />

repräsentatives Schloß besitzt. Hodler 2 schreibt in seiner<br />

Geschichte des Oberamts Haigerloch: Schon am Ende des<br />

13. Jahrhunderts treffen wir in Glatt das Adelsgeschlecht von<br />

Neuneck, welches das Dorf 400 Jahre lang innehatte. Die<br />

Neunecker waren in viele Familien verzweigt und die Glatter<br />

Linie dauerte am längsten 3 . Diese Herrschaft umfaßte nur das<br />

Dorf Glatt, das halbe Dorf Dürrenmettstetten - die andere<br />

Hälfte war Besitz des Klosters Alpirsbach - und ein Drittel<br />

von Dettingen. Der übrige Teil des Dorfes befand sich im<br />

Besitz des Ortsadels 4 .<br />

Der berühmteste Ritter dieser Familie war Reinhart, 1489 bis<br />

1551 und dieser stand den größten Teil seines Lebens in den<br />

Diensten des Herzogs von Württemberg und des Pfalzgrafen<br />

Ludwig, der auch Herzog von Ober- und Niederbayern war.<br />

Für ihn war Reinhart als Vogt in Lauingen an der Donau<br />

tätig. Einen besonderen Namen machte sich dieser Junker bei<br />

seinen Standesgenossen, als er 1525 gegen die Bauern zu Felde<br />

zog. Während des Bauernkrieges kämpfte er bei Böblingen<br />

und für Pfalzgraf Ludwig befreite Reinhart das Ellwanger<br />

Stift 5 . Außerdem kämpfte er unter den Kaisern Maximilian I.<br />

und Karl V. gegen die Türken.<br />

Im Jahre 1521 erhielt Reinhart von Karl V. Blutbann und<br />

Marktrecht verliehen 6 , 1541 das seltene Freistatt-Privileg 7 .<br />

Danach wurden alle Personen dem kaiserlichen Frieden<br />

unterstellt, die wegen Schulden, Totschlag und anderen<br />

Handlungen und Freveln in die Ringmauern des Schlosses<br />

Glatt kommen. Ausgenommen waren jedoch Personen, die<br />

sich der Beleidigung der kaiserlichen Majestät schuldig<br />

gemacht haben, sowie offensichtliche Mörder und Brandstifter.<br />

Das Wasserschloß wurde zu Anfang des 16. Jahrhunderts<br />

errichtet. Uber dem Durchgang des Torturms findet sich die<br />

Jahreszahl 1513. Joh. Nep. Wetzel schreibt darüber 1911, das<br />

Schloß sei nach 1533 erbaut worden 8 . Zugrunde lag »ein<br />

ungefährlicher Überschlag auf den neuen Bau zu Glatt, anno<br />

1533 gemacht - Wendelin Kurtz, zu Rottenburg« 9 . Aus<br />

dieser Akte geht nicht eindeutig hervor, ob mit dem neuen<br />

Bau des Ritters wirklich das Wasserschloß gemeint ist, denn<br />

in diesem Überschlag erwähnt der Werkmeister an Stelle von<br />

vier Rundtürmen nur die Arbeiten für zwei Türmlein. Es ist<br />

sehr gut möglich, daß sich diese Zusammenstellungen der<br />

Ausmaße und der zu verwendenden Materialien - in Rottenburger<br />

Meß - auf die Wirtschaftsgebäude beziehen, die zur<br />

Linken und Rechten mit zwei kleinen Rundtürmen abgeschlossen<br />

werden 10 . Jedenfalls muß das Wasserschloß 1534<br />

fertig gewesen sein, denn das Urbar von 1534 11 beschreibt<br />

18<br />

unter den zu leistenden Fronen in Kürze das, was die<br />

Hintersassen des Junkers Reinhart und dessen Bruder<br />

Oswald zu arbeiten hätten: »den Wassergraben und Zaun am<br />

Schloß zu Glatt zu betreuen, zu machen, zu bessern, so weit<br />

und so lange wie not tut«.<br />

Nach dem Aussterben der Glatter Linie kam die Herrschaft<br />

Glatt 1678 an das Domstift Trier. Hans Kaspar, der jüngste<br />

und letzte Sproß der mittlerweile verarmten Linie, hatte die<br />

Herrschaft seiner Schwester Apollonia (geb. 1640) vermacht,<br />

die sie dann ihrem Onkel, dem Johann Wilhelm von Elz, der<br />

Domdechant in Trier war, überschrieben. In einem<br />

Rechtsstreit wurde das neunecksche Erbe zu Glatt 1683<br />

durch das Lehengericht dem Freiherrn Johann Franz zu<br />

Landsee zugesprochen. Es gelang ihm, das Gut Neckarhausen<br />

zu erwerben. Der Besitz konnte jedoch nicht gehalten<br />

werden, so daß 1706 an die Fürstabtei Muri/Schweiz verkauft<br />

wurde. Für nahezu 100 Jahre übte dieses Kloster die Herrschaft<br />

aus. Durch die politischen Umstände bedingt, gelangte<br />

dann die »erweiterte Herrschaft Muri-Glatt 1803 an das Haus<br />

Hohenzollern-Sigmaringen 12 .<br />

Verwahrlosung kommt nicht von ungefähr<br />

Die Mißachtung des Schloßgebäudes begann schon, nachdem<br />

das hohenzollerische Oberamt seinen Sitz im Schloß genommen<br />

hatte. Als »schwäbisch-preußischen Geniestreich« 13<br />

wird bezeichnet, daß der Rittersaal zum Arrest umgebaut<br />

und dadurch völlig verdorben wurde. Verwahrlosung<br />

beginnt mit der Geringschätzung des Vergangenen - vergangen<br />

war die Zeit der murischen Klosterherrschaft. Es war die<br />

Mißachtung jenen Werten und Gütern gegenüber, welche<br />

nicht durch persönlichen Einsatz zu eigen wurden, sondern<br />

lediglich durch die Gunst des Schicksals zufielen. Eben durch<br />

den erzwungenen Säkularisierungsbeschluß des Reichstages<br />

zu Regensburg, durch welchen die Abtei Muri ihren Besitz<br />

und die damit verbundenen Hoheitsrechte 14 , entsprechend<br />

dem Machtwillen einer höheren Gewalt und dem Anpassungswillen<br />

eines Kleinstaates gehorchen mußte. Als im Jahre<br />

1854 das Oberamt Glatt aufgehoben wurde und die Befugnisse<br />

dem Oberamt Haigerloch übertragen waren, setzte der<br />

Verfall ein. In diesen Tagen bietet das Schloß türkischen<br />

Gastarbeiterfamilien Unterkunft an."<br />

Die Gemeinde Glatt hatte das Schloß im Jahre 1970 vom<br />

Fürstenhaus Hohenzollern übernommen, nicht unbedingt<br />

unter dem allgemeinen Beifall. Es war in der Zeit, als man<br />

noch viel vom alten Glump sprach. Wenn heute die Einwohner<br />

von Glatt so ganz dafür sind, das Schloß zu behalten, so<br />

ist dies auf das verstärkte Geschichtsbewußtsein und dem<br />

Eigenwillen der eingemeindeten Ortschaft sowie den Bemühungen<br />

des Ortsvorstehers, Herrn Esslinger, zurückzuführen.<br />

Zwei Probleme stehen seit August 1983 in der Diskussion um<br />

das Wasserschloß: die künftige Nutzung des Kulturdenkmals<br />

und die Finanzierung der Restaurierung. Die Gemeinde Glatt<br />

und auch die Stadt Sulz haben die Verantwortung für ihr<br />

Wasserschloß erkannt und sind bemüht, seinen Wert neu<br />

herauszustellen. (Wie ernst und erfolgreich die Anstrengungen<br />

sind, soll der zweite Teil des Berichtes darlegen).<br />

Beginn der Renovierung<br />

In der ersten Begeisterung hatte die Stadt Sulz gleich mit<br />

kleineren Aufräumungsarbeiten begonnen, den Wassergraben<br />

gereinigt und Karpfen eingesetzt. Mit dem Wasserschloß<br />

erbte die Stadt Sulz auch ein Kulturdenkmal von hohem Rang<br />

- ein solches besitzt die Stadt nur noch in ihrer Stadtkirche<br />

von 1513 - denn im letzten Stadtbrand von 1794 ist so gut wie<br />

alles vernichtet worden.<br />

(Fortsetzung Seite 20)


Ein Stück Hohenzollern ging verloren<br />

Der Hohenzollerische Geschichtsverein hat innerhalb weniger<br />

Tage zwei langjährige Mitglieder und Angehörige des<br />

Vorstandes verloren.<br />

Am 12. Mai 1984 verstarb Dr. jur. Hans Speidel, Landrat<br />

i. R. In Schlatt am 8. Februar 1900 geboren, besuchte Hans<br />

Speidel in Sigmaringen und Konstanz das Gymnasium. Er<br />

studierte an den Universitäten Tübingen, Freiburg und<br />

Frankfurt Jura und Germanistik. Nachdem er zunächst<br />

zwischen einer literarischen und journalistischen Betätigung<br />

und der juristischen Laufbahn schwankte, entschied er sich<br />

für letztere und ließ sich in Köln als Anwalt nieder. Der Krieg<br />

machte jedoch seine Pläne zunichte. Durch den Bombenkrieg<br />

verlor er seine Habe und die Familie wurde nach Schlatt<br />

evakuiert. Nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft,<br />

eröffnete er in Hechingen als Rechtsanwalt und Notar<br />

eine Praxis.<br />

Hans Speidel hatte nie seine Heimat vergessen und er trat<br />

1945/46 für den Aufbau der neuen staatlichen Ordnung ein.<br />

1946 wurde er Landrat des Kreises Hechingen. Mit persönlichem<br />

Mut und Einsatz und mit Ideenreichtum wirkte er an<br />

exponierter Stelle am Aufbau des Landkreises mit. Als Jurist<br />

und Verwaltungsmann kümmerte er sich auch um die Pflege<br />

von Kultur und Tradition. Genannt seien nur seine Bemühungen<br />

um die Hohenzollerische Landessammlung und die<br />

Hohenzollerische Heimatbücherei, die ihm besonders am<br />

Herzen lag.<br />

Als er 1966 nach zwanzigjähriger Tätigkeit aus dem Amt des<br />

Landrates schied, begann für Hans Speidel ein neuer Lebensabschnitt.<br />

Er hatte nun die Zeit, sich forschend mit der<br />

Geschichte seiner Heimat, und das war für ihn Hohenzollern,<br />

zu beschäftigen. Vor allem das 19. und 20. Jahrhundert<br />

faszinierten ihn. Der erste Landtag im Fürstentum Hohenzollern-Hechingen<br />

1835/36, Lebensbilder von politisch herausragenden<br />

Männern, wie Pfarrer Blumenstetter, Erzbischof<br />

P. Dionysius Schuler oder Johannes Diebolder wurden<br />

veröffentlicht. Aber auch die Ortsgeschichte seiner Heimatgemeinde<br />

Schlatt gehörte zu den Themen seiner Forschungen.<br />

Die von ihm erlebte wie selbst mitgestaltete Zeitgeschichte<br />

analysierte er. Seine letzte Arbeit widmete er der<br />

Geschichte des Landkreises Hechingen von 1945 bis 1973.<br />

1949 war er in den Hohenzollerischen Geschichtsverein<br />

eingetreten und wurde 1969 in den Vorstand gewählt. Seither,<br />

bis zu seinem Tode, bekleidete er das Amt des stellvertretenden<br />

Vorsitzenden. Fünfzehn Jahre lang bestimmte er den<br />

Kurs des Hohenzollerischen Geschichtsvereines an maßgeblicher<br />

Stelle mit. Hohenzollern hat einen treuen Sohn verloren,<br />

der Geschichtsverein einen aktiven und verdienten Mitarbeiter.<br />

Landrat i. R. Dr. Hans Speidel wurde unter großer Anteilnahme<br />

am 16. Mai auf dem Friedhof seiner Heimatgemeinde<br />

Schlatt beigesetzt.<br />

Anton Buckenmaier, Landesbankdirektor i. R. verstarb am<br />

9. Mai in Sigmaringen im 81. Lebensjahr. Buckenmaier<br />

wurde am 23. August 1903 in Stetten bei Hechingen geboren.<br />

Nach dem Abitur am Gymnasium in Sigmaringen 1924,<br />

schlug er die Banklaufbahn ein. Nach beruflicher Tätigkeit in<br />

Stuttgart und Bad Mergentheim zog es ihn wieder in die<br />

Heimat zurück. Von 1929 bis zu seiner Pensionierung im<br />

Jahre 1969 war er bei der Hohenzollerischen Landesbank<br />

tätig, seit 1960 als stellvertretender Landesbankdirektor in<br />

Sigmaringen.<br />

Neben der beruflichen Tätigkeit widmete er sich der<br />

Geschichte seiner Heimat. Schon 1935 war er in den<br />

Geschichtsverein eingetreten. Zahlreiche Veröffentlichungen<br />

zur hohenzollerischen Geschichte sind von ihm erschienen.<br />

Mit der Arbeit über »Eugenie Fürstin von Hohenzollern-<br />

Hechingen. Menschen und Mächte um eine Stiefenkelin<br />

Napoleons I.«, die 1965 in der Zeitschrift für Hohenzollerische<br />

Geschichte erschien, hat er sich selbst ein bleibendes<br />

Denkmal geschaffen.<br />

Im September 1965 wurde er in den Vorstand des Geschichtsvereins<br />

gewählt. Ein Jahr später übernahm er das Amt des<br />

Schatzmeisters, das er bis zum 1. Oktober 1982, genau 16<br />

Jahre lang bekleidete. In diesen Jahren hat er sich um die<br />

finanziellen Belange des Vereins gesorgt und ihn trotz mancher<br />

Schwierigkeiten sicher durch die Zeiten gebracht. Bis<br />

zuletzt hat er dem Vorstand angehört.<br />

Anton Buckenmaier wurde am 14. Mai 1984 im Beisein einer<br />

großen Trauergemeinde in seiner Heimat Hechingen zu<br />

Grabe getragen.<br />

19


Zu Beginn des Jahres 1984 war der anfängliche Optimismus<br />

gedämpfter geworden, und die lokale Presse spiegelte das<br />

Zaudern des offiziellen Sulz wider. Die laufend steigenden<br />

Kosten sind hierfür die Erklärung. Bisher steuerte das Land<br />

Baden-Württemberg 1,125 Mio. Mark bei 15 , 200000 DM<br />

sind im städtischen Haushalt eingeplant 16 , der Kreis Rottweil<br />

versprach 60000 DM für die Renovierung der Außenfassade<br />

bereitzustellen. Hierfür sind im vergangenen Jahr 1,4 Mio<br />

DM angesetzt worden. Im September 1982 hatte Sulz bereits<br />

Aufträge in Höhe von 580000 DM vergeben. Am 27. 8. 1983<br />

hatte der Schwarzwälder Bote gemeldet, daß Restaurator<br />

Ernst Lorch aus Sigmaringen und Putzfachmann M. Sebastiani<br />

aus Uberlingen »in einer Woche mit den Arbeiten«<br />

beginnen würden. Die Renovation eines der vier Flügel<br />

wurde von den Restauratoren mit ca. 125000 DM beziffert.<br />

Der Innenhof mit kalkulierten Kosten von 100000 DM,<br />

neuen Fenstern mit 150000 DM (Angabe nach Bürgermeister<br />

Vosseier), statischen Problemen und Rissen im Mauerwerk<br />

(Torgebäude) ließen einen Stadtrat ausrufen, Schloß Glatt<br />

darf kein »Faß ohne Boden« werden 17 . In der Südwestpresse<br />

vom 8. September 1983 wurde bereits darauf hingewiesen,<br />

wie sehr die Stadt unter Druck stünde; es seien »die Freiburger<br />

Denkmalschützer und -restaurierer darauf hinzuweisen,<br />

daß das von der Stadt dafür zur Verfügung gestellte Budget<br />

nicht überschritten werden darf und notfalls einfach aufzuhören<br />

ist. Von der Stadt stehen im Moment noch 420000 Mark<br />

parat, aber kein Pfennig mehr 18 .<br />

Solch eindeutige Worte umschreiben klar, wie weit die Kräfte<br />

reichen. Anders für die Stadtverwaltung liegen die Fragen um<br />

die Renovierung und den Umbau des ehemaligen Amtsgerichts.<br />

Dieses, um 1800 errichtete, jetzt städtische Gebäude,<br />

soll in absehbarer Zukunft einige Abteilungen der Verwaltung<br />

aufnehmen, und es ist von Sulz aus zu verstehen, daß die<br />

Sorgen darum viel größer sind, als um das Wasserschloß.<br />

Stand der Renovierung des Glatter Schlosses<br />

Zur Zeit der Niederschrift waren Teilarbeiten am Dach und<br />

an zwei Turmspitzen abgeschlossen. An der Ostseite war eine<br />

fünf Meter breite Musterachse angebracht worden. Versuchsweise<br />

erhielten die dort angebrachten Läden eine rot-weiße<br />

Schrägbemalung. Ortsvorsteher Esslinger hatte sie nach<br />

»Jahren des Dornröschenschlafes« wiedergefunden 19 . Der<br />

Torturm soll auf alle Fälle einen roten Putz erhalten, ob das<br />

Walmdach über der Apsis der Kapelle erhalten bleibt, oder<br />

dmrch eine Ballustrade ersetzt wird, war im August 1983 noch<br />

unklar 20 . Die Bauarbeiten waren seitdem lange unterbrochen,<br />

im Inneren wurde gearbeitet. Seit dem 11. Mai dieses<br />

Jahres wird der Originalputz verkieselt. Nach Auskunft des<br />

Ortsvorstehers war es aus Witterungsgründen nicht möglich,<br />

früher damit zu beginnen, da die Temperaturen hierbei nicht<br />

unter 8 Grad liegen dürfen.<br />

KARL WERNER STEIM<br />

2!ur Baugeschichte der Kirche in Killer<br />

D'ie Kirche zur Schmerzhaften Muttergottes in Killer wurde<br />

durch das Erdbeben vom 3. September 1978 schwer beschädigt.<br />

Der Turm mußte sogar abgebrochen werden. Die<br />

Mauern wurden überwiegend bis in die Höhe der Decken in<br />

Langhaus und Chor abgetragen und neu aufgebaut. Jetzt<br />

befaßt sich die Kirchengemeinde mit dem Wiederaufbau des<br />

.Kirchturms. Aus diesem Anlaß soll über die Baugeschichte<br />

der Kirche und die in den letzten Jahren erfolgten Baumaßnahmen<br />

berichtet werden.<br />

20<br />

Verantwortlich für die komplexen Arbeiten sind der Architekt<br />

Beuter von Horb-Dettingen, der Leiter der Denkmalaußenstelle<br />

Freiburg, Herr Dr. Wolfgang Stopfel, dessen<br />

Mitarbeiter Dr. Leusch und Oberkonservator Reichwald aus<br />

Stuttgart.<br />

Über den Fortgang der Renovierungsarbeiten und den Stand<br />

der Diskussion um die Gebäudenutzung wird ein weiterer<br />

Bericht folgen.<br />

Anmerkungen<br />

1<br />

Eine ähnliche Randlage besitzt auch die ehemalige Kreisstadt<br />

Horb, jetzt Kreis Freudenstadt. Empfingen ist nach Horb eingemeindet.<br />

Karlsruhe ist Sitz des Regierungsbezirks. Die nötigen<br />

Archivalien liegen in Sigmaringen, bzw. in Stuttgart im Hauptstaatsarchiv.<br />

2<br />

Hodler, Franz, Geschichte des Oberamts Haigerloch, Hechingen<br />

1928, S. 173.<br />

3<br />

Hodler, S. 174.<br />

4<br />

Eisele, Karl Friedrich, Studien zur Geschichte der Grafschaft<br />

Zollern und seiner Nachbarn, Stuttgart 1956. Buckenmaier,<br />

Johannes, Die Herrschaft Glatt, wissenschaftliche Zulassungsarbeit,<br />

maschinenschriftlich, 1965, S. 48.<br />

5<br />

A. Lichtschlag, in Mitteilungen des Vereins für Geschichte und<br />

Altertumskunde IX, 1875/76.<br />

6<br />

Im Staatsarchiv Sigmaringen, unter Ho 163/51, Urkunden. Die<br />

angesprochene Urkunde wurde am 13. 3. 1521 in Worms ausgestellt.<br />

7<br />

Ebendort, unter Ho 163/(92), vom 31. 5. 1541, ausgefertigt in<br />

Regensburg.<br />

8<br />

Wetzel, Joh. Nep., Das hohenzollerische Schwarzwalddorf Glatt<br />

und das Adelsgeschlecht von Neuneck, Blätter des württ.<br />

Schwarzwaldvereins 1911, Nachdruck Glatt, Bürgermeisteramt<br />

1966.<br />

9<br />

Akte im Staatsarchiv unter HO 163, Akte 72<br />

10<br />

Heute wird dieses langgestreckte Bauwerk von der Gemeinde teils<br />

als Festsaal genutzt, ein anderer Teil dient den örtlichen Vereinen,<br />

ein Teil ist Café<br />

11<br />

Urbar im FAS, R 137, K 26, F 14, Nr. 1. Joh. Adam Kraus<br />

benennt in seinem Beitrag »Zur Geschichte von Glatt und der<br />

Herren von Neuneck«, HJh 1962, S. 90, die jeweiligen Hintersassen.<br />

Es sind doch Namen, die im Urbar nur zu einem geringen Teil<br />

wiederkehren.<br />

12<br />

Hodler, S. 188 f.<br />

13<br />

Stuttgarter Zeitung vom 29. 8. 1981<br />

14<br />

Die murische Herrschaft Glatt war durch Kauf von Dießen,<br />

Dettensee und der übrigen 2/3 von Dettingen erweitert worden.<br />

15<br />

Anzeigenblatt »Jede Woche« vom 13. 10. 1983.<br />

16<br />

Schwarzwälder Bote, Sulzer Chronik vom 12. 10. 1983.<br />

17<br />

Siehe Anmerkung 16.<br />

18<br />

Bürgermeister Vosseier vor dem techn. Ausschuß der Stadt Sulz<br />

zitiert nach der Südwestpresse vom 8. 9. 1983.<br />

19<br />

Schwarzwäler Bote vom 27. 8. 1983.<br />

20 Siehe Anmerkung 19.<br />

Mutter-Pfarrei Killer im Mittelalter<br />

Killer, um die Mitte des 13. Jahrhunderts als Kilwilar (Kirchweiler)<br />

erstmals erwähnt, war im Mittelalter Pfarrort für<br />

Hausen, Starzein, Jungingen und das auf Junginger Markung<br />

abgegangene Weiler ob Schlatt. Der Name des Pfarrsprengels<br />

wurde zur Bezeichnung des oberen Starzeltals als Killertal.<br />

1488 wurde der große Pfarrsprengel aufgelöst, Hausen und<br />

Jungingen wurden zu Pfarreien erhoben, Starzein nach Hau-


sen eingepfarrt 1 . Seit etwa 1530 ist schließlich die alte Mutterpfarrei<br />

Killer selbst Filial von Hausen. Warum, ist nicht<br />

bekannt.<br />

Die Kirche in Killer liegt auf halber Höhe des Killertales<br />

mitten im Ort. Nach Westen fällt das Gelände stark ab, im<br />

Süden und Norden nur wenig. Die Spornlage wird durch eine<br />

starke Stützmauer im Westen hervorgehoben 2 . Schon 1262<br />

wird der Killemer Pfarrer »Hainricus plebanus in Kirwilar«<br />

genannt 3 . Pfaff Konrad der Esel von »Kilwilar« führt 1330<br />

die Madonna im Siegel 4 . Das deutet erstmals auf ein Muttergottes-Patrozinium<br />

hin. Nach dem Hagenschen Lagerbuch<br />

von 1537® ist »Unser lieben Frawen patron der pfarrkirchen<br />

zu Khiller.« Maria bleibt die einzige Patronin. Eine Ausnahme<br />

bildet die Visitationsakte von 1608, wonach der<br />

hl. Jakobus Patron sein soll 6 . Vermutlich liegt hier ein Verwechslung<br />

mit einem Jakobus-Altarpatrozinium vor. Heute<br />

wird die Schmerzhafte Muttergottes als Kirchenpatronin<br />

verehrt.<br />

Frühere Kirchenbauten<br />

Es ist anzunehmen, daß schon die mittelalterliche Kirche von<br />

Killer an der heutigen Stelle stand. Eine Kirche ist seit der<br />

Mitte des 13. Jahrhunderts belegt 7 . Vermutlich stand aber<br />

hier schon viel früher die Mutterkirche für das Killertal.<br />

Belege für ältere Kirchenbauten in Killer sind recht rar. Die<br />

frühere Eingangshalle im Turm (Erdgeschoß) hatte ein rundbogiges<br />

Westportal mit der Jahreszahl 1567. Es ist nun nicht<br />

eindeutig, ob es sich hier um die Angabe eines Kirchen- oder<br />

nur Turmbaus, oder gar nur einer Renovation handelt.<br />

Allgemein wird aber von einem Kirchen- oder zumindest<br />

Turmbau in jenem Jahr ausgegangen.<br />

Daß an der Stelle der heutigen Kirche bereits im Mittelalter<br />

eine Kirche gestanden haben muß, läßt sich auch anhand des<br />

Baubefundes belegen. Bei der Abtragung der Mauern anläßlich<br />

der Erdbebensanierung wurde romanisches Mauerwerk<br />

festgestellt und teilweise erhalten 9 .<br />

Der Kirchenbau von 1776/78<br />

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts muß die Kirche in<br />

Killer baufällig geworden sein. In den Kirchenrechnungen 10<br />

heißt es, daß die uralte Mutter-Gottes- und Pfarrkirche<br />

Killer, die vor 235 Jahren die einzige Pfarrkirche im ganzen<br />

Killertal gewesen sei, so »ruinös« war, daß täglich ihr Einsturz<br />

drohte. Davon hätten das Pfarramt in Hausen und das<br />

Vogtamt in Killer der fürstlichen Regierung in Hechingen die<br />

Anzeige gemacht und angefragt, ob man zur Erbauung einer<br />

Kirche 20 Jauchert Acker, die der Heiligen-Fabrik gehörten<br />

und nur geringen Zins brächten, verkaufen dürfe. Kanzler<br />

von Frank und Hofrat Giegling aus Hechingen hätten einen<br />

Augenschein vorgenommen und die Notwendigkeit des Baus<br />

eingesehen und zugleich den Verkauf der Kirchengüter<br />

erlaubt, für die 647 Gulden erlöst worden seien.<br />

Mit dem Haigerlocher Baumeister Christian Großbayer<br />

wurde dann 1776 über das »vollkommene Bauwesen« mit<br />

Ausschluß des Holzes, der Bretter, Steine, Fuhrwerke und<br />

der Handfron ein Akkord über 960 Gulden geschlossen 11 .<br />

Großbayer war seit 1752 vielfältig im Dienste des Fürsten von<br />

Hohenzollern-Hechingen als Baumeister tätig. Daneben<br />

hatte er sich durch seine verschiedenen Kirchenbauten, u. a.<br />

ganz in der Nähe von Killer wie in Mariazell (1757), Starzein<br />

(1759), Weilheim (1767), Melchingen (1767/69) und Burladingen<br />

(1770) bereits einen guten Ruf als Kirchenbauer<br />

erworben 12 .<br />

Großbayer 13 erbaute ein rechteckiges Schiff (18,08 m x 10,15<br />

m), an das sich ein schwach eingezogener, halbrund geschlossener<br />

Chor (6,18 m tief) anschloß mit Sakristei auf der<br />

Südseite und darüber befindlichem Oratorium, das zum<br />

Abgebrochen werden mußte nach dem schweren Erdbeben vom<br />

3. September 1978 der Turm der Kirche in Killer. Er soll nun an der<br />

alten Stelle - etwas höher - wieder erstellt werden. Damit will man<br />

das frühere Kuriosum, daß der Turm praktisch niedriger war als die<br />

Kirche, nicht wieder herstellen.<br />

Chor hin geöffnet war. Das Langhaus wurde durch ein<br />

flaches Muldengewölbe in Stucktechnik mit drei Stichkappen<br />

auf jeder Langhausseite überdeckt und von einem entsprechend<br />

gewölbten Chor durch einen flachen Dreipaßbogen<br />

getrennt. Die Wandpfeiler wurden flach verputzt. Die vier<br />

Langfenster im Schiff sowie im Chor sind bemalt und wurden<br />

anfangs unseres Jahrhunderts angefertigt, die übrigen Fenster<br />

sind mit Butzenscheiben versehen. Im westlichen Joch des<br />

Langhauses ist eine doppelstöckige Empore mit flach vorgeschwungenen<br />

Brüstungen eingebaut. Die untere dieser<br />

Emporen ist weiter als die obere vorgezogen. Hier sind die<br />

Langfenster durch drei übereinanderstehende Rundfenster<br />

ersetzt. Auf der Südseite des Langhauses wurde eine Kanzel<br />

ohne Schalldeckel mit Zugang vom Obergeschoß des Sakristeianbaus<br />

erstellt.<br />

Das Mauerwerk war verputztes Bruchsteinmauerwerk und<br />

mit Sandsteingewänden versehen. Das heutige Dach mit<br />

Biberschwanz-Doppeldeckung bestand ursprünglich wohl<br />

aus einfachen Holzschindeln. Der Fußboden war mit Sandsteinplatten<br />

belegt. Die Fenster erhielten eine Bleiverglasung.<br />

Decken- und Zwickelbilder sowie Puttenköpfe unterhalb der<br />

Kapitelle und die auf die Wand gemalten illusionistischen<br />

Aufbauten der drei Altäre sind in Freskotechnik ausgeführt.<br />

Stuckierungen sind aus weißem Gips gefertigt, Decken und<br />

Wände sind mit Kalkverputz und darüberliegenden Kalkanstrichen<br />

versehen worden.<br />

Aus den Baurechnungen<br />

Uber die Bauarbeiten 1776/78 gibt es fast keine Akten und<br />

nur wenig Unterlagen in den Kirchenrechnungen 14 . Genannt<br />

21


wird der Glaser Johann Hirschauer aus Hechingen, der für<br />

neue Fenster und alte zu flicken 4 Gulden 15 Kreutzer sowie<br />

für das Einmauern der Fenster 45 Kreuzer erhielt. Vogt<br />

Blumenstetter von Killer, der zugleich Heiligenpfleger war,<br />

richtete im Mai 1778 ein Gesuch an die Fürstliche Regierung<br />

in Hechingen. Darin heißt es, die Heiligenfabrik Killer habe<br />

für den Kirchenbau viel Bauholz gebraucht. Das meiste sei<br />

von der Herrschaft - teils unentgeltlich - zur Verfügung<br />

gestellt worden. Auch mehrere Nachbargemeinden hätten<br />

Bauholz geschenkt. Man bitte nun noch um eine Eiche. Im<br />

Dezember desselben Jahres wandte sich Blumenstetter erneut<br />

an die Regierung und wies auf die hohen Kosten hin. Zwar<br />

stünden die beiden Gemeinden Killer und Starzein zu dieser<br />

Kirche »gleichförmig«, da die Starziemer wie die Killemer<br />

»tot und lebendig« in diese Kirche kämen. Die Gemeinde<br />

Starzein habe aber bisher nur 50 Gulden bezahlt sowie 10<br />

weitere Gulden für die Malerei. Die Gemeinde Killer bat den<br />

Kanzler, behilflich zu sein, daß die Gemeinde Starzein, die<br />

viel Bauholz habe, noch für 20 Gulden Holz verkaufe und<br />

dies für den Kirchenbau beisteuere. Davon wolle man Christian<br />

Großbayer 10 Gulden geben und die restlichen für die<br />

Orgel verwenden.<br />

Aus der Stiftskirche in Hechingen kaufte man für die Kirche<br />

in Killer zwei »Gerichtsstühle« mit Armlehnen, ein Kommunikanten-Gitter<br />

beim Hochaltar sowie ein »vielfärbig aus<br />

Seiden gesticktes« Antependium und ein weiteres in Schwarz.<br />

Dafür bezahlte man der Heiligenfabrik Hechingen 6 Gulden<br />

24 Kreuzer und für die Abholung 1 Gulden 8 Kreuzer. Für<br />

212 Gulden 30 Kreuzer wurden Ziegelwaren und Kalk von<br />

der Burladinger Ziegelhütte bezogen.<br />

Anastasius Schuhmacher, Gipser und Steinhauer, berechnete<br />

im Januar 1779 für die Aufrichtung des Hochaltars, den Gips<br />

dazu und das Vergolden an sechseinhalb Tagen ä 24 Kreuzer<br />

zusammen 2 Gulden 36 Kreuzer. Für das Eingipsen der<br />

Fenster an zweieinhalb Tagen erhielt er 1 Gulden. Später<br />

bekam er weitere 21 Gulden 15 Kreuzer für seine Arbeit an<br />

21 Vi Tagen für das Weißein der Kirche und »Besetzen«, das<br />

Gerüst abbrechen und Glockenhaus verfertigen, für Arbeiten<br />

an der Sakristei, am Dach und an der großen Stiege am<br />

Kirchtor hinauf. Auch der Hechinger Glaser erhielt weitere<br />

30 Gulden im Jahre 1778 für seine Arbeit.<br />

Die Maler Dent und Vogel<br />

Aus den Akten über den Kirchenbau geht deutlich hervor,<br />

daß zu wenig Geld zur Verfügung stand. Großbayer hatte<br />

wohl auch zu günstig kalkuliert, was darauf schließen läßt,<br />

daß es wohl Mitbewerber um einen Kirchenbau gab. Darüber<br />

später mehr. Offensichtlich wollte man ursprünglich aus<br />

Kostengründen auf Malereien in der Kirche verzichten, sie<br />

war im Vertrag mit Großbayer auch nicht enthalten. Am<br />

9. September 1778 wollte Großbayer aber vom Heiligenpfleger<br />

Blumenstetter wissen, »ob man gesinnt sei, oberhalb in<br />

dem Chor oder dem Langhaus in der Kirchen zu Killer etwas<br />

von der Malerei machen zu lassen« 15 . Blumenstetter fragte<br />

den Pfarrer, der nach einem Gottesdienst zusammen mit<br />

Großbayer eine Besichtigung der Kirche vornahm. Der<br />

Baumeister zog dann im Chor mit dem Zirkel einen Kreis und<br />

zeigte, wie groß das Gemälde sein müßte. Wenn man eines<br />

vorsehe, müsse man zusätzlich in den vier Ecken des Chores<br />

vier »Schild« (Zwickelbilder) dazu malen mit den Vier Evangelisten.<br />

Großbayer zeigte auch, was »oberhalb in dem<br />

Langhaus gemalt werden müsse«. Der Pfarrer erklärte<br />

jedoch, »um das Langhaus nehme er sich nichts an, aber das<br />

Chor wolle er sich alleinig machen lassen und bezahlen«.<br />

Diese Notizen sind sehr interessant. Zeigen sie doch archivalisch<br />

die damalige künstlerische Zuständigkeit des Baumeisters<br />

auch für die Ausmalung der Kirche. In der Tat wurden<br />

22<br />

im Chor als Zwickelbilder die von Großbayer vorgeschlagenen<br />

Evangelisten gemalt 16 .<br />

Im Chor wurde dann 1778 vom Hechinger Maler Franz<br />

Ferdinand Dent, der viele Kirchen im Mittelbereich Hechingen<br />

ausgemalt hat, die Anbetung des Allerheiligsten Sakramentes<br />

durch die personifiziert dargestellten vier Erdteile<br />

»Europa, Afrika, Asien und Amerika (Australien war zu<br />

dieser Zeit noch nicht bekannt) - dargestellt. Gemalte Blattgirlanden<br />

verbinden diese Darstellungen mit den vier Evangelistenbildern<br />

(Markus, Matthäus, Lukas und Johannes) mit<br />

den dazugehörigen Attributen, in den Zwickelfeldern 17 .<br />

Bisher wurde angenommen, Dent habe auch die Zwickelbilder<br />

gemalt, doch kann jetzt archivalisch nachgewiesen werden,<br />

daß der Hechinger Franz Anton Vogel sie in der Technik<br />

»Ton in Ton« (Grisailletechnik) gemalt hat. Franz Ferdinand<br />

Dent erhielt für seine Arbeit 22 Gulden, Franz Anton Vogel<br />

für jedes Bild 4 Gulden 30 Kreuzer, also 18 Gulden. Joseph<br />

Anton Vogel aus Hechingen erhielt für das Hohenzollern-<br />

Zeil-Wurzachsche Allianzwappen am Scheitel des Chorbogen<br />

2 Gulden. Das Wappen ist bezeichnet: »J. A. Vogel<br />

pinxit«. Nach den Rechnungen wurden an Dent noch 2<br />

Gulden für »Malerei unter die Kapitell« ausbezahlt. Von den<br />

Gesamtkosten mit 42 Gulden im Chor zahlte der Pfarrer von<br />

Hausen 25 Gulden 12 Kreuzer, den Rest mit 16 Gulden<br />

48 Kreuzer die Kirchenfabrik 18 .<br />

Offenbar wurde dann bald beschlossen, auch das Langhaus<br />

ausmalen zu lassen. Noch 1778 malte Franz Ferdinand Dent<br />

Mariae Himmelfahrt; Maria entschwebt einem Sarkophag,<br />

um den sich die Jünger versammelt haben, zu der in den<br />

Wolken thronenden Dreieinigkeit (bezeichnet: F. Ferdinand<br />

Dent 1778). Im Chor wurden ausschließlich Caput mortuum-Töne<br />

verwendet. In den sechs Zwickelbildern im<br />

Langhaus sind die hl. Gregorius, Josef, Hieronymus, Augustinus,<br />

Johann Nepomuk und Thomas von Aquin dargestellt<br />

- wieder in Grisailletechnik und wohl auch von Franz Anton<br />

Vogel. Beim Langhausgemälde wurden Englischrot und<br />

Ockertöne verwendet 19 .<br />

Aus einer Kostenaufstellung ist zu entnehmen, daß die<br />

gesamte Ausmalung 100 Gulden kostete, zu der die Gemeinden<br />

Killer und Starzein Beiträge stifteten. Somit hätte das<br />

Langhaus 58 Gulden gekostet. Die Kosten für die über den<br />

holzmarmorierten Mensen aufgemalten Aufbauten der illusionistischen<br />

Altäre (von wem?) sind hier sicher nicht enthalten<br />

20 .<br />

Orgel von Konrad Keppner<br />

In den Kirchenrechnungen für Killer 21 finden sich auch<br />

Belege dafür, daß nach dem Kirchenbau eine neue Orgel<br />

eingebaut wurde. Der Hechinger Orgelbauer Konrad Keppner,<br />

von dem u. a. Orgeln in Hechingen (Stiftskirche), Steinhofen<br />

und Bietenhausen bekannt sind, erhielt für die neue<br />

Orgel in Killer einmal 17 und dann 25 Gulden. Damit dürfte<br />

die Orgel aber kaum ganz bezahlt worden sein, weitere<br />

Beträge sind nicht bekannt.<br />

Es wurde schon darauf hingewiesen, daß die Finanzierung<br />

der Kirche schwierig war. Ursprünglich war mit Großbayer<br />

ein Akkord über 960 Gulden abgeschlossen worden, der - im<br />

Vergleich mit anderen Großbayer-Kirchenbauten - kaum<br />

ausreichen konnte. Später kam der Baumeister mit einer<br />

Nachforderung von 250 Gulden, die er - wohl ungewöhnlich<br />

— über den Hofkanzler von Frank in Hechingen einreichte.<br />

Dieser hielt die Forderung für gerechtfertigt, so daß sich die<br />

Killemer dagegen nicht wehren konnten. In den Kirchenrechnungen<br />

22 liest sich das so: »Bey bald zu End gegangenem<br />

Bauwesen beschwerte sich der ged. Grosbayer bey<br />

Hochfrstl. Regierung, dass er an seinem Accord sehr großen


Vermutlich um die Jahrhundertwende<br />

wurde die Kirche in<br />

Killer - wie viele andere auch<br />

- neu ausgemalt. Diese Ubertiinchungen<br />

wurden dann vor<br />

Jahrzehnten - also nicht stilecht<br />

— wieder beseitigt. Die<br />

Bilder sind dem Bändchen<br />

»Burladingen in alten Ansichten«<br />

von Karl Werner Steim<br />

entnommen.<br />

Schaden leyde, und den Bau ohne einen weiteren Beytrag<br />

nicht ausführen könne. Es wurde also demselben ohne einige<br />

besondere Arbeit, die er dem ersten Accord nach auch hätte<br />

übernehmen sollen weiteres zugesetzt 250 fl.« Somit kam<br />

Großbayer auf 1210 Gulden. Nach einer Aufstellung wurden<br />

die Kosten wie folgt aufgebracht: 647 Gulden Erlös aus dem<br />

Verkauf von kircheneigenen Grundstücken, 425 Gulden<br />

Darlehen für die Heiligenpflege, 10 Gulden Gratis-Bauholz<br />

des Fürsten, 210 Gulden Gemeinde Killer, 65 Gulden<br />

Gemeinde Starzein, 54 Gulden Gemeinde Hausen, 112 Gulden<br />

Rosenkranzbruderschaft Killer. Das ergibt 1523 Gulden.<br />

Zu den mit Großbayer vereinbarten Kosten kamen noch<br />

weitere für Schreiner, Gipser, Material usw. hinzu.<br />

Der Kirchturm in Killer<br />

Die derzeitigen Bemühungen, den wegen starker Erdbebenschäden<br />

abgebrochenen Kirchturm neu aufzubauen, sind<br />

Veranlassung, sich mit dem Turm auch archivalisch näher<br />

auseinanderzusetzen. Der Turm stand an der Westfront und<br />

stammte vermutlich aus dem Jahr 1567. Er hatte einen glatt<br />

hochgehenden Turmschaft, ein Satteldach mit Staffelgiebel<br />

auf der Ost- und Westseite. Da die Firsthöhe des Turmes<br />

etwa 50 cm niedriger als das über Chor und Schiff gezogene<br />

Satteldach war, erhielt der Turm ein stark gedrungenes<br />

Aussehen. Die Schallöffnungen des Turmes waren schlank<br />

und spitzbogig. Die Eingangshalle befand sich im Erdgeschoß<br />

des Turmes. Man betrat diese durch ein rundbogiges<br />

Westportal. Diese Vorhalle wurde durch schmale Schlitzfenster<br />

erhellt. In den Kirchenraum gelangte man durch ein<br />

weiteres, ehemals spitzbogig gearbeitetes Portal, das später<br />

verändert wurde 23 .<br />

Da die von Killer vorhandenen Kirchenrechnungen erst mit<br />

dem Jahr 1600 beginnen, ist dort über den alten Turm nichts<br />

zu erfahren.<br />

Vom 27. November 1736 datiert ein Ȇberschlag wegen dem<br />

Killemer Glockenthurm« des Hechinger Maurermeisters<br />

Johannes Greuthner im Pfarrarchiv Hausen 24 . Danach war<br />

vorgesehen, den Glockenstuhl, »allwo die Maur abgesetzt<br />

ist«, auf drei Seiten 15 Schuh hoch aufzumauern, weil die<br />

Mauer nur zweieinhalb Schuh dick sei und den Glockenstuhl<br />

nicht tragen könne. Deshalb werde der Glockenstuhl 15<br />

Schuh höher gesetzt, die Mauer 15 Schuh hoch aufgeführt bis<br />

an den Giebel, und der Giebel wiederum aufgemauert mit den<br />

Absätzen (Staffeln) wie zuvor. Nach dem Kostenanschlag<br />

brauchte man dafür 90 Wagen mit Steinen, 60 Malter Kalk<br />

und 70 Wagen Sand. Die Kosten für den Maurer wurden mit<br />

140 Gulden berechnet. Dem Verding nach wurden die Arbeiten<br />

ausgeführt.<br />

Ein weiterer »Überschlag über den Turm zu Killer« vom<br />

10. Dezember 173 9 25 , also nur drei Jahre später, vom fürstlichen<br />

Bauinspektor Hermann Schopf in Hechingen läßt freilich<br />

Zweifel aufkommen, ob die Arbeiten von 1736 tatsächlich<br />

vorgenommen wurde. Jetzt heißt es, der schadhafte<br />

Giebel, der eingefallen sei, soll wieder wie zuvor aufgebaut<br />

und der ganze Turm, wo er schadhaft sei, ausgebessert und<br />

das Dach instandgesetzt werden. Schopf wurden dafür 45<br />

Gulden als Lohn zugesagt. Das Material wurde wie folgt<br />

kalkuliert: 200 Wagen Steine, 80 Wagen Sand, 50 Scheffel<br />

Kalk, 5000 Dachplatten usw.<br />

1786 wollte man den Turm höher bauen<br />

Besonders interessant sind die derzeitigen Planungen, den<br />

Turm höher zu bauen als er war, um zu einer besseren<br />

Proportion zu kommen, wenn man in den Akten des Jahres<br />

178 6 26 blättert. Vogt Blumenstetter schrieb damals an den<br />

Hechinger Kanzler, man bitte um Erlaubnis, den Kirchturm<br />

»etwas höhers aufbauen zu dürfen, welcher nach Proportion<br />

der Kirche nicht hoch genug ist«. Da der Turm direkt an die<br />

Kirche angebaut und gleich hoch sei, hörten die Bauern auf<br />

dem Feld vor allem das Mittagläuten, das nur mit einer<br />

Glocke erfolge, häufig nicht. Eine Umfrage im Ort habe ein<br />

positives Ergebnis für eine Turmerhöhung erbracht. Man<br />

rechne mit 700 Gulden Kosten. Da der Ort aber arm sei und<br />

auch kaum Holz habe, bitte man, ein Darlehen von 200<br />

Gulden aufnehmen zu dürfen. Von den Kosten hätten Killer<br />

und Starzein je die Hälfte aufzubringen. 150 Gulden wolle<br />

man auf die Bürger umlegen oder Gemeindegrundstücke in<br />

diesem Wert verkaufen. Außerdem, so hieß es, müsse auch<br />

die Gemeinde Starzein unbedingt ihren Teil beisteuern.<br />

Schließlich wurde der Fürst bzw. die Regierung gebeten,<br />

Eichen- und Tannenholz »um ein Almosen« zu überlassen,<br />

»worfür wir zeitlebens in unserer alten Wallfahrts- und<br />

Muttergotteskirche vor das Durchl. Haus und Regierung<br />

dafür beten uns anerbieten«. Zwar liegt keine Antwort in den<br />

Akten, doch wurde der Turm offensichtlich doch nicht höher<br />

gebaut. (Fortsetzung folgt)<br />

23


URSMAR ENGELMANN OSB<br />

Chorfrauenstift Inzigkofen - klösterlich<br />

Die religiöse Frauengemeinde, die seit 1354 in Inzigkofen bei<br />

Sigmaringen lebte, hat als Norm ihres gemeinsamen Lebens<br />

1394 die Regel des hl. Augustinus angenommen. Sie<br />

benannte sich: Kloster St. Johannes Baptista zu Inzigkofen<br />

St. Augustini Regulierter Chorfrauen.<br />

Augustinus ist in Nordafrika, in Thagaste; 354 geboren, kam<br />

über Karthago, Rom nach Mailand, wo er Ostern 387 vom<br />

Bischof Ambrosius getauft wurde. Er wird dort mit Mönchsgemeinschaften<br />

bekannt, und als er im Herbst 387 nach<br />

Afrika zurückkehrte, lebte er mit Freunden zunächst wieder<br />

in Thagaste, schrieb 389 eine Mönchsregel mit 12 Kapiteln.<br />

391 wurde er mit einigem Widerstreben vom Bischof von<br />

Hippo zum Priester geweiht, dessen Nachfolger er 395<br />

wurde. Das Mönchtum hat bei Augustin sein eigenes<br />

Gepräge. Durch die ganze Regel zieht sich wie ein roter<br />

Faden der Auftrag der christlichen Liebe, Augustin war<br />

zeitlebens von einem Kreis von Freunden umgeben. In der<br />

R(egel) A(gustins) heißt es Kapitel 8: »ihr seid umso weiter<br />

vorangekommen, je mehr ihr um die Gemeinschaft statt um<br />

eure privaten Interessen besorgt seid, so daß über allen<br />

zeitlichen Bedürfnissen die Liebe leuchtet, die ewig bleibt« -<br />

Bedürfnisse sind die täglichen Notwendigkeiten und der<br />

Dienst im Kloster. Augustinus kannte den Vorsteher, bzw.<br />

die Vorsteherin, besonders die Sorge für Kranke, den Dienst<br />

in Küche, für die Kleider, für die Bücher!<br />

Ohne Augustinus und seinen Einfluß wäre das ganze westliche<br />

Mönchtum nicht das geworden, was es tatsächlich wurde.<br />

Auf Augustinus geht unmittelbar oder mittelbar über Kassian<br />

und Gregor d. Gr. der Priestermönch, der Seelsorgemönch,<br />

der Missionarsmönch, auch der gebildete und gelehrte<br />

Mönch zurück. Und aus seinen persönlichen Erfahrungen,<br />

von denen er in seinen »Bekenntnissen« (397) geschrieben<br />

hat, 10 Jahre nach seiner Taufe, hat er die klösterlichen<br />

Gemeinschaften vor der ständig drohenden Gefahr des Uberschätzens<br />

der eigenen Leistung befreit. Er hat in Thagaste mit<br />

seinen Freunden, in Hippo als Priester und als Bischof mit<br />

seinen Mitarbeitern, die alle Seelsorger waren, zusammengelebt.<br />

Modell seines klösterlichen Lebens war die Urgemeinde<br />

in Jerusalem. In der RA 1 heißt es: vor allen Dingen soll Gott<br />

geliebt werden, sodann der Nächste, das sind die Hauptgebote.<br />

Das erste Gebot soll durch das zweite Gebot erfüllt<br />

werden. »Ein Herz und eine Seele« nach Apg 4, 32ff.<br />

Augustinus erkannte sehr gut die Notwendigkeit der Arbeit,<br />

auch der Handarbeit, für eine Mönchsgemeinde und schrieb<br />

deswegen um 400 ein kleines Werk über »Die Arbeit der<br />

Mönche«, in dem er von Paulus mit seinem Wort in 2 Thess<br />

2,10 ausgeht: »wir haben euch die Regel eingeprägt: wer nicht<br />

arbeitet, soll auch nicht essen.«<br />

Augustinus stand mit seinen Klöstern in der Überlieferung<br />

des Mönchtums, das damals gut 100 Jahre alt war, vor allem<br />

Basilius d. Gr. in Kappadokien (f379) wie auch des hl. Pachomius<br />

(346). Für Basilius ist das Leben als Gemeinde notwendig,<br />

weil nur hier das Liebesgebot verwirklicht werden kann,<br />

er betonte Mt 25,25.40! Er kannte die Pflicht zur Arbeit,<br />

nämlich für den eigenen Unterhalt und ausdrücklich zur<br />

Unterstützung der Dürftigen und dazu trat Apg 2,44-46, das<br />

Modell der Urgemeinde. Sein Kloster, eine Kirche im Kleinen<br />

im Rahmen der Großkirche, wie das vor ihm bereits<br />

Pachomius, ein Kopte in Oberägypten praktiziert hatte. Zum<br />

Bild der Urgemeinde trat die Vorstellung der Nachfolge<br />

Christi, die Kreuzesnachfolge zu sein hat. Auf diesem bereiteten<br />

Boden sind die Klöster Augustins zu sehen, denen beim<br />

Wandaleneinfall in Nordafrika und der anschließenden Verfolgung<br />

im 5. und 6. Jahrhundert schwere Wunden geschlagen<br />

wurden bis zur völligen Vernichtung. Dadurch kam das<br />

augustinische Mönchtum nach Süditalien, nach Spanien und<br />

24<br />

s Leben einst und jetzt<br />

Gallien (Frankreich). Auch Benedikt kannte natürlich die<br />

Regel Augustins.<br />

Erst nach Jahrhunderten erlebte diese Regel geradezu einen<br />

Siegeszug, als sie von Gemeinden der Chorherrn und Chorfrauen<br />

übernommen wurde, auch von Domkapiteln. Jetzt<br />

gab es regulierte Augustiner-Chorherrn. Später haben neue<br />

Ordensgründungen die RA übernommen bis in die moderne<br />

Zeit hinein. So auch die religiöse Frauengemeinde in Inzigkofen<br />

im Jahre 1394, die zur Regel alsbald und in gewissen<br />

Abständen immer neu Satzungen-Statuten-Anweisungen,<br />

die das tägliche Leben im Rahmen einer Frauengemeinde<br />

nach den Grundsätzen des Evangeliums und der RA verdeutlichen.<br />

Wichtige Ordnung war jene von 1643, die nach dem<br />

Reformkonzil von Trient und nach Konstanzer Diözesanrecht<br />

ausgearbeitet ist.<br />

Hier steht an erster Stelle als Aufgabe der Frauen das<br />

gemeinsame Gebet im Chor der Kirche, deswegen Chorfrauen.<br />

Die Statuten sagen: »das vornehmste Amt der gottgeweihten<br />

Klosterfrauen ist, Gott dem Herrn allezeit Lob und<br />

Dank zu sagen und ihn zu bitten, daß er seine grundlose<br />

Barmherzigkeit allen Menschen zu ihrem Heil gnädiglich<br />

mitteilt: darum sollen sie bei Tag und bei Nacht den Gottesdienst<br />

im Chor emsig abwarten und die 7 Tagzeiten treulich<br />

und andächtig singen oder beten.« Schon Augustinus hatte in<br />

seiner Regel 3 gesagt: »Wenn ihr Psalmen und Lieder zu Gott<br />

betet, soll auch im Herzen leben, was der Mund spricht.«<br />

Zum Gebet kam in Inzigkofen die Meditation, alltäglich nach<br />

der Schriftlesung, nach den Psalmen, nach dem Leben und<br />

Leiden Jesu, auch nach dem Kreuzweg. Im Frauenchor zu<br />

Inzigkofen gab es Kreuzwegbilder. Man verehrte das Herz-<br />

Jesu, man hielt alljährlich Exerzitien für die ganze Gemeinde<br />

und konnte für die Meditation auch Bücher aus der reichhaltigen<br />

Bibliothek ausleihen. Unter diesen Büchern gab es noch<br />

»Geistliche Jakobsleitern«, das uralte Motiv der Leiter, das<br />

sich von der christlichen Frühe durchgehalten hat. Dazu noch<br />

andere mit Titeln wie Geistliche Praktik, Reformierbüchlein,<br />

Einsamkeiten, Trübseligkeiten, Bildnisse des Todes, auch<br />

direkte Vorbereitung zu einem guten Tod, Heilsame Bereitungen,<br />

geistliche Sendschreiben. Es gab auch Titel wie Der<br />

Myrrhenberg, Seelenschatz, Buch der Vermählung, Herzensquell,<br />

Würzgärtlein, Geistlicher Mai und geistlicher<br />

Herbst, Bittersüßes Seelenbad, Seelenweide, Gemahlschaft,<br />

Offener Himmel, Trostborn und Tal der Demut.<br />

Als die Frauen in Konstanz zur Zeit des Dreißigjährigen<br />

Krieges und danach in der Emigration lebten, haben sie eine<br />

handliche Ausgabe der RA 1651 drucken lassen und dabei<br />

über 100 unbedruckte Seiten dazugebunden für persönliche<br />

Notizen der Benützer. Natürlich haben die Frauen auch in<br />

einem Netz von Gebetsverbrüderungen gestanden, also das<br />

gegenseitige Gedenken gepflegt. Inzigkofen war verbrüdert<br />

mit den Schwestern in Reute, Rorschach, den Brigittinnen in<br />

Altomünster, den Augustinerchorherrn in Untersdorf, Wengen<br />

zu Ulm, Waldsee, Beuron, St. Mang-Stadtamhof, mit<br />

den Benediktinern in Wiblingen, Ottobeuren, St. Gallen und<br />

Einsiedeln, auch mit den Kartäusern in Buxheim u. a. mehr.<br />

Im zweiten Teil der Statuten werden die Ämter und Dienste<br />

besprochen. Danach stand die Pröpstin-Vorsteherin, die in<br />

ihr Amt gewählt wird, an der Spitze. (Man vergleiche dazu<br />

die gut einführende Arbeit von Frau Dr. M. Kuhn-Rehfus in<br />

dieser Zeitschrift Jg. 32, 1982 S. 49-53 und U. Engelmann in<br />

der Zs. f. Hohenzoll. Geschichte, Bd. 16, 1980 S. 180-113).<br />

Ein wichtiges Amt hatte die Novizenmeisterin zu verwalten.<br />

Ihre Aufgabe war es, mit eigenem guten Beispiel in die RA<br />

einzuführen, ebenso in die Statuten, in das Verhalten im Chor<br />

und in die Bräuche im Haus, vor allem aber »wie man das


Brevier, d. s. die Psalmen recht beten soll und das Amt singen<br />

und lesen soll«. Sie soll die Novizen in Demut und Geduld<br />

einüben, auch geistliche und schwesterliche Liebe zu üben<br />

und wie sie einander dienen können. Die Novizenmeisterin<br />

war gehalten, bei der Aufnahme von Frauen nicht Rücksicht<br />

auf persönliche Verwandtschaft zu nehmen, es heißt wörtlich:<br />

»man soll nicht lauter vom Adel oder Reiche nehmen...<br />

sondern bei denen mehr und größere Zeichen der Tugend und<br />

Gnade Gottes, insbesonders aber der Demut und des Eifers<br />

zu geistlichen Beruf erscheinen. Derohalben sollen sie sich<br />

durch kein menschliche Lieb, Gunst sowie Bitten, Verheißung<br />

der Freunde dazu bewegen lassen, daß sie untaugliche<br />

Personen ins Kloster annehmen!« Für das alltägliche Leben<br />

der Schwestern galt nach RS 5: je anspruchsloser, desto<br />

besser, das steht der Dienerin Gottes an!<br />

Aber die Sorge spricht aus RA 8, wenn es dort heißt, daß<br />

keiner Schwester das, was sie nötig hat, versagt werden darfund<br />

gleichsam zusammenfassend, daß alle Bedürfnisse überstrahlt<br />

werden sollen von der Liebe, die ewig bleibt! Von der<br />

Pröpstin als Vorsteherin heißt es RA 11: sie soll sich nicht<br />

deshalb glücklich schätzen, weil sie kraft ihres Amtes gebieten,<br />

sondern weil sie in Liebe dienen kann... sie soll mehr<br />

danach streben, von euch geliebt als gefürchtet zu werden<br />

und sich immer bewußt bleiben, daß sie für euch vor Gott<br />

einst Rechenschaft ablegen muß.«<br />

In Inzigkofen lebten noch im Jahre 1802, im Jahr der<br />

gewaltsamen Aufhebung, 26 Chorfrauen und 12 Vor- =<br />

Laienschwestern. Im Durchschnitt kamen die Frauen aus der<br />

näheren und weiteren Umgebung wie Veringen, Rottenburg,<br />

Binzwangen, Altshausen, Stockach, Uberlingen, Rottweil,<br />

Sigmaringen, Freiburg, Konstanz, aber auch aus Feldkirch,<br />

Luzern, Zug oder Innsbruck, Salzburg, Matrei in Tirol,<br />

München, Augsburg, Dillingen, Günzburg, Schwäbisch<br />

Gmünd - und zwar aus bäuerlichen, bürgerlichen Familien in<br />

der Mehrzahl, aber auch aus dem Adel.<br />

Zum Heute und Jetzt: im südwestdeutschen Raum gibt es nur<br />

in Offenburg Augustiner-Chorfrauen, und Augustiner-<br />

Chorherrn leben im uralten St.-Maurice-Agaunum, nächst<br />

Martigny im Wallis gelegen, zahlreicher in Osterreich mit so<br />

berühmten Namen wie St. Florian, Klosterneuburg, Herzogenburg<br />

oder Reichersberg u. a. Aber hier soll etwas zur<br />

Aktualität klösterlichen Lebens durch die Jahrhunderte bis in<br />

unsere Tage gesagt werden.<br />

Augustinus erlebte in seiner zweiten Lebenshälfte die Einnahme<br />

der uralten Hauptstadt des Römischen Reichs nach<br />

dreijähriger Belagerung durch die Goten am 28. August 410,<br />

er war so betroffen, daß er seinen Freunden schrieb: die Welt<br />

stürzt zusammen! Augustinus erlebte außerdem die Einschließung<br />

seiner Bischofsstadt Hippo durch die Wandalen<br />

und überlebte die Eroberung der Stadt nicht, er starb vorher.<br />

Im Jahre 451 ist der Bischof von Rom, Papst Leo, dem<br />

Hunnenfürsten Attila nach Norditalien entgegengezogen<br />

und konnte diesen in persönlicher Unterredung von einer<br />

Invasion nach Italien abhalten - alle drei Beispiele für die<br />

schweren allgemeinen Heimsuchungen damaliger Zeit und<br />

Welt. In dieser Zeit der Auflösung und Katastrophen haben<br />

die Mönchsgemeinschaften Augustins, des hl. Basilius in<br />

Süditalien, Benedikts ebenso die Urform menschlichen<br />

Lebens, die Familie, vom Evangelium her neugeschaffen mit<br />

ihren Gemeinden von Schwestern und Brüdern und mit der<br />

Arbeit verbunden. Nicht die naive, ziellose Unstetigkeit<br />

eines geistigen oder materiellen Eigenbrödlertums bis zu<br />

pessimistischen Weltverneinung sondern der intensive Dienst<br />

an Gott und dem Menschen war die Aufgabe, das sollte in der<br />

klösterlichen Gemeinde geübt werden. Diese Aufgabe blieb<br />

den Klöstern durch die folgenden Jahrhunderte verbunden.<br />

Und dabei ist die wichtige Beobachtung festzuhalten, nämlich<br />

daß geschichtliche Wirkkraft, die wir hier vorfinden,<br />

dem Zweckfreien geschenkt wird. Das Zweckfreie aber ist<br />

gerade das Anliegen der Frauen und Männer in ihren Klöstern.<br />

Nichts hatte Augustinus, Basilius oder Benedikt ferner<br />

gelegen als etwa für ihre Tage und die kommenden Jahrhunderte<br />

einen bestimmten Wirtschaftstyp mit ihren Regeln<br />

auszubilden oder eine Art Gelehrtenakademie oder Schulen<br />

zu begründen. Es ging den Mönchsregeln und ihren Verfassern<br />

um den Menschen, um seine absolute Wende zum<br />

Religiösen, welche das ganze Leben bis in seine letzten<br />

Einzelheiten hinein durchdringen sollte. Die Form dieses<br />

Lebens war so fest und so biegsam zugleich, daß sie die<br />

Gewähr der Dauer und der Anwendbarkeit auf verschiedene<br />

Länder und Zeiten in sich trug. Von allen Anfängen an haben<br />

sich diese klösterlichen Gemeinden im Versprechen der<br />

Profeß gebunden. Hier liegen die Kräfte für Geist und Form.<br />

Profeß verstand man von Anfang an als eine Ratifikation der<br />

Taufe, Bestätigung der Taufe, die ja seit Augustins Zeiten<br />

allermeist und später allgemein der Christ in der Kindertaufe<br />

nicht bewußt vollzog. Taufe aber geschieht in der Nachfolge<br />

Christi als Ganzes, nämlich daß das ganze Leben des Menschen<br />

umfaßt wird, wo man nach Rom 6 mit Christus<br />

begraben wird und mit ihm zu einem neuen Leben aufersteht.<br />

In diesem Geschehen ausharren - die Statuten von Inzigkofen<br />

sprechen immer wieder, auch im Blick auf die Profeß der<br />

Frauen vom »verharren«, von der Beständigkeit als Bindung<br />

an eine konkrete Gemeinde von Menschen. Hier ist das<br />

Christliche deutlich wie es Johannes in seinem Evangelium<br />

einfach als das »Bleiben« ausspricht: bleibt in meiner Liebe Jo<br />

5,9 oder Jo 1,39 von den ersten Jüngern: Sie sahen, wo er<br />

wohnte, und sie blieben bei ihm an jenem Tag um die 10.<br />

Stunde. Die 10. Stunde ist die Ewigkeit. Der Teufel in der<br />

Sprache der Bibel ist jener, der nicht geblieben ist - Verharren,<br />

Bleiben, das Stehen-Können als Gehorsam gegenüber<br />

der Offenbarung, gegenüber dem Evangelium. Dieser<br />

Gehorsam ist das Zeichen im Leben Jesu Christi, der in die<br />

Welt zu seiner Aufgabe gekommen ist, um den Willen des<br />

Vaters zu tun. Gehorsam in diesem Sinn ist die Form des<br />

Lebens, mit der der Mensch bereit ist, sich für Jesus in Dienst<br />

nehmen zu lassen, so wie Christus in Dienst genommen<br />

wurde vom Vater für die Erlösung der Welt. Daraufhin muß<br />

das Leben einer Gemeinde völlig durchsichtig sein in ihrer<br />

Lebenspraxis, einem Leben »unter der Führung des Evangeliums«<br />

wie Benedikt sagt. Klöster sind deswegen niemals und<br />

auch heute nicht so etwas wie kirchliche Zweckverbände,<br />

wenn sie auch allen sich gebenden Arbeiten offenstehen.<br />

Zweckmäßigkeitserwägungen und Nützlichkeitserwägungen<br />

sind nie erstrangig, sie würden verhindern, daß der Mensch in<br />

die freie Luft des Evangeliums kommt. Gegen Wachstumseuphorie<br />

und Erfolgstrend hat Martin Buber einmal gesagt:<br />

Erfolg ist keiner der Namen Gottes! Die Frauen in Inzigkofen<br />

mußten allein im 17. Jahrhundert viermal monatelang und<br />

jahrelang ihr Kloster verlassen, auch im 18. Jahrhundert<br />

haben sie zweimal lange Zuflucht gesucht, in Konstanz,<br />

Kreuzlingen, Augsburg oder Sigmaringen, bis sie 1802 völlig<br />

unterdrückt wurden - menschlich organisierte Sicherheit gab<br />

es nicht und gibt es auch heute nicht und wird auch nicht<br />

gesucht. Die Frage ist nicht, wieweit heute dieser Weg<br />

zeitgemäß ist, sondern immer nur, wieweit er dem Evangelium<br />

gemäß ist und bleibt.<br />

An dieser Frage haben sich durch alle Jahrhunderte wie auch<br />

heute Reformen, Erneuerungen entzündet. Wieweit die<br />

Gemeinden von Schwestern oder Brüdern als Gemeinde von<br />

Getauften in der Liebe Christi »bleiben« und diese Wirklichkeit<br />

mitten im Rationalismus, Materialismus und platten<br />

Pragmatismus unserer Jahre durchhalten, ist und bleibt die<br />

immer kritsche Frage. Vor 1400 Jahren hat Benedikt im<br />

Prolog seiner Regel diese Forderung schon zusammengefaßt<br />

mit den Worten: »Wir wollen uns mit dem Glauben umgürten<br />

(Eph 6,14), in Treue das Gute tun und unter der Führung<br />

des Evangeliums die Wege gehen, die der Herr uns zeigt.«<br />

25


JOHANN ADAM KRAUS<br />

Das Ringinger »E-loch«<br />

Die so benannte Stelle oder Hofstatt gegenüber der abzweigenden<br />

Alten Killerstraße besteht seit 1938/40 nicht mehr. Sie<br />

befand sich an der Hälschlochstraße zwischen zwei bescheidenen<br />

Bauernhäusern, die parallel nach der Talseite (Norden)<br />

standen, den Giebel also zur Straße streckten und im Westen<br />

und Osten einen kleinen Garten hatten, wie schon der<br />

Ortsplan des Jahres 1728 im Donaueschinger Archiv zeigt.<br />

Die letzten Besitzer waren östlich Josef Dietrich mit Hausnummer<br />

5 und westlich Josef Dietmann mit Nummer 6.<br />

Beide Besitzer rissen ab und bauten damals neu, aber diesmal<br />

der Straße entlang, so daß diese Häuser bei der Neuordnung<br />

die Straßennummer 11 und 13 erhielten, während vorher alle<br />

Bauten des Ortes durchgehend nummeriert waren. Der<br />

genannte Hofraum zwischen den alten Häusern fiel stark<br />

nach Norden ab, woraus wohl der Name »Loch« entstanden<br />

war. Heute wohnen in Nr. 11 Titus mit Sohn Pfister, und<br />

rechts unweit des laufenden Brunnens in Nr. 13 Wilhelm<br />

Locher mit Theresia Dietrich, Tochter des Moritz und<br />

Enkelin obigen Josef Dietrichs. Die nirgends urkundlich<br />

nachgewiesene, sondern nur im Volksmund gebräuchliche<br />

Bezeichnung E-löch konnte niemand deuten. Dies wurde erst<br />

möglich durch einen Hinweis des Heimatforschers Roland<br />

Simmendinger in Killer, der berichtete, dort am Starzelbach<br />

hinter der Wirtschaft zum Lamm befinde sich auch ein Eloch,<br />

das man als Öl-loch, also Stelle einer ehemaligen<br />

Olschläge mit Wasserantrieb ansehe. Nun gab und gibt es am<br />

Ringinger Platz außer dem erst 1881 hergeleiteten Brunnen<br />

(der vom Hälschloch ehemals zur Alten Staig im oberen<br />

»Bach« gerichtet war), keinerlei Gewässer. Man darf somit<br />

annehmen, daß ehemals zwischen oder in einem dortigen<br />

Haus eine Olschläge mit Handbedienung betrieben wurde.<br />

Eine Ölpresse mit Wasserantrieb sah ich um 1918 in einer<br />

Hütte unterhalb Trochtelfingens an der Seckach und<br />

beschrieb sie in den »Jugenderinnerungen« 1 .<br />

»Ein hölzerner starker Trog, am vorderen Ende überdeckt<br />

und mit einem Abflußröhrchen versehen, unter dem eine<br />

Blechkanne stand, in die das dickflüssige Naß floß. In dem<br />

Trog war in einer Art von Tuch der Mohnsamen (Ölmaga)<br />

eingewickelt und wurde durch einen in den Trog passenden<br />

Holzklotz nach vorne zur Röhre gedrückt und zwar auf<br />

folgende Weise. Hinter den Holzklotz im Trog war ein<br />

dicker Hartholzkeil oder Speidel, auf den ein mittels Wasserkraft<br />

emporgehobener Rammbalken immer wieder senkrecht<br />

HEDWIG MAURER<br />

»Pettinwilare«<br />

Johann Adam Kraus versucht in seinem Artikel »Rund um<br />

die St. Georgsbasilika bei Thiergartenhof« Hz. Heimat 4/83,<br />

die 1956 von Michael Walter geäußerten Vermutungen über<br />

die Lage von Pettinwilare in Frage stellen.<br />

Die Schilderung von Kraus wirkt Tatsachen entstellend. Ich<br />

möchte mich hierzu äußern:<br />

1 Jeder, der Michael Walter kannte, weiß mit welcher<br />

Gewissenhaftigkeit er seine heimatkundliche Forschung<br />

betrieben hat. Der Historiker Ludwig Baumann<br />

(1846-1915), der einige Bände des Fürstenbergischen Urkun-<br />

26<br />

niederfiel. War der Speidel ganz eingeschlagen, so wurde ein<br />

weiterer daneben eingesetzt, und das Spiel wiederholte sich,<br />

bis der Ölsamen genügend ausgepresst war«. Den übrig<br />

bleibenden Ölkuchen hat man in der Notzeit des ersten<br />

Weltkrieges und danach mit Vergnügen gegessen. Spätere<br />

hydraulische Pressen lieferten nur ungenießbare harte<br />

Kuchen! Man darf vermuten: In Ringingen habe man statt des<br />

unmöglichen Wasserantriebs die Speidel durch Holzhämmer<br />

mit Hand eingeschlagen, weshalb man anderwärts in Schwaben<br />

den Familiennamen Ölschläger findet.<br />

Anfang und Ende unserer Ölschläge sind unbekannt. Der<br />

Platz der beiden Häuser samt Gärtchen und Hofraum<br />

(»Loch«), der westlich an den sog. Gallengarten 2 grenzt,<br />

gehörte seit Jahrhunderten zum Lehenhof (heute noch<br />

»s'Baura Haus« ufm Gallenberg: »Bergwirtschaft«), den im<br />

Jahre 1404 »der alte Klaus« als Lehen des adeligen Walz von<br />

Sunchingen (Sinkingen b. Villingen) baute. Letzterem folgte<br />

um 1410 unser Burgherr Kleinhans Schwelher und um 1470<br />

der Graf von Werdenberg in Trochtelfingen und 1534 von<br />

Fürstenberg. Lehenbauern dort auf dem Lai oder Gallenberg<br />

waren um 1524 Kunlin Hegner, 1545 Aberlin Ostertag, 1578<br />

Aberlin der jüngere Ostertag, dann Hans Alber von Schlatt<br />

1599, den man 1650 vergantete. Georg Nadler erwarb einen<br />

Teil des Hofes, dazu auch den oben geschilderten Platz. Ihm<br />

folgte ein gleichnamiger Sohn. Die beiden Enkel Sebastian<br />

und Josef Nadler bauten 1698 die beiden parallelen Häuser<br />

und betrieben vermutlich im gemeinsamen Hof in einer<br />

Hütte ein Ölpresse, wahrscheinlich auf Anregung der Herrschaft<br />

Fürstenberg.<br />

Das Ende des Ölschlagens im Öl-Loch ist nicht bekannt,<br />

obwohl man aus dem Häuserbuch 3 die Inhaber der beiden<br />

Bauten ersieht. Wasserbetriebene Pressen in Trochtelfingen<br />

und im Killertal erwiesen sich bald als einfacher und bequemer.<br />

Anmerkungen:<br />

1<br />

»Jugenderinnerungen« von J.A. Kraus, 1965, S. 52, Druck von<br />

Seb. Acker- Gammertingen.<br />

2<br />

Vgl. »Ringingen und St. Gallen«, Hohenz. JHeft 1957, 35-51.<br />

3<br />

»Mein Häuserbuch« von Ringingen; Kopie im Rathaus, Orig.<br />

kommt zu den Unterlagen sind Fürstl. hohz. Archiv in Sigmaringen. <br />

denbuches herausgegeben hat, schrieb in einem Aufsatz über<br />

die »Grafschaft im Nebelgau« - »Nach alledem dürfte Pettinwilare<br />

ein bei Vilsingen gelegener, nunmehr abgegangener<br />

Weiler gewesen sein.« Dr. Bruno Stehle und Willy Baur<br />

teilten in ihren Veröffentlichungen diese Ansicht. Auf dieser<br />

Grundlage versuchte nun Walter durch eigene Forschung die<br />

Meinung Baumannns zu überprüfen und gegebenenfalls zu<br />

untermauern.<br />

2 Nach Kraus sind Auszüge aus Pfarrurbaren »magere<br />

Beweise« wie der Hinweis auf »sant gallen ackker« und »von<br />

der Wyler«. Warum eigentlich? Dagegen wird er Angaben


aus dem Fluratlas von 1844 wohl nicht bezweifelnn können.<br />

Aus diesem Fluratlas erwähnt Walter die Flur »auf dem<br />

Weiler« als zwischen »Benzenberg« und »Altenberg« gelegen.<br />

Bei E.G. Johler, Geschichte von Hohenzollern 1824, las<br />

ich in anderem Zusammenhang über die Bezeichnung »Alt«:<br />

»...wenn wir den Alterthumsforschern, welche das Wort<br />

»alt« nicht immer als Zeiterklärung, sondern auch die Verlassenschaft<br />

eines Ortes oder einer Sache bezeichnend, gebrauchen,<br />

Glauben beimessen, so ist dieser Name (in unserem<br />

Falle »Altenberg«) - ein sicherer Beweis für das Dasein...« -<br />

einer abgegangenen Siedlung. Die Flur »Baumacker« läßt<br />

Walter eine alte Obstanlage an dieser Stelle vermuten, was<br />

wohl einsichtig sein dürfte. Er spricht nie von einer Quelle in<br />

diesem Gebiet.<br />

3 Die von Walter beschriebenen Gebiete sind von ihm<br />

erwandert worden. Auf einer solchen Wanderung hat er von<br />

Vilsinger Bauern erfahren, daß sie beim Pflügen hie und da<br />

noch auf alte Dorfwege ud Mauerreste gestoßen sind. Da<br />

diese Wanderungen zu einer Zeit stattfanden, als der Bauer<br />

noch »sein Rößlein einspannte«, dürften diese Mitteilungen<br />

wohl glaubhaft sein. Der Versuch von Kraus diese Walterschen<br />

Angaben durch den Inhalt eines Briefes vom Ortsvorsteher<br />

von Vilsingen aus dem Jahre 1983 zu widerlegen und<br />

damit zu unterstellen Walter habe die Unwahrheit gesagt,<br />

wäre nur dann zu verwerten, wenn der Schreiber des an Kraus<br />

gerichteten Briefes Fachmann in Wüstungsforschung wäre.<br />

Dieser Beweis steht bei Kraus aus und wäre nachzuliefern.<br />

Die zitierte Angabe des Ortsvorstehers sagt nur aus, daß ihm<br />

selbst über Mauerreste nichts bekannt ist, das heißt nicht, daß<br />

solche nicht vorhanden waren oder eventuell noch sind.<br />

4 Zu den »Mauerresten nach 1000 Jahren« darf ich an die<br />

bedeutend älteren Reste des in den letzten Jahren ausgegrabenen<br />

römischen Gutshofes bei Stein erinnern. (Berichte nachzulesen<br />

in der Hz. Heimat 1/78 oder im Nachrichtenblatt des<br />

Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg). Aus eigenem<br />

Erleben mochte ich noch berichten. Auf einer Reise durch die<br />

Osttürkei besuchte ich einen Ort, auf dessen Flur kurz zuvor<br />

ein Bauer beim Pflügen einen Mosaikfußboden aus der<br />

Römerzeit entdeckt hatte. Wenn ich zurückdenke, empfinde<br />

ich heute noch die gleiche Faszination wie damals, als der<br />

Bauer mit einem Besen sorgfältig die Ackerkrumme wegschob<br />

und mit Hilfe eines Eimer Wasser das Mosaik zum<br />

Leuchten brachte, das 1700 Jahre unbeschädigt unter der<br />

Erde schlummerte. Heute hängt es sorgfältig konserviert im<br />

Museum von Adyaman.<br />

5 Walter schreibt nie von einer Urkunde, die in Vilsingen<br />

ausgestellt wurde, wie Kraus glauben machen will. Im<br />

Gegenteil! Er versucht aufzuzeigen, daß eben deshalb ein<br />

Ortstermin notwendig war, weil Unklarheiten über die<br />

Schenkung entstanden waren. Daß selbst Abt Grimald von<br />

St. Gallen anwesend war, bezeugt wohl die Wichtigkeit der<br />

Schenkung bei der es um Besitzverhältnisse in Vilsingen ging.<br />

GERHARD ENDERLE<br />

6 Zu »alia« andere Filisninga - verweise ich auf die Veröffentlichung<br />

von M. Walter »Vilsingen, eine alte Doppelsiedlung«<br />

Hz. Heimat 1956. Diese Version wurde von Dr.<br />

Stemmler im Handbuch der Historischen Stätten Baden-<br />

Württemberg übernommen.<br />

7 Da Kraus aus der Zimmerschen Chronik zitiert, kennt er<br />

sicher auch die vielen Einträge, die von »Weilern« sprechen.<br />

Z.B. Der Weiler unterhalb Falkenstein, Weiler und Mühle zu<br />

Neidingen, die Weiler Krayen- und Rheinstetten ... was uns<br />

zeigt, daß es zu jener Zeit eine Menge »Weiler« gab - nach<br />

unserem Sprachgebrauch eher ein Gehöft als ein Dorf. Bei<br />

Josef Bader (Badische Landesgeschichte 1834) und bei Huttenlocher<br />

(Geographische Landeskunde 1960) kann man<br />

nachlesen daß viele dieser Weiler kamen und bald wieder<br />

verschwanden.<br />

8 Nachdem Kraus früher einmal, wie es scheint, Gettenweiler<br />

für Pettinwilare angeboten hat, versucht er es nun mit dem<br />

Weiler, dessen Kirche nach seinen Angaben erstmals 1138<br />

erwähnt wird. Ob in den 274 Jahren, die zwischen der letzten<br />

Nennung von Pettinwilare und der ersten Erwähnung von<br />

Weiler nicht das eine verlassen und das andere entstanden sein<br />

könnte? Oder - um mit Kraus zu reden - »bildet sich jemand<br />

ein, beweisen zu können« - daß es anders war?<br />

Auch in St. Gallen liegen keine neueren Forschungen zur<br />

Lage der abgegangenen Siedlung Pettinwilare vor, wie mir<br />

Stiftsarchivar Dr. Werner Vogler versicherte.<br />

Z» den Ausführungen von Frau Hedwig Maurer:<br />

Man braucht eigentlich nicht zu betonen, daß historische<br />

Forschungen nur möglich sind auf Grund bewiesener Tatsachen<br />

mit Kombinationen oder Vermutungen, die diese Tatsachen<br />

in Einklang zu bringen suchen und verbinden. Diesem<br />

Zweck dienten sowohl die Veröffentlichungen unseres hochverdienten<br />

Heimatforschers Michael Walter als auch meine<br />

eigenen Versuche in HH 1983, 49-52, nämlich Licht in die<br />

Vergangenheit der Heimat an der Donau zu bringen, die oben<br />

angesprochen ist. Jeder Leser hat das Recht, Veröffentlichungen<br />

zu prüfen und seine eigene Meinung kundzutun,<br />

besonders wenn familiäre Bindungen zum Autor bestehen.<br />

Jeder hat fernerhin die Möglichkeit, Tatsachen und Vermutungen<br />

zu kritisieren und aufzuzeigen. Dieses Recht nehme<br />

ich auch für mich in Anspruch. Somit ist anzumerken, daß<br />

nicht ich, sondern der bekannte Forscher mit dem klingenden<br />

Namen Hans Jänichen irrig das alte Pettinwilare mit Gettenweiler<br />

gleichsetzen wollte und daß mit dem adeligen Hug von<br />

Weiler um 1138 und seiner Schenkung an Zwiefalten nichts<br />

von der Kirche eines Weilers gesagt ist, wie die Verfasserin<br />

mir in die Schuhe schieben will. Irren ist eben menschlich.<br />

So sah wohl das Großengstinger Schloß aUS Die Geschichte einer Rekonstruktion<br />

Vorbemerkung d. Red.:<br />

Im Kodex des Klosters Lorsch ist verzeichnet, daß am<br />

24. Januar 783 ein Mann namens Altwin dem Kloster eine<br />

Hube (Bauerngut) in dem Dorf Ainigistingen im Gau Alemannien<br />

schenkte. So hielt 1983 die Gemeinde Engstingen,<br />

Johann Adam Kraus<br />

die aus den Gemeinden Großengstingen, Kleinengstingen<br />

und Kohlstetten gebildet wurde, ihre 1200-Jahrfeier. Anläßlich<br />

der Festwoche vom 2. bis 11. Juli 1983 erschien ein<br />

ansprechendes Heimatbuch, in dem über den Ort und seine<br />

Geschichte berichtet wird.<br />

27


Großengstingen gehörte schon im Jahre 939 dem Bischof von<br />

Chur. Lehensträger der Churer Bischöfe waren später die<br />

Herren von Lichtenstein (bis 1438/40) und die Edeln von<br />

Neuhausen bis 1635. Die Gemeinden Kleinengstingen und<br />

Kohlstetten wurden mit Württemberg reformiert, Großengstingen<br />

blieb katholisch. Am 31. März 1694 verkaufte<br />

Bischof Ulrich von Chur dem Kloster Zwiefalten um 90000<br />

Gulden das Herrschaftsgebiet Großengstingen<br />

(A. Schwarz). Das Kloster Zwiefalten hatte keine rechte<br />

Freude an dem Besitz. Es gab nicht nur Streit mit dem Bistum<br />

Chur wegen der Verzinsung des Kaufpreises, auch die neuen<br />

Untertanen waren widerspenstig und rebellisch. 1746/47 kam<br />

es zu einer richtigen Meuterei der Untertanen. 1750 trat<br />

Zwiefalten das Dorf an Württemberg ab. Ein Andenken an<br />

die Zwiefalter Zeit ist die schöne Barockkirche, die 1719 von<br />

Franz Beer gebaut wurde.<br />

Das Schloß in Großengstingen<br />

Ursprünglich wurde das Großengstinger Schloß wohl von<br />

den Ortsadeligen bewohnt, den Herren von Lichtenstein und<br />

von Neuhausen. Später wohnten hier die Vögte des Bischofs<br />

von Chur. Seit 1694 bewohnten nacheinander 35 Zwiefalter<br />

Patres, die Herren Pater Statthalter das Schloß. P. Aurelius<br />

Fischer wurde 1736 in der Großengstinger Kirche begraben<br />

und P. Gabriel Rothmund, der 1746 den »Aufstand« der<br />

Großengstinger ausstehen mußte, starb 1767 als Beichtvater<br />

in Mariaberg, wo er in der Klosterkirche begraben wurde.<br />

Nach der Abtretung des Dorfes an Württemberg hatte an<br />

dem baulich wohl sehr heruntergekommenen Schloß niemand<br />

mehr Interesse und so wurde 1766-69 abgebrochen.<br />

Gerhard Enderle, Heimatforscher und Baufachmann in<br />

Großengstingen begann 200 Jahre später, nach den Spuren<br />

des Schlosses zu forschen. Daß in Großengstingen einst ein<br />

Schloß stand, war bekannt, Ortsbezeichnungen wie Schloßhof<br />

und Schloßgasse erinnerten daran. Man vermutete, das<br />

Schloß sei im jetzigen Pfarrgarten gestanden. Wichtigste<br />

Unterlage für die Größe und das Aussehen des Schlosses war<br />

die »Schloßrechnung«, die Enderle im Rathaus fand. Daraus<br />

geht hervor, daß die Gemeinde von der »Herrschaft« das<br />

Schloß gekauft und 1767 begann, das Schloßgebäude abzureißen.<br />

Der Pfarrer kaufte um 200 Gulden den Schloßgarten, ein<br />

Grundstück, das heute eben der Pfarrgarten ist. Enderle<br />

berichtet:<br />

Aus der ganzen Umgebung kamen Käufer, denn Rohstoffe<br />

waren knapp und einen Fichtenwald zum Abholzen gab es<br />

nicht. 50 Türen, darunter 44 Zimmertüren wurden gekauft;<br />

1 Tür vom Oberstetter Heiligenpfleger für seine Kirche, 10<br />

Türen vom Schreiner Nikolaus Schoser für das hiesige Pfarrhaus<br />

und das untere Hoftörle - wieder ein Hinweis über das<br />

Aussehen des Schloßkomplexes - von Andreas Hertter.<br />

Vom Umfang der Anlage zeugen Rechnungsposten wie<br />

6 Ofen, 70 Fenster, 172 Fensterläden, Stiegen und Stiegentritte.<br />

Adlerwirt Raitbauer erwarb das Stück einer Bildhauerarbeit,<br />

Balthas Eisele von Trochtelfingen 100 Pfd. schwere<br />

kupferne Dachrinnen. Insgesamt brachte der große Ausverkauf<br />

in der Abteilung »Haus und Vorrath« 1142 fl und<br />

6 Kreuzer in die Kasse.<br />

Bei dieser Auszählung fehlt noch der Betrag von über 6 fl, den<br />

der Haigerlocher Baumeister Christian Großbayer für eines<br />

der drei zentnerschweren Gitter zahlen mußte. Er verwendete<br />

es für die Pfarrkirche St. Stephan in Melchingen, die<br />

noch weit mehr Schloßteile ihr eigen nennt. Großbayer<br />

verwendete nämlich - ähnlich wie der Pfullinger Zimmerzunftmeister<br />

und Sägmüller Seiz, der die Sparren aus »Bürkenholz«<br />

für das Großengstinger Pfarrhaus ankaufte - für<br />

den gesamten Dachstuhl der Kirche Bauholz vom Schloß.<br />

Das Verkaufsprotokoll ist ziemlich lückenlos. Es zählt auch<br />

28<br />

Dachgebälk der Pfarrkirche St. Stephan in Melch'igen. Man sieht,<br />

daß die Balken früher schon einmal verwendet wurden.<br />

die neuen Eigentümer der Steine auf, wobei ein Stanislaus<br />

Geiselhart 75 Schuh lange Fußquader (1 Stück = 28,65 cm)<br />

wieder zum Kirchbau nach Kleinengstingen weiterverkaufte<br />

und notierte die Einnahmen für 5920 »Besetzplatten«<br />

(Bodenplatten), 71 »Fürstziegel«, 5875 »Bachenstein« und<br />

20530 »Dachplatten «, 3550 Stück davon kommen ins Steinhilber<br />

»Schloß«. Von den 845 Brettern (und 6800 Bretternägeln)<br />

werden zu 1 fl und 30 Kr einige für Stände bei<br />

Jahrmärkten abgegeben.<br />

In der »Eisenabteilung« ist wieder Baumeister Großbayer mit<br />

74 Pfd. Schlaudereisen als Käufer verzeichnet und Schmied<br />

Anton Hummel ersteht erstaunliche 39 Zentner und 30 Pfund<br />

für 268 fl. Das steinerne Portal - man sieht, der Ausverkauf ist<br />

total - erwirbt das Trochtelfinger Bürgermeisteramt. Der<br />

Schloßrechner, Ziegler Stanislaus Geiselhart, so das Abrechnungsbuch,<br />

brauchte für den Abbruch zusammen 120 und<br />

1/4 Tage und bekam als Entschädigung 40 fl und 5 Kr.,<br />

Schloßrechner Dominikus Freudenmann 124 und 3/4 Tage<br />

und bekam 41 fl und 35 Kr. Am 1. April 1769 hatten die<br />

Schloßrechner den Abbruch abgerechnet und somit abgeschlossen.<br />

Amtlicherseits wurde die Rechnung genehmigt,<br />

von Schultheiß und Richtern (Gemeinderäten), am<br />

14. Dezember 1769 nochmals von Oberamtmann (Vogt) Joh.<br />

Rümelin aus Pfullingen. Damit war das alte Wahrzeichen<br />

Großengstingens - es hatte über 50 Churer Bischöfe und 5<br />

Zwiefälter Abte als oberste Herren erlebt - für alle Zeiten<br />

verschwunden.<br />

Der zunächst wichtigste Hinweis was die Schloßkonstruktion<br />

anging, fand sich jedoch nicht in den Angaben über die<br />

vielen verkauften Gegenstände, sondern in einer Notiz über<br />

vorhandene Zimmer: Prälatenstub, Tafelstub, Magdstub,<br />

Knechtstub, Priorstub, Pater-Mauriti-Zimmer und das sogenannte<br />

»Kirchle« (Kapelle). Ein bißchen begann dadurch das<br />

Schloß wieder zu leben und beflügelte die wissenschaftliche<br />

Neugier.<br />

Neben dieser aufschlußreichen Rechnung von verkauften<br />

Teilen des Schloßgebäudes fand man nämlich zwei weitere<br />

Dokumente. Oder besser: man entdeckte sie wieder, da sie<br />

nun von neuem Interesse waren. Das eine war eine Abschrift<br />

über den »Verkauf der Schloßgüter« von 1753. In ihr wird<br />

aufgerechnet , daß mehr als ein Dutzend Zugochsen, 30<br />

Kühe, 25 Kalben und 900 bis 1000 Schafe an andere Interessenten<br />

kamen. 222 Jauchert Acker der Herrschaft und »44<br />

und 3 Vi Tagwerk Wiesen« (was der Größe des Jauchert<br />

entspricht) wechselten ebenfalls den Besitzer, nach heutigem<br />

Maß eine Gesamtfläche von über 126 ha. Auch erhielt die<br />

Gemeinde in diesem Zusammehang die Weidegerechtigkeit


Schloßanlage von Großengstingen um 1750. Rekonstruiert von Gerhard Enderle, gezeichnet von Uwe Seiferth.<br />

und mußte dafür jährlich 250 Gulden aufbringen, für die<br />

Befreiung von sämtlichen Frondiensten 200 Gulden.<br />

Bedeutsamer für die Rekonstruktionsabsicht als diese Eintragungen,<br />

die mehr den Umfang der Güter beschrieben, waren<br />

Notizen im anderen »Enträtselungsbuch«, dem Kaufvertrag,<br />

der im Pfarrarchiv liegt. Hier werden die verkaufte herrschaftliche<br />

Ziegelhütte, »oben im Dorf« erwähnt, - heute<br />

Haus Geiselhart, Kirchstr. 43; Konrad Freudigmann als<br />

letzter Ziegler hat hier nach 1900 seinen Betrieb eingestellt, -<br />

und dann, vor allem, alle Stallungen und Scheuern: »a) eine<br />

Futterscheuer mit Stallungen, gleich unter der reservierten<br />

Pfisterei (Bäckerei), b) die sogenannte Obere Scheuer und<br />

Stallung zwischen erst gedachter Scheuer und der c) nachfolgenden<br />

Schafstallung, so an den reservierten zwei unteren<br />

Scheuern angebaut ist, d) das Bäule linkerhand an dem großen<br />

Thor beim Eingang, so das Backhaus gewesen, worauf ein<br />

Schulhaus gebaut werden solle, somit den Schweineställen.<br />

Ausgenommen sind die Zehnt- und Pfarrscheuern«.<br />

Das ließ die Vermutung zur Gewißheit werden, daß die noch<br />

bis vor kurzem bestehende Zehnt- und Pfarrscheuer Teil der<br />

Schloßgüter war, das alte »Haible-Haus« an der heutigen<br />

Grieserstraße der Aufzeichnungsreihenfolge nach der<br />

Schafstall war, und weiterhin entsprach, »das Bäule, so das<br />

Backhaus gewesen«, nun eindeutig dem abgebrochenen<br />

Gemeinde- und also herrschaftlichen Backhaus. Nicht zu<br />

enträtseln blieb, daß hier zwei Bäckereien waren.<br />

Am 24. Oktober 1766 verkaufte die Herzogliche Württembergische<br />

Rentkammer, so der Kaufvertrag, das Schloßgebäude<br />

mit allem, »was die Mauer umschließt: den Hof, den<br />

Garten samt dem Bronnen und Gartenhäuslein, welche mit<br />

einer besonderen Mauer umfangen nebst den Gefängnissen...«<br />

um 4750 Gulden an die Gemeinde. Die übrigens<br />

keine Verwendung für den renovierungsbedürftigen Bau<br />

fand, andererseits auch dort kein Franziskanerkloster wollte,<br />

denn das Gesuch des Hechinger Franziskaner-Provinzials<br />

Georg Seiz im Dezember 1766 bei der Herzoglichen Regie-<br />

rung in Stuttgart wurde mit Rücksicht auf die Gemeinde<br />

abgelehnt. Waren im Vertrag schon dem Schloß Grafeneck<br />

im Falle des Abbruchs »Baumaterialien« angeboten worden,<br />

so wurde dieser neue Bestimmungsort zwar nicht beliefert,<br />

der Schloßabbruch aber dennoch 1767 begonnen und nach<br />

1 Vi Jahren abgeschlossen. Mauer, Hof, Garten (später<br />

Pfarrgarten), »Bronnen« - sicher dann der Brunnen in diesem<br />

Garten; die Lücken schlossen sich. Dieser Brunnen, im Lauf<br />

der Zeit aufgefüllt, wurde bei der Umgestaltung des Schloßhofes<br />

in seiner ursprünglichen Form aufgemauert.<br />

In einem Güterbuch fand die Annahme von 1785, daß der<br />

Schafstall an die Pfarrscheuer »stößt«, eine Bestätigung, und<br />

in einem Lagerbuch von 1800/04 stand, daß an die Stelle des<br />

Fruchtkastens innerhalb des Schloßkomplexes das Pfarrhaus<br />

gebaut wurde. Mit den Anmerkungen im Kaufvertrag ergab<br />

sich von diesem wertvollen Fixpunkt nach unten die Reihenfolge:<br />

Fruchtkasten, Scheuern, Schafstall am Eck, dann die<br />

Pfarr-, und Zehntscheuer mit Backhaus Richtung Eingangstor.<br />

In »Strafakten« fand sich zusätzlich der Begriff »im<br />

Turm« für den höchsten Punkt »hinter dem Schloß«, dem<br />

heutigen Anwesen Fäustle in der Churstraße. Die mögliche<br />

Lage des Hauptgebäudes war dadurch erheblich begrenzter.<br />

Ein Satzteil aus dem Kaufvertrag versprach nun, diese restlichen<br />

Unklarheiten zu beseitigen. Er vermerkte, daß alle<br />

aufgeführten Teile »auf dem zugrund gelegten Riß gezeichnet<br />

sind«. Das Exemplar im Pfarrhaus enthielt ihn jedoch leider<br />

nicht. Auch in Chur war diesbezüglich nichts zu finden und<br />

in einem weiteren Exemplar des Kaufvertrags im Stuttgarter<br />

Hauptstaatsarchiv - lag kein Riß bei.<br />

Sozusagen kurz vor dem Ende schien die »Enthüllung« zu<br />

stocken. In Stuttgart gab es zum Glück eine Berechnung der<br />

»Gefälle des Zwiefalter Klosterhofes« in Reutlingen (H 128,<br />

Band 331). Diese »Statthalterei« des Zwiefalter Klosters in<br />

Reutlingen führte - wie die in Neuhausen/Erms - über die<br />

Steuern und Abgaben Buch. Für 1749, also ein Jahr bevor die<br />

Zwiefalter Herrschaft in Großengstingen aufhörte - steht<br />

29


hier über die Gebäude innerhalb der Schloßmauer: »1 Fruchtkasten,<br />

worunter ein Käsgewölb und Waschhaus befindlich,<br />

woneben auch der Gaststall angebaut ist. Eine Futterscheuer<br />

mit Stallung, die sogenannte obere Scheuer und Stallung. Die<br />

zwei unteren Scheuern samt einem Schafstall. Das Backhaus<br />

mit Schweinestall. Hinter dem Schloß befindet sich ein<br />

Schwengschopf, Holzlege und Gefängnis alles unter einem<br />

Dach. Mitten im Hof ist ein Kuchen- und Blumengarten mit<br />

einer Mauer umfangen nebst einem Schöpfbronnen. Außerhalb<br />

des Schloßhofs befindet sich noch eine Behausung mit<br />

vier Stuben, so vor diesem das Maierhaus gewesen sein<br />

dürfte«.<br />

Dieses »Käsgewölb« ist heute noch der Keller des Pfarrhauses.<br />

»Hinter dem Schloß« bedeutete vom Turm in Richtung<br />

Kirchstraße gesehen, eine Gebäudezeile mit Gefängnis,<br />

Holzlege und einem »Schwengschopf«, einer Hütte zum<br />

Schwingen des Flachses. Hanfland befand sich dann außerhalb<br />

des Schloßbezirks.<br />

In Wohnungsnähe war seit jeher die »Holzlege« und der<br />

Brunnen, der ja schon bekannt war. Unter Einbeziehung von<br />

Fundamentresten mußte das Herrschaftsgebäude also dort<br />

gestanden sein, wo heute die Häuser Churstr. 3 und 5 stehen.<br />

Das Backhaus mit Schweinestall war das spätere »Schneiderbastes<br />

Haus« (Reinhold Leippert) und das Maierhaus außerhalb<br />

war eventuell das alte »Urbanen-Haus«, das vor der<br />

heutigen Drogerie stand und 1957 abgebrochen wurde.<br />

Die Berechnungen des Zwiefalter Hofes geben uns auch<br />

Aufschluß über Bau und Aussehen des Schlosses: Es »ist<br />

dreistockig und hat auf dem unteren Boden zwei Stuben mit<br />

eisernen Ofen, sieben Kammern, eine Kapell, ein Weinkeller,<br />

worin ein Lagerfaß befindlich, zwei andere Keller zu Käs,<br />

Eier und Obst. Auf der mittleren Etage: drei Stuben mit<br />

eisernen Ofen, fünf Kammern, eine Küche, eine Speisekammer.<br />

Auf der oberen Etage: vier Stuben, darunter drei mit<br />

eisernen Ofen und sieben Kammern. Unter dem Dach befinden<br />

sich vier Bühnen (Stockwerke) übereinander«. Ein<br />

Grundriß vom Schloßareal konnte nun fast gezeichnet werden.<br />

Da nun Einzelheiten gefragt waren, erinnerte man sich<br />

wieder der Schloßrechnung und damit der Türengerichte, der<br />

Kreuzstöcke, »Ofentürle«, der Fensterläden und »Fürstziegel«.<br />

Da man zwischen 30 und 40 cm Länge je Firitziegel<br />

annehmen kann und 71 Stück verkauft wurden, einigte man<br />

sich auf 26 m Firstlänge, für die Schloßbreite nahm man das<br />

gebräuchliche Verhältnis von runden zwei Dritteln davon.<br />

Die Höhe blieb unklar. Eine Exkursion zur Melchinger<br />

Kirche, deren Baumeister Großbayer ja für beträchtliche<br />

306 fl Schloßbauholz verarbeitet hatte, brachte nun ein überraschendes<br />

Ergebnis: Sämtliche Balken des Dachstuhles weisen<br />

noch heute auf eine frühere Verwendung hin. An den<br />

rund 80 Sparren kann die Stockhöhe der vier Schloßbühnen<br />

noch genau erkannt werden. Der überwiegende Teil des<br />

Dachstuhls ist also heute in Melchingen und damit für uns das<br />

einzige sichtbare Beweisstück vom ehemaligen Großengstin-<br />

OTTO WERNER<br />

Die »allgemeine Gesangschule« zu Hechingen<br />

Vorgeschichte<br />

Bereits in der »Hochfürstlichen Regierungs-Verordnung, die<br />

Einführung einer allgemeinen Schulordnung für die Stadtund<br />

Landschulen betreffend« v. 1. Juni 1833 ist unter dem<br />

II. Abschnitt bei den »Lehrgegenständen und Unterrichtsmethoden<br />

in den Schulen« dem Gesang ein eigener Paragraph<br />

gewidmet; er lautet:<br />

30<br />

ger Schloßgebäude. Zur Ausgestaltung der Fassade entlehnte<br />

man für die Fensterläden die Schraffierung, wie sie in Rot-<br />

Weiß bei den Erbauern, dem Neuhäuser Adelsgeschlecht (auf<br />

den Fildern) üblich war.<br />

Zwei Nachträge, die zur Konstruktion nichts beitragen,<br />

sollen das Bild vom Schloß abrunden. In den Zwiefalter<br />

Klosterrechnungen werden für 1747 auch die Namen der<br />

Bediensteten und ihre Tätigkeiten angegeben und zwar: »Der<br />

Hofmeister Ulrich Buck (vorher Jerg Hem), Josef Müller,<br />

Gärtner, Jerg Koch, Fuhrknecht, Jerg Hertkorn, Schäfer,<br />

Chrisostomus Geiselhart, Kühhirt, Joh. Sonderegger,<br />

Nachtwächter, Anton Bayer, Oxenknecht, Jerg Freudenmann,<br />

Oxenbub, Josef Humel, Oxenbub, Josef Raitbaur,<br />

Zieglerbub, Aureli Raitbaur, Kühbub, Augustin Wölz,<br />

Kastenknecht, Michael Herter, Hausknecht, Katharina<br />

Koch, Obermagdt, Anna Maria Strobel, Kuchenmagd, Cordula<br />

Schiiger, Viehmagd, Agnes Gogel, Schweinemagd, und<br />

4 Dienstmägde«. Ein interessanter Einblick in damalige<br />

Berufe, Personenzahl im Schloß und in Großengstinger<br />

Namensgeschichte.<br />

Das andere soll ein Hinweis auf die Bauten sein, die sozusagen<br />

alle auf herrschaftlichem Boden stehen. 1776 kaufte der<br />

Wagner Vitalis Schiiger laut Bürgermeister (Gemeindepfleger)<br />

Rechnung den größeren, 60 Schuh (1 Schuh = 28,65 cm)<br />

betragenden »Schloßplatz«, Churstraße 5. Sein zweistockiges<br />

Haus mit Scheuer wurde später Eigentum der Familien<br />

Rudolph, Wahl und ab 1891 und später, jeweils für kurze<br />

Zeit, des jüdischen Handelsmannes Albert Marx aus Buttenhausen.<br />

Danach gehörte es der Familie Butterstein und heute<br />

besitzt es Werner Walter. Den kleineren, 28 Schuh großen<br />

Schloßanteil, Churstr. 3, erhielt 1775 der Taglöhner Matthäus<br />

Hauser. Das einstöckige Haus besaßen u.a. die Familien<br />

Hummel, Johannes Enderle (ab 1814, »Schloßmetzger«),<br />

Staneker und schließlich Bayer. Das Haus von Theo Raach,<br />

Churstraße 6, ist die ehemalige Holzlege. Es wechselte 1794<br />

von Josef Hummel an Josef Raiber, später zu Josef Zeiler,<br />

Karl Wendler aus Reutlingen und weiter zu Joh. Georg<br />

Leippert. Die ehemalige Pfisterei (Bäckerei), heute Haus<br />

Wiehl, Churstraße 7, war seit 1785 zunächst in Besitz von<br />

Sailer Eisele und Nachkommen. Das heutige Pfarrhaus<br />

stammt aus dem Jahre 1873, das alte von 1768 wurde damals<br />

abgebrochen.<br />

Das Notariat, hinter dem früher die »Obere Scheuer« stand,<br />

baute man 1909/10 bekanntlich als »Neues Schulhaus«, übrigens<br />

auf dem Platz des alten Pfarrschweinestalls. Der herrschaftliche<br />

Schafstall, das »Haible«-Haus, gehörte 1785 dem<br />

Pottaschensieder Jakob Freudenmann, später den Familien<br />

Wächter, Heinzelmann und Hummel. Jakob Leippert<br />

(genannt »Haibles«-Jakob) vererbte es 1965 an seine Kinder.<br />

Die Häuser in Richtung Kirche verschwanden erst 1967 bei<br />

der Neugestaltung dieses Schloßplatzareals, von dessen<br />

ursprünglichem Gesicht wir nun, zweihundert Jahre nach<br />

dem Abbruch, eine ziemlich genaue Vorstellung haben.<br />

Ȥ.3. Da der Gesang in den Schulen ein Mittel zur Erheiterung<br />

und sittlichen Bildung der Jugend, so wie auch eine<br />

zweckförderliche Vorbereitung eines allgemeinen Kirchengesanges<br />

ist, so haben sämmtliche Pfarrer und Lehrer des<br />

Landes, die eine Fähigkeit für die Anleitung zum Singen<br />

besitzen, denselben in den Schulen einzuführen, und die<br />

Kinder in Absingung geistlicher, oder sonst anständiger


Lieder, hauptsächlich aber in den Gesängen, welche bei dem<br />

öffentlichen Gottesdienste gebraucht werden, zu üben. 1 «<br />

Zwei Jahre später stellt Kammermusikus Georg Wichtl in<br />

einem Schreiben an »Hochfürstliches Stadtamt« fest: »Auch<br />

hat man in der hiesigen Schule angefangen Lieder nach dem<br />

Gehör singen zu lernen. Dieses ist eben so zwecklos; denn die<br />

Kinder lernen dabei nicht singen sondern schreyen, und die<br />

Töne die sie nun auf diese Art zu Tage befördern, sind ganz<br />

natürlich falsch und fehlerhaft, denn es war noch nie von<br />

einem regelrechten Stimmenansatz, Vokalisation und Artikulation<br />

die Rede, viel weniger von Stimmenbildung, denn<br />

man singt schon vorher ehe die Stimme gebildet ist, das ist<br />

freylich auch wieder eine Kunst, welche nicht alle besitzen,<br />

aber man sollte doch etwas vorsichtiger mit den armen<br />

Kinderchen umgehen. 2 «<br />

Besonders entrüstet sich Wichtl über einen Vorfall bei einer<br />

Schulwanderung: »... wo ist auch so lange die Welt steht<br />

einmal gehört worden daß Kinder einen fünf Stunden langen<br />

Spatziergang machen musten, dabei natürlicher Weise auch<br />

gesungen wurde und das nicht wenig, welches alle recht ist,<br />

daß man aber auf dem Heimwege über einen Berg wie unsere<br />

Steige ist sie zu wiederholltenmalen singen läst, das heißt die<br />

Stimmorgane mit Gewalt zerstören, und es dürfte nur ein<br />

paar mal geschehen so könnten sich viele sogar Krankheiten<br />

zuziehen, denn es ist nichts vorsichtiger zu behandeln als die<br />

Stimmritze bey Kindern.«<br />

Wichtl weist die Mitglieder des löbl. Magistrats darauf hin,<br />

»daß man nicht immer glauben müße, ein guter Elementarlehrer,<br />

sei auch ein guter Gesanglehrer.«<br />

Auch wurden zu jener Zeit aus einer Stiftung jährlich 150 fl.<br />

verwendet, »um vier Singknaben für den hiesigen Chor zu<br />

bilden, welche der Kantor Lorch bezieht«. Doch auch hierüber<br />

urteilt Wichtl vernichtend: »... jedoch es sind bis jetzt<br />

aus dieser Schule noch wenige taugliche Subjekte hervorgegangen,<br />

sonst könnte es nicht so schlecht um unsern Kirchengesang<br />

aussehen.«<br />

Dagegen streicht Wichtl hervor, daß Kinder »privatim« bei<br />

ihm Gesangunterricht genießen, und daß er im vorigen Jahr<br />

das Glück gehabt habe, »nach vollendeter Prüfung mit<br />

meinen Gesangschülern allgemeinen Beifall zu ärndten«.<br />

OTTO WERNER<br />

Der mutwillige Salomon<br />

Der kaullaische Hausdiener Salomon Abraham von Schwabach<br />

hatte »mittelst naturlichen nachahmung einer Kalb<br />

Stimme« die zur Tränke getriebene Kuh des Hans Adam<br />

Buemiller, welche erst vor zehn Tagen gekalbt hatte, so<br />

gereizt, daß sie auf ihn losging und ihn an die Wand drückte.<br />

Als Glashändler Anton Hummel sie abwehren wollte und<br />

wegzutreiben suchte, stieß sie ihn mit den Hörnern und trieb<br />

ihn so in die Enge, »daß derselbe ... ohnfehlbar zu Todt<br />

gestossen worden wäre«, wenn die Metzger Johannes Fecker<br />

und Gottfried Egler ihm nicht zu Hilfe gekommen wären.<br />

Am 12. Juni 1809 wurde daraufhin Salomon Abraham »vor<br />

Gericht gefordert, um die Umstände dieses Hergangs näher<br />

zu vernehmen«.<br />

Salomon Abraham gab an, er sei am vergangenen Sonntag vor<br />

dem Haus des Wassermann mit anderen auf der Bank gesessen.<br />

Als die Kuh zur Tränke getrieben wurde, »habe er laut<br />

gesungen«, worauf die Kuh aufmerksam geworden und auf<br />

ihn zugegangen sei »und ihne mehrmalen gestossen habe«.<br />

Der »sogennte Glas Mann« sei herbeigesprungen und habe<br />

Er macht deshalb den Vorschlag, wie andernorts so auch in<br />

Hechingen eine Gesangschule für die Jugend zu errichten.<br />

»... ich werde sie mit Vergnügen leiten,« so Wichtl, »und<br />

werde die Mühe nicht scheuen, die damit verbunden ist«. -<br />

»Ich zweifle... nicht«, fährt Wichtl fort, »daß nicht auch von<br />

Seite unserer Stadt für eine Gesangschule eine gewiße Summe<br />

verwendet wird, weil ich die Uberzeugung habe, daß unser<br />

Magistrat und Ausschuß Mitglieder zählt, welche vielen Sinn,<br />

für Verbeßerungen entwickeln.« Auch rechnet er damit, »daß<br />

von Seite der gnädigsten Herrschaft auch etwas für diese<br />

Sache gethan wird«. Auch die Kirche sollte nicht zurückstehen,<br />

»denn es würde dann bald um unsern Kirchengesang<br />

beßer stehen.« Die oben erwähnte Faktur, werde sie einmal<br />

erledigt, »so könnte gleich diese Summe der allgemeinen<br />

Gesangschule zufließen, und es hätte daher der Magistrat<br />

vielleicht nur so lange bis jene Zeit erscheint aus der Kommunkaße<br />

den Beitrag zu leisten.« Die Wichtigkeit eines<br />

Gesangunterrichts für Elementarschüler, so führt er am<br />

Schluße seines Schreibens aus, »kann nur derjenige läugnen,<br />

welcher die Erhabenheit und Kraft der himmlischen Tonkunst<br />

überhaupt läugnet, der die noch halb wilden Griechen<br />

schon die Macht beylegten, daß sie Pflanzen und Steine<br />

bewege.« Mit dem Appell: »Laßen sie uns daher diesen<br />

Idealen nachstreben, man wird es uns in der Folge zu Dank<br />

wißen«, empfiehlt er seine Vorstellungen dem »löbl. Stadtrathe«.<br />

Abhaltung des Gesangunterrichts im Schulgebäude<br />

Ein erster Schritt zur Verwirklichung seiner Idee war es<br />

sicher, als ihm auf sein Ansuchen hin 1836 die Erlaubnis<br />

erteilt wurde, »den Gesang-Unterricht künftighin in dem<br />

städtischen Schulgebäude halten zu dürfen. 3 « Die Lehrer der<br />

Stadtschule beschwerten sich daraufhin bei der Fürstlichen<br />

Oberschulkommission. Diese übergab die Angelegenheit »zu<br />

einer Untersuchung von Seite der Lokal-SchulCommihsion,<br />

um auf Erfund der Umstände ... zu beschließen, ob dem<br />

fraglichen Privatsing-Unterricht ohne Hinderung und<br />

Benachteiligung des öffentl. Unterrichts der hiesigen Schuljugend,<br />

und der Funktion der Schullehrer statt gegeben<br />

werden könne, und somit der gedachte Singunterricht im<br />

Lokal der hiesigen Stadtschule fortzusetzen sey oder nicht. 4 «<br />

(Fortsetzung folgt)<br />

die Kuh von ihm weggetrieben, »welche sofort auch selben<br />

gepackt, ihme mehrere Stösse versezt, und mit Horn seine<br />

hirchlederne Hosen aufgeschlitzt habe«. Wären die beiden<br />

Metzger nicht herbeigeeilt, »der Glas Thone eüsserst unglüklich<br />

gewesen wäre. - Daß er die Stimme eines Kalbs nachgemacht<br />

habe, werde ihme niemand beweisen können«. Möglicherweise<br />

sei die Kuh »durch sein Humsen« aufmerksam<br />

geworden und »in der Meynung gewesen..., daß es eine<br />

Kalbstime seye«, sonst wäre sie wohl nicht auf ihn losgegangen.<br />

Die gleichfalls vorberufene Tochter des Hans Adam Buemiller<br />

gab an, ihre Kuh »seye immer unter dem Hirthen gelofen<br />

und niemals gegen selbe eine Beschwerdt, daß sie unfrom<br />

seye. Sie habe die Kuh am Freitag und Samstag vorher an den<br />

Bronnen getrieben, weil sie im Stall nicht habe saufen wollen,<br />

sie seye immer Lam from gewesen«. Wenn Salomon Abraham<br />

die Kuh nicht geneckt und die Stimme eines Kalbes nicht<br />

nachgeahmt hätte, wäre nichts passiert. Die bei demjuden auf<br />

der Bank gesessenen Leute könnten bezeugen, »das Salomon<br />

Abraham durch mehrmaliges schreyen wie ein Kalb die Kuh<br />

31


Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong> Geschichtsverein<br />

Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />

W <strong>3828</strong> <strong>FX</strong><br />

12000015.12 OA 01605.0<br />

HERRN<br />

AMTSRAT<br />

HEINZ ZEKORN<br />

KARLSTRASSE 18<br />

Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt. 7 4 8 0 SIGMAR INGEN 1<br />

aufgeritzt habe«. Schon mehrmals habeJud »Salmele« z.B.<br />

bei Johann Carrii, Philipp Freudemann und Xaveri Karg<br />

»derley Neckereyen an dem Vieh verübt«.<br />

Man hielt dem Salomon Abraham sein Leugnen vor und<br />

drohte, weitere Zeugen vorzuberufen. Darauf wollte er es<br />

doch nicht ankommen lassen, sondern gestand nun freiwillig<br />

ein, »daß er durch mehrmaliges schreüen wie ein Kalb diese<br />

Kuh aufgeschreckt und den ganzen Hergang veranlaßt habe«.<br />

Er machte das Angebot, falls die Kuh durch seine Veranlassung<br />

»den Fehler als bösartig beibehalten solte«, Hans Adam<br />

Buemiller die Kuh zu vergüten und Anton Hummel die<br />

zerrissene Hose zu ersetzen. Er bat das Gericht wegen seines<br />

verübten Mutwillens um eine milde Strafe. Das Stadtgericht<br />

Buchbesprechung<br />

Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg<br />

Vor kurzem erschien Band 3 (1983) dieser Veröffentlichung,<br />

die im Auftrag des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg,<br />

des »Förderkreises für die vor- und frühgeschichtliche<br />

Forschung in Baden« und der »Gesellschaft für Vor- und<br />

Frühgeschichte in Württemberg und Hohenzollern« herausgegeben<br />

wird. Wie in den vorhergehenden Bänden sind auch<br />

Funde im hohenzollerischen Raum beschrieben.<br />

Siedlungsreste der älteren und jüngeren Eisenzeit wurden bei<br />

Stetten u. H. Stadt Burladingen ausgegraben. In der Nähe<br />

von Stetten gab es bisher nur wenige Funde, die von einer<br />

frühen Besiedlung zeugen. Eine Fundstelle wurde neuerdings<br />

bei Kanalisationsarbeiten im Baugebiet »Eschle«, östlich der<br />

Straße Stetten-Erpfingen entdeckt. Es kamen Scherben und<br />

schwarze Verfärbungen von Pfostengruben zum Vorschein.<br />

420 qm wurden untersucht; dabei waren zahlreiche Pfostengruben<br />

und Wandgräbchen im helleren Lehmboden zu<br />

sehen. Die meisten Scherbenfunde und das Fragment eines<br />

Feuerbocks gehören in die Zeit der jüngeren Urnenfelderkultur.<br />

Ein Dutzend Scherben ist in die mittlere bis späte<br />

Hallstattzeit zu datieren, einige Scherben in die späte Latenezeit.<br />

Auch Eisenschlacken und Bohnerzklumpen wurden<br />

gefunden. Das Baugebiet »Eschle« wird von der Bodendenkmalpflege<br />

weiterhin beobachtet (n. H.Reim).<br />

HOH<strong>ENZOLLERISCHE</strong> <strong>HEIMAT</strong><br />

hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein.<br />

Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«<br />

ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will<br />

besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />

und der angrenzenden Landesteile mit der<br />

Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie<br />

bringt neben fachhistorischen auch populär<br />

gehaltene Beiträge.<br />

Bezugspreis: 8.00 DM jährlich.<br />

Konto der »Hohenzollerischen Heimat«:<br />

803843 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />

(BLZ 65351050).<br />

Druck:<br />

M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH & Co.,<br />

7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.<br />

32<br />

Die Autoren dieser Nummer:<br />

Gerhard Enderle<br />

Mörikestraße 5, 7411 Engstingen<br />

P. Dr. Ursmar Engelmann OSB<br />

Erzabt (res.)<br />

7792 Beuren<br />

Wolfgang Hermann<br />

Fischinger Straße 66, 7247 Sulz<br />

Pfr. fohann Adam Kraus<br />

Erzbischöfl. Archivar i. R.<br />

Badstraße 8, 7800 Freiburg-Littenweiler<br />

Hedwig Maurer<br />

Stettengasse 25, 7850 Lörrach<br />

Karl Werner Steim<br />

In der Au 30, 7480 Sigmaringen<br />

Rektor Otto Werner<br />

Friedrich-List-Straße 55<br />

7450 Hechingen<br />

verurteilte Salomon Abraham »als Stifter und uhrhaber dises<br />

Hergangs« zu einer 24stündigen Turmstrafe bei Wasser und<br />

Brot; außerdem hatte er dem Glashändler Anton Hummel<br />

Schadenersatz »wegen denen Hosen« zu leisten. Weil Hans<br />

Adam Buemillers Kuh wieder ganz ruhig geworden sei,<br />

müsse er keinen weiteren Ersatz leisten. Er wurde aber<br />

ernstlich verwarnt, »daß wan derselbe fernerhin durch<br />

muthwillen oder Policeywidrige Aufführung den mindesten<br />

Anlaß zu einer Beschwerde geben würde, er mit Stockstreich<br />

gezüchtiget und von hier ausgewiesen werden solle«.<br />

Quellennachweis:<br />

Stadtarchiv Hechingen, Stadtgerichtsprotokolle, Foliant A 16,<br />

1807-1818.<br />

Die Luftbildarchäologie befaßte sich im Jahr 1983 u. a. mit<br />

dem römischen Kastell Burladingen. Die Mittelgebäude, das<br />

Südtor und Teile der Ummauerung wurden durch negative<br />

Bewuchsspuren sichtbar. Außerhalb des Militärlagers,<br />

unmittelbar neben der Schleife der Bundesstraße 32, konnten<br />

einige Gebäudeumrisse sichtbar gemacht werden, darunter<br />

befindet sich ein großes Haus, möglicherweise ein Badgebäude<br />

(n. R. Gensheimer).<br />

Aus den beiden vorhergehenden Bänden ist zu erwähnen:<br />

»Ein frühmittelalterlicher Bestattungsplatz in Inneringen<br />

Gd. Hettingen, Krs. Sigmaringen« (H.Reim 1982).<br />

»Archäologische Untersuchungen in der St. Michaelskapelle<br />

in Gammertingen Krs. Sigmaringen« (E.Schmidt 1982).<br />

»Zum Abschluß der Ausgrabungen in der römischen Gutsanlage<br />

bei Hechingen-Stein, Zollernalbkreis (H.Reim 1981).<br />

Die »Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg«<br />

erscheinen jährlich und enthalten 50 bis 70 Beiträge<br />

bekannter Landesarchäologen. Die handlichen Bände sind<br />

sehr gut ausgestattet mit zahlreichen Fotos, Plänen und<br />

Zeichnungen. Die Reihe erscheint im Konrad Theiss Verlag,<br />

Stuttgart. Die Mitglieder der Gesellschaft für Vor- und<br />

Frühgeschichte in Württemberg bekommen das Buch als<br />

Jahresgabe zugeschickt (Anmeldungen als Mitglied an die<br />

Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte, Schillerplatz 1,<br />

Stuttgart 1).<br />

Schriftleitung:<br />

Dr. med. Herbert Burkarth,<br />

7487 Gammertingen (Telefon 07574/2329)<br />

Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />

persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />

diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge<br />

verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung<br />

sind als solche gekennzeichnet.<br />

Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />

werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />

Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische<br />

Heimat« weiter zu empfehlen.


HOH<strong>ENZOLLERISCHE</strong><br />

<strong>HEIMAT</strong><br />

Herausgegeben vom<br />

Bad Imnau: Pfarrkirche St. Jakobus 1779-1784<br />

M <strong>3828</strong> F<br />

Hohenzollerischen Geschichtsverein<br />

34. Jahrgang Nr. 3 / September 1984


HANS PETER MÜLLER<br />

Imnau im Mittelalter<br />

Die erste urkundliche Erwähnung Imnaus ist eng mit der<br />

Gründung des Schwarzwaldklosters Reichenbach im Jahre<br />

1082 verbunden, weshalb die Gemeinde auch unlängst ihr<br />

900jähriges Jubiläum feiern konnte und aus diesem Anlaß ein<br />

Heimatbuch herausgegeben hat. Da jedoch in dieser Ortschronik<br />

die mittelalterliche Geschichte nur in sehr knapper<br />

Form dargestellt wurde, soll hier ein etwas genauerer Uberblick<br />

über diesen Zeitraum gegeben werden. Dabei richtet<br />

sich das Hauptaugenmerk auf die Herrschaftsverhältnisse im<br />

Spätmittelalter, und zwar aus folgendem Grund. Einerseits<br />

bildete Imnau einen Bestandteil der Herrschaft Haigerloch,<br />

andererseits nahm es aber insofern eine Sonderstellung ein,<br />

als es gleichzeitig ein hohenbergisches bzw. österreichisches<br />

Mannlehen war.<br />

Die Reichenbacher Schenkung<br />

Uber die Entstehung des Klosters Reichenbach im Schwarzwald<br />

und die dabei erfolgte Schenkung in Imnau berichtet<br />

sowohl das Reichenbacher Schenkungsbuch als auch, in<br />

etwas verkürzter Form, der Hirsauer Kodex 1 . Die Gründung<br />

Reichenbachs erfolgte Mitte Mai 1082 durch den Hirsauer<br />

Abt Wilhelm, der zu diesem Zwecke 8 Mönche und Laienbrüder<br />

in das Murgtal schickte. Besondere Verdienste bei der<br />

Gründung des neuen Klosters haben sich zwei Personen<br />

erworben, zum einen der Edelfreie Bern von Fischbach, der<br />

den Grund und Boden für die zu errichtende Zelle hergab,<br />

und zum andern Ernst von Geisenheim, der ansehnliche<br />

Eigengüter im Rheingau schenkte. In der Überlieferung wird<br />

Ernst sogar als »provisor et quasi pater secundus«, d. h.<br />

Vorsteher und gleichsam zweiter Vater, bezeichnet. Im einzelnen<br />

schenkte er seinen Besitz in Essenheim und Geisenheim<br />

sowie in Heimsheim, was jedoch alles gegen anderen,<br />

nähergelegenen eingetauscht wurde. Die Güter in Heimsheim<br />

wurden gegen solche in Ditzingen eingetauscht und die<br />

Güter in Essenheim und Geisenheim gegen solche in Sulzau<br />

und Imnau, die von dem Freien Engelbold vn Elsoff<br />

stammten.<br />

Die Übergabe der drei eingetauschten Besitzungen an das<br />

Kloster erfolgte offenbar erst bei dessen Weihe, die am<br />

22. September 1085 durch den Bischof Gebhard von<br />

Konstanz vorgenommen wurde. Nach dem Tode von Abt<br />

Wilhelm im Jahre 1091 wurden die Schenkungen Emsts an<br />

Reichenbach durch den neuen Hirsauer Abt Gebhard bestätigt,<br />

wobei wir erfahren, daß die Güter in Imnau als Jahrtagsstiftung<br />

für Ernst dienten.<br />

Obwohl der Imnauer Besitz ziemlich weit entfernt lag, hat<br />

ihn das Kloster doch nicht abgestoßen, sondern auf Dauer<br />

behalten. Diesem Umstand verdanken wir auch einige interessante<br />

Klosterurkunden über Imnau aus dem Spätmittelalter.<br />

So vertauschte Reichenbach im Jahre 1355 von seinem<br />

hiesigen Besitz zwei Äcker gegen einen anderen, der in den<br />

Hof der Gebrüder Hans und Heinz Amman von Haigerloch<br />

gehörte. Dieser Acker war »hinter der Kilchen« gelegen,<br />

womit wir das erste Zeugnis über ein Gotteshaus in Imnau<br />

haben. Im Jahre 1246 mußte ein aus Horber Bürgern bestehendes<br />

Schiedsgericht einen Streit zwischen dem Reichenbacher<br />

Prior und einem Imnauer wegen eines Hofs schlichten.<br />

Etwa um dieselbe Zeit entschied ein anderes Schiedsgericht<br />

über Streitigkeiten zwischen dem Prior und den Untertanen<br />

(armen Lüten) des Volz von Weitingen zu Imnau wegen eines<br />

weiteren Hofs 2 .<br />

34<br />

Wie groß der Reichenbacher Besitz in Imnau war, hat<br />

K. F. Eisele in seinem Historischen Atlas der Grafschaft<br />

Zollern anhand des Klosterlagerbuchs von 1587 aufgezeigt 3 .<br />

Er bestand damals aus 9 Höfen mit einer Gesamtfläche von<br />

176Jauchert Äckern und 37 Mannsmahd Wiesen.<br />

Bestandteil der Herrschaft Haigerloch<br />

In zahlreichen Quellen aus dem 14. und 15. Jahrhundert,<br />

seien es Urkunden, Steuerlisten oder Lagerbücher, erscheint<br />

Imnau stets als Bestandteil der Herrschaft Haigerloch. So<br />

wird es bereits in einer Urkunde von 1368 zu jenen 9 Dörfern<br />

gezählt, die zur Haigerlocher Unterstadt gehörten 4 . Als im<br />

Jahre 1392 die ganze Herrschaft Haigerloch von Herzog<br />

Leopold von Österreich an die Herren von Weitingen verpfändet<br />

wurde, wird Imnau ebenso genannt wie später im<br />

Jahre 1436 bei der Auslösung und Weiterverpfändung an die<br />

Freiherrn von Stoffeln.<br />

Folgerichtig finden wir Imnau auch in den verschiedenen<br />

hohenbergischen Steuerlisten, die es aus der Zeit nach dem<br />

Übergang der Herrschaft Hohenberg an Österreich gibt. Als<br />

nach 1384 eine erste Schätzung in Hohenberg durchgeführt<br />

wurde, zahlten die Imnauer 8 Pfund Heller; eine recht<br />

bescheidene Summe, die von den insgesamt 11 Haigerlocher<br />

Dörfern die zweitniedrigste war. Bei der großen Schätzung<br />

im Jahre 1394 hatte jeder Untertan in Hohenberg den 20. Teil<br />

seines Vermögens als Sondersteuer abzuführen. Damals gab<br />

es in Imnau 7 Steuerzahler mit einem Gesamtvermögen von<br />

253 Pfund Heller, wovon also 5 Prozent oder 12 Pfund<br />

13 Schilling bezahlt wurden 5 . In der Liste der 13 Haigerlocher<br />

Dörfer rangierte Imnau nach der Zahl der Steuerzahler<br />

an viertletzter Stelle und nach der Höhe des Gesamtvermögens<br />

an drittletzter Stelle. Bei einem Durchschnittsvermögen<br />

von 36 Pfund besaß der ärmste Imnauer 6 Pfund und der<br />

reichste 100 Pfund.<br />

Auch in den beiden Haigerlocher Lagerbüchern, die während<br />

der Herrschaft der Erzherzogin Mechthild in den Jahren 1458<br />

und 1472 angelegt wurden, ist Imnau mit seinen Abgaben<br />

aufgeführt 6 . Danach hatte die Bauernschaft eine jährliche<br />

Geldsteuer in Höhe von 4 Pfund Heller zu leisten sowie eine<br />

Kornsteuer von 2 Malter Vesen (= Dinkel) und 2 Malter<br />

Haber Haigerlocher Meß. An Grundzinsen bezog die Herrschaft<br />

zusammengenommen 1 Pfund Heller und 3 Malter<br />

Haber aus folgenden Gütern: dem Widemhof, dem Lutzenlehen,<br />

dem Wickengut und den drei Reichenbacher Höfen.<br />

Ferner hatte jedes Haus »das der Herrschaft ist« jährlich<br />

3 Hühner und eine Fasnachtshenne zu geben, was im Jahre<br />

1472 jedoch nur für 6 Häuser galt. Von den Leibeigenen der<br />

Herrschaft wurde das Hauptrecht eingezogen und »die der<br />

Herrschaft zugehörnd« hatten dienstbar zu sein wie die<br />

andern.<br />

Aus den hier angedeuteten Einschränkungen geht schon<br />

hervor, daß es noch einen anderen Herren im Ort gegeben<br />

haben muß, was auch durch das Fehlen der »Frevel« bestätigt<br />

wird, die bei den übrigen Dörfern stets angegeben wurden.<br />

Die Frevel, und das bedeutet soviel wie die Gerichtsbarkeit,<br />

mußten also einem anderen Herren zugestanden haben, dem<br />

eigentlichen Ortsherren. Diese Ortsherren, das sei hier vorweggenommen,<br />

waren zur damaligen Zeit die Herren von<br />

Weitingen, die das Dorf als Mannlehen von den Herzögen<br />

von Österreich trugen.


Hohenbergisches Mannlehen<br />

Neben den obengenannten Quellen über die Herrschaft<br />

Haigerloch haben wir noch andere, für Imnau sehr aufschlußreiche<br />

Zeugnisse ins Auge zu fassen, insbesondere die<br />

hohenbergischen Lehenregister und Lehenurkunden. Als<br />

erstes ist dabei ein Lehenrodel des Grafen Rudolf von<br />

Hohenberg aus der Zeit um 1325 heranzuziehen 7 . Darin<br />

werden als Lehenleute aufgeführt einmal ein Ulrich von<br />

Imnau und zum andern »der Maiger« von Imnau, wobei<br />

leider nicht gesagt wird, welcher Art die betreffenden Lehen<br />

waren.<br />

Nun hat aber V. Schäfer in seiner Dissertation über die<br />

Grafen von Sulz festgestellt, daß es sich bei diesem Dokument<br />

nicht um einen hohenbergischen, sondern um einen<br />

Sulzer Lehenrodel handelt, der von Graf Berthold von Sulz<br />

aus der Zeit um 1315 stammt. In der Tat lassen sich viele der<br />

darin genannten Lehen später im Besitz der Sulzer Grafen<br />

nachweisen, doch scheinen einige davon an die Grafen von<br />

Hohenberg bzw. an deren Nachfolger, die Herzöge von<br />

Osterreich, gelangt zu sein, so auch die Imnauer Lehen.<br />

Aus der Zeit nach dem Tode des Grafen Rudolf III. von<br />

Hohenberg (1389) gibt es ein ausführliches Verzeichnis von<br />

hohenbergischen Lehen, und darin finden sich gleich vier<br />

Einträge über Imnau: 8<br />

1. Konrad Zimerlin (Träger: Hans von Leinstetten): das Dorf<br />

Imnau mit der Vogtei;<br />

2. Friedrich Büringer von Haigerloch: Güter im Dorf Imnau;<br />

3. Hans von Dettingen: Güter zu Imnau;<br />

4. Kloster Kirchberg (Träger: Bentz Amman von Rottenburg):<br />

Güter, die Hans Amman von Haigerloch zu Imnau<br />

gehabt hat.<br />

Um beim letzten Lehen anzufangen, so wurde dessen Vorbesitzer<br />

Hans Amman von Haigerloch gleich mitgenannt.<br />

Dieser Hans Amman hatte seine Güter in Imnau als Jahrtagsstiftung<br />

dem Kloster Kirchberg vermacht, das im Jahre 1383<br />

von Graf Rudolf von Hohenberg damit belehnt wurde. Das<br />

Lehensverhältnis wurde aber später aufgelöst, als Herzog<br />

Leopold von Osterreich 1392 das Eigentumsrecht den<br />

Klosterfrauen schenkte 9 .<br />

Auch die Vorgänger des Hans von Dettingen sind uns<br />

bekannt aufgrund einer Urkunde vom Jahre 1367 10 . Damals<br />

verkaufte Contz Zimmerli an Diem von Dettingen mehrere<br />

Güter in Imnau, die zusammen 10 Malter Roggen zinsten,<br />

um 100 Pfund Heller. Zwar wird in der Verkaufsurkunde<br />

nichts von einem hohenbergischen Lehen gesagt, doch darf<br />

man ein solches wohl annehmen.<br />

Mit Contz Zimmerli haben wir zugleich den Vater jenes<br />

Konrad, der nach 1389 das interessanteste hohenbergische<br />

Mannlehen hatte, nämlich das Dorf selbst mit der Vogtei, was<br />

soviel heißt wie die niedere Gerichtsbarkeit oder Ortsherrschaft.<br />

Ob allerdings schon Contz das Dorf als Lehen<br />

innehatte oder sogar dessen Vorfahren, läßt sich nicht mit<br />

Bestimmtheit sagen. Jedenfalls werden die Zimmerli oder<br />

Zimmerer bereits seit dem Ende des 13. Jahrhunderts im<br />

Gefolge der Grafen von Hohenberg genannt, wobei man den<br />

Ritter Wernher Zimmerli hervorheben könnte, der im Jahre<br />

1296 hohenbergischer Vogt in Haigerloch war. Dem Namen<br />

nach zu urteilen, dürften die Zimmerli aus dem benachbarten<br />

Heiligenzimmern stammen.<br />

Nach dem obengenannten Lehenregister hatte also Konrad<br />

Zimmerli nach 1389 das Dorf Imnau als hohenbergisches<br />

Lehen inne, trug es aber nicht persönlich, denn für ihn<br />

fungierte Hans von Leinstetten als Lehensträger. Den Grund<br />

dafür kennen wir nicht, doch könnte Konrad vielleicht<br />

minderjährig gewesen sein. Aus dem Jahre 1395 haben wir<br />

dann ein urkundliches Zeugnis von ihm, als er sein Fischwasser<br />

in der Eyach bei Imnau um 40 Pfund Heller an den Ritter<br />

Volz von Weitingen verpfändete 11 . Unter den Zeugen dieser<br />

Verpfändung befand sich auch sein Bruder Hans, und dieser<br />

sollte wenig später das ganze Dorf an die Weitinger verkaufen.<br />

Die Herren von Weitingen<br />

Die Herren von Weitingen besaßen, wie schon erwähnt<br />

wurde, seit 1392 die Herrschaft Haigerloch als Pfand von<br />

Österreich, so daß es naheliegend war, auch das Dorf Imnau<br />

zu erwerben. Tatsächlich kauften die Weitinger dann auch<br />

das Dorf, und zwar am 27. Juli 1402. Allem Anschein nach ist<br />

die Verkaufsurkunde nicht mehr vorhanden, doch kennen<br />

wir ihren wesentlichsten Inhalt aus einem späteren Registraturbuch<br />

der Herrschaft Haigerloch 12 . Darin steht folgende<br />

kurze Notiz:<br />

»Hans Zimmerli verkauft Herrn Voltz von Weitingen, Rittern,<br />

das Dorf Imnau mit seiner Zugehör um 659 fl.«<br />

(Gulden)<br />

Nach dem Tode des Ritters Volz fiel der beträchtliche<br />

Weitinger Besitz an seine beiden Söhne Konrad und Volz, die<br />

im Jahre 1410 eine Erbteilung vornahmen. Leider kennen wir<br />

nur den Erbteil Konrads, der aus der Burg Frundeck mit<br />

Ahldorf und dem Dorf Sulzau bestand; es läßt sich aber<br />

erschließen, daß Volz Burg und Dorf Mühringen sowie<br />

Imnau erhalten haben muß.<br />

Als Ortsherr von Imnau tritt Volz von Weitingen nur einmal<br />

in Erscheinung in der bereits erwähnten Schlichtungsurkunde<br />

zwischen dem Prior von Reichenbach und seinen<br />

Imnauer Untertanen aus der Zeit um 1425. Im Jahre 1442 ist<br />

Volz als Hauptmann der Herrschaft Hohenberg gestorben<br />

und ein Jahr später verkaufte seine Witwe Anna von Dettingen<br />

ihrem Sohn aus erster Ehe, dem Truchsessen Wolf von<br />

Waldeck, ihr gesamtes Heiratsgut, worunter sich auch zwei<br />

Höfe in Imnau befanden. Wolf hat später übrigens den<br />

gesamten Besitz an das Kloster Alpirsbach verkauft 13 .<br />

Aus seiner ersten Ehe hinterließ Volz zwei Söhne mit Namen<br />

Konrad und Friedrich. Ersterer, der sich zur Unterscheidung<br />

von seinem Onkel, dem Ritter Konrad, als »der Jüngere«<br />

bezeichnete, wurde im Jahre 1458 von der Erzherzogin<br />

Mechthild von Österreich mit dem Dorf Imnau »mitsampt<br />

der Vogty und dem Gericht daselbst« belehnt. Konrad ist<br />

jedoch wenig später gestorben, worauf Imnau an seinen<br />

Bruder Friedrich fiel, der 1464 die Belehnung von der<br />

Erzherzogin Mechthild empfing 14 .<br />

Friedrich von Weitingen und sein Onkel, der alte Ritter<br />

Konrad, haben sich um Imnau besonders verdient gemacht,<br />

indem sie hier eine Kaplaneipfründe stifteten. Im Dezember<br />

1468 bestätigte der Bischof von Konstanz die Stiftung der<br />

beiden Weitinger in der Kapelle »Beatae Mariae Viginis ac SS.<br />

Jacobi et Michaelis« und im März des darauffolgenden Jahres<br />

investierte er mit Christoph Sutoris von Binsdorf den ersten<br />

Kaplan in Imnau 15 . Das Präsentationsrecht der neuen Kaplanei<br />

stand aber nicht den Stiftern zu, sondern dem Pfarrer von<br />

Bierlingen, der Imnauer Mutterkirche.<br />

Nicht nur in kirchlicher, sondern auch in »kommunaler«<br />

Hinsicht ist die Zeit Friedrichs von großem Interesse für<br />

Imnau, denn aus ihr stammen die ersten urkundlichen Zeugnisse<br />

über die Gemeinde. Entstanden sind diese Zeugnisse,<br />

wie bei den meisten andern Dörfern auch, aus Anlaß von<br />

Streitigkeiten. So wurde im Jahre 1480 vor dem Dorfgericht<br />

von Empfingen ein Streit zwischen »Schultheiß, Richtern<br />

und Gemeinde« des Dorfes Imnau und der Nachbargemeinde<br />

Wiesenstetten geschlichtet, bei dem es um eine Zufahrt ging.<br />

Sieben Jahre später entschieden »Schultheiß und Richter« von<br />

Imnau eine Klage des Klosters Kirchberg gegen zwei Imnauer<br />

wegen eines Ackers, aus dem das Kloster Zinsen bezog. Die<br />

35


etreffende Urkunde wurde von Junker Volz von Weitingen<br />

besiegelt 16 .<br />

Nach dem Tode seines Onkels hatte Friedrich von Weitingen<br />

die Herrschaft Wehrstein geerbt, die gleichfalls hohenbergisches<br />

Lehen war, so daß er im Jahre 1483 von Erzherzog<br />

Sigmund von Österreich sowohl mit Wehrstein als auch<br />

Imnau belehnt wurde. Als er 1488 starb, erbten seine beiden<br />

Söhne Hans und Friedrich den gesamten Weitinger Besitz<br />

und 1489 wurden sie von Erzherzog Sigmund mit Wehrstein<br />

und Imnau belehnt. Bei einer Teilung fiel Imnau zwar an<br />

Wilhelm, doch verkaufte er das Dorf später an seinen Bruder,<br />

worauf dieser im Jahre 1507 von König Maximilian damit<br />

belehnt wurde. Nur ein Jahr später, am 13. März 1508,<br />

verkaufte Hans von Weitingen, der damals württembergischer<br />

Obervogt vorm Schwarzwald war, das Dorf Imnau um<br />

1600 Gulden an den Grafen Eitelfriedrich von Zollern 17 .<br />

Um das Bild abzurunden, sei erwähnt, daß Hans im Jahre<br />

1516 auch noch die Herrschaft Wehrstein samt dem Dorf<br />

Dettensee um 15000 Gulden an die Grafen von Zollern<br />

verkaufte. Allerdings ist es wegen dieser beiden Verkäufe zu<br />

Auseinandersetzungen mit Österreich gekommen, weil sie<br />

offenbar ohne lehensherrlichen Konsens erfolgt waren. Den<br />

Zollern wurden sogar die beiden Lehen entzogen, doch<br />

GERHARD EGER<br />

200 Jahre Kirche und Pfarrei Imnau<br />

Die Kaplanei Imnau<br />

Das Kapitel Haigerloch als kirchlicher Verband gehörte seit<br />

seiner Entstehung zum ehemaligen Bistum Konstanz. Diesem<br />

Kapitel zugeteilt war auch die große Urpfarrei Bierlingen,<br />

deren Kirche schon zu Beginn des 9. Jahrhunderts<br />

erwähnt wird. Bei dieser Pfarrei taucht Imnau als Kaplanei<br />

des Jakobus im Jahre 1468 im Subsidienregister auf. Kaplanei<br />

bedeutete, daß die Gemeinde keinen eigenen Pfarrer hatte<br />

und als Filiale von der Mutterkirche aus seelsorgerlich betreut<br />

wurde. Ein »Kirchlein« war im Ort vorhanden. Auch taucht<br />

bereits 1469 ein Kaplan der »Capellam Jakobi et Michaelis im<br />

Ort Ymenow« auf. Doch der wohnte nicht immer hier,<br />

obwohl die Pfründe ein eigenes Kaplaneihaus besaß. Er<br />

durfte bloß die heilige Messe lesen, zu anderen seelsorgerlichen<br />

Funktionen war er weder berechtigt noch verpflichtet.<br />

Die Gemeindeangehörigen mußten an Sonn- und Feiertagen<br />

den Pfarrgottesdienst in Bierlingen besuchen. Die hiesige<br />

Kirche hatte weder einen Taufstein, noch wurden in ihr das<br />

Allerheiligste und die hl. Öle aufbewahrt. Die Toten mußten<br />

in Bierlingen beerdigt werden, ebenso wurden die neugeborenen<br />

Kinder dort getauft. Kranke starben oft ohne die<br />

Sterbesakramente auf dem Weg dorthin oder bis der Pfarrer<br />

aus Bierlingen eintraf. Die schlechten Wege, die weite Entfernung<br />

und die Unbilden der Witterung hinderten besonders<br />

die Kinder, altersschwache und kranke Leute am Besuch der<br />

Gottesdienste. Die Jugend wuchs ohne Bildung und den<br />

nötigen Unterricht heran.<br />

Im Jahre 1683 wurden die verschiedenen Pfarreien Haigerlochs,<br />

Weildorf und Trillfingen zu einer Union zusammengeschlossen.<br />

Diese Pfarrei hatte nun 1 Pfarrer und 4 bis 5<br />

Kapläne. Aus dieser Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse<br />

ist zu entnehmen, daß der Oberfrühmesser von Haiger-<br />

36<br />

konnten sie sich schließlich mit Kaiser Maximilian einigen<br />

und ihren Besitz wiedererlangen.<br />

Anmerkungen:<br />

1<br />

Württ. Urkundenbuch Bd. 1 S. 284, Bd. 2 S. 391 ff. und Württ.<br />

Vierteljahreshefte 1887 S. 54f.<br />

2<br />

HStA Stgt A 516 Nr. 114 und 115.<br />

3<br />

Studien zur Geschichte der Grafschaft Zollern und ihrer Nachbarn,<br />

Stuttgart 1956, S. 28f. und 60.<br />

4<br />

Monumenta Hohenbergica Nr. 603.<br />

5<br />

K. O. Müller, Quellen zur Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte<br />

der Grafschaft Hohenberg, 1. Bd. (1953) S. 1 und 101.<br />

6<br />

E. Blessing, Stadt und Herrschaft Haigerloch im Mittelalter,<br />

Sigmaringen 1974, S. 64f. und 80-84.<br />

7<br />

Zs. für württ. Landesgeschichte 6 (1942) S. 89.<br />

8<br />

K. O.Müller, aaO.S. 134 und 142.<br />

' Mon. Höh. Nr. 683 und HStA Stgt. B 462 S. 728.<br />

10<br />

HStA Stgt. A 470 Nr. 402.<br />

11<br />

FAS, Haigerloch R 48 Nr. 7.<br />

12<br />

HStA Stgt. A 193 Bü 48.<br />

13<br />

HStA Stgt. A 470 Nr. 341 und 438.<br />

14<br />

HStA Stgt. B 31 Bü 394 und FAS, Haigerloch R 102 Nr. 16.<br />

15<br />

Die Investiturprotokolle der Diözese Konstanz aus dem 15. Jahrhundert,<br />

FDA 66 (1938) S. 420f.<br />

16<br />

StAS Ho 177 Nr. 54 und HStA Stgt. B 462 Nr. 479.<br />

17<br />

FAS, Ausgef. Akten Sigm. R 102 Nr. 7.<br />

loch jeden 3. Sonn- und Feiertag und wöchentlich eine hl.<br />

Messe in Imnau zu lesen, sowie Kinderlehre zu halten hat.<br />

Die Predigt wurde ihm freigestellt. Er erhielt dafür Einkünfte<br />

aus der Kaplanei. Doch konnte dieser Zustand die Bevölkerung<br />

auch nicht zufriedenstellen.<br />

Wahrscheinlich auf Betreiben der Gemeinde wurde die<br />

Kaplanei Imnau durch bischöfliche Urkunde vom 3. Januar<br />

1701 von der Oberfrühmeß Haigerloch getrennt und wieder<br />

von Bierlingen aus betreut.<br />

1705 unternahm die Gemeinde beim Bischof Johann Franz in<br />

Konstanz den Versuch, sich von der Mutterkirche zu lösen.<br />

Die Errichtung des Fürstenbaus 1733 gab erneut Gelegenheit,<br />

einen Anlauf für eine selbständige Pfarrei zu unternehmen.<br />

Neben den schon bekannten Gründen wird nun noch<br />

erwähnt, daß »Freunde des Landesfürsten im hiesigen Sauerbronnen<br />

ankommen und sie mit Leibesschwachheit befallen<br />

werden könnten, welcher dann bei den vorhandenen<br />

Umständen einer Filiale nicht auf die nötige Art begegnet<br />

werden könnte«.<br />

Das nächste Begehren wurde 1746 vorgebracht, daraufhin<br />

wurde der Pfarrei die »Provisiones« gestattet.<br />

Bei ihren ablehnenden Bescheiden führte die Kirchenbehörde<br />

stets denselben Grund an: Die Gemeinde ist mit ihren<br />

Einkünften nicht in der Lage, wirtschaftlich einen Pfarrer zu<br />

unterhalten.<br />

Gründung der Pfarrei<br />

Im Urbarium von 1817 ist darüber zu lesen: »Endlich erreichten<br />

die Bitten und Flehen ihr Ziel. Die höchsten Behörden<br />

beherzigten mit inniger Anteilnahme den verlassenen


Zustand der Gemeinde und sandten eine Kommission nach<br />

Imnau, welche am 15. September 1783 damit begann, die oft<br />

erhobenen Beschwerden der Gemeinde zu untersuchen.<br />

Viele Schwierigkeiten stellten sich den Verhandlungen, doch<br />

siegten die Gründe der Gemeinde und sie wurde endlich als<br />

selbständige Pfarrei erklärt.«<br />

Das Erectionsinstrument vom 5. Mai 1784 besiegelte die<br />

Trennung von der Mutterkirche Bierlingen. In 8 Punkten<br />

wurden die Bedingungen dieses Vertrages festgelegt, eine<br />

davon verpflichtete die Gemeinde Imnau, eine Entschädigung<br />

von 400 Gulden an die Pfarrei Bierlingen zu bezahlen.<br />

Die bischöfliche Behörde gestattete jedoch, daß mit Rücksicht<br />

auf die anderen finanziellen Opfer dieser Betrag nach<br />

dem Tode des ersten Pfarrers aus den Einkünften der Pfarrei<br />

an die Gemeindekasse zurückerstattet werden müsse.<br />

Die Hauptschwierigkeit der Verhandlungen war der künftige<br />

Unterhalt des neuen Pfarrers. Sein Einkommen wurde im<br />

Seperationsprotokoll vom 19. September 1783 festgelegt:<br />

An barem Geld Gulden Kreuzer<br />

Von der Gemeinde 20<br />

Von der hl. Fabrik (Heiligenpflege) 1 17<br />

Hellerzinsen 10<br />

Jahrtagen 10 28<br />

An Früchten von der Gemeinde<br />

4 Malter Veesen 20<br />

2 Malter Hafer 6 24<br />

An Gülten (Zinsen in Naturalien)<br />

1 Malter 10 Viertel Roggen 13<br />

2 Viertel Hafer 27<br />

An Fruchtzehnten<br />

Von 48 Jauchert 70 25<br />

An Heuzehnten<br />

20% Mansmaad 10 22<br />

Aus eigenen Gütern<br />

Ertrag aus 3V4 Jauchert Ackerfeld 35 32<br />

5 Mansmaad Wiesen 100<br />

An Holz<br />

Aus den Pfarrwaldungen 18 Klafter 54<br />

1800 Reisigbüschel 6<br />

Kraut- und Hanfland 4<br />

Diese Erträge standen bisher dem jeweiligen Kaplan zu.<br />

Daneben bezog der Pfarrer aus Bierlingen folgende Gefälle<br />

aus Imnau:<br />

Gulden Kreuzer<br />

Fruchtzehnten aus 7 Jauchert Acker 14 28<br />

Klee- und Heuzehnten 32<br />

Obst- und Krautzehnten 10<br />

Flachs-, Hanf-, Rübenund<br />

Kartoffelzehnten 12<br />

Blutzehnten (Geburt junger Tiere) 5<br />

Stolgebühren (Taufen, Trauungen u. ä.) 6<br />

2% Jauchert von der Gemeinde 30<br />

Daneben bewilligte die Gemeinde dem Pfarrer einen Platz für<br />

einen Küchengarten, auch durfte er so viel Vieh auf die Weide<br />

treiben als er halten konnte. Weiter wurde ihm das gleiche<br />

Recht beim Bürgernutzen, der Schäferei, dem Pferch und.der<br />

Beholzung zugestanden wie jedem Bürger.<br />

Das gesamte jährliche Einkommen des Pfarrers betrug demnach<br />

471 Gulden 23 Kreuzer (1 Gulden = 60 Kreuzer). Dabei<br />

muß aber bedacht werden, daß die Zehnten eine recht<br />

schwankende Einnahmequelle darstellten, da sie von der<br />

Fruchtbarkeit der Felder und den Preisen der Naturalien<br />

abhängig war.<br />

Der Einzug der Zehnten oblag dem Pfarrer selbst, was zu<br />

vielen Streitigkeiten mit der Gemeinde führte. So erging es<br />

dem ersten Pfarrer Weßner. Durch fehlerhafte Listen und<br />

Aufzeichnungen und der persönlichen Gleichgültigkeit sei-<br />

ner Vorgänger erhielt er nur einen Teil seiner Einkünfte, so<br />

daß er nie ein sicheres Einkommen hatte und sich auf die<br />

Ehrlichkeit und Unterstützung seiner Pfarrkinder verlassen<br />

mußte. Auch seinem Nachfolger erging es nicht anders.<br />

Spannungen um den Kleezehnten führten 1813 zum Streit,<br />

der zu Gunsten des Pfarrers entschieden wurde. Er war dann<br />

seiner Stelle so entleidet, daß er die Gemeinde ein Jahr später<br />

verließ.<br />

Um neuerliche Streitigkeiten zu vermeiden, wurde vom<br />

Pfarrer Sebastian Buick 1817 beim Oberamt der Antrag auf<br />

eine genaue Erhebung (Urbarium) aller Pfarrgefälle gestellt<br />

und auch bewilligt. Sie erbrachte in wesentlichen Punkten<br />

eine Erhöhung seiner Einkünfte.<br />

Die Pfarrkirche<br />

Bereits vor der jetzigen Kirche war in der Gemeinde ein<br />

»Kirchlein« vorhanden, das sich, wie 1778 berichtet, in einem<br />

solch baufälligen Zustand befand, daß es täglich einzustürzen<br />

drohte und die Schäden auch durch eine gründliche Reparatur<br />

nicht mehr zu beheben waren. Man faßte den Entschluß, eine<br />

ganz neue Kirche zu bauen. Dieses Vorhaben brachte allein<br />

vom künftigen Standort der Kirche große Probleme für die<br />

Bewohner. Man war sich des Platzes wegen sehr uneinig und<br />

eine fürstliche Kommission nahm die 3 vorgeschlagenen<br />

Plätze näher in Augenschein. Nach ihrem Bericht an den<br />

Fürsten vom 18. Mai 1778 ist die Rede von einem oberen<br />

Platz, welcher auch vom damaligen Dekan Waldraff gutgeheißen<br />

wurde. Nachteilig wurde daran die weite Entfernung<br />

zum Badehaus befunden. Ein weiterer Mangel war, daß erst<br />

wenige Jahre zuvor ein Wasserausbruch bei einem Gewitter<br />

viel Schaden an den umliegenden Behausungen verursachte.<br />

Es bestand die Befürchtung, ähnliches könnte sich wiederholen<br />

und das vom Berg stürzende Wasser dabei die Kirche<br />

beschädigen.<br />

Auch der Platz der alten Kirche stand zur Besichtigung an. Er<br />

wurde in dem Bericht ebenso abgelehnt, weil er folgende<br />

Mängel aufwies:<br />

- das bestehende Mesnerhaus müßte abgerissen und dafür<br />

ein neues gebaut werden,<br />

- es wäre notwendig allein für die neue Kirche wenigstens<br />

12 Schritte in den Berg zu graben, weil das neue Gebäude<br />

länger und breiter als das alte werden sollte. Weitere<br />

Abgrabungen wären notwendig, damit die hinteren Mauern<br />

vor Feuchtigkeit verschont blieben,<br />

- gegen den Berg könnten keine Fenster eingesetzt werden,<br />

damit während des Gottesdienstes durch herabfallende<br />

Steine kein Unglück eintrete,<br />

- der Baumeister Großbayer könnte sein Angebot nicht<br />

mehr halten und es wäre dann mit Kosten von 2500 wenn<br />

nicht gar 3000 Gulden zu rechnen.<br />

Auf dem dritten Platz steht das Haus des Kirchbiehler (auch<br />

Kirchbichler mögl.). Dieser würde es samt dem Hofraum<br />

unentgeltlich abtreten, wenn er dafür das alte Mesnerhaus<br />

und er sowie sein Sohn das Bürgerrecht der Gemeinde<br />

erhielte. Dieser Platz böte alle Vorteile, die für den Bau einer<br />

gesunden, schönen und dauerhaften Kirche gefordert werden.<br />

Ein Großteil der Einwohner wollte aber ihre Kirche, des<br />

Eigentümers wegen, nicht auf diesem Platz errichtet haben,<br />

dann lieber gar kein Gotteshaus.<br />

Es kam zu keiner Einigung mit den Kommissionsmitgliedern,<br />

so daß diese Angelegenheit wahrscheinlich von oben<br />

entschieden wurde.<br />

Man kann davon ausgehen, daß die heutige Kirche auf dem<br />

alten Kirchenplatz steht. Am 18. März 1778 bewilligte das<br />

Generalvikariat die Bitte der Gemeinde, »die Filialkirche von<br />

Imnau Pfarrei Bürlingen abzubrechen und aufzubauen, den<br />

Grundstein zu legen und zu segnen und für die Zeit des Baues<br />

37


auf einem Tragaltar zu zelebrieren«. Die Gottesdienste wurden<br />

während der Zeit des Aufbaus im Badehaus gehalten.<br />

Dieses hätte nicht geschehen brauchen, wenn die baufällige<br />

Kirche auf einem anderen Platz gestanden hätte. Die Fenster<br />

in der Wand gegen den Berg wurden möglicherweise durch<br />

eine Auffüllung des Platzes der alten Kirche ermöglicht. Die<br />

heutige Kirche steht wesentlich höher als die vorbeiführende<br />

Straße.<br />

Die Gemeinde schloß im Februar 1778 zu diesem Vorhaben<br />

einen Vertrag mit dem bekannten Baumeister Christian<br />

Großbayer aus Haigerloch ab. Von diesem ist auch noch ein<br />

Grundriß und eine Gesamtansicht an Plänen vorhanden.<br />

Jedoch stimmen diese mit dem ausgeführten Bau nicht überein.<br />

Mit dem Neubau wurde 1779 begonnen und 1783<br />

konnten die Arbeiten beendet werden. Bereits in der<br />

Anfangsphase zog Großbayer sich von dem Bau zurück.<br />

Einem Schriftstück vom 10. Mai 1779 ist zu entnehmen, daß<br />

»die löbliche Gemeinde Imnau entschlossen mit diesem<br />

Baumeister Matheis Pfeffer von birlingen einen acort von<br />

wegen diesem Kirchenbau zu machen«. Da aber der Maurermeister<br />

von Haigerloch noch eine Forderung von 50 Gulden<br />

habe, soll er sie auch erhalten.<br />

Auf diesem Schreiben machte Großbayer einen Tag später in<br />

Hechingen eine Anmerkung, die den Vorgang bestätigt.<br />

Darin heißt es u. a.: »Wenn die Gemeinde Imnau entschlossen<br />

ist, heuer noch zu bauen und ich unmöglich abkommen<br />

kann, so kann sie mit Wissen des Oberamts Haigerloch und<br />

mit Genehmigung mit mir wegen der ausgestreckten Unkosten<br />

abkommen. Da ist 320 Gulden bekommen habe, 341<br />

Gulden aber - ohne mein Verdienst - ausgelegt, so bin ich<br />

damit einverstanden, wenn sie mir noch 50 Gulden zuzahlen.<br />

Damit kann die Angelegenheit als erledigt angesehen<br />

werden.«<br />

Die Ausführung und Vollendung wird wohl von Pfeffer<br />

geleistet worden sein. Die Grunddisposition jedoch weist auf<br />

den Formenkreis Großbayers hin.<br />

Der Neubau der Kirche mußte von der politischen Gemeinde<br />

unter großen Opfern bezahlt werden. Damit wollte sie<br />

gleichzeitig ihren guten Willen unter Beweis stellen, einen<br />

eigenen Pfarrer unterhalten zu können. In der schon erwähnten<br />

Bewilligung des Generalvikariats wird erwähnt »dass, da<br />

diese Filialkirche früher vor allem für die Filialisten und von<br />

diesen gebaut wurde, nun auch die Kosten des neuen Baues<br />

sie allein belasten«.<br />

Möglicherweise war die lange Bauzeit auch durch Finanzierungsschwierigkeiten<br />

bedingt. Erst von den Jahren 1781 und<br />

1782 liegen Aufstellungen der Gemeinde für den Kirchenbau<br />

vor. Aus ihnen ist ersichtlich, daß 1781 für ein Kapital von<br />

1200 Gulden Zins bezahlt und weitere 150 Gulden samt Zins<br />

abgelöst wurden. Die Zinssätze lagen bei 3 bzw. 4 %. Weiter<br />

sind größere Beträge für Platten, Kalk, Gips, Schmiedearbeiten<br />

und den Stukkateur ausgewiesen. Auch mußte die<br />

Gemeinde für die Kirchenbauherren 2 Jahre lang je 5 Schafe<br />

auf der Weide laufen lassen.<br />

Am 5. August 1784 wurde das neue Gotteshaus durch<br />

Weihbischof Wilhelm Joseph Leopold von Baden feierlich<br />

eingeweiht und am folgenden Tag der neue Gottesacker, der<br />

um die Kirche angelegt war, eingesegnet. Der Friedhof ist<br />

dann 1831 an den jetzigen Platz außerhalb des Dorfes verlegt<br />

worden.<br />

Die Gemeinde hatte nun einen eigenen Pfarrer und ein neues,<br />

aber nicht vollendetes Gotteshaus. Es dauerte bis 1812, ehe<br />

Aloys Engelfried aus Mühringen den Auftrag erhielt, eine<br />

Orgel mit 8 Registern und 54 Claves zu bauen zum Preis von<br />

260 Gulden. Schwierigkeiten bestanden wegen der Ausfuhr<br />

aus dem benachbarten, nur 1 km entfernten Königreich<br />

Württemberg. Die Kirche war in den folgenden Jahren sehr<br />

38<br />

feucht, denn 20 Jahre später mußten große Teile der Orgel<br />

erneuert werden.<br />

Erst im Jahre 1824 konnte die Bevölkerung die Uhrzeit vom<br />

Kirchturm ablesen, denn Großuhrmachermeister Ackermann<br />

aus Eutingen installierte eine neue Uhr mit 2 Zeigwerken<br />

für 255 Gulden.<br />

Die ersten Hinweise auf Glocken stammen von 1829. Möglicherweise<br />

wurden erst 1899 die ersten Seitenaltäre, Josephsund<br />

Marienaltar, aufgestellt durch Altarbauer Hausch aus<br />

Horb, denn bei der großen Kirchenrenovation 1875 sind nur<br />

Kanzel, Hochaltar, Gestühl und Orgel aufgeführt. Dabei<br />

wurden besonders die Wände und Decken neu bemalt.<br />

Die Gemeinde hatte bereits damals Vorteile vom Badebetrieb,<br />

denn die Baukosten von 1459 Mark wurden aufgebracht<br />

von:<br />

Sammlung in der Gemeinde 803 Mark<br />

Badegäste und Herrschaften 636 Mark<br />

Opferstock in der Kirche 6 Mark<br />

Reparaturfond der Kirche 14 Mark<br />

Mit einer gründlichen Überholung des Hochaltars, er wurde<br />

in wesentlichen Teilen verändert oder neu gestaltet, wurde<br />

1879 die Renovation abgeschlossen.<br />

Die Bevölkerungsentwicklung machte es notwendig, das<br />

Gotteshaus und die Sakristei (sie war nur 7,5 qm groß) zu<br />

erweitern. Die Kirche bot Platz für 300 Personen. Pfarrer<br />

Sickinger, der 1925 in die Pfarrei kam, setzte sich tatkräftig<br />

für die Erweiterung ein. Schwierigkeiten bei der Planung<br />

brachte die Lage zum Berg. In der Kirche waren 2 Emporen,<br />

in Zukunft aber sollte der Übersichtlichkeit wegen nur noch<br />

eine vorhanden sein, dieser Umstand brachte einen weiteren<br />

Platzverlust mit sich. Nach vielen Varianten entschloß man<br />

sich, die Längswände bis zum Westabschluß des Turmes<br />

vorzuziehen, um so auch links und rechts neuen Platz zu<br />

gewinnen und auf der Empore Gelegenheit zur Aufstellung<br />

einer neuen Orgel zu erhalten.<br />

Die Pläne der Architekten Schilling und Lütkemeier aus<br />

Rottenburg wurden am 6. April 1934 genehmigt (Gebühr<br />

2,45 Mark). Der Voranschlag belief sich auf 16000<br />

Reichsmark, davon stiftete allein Pfarrer Sickinger 6000<br />

Mark. Nach Abrechnung beliefen sich die Kosten samt Orgel<br />

auf rund 24 000 Mark. Diese wurde von der Orgelbauanstalt<br />

Walcker aus Ludwigsburg aufgestellt, sie kostete 5400 Mark.<br />

Mit der Weihe des Anbaues mit Orgel wurde am 21. 10. 1934<br />

das 150jährige Jubiläum der Konsekration der Pfarrkirche<br />

verbunden. Die weltliche Feier fand im großen Kursaal des<br />

Stahlbades statt.<br />

Die jüngste große Renovation war unter Pfarrer Krämer, sie<br />

verschlang den stolzen Betrag von 280000 DM.<br />

Die beiden Weltkriege verlangten auch von der kleinen<br />

Kirche ihren Tribut. Jedesmal mußten Glocken und Orgelpfeifen<br />

an die Heeresverwaltung abgegeben und danach unter<br />

großen Opfern neu angeschafft werden.<br />

Kapläne und Pfarrer der Gemeinde<br />

Kapläne<br />

1469-1472 Arnold Kopp<br />

1472-1481 Ludwig Stainwand<br />

1481-1492 Georg Schärtlin aus Rottenburg<br />

1492-1497 Melchior Ower aus Wachendorf<br />

1497 Georg Schärtlin<br />

1520 Martin Pflüger<br />

Christopf Lyphain (keine Jahresangabe)<br />

1534-1547 Johannes Knechtlein (auch Hans Knecht)<br />

etwa 1550 Peter König<br />

1578 Michael Reuber<br />

1597-1615 Leonard Reyser


1615 Jakob Volk 1886 Kuno Schmid<br />

1672 Johann Balthasar Volk (später Stadtpfarrer in Haigerloch)<br />

1675 Johann Heinrich Salzhuber 1887 Pfarrstelle wird mit 2200 Mark ausgeschrieben<br />

1709 Johann Petrus Arnold 1887-1896 Otto Lenz<br />

1741 Johann Michael Weber 1897-1900 Friedrich Biermann Pfarrverweser<br />

1767-1775 Stephan Hammerbacher aus Rottenburg 1900-1906 Dr. Adolf Rösch<br />

1775-1784 Jakob Weßner aus Rottenburg<br />

(später Domkapitular in Freiburg)<br />

1906-1909 Sebastian Danner Pfarrverweser<br />

Pfarrer<br />

1909-1924<br />

1924-1925<br />

Hermann Schweizer<br />

Kaplan Karl Kreidler Pfarrverweser<br />

1784-1807 Jakob Weßner 1925-1936 Wilhelm Sickinger<br />

1809-1814 Augustin Pfister aus Gruol o. Heiligenzimmern 1936-1943 A. Waldenspul<br />

1814-1830 Sebastian Buick 1943-1946 W.Branner Pfarrverweser<br />

1831 Pfarrer Koz in Höfendorf für Imnau zuständig 1946-1949 L.Birkle<br />

1832 Pfarrverweser Zimmermann 1950 Pfarrer Reiber (stirbt nach 12 Tagen)<br />

1833-1847 Anton Back aus Haigerloch 1950-1955 Anton Volm aus Owingen<br />

1847 Fidel Stauggel 1955-1956 K. Enderle Pfarrverweser<br />

1847-1851 Karl Staudinger aus Sigmaringen 1956-1963 Wilhelm Frank<br />

1852 von Mühringen aus betreut 1963 Rudolf Kilian Pfarrverweser<br />

1853-1867 Franz Xaver Klaffschenkel aus Burladingen 1963-1981 Georg Krämer<br />

1867-1886 Valentin Sauter aus Langenenslingen seit 1981 Pater Otto Funk<br />

KARL WERNER STEIM<br />

Zur Baugeschichte der Kirche in Killer (Fortsetzung)<br />

Kirchenbeschreibung von 1865<br />

Im Zusammenhang mit der Baulasten-Ablösungsberechnung<br />

aus dem Jahr 1865 sind wieder interessante Daten über die<br />

Kirche überliefert 27 . Der Haigerlocher Baumeister Kapitzke<br />

erstellte eine genaue Baubeschreibung, aus der nachstehend<br />

zitiert ist, auch wenn es zu teilweisen Überschneidungen mit<br />

dem bisherigen Text kommt. Danach hatte das Langhaus der<br />

Kirche ein Länge von 63 Fuß, eine Breite von 35 Fuß und eine<br />

Höhe von 28,6 Fuß »zwischen dem Fußboden und dem<br />

Scheitel der gewölbartig verschalten und verputzten Balkendecke«.<br />

Die 3,3 Fuß starken Umfassungswände sind aus<br />

Kalkbruchsteinen in Kalkmörtel erbaut und innen und außen<br />

glatt verputzt. Auf beiden Seiten sind zwei Rundbogenfenster,<br />

deren Verglasung in hölzernen Rahmen durch Bleisprossen<br />

gefaßt ist. Am westlichen Giebel befinden sich zwei<br />

Emporen übereinander, von denen die untere 23,8 und die<br />

obere 15 Fuß vorgebaut ist. Die auf Unterzügen ruhenden<br />

Balkendecken werden durch hölzerne Säulen getragen und<br />

sind von unten mit Kalkmörtel glatt geputzt. Der innere<br />

Raum der Kirche enthält am westlichen Eingang und am<br />

Chor zwei Vorplätze, einen Mittel- und Quergang von 7 Fuß<br />

und zwei Seitengängen von 2,5 Fuß. Diese sind teils mit<br />

Kalksteinplatten, teils mit Ziegeln belegt. Der übrige Kirchenraum<br />

ist zur Aufstellung von 26 Kirchenbänken mit<br />

jeweils 11 Vi Fuß Länge benutzt. Der Fußboden unter<br />

denselben ist mit Brettern gedielt. Die östliche Giebelwand<br />

enthält den zum Chorraum führenden, in einer geschweiften<br />

Bogenlinie überwölbten Triumphbogen. Der nur drei Stufen<br />

erhöhte Chor ist 29,6 Fuß breit und 21,4 Fuß lang und von<br />

drei Fuß starken Umfassungswänden halbkreisförmig abgeschlossen.<br />

Zu beiden Seiten des Hochaltars befinden sich<br />

zwei Rundbogenfenster, deren Verglasung zwischen hölzer-<br />

. nen Rahmen in Blei gefaßt ist.<br />

An der Südseite ist die 8,9 Fuß breite und 17,6 Fuß lange, von<br />

massiven, 2 Vi Fuß starken Umfassungwänden eingeschlossene<br />

Sakristei angebaut, über der sich eine Paramentenkammer<br />

befindet, die mittels einem überwölbten Gang mit dem<br />

Chorraum in Verbindung steht. Von dort führt ein überdeckter,<br />

balkonartig angebauter Gang zur Kanzel.<br />

Das Dach, bestehend aus einem doppelt liegenden Dachstuhl<br />

mit mittlerer Hängewerkssäule ist bei siebenzolliger Lattung<br />

mit Flachziegeln gedeckt. Die Balkenlage, mit Ausnahme des<br />

Chors, mit Brettern belegt. Die vorstehend beschriebenen<br />

Gebäudeteile sind dem Anschein nach unter Benutzung alter<br />

Gebäudeteile in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts<br />

(falsch!) erbaut; doch ist die Ausführung im allgemeinen<br />

mangelhaft und auf die Auswahl der Materialien wenig<br />

Sorgfalt verwendet. Auch ist die Lage der Kirche an dem stark<br />

abhängigen Terrain nicht günstig. Namentlich die Umfassungswände<br />

des Chors, dessen Fußbogen etwa acht Fuß<br />

unter dem anliegenden Terrain liegt, haben durch das Eindringen<br />

der Erdfeuchtigkeit, die übrigen Umfassungswände<br />

aber an der Außenseite durch das Anschlagen des frei herabfallenden<br />

Regenwassers und durch die schädlichen Wirkungen<br />

des Frostes sehr gelitten und sind besonders am Fuß stark<br />

verwittert. Dadurch sind am Chor mehrfach Risse sichtbar.<br />

Schließlich ist die Innenausstattung der Kirche dürftig, Türen<br />

und Fenster undicht, und der Fußboden zum Teil ausgetreten<br />

und eingesunken. Kapitzke stellte fest, eine »Hauptreparatur«<br />

lohne sich wegen der hohen Kosten nicht mehr und regte<br />

einen Neubau mit »würdigerer Ausstattung« an.<br />

Der Hochaltar wurde wie folgt beschrieben: Er besteht aus<br />

einem gemauerten, mit Holz bekleideten Tisch von 8 Fuß<br />

Länge, 9 Fuß Breite mit einem niedrigen Aufsatz von Holz<br />

mit buntem, marmorartigem Ölfarbenanstrich und einfachen<br />

Vergoldungen. Die beiden in den Ecken neben dem<br />

Triumphbogen aufgestellten Seitenaltäre haben eine Länge<br />

von 6 Vi Fuß und eine Breite von 9 Fuß, im übrigen dieselbe<br />

Ausstattung wie der Hochaltar. Die an der südlichen Langseite<br />

angebrachte Kanzel, die durch einen Gang von der<br />

Paramentenkammer aus zugänglich ist, ist aus Holz im<br />

Achteck erbaut und besteht aus einem konsolenartig ausgebildeten<br />

Fußbogen und einer Brüstung mit zusammenge-<br />

39


stemmten Rahmen und gekehlten Füllungen. Die Kanzel hat<br />

einen weißen Ölfarbanstrich.<br />

Die 26 Bänke im unteren Kirchenraum sind jeweils 12 Fuß<br />

lang, aus Tannenholz, bestehend aus einer Sitzbank und<br />

einem Kniebrett; zwischen einfach profilierten Wangen aus<br />

eichenen, zweizölligen Bohlen. Vor denselben befinden sich<br />

vier Kinderbänke mit 8 Fuß Länge aus Tannenholz in etwas<br />

roher Ausführung. Außerdem sind zwei alte Chorstühle zu<br />

drei bzw. vier Sitzen mit Brüstung aus Tannenholz und<br />

farbigem Olanstrich vorhanden, ein Beichtstuhl in der nördlichen<br />

Ecke des Chores in sehr dürftiger Ausstattung ist<br />

bereits defekt.<br />

Der vor dem westlichen Giebel des Langhauses gelegene<br />

Turm ist in quadratischer Grundform von 27 Fuß, drei<br />

Etagen hoch und zwar die untere Etage von 11 Fuß Höhe mit<br />

4,5 Fuß, die obere Etage von 14 Fuß Höhe mit 2,5 Fuß<br />

starken Umfassungswänden erbaut und von außen glatt<br />

verputzt. Darüber befindet sich zwischen massiven Giebelwänden<br />

ein 18 Fuß hohes Satteldach aus Eichenholz, das bei<br />

sieben Zoll weiter Lattung mit Flachziegeln gedeckt ist. Die<br />

Etagen sind durch einfache, mit Brettern belegte Balkenanlagen<br />

abgeteilt; die obere enthält drei in Spitzbogen überwölbte<br />

Schalluken mit Sandsteingewändern.<br />

Im Oberen Geschoß des Turmes hängen in einem eichenen<br />

Glockenstuhl drei Glocken; die eine hat 42 Zoll Durchmesser<br />

und ist im Jahre 1832 gegossen, eine weitere hat 30 Zoll<br />

Durchmesser und ist bereits viermal umgehängt, sonst aber<br />

gut erhalten. Die dritte Glocke hat 21 Zoll Durchmesser,<br />

wurde 1857 umgegossen und ist gut erhalten.<br />

Die in der zweiten Etage des Turmes aufgestellte Uhr hat ein<br />

Gehwerk und ein Stundenschlagwerk, ist alt und vor 12 Jahren<br />

repariert worden.<br />

Die in der oberen Empore eingebauten Orgel hat sechs<br />

klingende Register, ein Manual und ein Pedal. Sie ist bereits<br />

sehr alt, verstimmt und in der Mechanik äußerst fehlerhaft.<br />

Dazu gehören zwei auf dem Dachboden der Kirche in einem<br />

Brettergehäuse aufgestellte Blasebälge von sechs Fuß Länge<br />

und drei Fuß Breite. Eine Orgelreparatur ist wegen des<br />

bedeutenden Kostenaufwandes nicht lohnend und es wird ein<br />

Neubau als notwendig erachtet. Der Baumeister berechnete<br />

einen Kirchenneubau auf 34200 Gulden für Material und<br />

Löhne sowie 6227 Gulden für Fronen. Dazu ist es freilich<br />

nicht gekommen. Die vielen interessanten Angaben können<br />

hier aus Platzgründen nicht näher untersucht und zum<br />

heutigen Zustand in Bezug gesetzt werden.<br />

Wie viele Kirchen in unserem Raum wurde die in Killer -<br />

wohl vor 1900 - stark farbig und mit überladenen Ornamenten<br />

ausgemalt (Kirchenmaler Sprissler aus Hechingen?). Der<br />

Hochaltar wurde ebenfalls Ende des 19. Jahrhunderts ausgeführt<br />

und störte den sonst ziemlich einheitlichen Kirchenraum".<br />

Im Jahre 1934 entschloß sich die Kirchengemeinde, die<br />

Kirche neu ausmalen und den ursprünglich lichten Eindruck<br />

wiederherstellen zu lassen 29 . Dafür und für die Erneuerung<br />

einiger Fenster reichten die Mittel aus. Landeskonservator<br />

Walter Genzmer schlug 1935 einige weitere Arbeiten vor.<br />

Hierzu gehörte in erster Linie die Entfernung des Hochaltars<br />

und Wiederverwendung des noch vorhandenen Tabernakels<br />

und des alten Altargemäldes. Ferner sollten fünf figürliche<br />

Plastiken instandgesetzt und neu gefaßt werden, der Ersatz<br />

der störenden neuen Kommunionschranke durch die teilweise<br />

noch vorhandene der Erbauungszeit, die Herstellung<br />

von neuen Rahmen für die Stationsbilder und die Abänderung<br />

der Lichtanlage vorgenommen werden. Auf den ebenfalls<br />

als wünschenswert bezeichneten Ersatz der farbigen<br />

durch weiß verglaste Fenster wurde mit Rücksicht auf noch<br />

lebende Stifter verzichtet. Genzmer berechnete die Kosten<br />

40<br />

auf 4800 RM, von denen die Gemeinde etwa 2600 RM<br />

aufbringen könnte. Der Minister für Wissenschaft, Erziehung<br />

und Volksbildung in Berlin bewilligte am 11. Juli 1935<br />

zu den Kosten der Instandsetzung eine Staatsbeihilfe von<br />

1800 RM, 400 RM bewilligte der Regierungspräsident von<br />

Sigmaringen.<br />

Restaurierung nach dem Erdbeben<br />

Nach dem starken Erdbeben vom 3. September 1978 wies der<br />

gesamte Bau Schäden solchen Ausmaßes auf, daß ein Erhalt<br />

des originalen Mauerwerks nicht oder nur mit zu hohem<br />

Aufwand möglich war. Darauf entschloß sich die Kirchengemeinde<br />

im Einvernehmen mit den Denkmalschutzbehörden,<br />

die Mauern bis in die Höhe der Decken im Langhaus und<br />

Chor abzutragen und neu aufzubauen. Dachstuhl und Decke<br />

wurden abgestützt und blieben somit unverändert 30 .<br />

Bemalungen an den Wänden, ein illusionistisch auf die<br />

Wände gemalter Seiten-und Hochaltar sowie verschiedene<br />

Darstellungen, Putten- Frauen- und Geißbockköpfe unter<br />

den einzelnen Kapitellen an den Jochbögen wurden von der<br />

Firma Restaurator Ernst Lorch jun. in Sigmaringen mittels<br />

Aufkleben einer Gaze und reversiblem, tierischem Leim vor<br />

dem Abriß vorsichtig abgenommen. Der rechte Seitenaltar<br />

war nach dem Beben so stark beschädigt, daß sich eine<br />

Abnahme nicht mehr lohnte. Die durch die Bauarbeiten<br />

gefährdeten Zwickelbilder wurden mit Leinengewebe gesichert,<br />

um ein möglichst schadloses Abstützen der Decke zu<br />

ermöglichen. Nach den Plänen der ursprünglichen Kirche<br />

wurden die neuen Mauern eingezogen. Die Öffnung vom<br />

Oratorium zum Chor wurde verschlossen. Der Boden im<br />

Chor war 1964 erneuert worden, im Langhaus war schon<br />

1964 ein Terrazzoboden. Es wurde ein heller Muschelkalkplattenboden<br />

verlegt. Die bei einer früheren Renovation<br />

begradigte, hölzerne Emporenbrüstung wurde bei dieser<br />

Baumaßnahme wieder nach altem Muster mit den vorgeschwungenen,<br />

verputzten Brüstungen versehen und mit<br />

Stuckrahmen verziert. Decke, Dachstuhl sowie der Sakristeianbau<br />

sind noch vom originalen Baubestand erhalten geblieben.<br />

Auch die von schmalen Stuckbändern umrahmten<br />

Zwickel- und Deckenbilder überstanden die Bauarbeiten,<br />

ohne sichtbare substanzielle Schäden aufzuweisen.<br />

Schwierig war die Restaurierung der Fresken an den Decken.<br />

Die als Folge der Alterung, wohl auch durch Erdbeben<br />

verursacht gelösten Putzteile an Bild und Deckenteilen,<br />

mußten gefestigt werden. Hierzu wurde an Stellen, an denen<br />

es möglich war, flüssiger Gips vom Dachboden aus, nach<br />

Entfernen der Holzdielen, auf die gelösten Bereiche nach<br />

vorausgehender Sicherung mit Stempeln an der Putzoberfläche<br />

von Bild- bzw. Deckenseite her, gegossen. An von der<br />

Rückseite nicht zugänglichen Stellen wurde durch kleine,<br />

vorgebohrte Löcher Gips gespritzt. Dieses Verfahren wurde<br />

hauptsächlich an den Zwickelbildern angewendet, die von<br />

oben nicht erreichbar waren.<br />

Eine früher angebrachte, störende Schraubensicherung - die<br />

Schraubenköpfe waren nicht eingelassen worden, sondern<br />

ragten einige Millimeter aus der Bildoberfläche hervor -<br />

konnte nach diesen Maßnahmen entfernt werden. Die an der<br />

Oberfläche entstandenen Risse wurden mit einem Gemisch<br />

aus Sumpfkalk und Kalkmehl verschlossen, größere Schäden<br />

wurden mit grobem Kalkmörtel verputzt. Nachdem die Risse<br />

verschlossen waren, wurden die Bilder gereinigt, was durch<br />

teilweise synthetische Überzüge sehr schwierig war. Danach<br />

wurden die Bilder mit schwacher Kaseinlösung mit Hilfe der<br />

Spritzpistole überzogen. Auch die nötigen Retuschen wurden<br />

mit Kaseinbindemittel und kalkechten Pigmenten ausgeführt.<br />

Der Schlußüberzug, der eine gleichmäßige Oberfläche<br />

herstellen soll, wurde ebenfalls mit Kasein vorgenommen.


Die Stuckrahmen mußten ebenfalls teilweise gesichert werden.<br />

Fehlende Teile sowie Risse wurden mit weißem Stuckgips<br />

ergänzt bzw. verschlossen. Bei der Reinigung der ockergold-gefaßten<br />

Rahmen erschien unter stumpf ockerfarbenen<br />

Fassungen eine ältere Schicht. Diese, ein lasierend auf weißem<br />

Gipsgrund hellockerfarbene Fassung, wurde freigelegt<br />

und ergänzt. Die begleitend in Olgold aufgeführte Lichtkante<br />

der Stuckrahmen mußte größtenteils neu ausgeführt werden.<br />

Auf die fertig gestrichenen Wände wurden die vor der<br />

Abnahme angefertigten Pausen angebracht und die Konturen<br />

mit Hilfe eines Farbbeutels neu aufgepaust. Die Altäre und<br />

Köpfe wurden anhand von Fotos und freigelegten Präparaten<br />

der originalen Fresken in Farbe und Ausführung rekonstruiert.<br />

Kasein ist auch hier das Bindemittel für die Bemalung.<br />

Die Neubemalung wurde im Tonwert heller als die Original<br />

gehalten, um sie im Kontrast der neuen Wandoberfläche<br />

anzupassen.<br />

Auch das Inventar wurde gereinigt, lose Farbpartikel wurden<br />

mit Leim fixiert, Fehlstellen mit Kreidegrund ausgefüllt und<br />

geglättet. Abgesplitterte Holzteile oder gelöste Teile wurden<br />

neu verleimt. Fehlstellen in der Farbgebung, Marmorierung<br />

der Altaraufbauten, Fassung der Skulpturen und Vergoldungen<br />

wurden retuschiert bzw. ergänzt und der originalen<br />

Oberfläche angeglichen. Das gesamte Inventar erhielt einen<br />

schützenden Überzug 31 .<br />

Anmerkungen<br />

1 Heimatbuch Jungingen. Hechingen 1976. S. 124-128.<br />

2 Elmar Blessing; Die Kirchen-, Kapellen und Altarpatrozinien für<br />

den Kreis Hechingen im Mittelalter und in der Neuzeit. Stuttgart<br />

1962. S. 141.<br />

3 S. Anm. 2.<br />

OTTO WERNER<br />

4<br />

Franz Haug und JOHANN ADAM KRAUS; Urkunden des Dominikanerinnenklosters<br />

Stetten im Gnadental. Beilage zum Hohenzollerischen<br />

Jahresheft. 1957. Nachtrag 26 zu U. 78.<br />

5<br />

Staatsarchiv Sigmaringen, Dep. Fürstl. Hohenz. Haus- und Domänenarchiv.<br />

6<br />

S. Anm. 2.<br />

7<br />

Monumenta Zollerana. 1. Band. Berlin 1852. S. 79, Nr. 196.<br />

8<br />

Ernst Lorch jun.; Bericht über die Restauration der Kirche in<br />

Killer.<br />

9<br />

S. Anm. 8.<br />

10<br />

Pfarrarchiv Hausen<br />

11<br />

S. Anm. 10<br />

12<br />

Eckart Hannmann und Karl Werner Steim; Christian Großbayer.<br />

Ein hohenzollerischer Baumeister des Spätbarock. Sigmaringen<br />

1982.<br />

13<br />

Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns. Band I: Kreis Hechingen.<br />

Hechingen 1939. S. 234-236. S. Anm. 8.<br />

14<br />

S. Anm. 10.<br />

15<br />

Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 235, I, X, H, Nr. 971<br />

16<br />

S. Anm. 8.<br />

17<br />

S. Anm. 13, S. 236.<br />

18<br />

S. Anm. 15.<br />

19<br />

S. Anm. 13.<br />

20<br />

S. Anm. 10.<br />

21<br />

S. Anm. 10.<br />

22<br />

S. Anm. 10.<br />

23<br />

S. Anm. 8.<br />

24<br />

Staatsarchiv Sigmaringen, Dep. Fürstl. Hohenz. Haus- und<br />

Domänenarchiv, NVA Nr. 9410.<br />

25 S. Anm. 10.<br />

26 S. Anm. 15.<br />

27 S. Anm. 24.<br />

28 S. Anm. 15.<br />

29 S. Anm. 15.<br />

30 S. Anm. 8.<br />

31 S. Anm. 8.<br />

Die »allgemeine Gesangschule« zu Hechingen (Schluß)<br />

Die Lehrer hätten u. a. vorgebracht, daß »die Abhaltung der<br />

Gesangschule im städtischen Schulgebäude mit dem öffentlichen<br />

oder Privatunterricht unvereinbar sei, und auf denselben<br />

störend einwirke. 5 « Die Lokalschulkommission hielt<br />

aber die vorgetragenen Gründe nicht für überzeugend,<br />

»indem der Gesangunterricht erst nach vollendetem öffentl.<br />

Unterricht ertheilt wird, und der Privatunterricht des Lehrers<br />

Bachmann ganz füglich in einem anderen Schulzimmer abgehalten<br />

werden kann. 6 « Auch die weiteren Gründe bezüglich<br />

der »Sträflinge« (Nachsitzer) und der Störung der Lehrer in<br />

ihren Wohnungen erschien der Kommission nicht erheblich<br />

genug, »um sie zu veranlaßen, den durch Verlegung des<br />

Gesangunterrichts in das Schulgebäude beabsichtigten guten<br />

Zweck der Bequemlichkeit der Lehrer aufzuopfern. 7 «<br />

Die Lokalschulkommission empfahl jedoch den Lehrern,<br />

sich wegen der Verlegung des Gesangunterrichts in die<br />

Rathausstube (wenigstens für den größten Teil des Jahres) an<br />

den Stadtrat zu wenden, da diese Abänderung nicht in der<br />

Befugnis der Kommission liege; sie sagte dazu den Lehrern<br />

aber ihre Unterstützung zu.<br />

Die Schullehrer ließen denn auch nicht locker. Mit Schreiben<br />

vom 20. August 1836 wandten sich Oberlehrer Reiner und<br />

Lehrer Bachmann in einem Gesuch an den Wohllöblichen<br />

Stadtmagistrat »durch Einräumung des Rathaussaales zu<br />

genanntem Zwecke, sowohl dem guten Fortgange des Unter-<br />

richts, als auch den häuslichen Verhältnissen der Lehrer,<br />

diese Erleichterung gütigst zu gewähren. 8 «<br />

Einführung einer allgemeinen Gesangschule<br />

In der Sitzung des Stadtrats und des Bürgerausschusses vom<br />

30. November 1836 sicherte man Wichtl von Seiten der Stadt<br />

zunächst zu, daß ihm jährlich 50 Gulden (von der Almosenpflege)<br />

überlassen werden sollten, falls er als öffentlicher<br />

Gesanglehrer angestellt werden würde. Wichtl hatte vorher<br />

die schriftliche Erklärung abgegeben, daß die von ihm von<br />

den Eintrittsgeldern eines Kinderoperettchens mit einem<br />

Kostenaufwand von 33 Gulden beschaffte Zimmerorgel in<br />

das Eigentum der Stadt überginge, falls die bestehende (private)<br />

Gesangschule einst aufhöre. Auf seine weitere Vorstellung<br />

wurde am 16. November 1837 seine Besoldung als<br />

künftiger Gesanglehrer auf 80 Gulden angesetzt.<br />

In einem Brief an Hochf. Regierung führt Wichtl ein Protokoll<br />

der Hechinger Regierung vom 20. April 1838 (Sitzung<br />

16. § 3.) an, worin hinsichtlich der allgemeinen Gesangschule<br />

u. a. auch beschlossen worden sei, »daß jedes hiezu befähigte<br />

Kind zum Besuch des wöchentlich in 2 Stunden vorzunehmenden<br />

Gesangunterrichtes gesezlich verpflichtet ist. 9 « Im<br />

Mai 1838 nahm die allgemeine Gesangschule ihren Lauf.<br />

Wichtl bekam als Besoldung schließlich jährlich 150 Gulden,<br />

- weniger als er als Privatlehrer verdiente, wie er sich ein Jahr<br />

41


später beklagte. Von den hehren Vorstellungen, die er noch<br />

1835 vertrat, mußte er jedoch bald Abstriche machen.<br />

Damals schrieb er: »... wir werden so Gott will den Nutzen<br />

davon erleben, unsere Jugend wird empfänglich werden für<br />

das Schöne, und es wird eine Zeit kommen, wo man nicht<br />

mehr nöthig haben wird, sie auf dem Rathause abzustrafen,<br />

sie werden an Sonn und Feyertagen nicht selten von der<br />

Langeweile geplagt, sich nicht so leicht dem Trünke, Spiel<br />

oder anderen Thorheiten und Laster hingeben, sondern sie<br />

werden sich ihre müßigen Stunden durch Gesang, und andere<br />

nützliche Kenntniße, für deren Erlernung der löbl. Magistrat<br />

in neuerer Zeit Sorge getragen hatte, vertreiben; doch Gesang<br />

wirkt am Mächtigsten auf das Gefühl! 10 «<br />

Bereits am 22. August 1839 beklagt er, es sei leider der Fall,<br />

»daß dieses Gesez [- die Pflicht zum Besuch der Gesangschule<br />

-] schon seit langer Zeit von einer großen Schülerzahl<br />

nicht befolgt wird. 11 «<br />

Die »gewöhnlichen Schulstrafen«, die »den betheiligten Kindern<br />

zuerkannt worden«, halfen wenig; deshalb sollte das<br />

Stadtamt die gesetzlichen Geldstrafen für Schulversäumnisse<br />

aussprechen. Weil dies aber nicht geschah, »in folge dieser<br />

Nachsicht«, so folgerte Wichtl, »ist es nun soweit gekommen,<br />

daß ich die nöthige Achtung, welche der Schüler dem<br />

Lehrer schuldig ist, gänzlich entbehre, u. es ist mir nicht mehr<br />

möglich, die nöthige Aufmerksamkeit herzustellen, weil,<br />

wenn ich mit Strenge auftrete, mir schon von vielen Kindern<br />

geantwortet wird >ich komme gar nicht mehr, ich darf nicht<br />

singen lernen !


Zwangsmaßregeln hinzuwirken, auch die Versäumniße des<br />

Musikunterrichts wie andere Schulversäumniße zu behandeln<br />

und zu rügen. 13 «<br />

Das Fürstl. Stadtamt kam dadurch in Zugzwang und mußte<br />

aufgrund der von Wichtl vorgelegten Versäumnislisten der<br />

Gesangschule Strafmaßnahmen ergreifen. So wurden die<br />

Eltern von 20 Schülern laut Schreiben vom 12. November<br />

1840 am darauffolgenden Samstag auf das Rathaus bestellt,<br />

ihnen die Zahlung der Strafe (2 kr pro Versäumnis) binnen<br />

drei Tagen bei Pfändungsvermeidung aufgegeben; auch<br />

wurde ihnen eröffnet, daß künftighin jedes Versäumnis mit<br />

zwei bis sechs kr Strafe angesetzt werde. Das evtl. gezogene<br />

Pfand komme am zweiten Tage darauf zum öffentlichen<br />

Verkauf. 14<br />

Aus einer »Petition« der Betroffenen an »Wohllöbliches<br />

Stadtgericht« v. 14. November 1840 wissen wir, daß mit der<br />

Bestrafung ernst gemacht wurde. Die »Petition« lautet: »Die<br />

ehrerbietig Unterzeichneten wurden heute von dem fürstlichen<br />

Stadtamte mit Strafe belegt, weil ihre Kinder im Gesangunterricht<br />

öfters fehlten. Ohne zu untersuchen, in wie weit<br />

dieser Unterricht für die Jugend nothwendig und zwekdienlich<br />

sey, erlauben die Unterzeichneten sich, hier nur anzuführen<br />

daß ihre Kinder weder Talent für diesen Lehrgegenstand<br />

besitzen, noch weniger aber, um aus dem angeführten<br />

Grunde Eifer und Liebe hiefür erzeigen. Beides ergibt sich<br />

aus den Fortschritten, welche diese bisher in dem Gesänge<br />

machten, und da es an den Haupterfordernissen fehlt, so ist es<br />

natürlich, daß die Fortschritte der übrigen Kinder nur<br />

gehemmt und nicht befördert werden. Deßwegen glauben die<br />

Unterzeichneten, daß es zwekdienlich seyn würde, wenn<br />

man die tauglichen allein zum Gesänge anhalten, und überhaupt<br />

nur Jenen diesen Unterricht ertheilen würde, die nicht<br />

sowohl mit ihrem eigenen, als auch und insbesondere mit<br />

dem Willen ihrer Eltern die Gesangschule besuchen wollen.<br />

Bey dieser Bestimmung würde dann aller Zwang wegfallen,<br />

und selbst gegen jene, die einmal aufgenommen worden,<br />

könnte mit Ernst und Strenge vorgefahren werden; so aber ist<br />

es gewiß nicht billig, daß die Eltern jederzeit gestraft werden,<br />

so oft ihre Kinder den Gesangunterricht, wofür sie gar nicht<br />

passen, nicht besuchen. Wie nachtheilig überhaupt Zwang<br />

und Strafe hier noch einwirken, ist leicht zu begreifen; freilich<br />

etwas anderes wäre, wenn dieser Unterricht für Heranbildung<br />

der Kinder zum bürgerlichen Leben unumgänglich<br />

nothwendig wäre; allein es ist dieses bekanntlich nicht der<br />

Fall und daher stellen wir an ein Wohllöbliches Stadtgericht<br />

die geziemende Bitte: das fürstl. Stadtamt zu veranlassen, die<br />

gegen uns erkannte Strafe aufzuheben und wegen Besuchs der<br />

Gesangschule andere Bestimmungen zu treffen. 15 «<br />

Durch ein Actum vom 18.July 1840 wird deutlich, wie<br />

Bestrafung und Pfändung durchgeführt wurden. Es heißt:<br />

»Josef Windlinger wurde vor wenigen Wochen wegen 3mal<br />

versäumter Singschule seines Stiefsohnes Franz Bailer mit 6<br />

kr bestraft, und ihm Zahlungsfrist von 3 Tagen resp. 24<br />

Stunden bei Pfändungsvermeidung gegeben, u. da er nicht<br />

Zahlung leistete ihm eine Tabakspfeife gepfändet. - Jos.<br />

Windlinger bringt vor, daß er seinen Sohn nicht in die<br />

Singschule schickte, und auch die Strafe nicht bezale, man<br />

möge die Pfeife verkaufen.« Hierauf wurde ihm eröffnet: »Da<br />

Jos. Windlinger den Schulgesezen hartnäkigen Troz bietet,<br />

und ebenso hartnäkig die Strafe von 6 kr verweigert, so wird<br />

beschlossen<br />

1. Zu Einlösung des Pfandes Frist von 24 Stunden a dato<br />

anzuberaumen nach fruchtlosem Ablaufe das Pfand<br />

öffentlich zu verkaufen, u. aus dem Erlöse die 6 kr Strafe<br />

abzuziehen, den Rest ihm zuzustellen<br />

2. Dem Windlinger für den Fall, daß er sein Stiefkind von der<br />

Singschule abhalte u. den Besuch derselben verweigere<br />

einen Thurmstrafe von 48 Stunden anzudrohen. 16 «<br />

In der Frage des allgemeinen oder freiwilligen Besuchs der<br />

Gesangschule folgte die Regierung mit folgender Begründung<br />

nicht den Vorstellungen Wichtls: »Bei Errichtung<br />

dieser Gesangschule hat man den wohltätigen Einfluß im<br />

Auge gehabt, welchen der Unterricht in der Musik auf die<br />

Gesittung der Jugend hervorzubringen so wohl geeignet ist. -<br />

Da man nun diesen Einfluß möglichst allgemein zu machen<br />

wünscht und vorauszusehen ist, daß falls der Besuch der<br />

Gesangschule der Willkühr der Eltern anheim gestellt wird,<br />

die Gesangschule sehr wenig Theilnehmer finden würde, so<br />

kann man auf den Antrag des Gesanglehrer Wichtl... nicht<br />

eingehen und ist daher Beschluß:<br />

daß es bei der gegenwärtigen Einrichtung der Gesangschule<br />

sein Verbleiben habe, wonach alle schulpflichtigen<br />

Kinder, sofern sie die erforderlichen Eigenschaften hiezu<br />

besitzen, die Gesangschule, gleich anderen Unterrichtszweigen,<br />

zu besuchen verpflichtet sein sollen. Das Fürstliche<br />

Stadtamt und die Localschul-Commihsion ist zugleich<br />

angewiesen, so viel von ihnen abhängt, den Kammermusikus<br />

Wichtl in seinem Amte als Gesanglehrer zu unterstützen<br />

und ersteres hat insbesondere die Versäumniße des<br />

Gesangunterrichts gleich jenen der übrigen Unterrichtsgegenstände<br />

stetsfort nach den bestehenden Vorschriften zu<br />

bestrafen, so daß eine Beschwerde des Gesanglehrers in<br />

dieser Beziehung nicht mehr veranlaßt wird. 17 «<br />

Dieser Beschluß wurde sowohl vom Schulvorstand als auch<br />

von den Vorständen des Stadtamtes »gelesen und beherzigt«.<br />

Die benötigten Gesangbücher<br />

Am 17. Mai 1839 zeigt Wichtl bei der Stadt an, daß drei<br />

Tabellen zur Gesangschule notwendig seien und daß die<br />

Lernmittel künftig gedruckt würden, welche armen Schülern<br />

aus städtischer Kasse angeschafft werden möchten. Der<br />

Stadtrat beschloß daraufhin am 28. Mai 1839, die drei Tabellen<br />

zur Anschaffung zu genehmigen, jede weitere Belastung,<br />

namentlich die Anschaffung gedruckter Lernmittel auf<br />

Kosten der Stadt, aber zurückzuweisen. Im Schreiben vom<br />

22. August 1839 an die Hochfürstliche Regierung bringt<br />

Wichtl deshalb vor, daß er genötigt ist, »Hochf.Reg. zu<br />

bitten, durch den Schulvorstande den Gesangschülern<br />

auftragen zu wollen: sich das nöthige Lehrbuch welches in<br />

der Ribl. Hofbuchhdl. für 2 kr gebunden zu haben ist anzuschaffen,<br />

u. dafür Sorge zu tragen, daß selbes unbemittelten<br />

Kindern aus städt. Mitteln angeschafft werde, welches das<br />

Stadtamt bei Errichtung der Gesangschule, laut ebenerw.<br />

Prot., auch eingegangen hat. 18 «<br />

Dazu meinte der Schulvorstand: »Was die Anschaffung von<br />

Büchern aus städtischen Mitteln anbelangt, so mag wohl<br />

solch ein Bedarf gewisser Lehrmittel zugesichert worden<br />

sein; Lernmittel hat aber die Stadt nicht versprochen, u. muß<br />

man den Ankauf derselben den Betheiligten überlassen. 19 «<br />

Doch auch in dieser Angelegenheit fand Wichtl die Unterstützung<br />

der Regierung. In der Sitzung vom 9. Juni 1840<br />

wurde die Beschwerde des Gesanglehrers Wichtl, »wegen<br />

von Seite des Stadtrats verweigerter Anschaffung des Löhle-<br />

'schen Lehrbuches für arme Schulkinder« behandelt und<br />

beschlossen, »in sofern der Localschulfond zu Bestreitung<br />

der für arme Schulkinder benöthigten Bücher p. p. nicht<br />

vermögend ist,« sei die Stadtgemeinde »verbunden, die erforderlichen<br />

Lehrbücher und somit auch das Löhle'sche Lehrbuch<br />

für unbemittelte Gesangschüler auf Kosten der Stadtrechnerei<br />

ungesäumt anzuschaffen. 20 «<br />

Am 2. März 1841 berichtet die Lokalschulkommission an die<br />

Höchstfürstliche Regierung, daß »aus städtischen Mitteln<br />

den armen Gesangschülern die benöthigten Gesangbücher<br />

angeschafft u. die Kinder der vermöglicheren Eltern ermahnt<br />

wurden, sich die fraglichen Bücher aus eigenen Mitteln zu<br />

43


kaufen, welches auch von dem größten Theile derselben<br />

geschehen ist. 21 «<br />

Durch die ständigen Beschwerden Wichtls bei der Fürstlichen<br />

Regierung war der Schulvorstand gezwungen, sich zu<br />

rechtfertigen; so auch hier: »Daß der Schul-Vorstand dem<br />

Gesanglehrer Wichtl auf seine Klage >mehrere der vermöglichen<br />

Kinder hätten noch keine Gesangbüchlein< erwiderte:<br />

>Man könne die Leute nicht wohl zwingen< - ist allerdings<br />

richtig; allein hiermit hat der Schulvorstand blos seine subjective<br />

Ansicht ausgesprochen. - Können und werden jedoch die<br />

fraglichen Eltern durch die weltliche Obrigkeit zur Anschaffung<br />

der bezeichneten Bücher gezwungen, so hat er, wie<br />

natürlich und billig, nichts dagegen einzuwenden. 22 «<br />

Im Jahr 1843 schließlich erschien in Stuttgart bei Karl Erhard<br />

ein von Wichtl verfaßtes Lehrbuch. Es trägt den Titel:<br />

»Theoretisch-praktische Anleitung zum gemeinschaftlichen<br />

Gesangunterrichte in Volksschulen und anderen Lehranstalten.<br />

Nebst vier und achtzig neuen ein-, zwei- und dreistimmigen<br />

Liedern und Gesängen. Verfaßt und in vier Abtheilungen<br />

geordnet von Georg Wichtl, Fürstlich Hohenzollernschem<br />

Kammermusikus, und städtischem Gesanglehrer in<br />

Hechingen. Gesetzlich eingeführt in den Fürstlich Hohenzollern-Hechingenschen<br />

Schulen. 23 « Es ist »Seiner Hochfürstlichen<br />

Durchlaucht dem Fürsten und Herrn Herrn<br />

Friedrich Wilhelm Constantin, regierenden souverainen Fürsten<br />

von Hohenzollern-Hechingen, Burggraf zu Nürnberg,<br />

Herzog von Sagan... ehrfurchtsvoll und unterthänigst zugeeignet<br />

vom Verfasser.«<br />

Wichtl bestand nun umsomehr auf der Anschaffung, da es<br />

sich ja nun um sein Werk handelte. Die Fürstl. Oberschulkommission<br />

wies daraufhin die Lokalschulkommission an:<br />

»Nachdem mehrere hiesigen Schulkinder (etwa 30 an der<br />

Zahl) den Wichtl'schen Gesangunterricht noch nicht angeschafft<br />

haben, und somit die durch Beschlußnahme Fürstl.<br />

Regierung angeordnete Einführung dieser Gesangbücher<br />

nicht erfolgt ist, so wird die LokalSchulCommihsion daran<br />

seyn, die erwähnte und unterbliebene Anschaffung durch<br />

geeignete Maaßnahme zu bewerkstelligen. Hechingen den<br />

25.ten Nov. 1843.« Das Stadtamt aber meinte: »Nach der<br />

Verfügung f. Regg. v. 4. July 1. J., Verdgsblatt Nr. 27. ist<br />

zwar fragl. Lehrbuch für alle Schulen des Fürstenthums als<br />

solches vorgeschrieben; allein damit wurde nicht verfügt, daß<br />

auch die einzelnen Schüler diese Anleitung zum Gesangunterrichte<br />

anzuschaffen gehalten seien, weshalb man sich nicht<br />

veranlaßt sehen kann, den verzeichneten Schülern, resp.<br />

deren Eltern, die Anschaffung dieses Lehrbuches anzubefehlen.<br />

Hech. d. 23. Nov. 43. F. Stadtamt. 24 «<br />

Die Oberschulkommission gab sich damit nicht zufrieden.<br />

»Auf den Bericht der LocalSchulCommihsion dahier (die<br />

Anschaffung des Wichteischen Gesangbuches für mehrere<br />

hiesigen Schulkinder betreffend)« erwiderte sie, »daß, in<br />

sofern der LocalSchulCommihsion obliegt, für den Unterricht<br />

der Schuljugend überhaupt, und somit auch für den<br />

Gesangunterricht Sorge zu tragen, es auch ganz gewiß in ihrer<br />

Competenz liegen müße, für die Mittel besorgt zu seyn,<br />

wodurch solcher Unterricht erzielt werden kann. Weil aber<br />

Schulbücher für den Unterricht unentbehrlich sind, so muß<br />

auch die Anschaffung der nothwendigen Bücher für den<br />

Gesangunterricht Seitens der LocalSchulCommihsion angeordnet,<br />

und durch die zu Geboth stehenden Mittel verwirklicht<br />

werden. 25 « Da die Lokalschulkommission aber keine<br />

Exekutivgewalt besaß, gab sie die Erwiderung dem F. Stadtamte<br />

zur Kenntnis zur weiteren Verfügung. Dieses blieb aber<br />

bei seinem Standpunkt, die einzelnen Schüler zur Anschaffung<br />

der Wichtischen Gesangschule nicht durch Zwangsmaßnahmen<br />

anhalten zu können. - Wichtl war sehr erbost und<br />

schrieb: »Wenn die Anschaffung der nöthigen Lehrbücher<br />

44<br />

für die namhaft gemachten Schüler nicht ehestens statt findet,<br />

so bin ich genöthigt, diese von der Gesangschule auszuschließen.<br />

Hechingen den 11. 1. 44. 26 «<br />

Wichtls Rückblick<br />

Im Vorwort zu seinem Lehrbuch für den Gesangunterricht<br />

betrachtet Wichtl rückblickend die Gesangschule. Er<br />

schreibt: »Im Sommer 1934 machte ich den Versuch, hier in<br />

Hechingen eine bis dahin gänzlich fehlende Gesangschule für<br />

Kinder zu errichten, hierbei beabsichtigend: die Lust und<br />

Liebe zum Gesänge im Allgemeinen zu wecken, vorerst aber<br />

die liebe Jugend mit dem Schönen und Nützlichen desselben<br />

bekannt zu machen. Mein Unternehmen fand bei denen,<br />

welche den Gesang auch vorzugsweise als Bildungsmittel<br />

betrachten, die freundlichste Aufnahme, und so meldeten<br />

sich denn gleich acht Zöglinge, mit welchen ich sofort den<br />

Unterricht begann. Nach einem halben Jahr veranstaltete ich<br />

mit ihnen die erste öffentliche Prüfung, und das Resultat<br />

derselben fiel so günstig aus, daß sich sogleich die Zahl der<br />

Schüler um das Doppelte vermehrte. So wuchs denn auch die<br />

Theilnahme zusehends, bis im dritten Jahre meine Privatanstalt<br />

gegen 40 Schüler zählte. ... Meine Idee: durch die<br />

Errichtung der »Gesangschule« und des »Singvereins« die<br />

Lust und Liebe zum Gesänge im Allgemeinen zu wecken,<br />

fand sich zu meiner Freude nun schon verwirklicht; denn es<br />

wurde mir um diese Zeit von Seite des fürstlichen Stadtamtes,<br />

mit Genehmigung fürstlicher Regierung, der ehrenvolle<br />

Antrag gemacht, in den hiesigen Elementarschulen eine<br />

»Allgemeine Singschule« zu gründen, und die Leitung derselben<br />

zu übernehmen. Unser Durchlauchtigster Fürst, stets für<br />

die Kunst erglühend, den wohlthätigen Einfluß des Gesanges<br />

auf die Veredlung des jugendlichen Gemüthes aber besonders<br />

in's Auge fassend, unterstützte dieses Unternehmen auf eine<br />

erhabene Weise.<br />

Es sind nun vier Jahre vorüber, seitdem ich dieser Anstalt<br />

vorstehe, und der Gesangkurs nach meinem, bei der Errichtung<br />

derselben entworfenen Plane, zum erstenmal durchgemacht.<br />

Die ehrenvolle Anerkennung welche von unserer<br />

gnädigsten Herrschaft, wie von allen andern, den jährlichen<br />

Gesangprüfungen Anwohnenden, den Leistungen meiner<br />

Schüler - laut öffentlichen Blättern - zu Theil wurde, veranlaßte<br />

mich, diese meine von Sachverständigen äußerst<br />

bewährt gefundene, und von fürstlicher Regierung als Lehrbuch<br />

für die Hohenzollern-Hechingen'schen Schulen gesetzlich<br />

bestimmte Methode hiermit der Öffentlichkeit zu übergeben,<br />

mit dem innigsten Wunsche: daß dieselbe auch an<br />

andern Schulen und Lehranstalten diejenige Würdigung finden<br />

möchte, welcher sie sich bereits in meinem Wirkungskreise<br />

zu erfreuen hatte!<br />

Hechingen, im März 1843. Georg Wichtl.«<br />

Bleibt zu hoffen, daß fernerhin und andernorts Sachverstand<br />

und pädagogisches Geschick besser in Einklang standen.<br />

Anmerkungen<br />

1 Allgemeine Schulordnung. S. 7. Lagerort: HHB Hechingen, No<br />

H. 50<br />

2 Schreiben Wichtls an Hochfürstliches Stadtamt v. 9. Sept. 1835 -<br />

SAH Bd. 122 »Einführung einer allgemeinen Gesangschule betr.<br />

R. No. 18« Rubrik: Pfarr- u. Schuldienste. Nr. 3/ Aktenstück 7-<br />

Daraus auch die folgenden Zitate.<br />

3 Aus einem Schreiben der Lehrer Reiner und Bachmann v. 20.08.<br />

1836 an den Stadtmagistrat. -SAH Bd. 122-s. o. - Aktenstück 15.<br />

4 Schreiben der Oberschulkommission an die Lokalschulkommission<br />

v. 30.Juli 1836. SAH Bd. 122 - s.o. - Aktenstück 12.<br />

5 LokalschulCommißion. 11.08. 1836. - SAH Bd. 122 - s.o. -<br />

Aktenstück 14.<br />

6 Ebenda.<br />

7 Ebenda.


8<br />

S. Fußnote 3<br />

9<br />

Schreiben Wichtls an Hochf. Regierung v. 22. Aug. 1839 - SAH<br />

Bd. 122 - s. o. - Aktenstück 6.<br />

10<br />

Siehe Fußnote 2.<br />

11<br />

Schreiben Wichtls an Hochf. Regierung - SAH Bd. 122 - s.o. -<br />

Aktenstück 6. - Daraus auch die folgenden Zitate.<br />

12<br />

Stadtpfarrer Bulach an Hochf. Regierung Dahier. - Schreiben vom<br />

2. Nov. 1839 - SAH Bd. 122 - s. o. - Aktenstück 8. - Daraus auch<br />

die folgenden Zitate.<br />

13<br />

Auszug aus dem Hochfürstlichen-Regierungs-Protokoll vom 3.<br />

März 1840. Sitzung Nro. 7. §. 11. - SAH Bd. 122 - s.o. -<br />

Aktenstück 4<br />

14<br />

Verzeichniß der Versäumniße der Gesangschüler seit dem 12ten<br />

September mit der Notiz des Fürstl. Stadtamtes (gezeichnet Stehle)<br />

vom 12. November 1840 - SAH Bd. 122 - s. o. - Aktenstück 10<br />

15<br />

SAH Bd. 122 - s. o. - Aktenstück 7<br />

16<br />

Actum. Hechingen den 18. July 1840. Bei f. Stadtamte! - SAH<br />

Bd. 122 - s.o. - Aktenstück 17<br />

STEPHAN WIEST<br />

17<br />

Auszug aus dem Hochfürstlichen Regierungsprotokoll. Hechingen<br />

den 6. April 1841 Sitzung Nro. 20. §. 23. - SAH Bd. 122 - s. o.<br />

- Aktenstück 1.<br />

18<br />

SAH Bd. 122 - s.o. - Aktenstück 6<br />

19<br />

Siehe Fußnote 12<br />

20<br />

Auszug aus dem Hochfürstlichen Regierungsprotokoll vom 9.ten<br />

Juni 1840. Sitzung Nro. 23. §. 2.-SAH Bd. 122-s. o.-Aktenstück<br />

11<br />

21<br />

Schreiben der Local-Schul-Commihsion an Hochfürstl. Hochpreisl.<br />

Regierung dahier v. 2. März 1841 »Eine beschwerende<br />

Eingabe des Gesanglehrer Wichtl betreffend«. - SAH Bd. 122 -<br />

s. o. - Aktenstück 5<br />

22<br />

Ebenda<br />

23<br />

Lagerort: HHB Hechingen No. K. 86.<br />

24<br />

Lagerort: SAH Bd. 122 »Die Anschaffung des Gesanglehrbuchs<br />

von G. Wichtl betr.« / Aktenstück 3<br />

25 Ebenda. Aktenstück 2<br />

26 Ebenda. Aktenstück 5<br />

Streit zwischen Herrschaft und Gemeinden vor 150 Jahren<br />

im Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen<br />

am Beispiel der Friedhofsverlegung in Walbertsweiler<br />

1. Politische Verhältnisse in der ersten Hälfte des vorigen<br />

Jahrhunderts<br />

»Wer nach Wurzeln demokratischen Lebens in den Hohenzollerischen<br />

Landen sucht, wird zunächst auf die Jahrhunderte<br />

währende Renitenz der geplagten Bauern im nachmaligen<br />

Fürstentum Hohenzollern-Hechingen stoßen« 1 . Dort<br />

»sind die seit 1584 aus Bauernrevolten hervorgegangenen<br />

Untertanenkonflikte zu erwähnen, die bis zum Ende des<br />

alten Reiches andauerten. Wohl in keinem anderen Territorium<br />

weist der Abwehrkampf der bäuerlichen Untertanen<br />

gegen die staatliche Verwaltung eine solche Beständigkeit<br />

auf« 2 .<br />

Dabei ging es vor allem um fünf Streitpunkte: um freie Pirsch;<br />

Jagd- und Hagfronen; Leibeigenschaft mit Abgaben; Steuern;<br />

herrschaftliche Monopole im Einzelhandel und beim<br />

Bierbrauen 3 .<br />

Von solchen jahrhundertelangen Kämpfen zwischen Untertanen<br />

und Landesherren weiß die Geschichte im Fürstentum<br />

Hohenzollern-Sigmaringen nicht zu berichten. »Dafür sind<br />

zwei Gründe zu nennen: die Bevölkerungsdichte war geringer<br />

als im stammverwandten Hechinger Bereich und die<br />

landwirtschaftliche Nutzfläche, war, vor allem im Oberland,<br />

größer und ergiebiger. Auch bestand das tiefe Mißtrauen der<br />

Untertanen gegen ihre Herrschaft hier nicht. 4 « Oft wurde<br />

das ehemalige patriarchalische System für besser gehalten.<br />

Dafür ein Beispiel: »Einst bat eine Frau den Fürsten Anton<br />

Aloys (1785-1831) um Befreiung ihres Sohnes vom Militärdienst.<br />

Als der Fürst erwiderte, er wolle dies zuvor mit seinen<br />

Räten besprechen, sagte die Frau: i hau gmoint, Sie seied<br />

alloin Moaster! 5<br />

Das Bedürfnis nach politischen Rechten war gering. Wenn<br />

Leute aufbegehrten, ging es um materielle Fragen, um Auflagen,<br />

Fronen und Abgaben. Ein bezeichnendes Beispiel für<br />

eine beharrliche Auflehnung ist der Widerstand der Gemeinden<br />

Walbertsweiler und Kappel von 1828 bis 1835 gegen die<br />

erzwungene Neuanlage eines Friedhofes außerhalb des Ortes<br />

und die Übernahme der Kosten dafür. Die jahrelange Auseinandersetzung<br />

zeigt auch, wie damals »die Rechtspflege ein<br />

Teil der Verwaltung war und man eine Trennung von Justiz<br />

und Verwaltung nicht kannte« 6 . Die Oberämter waren<br />

zugleich erste Rechtsinstanz und die Richter des Hofgerichts<br />

gehörten zugleich der Regierung and. Erst das durch Staatsvertrag<br />

von 1824 auch für Sigmaringen zuständige Obertribunal<br />

in Stuttgart entsprach in etwa unserem Grundsatz der<br />

Gewaltenteilung.<br />

2. Die Lage der Friedhöfe<br />

Das Vorrecht von Geistlichen und Adeligen, in Kirchen<br />

bestattet zu werden, war Ende des achtzehnten Jahrhunderts<br />

weitgehend beseitigt worden, zuerst 1776 in Frankreich, in<br />

Preußen durch das 1794 in Kraft getretene allgemeine Landrecht.<br />

Die für die Allgemeinheit gewählten Bestattungsstätten<br />

lagen als »Gottesacker« um das Gotteshaus herum und<br />

genossen ebenfalls dessen Schutz und Imunität. Die schon<br />

zur Zeit der Reformation auftretenden Bestrebungen, den<br />

Friedhof von der meist in der Ortsmitte liegenden Kirche aus<br />

gesundheitlichen Gründen zu trennen und außerhalb des<br />

Wohnbezirks anzulegen, waren wenig erfolgreich. Noch bis<br />

ins neunzehnte Jahrhundert hinein finden sich Neuanlagen<br />

von Kirche und Gottesacker in enger Verbindung miteinander.<br />

Im Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen sah eine Verordnung<br />

vom 6. Mai 1835 die Verlegung der Friedhöfe aus den<br />

Ortschaften erstmals vor. Danach sollten diese auf »500<br />

Schritt oder 1250 Fuß von den äußersten Wohngebäuden<br />

entfernt und möglichst erhaben nordöstlich und an trockenen<br />

Orten angelegt werden. Die Seite gegen den Ort ist mit<br />

Bäumen zu bepflanzen« 1 . Wegen der Behinderung des Luftzuges<br />

durch Baumpflanzungen scheinen noch Bestimmungen<br />

aus dem französischen Nachbarlande nachgewirkt zu haben,<br />

wenn auf ein Dekret vom 23. praerial 8 Bezug genommen<br />

wird: »On fera les précautions convenables pour ne point la<br />

circulation des aires« (Man wird Pflanzungen anlegen und<br />

dabei angemessene Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um die<br />

Luftbewegung in keiner Weise zu behindern).<br />

Ein neuer Entwurf vom 7. August 1835 setzte die Entfernung<br />

auf 1000 Fuß fest und verlangt: »Die Plätze werden vom<br />

Oberamts-Physikus im Einvernehmen mit dem Ortsvorsteher<br />

bestimmt. Die in den Orten gelegenen Friedhöfe sind<br />

längstens binnen drei Jahren auf die Entfernung von 1000 Fuß<br />

45


Die kleine Glocke im Turm der neuen Halle stammt aus dem<br />

13. Jahrhundert.<br />

zu verlegen. Alte Friedhöfe sollen fünf Jahre lang geschlossen<br />

bleiben und erst nach zehn Jahren wieder benützt werden.<br />

Baumpflanzungen sind binnen zehn Jahren anzulegen, wenn<br />

nach Ansicht des Physikus sie der Lüftung nicht nachteilig<br />

erscheinen. Der ganze Platz ist mit einer wenigstens 4'hohen,<br />

verhältnismäßig dicken Mauer mit einem verschließbaren<br />

Eingangstor zu umgeben.« 9<br />

Weitere Vorschriften befassen sich mit der Leichenaufbewahrung,<br />

der Leichenschau sowie mit dem Verbot von Mißbräuchen<br />

wie »zum Ende rufen« oder mit lautem gemeinsamen<br />

Gebet vor dem Haus des Sterbenden während der Austeilung<br />

der Sterbesakramente. Eine Ergänzung vom 11. August 1835<br />

setzt die Entfernung auf 600 Fuß (300 Schritt) herab. Eine<br />

Abänderung vom 12. Februar 1835 nimmt jene Bestimmungen<br />

heraus, die sich gegen religiöse Gewohnheiten und<br />

Empfindungen der Bevölkerung richten könnten. Am<br />

11. März 1835 wurde die Vorlage beschlossen.<br />

Völlig unverständlich und nicht festzustellen ist es, warum<br />

die Gemeinden Walbertsweiler und Kappel vom Fürstlichen<br />

Oberamte Wald mit Unterstützung durch die Regierung<br />

schon Jahre vor dieser Verordnung zur Neuanlage eines<br />

Friedhofes außerhalb des Ortes gezwungen wurden. Nach<br />

einer im Jahre 1983 durchgeführten Erhebung, für deren<br />

Ergebnis besonders Herrn Bürgermeister Pius Widmer in<br />

Inzigkofen und seinen Kollegen in den Gemeinden des<br />

früheren Landkreises Sigmaringen gedankt sein soll, befinden<br />

sich heute nach über einhundertundfünfzig Jahren von 54<br />

Friedenhöfen in diesen Gemeinden noch 24, das sind rund 45<br />

Prozent bei der Kirche im Wohnbereich. So kann unterstellt<br />

werden, daß es nicht nur oder gar nur in erster Linie um<br />

gesundheitspolitische Maßnahmen in den von nachjosephinistischen<br />

Aufklärungsideen beeinflußten Jahrzehnten ging.<br />

Lage der Friedhöfe im ehemaligen Landkreis Sigmaringen<br />

nach einer Erhebung im Jahre 1983<br />

Im Bereich der Kirche und des Wohnbereiches<br />

Bachhaupten, Beuron, Billafingen (1975 erweitert), Bingen,<br />

46<br />

Benzingen, Einhart, Esseratsweiler, Hausen a. A., Hermentingen,<br />

Kaiseringen, Kettenacker, Langenenslingen (1972<br />

erweitert), Rulfingen Siberatsweiler, Sigmaringendorf, Steinhilben,<br />

Storzingen, Straßberg, Thalheim, Thiergarten,<br />

Trochtelfingen, Veringendorf, Veringenstadt, Vilsingen, (24)<br />

Abseits der Kirche, außerhalb des Wohnbereiches (seit)<br />

Ablach (1830), Bärental, Bittelschieß, Dietershofen (1840),<br />

Feldhausen (19. Jahrhundert), Frohnstetten (1898), Gammertingen<br />

(1830), inzwischen vom Wohnbezirk eingeholt,<br />

Gutenstein (1840), Habsthal (um 1900), Harthausen<br />

a. d. Sch., Hettingen (vom Wohngebiet eingeholt), Hochberg,<br />

Inneringen, Jungnau (1828, vorher in Veringendorf),<br />

Krauchenwies (vor 1900), Laiz (1972, ehem. kirchlicher<br />

Friedhof bis 1997 geräumt), Levertsweiler, Liggersdorf,<br />

Magenbuch, Mindersdorf, Neufra (um 1860), Oberschmeien<br />

(1820), Ostrach, Otterswang (1848), Ringgenbach, Sigmaringen<br />

(um 1825), Tafertsweiler, Unterschmeien, Walbertsweiler<br />

(um 1835), Wald (um 1870), (31)<br />

3. Streit der Gemeinden mit Ämtern und Erstinstanzen<br />

Aus der schon acht Jahre vor der Regierungsverordnung von<br />

1835 erzwungenen Anlegung eines Friedhofes in Walbertsweiler<br />

entstand ein jahrelanger Rechtsstreit um die Kostenübernahme,<br />

der dadurch gekennzeichnet war, daß der Fürst<br />

als Landesherr zugleich Lehensherr als Rechtsnachfolger des<br />

ehemaligen Klosters war. Bereits im Regierungsreskript vom<br />

23. April 1828 Nr. 1227 an das Oberamt Wald wird verfügt,<br />

daß bei Anlage eines Gottesackers an einem abgesonderten<br />

Ort weder die Kirche, noch die Zehentherrschaft, sondern<br />

die seiner bedürftigende Gemeinde die Last zu tragen habe.<br />

Dem Rechtspraktikanten Schmunz in Meßkirch als Vertreter<br />

der Gemeinden Walbertsweiler und Kappel gibt Schultheis<br />

Moser als Einwendungsgründe an: der alte Friedhof sei groß<br />

genug, die arme Gemeinden könnten nicht auch noch diese<br />

Kosten bestreiten, da sie in strenger Leibeigenschaft die 4.<br />

und die 10. Garbe geben müßten 10 ; die 10 Pferde-Bauern<br />

seien überfordert, da »man mit Ochs und Kuh nicht über<br />

Land pasieren und die Fraundrechte leisten kann« 11 . Der<br />

trotz des Widerspruches der Gemeinden von Bauinspektor<br />

Brom aus Sigmaringen vorgelegte Kostenvoranschlag für den<br />

Platz auf dem Acker des Bauern Andreas Blum sah vor:<br />

»Maurerarbeit 600 fl, Zimmerarbeiten 25 fl 34 kr und Schlosserarbeiten<br />

9 fl 30 kr, Summe 635 fl 4 kr« 12 .<br />

Als Ergebnis hält ein weitschweifiges Gutachten des Pfarrers<br />

Kohler aus Dietershofen über Bestattungsgrundsätze fest:<br />

»Wer die Baupflicht der Kirche hat, hat auch die Baupflicht<br />

des neuen Friedhofes als anexum der Kirche. Daß der alte<br />

Platz dem Kirchengut-Inhaber gehört, unterliegt nirgends<br />

einem Zweifel als zu Sigmaringen, wo man gar zu frygebig<br />

den alten Hofraum der Gemeinde überlassen will« 13 .<br />

In dieser Richtung argumentierte der Verteidiger der<br />

Gemeinden vor dem Oberamt Wald als erster und dem<br />

Sigmaringer Hofgericht als zweiter Instanz - beidesmal vergeblich.<br />

»Solange das aufgehobene Reichsstift Wald bestand, wurde<br />

auf dessen ausschließliche Kosten sämtliche vorkommende<br />

Bauwesen an hiesiger Kirche und Kirchhofsmauer ohne<br />

irgend ein Zuthun der hiesigen Gemeinde bestritten. Wenn<br />

nun polizeiliche Maßregeln die Entfernung der gebrauchten<br />

Grabstätten außerhalb des Ortes erheischen, so folgt doch<br />

hieraus natürlich, daß die Baupflicht des Hochfürstlichen<br />

Retltamtes wegen Gleichheit des Zweckes auch für die durch<br />

gebieterische Notwendigkeit herbeigeführte Bauwesen in<br />

Anspruch genommen werde, damit nicht hiesige Gemeinde,<br />

die bisher ein solche Last nicht kannte, zur Ungebühr<br />

beschwert werde« 14 .<br />

Die »ehrfurchtsvoll vertrauend und in Untertänigkeit ausge-


sprochene Bitte« lehnte die Regierung ab: »Es sey die<br />

Gemeinde Walbertsweiler mit ihren Ansprüchen auf die<br />

Baulast des Rentamtes Wald zum neuen Begräbnisplatz ab<br />

und zu deßen schleuniger Herstellung anzuweisen, wobei ihr<br />

unbenommen sey, ihre vermeintlichen Rechte im gerichtlichen<br />

Wege auszuführen« 15 .<br />

In der von der Regierung verlangten Anhörung der Bürger<br />

zur Eröffnung eines Prozesses stimmten am 27. April 1830<br />

durch ihre Unterschrift aus Walbertsweiler alle 36 Bürger,<br />

aus Kappel 11 Insassen für den Rechtsstreit; nur der Schullehrer<br />

Josef Klötzle in Kappel stimmte dagegen 16 .<br />

Auf die »Untertänige Imploration« zum Schutze des bisher<br />

befreiten Besitzstandes vom 29. April 1830 der Gemeinden<br />

mit den bisher schon ausgeführten Begründungen an das<br />

Hofgericht erhielten die Gemeinden am 19. April 1830 den<br />

Bescheid, daß es sich um eine reine Polizeisache handle und<br />

nur wegen des Kostenpunktes Anstände obwalten und die<br />

schriftliche Zustimmer der Mehrheit der Bürger zur Prozeßführung<br />

dem Oberamt übergeben werden solle.<br />

Inzwischen habe die Errichtung des Begräbnisplatzes ungesäumt<br />

zu beginnen; die Gemeinden haben die Frohnarbeiten<br />

zu verrichten und die Kosten vorschußweise zu leisten,<br />

indem eine als dringend erkannte Polizeyanstalt von dem<br />

Ausgang eines Rechtsstreites über den Kostenpunkt nicht<br />

abhängig gemacht werden könne, und das Rentamt Wald<br />

hinlängliche Mittel zum allenfalsigen Ersaz der Kosten besize.<br />

Dagegen wandten die Gemeinden wiederum ein: »In jedem<br />

Staate unseres zivilisierten Europas schreiten Gerichtsstellen<br />

ein, wenn es sich um Mein und Dein handelt und nicht die in<br />

der Reichskammergerichtsordnung von 1575 genannten Fälle<br />

betrifft. Schon oberflächlicher Anblick legt klar, daß unsere<br />

Handlungsweise:<br />

a) nicht ein factum per se illicitum nulle jure justificabile (ein<br />

unerlaubter, durch kein Recht zu rechtfertigener Vorfall)<br />

- oder<br />

b) Lob damnum imminens irreparabile (ein hoher, unersetzlicher<br />

Schaden) - oder<br />

c ob salutem publicam (es sich um öffentliches Wohl handelt)<br />

- noch endlich<br />

d) ob periculam in mora (daß Gefahr im Verzugist)<br />

den mindesten Verzug leide und daher ohne rechtliche Erörterung<br />

abgethan werden müßte.<br />

Wir befinden uns mit unserem Nachbarorte Dietershofen in<br />

ganz gleicher Lage; demungeachtet hat der letzteren Orts<br />

befindliche Kirchhof vor den Augen der Administrativ Stellen<br />

Gnade gefunden, obwohl der physikamtliche Antrag<br />

auch auf deßen Verlegung gerichtet war. Wir schmeicheln<br />

uns, eine ebenso gesunde Lage wie Dietershofen zu haben;<br />

der dahier wegen der hohen Lage des Ortes stets mit gesunder<br />

Atmosphäre versehene Luftzug hat uns durch Jahrhunderte<br />

ohne ansteckende Seuche und ohne böse Folgen wegen Nähe<br />

unseres Begräbnißplatzes erhalten«. Die Entscheidung des<br />

Fürstlichen Hofgerichts erging am 3. Mai 1830. Nach allgemeinen<br />

Ausführungen über die Baupflicht der Gemeinden<br />

wurde erkannt: »Die Gemeinden Walbertsweiler und Kappel<br />

seyen zur ungesäumten Herstellung des Begräbnisplatzes auf<br />

ihre Kosten jedoch vorbehaltlich ihrer Petitorii (ihres Klagerechts)<br />

in bezug auf die Baukosten anzuweisen. Auch haben<br />

die Imploranten sämtliche Kosten des gegenwärtigen Verfahrens<br />

auf sich zu nehmen« 17 .<br />

4. Verhandlung in der Berufungsinstanz<br />

Der Wortlaut der nach Bescheinigung des Fürstlich Hohenzollern<br />

Sigmaringenschen Thum und Taxisschen Postamtes<br />

vom 27. Juli 1830 Beschwerde an das Obertribunal in Stuttgart<br />

stand nicht zur Verfügung, dagegen bezeichnende Briefe<br />

und Anträge des nunmehrigen Gemeindevertreters, des Hof-<br />

Ein eindrucksvolles Dokument<br />

der Zeitgeschichte<br />

Ma\ Gin^er und<br />

(¡regia- KR'htcr IHreg.)<br />

Das Land<br />

Württemberg-<br />

Hohenzollern<br />

DradvFIungtIi und<br />

Tkifbevki' F.riBcruimen<br />

Max Gögler/Gregor Richter<br />

(Hrsg.)<br />

Das Land Württemberg-<br />

Hohenzollern 1945-1952<br />

Darstellungen und<br />

Erinnerungen<br />

Herausgegeben in Zusammenarbeit<br />

mit Gebhard Müller.<br />

528 Seiten mit 122 Illustrationen<br />

und Abbildungen. Leinen.<br />

DM 32.-<br />

Jan Thorbecke Verlag<br />

Postfach 546 • 7480 Sigmaringen<br />

gerichtsadvokaten Karl Otto Würth aus Sigmaringen.<br />

Bezeichnend für den Verfasser als »geschickter politischer<br />

Taktiker« ist sein ausführlicher Schriftsatz an die Regierung<br />

vom 4. Oktober 1832, der seine Beurteilung als agitatorisch<br />

begabten Volksmann verstehen läßt, der sich »als Abgeordneter<br />

zur populärsten Gestalt in Sigmaringen« machte und<br />

zur Frage herausfordert: »Mußte nicht der einfache Mann in<br />

diesem Advokaten den Vertreter seiner eigentlichen Wünsche<br />

sehen, wenn dieser für die Freiheit von Abgaben, von Steuern<br />

und für Rede- und Pressefreiheit eintrat? Dieser Abgeordnete<br />

scheute sich nicht, den Herren von der Regierung Unangenehmes<br />

zu sagen« 18 . Das spricht aus den wichtigsten<br />

Abschnitten seiner Eingabe an die Regierung:<br />

»Die supplizierenden Gemeinden halten ihren Friedhof für<br />

genügend und groß genug, frei und im Windzug gelegen, auf<br />

einem Boden, der die Verwesung beschleunigt. Es gibt noch<br />

viele größere Ortschaften, welche ihre Verstorbenen im Orte<br />

selbst bestatten. Stehen wir nicht unter denselben Gesetzen?<br />

Ist hier erlaubt, was dort verboten ist? Wodurch haben wir<br />

diese belästigende Ungleichheit herbeigeführt? Einer Schuld<br />

sind wir uns nicht bewußt. Wir sind Lehensleute, haben kein<br />

Zoll Eigentum, müssen alles zur Bezahlung der Landschaftsund<br />

Gemeindeschulden und zu starken Lehensentrichtungen<br />

verwenden, so daß nur das Nötigste für unseren Lebensunterhalt<br />

übrig bleibt.<br />

Schon geht von Mund zu Mund, daß sich Ausländer aus<br />

Meßkirch an uns bereichern und durch Steinfuhren mehr als<br />

1000 fl an sich ziehen. Werden wir denn gar nicht gehört,<br />

verfügt man über unseren Beutel ganz nach Belieben? Wenn<br />

wir auch nur arme Lehensleute sind, so leben wir doch auch<br />

gerne! Der Trieb der Selbsterhaltung ist auch in den Vasallen<br />

noch nicht erstickt; auch eine Vasallengemeinde läßt ihre<br />

Verstorbenen nicht in ihren Häusern vermodern, sie weiß die<br />

freie Luft zu schätzen, da sie das einzige freie Gut ist, worauf<br />

sie Anspruch zu machen hat. Die beiden Gemeinden hoffen<br />

wenigstens auf soviel Gnade, daß dem Friedhofsbau noch so<br />

lange Ausstand gegeben wird, bis die Frage der Kostentragung<br />

entschieden ist« 19 .<br />

Da es nur noch um die Bezahlung der Kosten ging, erklärten<br />

die Vorstände trotz des anhängigen Rechtsstreites am<br />

10. Oktober 1832, daß sie zu dem vorhandenen Bau die<br />

erforderlichen Fuhr- und Handfrohnen, soweit sie hiezu<br />

verhalten werden, unweigerlich leisten und damit sogleych<br />

beginnen werden. Diese unsere Erklärung in einer sehr<br />

bedrängten Lage soll jedoch unsere Rechte nicht präjudizieren,<br />

die bei den vordenklichen Gerichten wir uns vorbehalten<br />

20 . (Fortsetzung folgt)<br />

47


Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong> Geschichtsverein<br />

Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />

M <strong>3828</strong> F<br />

Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.<br />

JOHANN ADAM KRAUS<br />

Eine Elendenkerze<br />

In Güterbeschrieben ums Jahr 1530 finden sich in Ringingen,<br />

Salmendingen und m. E. auch Gauselfingen Abgaben verzeichnet,<br />

die offenbar seit langem von bestimmten Grundstücken<br />

an die »Elendenkerze« der Ortschaft zu liefern<br />

waren. Es heißt deutlich »Elendenkerze«, nicht an eine<br />

elende Kerze! Somit handelte es sich ehemals in den genannten<br />

Dörfern und wohl auch anderwärts um Elende, der<br />

mittelhochdeutschen Bezeichnung für »in der Fremde<br />

Befindliche, Verbannte, Unglückliche«, nämlich um die<br />

Armen Seelen, die noch von der Seligkeit ausgeschlossen<br />

sind. Die Kerze ist das Zeichen des Gedenkens und Gebetes<br />

für sie. Noch heute sieht man ja auf Gräbern in den Friedhöfen<br />

Kerzen neben anderem Schmuck. Früher brannte man<br />

diese Lichter in der Kirche oder auf dem sie umgebenden<br />

Friedhof in besonderen Lichthäuslein. Beim Dom von<br />

Regensburg sieht man m. W. noch eine jahrhundertealte<br />

Steinsäule, in der die Kerze ihren Platz fand. In Steinhofen<br />

hat der frühere Pfarrer Nikolaus Maier eine solche Säule bei<br />

der Kirche wieder aufgerichtet und sie dürfte wohl noch dort<br />

stehen.<br />

Nach einem Zeitungsbericht vom 22. März 1983 besteht in<br />

Paderborn eine »Elendenbruderschaft«, die seit dem Jahre<br />

1349 nachgewiesen sei. Von dieser Bürgervereinigung werden<br />

heute Fremde und verlassene Personen versorgt und nach<br />

dem Tode beerdigt. Früher habe es sich um Pestkranke<br />

gehandelt. Die Elendenbruderschaft vertritt somit menschlich-karitative<br />

Zwecke, und hält jährlich um Allerseelentag<br />

ein frugales Essen und für die Verstorbenen ein Requiem, d.i.<br />

Gedächtnisgottesdienst. Ob es sich tatsächlich wie vor dem<br />

letzten Konzil um ein lateinisches »Requiem aeternam...«<br />

mit anschließendem Kyrie handelt, oder nur wie meist bei uns<br />

um eine gewöhnliche Singmesse, war nicht zu ersehen. Der<br />

Termin um Allerseelentag zeigt m. E., daß diese Elendenbruderschaft<br />

sich ehemals auf die Armen Seelen bezog.<br />

Wie lange in Ringingen die Elendenkerze bestand, wissen wir<br />

nicht. Vielleicht wurde sie im 17. Jahrhundert, einer Zeit<br />

ansteckender Krankheiten, in die »Sebastianskerze« umgewandelt,<br />

die man am Altar dieses Pestheiligen noch heute<br />

aufsteckt und durch milde Gaben der Dorfbewohner unterhält.<br />

HOH<strong>ENZOLLERISCHE</strong> <strong>HEIMAT</strong><br />

hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein.<br />

Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«<br />

ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will<br />

besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />

und der angrenzenden Landesteile mit der<br />

Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie<br />

bringt neben fachhistorischen auch populär<br />

gehaltene Beiträge.<br />

Bezugspreis: 8.00 DM jährlich.<br />

Konto der »Hohenzollerischen Heimat«:<br />

803843 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />

(BLZ 653 51050).<br />

Druck:<br />

M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH & Co.,<br />

7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.<br />

48<br />

Die Autoren dieser Nummer:<br />

Gerhard Eger<br />

Uhlandstraße 9<br />

7452 Haigerloch-Trillfingen<br />

JOHANN ADAM KRAUS<br />

Pfr. Johann Adam Kraus<br />

Erzbischöfl. Archivar i. R.<br />

Badstraße 8, 7800 Freiburg-Littenweiler<br />

Hans Peter Müller<br />

Weiherplatz 7, 7246 Empfingen<br />

Karl Werner Steim<br />

In der Au 30, 7480 Sigmaringen<br />

Otto Werner, Rektor<br />

Friedrich-List-Straße 55,<br />

7450 Hechingen<br />

Stephan Wiest<br />

Ludwig-Egler-Straße 12<br />

7450 Hechingen<br />

Zum Namen Buckenmaier<br />

Seit 1458 nachweisbar<br />

Durch bloßes Raten wird man schwerlich auf eine befriedigende<br />

Erklärung kommen. Alle Maier, Mayer, Meier, Mejer,<br />

Meyer usw. (amtlich festgelegt wurden sie bei uns erst 1871!)<br />

gehen auf das lateinische Wort »maior = der größere«<br />

zurück. »Hausmaier« hießen vor rund 1200 Jahren die Hausverwalter<br />

der fränkischen Könige. Später nannte man Maier<br />

die Vorsteher bzw. Inhaber der Bauernhöfe, die von der<br />

Herrschaft als Lehen an Landbauern ausgegeben waren.<br />

Schon um 1524 gab es jedoch in Ringingen mehrere Einwohner<br />

dieses Namens neben den eigentlichen Lehenmaiern, von<br />

denen das Ortsrecht oder Fleckenbüchle von 1530 sagt:<br />

»Jeder Maier hat dem Mesner einen Laib Brot zu geben«<br />

(Mitt. Hohz. 1924, 209 f).<br />

Aber was soll »Buck« bedeuten? Zwar nennt man im Breisgau<br />

einen Hügel oder Buckel einfach »Buck« und wir heißen die<br />

durch einen Stoß verursachte »Dalle« oder Einbiegung eines<br />

Gefäßes einen »Buck«, aber zu einem Familiennamen würde<br />

ein solcher kaum führen.<br />

Vielmehr hieß in Trochtelfingen um 1500 nachweislich ein<br />

Burkarth Vattlin (Fattlin) in anderen Urkunden einfach<br />

»Buck-Vattlin«.<br />

Familienforscher wie Dr. K. Linnartz bringen gleich einige<br />

Dutzend Ableitungen des alten Taufnamens Burkarth-Burkhard<br />

(bürg = Schutz und hard = kühn!), so unter vielen<br />

anderen: Birkle, Buggle, Burcht, Burthe, Buck, Bucherth,<br />

Bucher, Bockel, Busse und andere. Im Jahr 1351 lebte in<br />

Gammertingen ein Burtli Manz, der somit ein Burkhard war,<br />

und sein Geschlechtsname Manz ist vom Vornamen Mangold<br />

abgeleitet! Auch die 1530-1583 in Ringingen vorkommenden<br />

Buckenmaier stammten aus Stetten bei Hechingen. Hier<br />

findet sich nach 1435 ein Henslin Buckenmayger im Nachtrag<br />

des Bickelsberger Lagerbuchs. Er scheint identisch zu sein<br />

mit dem 1458 als Stettener Einwohner erwähnten Hans<br />

Buggenmayer (Stettener Klosterurkunde Nr. 498), der somit<br />

als erster nachweisbar ist.<br />

Obiger Burtli war ein schwäbisches »Burkhardle«. Burkhard<br />

hieß ja einer der beiden ersten Zollerngrafen des Jahres 1061<br />

(nämlich »Burkhart und Wezil (= Wernher) von Zolorin.«<br />

Schriftleitung:<br />

Dr. med. Herbert Burkarth,<br />

7487 Gammeningen (Telefon 07574/2329)<br />

Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />

persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />

diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge<br />

verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung<br />

sind als solche gekennzeichnet.<br />

Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />

werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />

Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische<br />

Heimat« weiter zu empfehlen.


HOH<strong>ENZOLLERISCHE</strong><br />

<strong>HEIMAT</strong><br />

Herausgegeben vom<br />

Der Karlsplatz in Sigmaringen um 1860 mit dem »Ständehaus«, seit 1849 Sitz der Spar- und Leihkasse<br />

bzw. Hohenzollerischen Landesbank.<br />

KARL WERNER STEIM<br />

150 Jahre Hohenzollerische Landesbank<br />

Fürst Carl von Hohenzollern-Sigmaringen gründete die Bank aus sozialen Beweggründen<br />

Die Hohenzollerische Landesbank feierte in diesem Jahr ihr<br />

150jähriges Bestehen. Schon der Umstand ihrer Gründung<br />

im Jahre 1834 macht deutlich, daß dies mehr als irgend ein<br />

Firmenjubiläum war, das hier auch sonst kaum dargestellt<br />

werden könnte. Fürst Carl von Hohenzollern-Sigmaringen<br />

( !i 1785, f 1853) verwirklichte am 4. November 1834 mit der<br />

Gründung der damaligen Spar- und Leihkasse, die er mit<br />

10000 Gulden dotierte, die sozialen Beweggründe und Auffassungen,<br />

die er beispielsweise in seinen »Ansichten und<br />

Anleitungen über das Leben« 1831 dem Erbprinzen Carl<br />

Anton zum 20. Geburtstag widmete. Dort steht u. a.: »Ein<br />

Fürst muß ein Mann seiner Zeit seyn; er muß das Zeitalter<br />

kennen, die Menschen, ihre Bedürfnisse...« An anderer<br />

Stelle ermahnt der Fürst seinen Sohn: »Alle persönlichen<br />

Vortheile opfere den wichtigeren Interessen, dem Heile, dem<br />

Wohlstande und der Sicherheit deiner Unterthanen.«<br />

M <strong>3828</strong> F<br />

Hohenzollerischen Geschichtsverein<br />

34.Jahrgang Nr.4 / Dezember 1984<br />

Das kleine Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen (wie auch<br />

das Nachbarfürstentum Hechingen) erlangte zwar zum<br />

Beginn des 19. Jahrhunderts politische Souveränität. Die<br />

Napoleonischen Kriege hatten aber das Land arg mitgenommen,<br />

die Bauern und Handwerker waren zusätzlich durch<br />

Steuern und Mißernten stark verschuldet und kämpften um<br />

ihre Existenz. Diese Notlage wurde durch sogenannte Viehversteller<br />

und Zinswucherer rigoros ausgenutzt. Auch die<br />

Gemeinden konnten die Steuern nicht mehr voll aufbringen,<br />

und die Regierung des Fürstentums mußte davon absehen,<br />

die von Jahr zu Jahr anschwellenden Steuerreste einzuziehen.<br />

Um der allgemeinen Notlage entgegenzutreten, half die<br />

anläßlich der Hochzeit des Erbprinzen Carl Anton mit der<br />

Prinzessin Josephine von Baden gestiftete Spar- und Leihkasse<br />

mit zinsgünstigen Krediten. Bald erweiterte sich das<br />

Kreditgeschäft auf den kommunalen Sektor, im Zuge der


fortschreitenden Industrialisierung auch auf den Handel und<br />

das Gewerbe. Unlösbar verbunden mit der Pflege und Förderung<br />

der Landwirtschaft und gewerblichen Wirtschaft war<br />

eine der vornehmsten Aufgaben die Förderung des Sparsinns<br />

der Bevölkerung.<br />

Fürst Carl hatte sich am 31. Oktober 1834 an die Geheime<br />

Konferenz gewandt und mitgeteilt, er sei aus Anlaß der<br />

Vermählung des Erbprinzen geneigt, »Werke der Wohlthätigkeit<br />

und Milde vollziehen zu lassen« und bat um Vorschläge.<br />

Insbesondere dachte er zunächst an eine Amnestie.<br />

Die Geheime Konferenz riet aber davon ab und schlug als<br />

besonders gemeinnützige Einrichtung die Gründung einer<br />

»Landes-Creditanstalt« als vereinigte Spar- und Leihkasse<br />

vor. Bereits am 9. November 1834 wurde im Wochenblatt des<br />

Sigmaringer Fürstentums der Entschluß des Fürsten vom<br />

4. November mitgeteilt: »Aus Veranlassung der Vermählung<br />

meines geliebten Sohnes des Erbprinzen wird unter dem<br />

Heutigen eine Summe von Zehentausend Gulden auf die<br />

Hofkammerkasse angewiesen für die erste Begründung einer<br />

Spar- und Leihkasse des Fürstenthums...« Dieser Erlaß ist<br />

als die eigentliche Stiftungs-Urkunde der Bank anzusehen.<br />

Bereits am 25. November 1834 wurde ein Entwurf der Statuten<br />

für die Spar- und Leihkasse dem Fürsten vorgelegt. Die<br />

Genehmigung erfolgte am 9. Januar 1835. Am<br />

5. Februar 1835 wurden der Spar- und Leihkasse dann noch<br />

die Vorrechte der »milden Stiftungen« verliehen. Am<br />

7. Februar 1835 öffneten sich zum ersten Male die Pforten der<br />

Spar- und Leihkasse für den Geldverkehr.<br />

Die Verwaltung der Spar- und Leihkasse wurde durch eine<br />

Verwaltungskommission geführt. Vorsitzender wurde<br />

Regierungsrat Horn, erster Kassier Hofapotheker Baumeister,<br />

der jedoch die Geschäfte bald an Kaufmann Arnaud<br />

abgab. Die Aufsicht über die Verwaltung der Kasse führte die<br />

fürstliche Landesregierung.<br />

Die Spareinlagen entwickelten sich bald außerordentlich<br />

günstig. Schon nach dem ersten Geschäftsjahr erreichten sie<br />

die Summe von 29632 Gulden. Ende 1846, nach zwölf<br />

Jahren, wurde schon eine Summe von 560344 Gulden Einlagen<br />

registriert.<br />

Um diese Zeit begann die Spar- und Leihkasse bereits mit der<br />

Ausgabe von Kassenscheinen. Dies war ein besonderes<br />

Recht, das nach dem Übergang Hohenzollerns an Preußen<br />

der Anstalt weiterhin verliehen blieb und das nur wenige<br />

preußische Banken besaßen.<br />

Schon in den Anfangsjahren nahm die Spar- und Leihkasse<br />

einen raschen Aufschwung; nicht nur Gelder aus dem Fürstentum,<br />

sondern auch aus dem benachbarten Ausland flössen<br />

ihr zu. Zu einer Verschlechterung der Zahlungsmoral<br />

kam es im Revolutionsjahr 1848. Nur langsam kam wieder<br />

ein geordneter Geschäftsverkehr in Gang.<br />

Bis zum Jahre 1849 war die Spar- und Leihkasse in verschiedenen<br />

angemieteten Häusern untergebracht. Im Jahre 1849<br />

zog sie in den Neubau des sogenannten Ständehauses um, wo<br />

sich bis heute der Hauptsitz befindet.<br />

Als die beiden hohenzollerischen Fürstentümer 1850 an<br />

Preußen kamen, wurde schon zwei Jahre später in Hechingen<br />

eine Filiale errichtet. Der Name der Bank wurde in »Sparund<br />

Leihkasse für die Hohenzollerischen Lande« erweitert.<br />

In fast allen Gemeinden waren sogenannte Einnehmer, heute<br />

Zweigstellen, vorhanden. König Friedrich Wilhelm IV. von<br />

Preußen erhöhte 1854 das Stiftungskapital von 10 000 Gulden<br />

um weitere 20000 Gulden, um für das gesamte Land Hohenzollern<br />

ein funktionsfähiges Institut zu erhalten und den<br />

Kreditwünschen der Bevölkerung entsprechen zu können.<br />

Als im Jahre 1866 der Krieg zwischen Preußen und Österreich<br />

ausbrach, tauchten Schwierigkeiten auf. Die Direktion<br />

50<br />

Mit dieser handgeschmiedeten Truhe wurde im Jahre 1866 versucht,<br />

Gelder der Spar- und Leihkase der Hohenzollerischen Lande vor den<br />

einmarschierenden Württembergern in die Schweiz in Sicherheit zu<br />

bringen.<br />

selbst war nervös geworden, denn viele ängstliche Gemüter<br />

bangten um ihre Spargroschen und kündigten die Gelder auf.<br />

Aus dieser Zeit gibt es eine interessante Anekdote: »Man war<br />

nämlich aus übergroßer Ängstlichkeit etwas kopflos geworden.<br />

In sicherer Voraussicht der Besetzung der Hohenzollerischen<br />

Lande durch feindliche Truppen wurden am<br />

27. Juni 1866 zwei Beamte der Hauptkassenverwaltung zu<br />

Sigmaringen - Hauptkassierer Fischer und Direktionalsekretär<br />

Steidle - nach vorausgegangener Beratung mit dem Kuratorium<br />

und unter Zustimmung der königlichen Regierung<br />

beauftragt, über die Kriegszeit 11219 Gulden und 22 Kreuzer<br />

in bar, sowie Wertpapiere und Urkunden bei einer schweizerischen<br />

Kreditanstalt zu deponieren. Die Sache wurde aber<br />

ruchbar, und mit Windesflügeln kam über Überlingen am<br />

Bodensee nach Konstanz das Gerücht, es würden Gelder der<br />

Spar- und Leihkasse zu Sigmaringen nach der Schweiz<br />

geschafft, Angabe des Betrages schwankend zwischen<br />

100000 und 2500000 Gulden. Viele der Konstanzer Gläubiger<br />

glaubten das Märchen, hielten ihre Interessen für ernstlich<br />

gefährdet und veranlaßten die Verhaftung der oben genannten<br />

Flüchtlinge noch am selbigen Tage in Konstanz. Auf das<br />

Geld wurde alsbald gerichtlicher Beschlag gelegt. Da die<br />

Entscheidung der Frage, ob die mit Beschlag belegten Gelder,<br />

Wertpapiere und Urkunden einer öffentlichen oder Privatkasse<br />

angehörten, dem Ermessen des Bundeskommissars in<br />

Sigmaringen, Grafen von Leutrum, unterlag, so verfügte der<br />

großherzogliche badische Minister des Innern unterm<br />

30. Juni 1866 die Verbringung der Gelder etc. unter sicherer<br />

Bedeckung nach Sigmaringen. So zogen denn die Flüchtlinge<br />

nach kurzer Zeit unter Gendarmeriebegleitung in der Heimatstadt<br />

wieder ein. Der Bundeskommissar behielt aus den<br />

beschlagnahmten Geldern 6242 Gulden und 11 Kreuzer<br />

Brandkassengelder, welche staatlicherseits bei der Spar- und<br />

Leihkasse angelegt waren, zurück, und den Rest gab er frei<br />

nach Abzug der Transportkosten von Konstanz nach Sigmaringen.<br />

Bei der Besetzung Sigmaringens durch die württ.<br />

Truppen wurde die Spar- und Leihkasse, weil nicht Staatsbetrieb,<br />

übrigens nicht mit Beschlag belegt.«<br />

Eine vornehme Aufgabe war es von Anfang an, nicht nur die<br />

nötigen Reserven zu bilden, sondern laut Satzung die Überschüsse<br />

wohltätigen Anstalten zuzuführen. In den Jahren<br />

1883 bis 1914 stellte beispielsweise die Bank 2,2 Millionen<br />

Mark für wohltätige und gemeinnützige Zwecke zur Verfügung.


Die Haftung für alle Verbindlichkeiten der Spar- und Leihkasse<br />

wurde bereits 1873/75 dem neu gebildeten Hohenzollerischen<br />

Landeskommunalverband übertragen. Sie blieb bis<br />

zu dessen Auflösung zum Jahresende 1972 bestehen.<br />

Die Kreisreform brachte eine erhebliche Veränderung für die<br />

Bank. Ein Anteil der Bank mit einem Geschäftsvolumen von<br />

rund 300 Millionen DM ging an die Kreissparkassen Balingen,<br />

Reutlingen und Freudenstadt. Von der Kreissparkasse<br />

Saulgau, die -1854 gegründet-dieses Jahr auf 130 Jahre ihres<br />

STEPHAN WIEST<br />

Streit zwischen Herrschaft und Gemeinden<br />

vor 150 Jahren im Fürstentum Hohenzollern Sigmaringen<br />

am Beispiel der Friedhofsverlegung in Walbertsweiler (Schluß)<br />

Nach den Gemeindeprotokollen in Walbertsweiler vom<br />

5. Februar 1833 und in Kappel vom 17. Juni 1833 wurden<br />

folgende Fuhren geleistet<br />

Zugpferde <br />

Zugochsen<br />

Zahl der<br />

11 Pferde-Bauern<br />

in Walbertsweiler<br />

25 sonstige Lehens-<br />

37 43 311<br />

pflichtige dort<br />

5 Pferde-Bauern<br />

- 53 162<br />

in Kappel<br />

6 sonstige Pflicht-<br />

11 20<br />

tige in Kappel<br />

12<br />

Fuhren in<br />

Walberts-<br />

Kappel<br />

weiler<br />

115<br />

36<br />

473 151<br />

Die Hofkammer beschloß am 11. März 1835, den Obertribunal-<br />

und Prokurator Abel aus Stuttgart zur Übernahme<br />

dieser Sache vor dem Berufungs- zu ersehen und die Kosten<br />

in Höhe von 25 fl 47 kr von den klagenden Gemeinden zu<br />

erheben 21 .<br />

Schultheiß Moser gibt am 24. Januar 1835 die Platzgröße<br />

nach Vermessung durch Fürst aus Rengetsweiler mit 2 Vi V1<br />

Rute 77 Schuh an. Da der Morgen zu 120 fl geschätzt wurde,<br />

beträgt die Entschädigung für Andreä Burth 75 fl. Dieser<br />

Betrag war vom 1. Januar 1833 mit 4 Prozent zu verzinsen 22 .<br />

In einem Situationsplan des Geometers Kömter aus Pfullendorf<br />

ist die Platzgröße mit 3/8 Morgen 5 Ruten und 19 Schuh<br />

angegeben.<br />

Das Urteil des Obertribunals in Stuttgart vom 11. Juni 1835<br />

anerkennt, daß jeder Gottesacker bei Katholiken durch die<br />

Benediction und als zeitweilige Gebetsstätte als eine kirchliche<br />

Sache angesehen werden könne, bei der die Baupflicht so<br />

liege, wie bei der ecclesia selbst. Dagegen spricht jedoch, daß<br />

selbst nach der Ansicht katholischer Kirchenrechtslehrer die<br />

Leichenhöfe jetzt überall außerhalb der Orte auf Kosten der<br />

Gemeinden angelegt werden müssen. Dieser Auffassung<br />

steht auch kein entgegengesetztes Herkommen im Fürstentum<br />

Sigmaringen entgegen. Die Kläger können keinen Fall im<br />

Fürstentum angeben, in dem nach ihrer Forderung verfahren<br />

worden wäre, daher die gegenwärtige Berufung wegen Mangels<br />

an einer begründeten Beschwerde unter Zuscheidung der<br />

Kosten an die Klägerinnen zu verwerfen ist 23 .<br />

Bestehens zurückblicken kann, fiel der Geschäftsbereich<br />

Saulgau und Mengen an die Landesbank mit einem Bilanzvolumen<br />

von rund 150 Millionen DM.<br />

Auf die nähere Geschichte der Bank kann hier nicht eingegangen<br />

werden. Es wird auf die von der Hohenzollerischen<br />

Landesbank, Kreissparkasse Sigmaringen, zum 150jährigen<br />

Jubiläum herausgegebene und von Bankdirektor a.D.<br />

Lorenz Menz verfaßte Festschrift hingewiesen. Ihr ist auch<br />

vorstehender Beitrag zum großen Teil entnommen.<br />

Eine Schlußabrechnung über die Kosten der neuen Friedhofsanlage<br />

fand sich nicht in den Unterlagen; bis zum<br />

30. April 1835 liegt eine Zusammenstellung vor. Bis dahin<br />

hatten aufgewendet:<br />

die Gemeinden Walbertsweiler 482 fl20 kr 7 h<br />

die Gemeinde Kappel 165 fl 52 kr 5 h<br />

gesamt<br />

648 fl 13 kr 4 h<br />

Vermutlich kamen noch weitere Aufwendungen dazu, so am<br />

10. Februar 1836 eine Kostenrechnung von Rechtsanwalt<br />

Würth über 92 fl 28 kr.<br />

Über die Aufbringung der Mittel entschied das Oberamt<br />

Wald am 13. November 1835: zunächst aus der Gemeindekasse,<br />

soweit der Barüberschuß reicht, der Rest als Umlage<br />

nach dem gegenwärtigen Steuerfuß. Ein Rekurs der Söldner<br />

Mathias Halmer, Mathä Renz und Kilian Endriß gegen die<br />

Art der Veranlagung wird von der Regierung am 31. Dezember<br />

1835 als unbegründet abgewiesen. Die Gebühr für diese<br />

Entscheidung betrug 1 fl 24 kr. Uber die Beschaffung der<br />

Geldmittel durch die Gemeinde Walbertsweiler gibt eine<br />

Aufstellung von der Hand des Schultheißen Moser in ungelenker<br />

Schrift Auskunft:<br />

den 23. November 1832 von Dismas Günter aus<br />

Vöringenstadt zu 5 Prozent 100 fl<br />

den 19. Juni 1833 vom Waldschütz Restle<br />

von Wald zu 4 Prozent 150 fl<br />

den 14. November 1833 von Soldat Wunibald Mantz<br />

aus Liggersdorf zu 4 Prozent 80 fl<br />

den 16. September 1834 von Dismas Günter von<br />

Vöringenstadt zu 4 Prozent<br />

im voraus bezahlt mit Summe<br />

es bleiben dem Maurer Motz<br />

am Akkord<br />

der ganze Akkord betregt Summe<br />

5. Spätere Veränderung am Friedhof<br />

34 fl 27 kr /3 h<br />

364 fl 27 kr '/, h<br />

165 fl 13 kr % h<br />

528 fl 40 kr 3 /3 h 24<br />

Die erste Erweiterung erfolgt fünfzig Jahre nach der Anlage.<br />

Nach einem Plan des W. Vogel von Wald vom Januar 1885<br />

war vorgesehen: Vergrößerung der Mauer in dei Breite um<br />

zwei mal zwanzig Meter, in der Länge um siebenundfünfzig<br />

Meter. Die Höhe der Mauer sollte 1,40 m, die Fundamenttiefe<br />

0,50 m, die Mauerstärke 0,30 m und die des Fundaments<br />

0,50 m betragen. Die Mauer sollte oben mit 45 Grad abgeschrägt<br />

und mit Dachziegeln abgedeckt werden.<br />

Nach dem Kaufvertrag vom 28. Juni 1884 zwischen den drei<br />

Gemeinden Walbertsweiler, Kappel und Glashütte tritt<br />

51


Richard Strobel von der von ihm käuflich erworbenen Parzelle<br />

Nr. 10293/5 Acker beim Friedhof 3 /s Morgen an die<br />

genannten drei Gemeinden zum Zwecke der Erweiterung des<br />

Friedhofes für die vereinbarte Summe von 700 M, siebenhundert<br />

Mark pro Morgen ab. Der Kaufschilling von 262,50 M<br />

wird bar bezahlt, sobald das Grundstück durch gerichtliche<br />

Verschreibung in die Hand der Käufer übergegangen ist.<br />

Vermessungs- und Gerichtskosten werden von Käufern getragen<br />

25 .<br />

Der Verkäufer übernahm auch den Bau der Wege und die<br />

Anfuhr des dazu benötigten grobkörnigen Kieses aus den<br />

Gruben in Walbertsweiler oder Reischach für 1,20 M je<br />

Kubikmeter. Es unterschrieben für Kappel Bürgermeister<br />

Krall, Alois Koch, Peter Schneider, Josef Fetscher; für<br />

Glashütte Bürgermeister Halder, Gustav Vochazer, Eduard<br />

Kermerle; für Walbertsweiler Bürgermeister Blum, Josef<br />

Geiger, Jakob Burth, Josef Bosch, Franz Moser.<br />

Eine Zusammenstellung der Erweiterungskosten ohne<br />

Grundstückserwerb von W. Vogel, Baumeister in Wald vom<br />

Januar 1885 wies aus:<br />

1. Abbrucharbeiten 50,85 M<br />

2. Grabarbeiten 8,97 M<br />

3. Maurerarbeiten 1100,00 M<br />

4. Steinhauerarbeiten 88,50 M<br />

5. Reparatur der alten Friedhofsmauer 295,90 M<br />

6. Schlosserarbeiten 136,00 M<br />

1680,22 M 26<br />

Zum Bau einer Leichen- und Aussegnungshalle von<br />

1972-1976 erwarben die damals noch selbständigen drei<br />

Gemeinden der Pfarrei Walbertsweiler vom Enkel des früheren<br />

Verkäufers, wiederum mit dem Namen Richard Strobel,<br />

das benötigte Grundstück für 7284 DM. Einschließlich der<br />

beim Grunderwerb entstehenden Nebenkosten übernahm<br />

von den Gesamtkosten in Höhe von 7740,55 DM Walbertsweiler<br />

5000 DM, Kappel 1459,80 DM und Glashütte 1280,75<br />

DM.<br />

Die inzwischen gebildete Gesamtgemeinde Wald übernahm<br />

den Bau der Halle sowie die Gesamtkosten in Höhe von<br />

154000 DM. An der Herstellung waren beteiligt: Architekt<br />

Karl Halmer, Wald; Bauunternehmer Traber aus Meßkirch;<br />

Karl Müller aus Rengetsweiler an Zimmerarbeiten; Konrad<br />

Wöttke aus Wald an Schreinerarbeiten; Anton Lernhart aus<br />

Wald an Flaschnerarbeiten; Bacher aus Mengen an Schlosserarbeiten;<br />

August Jerg, Walbertsweiler an Wegeanlagen. Am<br />

Büß- und Bettag 1976 war die Einweihung 27 .<br />

Die kleine Glocke im Turm der Halle hat als »UK-Gestellte«<br />

zwei Weltkriege überstanden; bürgerschaftliche Verantwortung<br />

rettete sie aus den Trümmern des 1950 eingestürzten<br />

Kirchturms und ließ die beschädigte Krone wieder ausbes-<br />

FRIEDRICH R. WOLLMERSHÄUSER<br />

Auswandererforschung in Hohenzollern<br />

Trotz der geringen Abmessungen dieses Gebiets, oder gerade<br />

deswegen, gibt es über Hohenzollern ein reiches historisches<br />

Schrifttum, das bis 1972 in der Bibliographie zur Hohenzollerischen<br />

Geschichte von Bernhardt und Seigel 2 , danach in<br />

der Landesbibliographie von Baden-Württemberg 3 nachgewiesen<br />

wird. Die älteren Arbeiten zur Auswanderung sind<br />

auf S. 250-253 des erstgenannten Werkes zu finden.<br />

In den 1930er Jahren hat sich neben anderen auch Josef<br />

Schäfer mit der Erforschung von Auswanderern beschäftigt 3 ,<br />

52<br />

sern. In »Ihrer aus dem 13. Jahrhundert stammenden Zukkerhutform«<br />

28 verbindet sie nun mit hellem Klang die längst<br />

eingeebneten Gräber um die einst 1803 hinter dem Pfarrhaus<br />

erstellte Kirche mit denen ihrer Nachfahren auf dem<br />

ursprünglich so umkämpften, auswärts gelegenen Friedhofversöhnend<br />

für alle, die zu ihrer Zeit verschiedene Auffassungen<br />

tatkräftig vertraten. So mahnt ihr Klang zur Einsicht, daß<br />

Zeit Wunden heilt gemäß den Confessiones des hl. Augustinus:<br />

»Tempore lenitum est vulnus meum!«<br />

Anmerkungen<br />

1<br />

Willi Bim, Die Hohenzollerischen Lande in Baden-Württemberg,<br />

ZfHG 19. (106.) Bd. 1983 S. 197<br />

2<br />

Gerhard Weng, Die Hohenzollerischen Lande in Baden-Württemberg,<br />

Vortrag am 18. 3. 1983 in Sigmaringen, Maschinenschrift<br />

3<br />

Eberhard Gönner, Die Revolution von 1848—49 in den Hohenzollerischen<br />

Fürstentümern und deren Anschluß an Preußen,<br />

Hechingen 1952 S. 5<br />

4<br />

Eberhard Gönner, wie Anm. 3 S. 10<br />

5<br />

Friedrich Eisele, Der erste ordentliche Landtag im ehemaligen<br />

Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen im Jahre 1838, Sigmaringen<br />

1933, S. 3<br />

6<br />

Wilhelm Haase, Rechtspflege in Hohenzollern (1815-1975),<br />

ZfHG 18. (105.) Bd. 1982 S. 116<br />

7<br />

StAS: Akten Verordnungen über die Einrichtung von Friedhöfen<br />

u.a. Ho 86 NVA 5117<br />

8<br />

Praerial = 9. Monat vom 20. 5. bis 19. 6. im französischen<br />

Revolutionskalender (1793-1805)<br />

9<br />

Wie Anmerkung 7<br />

10<br />

Eberhard Gönner, wie Anm. 3 S. 15: »Die Leibeigenschaft<br />

bedeutet nicht viel mehr als eine besondere Art der Besteuerung«.<br />

11<br />

Ortsschaftsarchiv Walbertsweiler: Akten spec. des Bürgermeisteramtes<br />

Walbertsweiler betr. Begräbnisse Rep. Nr. 3 spec. Reg.<br />

Akten 8410<br />

12<br />

Wie Anm. 11<br />

13<br />

Wie Anm. 11<br />

14<br />

Wie Anm. 11<br />

15<br />

Wie Anm. 11<br />

16<br />

Wie Anm. 11<br />

17<br />

Wie Anm. 11<br />

18<br />

Eberhard Gönner, wie Anm. 3 S. 25<br />

19<br />

Wie Anm. 11<br />

20<br />

Wie Anm. 11<br />

21<br />

FHDA: Fürstliche Hofkammer Akten, Der Friedhofbau in Walbertsweiler<br />

resp. Baukosten und Streit wegen der Baupflicht<br />

betreffend NUZ 16881<br />

22<br />

Wie Anm. 11<br />

23<br />

Wie Anm. 11<br />

24<br />

Wie Anm. 11<br />

25<br />

Ortschaftsarchiv Walberts weiler: Akten spec. des Bürgermeisteramtes<br />

Walbertsweiler betr. Gemeindeverfassung und Verwaltung<br />

Heft I angefangen 1807 Rep. Nr. 10 spec.<br />

26<br />

Wie Anm. 25<br />

27<br />

Mitteilung des Bürgermeisteramtes Wald vom 22. Oktober 1982<br />

28<br />

Walter Genzmer, Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns Band II<br />

Kreis Sigmaringen, W.Speemann Verlag 1949, S. 410<br />

doch scheint die von ihm betreute Auswanderer-Forschungsstelle<br />

für Hohenzollern 4 kaum über die Erfassung der damals<br />

im Ausland lebenden Zeitgenossen hinausgekommen zu<br />

sein 5 . Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Werner Hacker die<br />

Auswanderer aus dem Gebiet der späteren Hohenzollernschen<br />

Lande vor dem Jahr 1806 nach Südosteuropa aus den<br />

Quellen zusammengestellt und veröffentlicht 6 . Hackers<br />

überaus gründliche Arbeit macht ein weiteres Eingehen auf<br />

diesen Zeitraum überflüssig.


Bei den Vorbereitungen zur ADS 7 wurde im Staatsarchiv<br />

Sigmaringen ein Verzeichnis der dort vorliegenden Akten zur<br />

Auswanderung nach Amerika erstellt. Die darin genannten<br />

Archivalien, deren Signaturen sich seither teilweise geändert<br />

haben, enthalten auch zahlreiche Auswanderer nach anderen<br />

Zielorten.<br />

Auswanderung aus dem Fürstentum Hechingen<br />

Für das Fürstentum Hechingen scheinen keine Auswanderungsakten<br />

vorzuliegen.<br />

Man findet jedoch zahlreiche Auswanderer in dem seit 1829<br />

erscheinenden Wochenblatt für das Fürstentum Hohenzollern-Hechingen<br />

(später unter anderem Titel erschienen) 8 ,<br />

und zwar erstmals 1833, als die Auswanderung von Johannes<br />

Mutschier nach Nordamerika angekündigt wurde 9 . Auswanderer<br />

können auch unter den Stichworten Toterklärung,<br />

Verschollenenaufrufe, Steckbrief, Aufforderung zum Militär,<br />

Desertionen und anderen erscheinen. Da die bewußte<br />

Zeitung wöchentlich erschien und nur wenige Seiten<br />

umfaßte, geht die Durchsicht recht schnell vonstatten.<br />

Einen Teil der Auswandereranzeigen (leider nicht die bezüglich<br />

Amerikas und Ungarns) hat Walter Sauter 1940 veröffentlicht<br />

9 . Sein Aufsatz enthält auch Funde aus den Hechinger<br />

Erbschaftsakten des 17. und 18. Jhs.<br />

Kennt man den Zeitpunkt der Auswanderung einigermaßen<br />

genau, dann können einem die Kontraktenprotokolle (mit<br />

Verkäufen, Gütertausch, Leibgeding, Kapitalaufnahmen,<br />

Kontrakten etc.) 10 weiterhelfen, da vor der Auswanderung<br />

oft Besitz verkauft wurde. Diese Bände haben aber kein<br />

Register, so daß die Benutzung etwas mühselig ist. Viele<br />

Namen enthalten auch die Rentei-Rechnungen 11 , in denen<br />

Auswanderer unter anderem in den Rubriken Taxen (Gebühren<br />

für ausgefertigte Urkunden) und Abzug erscheinen können.<br />

Nicht vergessen sollte man die Rubrik Kanzlei-Ausstände,<br />

wo nicht bezahlte Abzugsgelder oft jahrelang mitgeschleppt<br />

wurden. Gutes Namenmaterial bietet auch das<br />

Repertorium zu den Kammer-Protokollen 12 .<br />

Falls der Auswanderer 1847-1850 Waise war oder verwaiste<br />

Kinder hatte, dann erscheint er in den für diese Jahre<br />

vorliegenden, sorgfältig geführten Waisenbüchern des Oberamtsgerichts<br />

Hechingen 13 .<br />

Auswanderung aus dem Fürstentum Sigmaringen<br />

Das Fürstentum Sigmaringen hatte eine im Vergleich zu<br />

Hechingen bessere Verwaltung, was sich auch in einer größeren<br />

Zahl von Archivalien ausdrückt. Auswanderungsakten<br />

der Zentralbehörden und der Amter gehen vereinzelt bis ins<br />

18. Jh. zurück 14 .<br />

Zum Auffinden der Herkunft eines Auswanderers kann das<br />

1809 beginnende Wochenblatte (ab 1835 Verordnungs- und<br />

Anzeigeblatt) für das Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen<br />

15 dienen, in dem ab 1830 auch Auswanderungsvorhaben<br />

bekanntgegeben wurden. Im übrigen gilt hier das oben bei<br />

Hechingen gesagte.<br />

Im Jahre 1818 wurde im Fürstentum eine Volkszählung<br />

durchgeführt, die für die meisten Amter Namenslisten (mit<br />

Kindern, Dienstboten und Fremden) erbrachte 16 . Die meisten<br />

Auswanderer aus der Zeit vor 1850 dürften in diesen<br />

Listen erscheinen, teils als Kinder, teils als Erwachsene.<br />

Auswanderung aus den Hohenzollerischen Landen<br />

Die wichtigste Quelle für Auswanderungen in der preußischen<br />

Zeit bilden die vier Verzeichnisse der in den Hohenzollerischen<br />

Landen stattgefundenen Auswanderungen, umfassend<br />

die Zeit von 1854—1937 (für die letzten Jahrgänge aber<br />

sehr unvollständig) 17 . Diese Listen enthalten die laufende<br />

Nummer, das Datum der Entlassungsurkunde, Vor- und<br />

Zuname, Stand und Gewerbe der Auswanderer, Heimatort<br />

und -oberamt, den Betrag des mitgenommenen Vermögens<br />

und mögliche Bemerkungen. Sehr viele Auswanderungen<br />

gingen nach Amerika. In einer Reihe von Fällen befand sich<br />

die betroffene Person bereits im Ausland und ließ sich den<br />

Abzug nachträglich genehmigen. Man suche also immer auch<br />

die auf die Auswanderung folgenden Jahre durch.<br />

Hat man auf diese Art den Heimatort des Auswanderers<br />

gefunden, so kann man aus den Auswanderungsakten der<br />

Preußischen Regierung und der einzelnen Oberämter nähere<br />

Einzelheiten erfahren 18 . Beide Quellengruppen sind nur<br />

unvollständig ins Archiv gekommen. Für die Oberämter<br />

Gammertingen, Haigerloch, Hechingen und Sigmaringen<br />

liegen sowohl die Regierungs- als auch die Ämterakten mehr<br />

oder weniger vollständig vor, während sie für die übrigen<br />

Bezirke fehlen.<br />

Unerlaubte Auswanderungen findet man am ehesten im<br />

Amtsblatt der Königlich Preußischen Regierung zu Sigmaringen<br />

bzw. dessen Beilage, dem Oeffentlichen Anzeiger 19 .<br />

Insbesondere empfielt sich hier eine Nachschau, wenn der<br />

Auswanderer als Rekrut oder Soldat desertiert sein könnte.<br />

Eine Fahndungsliste von 1870 wurde unlängst veröffentlicht<br />

20 .<br />

Insbesondere soll hier auf die im Oeffentlichen Anzeiger<br />

angekündigten Toterklärungen hingewiesen werden, die<br />

regelmäßig etwa 70 Jahre nach der Geburt eines Verschollenen<br />

ergingen. Hierzu ein Beispiel 21 :<br />

264. (Bekanntmachung). Moses Levi von Hechingen, geboren<br />

am 23. Mai 1799, Sohn der verstorbenen Eheleute Isaak<br />

Emanuel und Sara Levi daselbst, soll in den Jahren 1821 oder<br />

1822 Hechingen verlassen haben, um sich nach Nordamerika<br />

zu begeben, und soll seitdem verschollen sein. Der genannte<br />

Moses Levi und seine etwaigen unbekannten Erben werden<br />

daher aufgefordert, sich bis spätestens den 9. September 1870,<br />

Morgens 10 Uhr, Zimmer Nr. 18 des Gerichts zu melden,<br />

widrigenfalls Moses Levi von Hechingen für todt erklärt<br />

werden wird.<br />

Hechingen den 10. Oktober 1869.<br />

Königl. Kreisgericht, I. Abteilung.<br />

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß sich Erbschaftsakten<br />

aus dem 19. Jhdt. in den Stadt- und Gemeindearchiven<br />

befinden 22 . Oft läßt sich mit deren Hilfe eine<br />

vermutete Auswanderung beweisen, wenn der Auswanderer<br />

von daheim zu erben hatte. Auch in den kath. Kirchenbüchern<br />

23 findet man öfters Hinweise auf eine Auswanderung,<br />

insbesondere in den 1819 angelegten Familienregistern. Fast<br />

alle dieser Kirchenbücher wurden von der Genealogical<br />

Society, Salt Lake City, verfilmt. Die Filme können bei den<br />

außerdeutschen Zweigbibliotheken und beim Erzbischöflichen<br />

Archiv, Herrengasse 35, 7800 Freiburg i. Br., eingesehen<br />

werden.<br />

Anmerkungen<br />

1 1 Walter Bernhardt, Rudolf Seigel, Bibliographie der Hohenzollerischen<br />

Geschichte. Arbeiten zur Landeskunde Hohenzollerns<br />

12. ZHG 10/11. (Sigmaringen: Thorbecke 1975).<br />

2 Werner Schulz, Günter Stegmaier (und später andere Bearbeiter),<br />

Landesbibliographie von Baden-Württemberg, 1 (1978) für die<br />

Berichtsjahre 1973/74, und folgende. (Stuttgart: Kohlhammer<br />

1978 ff.).<br />

3 Joseph Schäfer, >Die Auswandererbewegung in Hohenzollern von<br />

1743-1872«, Zollerheimat 5 (1936) 2-A, 6-7. (Geschichte der<br />

Auswanderung im 18. und 19. Jhdt., soziale Hintergründe, statistische<br />

Aufstellung der Auswanderer nach Orten).<br />

4 Josef Schäfer, >Auswandererforschung in Hohenzollern«, Sippenkunde<br />

des Deutschtums im Ausland 3 (1938) 192, 196.<br />

5 Auskunft von Herrn Dr. Otto Becker, Sigmaringen.<br />

53


6<br />

Werner Hacker, Auswanderung aus dem Raum der späteren<br />

Hohenzollerischen Lande nach Südosteuropa im 17. und 18. Jahrhundert«,<br />

ZH 5(1969) 45-230. (Übersicht über die Quellen für das<br />

17. und 18. Jahrhundert, umfangreiche Auswandererlisten, Ortsverzeichnis).<br />

Als Ergänzung dazu Otto Hellstern, Auswanderungen<br />

von Glatt nach Südosteuropa«, Glatter Schriften 1 (1979)<br />

31-50 (Namen).<br />

7<br />

Americana in deutschen Sammlungen (ADS). Ein Verzeichnis von<br />

Materialien zur Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika<br />

in Archiven und Bibliotheken der Bundesrepublik Deutschland<br />

und West-Berlin. Zusammengestellt im Auftrag der Deutschen<br />

Gesellschaft für Amerikastudien (Ohne Ort und Verleger: 1967).<br />

8<br />

1829-1836 Wochenblatt für das Fürstentum Hohenzollern-<br />

Hechingen. - 1837-1844 Verordnungs- und Intelligenzblatt für<br />

das Fürstentum Hohenzollern-Hechingen. - 1845-1850 Verordnungs-<br />

und Anzeigeblatt für das Fürstentum Hohenzollern-<br />

Hechingen (Alle SAS 17/G1 und FAS).<br />

9<br />

Ebenda 23. Feb. 1833 S. 33.<br />

10<br />

SAS Ho 13 (Oberamt Hechingen) Band 19-40 (1805-1848) und<br />

Bd. 41-85 (betr. einzelne Ortschaften).<br />

" FAS unsigniert. Siehe hierzu Otto H. Becker (Bearb.), Übersicht<br />

über die Rechnung im Depositum Fürstl. Hohenz. Haus- und<br />

Domänenarchiv. Typoskript (Sigmaringen 1981) S. 84-87 (auf<br />

Vorarbeiten von Johannes Maier).<br />

12<br />

FAS Repertorium zu den Hofkammerprotokollen Hechingen<br />

(»Repertorium Kammer-Protocolls«) für die Jahre 1803, 1805,<br />

1811-1813, 1813-1819, 1833-1846.<br />

13<br />

SAS Ho 22 NVA I 9997-10027 (je Ort ein Heft).<br />

14<br />

Hacker (wie Anm. 7) S. 88, ADS (wie Anm. 8).<br />

15<br />

1809-1834 Wochenblatt für das Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen<br />

- 1835-1850 Verordnungs- und Anzeigeblatt für das<br />

Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen. (Beide SAS 17/G2 und<br />

FHDA).<br />

WOLFGANG HERMANN<br />

" SAS Ho 80 (allg. Teil) C I 2 d Nr. 3, Paket 160: Bevölkerungslisten<br />

1818 der Ämter Ostrach, Glatt, Beuron, Achberg, Trochtelfingen,<br />

Straßberg, Jungnau, Klosterwald, Gammertingen und<br />

Hettingen. Wegen der fehlenden Amter siehe Ziegler (wie<br />

Anm. 1)48. SAS ebenda Nr. 2, Paket 159: Namenslisten 1813 für<br />

die Amter Beuron, Achberg und Gammertingen.<br />

17<br />

SAS Ho 235 B, I-I, Nr. 157 I-IV (Namentliche Auswandererlisten<br />

1854-1859, 1860-1885, 1886-1894, 1894-1937)<br />

18<br />

SAS Ho 235 B, I-I, Nr. 146 (Gammertingen), 147 (Haigerloch),<br />

148 (Hechingen) und 150 (Sigmaringen) sowie in den Ämterakten,<br />

vgl. Anm. 8.<br />

19<br />

1855-1943 Amtsblatt der Königlich Preußischen Regierung zu<br />

Sigmaringen sowie als Beilage Oeffentlicher Anzeiger zum Amtsblatt<br />

der Königlich Preußischen Regierung zu Sigmaringen. (Vorhanden<br />

im SAS 17/G7, sowie im FHS). Über die Verordnungsund<br />

Anzeigeblätter der Jahre 1850-1852 siehe Haase (wie<br />

Anm. 23) 176 f.<br />

20<br />

Friedrich R. Wollmershäuser, >Deserters of the Prussian Army in<br />

1870«, Germanic Genealogist No. 26 (1983) S. 367f.<br />

21<br />

Oeffentlicher Anzeiger (wie Anm. 20) 4. März 1870 S. 34.<br />

22<br />

Wilhelm Haase, »Rechtspflege in Hohenzollern«, ZH 18 (1982)<br />

111-178, insbesondere 126 und 145.<br />

23<br />

Franz Haug, »Verzeichnis der Kirchenbücher Hohenzollerns«,<br />

Hohenzollernsche Jahreshefte 8 (1941, hrsg. 1949) 5-29 (katholische,<br />

evangelische und jüdische Gemeinden).<br />

Abkürzungen<br />

SAS Staatsarchiv Sigmaringen (Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen).<br />

FAS Fürstlich Hohenzollernsches Haus- und Domänenarchiv<br />

(Karlstraße 32, 7480 Sigmaringen).<br />

ZH Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte 1 (1965)ff.<br />

Das Wasserschloß in Glatt: Fortgang der Renovierungsarbeiten<br />

und die ungesicherte Baugeschichte im 16. Jahrhundert<br />

Seitdem die Gemeinde Glatt das Wasserschloß im Jahre 1970<br />

einschließlich des Gartens für 134000 DM vom Fürsten von<br />

Hohenzollern nach schwierigen Verhandlungen erworben<br />

hatte, mußten sich viele Hoffnungen mehr als ein Jahrzehnt<br />

gedulden, um den gewünschten Renovierungsbeginn zu erleben.<br />

Der östliche Schloßflügel<br />

Als im Frühjahr 1982 an der Ostseite das Gerüst aufgebaut<br />

wurde, glaubten die Freunde des Schlosses, daß der »Dornröschenschlaf«<br />

endlich abgeschlossen wäre. Jedoch dauerte es<br />

noch eine ganze Weile, bis im ersten Drittel des Jahres 1983<br />

der Beginn der Arbeiten ermöglicht wurde 1 . Verursacht<br />

wurde diese Verzögerung durch Streitigkeiten um Baukompetenzen<br />

und Entscheidungsbefugnisse zwischen den Denkmalbehörden<br />

Freiburg und Stuttgart.<br />

Diese erste Bauphase konnte erst in diesem Spätjahr abgeschlossen<br />

werden, da infolge des feuchten und kühlen Sommers<br />

die Arbeiten an der Außenfassade des Ostflügels nur<br />

allmählich vorankamen, bis das Gerüst in den Monaten<br />

Oktober bis November nach und nach abgebaut werden<br />

konnte.<br />

Neben der Verkieselung, welche die Firma Sebastiani aus<br />

Uberlingen durchführte, waren die Leute des Restaurators<br />

Lorch mit den aufgefundenen Secco-Malereien beschäftigt 2 ,<br />

deren Reste u. a. auch am Nordostturm gefunden wurden.<br />

54<br />

An allen diesen Bildwerken war seit der Winterpause 1983/<br />

1984 gearbeitet worden. Nach der Freilegung und Reinigung<br />

wurden sie auf Folien gepaust und ergänzt. Derzeit sind nur<br />

die Rotmalereien an der Ostseite und dem Südostturm zu<br />

sehen. Die Arbeiten an den übrigen Bildwerken wurden<br />

vorläufig zurückgestellt.<br />

Der zweite Sicherungsabschnitt - nicht mit den allgemeinen<br />

Bauabschnitten zu verwechseln - ist vorbereitet und gilt der<br />

Nordfront mit dem Torturm und der steinernen Brücke über<br />

den Schloßgraben 3 . Der Torturm weist in seinem Mittelteil<br />

langjährige Risse auf, und die Steinbrücke zeigt nach manchen<br />

Jahrhunderten ihres Bestehens Ausbauchungen nach<br />

beiden Seiten. Der äußere Rundturm hatte sich im Verlaufe<br />

der Zeit auswärts geneigt. Inzwischen ist die Neigung durch<br />

eine Stahlbänderung aufgefangen 4 . In der Sitzung des technischen<br />

Ausschusses war moniert worden, daß die Arbeiten so<br />

lange Zeit andauerten 5 , was u.a. dadurch zu erklären war,<br />

daß immer neue Entdeckungen an der Ostfassade gemacht<br />

wurden. Dies erforderte neue Fachgespräche, bis Entscheidungen<br />

getroffen werden konnten.<br />

Der zweite Bauabschnitt gilt der Südfront, danach ist die<br />

Westseite an der Reihe und zuletzt die Nordseite zum<br />

äußeren Schloßhof. Nach Schätzungen der Experten werden<br />

die gesamten Außenerneuerungen noch zwei bis drei Jahre<br />

andauern, wenn das bisherige Arbeitstempo eingehalten werden<br />

kann.


Ortsplan non Glatt mit dem Wasserschloß {aufgen. v. Gecm. ]. Hartlieb 1842).<br />

Ungewisse Baugeschichte des Wasserschlosses<br />

Uber das Schloß ist bis heute noch keine exakte Baugeschichte<br />

geschrieben worden, da es die Quellenlage nicht<br />

erlaubt. Was sich quellenmäßig findet, sind Nennungen in<br />

Zusammenhängen mit Verkäufen 6 , Erbschaftsangelegenheiten<br />

7 , Inventaríen 8 , welche nur beschreiben was ist und nicht,<br />

wie sich der Schloßbau entwickelt hat. Was außer diesen<br />

Quellen zur Erhellung der Baugeschichte beitragen kann, ist<br />

das Gebäude selbst, an dem sich im wesentlichen drei Epochen<br />

ablesen lassen.<br />

Der heutige Schloßkomplex besteht aus dem Hauptbau, der<br />

Merkmale von der Gotik bis zur Renaissance aufweist; dem<br />

Wirtschaftshof mit dem einbezogenen Wehrteil und einem<br />

östlichen und westlichen Rundturm längs des Mühlgrabens 9 .<br />

Und ihnen schließt sich quergestellt an: im Westen der<br />

Torbau mit einem aufgesetzten Fachwerk-Obergeschoß von<br />

1768, errichtet von der Klosterherrschaft Muri und im Osten<br />

die Zehntscheuer von 1815, als Fachwerkbau errichtet.<br />

Nach Ottmar wird das Schloß erstmals 1402 erwähnt 10 ,<br />

dieser vermutet darin ein noch älteres mittelalterliches Wasserschloß,<br />

vielleicht schon mit einem fast quadratischen<br />

Innenhof. Auf die gotische Bauepoche verweisen der mittelalterliche<br />

spitzgiebelige Torturm mit dem Gewölbeschlußstein<br />

von 1513, mit dem neuneckschen Wappen darüber<br />

(silberner Stern über goldenem Balken auf rotem Grund), die<br />

steinerne Brücke über den Schloßgraben und zwei kleine<br />

Spitzbogenfenster, links und rechts vom Kapelleneingang,<br />

auf den man vom Innenhof her stößt.<br />

Baubeschreibung<br />

Das Hauptgebäude wird aus drei Wohntrakten gebildet: dem<br />

Ost-, West- und Südflügel. Die Nordfront ist uneinheitlich:<br />

in der Mitte der Torturm, rechts von ihm (aus der Sicht vom<br />

äußeren Hof) eine Wehrmauer mit innerem Wehrgang, die in<br />

der Höhe mit dem dritten Stockwerk abschließt. Linkerhand<br />

liegt die Nordgiebelseite des Westflügels; rechts im Anschluß<br />

an den Torturm sieht man den Giebel des Ostflügels. Vier<br />

Rundtürme bilden den Abschluß der Schloßseiten und<br />

reichen mit ihren Spitzen in die Höhen des Dachfirsts der drei<br />

einheitlich durchgebildeten Gebäudeflügel.<br />

Vier Stockwerke bauen übereinander auf; teils sind sie aus<br />

Tuffstein, teils aus behauenem Kalkstein erstellt. Die vier<br />

Seiten ergeben ein Geviert, das aber nicht quadratisch ist. Auf<br />

alten Fundamenten wurde versucht, Baugedanken der<br />

Renaissance dem Vorhandenen anzupassen. Die spätmittelalterliche<br />

Wehrhaftigkeit findet ihren Ausdruck am Schloßbau<br />

in Höhe des Erdgeschosses: Im Zeitalter der Musketen sind<br />

die typischen horizontal angelegten Schießschlitze dem Bau<br />

eingefügt worden. Besonders deutlich sind sie, wenige Meter<br />

über der Wasserlinie des Schloßgrabens, in den Rundtürmen<br />

zu sehen.<br />

Im Innern des östlichen und westlichen Gebäudeteils befinden<br />

sich die Treppenaufgänge, von denen Ottmar sagt, er<br />

zitiert Friedrich Mielke, daß sie »die frühesten zweiarmig<br />

geradläufigen Treppen, die bisher in einem Schloß nachgewiesen<br />

sind« n , enthalten. Das Kreuzgratgewölbe ist aus dem<br />

55


Westflügel entfernt, im Ostflügel ist es noch über eineinhalb<br />

Stockwerke zu sehen. Betritt man den Ostflügel durch den<br />

Haupteingang, der früher zum Gericht führte, gelangt man<br />

ins Erdgeschoß, von dem die beschriebene Treppe aufsteigt.<br />

Dort nun, links von dem Aufgang, befindet sich ein Saal, in<br />

den auch das Erdgeschoß des Nordostturms einbezogen ist.<br />

Er mißt ungefähr die halbe Länge des Ostflügels und reicht<br />

durch die beiden untersten Geschosse. Zwei Fenster des<br />

Nordostturms gaben dem Saal ein zusätzliches Licht. Sie sind<br />

später zugemauert worden. Noch vor einigen Jahren diente<br />

dieser Raum als Turnsaal. Mittlerweile ist der ursprüngliche<br />

Zustand wieder hergestellt worden 12 .<br />

Der ehemalige eigentliche Wohnbereich reichte vom zweiten<br />

bis zum vierten Stockwerk. Der Zugang dahin erfolgt von<br />

den Fluren, die zu der Hofseite hin liegen. Das vierte<br />

Stockwerk stammt nicht aus der gleichen Erbauungszeit wie<br />

die darunterliegenden Etagen, ein Indiz dafür findet sich u. a.<br />

in der vertikalen Gliederung der Fensteröffnungen der beiden<br />

Giebel an der Nordseite 13 . Auch die Südfront ist uneinheitlich<br />

bezüglich der Fensterreihen, das heißt, die horizontale<br />

Anordnung der Fenster ist nicht auf die gleiche Höhe hin<br />

ausgerichtet: In Blickrichtung nach Süden sehen wir, daß die<br />

jeweiligen Fenster des zweiten und dritten Geschosses zwischen<br />

Kapelle und Südostturm tiefer angebracht sind, als die<br />

Fenster auf der anderen Seite der Kapelle.<br />

Diese Kapelle wurde mehrfach verändert. Es ist nicht<br />

bekannt, wie sie in gotischer Zeit ausgesehen hat. Beeindrukkend<br />

sind heute die Stuckdecke und die Wappentafeln der<br />

Familien von Landsee/Traßberg und des Fürstabtes Plazidus<br />

Zurlauben (f 1723). Es ist anzunehmen, daß das Kloster Muri<br />

nach dem Kauf der Herrschaft im Jahre 1706 die Neugestaltung<br />

der Kapelle vornehmen ließ.<br />

Ihr Außeres, die Abdachung, muß mit der Ausgestaltung des<br />

vierten Stockes im Südflügel in einem Zusammenhang gesehen<br />

werden. Dieser enthielt dort oben einen Rittersaal, von<br />

dem Türen auf eine Bailustrade hinausführten, die über der<br />

Kapelle angebracht war. Als 1835 dieser stukkierte Saal in<br />

Gefängniszellen umgebaut wurde, vermauerte man die<br />

Fenster und Türen und errichtete wahrscheinlich das Pultdach,<br />

das auf Seite 179 in Hodlers Oberamtsbeschreibung im<br />

Photo noch zu sehen ist. Der Zustand vor dieser Umgestaltung<br />

wird im zweiten Bauabschnitt wiederhergestellt werden,<br />

der im November 1984 begonnen hat.<br />

Schmuck und Symbolik<br />

Die vielleicht bedeutendsten Erneuerungen an der Ostfassade<br />

sind nicht architektonischer Natur, sondern beziehen sich auf<br />

die oben erwähnten Secco-Malereien. Wieviele von diesen<br />

noch an der Süd-, West- und Nordfront gefunden werden,<br />

läßt sich heute nicht voraussagen. Die bisher vorgefundenen<br />

wirken durch ihre phantasievolle Gestaltung geradezu grotesk.<br />

Zwar lassen sich Tiere als Hasen, Füchse, Wildschweine<br />

und Katzen identifizieren, jedoch stellen die musizierenden<br />

Hasen nur Narreteien oder hintergründigen Humor dar?<br />

Diese Malereien, in rotem Farbton ausgeführt, umrahmen ein<br />

Fenster am Südostturm in der zweiten Etage, eine kleine<br />

Nische am selben Turm, in der eine bemalte Wappentafel aus<br />

Holz der Familie von Rechberg angebracht war. Ranken und<br />

Bänder umgeben eine Schießscharte für die Musketen,<br />

schließlich findet sich verschiedentlich die Darstellung einer<br />

Nixe, zum Beispiel sehr schön in der Mitte der Ostwand. In<br />

etwas Abstand darunter und nach der Seite versetzt, ist die<br />

seltsame Tierwelt zu sehen. Die Abbildung der Nixe zeigt<br />

Verwandtschaft mit jener auf dem Gedenkstein für Wildhans<br />

von Neuneck fl454) in der Glatter Kirche. Diese symbolhafte<br />

Darstellung, dort mit Fisch und Vogel, einem gekreuzten<br />

Schwert und Zepter, gilt als Zeichen der Turniergesell-<br />

56<br />

Wasserschloß Glatt mit den neu entdeckten Secco-Malereien.<br />

schaft »Vom Fisch und vom Falken« und wird dem schwäbischen<br />

Ritterbund vom Bodensee zugeordnet 14 .<br />

Noch wissenschaftlich undatiert und unausgewertet, stammen<br />

diese Malereien wohl aus dem 16. Jahrhundert und sind<br />

ohne mediterrane Einflüsse kaum denkbar 13 . Wer aus der<br />

Familie von Neuneck diese künstlerische Gestaltung anregte,<br />

ist noch nicht zu bestimmen. Vielleicht war es ein weitgereister<br />

Neunecker, der im Mittelmeerraum oder an den großen<br />

Höfen mit dieser Kunstrichtung bekannt wurde. Die oben<br />

erwähnte Wappentafel war Mitte September 1984 an der<br />

bezeichneten Stelle in der Turmwand aufgefunden worden<br />

und ist jetzt dort wieder zu sehen. Diese zeigt das Wappen<br />

derer von Hohenrechberg und verweist auf Magdalena von<br />

Rechberg 16 . Sie war mit dem Neffen Reinhards von Neuneck,<br />

Hans Heinrich, verheiratet, der 1578 starb. Sein Epitaph<br />

befindet sich gleichfalls in der Pfarrkirche von Glatt 17 .<br />

Es bleiben viele Fragen bzw. Anstöße zu künftigen Forschungen:<br />

- Weshalb zeigt die Wappentafel ausschließlich das Rechberger<br />

Wappen?<br />

- Wann wurde diese Tafel geschaffen?<br />

- Schließlich, ist die zeitliche Einordnung der Wappentafel<br />

gleichzeitig ein Indiz für die Datierung der Secco-Malereien?<br />

- Warum wurde die Wappentafel zugemauert?<br />

Diese Fragen werden sich nicht so schnell lösen lassen, vor<br />

allem auch deswegen, weil die geschichtliche Forschung<br />

dieses Randgebiet Hohenzollerns seit Franz Xaver Hodler<br />

nur beiläufig untersucht hat.


Anmerkungen<br />

1<br />

Siehe Bericht in der Hohenz. Heimat, Nr. 2, Seite 18. - Zu diesem<br />

Beitrag eine redaktionelle Berichtigung. Seite 20, Abschnitt »Verwahrlosung<br />

kommt nicht von ungefähr« muß es heißen bei<br />

Anmerkung 14: »... durch welchen die Abtei Muri ihren Besitz<br />

und die damit verbundenen Hoheitsrechte, entsprechend dem<br />

Machtwillen einer höheren Gewalt und dem Anpassungswillen<br />

eines Kleinstaates, abtreten mußte.«<br />

2<br />

Schwarzwälder Bote vom 18. 8. 1984 - Secco-Malerei, vom ital.<br />

>a secco« bezeichnet jede Technik der Wand- bzw. Deckenmalerei<br />

unter Verwendung von Bindemitteln wie Kaikasein, Ei usw. auf<br />

trockenem Putz.<br />

3<br />

Schwarzwälder Bote vom 20. 9. 1984.<br />

4<br />

Die Gesamtkosten dieser Sicherungen werden mit ca. 42000 DM<br />

angesetzt, Schwarzwälder Bote vom 20. 5. 1984.<br />

5<br />

Wie in Anm. 3.<br />

6<br />

FAS, Bestand Glatt, R 151/Nr. 71 und 72 von 1463 bzw. 1500.<br />

7<br />

Ebd. R 184/Nr. 21 und Nr. 22 von 1482 vzw. 1597.<br />

8<br />

Ebd. R 72/Nr. 5 von 1540.<br />

9<br />

Siehe Beitrag in Nr. 2, Anm. 8-10.<br />

10<br />

Johann Ottmar, Das Glatter Schloß, Beitrag zum Heimatbuch<br />

»Sulz am Nckar«, Sulz 1984, S. 402. - Hodler in »Geschichte des<br />

EMIL HAULER<br />

Oberamts Haigerloch«, S. 176 erwähnt dieses Jahr im Zusammenhang<br />

mit einer Erbteilung.<br />

11<br />

Wie Anm. 10, S. 402 - Friedrich Mielke, Das Haus Wittelsbach<br />

und die Treppenbaukunst in Bayern, in: Burgen und Schlösser,<br />

Zeitschrift der Deutschen Burgenvereinigung e.V., 23.Jg. Heft<br />

1982/11 S. 64-72.<br />

12<br />

Ottmar, s. Anm. 10S. 403: »Dieser Saal ist im 17. Jh. als Speisesaal<br />

urkundlich nachweisbar (>die große Tafelerkerstube


Körper besichtigt. Hat man von Herrschaftswegen ihrem<br />

Pfarrer selbig ein Mißtrauen vorgesandt, vermeinen möchte,<br />

es wäre etwan ein ihm allhier gegebener tödlicher Streich oder<br />

sonst ein anderes ihm zugefügte Unheil des Tods die Ursach.<br />

Selbiger durch geschworenen Barbirer auf ihre Kosten inspicieren<br />

und besichtigen lassen. Weil aber selbiger schon krank<br />

hierhero gekommen. Als hat diese Klag von ihnen nicht<br />

gemacht werden können. Juden haben dem Befreundeten<br />

selbig seinen Körper rein gewaschen, in ihr gewöhnliches<br />

weißes Sterbkleid angekleidet, mit eigenen Händen einen<br />

Toten-Sarge gemacht und selbigen in dem zubereiteten Ort,<br />

nebst vielen ihrer jüdischen Zeremonien, führen lassen und<br />

gleichfalls eigenhändig eingescharrt. Und nachdem alles vollendet,<br />

haben die Befreundeten bei gnädiger Herrschaft sich<br />

untertänig angeben und des nach bemelten Vermögens halber<br />

Richtigkeit zur Prob angeboten, bis dahin man dessen Habschaft<br />

nit extrhieren.<br />

NB: Hiebei ist für die Zukunft zu merken, daß wenn sich in<br />

diesem ain solcher Fall sich widerholen sollte, den Corpus<br />

nicht ohne daß man es der benachbarten Judenschaft und<br />

durch diese sein Weib und hinterlassenen Kindern zu wissen<br />

gemacht und den Fall hatte notificieren lassen, befriedigt man<br />

nit allein großen Prozess und Haß den man bekommen hätte,<br />

als die Judenschaft sagt, er wäre unter den Christen ermordet<br />

worden und man ihn in ein Loch geworfen hätte. - Und auch<br />

dieses doch gewiß geschehen wäre trotz ihrer kayserl. Privilegien,<br />

kraft dessen man den Körper gegen Erlegung der<br />

Unkosten undisputierlich ausfolgen lassen muß nahmhaft<br />

ohne Gewalt und ebenmäßig. Das sich schwer erwiesen hat,<br />

da diese Klag schon vielemal geschehen. Also beim jeweiligen<br />

Fall sogleich Klag, daß 2 Judenschaften es notificieren und<br />

freistellen, ob primo selbiger Cörper im jeweiligen Sterbeort<br />

vergraben, oder gegen Revers und barer Erlegung der Unkosten,<br />

selbig in den Ort wohin er Schutzverwandter ist,<br />

abführen lassen wollte. Die Zech muß dann auch darauf<br />

gemacht werden. - Zur Information!<br />

Specification der Unkosten, so über den Körper ergangen!<br />

Erstlich gnädige Herrschaft, als hoch und<br />

niedrige Jurisdiction hier vor den Platz und<br />

das Fraisch-Pfand. In Ansehnung ihres wenigen<br />

Vermögens, das doch 100 Rchsthlr. billig<br />

kunt abgefordert werden in allem 12 fl.<br />

Item selbige Jüry-Gelt 1 fl.<br />

Dem Obervogt vor das Protocoll zu führen 1 fl.<br />

Vor das Inventarium 1 fl. 30 x.<br />

Item ihm, daß er in dem Sterbhaus nebst den 2<br />

des Gerichts, welche seine Habschaft inspicieret,<br />

umb daß nichts zurück bleiben möchte<br />

anwesend sein und beständig hin und wider<br />

laufen müssen vor Bemühungen 1 fl.<br />

Wegen denen gerichtlich Gezeugen, welche<br />

auch den ganzen Tag damit zugebracht seint,<br />

yr miteinand aufkommen, darum jedem 45 x.,<br />

miteinand also gemacht worden 1 fl. 30x.<br />

Dem Jenigen, so das Loch gemacht 1 fl.<br />

Item dem Amtsknecht, welcher den Körper<br />

visitiert hin und wider getragen und ausgezogen<br />

20 x.<br />

Denjenigen 2 Männer, welche selbig 2 Tag<br />

und 1 Nacht verwachen müssen miteinand 1 fl. 30 x.<br />

Item denen 2 Botten, so nach Riedlingen und<br />

in der Stadt hin und wider laufen und umb<br />

benachbarte Juden umbfragen müssen 20 x.<br />

Summa 21 fl. 40x.<br />

58<br />

Revers Brief der Juden!<br />

Wir Endtß Unterschriebene bekennen hiermit, und in Craft<br />

dieses Briefs, daß, nachdem Samuel ben Schmuel (sein Name)<br />

Schutzjud von Hechingen als mein Benachbarter und Mitconsort<br />

wurd morgens am heimgehen, allhier zu Grüningen<br />

an einer etlich tägigen unbekannten Unpäßlichkeit deß Zeitlichen<br />

beurlaubt und gestorben. Von allhießig hochfreiherrlich<br />

gnädiger Herrschaft, auch in Ansehung des Vorseihenden<br />

Armut, sowohl in Abforderung des gewöhnlichen Freischpfandes<br />

und Fall, als auch in all anderen Observationen<br />

(Beobachtungen), so zu dergleichen Fällen nach Anlaß und<br />

Rechts in Confideration (Vertrauen?) zu erhalten sind, dermaßen<br />

mit gnädigem Auge angesehen worden, daß man<br />

darunter von Seiten der ganzen Judenschaft zu bemeltem<br />

Hechingen unendlich obligiert zu sein sich erkennet. Dahero<br />

dann auch craft dieß mit freyem Gemüt und Willen nit<br />

weniger denn schuldig bekennen und unani (gemeinsam)<br />

weiter sagen müssen. Weßwegen wir auch gegenwärtigen<br />

Reversbrief von und soll, daß es aus keiner gewesenen<br />

Schuldigkeit, weniger auf Befehl, Rechte, oder sonsten<br />

Observation kommen und wir es sonsten supponiert oder in<br />

anderer Weis davon gesprochen und raifoniert (weitersagen)<br />

können. Sondern ganz und gar aus angeborener hoher Gnad<br />

und Commiseration (Mitleid), einig allein geschehen sein!<br />

Das ist zu wahrer Urkund und Bekräftigung halber, sowohl<br />

im Namen und anstatt des, der hinterlassen Kinder bestellten<br />

Anwalts, als auch des Verstorbenen hinterlassenen Sohn,<br />

gegenwärtigen Revers eigenhändig unterschrieben und mit<br />

dem gewöhnlichen Pötschaft corroborieren (mit dem Siegel<br />

bekräftigen) wollen.<br />

Gegeben: Grüningen 31. Sept. 1718.<br />

Quelle: Frh. von Hornstein'sches Protokollbuch 1711-1745.<br />

Kommentar zum Tod dieses Juden!<br />

Es mag uns heute seltsam oder gar herzlos erscheinen, einen<br />

hier im Ort verstorbenen Israeliten nicht auf dem Dorffriedhof,<br />

sondern in dem ca. 1 km vom Dorf entfernten Wäldchen<br />

Berket genannt, zu beerdigen. Bei der Pietät, die man den<br />

eigenen Toten angedeihen läßt und mit der Liebe, mit der<br />

man ihre Gräber pflegt, ist das fast unverständlich. - Wenn<br />

man aber der Sache nachgeht, so mögen es wohl die Juden<br />

selber gewesen sein, die diesen Platz gewählt haben.<br />

Von 1711 bis 1717 hatte die hießige Herrschaft 4 israelitische<br />

Familien als Schutzjuden hier im Dorf aufgenommen, da<br />

ihnen die Stadt Riedlingen zu ihrem Handel gar günstig<br />

gelegen sei. In diesen Jahren starben ihnen 3 Kinder, die auf<br />

dem für sie bestimmten Beerdigungsplatz im Wald »Berket«<br />

begraben wurden. Die Herrschaft scheint mit ihnen nicht<br />

zurechtgekommen zu sein und betrieb ihre Ausweisung. Es<br />

wurde sogar das Landgericht eingeschaltet. Bei diesen 3 toten<br />

Kindern wurde auch der hier verstorbene Jude aus Hechingen<br />

beerdigt.<br />

Wie man in der einschlägigen Literatur nachlesen kann,<br />

mögen für die Wahl dieses Beerdigungsplatzes wohl religiöse<br />

Gründe der Juden den Ausschlag gegeben haben. Denn nach<br />

ihrem Glauben sollen die Juden nach dem Kommen des<br />

Messias auferstehen. Schon immer gab es große Dispute<br />

zwischen den Gottesgelehrten, wem diese Gunst zuteil werden<br />

wird. - Allen Völkern der Erde, oder nur dem »Volk<br />

Gottes«, oder wenigstens allen Juden und den Gerechten<br />

unter den anderen Völkern. - Es gab auch große Diskussionen,<br />

ob wirklich alle Juden auferstehen sollen, auch Mörder<br />

und Einbrecher und solche die ihre Untaten mit dem Tod<br />

gesühnt hatten. Nur die Selbstmörder sollten nicht unter den<br />

Auferstandenen sein, darin waren sich alle einig.


Man darf den Juden auch keine Organe zur Transplantation<br />

entnehmen, denn dann könnte ja ein Jude ohne Niere, oder<br />

ohne Netzhaut auferstehen. Auch müssen ihre Friedhöfe<br />

immer von anderen getrennt sein und werden oft hunderte<br />

von Jahren gepflegt. Auch dürfen sich Juden nach ihrem Tode<br />

nicht unter die Nichtjuden mischen, denn es könnte sonst<br />

passieren, daß der Messias sie bei seiner Ankunft übersieht. -<br />

Auch wenn ein Nichtjude auf einem jüdischen Friedhof<br />

beigesetzt wird, sind die umliegenden Gräber »gefährdet«.<br />

OTTO WERNER<br />

Herrschaftliche Gebäude in Hechingen<br />

Die Auflistung der herrschaftlichen Gebäude in Hechingen<br />

erfolgt nach dem »Brand-Versicherungs-Kataster« aus dem<br />

Jahre 1839. Dieser Kataster lagert im Stadtarchiv Hechingen.<br />

A. In der Stadt Hechingen<br />

Num. 22 »Das Museumsgebäude, 2 Stok hoch, mit<br />

Fachwerk, über Abzug des Kellers« taxiert auf 6000 Gulden,<br />

»hiezu ein neuerbauter Saal, laut Taxationsurkunde vom<br />

27. Septjember] 1839 4500 Gulden«.<br />

Num. 22a »1 Stall hiebei, 45' [= Schuh] breit, 2 Stok im<br />

Fachwerk«, taxiert auf 350 Gulden. (1 Schuh entspricht<br />

29,617 cm.)<br />

Num. 23 »Das Gewächshaus im fürstlichen] Garten in der<br />

Mittelgaß, 1 Stok hoch, von Stein über Abzug der Mauern«<br />

taxiert auf 2000 Gulden. (Die »Mittelgaß« ist die heutige<br />

Zollerstraße.)<br />

Num. 24 »Das Badhäuschen im fürstlichen] Garten in der<br />

Mittelgaß, 1 Stok mit Fachwerk«, taxiert auf 300 Gulden.<br />

Nachgetragen wurden die Nummern 24 a-c, und zwar<br />

Num. 24a »1 Küchengebäude, 2 Stok, von Stokmauren über<br />

Abzug des Kellers u[nd] sämtlicher] Stokmauren laut<br />

Beschluß v. 6. May 1843« taxiert auf 4000 Gulden;<br />

Num. 24b »1 Holzstall, 2 Stok von Stein, nach diesem<br />

Beschluß« taxiert auf 400 Gulden;<br />

Num. 24c »1 Hühnerhaus, 1 Stok, von Fachwerk, nach<br />

diesem Beschluß tax[iert auf] 200 [Gulden]«.<br />

Num. 25 »Das Beschließeringebäude im fürstlichen] Garten,<br />

2 Stok, mit Fachwerk, über Abzug des Kellers« taxiert auf<br />

3000 Gulden.<br />

Num. 26 »Das Hühnerhaus im fürstlichen] Garten, 1 Stok<br />

hoch, mit Fachwerk«, taxiert auf 200 Gulden.<br />

Num. 27 »Die Bibliothek im ffürstlichen] Garten, 1 Stok<br />

hoch, mit Fachwerk«, taxiert auf 800 Gulden.<br />

Num. 32V2 »Das Kleinkinderbewahranstalt-Gebäude vor<br />

dem obern Thor, 65' lang, 30' breit, 1 Stok, von Stein mit<br />

Aswalddach«, taxiert auf 3500 Gulden.<br />

Num. 32Va »1 Schopf dabei, 28' lang, 12' breit, 1 Stok hoch,<br />

mit Fachwerk«, taxiert auf 200 Gulden.<br />

Soweit die Gebäude vor dem oberen Tor. Es folgen die<br />

Gebäude in der Innenstadt:<br />

Num. 111 »1 dreistökiges Wohnhaus in der Schloßgaß von<br />

Stein, (Wohnung des Präsidenten)«, taxiert auf 5000 Gulden.<br />

(Dieses Wohnhaus ist die frühere Hauptwache zwischen<br />

Schloß und Kanzlei. Das Schloß ist nicht aufgeführt; es war<br />

1813/14 abgebrochen worden.)<br />

Num. 113 »Das alte Kanzleigebäude in der Schloßgaße,<br />

2V2 Stok hoch, von Stein«, taxiert auf 12000 Gulden. (Die<br />

alte Kanzlei heißt im Volksmund >Altes Schloßt)<br />

Num. 144 »Das obere Bräuhaus, 2 Stok von Stein, über<br />

Abzug der Keller« taxiert auf 8000 Gulden. (Das obere<br />

Bräuhaus war im selben Gebäude wie die spätere Fruchtschranne<br />

und das spätere Schulhaus in der Kaufhausstraße.)<br />

Da sich die Juden ja schon zu allen Zeiten in verschiedene<br />

Glaubensrichtungen gespalten haben, dürfte sich das heute<br />

nicht mehr auf alle anwenden lassen. - Wie man aber immer<br />

wieder aus Pressemeldungen erfahren kann, gibt es immer<br />

noch Gruppen, die um die »Reinheit« ihrer Friedhöfe sehr<br />

besorgt sind und allen Andersgläubigen die Bestattung auf<br />

ihren Friedhöfen nicht erlauben und sich selbst auch nicht auf<br />

nichtjüdischen Friedhöfen beerdigen lassen wollen.<br />

vor 150 Jahren<br />

»Laut Beschluß v. 18. July 1844, da die Brauereieinrichtungen<br />

hinweg kamen, erniedrigt zu 6000f.«<br />

Num. 145 »Das Dikasteriengebäude, 3 Stok mit Fachwerk,<br />

nach Abzug des Kellers« taxiert auf 10000 Gulden. (Dieses<br />

Gerichtsgebäude wurde das spätere Gebäude des Landratsamtes<br />

in der Kaufhausstraße; heute Baulücke: Parkplätze.)<br />

Num. 225 »Das Pfarrhaus samt Anbau, 2 Stok hoch, der lte<br />

Stok von Stein, die 2 andern mit Fachwerk, im 2t Stok ein<br />

Bakofen« taxiert auf 4500 Gulden. (Das frühere Pfarrhaus<br />

stand an der Ecke Hohenbergerstraße/Schulstraße; heute:<br />

Parkplätze.)<br />

Es folgen die Gebäude in der Unterstadt:<br />

Num. 372 »Kloster St. Luzen mit 3 Flügel, 2 Stok hoch, von<br />

Stein, über Abzug der Keller« taxiertauf 10000 Gulden. (Das<br />

Kloster war in der Säkularisation aufgehoben und der<br />

Klosterbesitz samt Kirche dem Fürsten von Hohenzollern-<br />

Hechingen zugesprochen worden.)<br />

Num. 373 »Das Bräuhaus bei St. Luzen, 2 Stok hoch, von<br />

Stein, über Abzug der Keller« taxiert auf 7000 Gulden. - Im<br />

Jahre 1843 heißt es: »Obiges Gebäude ist cassirt, u[nd] an<br />

dessen Stelle ein neues errichtet worden, 234' lang, 28' breit;<br />

taxiert mit Einschluß von 3 Kühlen u[nd] 2 Maischkästen,<br />

u[nd] über Abzug sämtlicher Keller 2 Braupfannen u[nd]<br />

5Brantweinhäfen zu 22000 [Gulden].«<br />

Num. 374 »Die Kirche bei St. Luzen samt dem Kreuzgange,<br />

2 Stok von Stein«, taxiert auf 8000 Gulden. - Laut Schätzungsurkunde<br />

vom 18. Januar 1840 kamen hinzu: 2 Glocken<br />

zu 500, 1 Orgel zu 100, 1 Hochaltar zu 125, 2 Seitenaltäre zu<br />

je 25, 1 Altar zu 75 und Bet- und Chorstühle zu 75 Gulden.<br />

Num. 375 »1 Stall u[nd] Remise bei St. Luzen, 1 Stok, die<br />

Hälfte von Stein, die andre mit Fachwerk erbaut«, taxiert auf<br />

400 Gulden. - Eine Malzmühle wurde laut Beschluß vom<br />

18. Juli 1844 taxiert auf 300 Gulden.<br />

Num. 421 »Die Spitalkirche, 2 Stok, von Stein«, taxiert auf<br />

4000 Gulden. Dazu kamen 2 Glocken zu 600, 1 Uhr zu 150,<br />

1 Kanzel zu 25, 1 Hochaltar zu 150, 2 Seitenaltäre zu je 25,<br />

Bet- und Chorgestühl zu 100 Gulden.<br />

Num. 422 »Das Hospitalgebäude, 2 Stok, von Stein«, taxiert<br />

auf 6000 Gulden.<br />

Num. 423 »Die Hospitalscheuer, 2 Stok, mit Fachwerk«,<br />

taxiertauf 1800 Gulden. Die Scheuer wurde um das Jahr 1850<br />

abgebrochen. - Stattdessen wurde<br />

Num. 423 »eine neue Scheune, 2 Stok hoch, der lte Stok von<br />

Stein, der 2te von Fachwerk« erbaut. Inhaber war die Spitalverwaltung.<br />

Taxiert wurde die neue Scheuer 1851 auf 3000<br />

Gulden.<br />

Num. 425 »Der Fruchtkasten beim Spital, 2 Stok, v[on]<br />

Stein«, taxiert auf 8000 Gulden.<br />

Num. 426 »Das Materialhaus beim Hofgarten samt Scheune<br />

unter einem Dach, 1 Stok, von Stein«, taxiert auf 2000<br />

Gulden.<br />

59


Num. 435 »Die Stadtmühle, 2 Stok, von Stein«, taxiert auf<br />

4000 Gulden, der Gerbgang mit allen seinen Teilen auf 155,<br />

der 1. Mahlgang auf 160, der 2. ebenfalls auf 160, der 3. und 4.<br />

zusammen an einem Wasserrad auf 850 (später erniedrigt auf<br />

750), der Mühlenstuhl (bzw. »Bieth«) auf 150 Gulden.<br />

Num. 436 »1 Stall bei der Stadtmühle, 1 Stok, mit<br />

Fachwerk«, taxiert auf 150 Gulden. - »Nach vorgenommenen<br />

Baute laut Beschluß vom 8. Feb[ruar] 1844 taxirt zu<br />

600 [Gulden].«<br />

Num. 465 »Das Wohnhaus im Stuttenhof, 2 Stok, mit<br />

Fachwerk«, taxiert auf 2500 Gulden.<br />

Num. 465a »Der Maststall und Viehhaus allda, 2 Stok, mit<br />

Stein«, taxiert auf 7000 Gulden.<br />

Num. 465b »1 Garbenscheuer allda, 1 Stok, von Stein«,<br />

taxiert auf 6000 Gulden.<br />

Num. 465c »1 Schafstall allda, 2 Stok, von Stein«, taxiert auf<br />

9000 Gulden.<br />

Num. 465d »1 Waschhaus, 1 Stok, von Stein, über Abzug der<br />

Stokmauern taxiert l[aut] Beschluß v[om] 6. May 1843 [auf]<br />

100 [Gulden]«.<br />

Num. 466 »Das Wohnhaus im Hofgarten, 2 Stok, mit<br />

Fachwerk«, taxiert auf 1200 Gulden.<br />

Num. 466a »Das Gewächshaus allda, 1 Stok, mit Fachwerk«,<br />

taxiert auf 300 Gulden. (Das Gewächshaus wurde im Jahre<br />

1852 abgebrochen.)<br />

Num. 469 »Die Gypsmühle, 2 Stok, mit Fachwerk, Öhlmühl-Feuerstätte,<br />

hiebei noch ein Anbäule«, taxiert auf<br />

500 Gulden. - Die Gipsmühle wurde im Jahre 1840 umgebaut<br />

und einschließlich des laufenden Werks neu taxiert auf<br />

2000 Gulden.<br />

HERBERT RÄDLE<br />

Zwei Porträts von Mitgliedern der Gelehrtenfamilie Grynaeus (Griener)<br />

aus Veringendorf<br />

I. Zur Biographie der Dargestellten<br />

Die Sippe der Grynaei hat im 16. Jh. mehrere bedeutende<br />

Professoren hervorgebracht, die in Heidelberg, Tübingen<br />

Basel und Bern wirkten 1 . Zeitlich der erste und zugleich der<br />

bedeutendste unter ihnen ist der Humanist und Theologe<br />

Simon Grynaeus, geb. 1493 (oder 1494/95) als Bauernsohn in<br />

Veringendorf, gestorben 1541 in Basel, den unser erstes<br />

Porträt darstellt. Er war über die Stationen Wittenberg und<br />

Heidelberg 1529 nach Basel gelangt, wohin ihn der Reformator<br />

Oekolampad als Gräzisten berufen hatten. Er sollte dort<br />

Erasmus ersetzen, der aus Verärgerung über die Einführung<br />

der Reformation zusammen mit anderen Gelehrten die Stadt<br />

verlassen hatte. Nach Oekolampads frühem Tod im Jahr 1531<br />

galt Crynaeus während seiner Zeit in Wittenberg - dort<br />

immatrikulierte er sich am 17. April 1522 als Magister<br />

Viennensis 3 - hatte er sich der Reformation genähert. Durch<br />

Vermittlung seines Freundes aus der Pforzheimer Schulzeit,<br />

Philipp Melanchthon, war er auch mit Luther persönlich<br />

bekannt geworden. Seine stark vom Piatonismus geprägte<br />

Denkungsart prädestinierte ihn jedoch eher zum Zwinglianismus<br />

4 . Herzog Ulrich von Württemberg berief den Basler,<br />

zusammen mit dem Konstanzer Ambrosius Blarer, 1534 zur<br />

Durchführung der Reformation an die Universität Tübingen.<br />

Im Sommer 1535 wieder nach Basel zurückgekehrt, übernahm<br />

Simon Grynaeus die Nachfolge des Antistes<br />

(= Bischofs) Oswald Mykonius als Neutestamentier. Er<br />

hatte aktiven Anteil an der Abfassung der sog. ersten helvetischen<br />

Konfession, die im Januar 1536 von den schweizerischen<br />

Theologen in Basel vereinbart wurde, sowie an den<br />

Konferenzen, die abgehalten wurden, um die Schweizer zur<br />

Annahme der Wittenberger Konkordie von 1536 zu bewe-<br />

60<br />

B. Auf der Friedrichstraße<br />

Num. 470 »Die Strekemühle samt Scheune, die Mühle 2 Stok,<br />

einer von Stein, der obere mit Fachwerk, die Scheune einstökig<br />

mit Fachwerk«, taxiert auf 6000 Gulden. - Der Gerbgang<br />

samt Zubehör wurde auf 100, der 1. Mahlgang auf 125, der 2.<br />

auf 150, der Mühlstühl auf 125 Gulden taxiert.<br />

Num. 475 »Die mittlere Mühle, 2 Stok, von Stein, deren<br />

Stallung, IV2 Stok, mitFachwerk«, taxiert auf 3500 Gulden.-<br />

Dazu kamen Gerbgang samt Zubehör, 3 Mahlgänge, der<br />

Mühlstuhl und das Waschhaus mit 800 Gulden.<br />

Num. 476 »Das Schafhaus, 1 Stok, von Stein«, taxiert auf<br />

2000 Gulden.<br />

Num. 481 »Das Wohnhaus der untern Mühle, 2 Stok, mit<br />

Fachwerk, im 2t Stok ein Bakofen«, taxiert auf 800 Gulden.<br />

Num. 482 »Die untere Mühle, 1 Stok, von Stein«, taxiert auf<br />

1600 Gulden. - Hinzu kamen an Einrichtungen 675 Gulden.<br />

Irrtümlich eingetragen worden waren drei herrschaftliche<br />

Gebäude, die - wie im Jahre 1843 bemerkt wird - nicht auf<br />

Hechinger sondern auf Markung Stetten lagen:<br />

Num. 492 »Brielhof, die Maiereibewohnung samt allen<br />

Anbäuen, 1 Stok von Stein«, taxiert auf 8000 Gulden.<br />

Num. 494 »Hof Ziegelbach, 1 Stok mit Fachwerk«, taxiert<br />

auf 2400 Gulden, »deßen Waschhaus, 1 Stok, von Stein« auf<br />

200 Gulden.<br />

Num. 495 »Die Heiligkreuzkapelle, samt Wohnhaus, 1 Stok,<br />

von Stein«, taxiert auf 800 Gulden.<br />

JCDL—xocz«» qfc -JUX- jooL--JUC: J j»—«x »7*r:<br />

SIMON GRYNAEVS PHILOS.<br />

& Theoloiius Bafilicnlis.<br />

t¡ttjmfw< er tndu< ,honore gr.iuu.<br />

AL D. XLL<br />

KJA 1D XXJ Ol » _ OL«


gen 5 . An dem Religionsgespräch zu Worms 1540 nahm er als<br />

Abgeordneter Basels teil. Er starb 1541 als gewählter Rektor<br />

der Universität Basel. - Bedeutender noch als seine theologische<br />

und reformatorische Tätigkeit war seine Leistung als<br />

vielseitiger Humanist. Er hat zahlreiche griechische und<br />

lateinische Autoren herausgegeben und mit gelehrten Vorworten<br />

versehen 6 . Bleibendes Andenken auf philologischem<br />

Gebiet sicherte ihm die Entdeckung der bis dahin unbekannten<br />

Bücher 41-45 des Livius.<br />

Auch sein in Abb. 2 dargestellter Großneffe Johann Jakob<br />

Grynaeus (1540-1617) ist - exakt 50 Jahre nach ihm - als<br />

Reformator einer süddeutschen Universität hervorgetreten.<br />

Dem Ruf Johann Kasimirs folgend, organisierte Johann<br />

Jakob Grynaeus 1584-86 die Universität Heidelberg auf<br />

reformierter Grundlage und trug damit wesentlich zur Festigung<br />

der reformierten Lehre in der Pfalz bei. Der Sohn des<br />

Thomas Grynaeus - über ihn weiter unten - hatte Schule und<br />

Universität in Basel besucht, wurde 1559 Vikar und 1565<br />

Nachfolger seines Vaters als Superintendent der badischen<br />

Landeskirche in Röteln im Wiesental, nachdem er 1563/64 in<br />

Tübingen den Doktorgrad der Theologie erworben hatte.<br />

1575 als Professor für Altes Testament nach Basel berufen,<br />

wurde er 1586 Nachfolger Simon Sulzers und setzte als<br />

Antistes und Professor für NT der von Sulzer betriebenen<br />

Annäherung Basels an das Luthertum ein Ende. Gemeinsam<br />

mit seinem Schwiegersohn Amandus Polanus formte er die<br />

Basler Kirche in Lehre und kirchlicher Ordnung, nicht ohne<br />

Widerstand, zu einer autoritären Staatskirche um. Er schuf<br />

einen Katechismus, verteidigte Calvins Prädestinationslehre,<br />

veröffentlichte 1590 eine ausführliche Gottesdienstordnung<br />

und strebte die Anerkennung der zweiten helvetischen Konfession<br />

an, die aber erst 1644 erfolgte. Seine Vorlesungen über<br />

Kirchen- und Profangeschichte erfreuten sich eines guten<br />

Besuchs 7 .<br />

II. Die Porträts<br />

Das in Abb. 1 gezeigte Porträt des Simon Grynaeus, ein<br />

Holzschnitt, entstammt einer Sammlung mit dem Titel Icones<br />

sive imagines virorum literis illustrium, hrsg. von Nicolaus<br />

Reusner, Straßburg 1585 (Neudruck Leipzig/Gütersloh/<br />

Zwickau 1973). Es ist das früheste bekannte Porträt des<br />

Gräzisten und geht vermutlich auf eine vera icon, sei es eine<br />

Zeichnung oder ein Gemälde zurück 8 . In der Uberschrift<br />

wird Grynaeus als Basler Philosoph - d. h. Professor an der<br />

Artistenfakultät - und Theologe präsentiert. Die Unterschrift,<br />

eine Art Grabepigramm, rühmt ihn als einen frommen<br />

und gelehrten Mann (pius et doctus), angenehm im<br />

Umgang (suavis moribus), einen Mann von rechtschaffener<br />

Gesinnung (mente probus), von untadeligem Lebenswandel<br />

(vita sanctus) und großem Ansehen (honore gravis). In der<br />

Hand trägt der Dargestellte - als homo literatus - eine<br />

Schriftrolle. Das insgesamt schlicht gehaltene Porträt strahlt<br />

eine strenge Würde aus, die durch den ragenden Bart unterstrichen<br />

wird. Inwieweit es sich dabei um Porträtähnlichkeit<br />

handelt, läßt sich allerdings nicht nachprüfen. In der letzten<br />

Zeile findet sich die lateinische Jahreszahl 1541, das Todesdatum<br />

des Dargestellten.<br />

Die Kenntnis des in Abb. 2 wiedergegebenen Porträts von<br />

Johann Jakob Grynaeus verdanke ich Herrn Josef Schülzle<br />

aus Burladingen, der dem Leben und Wirken der Grynaei seit<br />

Jahren nachgegangen ist. Da die Inschrift nur das Geburts-,<br />

nicht aber das Todesjahr angibt, muß der Stich vor dem Tod<br />

des Abgebildeten im Jahr 1617 entstanden sein. Der Abgebildete,<br />

dessen Antlitz Intelligenz, Strenge und Entschlossenheit<br />

ausdrückt, wird als Theologus celeberrimus, als hochberühmter<br />

Theologe, präsentiert. Geboren ist er, so lesen wir,<br />

zu Bern im Jahre 1540. Dort war sein Vater, Thomas<br />

Grynaeus (1512 in Veringendorf geboren, später von Simon<br />

GRYNstXlM Sfu<br />

.•Ineelus, rrt Nahmt an<br />

Grynaeus nach Basel geholt, verheiratet seit 1533 mit Adelheid<br />

Steuber) seit 1535 Professor für Latein und Griechisch.<br />

Das unter dem in ovaler Form gehaltenen Porträt eingetragene<br />

Epigramm lautet: Ein Engel Jehovas rettete einst seinen<br />

Vater Grynaeus aus Speyer: hier ist der Sohn, ein glänzender<br />

Theologe, dargestellt. Der Verfasser des Epigramms ist also<br />

der Meinung, Johann Jakob Grynaeus sei ein Sohn vn Simon<br />

Grynaeus, auf eine Geschichte aus dessen Leben er anspielt 9 .<br />

Dieser hatte aber nur einen - mit Johann Jakob Grynaeus<br />

allerdings nahezu gleichaltrigen - Sohn Samuel (1539-1599).<br />

Er wurde 1564 Professor der Eloquenz in Basel, 1571 Professor<br />

der Jurisprudenz, 1591 Stadtsyndikus. Verheiratet war er<br />

zweimal, mit Elisabeth Peyer und Anna Rüdin. Es war mir<br />

nicht möglich, von Samuel Grynaeus ein Porträt ausfindig zu<br />

machen. Es ist mir auch nicht bekannt, ob in der königlich<br />

englischen Bibliothek heute noch jenes Porträt des Humanisten<br />

Simon Grynaeus hängt, das Heinrich VIII. 1531 dort<br />

aufhängen ließ, versehen mit lateinischen Versen »voll des<br />

schmeichelhaftesten Lobes« 10 .<br />

Anmerkungen:<br />

1<br />

Vgl. Carl Roth, Stammtafeln einiger ausgestorbener Basler<br />

Gelehrtenfamilien, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde<br />

16, 1917, S. 398 f.<br />

2<br />

Vgl. M, E. Welti, Der Gräzist Simon Grynaeus und England, in:<br />

Archiv für Kulturgeschichte 45, 1963, S. 234.<br />

3<br />

Er hatte also in Wien sein Magisterexamen gemacht. Vgl. Philipp<br />

Melachthons Declamationes, hrsg. von K. Hartfelder, Berlin<br />

1891, S. XXV.<br />

4<br />

So J. V. Pollet, Martin Bucer, Etudes Sur la correspondance, Paris<br />

1962, S. 372.<br />

5<br />

Vgl. K. Gauß, Die Berufung des Simon Grynaeus nach Tübingen,<br />

in: Basler Jahrbuch 1911, S. 118 ff.<br />

6<br />

Vgl. G. Th. Streuber, Simonis Grynaei clarissimi quondam academiae<br />

Basiliensis theologi et philologi epistolae. Accedit Index<br />

auctorum Grynaei opera editorum, Basel 1847, S. 57ff.<br />

7<br />

Literatur: F. Weiß, in: Basler Biographien I, Basel 1900, S.<br />

150-194.<br />

AHM RITTET IOLIA:<br />

platzt* >TU.att<br />

k


8 Das in der Aula des Museums für Natur- und Völkerkunde in<br />

Basel befindliche Olbildnis ist jüngeren Datums.<br />

9 Die Geschichte, daß Simon Grynaeus bei dem Religionsgespräch<br />

in Speyer 1529, an dem er von Heidelberg aus teilnahm, von den<br />

Häschern des Königs Ferdinand gesucht und nur durch das<br />

Eingreifen eines geheimnisvollen Unbekannten gerettet worden<br />

JOHANN ADAM KRAUS<br />

sei, geht auf A. Gast, Sermones convivales II, 158 ff. zurück.<br />

R. Thommen, Geschichte der Universität Basel von 1532-1632,<br />

Basel 1889, S. 112 verweist den Bericht Gasts allerdings ins Reich<br />

der Fabel.<br />

10 So berichtet G. Th. Streuber, Simon Grynaeus, in: Basler<br />

Taschenbuch auf das Jahr 1853, Basel 1853, S. 24.<br />

Nachlese zu den Herren von Killer-Ringelstein, gen. Affenschmalz<br />

Seit dem Aufsatz im Hohenzollerischen Jahresheft 1954<br />

(S. 103-141) haben sich noch einige bisher unbekannte Daten<br />

zur Adelsfamilie von Killer-Ringelstein genannt Affenschmalz<br />

gefunden:<br />

1) 1156 (zu S. 127): Anselm von Ringelstein ist letzter Zeuge<br />

nach dem Grafen Sigebert von Frankenburg für K. Friedrich<br />

Barbarossa betr. Privilegien für Kloster Neuburg<br />

(J.D. Schöpflin, Alsatiae dipl. I, Seite 472, Nr. 670).<br />

2) 1256 Dez. 31: Ein Heinrich, genannt von Kilwiler, ist<br />

Kaplan auf Burg Zollern (Mon. Zoll. I und Cod. Salem)<br />

3) 1365 Feb. 25: Eine große Wiese zu Sehan (Saia, Seeheimertal<br />

zwischen Killer und Ringingen) gehörte dem verstorbenen<br />

Albrecht von Kirchwiler (HJHeft 1957, 355, betr. Stettener<br />

Urkunde Nr. 253).<br />

4) 1380 Mai 18: Heinz von Killer, genannt Affenschmalz,<br />

siegelt neben Renhard von Melchingen, Anshelm und Burkart<br />

von Höllnstein für drei Fräulein von Werstein (Weitinger<br />

Kopialbuch S. 60 im fürstl. höh. Archiv Sigmaringen).<br />

5) 1383 Juli 25: Heinrich von Kyller, des da Ringingen<br />

(eigen) ist, den man nennt Affenschmalz, ist Bürge und<br />

Siegler einer Urkunde des Burkart von Holnstein für das<br />

Frauenkloster Pfullingen (Arch. Stuttg. A 514, Nr. 92).<br />

Heinrich scheint mit dem im Kriegsdienst 1375 in Italien<br />

verdienten Geld das Dorf Ringingen von den Truchsessen<br />

erworben zu haben (ohne die Burg). Denn auf letzterer saß<br />

noch 1390 im Oktober der Truchseß Jörg von Ringingen<br />

(Cod. Salem: HJHeft 1952, 97).<br />

6) 1394 Dez. 1: Heinrich von Killer, gen. Affenschmalz,<br />

verschreibt seiner lb. Tochter Grete von Killer zwei Pfund<br />

jährlicher Gilt auf Michaelistag. Ein Pfund geht aus dem<br />

Oberen Hagenbrühl, den jetzt Hainz Erhart von Hechingen<br />

baut, das andere aus dem anstoßenden Unteren Hagenbrühl<br />

unter Zollern, den Haila Gebsin und ihr Mann bauen. Nach<br />

Gretes Tod fallen die zwei Pfund Heller ans Kloster Kirchberg,<br />

»darin ich och die obgenannte min Dochter Greten<br />

getaun haun. (Vgl. den Dialekt!). Neben Heinrich siegelt<br />

Georg von Winkental (b. Aalen: Arch. Stuttg. B 462,<br />

Nr. 383).<br />

7) Das Original des Affenschmalzer Jahrtags (1406 nach<br />

Ringingen gestiftet) fand sich nachträglich in Stuttgart: A 478<br />

(Blaubeuren!) Nr. 278.<br />

8) 1411 Nov. 26: Vor kurzem ist die Schwester Grete die<br />

Killerin (oben) im Kloster Kirchberg verstorben. Auf dem<br />

Todbett hat sie gebeten, von ihrem Nachlaß möge das Kloster<br />

ein Pfund Hlr jährlich ans Seelgerät daselbst zu einem Jahrtag<br />

für sie verwenden. Somit wurde ihr geretlaht (Hinterlassenschaft)<br />

verkauft und ein Pfund jährlich auf Michaelis zum<br />

Jahrtag bestimmt, wiederum aus dem Hagenbrühl unter<br />

Zollern, den derzeit Fritz Murer von Hechingen baut. Die<br />

Seelfrauen sollen jährlich den Jahrtag besorgen und »trülich<br />

haißen gedenken mit Singen und Lesen, Vigilien und anderen<br />

guoten Werken, wie es Gewohnhait ist im genannten<br />

Kloster«. Dies wird unterm genannten Datum festgelegt<br />

62<br />

(Arch. Stuttg. B 462, No 384). - Der Hagenbrühl scheint mit<br />

Heinrich dem Hagge von Ringelstein von 1328, dem Vorfahr<br />

Heinrichs von Killer, zusammen zu gehören. Heinrichs<br />

Schwester Adelheid v. K. war 1390 Nonne zu Kirchberg,<br />

seine Base Adelheid 1351-71 im Kloster Stetten (HJHeft<br />

1954, 141).<br />

9) 1413 Mai 18: Laut Hechinger Stiftslagerbuch (Kernler):<br />

»Ich Wilhelm von Killer, Heinrichs v. K. seligen, den man<br />

nennt Affenschmalz, ehelicher Sohn« urkundet betr. einen<br />

Hanfgarten am Stettenerbach (Höh. Heimat 1955, 63). Heinrich<br />

war 1413 gestorben und im Chor der Martinskirche zu<br />

Ebingen beigesetzt worden; Grabstein jetzt im Nebenraum!<br />

10) 1422 Palmtag, 5. April: Der Stadt Bern haben widersagt:<br />

Konrad von Hornberg, Diem von Lichtenfels, Wilhelm von<br />

Ringelstein gen. Affensch., Hans von First etc. wegen des<br />

Herzogs von Urslingen (Anzeiger f. schweizerische<br />

Gesch. 5, 1886-89).<br />

11) 1981: Ende der in den Bürgerstand herabgesunkenen<br />

Familie Ringelstein? (HJHeft 1954, 121: Zu ihr gehörte<br />

vielleicht auch der am 27. Juli 1543 erwähnte Sigmaringer<br />

Untervogt Christoph Ringelstein (Höh. Heimat 1961, 44).<br />

Im Februar 1981 überraschte eine Nachricht aus Freiburg i.<br />

Brsg. die Heimatfreunde: Am 18. Februar war nach kurzer<br />

Krankheit der 51jährige Hausmeister des Badischen Verlages<br />

Hans Ringelstein daselbst verstorben. Er hinterließ keinen<br />

Sohn, sondern neben der Witwe Auguste Mammitsch zwei<br />

verheiratete Töchter Ilona Reinhard und Karin Stelzer. Hans<br />

war Feinschleifer gewesen und wegen Kränklichkeit Hausmeister<br />

geworden seit 7 Jahren, wohnte in der Runzstraße 21.<br />

Er scheint der Letzte der bürgerlich gewordenen Ringelstein<br />

aus der Hechinger Gegend gewesen zu sein als Nachkomme<br />

des Kaspar Ringelstein von 1520, bzw. des 1743 in Ringingen<br />

geborenen Andreas R, des Sohnes des kurz vorher verblichenen<br />

Johannes Ringelstein und der Margaretha Elisabeth<br />

Bopeyin aus einer Landfahrerfamilie. (Vgl. Schwarzwälder<br />

Bote vom 25. Febr. 1981 und HJHeft 1954, 121).<br />

12) Zur Deutung des Namens Affenschmalz (1375 Affensmalz),<br />

den ich a. a. O. aus einem italienischen Kraftwort des<br />

Heinrich von Killer ableitete, ohne es beweisen zu können:<br />

Immerhin heißt italienisch »äffe« als Interjektion »wahrlich«,<br />

»smalto« aber »Schmelz« und »smaltamento« »Verdauung«,<br />

was »schwäbisch »Jo, an Dreck« ergeben könnte.<br />

Der begeisterte Heimatfreund Michael Lore aus Killer hatte<br />

dagegen in der Hohenz. Zeitung vom 14. Juli 1951 geschrieben:<br />

»Der gemeine Mann hatte ehedem nicht die Mittel die<br />

(von mir für 1500 angegebenen) Modetorheiten mitzumachen.<br />

Wenn aber der edle Herr und Gutsbesitzer Heinrich<br />

von Killer mit seinem affenschmalzgeschmierten Haaraufbau<br />

sich gezeigt hat, wie mögen ihn dann die Killertäler wohl<br />

genannt haben?«<br />

Dagegen bleibt zu beachten: Heinrich brachte schon 1375,<br />

also lange vor den genannten Modesachen, seinen Namen aus<br />

Italien mit und nannte sich stolz: »Ich Heinrich von Killer,<br />

genannt Affenschmalz!«


Buchbesprechungen<br />

Joachim. Feist, Reutlinger und Uracher Alb<br />

Text von Jörg Bischoff<br />

145 Seiten mit 100 Tafeln, davon 40 in Farbe. Konrad Theiss<br />

Verlag Stuttgart. DM 49,80.<br />

Joachim Feist ist als Fotograf schon mit mehreren Bildbänden<br />

hervorgetreten. Auch dieser Band enthält überwiegend<br />

schöne und ansprechende Bilder. Neben bekannten »Sehenswürdigkeiten«<br />

werden auch einfache Dinge aus dem Alltag<br />

gezeigt. Landschaftlich am eindrucksvollsten ist der Albtrauf<br />

zwischen Gönningen und dem Seeburger Tal. Aber auch vom<br />

»Unterland« und von der, nur scheinbar, eintönigen Hochfläche<br />

der Alb sind zahlreiche schöne und interessante Bilder<br />

zu sehen.<br />

Die Texte stammen von Jörg Bischoff, Redakteur bei der<br />

»Stuttgarter Zeitung«. In kurzen Einführungen und den<br />

Bilderläuterungen wird viel historisches, kulturelles und<br />

geographisches Wissen zu den dargestellten Landschaften<br />

und Orten vermittelt. Anzumerken wäre, daß Trochtelfingen<br />

nicht im Lauchert- sondern im Seckachtal liegt. B.<br />

Herbert Schwedt, Elke Schwedt, Martin Blümcke, Masken<br />

und Maskenschnitzer der schwäbisch-alemannischen Fastnacht<br />

328 Seiten mit 176 Abbildungen auf 104 Tafeln. Konrad<br />

Theiss Verlag Stuttgart. DM 54.-<br />

Holzmasken sind ein charakteristischer Bestandteil der<br />

schwäbisch-alemannischen Fasnacht. Mit der Gründung von<br />

einigen hundert Narrenzünften erlebte die Fasnacht in den<br />

letzten Jahrzehnten einen ungeahnten Aufschwung. Eine<br />

große Anzahl Masken (eigentlich Larven) mußte neu geschaffen<br />

werden und in den alten Fasnachtszentren kam es zu einer<br />

gewaltigen Vermehrung der Narren. Die Verfasser sind der<br />

Frage nachgegangen, wo diese Masken herkommen und<br />

haben 130 Schnitzer besucht. Die Schnitzer wurden über ihre<br />

Ausbildung, ihre Arbeitsweise und ihre Vorstellungen<br />

befragt. Das Spektrum reicht vom Amateurschnitzer, der nur<br />

eine Zunft mit Masken versorgt, bis zum anspruchsvollen<br />

Holzbildhauer. Ebenso unterschiedlich sind die Erzeugnisse.<br />

Es gibt Masken, die nach einem Protoyp mit der Kopierfräse<br />

hergestellt werden, was vielen Zünften schon vom Preis her<br />

recht ist und wahre Kunstwerke von hohem Wert. Nicht<br />

unterschätzt werden darf auch der Einfluß, den die Maskenschnitzer<br />

bei der Beratung der Zünfte ausüben. An Hand der<br />

Bilder des Buches können sich die Fasnacht-Aktiven über<br />

gute und weniger gute Maskengestaltung informieren. Auch<br />

in unserer näheren Umgebung gibt es eine ganze Anzahl von<br />

Maskenschnitzern und Zünften, über die berichtet wird.<br />

Dem volkskundlichen Standardwerk ist eine weite Verbreitung<br />

zu wünschen, was bei dem günstigen Preis sicher nicht<br />

schwierig ist. B<br />

P. Corbinian Gindele, Die Orgelbauer Leopold und Hieronymus<br />

Spiegel aus Fridingen in Prag, Rottenburg und Waldsee<br />

Beuroner Kunstverlag, Auslieferung Heimatmuseum 7203<br />

Fridingen. 72 Seiten mit mehreren Fotos und Zeichnungen<br />

Pater Corbinian Gindele vom Kloster Beuron stellt in dem<br />

Büchlein die Ergebnisse seiner Forschungen über die Orgelbauer<br />

Spiegel vor. Leopold Spiegel ist schon in jungen Jahren<br />

von Fridingen nach Prag ausgewandert und schuf dort eine<br />

ganze Anzahl von Orgeln. Er starb in Prag 1730. Sein Sohn<br />

Anton setzte das Werk fort. Hieronymus Spiegel lernte die<br />

Kunst des Orgelbauens wahrscheinlich bei seinem Onkel<br />

Leopold in Prag. 1736 erwarb er das Bürgerrecht von Rottenburg.<br />

Auch in unser Gebiet lieferte er mehrere Orgeln, so<br />

z. B. Beuron, St. Anna in Haigerloch und Kloster Mariaberg<br />

(heute in Kaiseringen). Als 73jähriger zog Hieronymus Spiegel<br />

nach Waldsee. 1778 baute er eine Orgel für die dortige<br />

Frauenbergkapelle. P. Corbinian schreibt: Nach 1960 begann<br />

es, daß schwäbische Spiegel-Orgeln von Fachmännern und<br />

Orgelbauern als Kleinode, als meisterhaft gearbeitete Denkmäler<br />

der Orgelbaukunst gepriesen wurden. B.<br />

Beuron. Alte Photographien aus Beuron und den Ortsteilen<br />

Hausen im Tal, Thiergarten, Neidingen und Langenbrunn.<br />

Im Geiger-Verlag, Horb a.N., ist ein 72 Seiten starkes, 92<br />

alte Photos umfassendes Büchlein über Beuron erschienen.<br />

Es beinhaltet auch Bilder aus den übrigen Beuroner Ortsteilen<br />

Hausen im Tal, Thiergarten, Neidingen und Langenbrunn.<br />

Die Texte hat Karl Werner Steim zusammengestellt.<br />

Vorgestellt wird zunächst die heutige Gemeinde Beuron,<br />

wobei auch die Entwicklungen aufgeführt sind, die zur<br />

Bildung der neuen Gemeinde Beuron geführt haben. Es folgt<br />

jeweils eine kurze Geschichte der einzelnen Ortsteile, denen<br />

Reisebeschreibungen aus Büchern der Jahre 1850 und 1883<br />

angeschlossen sind, die sich hervorragend zur Abrundung<br />

der dann folgenden alten Photographien eignen. Von der<br />

Kern-Gemeinde Beuron finden sich 43. Es sind Postkarten<br />

und Photos vom Kloster- und Ortsbereich von der Jahrhundertwende<br />

bis in die Zeit vor wenigen Jahrzehnten, wobei die<br />

baulichen Veränderungen und Ortserweiterungen verfolgt<br />

werden können. Überhaupt wurde besonderer Wert auf<br />

Photos gelegt, die Veränderungen gegenüber heute aufzeigen.<br />

Dann sind alte und zum Teil sehr seltene Photos aus dem<br />

Klosterinneren zu sehen, denen sich Bilder vom Klosterleben<br />

(Prozessionen, Landwirtschaft, Fischfang usw.) anschließen.<br />

Auf einen Abstecher nach St. Maurus folgen Bilder von<br />

zahlreichen - oft inzwischen abgebrochenen oder wesentlich<br />

umgebauten - Häusern und sonstigen Details. Photos vom<br />

Eisenbahnbau und der Eisenbahn beschließen diesen Teil.<br />

Neben Ortsansichten liegt bei Hausen im Tal (25 Photos) der<br />

Schwerpunkt beim Vereins- und sonstigen Gemeindeleben.<br />

Mehrere Schulklassen, Familien und Erinnerungen von Fasnacht,<br />

Musikkapelle, Radfahrverein »Danubia«, Männergesangverein,<br />

Feuerwehr und Fußballclub sind festgehalten.<br />

Stark geprägt sind die Bilder von Thiergarten noch durch das<br />

einstige Hüttenwerk mit großer Kohlenscheuer usw. Thiergartenhof,<br />

Kapelle, Bahnhof, Eisenbahnunglück, Marmorwerk,<br />

Fasnacht und Ruine Falkenstein sind hier festgehalten.<br />

Selbst aus Neidingen (fünf Photos) gibt es interessante Ortsbilder<br />

mit der alten Brücke, der Neidinger Mühle und dem<br />

Schaufelsen. Mit neun Photos ist Langenbrunn mit Schloß<br />

Werenwag vertreten. Hier reizte u. a. der Blick vom Eichfelsen,<br />

der im übrigen auch als (farbiges) Titelbild gewählt<br />

wurde. Abgebildet sind auch die alte Ortsdurchfahrt und der<br />

Talhof. Vom Schloß Werenwag selbst sind auch Photos<br />

aufgenommen worden. Besonders interessant wirken hier die<br />

Gartenpartie und das Schloß mit der früheren Wirtschaft.<br />

Das Buch ist im Sigmaringer und Beuroner Buchhandel<br />

erhältlich.<br />

Geschichte und Geschichten rund um die St.-Georgs-Brücke<br />

Beuron-Thiergarten<br />

Hrsg. von der Gemeinde Beuron, zusammengestelt von Fidel<br />

Mathias Fischer und Karl Werner Steim, o. O. 1984. 34 S.<br />

Text mit 7 Fotos.<br />

Vorliegende Schrift, die von der Gemeinde Beuron anläßlich<br />

der Einweihung der St.-Georgs-Brücke am 2. Juni 1984 herausgegeben<br />

wurde, enthält interessante Beiträge zur<br />

Geschichte der Gesamtgemeinde, vor allem aber der Ortsteilgemeinde<br />

Thiergarten. Nach einem Geleitwort dokumentiert<br />

Bürgermeister Fidel Mathias Fischer zunächst den Bau der<br />

St.-Georgs-Brücke, die 1983/84 anstelle einer aus dem Jahre<br />

1906 stammenden Stampfbetonbrücke errichtet wurde, und<br />

63


Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong> Geschichtsverein<br />

Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />

M <strong>3828</strong> F<br />

Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.<br />

zeichnet in einem weiteren Beitrag die verschlungenen Pfade<br />

nach, die zur Bildung der aus dem ehemaligen hohenzollerischen<br />

bzw. badischen Ortschaften Beuron, Hausen im Tal,<br />

Neidingen und Thiergarten hervorgegangenen Gemeinde<br />

und ihrer Einverleibung in den neuen Landkreis Sigmaringen<br />

führten.<br />

Es folgt der Aufsatz von Johann Adam Kraus »Rund um die<br />

St. Georgsbasilika beim Thiergarterhof«, der bereits bei seiner<br />

Veröffentlichung in der Hohenzollerischen Heimat 33<br />

(1983), S. 49-52, große Beachtung gefunden hat. Der Beitrag<br />

»Geschichte des Fürstl. Fürstenbergischen Hüttenwerkes<br />

Thiergarten« von Jakob Barth, von einer 1858 erschienenen<br />

Monographie abgedruckt, bietet einen Abriß der Geschichte<br />

des 1571 von Graf Wilhelm von Zimmern errichteten Tiergartens<br />

und des dort 1670 bis 1841 bestehenden Hüttenwerks.<br />

Die für die Ortsgeschichte Beurons wichtige Festschrift wird<br />

durch Beiträge von Karl Werner Steim »Von der einstigen<br />

Schule in Thiergarten« und »Interessantes aus der Thiergartener<br />

Schulchronik« sowie von Burkhart Stark »Fragmente aus<br />

dem kirchlichen Leben während der Barockzeit« ergänzt und<br />

abgerundet. Otto H.Becker<br />

1834-1984. Hohenzollerische Landesbank - Kreissparkasse<br />

Sigmaringen<br />

Zu ihrem 150jährigen Jubiläum hat die Hohenzollerische<br />

Landesbank Kreisparkasse Sigmaringen, eine »Festschrift«<br />

herausgegeben, dargestellt und dokumentiert von Bankdirektor<br />

a.D. Lorenz Menz. Das 164 Seiten starke, in Leinen<br />

gebundene Buch mit zahlreichen Abbildungen, auch farbigen,<br />

sprengt den Rahmen einer gewöhnlichen Festschrift.<br />

(Gesamtbetreuung: Deutscher Sparkassenverlag GmbH in<br />

Stuttgart, Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH in<br />

Sigmaringen). Hier wird eine - vom Fachmann flüssig<br />

geschriebene - Veröffentlichung geboten, die ein Stück<br />

Geschichte beinhaltet, wie sie wohl nicht so bald wieder<br />

dargestellt werden dürfte. Ein Grund ist die Kreisreform, die<br />

das Gesicht der einstigen Hohenzollerischen Landesbank<br />

total verändert und zur Landesbank-Kreissparkasse geführt<br />

hat. Anderen Kreissparkassen zugeteilt wurde nämlich das<br />

Gebiet des früheren Kreises Hechingen und von Teilen des<br />

Kreises Sigmaringen. Neu hinzugekommen ist die Kreissparkasse<br />

Saulgau, die in diesem Jahr ihr 130jähriges Jubiläum<br />

feiern kann.<br />

HOH<strong>ENZOLLERISCHE</strong> <strong>HEIMAT</strong><br />

hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein.<br />

Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«<br />

ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will<br />

besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />

und der angrenzenden Landesteile mit der<br />

Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie<br />

bringt neben fachhistorischen auch populär<br />

gehaltene Beiträge.<br />

Bezugspreis: 8.00 DM jährlich.<br />

Konto der »Hohenzollerischen Heimat«:<br />

803843 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />

(BLZ 65351050).<br />

Druck:<br />

M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH & Co.,<br />

7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.<br />

64<br />

Die Autoren dieser Nummer:<br />

Dr. Otto H. Becker<br />

Gustav-Bregenzer-Str. 4, 7480 Sigmaringen<br />

Emil Hauler<br />

7940 Riedlingen 5-Grüningen<br />

Wolfgang Hermann<br />

Fischinger Straße 66, 7247 Sulz<br />

Pfr. Johann Adam Kraus, Eh.Archivar i.R.<br />

Badstraße 8, 7800 Freiburg-Littenweiler<br />

Dr. Herbert Rädle, Oberstudienrat<br />

Veit-Jung-Str. 13a, 8430 Neumarkt/Oberpf.<br />

Karl Werner Steim<br />

In der Au 30, 7480 Sigmaringen<br />

Otto Werner, Rektor<br />

Friedrich-List-Straße 55, 7450 Hechingen<br />

Stephan Wiest, Oberstudiendirektor i. R.<br />

Ludwig-Egler-Straße 12, 7450 Hechingen<br />

Friedrich R. Wollmershäuser<br />

Stuttgarter Straße 133, 7261 Ostelsheim<br />

Schon die Grußworte hochkarätiger Prominenz (Friedrich<br />

Wilhelm Fürst von Hohenzollern, Ministerpräsident Lothar<br />

Späth, Regierungspräsident Dr. Max Gögler, Präsident des<br />

Württembergischen Sparkassen- und Giroverbandes Bruno<br />

Rühl) lassen die Bedeutung des Buches und der Institution,<br />

die dahinter steht, erkennen.<br />

Mit Geographie und Geschichte der ehemaligen »Hohenzollerischen<br />

Lande« wird begonnen. Dann folgt das wichtige<br />

Kapitel über die Gründung der Spar- und Leihkasse im Jahre<br />

1834 durch den Fürsten Carl von Hohenzollern-Sigmaringen<br />

anläßlich der Heirat seines Sohnes, wobei auch auf die<br />

wirtschaftliche Not der damaligen Zeit eingegangen wird und<br />

die sozialen Umstände erläutert werden.<br />

Die Entwicklung bis zum Ersten Weltkrieg zeigt ein stetes<br />

Aufwärts mit dem Wachstum von Handwerk, Handel und<br />

Industrie. Aber es gab auch Rückschläge, nicht nur in den<br />

Revolutionsjahren 1848/49. Ein weiterer Abschnitt ist »Vom<br />

Ersten Weltkrieg bis zur Weltwirtschaftskrise« überschrieben,<br />

wo der Bankfachmann die speziellen Probleme aufzeigt.<br />

Schwierig war auch die Zeit des Nationalsozialismus, des<br />

Zweiten Weltkrieges und erst recht danach. »Kriegsende und<br />

Kriegsfolgen« ist ein wichtiger Teil davon. Von der Währungsreform<br />

bis heute wird dann die Bank dargestellt, wobei<br />

es u. a. um den Wiederaufbau, die Hochkonjunktur und die<br />

einschneidenden Maßnahmen der Kreisreform geht.<br />

Ein eigenes Kapitel ist den Geschäftsgebäuden in Sigmaringen,<br />

Hechingen, Burladingen, Gammertingen, Haigerloch,<br />

Ostrach, Trochtelfingen und Veringenstadt gewidmet.<br />

Sehr umfangreich dargestellt ist auch die 130jährige<br />

Geschichte der Kreissparkasse Saulgau, die seit der Kreisreform<br />

zur Hohenzollerischen Landesbank gehört.<br />

Besonders interessant ist der Anhang, wo die führenden<br />

Persönlichkeiten der Bank durch 150 Jahre chronologisch<br />

und nach Gremien usw. geordnet aufgeführt sind. Dokumente<br />

usw. runden diesen Teil ab.<br />

Der Verfasser hat für seine dankenswerte Arbeit vor allem das<br />

Archiv der Landesbank und die einschlägige Literatur sehr<br />

gründlich ausgewertet. Beigefügt ist dem Buch der Nachdruck<br />

einer gerade 100 Jahre alten Karte Hohenzollerns aus<br />

dem Jahre 1884. K.W. Steim<br />

Berichtigung zu Heft Nr. 2, 5. 27 zu Pettinwillare. In Punkt 8<br />

Zeile 3 muß es heißen Weiler, dessen Name (nicht dessen<br />

Kirche).<br />

Schriftleitung:<br />

Dr. med. Herben Burkarth,<br />

7487 Gammertingen (Telefon 07574/2329)<br />

Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />

persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />

diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge<br />

verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung<br />

sind als solche gekennzeichnet.<br />

Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />

werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />

Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische<br />

Heimat« weiter zu empfehlen.

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