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höh enzollerische heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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OSCAR HECK<br />

HÖH ENZOLLERISCHE<br />

HEIMAT<br />

20. Jahrgang 1970 Nr. t<br />

Die Denkmalpflege in Hohenzollern im Jahre 1969<br />

Bericht des Landeskonservators der Kunstdenkmäler in Hohenzollern<br />

Still und ohne großen Lärm haben eine Reihe hoh<strong>enzollerische</strong>r<br />

Bau- und Kunstdenkmäler im vergangenen<br />

Jahr wieder eine Auffrischung erfahren. Hiervon sei<br />

folgendes berichtet, wobei der Berichterstatter zu entschuldigen<br />

bittet, wenn das eine oder andere Beispiel<br />

schon im Jahresbericht 1968 erwähnt sein sollte.<br />

Den meisten Besuchern der Weilerkapelle in Owingen ist<br />

auch das Steinkreuz bekannt, das auf der bisher freigebliebenen<br />

Fläche südlich der Kirche stand. Daß es dem<br />

Bildhauer Johann Georg Weckenmann zugeschrieben ist,<br />

war durch den allseits aufgetretenen Moosbelag kaum<br />

mehr zu beweisen. Noch weniger waren sich die Einwohner<br />

des Ortes darüber im klaren, ob und wieviele<br />

Risse den Stein des Kunstwerkes gefährdeten. Auf den<br />

Rat des Denkmalpflegers wurde die störende Moosschicht<br />

vorsichtig abgenommen. Darunter zeigte sich eine barocke<br />

Plastik von ausgezeichneter Form und blendender Oberfläche.<br />

Doch die aus rotem Sandstein bestehende Skulptur<br />

war an allen Teilen von starken Rissen aufgespalten,<br />

und niemand konnte einem sagen, wieviele Winter sie<br />

noch halten würde. Eines hatte jedoch die Abnahme des<br />

Mooses erwiesen, daß es nämlich unmöglich ist, die Originalplastik<br />

im Freien zu bewahren. Jetzt blieb nur noch<br />

übrig, eine genaue Kopie machen zu lassen und das Original<br />

in einem geschlossenen Kirchenraum aufzustellen, wo<br />

weder Nässe noch Frost der Figur etwas anhaben konnte.<br />

Die Figur wurde im Laufe des Jahres von den Bildhauern<br />

Gerhard Halbritter und Alfred Vees geschaffen. Es ist<br />

geplant, für die Kopie noch einen neuen Sockel nach einem<br />

Weckenmann'schen Original zu schaffen. Sobald dieser<br />

neue Sockel fertig sein wird, kann das Kreuz an der Südwand<br />

der Kirche aufgestellt werden.<br />

Die schon im Vorjahr begonnenen Arbe ; ~.en an der Burgruine<br />

in Dießen konnten 1969 zu einem vorläufigen Abschluß<br />

gebracht werden. Zwei fotografische Aufnahmen<br />

vor und nach der Instandsetzung zeigen, was gemacht<br />

werden konnte: aus einer im Wildwachs schier erstickten<br />

Ruine wurde wieder eine in sich gefestigte Burg, die zu<br />

besuchen sich ,etzt schon lohnt.<br />

In Glatt s d d Instandsetzungsarbeiten in der Pfarrkirche<br />

beendet worden. Das Gerüst steht jetzt am Äußeren<br />

des Bauwerks, das im kommenden Frühjahr neu verputzt<br />

werden soll.<br />

Das Pfarrhaus in Heiligenzimmern wurde wiederhergestellt.<br />

Aber auch die Baudenkmale in Haigerloch kommen<br />

noch nicht zur Ruhe: während die Dächer der Schloßkirche<br />

mit roten Biberschwänzen neu gedeckt wurden, ist<br />

beim Pfarrhaus St. Anna außen und innen eine Erneuerung<br />

im Gange.<br />

Herauegegeben oom<br />

4P 3828 F<br />

Hohenzollerilchen Gelchichteoerein<br />

in Verbinöung mit öen<br />

Staatlichen Schulämtern Hechingen<br />

unö Sigmaringen<br />

Christuskopf vom Steinkreuz bei der Weilerkirche in Owingen von<br />

Johann Georg Weckenmann, nach der .Restaurierung.<br />

Foto: Keidcl-Daiker<br />

Gruol besitzt rings um die mittelalterliche Friedhofskirche<br />

einen sehr schön gelegenen Friedhof, für dessen Erweiterung<br />

im vergangenen Jahr ein guter Plan aufgestellt worden<br />

ist.<br />

Grosselfingen bemühte sich um die Erneuerung der Kapelle<br />

zur Schmerzhaften Muttergottes, die in der Hauptsache<br />

von Mitgliedern der Narrengilde instandgesetzt<br />

wurde.<br />

Während die schwierigen Besprechungen über die Finanzierung<br />

der bevorstehenden Bauarbeiten in der K .che<br />

St. Luzen in Hechingen noch nicht zu einem glücklichen<br />

Ende geführt werden konnten wurde der Außenputz der<br />

Spittelkirche und des Spitteis in Hediingen fast vollständig<br />

ausgeführt.


Burgruine Dießen, nach der Restaurierung. Foto: Feist<br />

In der Kirche zu Stein, wo der Kunstmaler Josef Lorch<br />

aus Füssen ein großes Deckenbild in neuzeitlicher Manier<br />

geschaffen hat, gingen die Wiederherstellungsarbeiten zu<br />

Ende.<br />

Dagegen ist die Gemeinde Weilheim immer noch bemüht,<br />

das Innere der Urbanskapelle in Ordnung zu bringen.<br />

Im Hochsommer konnte die St.-Anna-Kapelle auf dem<br />

Kornbühl bei Salmendingen eingeweiht werden. Dank<br />

der Tatkraft des Landratsamts und der Pfarrgemeinde ist<br />

es gelungen, den kirchlichen Innenraum zu bereinigen,<br />

einen neuen Sandsteinboden zu verlegen, den Altar zu<br />

vereinfachen und eine Anzahl Binsenstühle in den Raum<br />

zu stellen. D - e Kapelle macht jetzt wieder einen guten,<br />

geordneten Eindruck.<br />

Auch im benachbarten Melchingen wurde jetzt das Äußere<br />

der Pfarrkirche renoviert. Eine solche Gelegenheit wird<br />

gern dazu benützt, unvorteilhafte Bauglieder durch bessere<br />

zu ersetzen. Dies ist auch hier geschehen.<br />

In]ungingen ist ein Fachwerkgiebel neu gefärbelt worden;<br />

im übrigen beschrankte man sich darauf, gute Ortsbaupläne<br />

zu schaffen.<br />

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />

herausgegeben vom Hohen zoller! seilen Ge-<br />

schichtsverein in Verbindung mit den Staat-<br />

lichen Schulämtern Hechingen und Sigmarin-<br />

gen. Verlag- Hoh<strong>enzollerische</strong>r <strong>Geschichtsverein</strong><br />

748 Sigmaringen, Karlstraße 3. Drude: M.Lieh-<br />

ners Hofbuchdruckerei KG, 748 Sigmaringen,<br />

Karlstraße 10.<br />

Die Zeitschrift „Hohenzolleriscke Heimat" ist<br />

eine <strong>heimat</strong>kundliche Zeitschrift. Sie will be-<br />

sonders die Bevölkerung in Hohenzoliern mit<br />

der Geschichte ihrer Heimat vertraut machen.<br />

Sie bringt neben fachhistorischen auch populär<br />

gehaltene Beiträge aus der Gesdiichte unseres<br />

Landes. Sie enthält daneben einen besonderen<br />

Teil für die Schule und den Lehrer.<br />

Bezugspreis: halbjährlich 1.40 DM<br />

Bestellung der Zeitschrift kann erfolgen bei<br />

jedem Postamt oder beim Sdiriftleiter.<br />

Die Mitarbeiter dieser Nummer:<br />

Oscar Heck, Landeskonservator<br />

745 Hechingen, Hölderlinweg 8<br />

Telefon 07471/5142<br />

Johann Jerg, Studiendirektor a. D.<br />

748 Sigmaringen, Roystraße 2<br />

Telefon 07571/9422<br />

Frof. Dr Franz Kircbheimer<br />

Präsident des Geologischen Landesamts<br />

78 Fre.burg i. Br., Albertstraße 5<br />

Johann Adam Kraus<br />

Pfarrer und Erzb. Archivar i. R.<br />

78 Freiburg-Littenweiler, Badstraße 2<br />

Walter Sauter, Schriftleiter a. D. "<br />

745 Hechingen, Prager Straße 16<br />

Telefon 07471/5787<br />

Ernst Schnitze, Fürstl. Oberforstrat<br />

745 Hechingen, Zollerstraße 9<br />

Telefon 07471/2391<br />

Johannes Wannenmacher, Schulrat a. D.<br />

7487 Gammertingen<br />

Die Wallfahrtskirche Maria Zell bei Boll wurde außen<br />

neu verputzt; Pläne zur Instandsetzung des Inneren liegen<br />

vor.<br />

Ein wesentlicher Bestandteil der Burg Hohenzollern ist<br />

erneuert worden: der Burghof erhielt eine neue Pflasterung.<br />

Bisher war der Hof wegen seiner Unebenheit schwer<br />

zu begehen; nun hat man ihn geebnet und entwässert.<br />

Eine solche Arbeit verlangt sehr eingehende Vorarbeiten<br />

und Planungen. Um den Maßstab des Großen Hofes an<br />

die kleinmaßstäbliche Architektur der Wände anzupassen,<br />

wurde die Hoffläche durch gepflasterte Streifen und geteerte<br />

Zwischenfelder im Viereckjmuster gegliedert.<br />

Die Vereinigung der ehemaligen preußischen und sächsischen<br />

Kadetten hielt im September 1969 auf der Burg<br />

Hohenzollern einen Bundeskadettentag ab. Bei dieser<br />

Gelegenheit wurde eine Gedenktafel für alle Kadetten<br />

eingeweiht.<br />

Durch ein Erdbeben im Frühjahr 1969 wurde der in halber<br />

Höhe des Zollerberges stehende Wasserturm an seinem<br />

Turmhelm beschädigt; der steinerne Helm ist wieder in<br />

Ordnung gebracht worden.<br />

Auf dem Friedhof in Steinhofen errichtete die Gemeinde<br />

Bisingen eine Leichenhalle mit Aussegnungsraum.<br />

Dem Denkmalpfleger fiel ein Stein vom Herzen, als er<br />

erfuhr, daß das Kloster in Beuron vorerst davon absehen<br />

wolle, das Innere des Chores der Klosterkirche umzugestalten.<br />

Die hierfür vorgesehenen Mittel werden für die<br />

Neugestaltung der Heizungsanlage im Kloster und für<br />

sonstige Veränderungen benötigt. Damit ist für den Kirchenraum<br />

noch ein kleiner Aufschub gewonnen worden,<br />

was nur begrüßt werden kann.<br />

Im Rathaus zu Gammertingen wurde das schöne Treppenhaus<br />

neu gestrichen. Damit erhielt dieser Raum das ihm<br />

gemäße klassizistische Aussehen wieder.<br />

Die Pfarrkirche in Gammertingen konnte nach gründlicher<br />

Instandsetzung, die rund 400 000 DM kostete, fertiggestellt<br />

werden. Hier wurde viel geleistet, und dem Raum,<br />

der aus klassizistischer Zeit stammt, sieht man die vollzogenen<br />

Änderungen wohl an. Insbesondere der Chor<br />

wurde durch vielfache plastische Ausstattungsstücke (Bildhauer<br />

Steidle in Schwenningen) und durch gute abstrakt<br />

detaillierte, .n Grautönen gehaltene Fenster (Emil Wächter,<br />

Karlsruhe) neu gestaltet. Für die Neuordnung des<br />

Chores hat sich das katholische Stadtpfarramt im Smne<br />

des zweiten Vatikanischen Konzils stark eingesetzt.<br />

Die Pfarrkirche in Sigmo, mgendorf erfährt z. Zt. eine<br />

Wiederherstellung des Äußeren. Hierbei wurde vor allem<br />

die Dachlösung des Turmes bereinigt. Zwei aus dem<br />

Schriftleiter:<br />

N. N.<br />

Redaktionsausschuß:<br />

Hubert Deck, Konrektor<br />

745 Hechingen, Tübinger Straße 28<br />

Telefon 07 T/1/2937<br />

Helmut Lieb, Hauptlehrer<br />

748 Sigmaringen, Hohkreuz la<br />

Telefon 07571/9564<br />

Die mit Namen versehenen ArtiKel geben die<br />

persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />

diese zeichnen für den Inhalt der Beitrage verantwortlich.<br />

Mitteilungen der Schriftleitung<br />

sind als solche gekennzeichnet.<br />

Manuskripte und Besprechungsexemplare werden<br />

an die Adresse des Schriftleiters oder Redaktionsaussdiusses<br />

erbeten.<br />

Wir bitten unsere Leser, die „Hohenzolierische<br />

Heimat" weiter zu empfehlen.


Martyrium des hl. Erasmus 1<br />

Fresko in der renovierten<br />

Kirche von Veringendorf<br />

Foto: Hell<br />

19. Jahrhundert stammende Türmchen konnten zugunsten<br />

der Treppengiebel wieder entfernt werden.<br />

Im Kloster zu Wald wurde die alte, barocke Kapelle<br />

instandgesetzt. Deren schwere Stuckdecke, die herabzustürzen<br />

drohte, mußte zunächst hintergossen und damit<br />

befestigt werden. An der Eingangsseite wurde der Kachelofen<br />

vorsichtig abgebrochen und in einem Raum des Erdgeschosses<br />

wiederaufgestellt. Die Kapelle selbst erhielt<br />

als Erweiterung zw: • kleinere Nebenräume an der Eingangsseite.<br />

Im Kloster Habsthal erfreut man sich seit einigen Jahren<br />

einer mit Energie durchgeführten Erneuerung. Nachdem<br />

das Äußere des Klosters in mehreren Jahresetappen wiederhergestellt<br />

worder ist, legte man :m vergangenen Jahr<br />

Hand an den Innenhof, der sich mit seiner quadratischen<br />

Form nach dem Neuverputz der Wände und nach erfolgter<br />

Rekonstruktion der drei Sonnenuhren im besten Lichte<br />

bietet. Der Klostergarten erhielt eine neue Ummauerung;<br />

die ölbergkapelle wurde erneuert. Den Kapuelsaal hat<br />

ein Restaurator farbiidi neu gefaßt.<br />

Und nun beginnt die Instandsetzung des Kircheninneren.<br />

Zunächst wird der Raum über der Empore eingerüstet.<br />

Dort hat sich das von dem Maler Gottfried Bernhard<br />

Götz geschaffene barocke Deckenbild vom Putzträger gelöst.<br />

Es stürzte teilweise ab und muß nun schnellstens<br />

wieder an die Lattung gebunden werden. Der Kirchenraum<br />

ist verknüpft mit bekannten Namen: des Baumeisters<br />

Jodokus Beer, des Malers Matthäus Zehenter, der<br />

die Altarblätter malte, und mit Franz Joseph Spiegier,<br />

dem Maler eines Bildwerks mit der hl. Katharina. Außer<br />

den genannten Künstlern ist aber wahrscheinlich auch der<br />

berühmte Stukkator Joseph Anton Feuchtmaier in der<br />

Kirche tätig gewesen. D'e beginnende Gesamtrestaurierung<br />

wird also mannigfache Probleme ergeben.<br />

Im Schloß Hohenfels, Gde. Kalkofen, einem ehemaligen<br />

Deutschordenssitz, der jetzt der Schule Salem u.ent, befindet<br />

sich eine Kapelle, deren Hochaltar in schlechtem<br />

Zustand war. Dieser Altar wurde im Laufe des Jahres<br />

instandgesetzt.<br />

Die Wiederherstellung der Kirche in Einhart konnte im<br />

Inneren nahezu beendet werden. Da in den Netzgewölben<br />

des Chores spätmittelalterliche Deckenmalereien gefunden<br />

worden sind, ist der Chor zu einem sehr schönen<br />

und wirkungsvollen Teil der Kirche geworden.<br />

Vor einigen Jahren wurde die Pfarrkirche zu Veringendorf<br />

außen und innen instandgesetzt. Dabei konnten eine<br />

Reihe interessanter Wand- und Gewölbemalereien aus der<br />

Zeit um 1330 freigelegt und restauriert werden. Die weiteren<br />

Aufdeckungsarbeiten mußte man damals unterbrechen.<br />

Im Laufe des vergangenen Jahres konnten sie aber<br />

beendet werden. Dabei kamen weitere wertvolle Wandmalereien<br />

zutage, deren Deutung jedoch noch nicht vollzogen<br />

ist. Veringendorf ist mit dieser malerischen Ausstattung<br />

in die erste Reihe der hoh<strong>enzollerische</strong>n Baudenkmäler<br />

gerückt. Zur Zeit wird das Pfarrhaus in Veringendorf<br />

wiederhergestellt.<br />

Ein sehr vernachlässigtes Fachwerkhaus in Kalkreute<br />

mußte aufgegeben werden, da es an den erforderlichen<br />

hohen M'tteln fehlte, die zur Instandsetzung des Bauwerks<br />

notwendig wären.<br />

Die Instandsetzung des Marstallgebäudes tl Krauchenwies,<br />

letzte Arbeiten an den Kirchen in Liggersdorf, Inzigkofen<br />

und Ostrach, die Planung der Wiederherstellung<br />

des Inneren der Friedhofskirche in Vilsingen, die Instandsetzung<br />

des Fachwerkhauses Storz in Trochtelfingen sowie<br />

weitere Ausbauarbeiten am Schloß in Straßberg wären<br />

zum Abschluß dieses Berichtes zu nennen.<br />

Der Landeskonservator hatte die Möglichst, an der<br />

diesjährigen Tagung der Landeskonservatoren der Bundesrepublik<br />

Deutschland in Ludwigsburg und Nordwürttemberg<br />

und an der Herbsttagung des Verbandes in Mainz<br />

teilzunehmen. Er bete 1, igte sich ferner an den Vierteljahresbesprechungen<br />

der badisch-württembergischen Denkmalpfleger<br />

in Tübingen, Rottweil, Mosbach und Steinhausen,<br />

an den Atzungen des Denkmalrats in Tübingen<br />

und Rottweil und an der jahrestagung des Kunstvereins<br />

der Diözese Rottenburg in Bad Buchau.<br />

3


Der Bericht soll indessen nicht abgeschlossen werden, ohne<br />

allen Restauratoren, Malern, Bildhauern und Kunsthandwerkern<br />

sowie den Architekten für die wertvolle Hilfe<br />

zu danken, die sie geleistet haben. Auch das Erzbischöfliche<br />

Bauamt in Konstanz hat wiederum eine Anzahl<br />

kirchlicher Bauten mit fester Hand umgestaltet. Dies alles<br />

wäre jedoch nicht möglich gewesen, hätten der Landes-<br />

WALTER SAUTER<br />

General Friedrich Wilhelm von Steuben<br />

In einer Gedenkfeier im Rahmen der deutsch-amerikanischen<br />

Freundschaftswoche ist am 11. Mai 1969 im Hechinger<br />

Fürstengarten vor der Villa Eugenia ein Gedenkstein<br />

an den General Friedrich Wilhelm von Steuben in Form<br />

eines Findlings mit Bronzeplatte enthüllt worden. Dies<br />

ist ein Anlaß, das Lebenswerk Steubens zu würdigen, der<br />

darauf Anspruch hat, eine Gestalt der Weltgeschichte genannt<br />

zu werden, eine Schlüsselfigur zwischen Deutschland<br />

und Amerika, der als Hofmarschall im Dienste des<br />

Fürsten Joseph Wilhelm von Hohenzollern-Hechingen<br />

stand und später als Heeresreformer entscheidenden Anteil<br />

an der Erringung der Unabhängigkeit der Vereinigten<br />

Staaten von Nordamerika hatte.<br />

Der Mann, dessen Laufbahn vom friderizianischen Offizier<br />

und Hechinger Hofbeamten geradezu sensationell<br />

anmutet, entstammte einer Familie mit nicht weniger bewegter<br />

Vergangenhe Ursprünglich bäuerlichen Standes,<br />

hatte sich der Großvater des Generals aus eigener Machtvollkommenheit<br />

das Zauberwörtchen „von" vor seinen<br />

Namen gesetzt, der vorher Steube hieß, und den Namen<br />

der ausgestorbenen adligen Familie Steuben usurpiert. Die<br />

Far Steuben - die Fälschung wurde erst nach ?00 Jahren<br />

entdeckt - war damit in die Oberschicht aufgeruckt,<br />

der allein die Laufbahn als Offiziere und der <strong>höh</strong>eren<br />

Verwaltung vorbehalten war Der Großvater des Generals,<br />

Augus.in Steuben, Sohn eines hessischen Pachtbauern<br />

aus Heldra an der Werra in Hessen und Prediger der<br />

reformierten Kirche, hatte wohlerwogene Gründe zu diesem<br />

angemaßten Standeswechsel, konnte er doch seinen<br />

Kindern in Ermangelung von Geld keine bessere Mitgift<br />

ins Leben mitgeben als das Adelspräaikat. Zudem<br />

stammte seine Frau, eine geborene Gräf. n von Efferen,<br />

aus ei er hochadligen Familie, so daß tatsächlich „blaues<br />

Blut" in den Adern der Steuben floß.<br />

Die Rechnung der Familie Steuben ging auf. Zwei Töchter<br />

heirateten in lie Ai stokr?tie, drei Söhne wurden<br />

Offiziere, von denen einer, Wilhelm Augustin von Steuben,<br />

uns als Vater des Generals besonders interessiert. Der<br />

preuf ^che Major von Steuben war ein ausgezeichneter,<br />

tapferer, aber auch abenteuerlustiger Offizier. Eine Zeitlang<br />

stand er in russischen Kriegsdiensten, kämpfte gegen<br />

die Türken und nahm nach seiner Rückkehr an den beiden<br />

schlesischen Kriegen ti I. Daß er beim Königshaus viel<br />

galt, bezeugen zwei ehrenvolle Auszeichnungen: Friedrich<br />

Wihelm II. war einer der Paten des Sohnes Friedrich<br />

Wilhelm, Friedrich der Große verlieh ihm den Orden<br />

Pour ie merite.<br />

Das Patenkind des Soldatenkönigs wurde durch militärische<br />

Umgebung und aie krieger ; -chen Zeiten von Jugend<br />

an zum Soldaten geformt. Seine vorzügliche Bildung,<br />

namentlich in der Mathema r k und Literatur, verdankte<br />

er der jesuitenschule in Breslau, für das Soldatenhandwerk<br />

selbst hatte er d: beste Schule, die es damals gab,<br />

das streng geschulte Heer des alten Fritz und den Sieben-<br />

4<br />

kommunalverband Hohenzollern und das Staatliche Amt<br />

für Denkmalpflege Tübingen nicht wesentliche Hilfe geboten:<br />

Von den beiden Stellen kamen und wurden als<br />

Beihilfen für instandsetzungsbedürftige Baudenkmale verwendet:<br />

20 000 DM und 256 900 DM.<br />

(Die Klischees zu den Abbildungen stellten uns freundlicherweise die<br />

Gemeinden Dießen, Owingen und Veringendorf zur Verfügung.)<br />

jährigen Krieg, in dem er sich durch glänzende Leistungen<br />

auszeichnete. Infanterie-Leutnant, Adjutant eines<br />

Freikorpsführers, Generalstabsoffizier, diplomatischer<br />

Unterhändler in Petersburg und Moskau bi-lm Friedensschluß<br />

mit Rußland und zuletzt Adjutant des Königs<br />

waren Etappen einer militärischen Laufbahn, die zu großen<br />

Hoffnungen berechtigte. Und doch sah sich Steuben<br />

nach K legsende vom Glück verlassen. Vom König vergessen<br />

und in einer Zeit des auf größte Sparsamkeit angewiesenen<br />

verarmten preußischen Staates, der seine<br />

Streitkräfte rücksichtslos demobilisierte, ohne Aussicht auf<br />

Beförderung, quittierte Steuben als Hauptmann den<br />

Dienst im preußischen Heer und konnte von Glück sagen,<br />

als er durch Vermittlung einer hohen Gönnerin, der mit<br />

dem württembergischen Thronfolger vermählten I :b<br />

lingsnichte Friedrichs des Großen, bei einer Zusammenkunft<br />

in Bad Wildbad als Hofmarschall in die Dienste<br />

des Fürsten Joseph Wilhelm von Hohenzollern-Hechingen<br />

treten konnte.<br />

Seinem neuen Amt in Hechingen stand Steuben, wl: ein<br />

Zeitgenosse bei tatet, „mit Anstand und Geschäftigkeit"<br />

vor und erwarb sich das vollkommene Vertrauen und die<br />

Zufriedenheit seines Herrn, in dessen Dienst er von 1764<br />

bis 1777 verblieb. So unwichtig die Hechinger Episode in<br />

diesem unruhigen Leben erscheinen mag, so war sie doch<br />

keineswegs unnütz vertan. In Hechingen gewann Steuben<br />

Einblick in die Verwaltung und Ökonomie. Der Fürst<br />

war zwar nicht reich und sein Ländchen klein, doch gehörte<br />

er tiner der ersten Familien Europas an. In seiner<br />

Gesellschaft, namentlich auf tiner aus Ersparnisgründen<br />

unternommenen mehrjährigen Re


Dem französischen Kriegsminister Graf de St Germain,<br />

der mit dem amerikanischen Vertreter in Paris, dem berühmten<br />

Erfinder des Blitzableiters Benjamin Franklin,<br />

auf der Suche nach einem tüchtigen Offizier war, kam<br />

es deshalb sehr gelegen, als Steuben, n alter Bekannter<br />

von ihm, ihn in Paris aufsuchte und den Wunsch äußerte,<br />

seine Dienste der amerikanischen Freiheitsbewegung zur<br />

Verfügung zu stellen. Die Angelegenheit hatte aber einen<br />

Haken. Steuben war wohl ein kriegserprobter Soldat von<br />

bester Schulung, stand aber nur im Hauptmannsrang. Um<br />

auf den Kongreß der amerikanischen Staaten Eindruck<br />

zu machen, mußte er mit einem <strong>höh</strong>eren militärischen<br />

Rang in Erscheinung treten. St. Germain, Franklin und<br />

der Dramatiker Beaumarchais, der dritte in dieser französisch-amerikanischen<br />

Politiker-Gruppe, gaben Steuben<br />

deshalb schlankweg als Generalleutnant aus und steckten<br />

ihn in eine glänzende Uniform. Mit einem Adjutanten<br />

und einem Ordonnanzoffizier schiffte sich Steuben im<br />

Herbst 177/ in Marseille ein.<br />

Die Lage, die er in Amerika antraf, war äußerst kritisch.<br />

Nach dreijährigem wechselvollem Ringen hatte das im<br />

vorhergegangenen Jahr geschlagene und auf wenige tausend<br />

Mann zusammengeschrumpfte Freiheitsheer in dem<br />

wilden Felsentai Valley Forge Winterquartier bezogen.<br />

Halb verhungert, in Lumpen gekleidet, schlecht bewaffnet,<br />

kaum ausgebildet und undisziplin .rt, sch :


ERNST SCHULTZE<br />

Das Jagdschloß Lindich<br />

Erinnerungen an die höfische Zeit im Fürstentum Hohenzollern-Hechingen<br />

In einer knappen Stunde wandert man von der Zollernstadt<br />

Hechingen hinaus zum Lindich. Früher war die<br />

Straße von zwei dichten Reihen alter Linden eingesäumt.<br />

Heute stehen nur noch ein Dutzend der mächtigen<br />

Bäume, unter deren Schatten einst die fürstliche Jagdgesellschaft<br />

des Hechinger Hofes hinausfuhr zur Jagd<br />

in den weiten Wäldern rund um das Jagd- und Lustschloß<br />

Lindich. Noch heute erinnern die Waldnamen an die<br />

Bedeutung des höfischen Jagdbetriebes. Da ist nahe bei<br />

Hechingen der „Fasanengarten", ein geschlossenes Waldgebiet,<br />

in dem heute kein Fasan mehr vorkommt, und<br />

westlich des Lindich beim „Staufenburger Hof" liegt der<br />

große Wald „Tiergarten". Bis zur Revolution 1848 war<br />

dieses Waldgebiet durch kilometerlange Holzgatter eingesäumt.<br />

Hirsche und Wildschweine lebten in diesem weiträumigen<br />

Gatterrevier wie in freier Wildbahn und dienten<br />

dem Fürsten und ihren Kavalieren zu jagdlicher Ergötzung<br />

nach dem Brauch der damaligen Zeit.<br />

Einer der alten Hechinger Fürsten war mit Leib und<br />

Seele Soldat und Jäger. Sein Name war Friedrich Ludwig<br />

von Hohenzollern-Hechingen. Im Jahre 1688 geboren,<br />

übernahm er 1727 von seinem Vater die Regierung.<br />

Ludwig war als Soldat im Range eines kaiserlichen Generalfeldmarschalls<br />

und Oberkommandierenden der österreichischen<br />

Truppen am Oberrhein viel von seinem Fürstentum<br />

abwesend. Er hat als Reiterführer in den Kriegen<br />

des Kaisers gegen Franzosen, Türken und aufständische<br />

Ungarn unter der Fahne des Prinzen Eugen gekämpft.<br />

Erst nach Übernahme der Regierung von seinem Vater<br />

widmete sich Ludwig von Hohenzollern-Hechingen den<br />

Regierungsgeschäften und der Jagd. Welche Rolle die<br />

Jagd damals spielte, können wir uns heute kaum vorstellen.<br />

Die Bauern mußten nicht nur ständige Verwüstungen<br />

ihrer Felder durch die Unmengen von Wild<br />

in Kauf nehmen, sie mußten auch bei den großen Hofjagden<br />

als Treiber Dienste tun.<br />

Die Wilderei wurde für unsere heutigen Beg ffe sehr<br />

hart bestraft. In einer Hechinger Chronik fand ich folgenden<br />

Bericht aus dem Jahre 1744, also aus der Regierungszeit<br />

des Fürsten Ludwig: „Der fürstliche Hofjäger<br />

Phi 1 pp Keppler aus Hechingen, der überführt wurde,<br />

in seinem Revier während zwei Jahren über 200 Fasanen<br />

gewildert und mit Hilfe von Josef und Anton Saile<br />

aus Hemmendorf veräußert zu haben, wurde zum Tod<br />

durch den Strang verurteilt, dann aber durch die Gnade<br />

des Fürsten zu l4jähnger, die b^.den Hehler zu vierjähriger<br />

Galeerenstrafe verurteilt und alle drei zur Strafverbüßung<br />

als Ruderknechte in Lisen von einem dazu<br />

kommandierten Gefreiten nach Venedig abgeführt."<br />

Bei einem seiner Jagdausflüge rastete der Fürst oberhalb<br />

des Staufenburger Hofes auf einem Plateau, von dem<br />

der Blick weit nach Süden zu den Bergen der Alb mit<br />

dem Hohenzollern und nach Norden über die großen<br />

Wälder zu beiden Seiten des Starzeltales schweift. Hier<br />

mag ihm der Gedanke gekommen sein, an diesem bevorzugten<br />

Platz ein Jagd- und Lustschloß zu erbauen, wie<br />

es damals bei vielen Fürstenhöfen Mode war. Man wollte<br />

in bequemer Entfernung von der Residenz draußen in<br />

der Natur, ungestört von lastigen Regierungsgeschäften,<br />

die Sommermonate verbringen. D • großen, reichen Fürsten<br />

bauten sich Versailles, Schönbrunn, Sanssouci, Solitude<br />

oder Nymphenburg, die kleineren Fürsten bescheidenere<br />

Schlösser, bei denen auch Parkanlagen nach fran-<br />

6<br />

zösischem Stil nicht fehlen durften. Und so entstand das<br />

Schloß Lindich. Mit dem Bau wurde im Jahre 1739 begonnen,<br />

1741 war das Schloß vollendet. Der Baumeister,<br />

der den Plan gefertigt hat, ist seltsamerweise in den<br />

vielen Abrechnungen und Schriftstücken, die sich im Archiv<br />

befinden, nirgends erwähnt. Man vermutet, daß der fürstliche<br />

Bauinspektor Philipp Hermann Schöpf den Plan<br />

entworfen hat, wahrscheinlich nach einem italienischen<br />

Vorbild. Schöpf wurde im Jahre 1688 als das 7. Kind<br />

eines Hechinger Maurermeisters geboren. Er war also genau<br />

so alt wie sein fürstlicher Herr. Der Schloßbau kostete<br />

etwa 30 000 Gulden. Das Wasser wurde in einer Holzrohrleitung<br />

von Mariazell am Fuß der Alb kilometerweit<br />

hergeleitet. Auch heute liefert diese Quelle noch<br />

das Wasser für die fürstlichen Gebäude in Hechingen.<br />

Das Schloß hat einen quadratischen Grundriß; zwei Reihen<br />

von je 7 Fenstern gliedern die 4 Fronten auf. Das<br />

Gebäude hat 3 Stockwerke, von denen das oberste ein<br />

Mansardengeschoß ist. Das Schloß wird von einer achteckigen<br />

Rotunde mit großen Fenstern gekrönt. Von hier<br />

oben hat man einen wundervollen Ausblick nach allen<br />

Himmelsrichtungen. Im obersten Stockwerk unter der<br />

Rotunde liegt eine achteckige große Halle, in der acht<br />

Säulen im Kreis stehen. Im Erdgeschoß führt ein breiter<br />

Flur vom Hauptportal im Süden quer durch das Schloß<br />

zum nördlichen Eingang. Der Gang erweitert sich in der<br />

Mitte zu einer Halle. Links ist die Schloßkapelle, rechts<br />

der breite Treppenaufgang. Ein großer Balkon im ersten<br />

Stock, der auf zwei Säulen ruht, überdacht den Platz<br />

vor dem Hauptportal. Grüne Schlagläden an allen Fenstern<br />

geben dem Schloß einen behaglich ländlichen Anblick.<br />

Kommt man von Hechingen auf der schnurgeraden<br />

Zufahrtsallee auf das Schloß zu, so fällt der Blick zuerst<br />

auf die sechs reizenden Kavaliershäuschen, die im Halbkreis<br />

südlich vor dem Schloß liegen. Dazwischen schließen<br />

hohe Taxushecken den Park von der Außenwelt ab. Der<br />

Park wurde beim Bau des Schlosses dem damaligen Zeitgeschmack<br />

entsprechend im französischen Stil angelegt.<br />

Der neutige Park mit seinen mächugen aiten Bäumen ist<br />

nicht mehr so groß wie der ursprüngliche. Auch fehlen<br />

die zahlreichen Statuen, die farbigen Zierkugeln, die<br />

Springbrunnen und Wasserspiele, die dereinst den prächtig<br />

geklei eten Kavalieren und schön geputzten Hofdamen<br />

als passende Umgebung dienten.<br />

Die sechs Kavaliershäuser, von denen eines heute eine<br />

behagliche Gaststätte ist, dienten einst als Wirtschaftsräume,<br />

Unterkunft für die Bediensteten und als Stallungen.<br />

Die Inneneinrichtung des Schlosses hat im Laufe<br />

der Jahrhunderte natürlich öfters gewechselt. In Berichten<br />

aus der Bauzeit sind folgende Räume erwähnt: ein gemalter<br />

Saal, ein Tafelzimmer, des Fürsten Schlafzimmer,<br />

ein Porzellanzimmer und ein Billardzimmer. Einige Zimmer<br />

haben heute noch prächtige Parkettböden und bunte<br />

Deckenmalereien. Im ehemaligen Salon der Fürstin ziert<br />

den Boden ein kreisförmiges Mäandermotiv. Strahlenförmig<br />

munden darin helle und dunkle Streifen aus verschiedenen<br />

Hölzern.<br />

So lange Fürst Ludwig, der Erbauer des Schlosses, während<br />

der Sommer- und Her'ostmonate hier draußen residierte,<br />

waren die Tage von jagdlichen Unternehmungen<br />

beherrscht. Schon früh am Morgen erklang das ungeduldige<br />

Bellen der Hunde im Zwinger und das Rufen der<br />

Reitknechte, die die Pferde sattelten. Trat dann der Fürst


aus dem Portal, erklang von der fürstlichen Jägere- geblasen<br />

der „Fürstengruß". Der Fürst und seine Kavaliere<br />

schwangen sich auf die Pferde und ab ging es in leichtem<br />

Trab hinaus in den frischen Herbstmorgen. Es folgten<br />

inen die Oberjäger mit den Jagdgehilfen, die Büchsenspanner<br />

und Reitknechte, die Hundeführer mit der kläffenden<br />

Meute. Es muß ein farbenfrohes und prächtiges<br />

Bild gewesen sein, eine Hofjagd zu damaliger Zeit. Zu<br />

Mittag hatten die Lakaien im Wald die Tafel gerichtet.<br />

Fröhlich riefen die Hörner zum Essen. So verging der<br />

Tag mit Hörnerklang, Büchsenknall und Hundegebell.<br />

Am Abend wurde vor dem Schloß bei Fackelschein die<br />

Strecke gelegt, und die alten Jagdsignale verkündeten das<br />

Ende der Jagd, während die Fürstin mit ihren Hofdamen<br />

vom Balkon aus dem fröhlichen Treiben zuschaute.<br />

Fürst Ludwig konnte sich nicht lange an seinem Jagdschloß<br />

Lindich erfreuen. Er starb am 4. Juni 1750 im<br />

Alter von 62 Jahren, 9 Jahre nach der Erbauung des<br />

Schlosses.<br />

Für Schloß Lindich kamen jetzt ruhigere Zeiten. Der neue<br />

Fürst Josef Wilhelm, ein Vetter des Verstorbenen, hatte<br />

nicht soviel Freude an der Jagd wie sein Vorgänger.<br />

Zwar feierte er seine Hochzeit am 25. Juni 1750 mit der<br />

18jährigen spanischen Prinzessin Maria Theresia von<br />

Cordona prunkvoll im Schloß Lindich. Aber seine junge<br />

Frau erkrankte und starb bereits drei Monate nach der<br />

Hochzeit. So war dem jungen Fürsten das Wohnen in<br />

der Waldeinsamkeit des Lindich verleidet, und das Schloß<br />

wurde nur noch gelegentlich während kurzer Sommerwochen<br />

von Fürst Josef Wilhelm, der sich in zweiter Ehe<br />

mit einer Gräfin von Waldburg-Zeil vermählt hatte, bewohnt.<br />

Erst im Jahre 1826 begann ei le neue Blütezeit für das<br />

fürstliche Jagd- und Lustschloß Lindich. In diesem Jahr<br />

heiratete der damalige Erbprinz Friedrich Wilhelm Konstantin<br />

die Prinzessin Eugenie von Leuchtenberg. Ihr Vater<br />

Eugen Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg, war ein<br />

Stiefsohn Napoleons I. Das i inge Paar wählte Schloß<br />

Lindich zum ständigen Wohnsitz. Damals wurde das<br />

Schloß von Grund auf renoviert, in einzelnan Teilen umgebaut<br />

und vö'lig neu eingerichtet Eine genußfrohe und<br />

heitere Hofgesellschaft belebte Schloß Linaich und seine<br />

Umgebung. Auch als der Erbprinz nach dem Tod seines<br />

Vaters im Jahre 1838 als Fürst Konstanun o'e Regierung<br />

se les Landes ubernahm, blieb er dem Lindich treu und<br />

verbrachte hier gerne die Sommermonate.<br />

In niesen Jahren hat der Linaich viele bekannte Persönlichkeiten<br />

als Gäste beherbergt. Durch uie verwandtschaftlichen<br />

Beziehungen der Fürstin Eugenie zu vielen europäischen<br />

Fürstenhäusern ging es aus und ein wie in einem<br />

Taubenschlag.<br />

Herzog Max von Bayern, die Herzogin und di; Prinzen<br />

August und Max von Leuchtenberg, Louis Napoleon, der<br />

spätere Kaiser Napoleon III», Graf Alexander von Württemberg,<br />

der D ;, :hterfreund von Uhland, Lenau und Justinus<br />

Kerner, und manche andere Persönlichkeiten von<br />

Rang und Namen waren damals gern zu Gast an dem<br />

fröhlichen Fürstenhof im Lustschloß Lindich. Das Fürstenpaar<br />

war sehr musiKÜebend und hatte eine ausgezeichnete<br />

Hofkapelle. Franz Liszt und Hector Berlioz kamen wiederholt<br />

nach Hechingen und haben bei Hofkonzerten im<br />

Schloß Lindich gespielt. Kab' lettssekretär des Fürsten<br />

war damals ein Grat Friedrii I von ZeppeJ'u. In dem<br />

gleichen Jahr 1838, in dem Fürst Konstantin zur Regierung<br />

kam, wurde dem Grafen ein Sohn namens Ferdinand<br />

geboren. Der später als Luftschiff-Erfinder weltberühmt<br />

gewordene Graf Zeppel n hat öfters als K'.id im Park<br />

des Lindich gespielt.<br />

Aus dem Jahre 1843 habe ich eine alte Zeitung entdeckt:<br />

„Der landwirtschaftliche Bote für das Fürstentum Hohen-<br />

zollern Hechingen". Hier ist ausführlich das große Landwirtschaftsfest<br />

beschrieben, das am 28. September 1843<br />

vor dem Schloß Lindich abgehalten wurde. Einen großen<br />

Teil des Berichtes nimmt die Aufzählung der zahlreichen<br />

Preisträger ein. Da gab es Preise für Förderung der übstbaumzucht,<br />

für ausgezeichnete Waldkulturen, für Düngerbereitung<br />

(zu deutsch für den besten Mist!), für den schönsten<br />

Hengst, die sieben schönsten Kühe und so weiter.<br />

Ich will Sie nicht mit weiteren Aufzählungen langweilen,<br />

zumal dieses Landwirtschaftsfest ja nicht gerade wichtig<br />

für die Geschichte des Schlosses Lindich ist. Aber einen<br />

Absatz aus diesem Bericht will ich doch noch zum Besten<br />

geben, weil er so schön den biedermeierlichen Stil der<br />

damaligen Zeit zeigt:<br />

„Um 2V2 Uhr zogen sich die Höchsten Herrschaften mit<br />

einer großen Anzahl eingeladener Herren und Damen<br />

in die Gemächer des Lustschlosses Lindich zurück, um<br />

dort Mittagstafel zu halten, wobei Seine Hochfürstliche<br />

Durchlaucht, der gnädigste Landesvater, einen lebhaft erwiderten<br />

Trinkspruch auf das Wohl des landwirtschaftlichen<br />

Vereins ausbrachte. Mittlerweile hatten die übrigen<br />

Festteilnehmer Gelegenheit, in der Lindichwirtschaft und<br />

bi den im Freien aufgeschlagenen sieben Wirtschaftsbuden<br />

mit Speisen und Getränken sich gütlich zu thun.<br />

Während dessen spielte die Musikbande, und die Singvereine<br />

von Owingen und Stetten gaben durch den Vortrag<br />

mehrerer Lieder erfreuliche Proben, wie weit man es,<br />

bei beharrlichem gutem Willen, auch auf dem Lande in<br />

dem, die Sitten veredelnden und freundliche Geselligkeit<br />

so sehr befördernden Gesänge bringen könne.<br />

'Wo man singt, da lasst euch fröhlich nieder;<br />

Böse Menschen haben keine Lieder!' "<br />

Die fröhlichen Zeiten auf Schloß Lindich nahmen ein<br />

jähes Ende. Die junge Fürstin Eugenie erkrankte an der<br />

Schwindsucht, und ernste Sorge lastete nicht nur auf dem<br />

Fürstenhaus, sondern auf dem ganzen Land. Die Fürstin<br />

war wegen ihrer Mildtätigkeit und zahlreichen Stiftungen<br />

außerordentlich beliebt. Sie suchte in Badenweiler und<br />

Baden-Baden vergeblich Genesung von hrer Krankheit.<br />

Am 30. August 1847 trat die todkranke Fürstin uie Heimreise<br />

von Baden-Baden nach Hechingen an. Sie wollte in<br />

'nrem geliebten Schloß Lindich sterben. Dieser Wunsch<br />

wurde .nr nicht erfüllt. Sie kam noch Hs Freudenstadt,<br />

wo sie am 1. September starb. Sie war 39 Jahre ait. Sie<br />

wird heute noch als Wohltäterin des Landes gf lebt und<br />

verehrt. (Vgl. hierzu HH 3/1969, S. 33-37).<br />

Ein Jahr nach dem Tod der Fürstin Eugene bringt cue<br />

Revolution von 1848 neue Aufregungen für das Land<br />

und das Fürstenhaus. Fürst Konstantin 2 iht sich auf seine<br />

schlesischen Besitzungen zurück. Im Jahre 1850 verachten<br />

die Fürsten von Hohenzollern-Sigma-' igen und Hohenzollern-Hechingen<br />

auf die Souverä ität und treten ihre<br />

Lande an das Königreich Preußen ab. Fürst Konstantin<br />

stirbt kinderlos in Schlesien, nachdem er den gesamten<br />

Besitz des Hechinger Fürstenhauses im Jahre 1850 gegen<br />

eine lebenslängi' Jie Rente von 40 000 Gulden Jährlich an<br />

seinen Sigmaringer Vetter abgetreten hat. Das Fürstentum<br />

Hohenzollern-Hechingen und die Hechinger Hofverwaltung<br />

existieren nicht mehr. Das Jagd- und Lustschloß<br />

Linaich versinkt in einen Dornröscnenscnlaf.<br />

Das Revolutionsjahr 1848 hatte außer den politischen<br />

Umwälzungen auch entsendende Eingriffe in die agdchen<br />

Verhältnisse gebracht. Jeaermann, der e\.e Flinte<br />

besaß und Lust zum Jagen hatte, durfte auf die Jagd<br />

gehen und schießen, wo und was er wollte. Das führte<br />

zum Ruin aller fürstlichen Jagdreviere und im ganzen<br />

Land zu e nem fast vo*. gen Aussterben vieler Wildarten.<br />

Der große Wildpark im Lin-iichwald wurde aufgelöst<br />

und der kjiometeriange Holzzaun ais Brennholz verkauft.<br />

Dai^'t hatte die ho "sehe Jagdzei im Revier Lindich end-<br />

7


gültig ein Ende gefunden. Das Schloß blieb eingerichtet,<br />

ein Kastellan sorgte für Ordnung und führte gelegentlich<br />

Besucher durch die verwaisten Räume.<br />

Im Oktober 1856 hatte der Lindich einen großen Tag.<br />

König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und Königin<br />

Elisabeth besuchten die neu zu Preußen gekommenen<br />

Hoh<strong>enzollerische</strong>n Lande. Sie -wohnten im Schloß Lindich.<br />

Der König von Württemberg kam von Stuttgart, um den<br />

Preußenkönig zu begrüßen, Am Abend wurden die bei-<br />

• den Herrscher durch einen großen Fackelzug geehrt,, der<br />

von Hechingen mit Musik hinaus zum Lindich zog und<br />

ein prächtiges Schauspiel gewesen sein muß.<br />

Gelegentlich kamen auch die neuen Herren des Schlosses<br />

aus Sigmaringen einmal zu Besuch. So berichtet zum Beispiel<br />

die Chronik aus dem Jahre 1857: „Am 22. Oktober<br />

traf die Fürstliche Familie von Hohenzollern-Sigmaringen,<br />

Fürst Karl Anton und Fürstin Josefine, Prinzessin Stefanie,<br />

der Erbprinz Leopold, die Prinzen Karl und Anton<br />

in Hechingen ein und nahmen Nachtquartier im Lindich,"<br />

Im .Jahre 1862 gab es wieder einen großen Tag für Hechingen,<br />

Der preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm,<br />

del - spatere Kaiser Friedrich, besuchte, die neu erbaute<br />

Burg Hohenzollern. In der Chronik heißt es: „Am 8.<br />

Oktober war feierlicher Einzug des Kronprinzenpaares<br />

in Hechingen, Kronprinz Friedrich Wilhelm und Kronprinzessin<br />

Viktoria stiegen im Schloß Lindidi ab. Zur<br />

Begrüßung hatten Sigmaringen und Haigerloch Abordnungen<br />

entsandt. Die Feuerwehr und die Turner brachten<br />

den Herrschaften im IJ.ndich einen Fackelzug."<br />

Auch Kaiser Wilhelm I., damals noch König von. Preußen,<br />

hat mit Gefolge im Schloß Lindich gewohnt, als er im<br />

Oktober 1867 die neue Burg besuchte. So war das Schloß<br />

durdi Jahrzehnte nur noch gelegentlich Gästehaus für<br />

hohen Besudi, Das Jagdrevier rund um das Schloß wurde<br />

an Hechinger Jäger verpaditet, und vom' Glanz der Hofjagden<br />

war nichts mehr zu spüren.<br />

Erst der Zweite Weltkrieg brachte neues Leben für Schloß<br />

Lindich, Ein Baradcenlager vor dem Park beherbergte<br />

einen. Luftwaffenstab. Die Kuppel des Schlosses mit dem<br />

weiten Rundblick diente als Beobaditungsstand für die<br />

Luftabwehr, Nach dem Krieg bewohnte eine Tochter des<br />

Fürsten Friedrich Von Hohenzollern vorübergehend das<br />

Schloß,, während das Baradtenlager vor dem Park zur<br />

Aufnahme von Ausländern diente, die infolge der politischen<br />

Umwälzungen nicht mehr- in ihr Heimatland zurückkehren<br />

konnten. Im Jähre 1953 wurde ein Aufnahmelager<br />

für Flüchtlinge aus der Sowjetzone eingerichtet, und<br />

seit 1962 ist im Lager Lindich eine Schule der Bereit-<br />

FR.ANZ KIRCHHEIMER '<br />

Bergmarken aus Hohenzollern*<br />

In den hohenzollerisdien Fürstentümern war der Bergbau<br />

unbedeutend und hat den Rang eines wichtigen Wirtschaftszweiges<br />

nicht erreidit. Mit einfacher Grabarbeit sowie<br />

aus flachen Haspelschäditen erfolgte bis in die zweite<br />

Hälfte des 19. Jahrhunderts die Gewinnung von Bohnerz,<br />

insbesondere für den Bedarf des seit 1708 bei Sigmaringen<br />

betriebenen Eisenschmelzwerks Laucherthal. Ein in<br />

größerer Tiefe verborgener Bodenschatz ist erst nach der<br />

1850 erfolgten Übernahme der Fürstentümer Hohenzollern-Hechingen<br />

und Hohenzollern-Sigmaringen in das<br />

Königreich Preußen erschlossen worden.<br />

Der neue Landesherr, König Friedrich Wilhelm IV. (1840<br />

bis 1861), begünstigte die von seiner Bergbehörde angeregte<br />

Suche nach Steinsalz, dessen Vorkommen im Untergrund<br />

schaftspolizei untergebracht. Das Sdiloß selbst fand 1948<br />

eine völlig neue Verwendung, Anfangs nur in wenigen<br />

Räumen untergebracht, bewohnt heute das „Fürstin-<br />

Eugenie-Institut für Heilpflanzenforschung" mit umfangreichen<br />

Sammlungen, 'Laboratorien, Tagungsräumen und<br />

Wohnungen das ganze Schloß. Der große Heilkräuter-<br />

Garten vor dem Park ist eine Sehenswürdigkeit für jeden<br />

Botaniker.<br />

Im Sdiloß finden laufend Kurse für Pharmaziestudenten<br />

der Universität Tübingen statt. Die „Gesellschaft für naturwissensdiaftlidie<br />

und christliche Bildung" halt ihre<br />

Tagungen im Schloß, Lindich ab, Aber auch ein schwacher<br />

Abglanz des höfischen Jagdbetriebes, der vor 200 Jahren<br />

das Leben im Schloß beherrsdite, kehrte nach dem Krieg<br />

zurück. Der im Jahr 1964 verstorbene Prinz Franz Josef<br />

von Hohenzollern zog nach dem Krieg nach Hechingen.<br />

Nach hundertjähriger Pause war damit die alte Zollerstadt<br />

zum ersten Mal wieder zum ständigen Wohnsitz<br />

eines Prinzen aus dem Hause Hohenzollern geworden.<br />

Nach Freigabe der Jagden durdi die französische Besatzungsmacht<br />

im Jahre 1950 wurde der Lindich Hofjagdrevier.<br />

Durdi Anpachtung von benachbarten Gemeindejagden<br />

wurde ein großes Revier geschaffen, das<br />

nidit nur aus Wald, sondern audi aus weiten Feldfluren<br />

bestand. Im Anfang der Fünfzigerjahre gab es noch viel.<br />

Sdiwarzwild, und die Erlebnisse bei den Saujagden, im<br />

Lindichwald sind allen, die sie mitgemacht haben, unvergeßlich.<br />

Die Hauptwildart sind die Rehe, und mancher<br />

kapitale Bock ist von dem Jagdherrn erlegt worden. Hasen<br />

und Rebhühner sorgen für gute Niederwildjagden, und<br />

auf der Starzel, einem kleinen Nebenfluß des Neckars,<br />

unterhalb vom Schloß, ist Gelegenheit, auf Wildenten zu<br />

jagen. Wenn der Prinz audi nicht im Schloß Lindich<br />

wohnte, so wurde doch bei den großen. Treibjagden, die<br />

alljährlich abgehalten wurden, der Hubertusjagd am 3.<br />

November und der Weihnaditsjagd in der Woche vor<br />

Weihnachten, das Schloß wieder Mittelpunkt des jagdlichen<br />

Geschehens, Am Morgen zogen die Jäger von hier<br />

mit Hörnerklang hinaus ins Revier, und am Abend wurde<br />

vor dem Portal bei Fadtelsdiein die Stredte nach alter<br />

Tradition gelegt. Wenn dann der Jagdleiter dem Jagdherrn<br />

die Strecke meldete, wenn die Mauern des Sdilosses<br />

im Licht der Fadseln aufleuchteten, dann glaubte man sich<br />

zurückversetzt in die alten Zeiten, als Fürst Ludwig, der<br />

Erbauer des Schlosses, hier noch lebte und jagte,<br />

Feierlich erklangen im nächtlichen Park die Signale:<br />

„Jagd vorbei und Halali".<br />

benachbarter Gebiete seit langer Zeit einträgliche Verwertung<br />

fand, 1853 erbohrte man bei Stetten unweit Haigerloch<br />

im ehemaligen sigmaringischen Oberam.t gleichen<br />

Namens das dort etwa 10 m mächtige Steinsalzlager des<br />

Mittleren Muschelkalks und begann bereits im Folgejahr<br />

mit dem Abteufen eines Schadits. Das auf der „grünen<br />

Wiese" angelegte einzige Bergwerk in den Hoh<strong>enzollerische</strong>n<br />

Landen ist nach längeren Aus- und -Vorrichtungsärbeiten<br />

1858 aus etwa IQQ'm Tiefe in Förderung getreten,<br />

Seine Entwicklung vom fiskalischen Unternehmen<br />

zu dem noch heute bestehenden Salzwerk, Stetten hat<br />

G. Schulz geschildert<br />

Zu J dsfä Bergwerk gehörte eine von 1858 bis 1923 betriebene<br />

Saline, die insbesondere im 19. Jahrhundert den


Teilansicht des Salzwerks Stetten bei Haigerloch<br />

Das vor etwa 50 Jahren entstandene Lichtbild zeigt die auch heute vorhandenen Schachtgebäude mit dem eisernen Förderturm<br />

und Anlagen der 1924 aufgelassenen, in der Folgezeit bis auf Reste abgebrochenen Saline<br />

größten Teil seines Förderguts zu Siedesalz verarbeitete.<br />

Damals war die vom „Kgl. Preußischen Rheinischen<br />

Ober-Berg-Amt" in Bonn beaufsichtigte „Kgl. Berg- und<br />

Salinen-Inspektion Stetten" dem Montanfiskus für die<br />

Nutzung der Anlagen verantwortlich. 1924 hat der Staat<br />

das Werk Stetten in die Preußische Bergwerks- und Hiitten-AG<br />

eingebracht. Dieses als PREUSSAG AG bekannte<br />

Unternehmen verpachtete im gleichen Jahr den Betrieb an<br />

die Dr. A. Wacker-Gesellschaft für elektrochemische Industrie<br />

GmbH (München). Im Oktober 1960 ist das Salzwerk<br />

Stetten von der heutigen Wacker-Chemie GmbH<br />

käuflich erworben worden.<br />

Während der staatlichen Betriebszeit des Steinsalzbergwerks<br />

und der Saline Stetten feierten die Belegschaften<br />

alljährlich im Sommer ein Bergfest. Der allgemeine Verlauf<br />

dieser im Geschäftsbereich des preußischen Montanfiskus<br />

üblich gewesenen Veranstaltung ist aus zeitgenössischen<br />

Berichten bekannt, und zwar auch die Tatsache,<br />

daß die Inspektion ausgegebenes Freibier über Messingmarken<br />

verrechnete. So erhielten die 32 Berg- und Salinenarbeiter<br />

für die am 24. März 1904 begangene 50-<br />

Jahrfeier des Werks Stetten außer der Bewirtung mit<br />

Frühstück und Mittagessen neben Zigarren ebenfalls je<br />

10 Biermarken. Damals verdiente ein Bergmann in der<br />

achtstündigen Schicht etwa 2,30 Mark, den Gegenwert<br />

von fast 10 Liter Bier!<br />

Nach dem Jahr 1924 verblaßte in Stetten die Erinnerung<br />

an die Bergfeste, zumal andere Formen der Gemeinschaftspflege<br />

und schließlich Betriebsausflüge die von<br />

bergmännischer Tradition bestimmten^ in strenger Disziplin<br />

geh'J cenen früheren Veranstaltungen ersetzten.<br />

1963 entdeckte man im Bürogebäude des Salzwerks etwa<br />

300 geprägte Messingmarken ohne Jahreszahl. Sie fielen<br />

dem iinder durch das Bergbau-Symbol „Schlägel und<br />

Eisen" sowie die Umschrift „Bergfest Stetten" auf. Aus<br />

der Beschaffenheit der Rückseite ergibt sich die Identität<br />

dieser Gepräge mit den bis 1924 für die Bergfeste verwendeten<br />

und nahezu vier Jahrzehnte verschollen gewesenen<br />

Biermarken. Seit 1964 werden sie bei Betriebsausflügen<br />

an die Belegschaft ausgegeben und m ; l einer Deutschen<br />

Mark bewertet, obwohl ihre Bestimmung nur auf<br />

„ein Glas Bier" lautet.<br />

Das Vorhandensein dieser Bergmarken ist mir erst 1968<br />

durch einen Zufall zur Kenntnis gelangt. 286 Exemplare<br />

konnten eingehend untersucht werden. Sie sind glattrandig,<br />

mit gleichge' jhteten Stempeln geprägt und besitzen<br />

beiderseits vor dem Rand ein mit Perlen verZ'ertes Stäbchen;<br />

der mittlere Durchmesser der SchröHinge beträgt<br />

22,1 mm. Ihre gleiche Vorderseite zeigt „Schlägel und<br />

Eisen" innerhalb eines Perlkreises und BERGFEST STET-<br />

TEN als von fünfstrahligen Sternchen geteilte Umschrift.<br />

Auf der Rückseite befindet sich über einem größeren Stern<br />

das Abbild eines überschäumenden genarbten Biergiases<br />

mit rechts gerichtetem dünnem Henkel. Nach Einzelheiten<br />

in der gleichlautenden Umschrift sind zwei Varianten<br />

vorhanden, die sich auch im Gewicht des aus gelbem<br />

Messing mit ungefähr 15°/o Zn hergestellten Schrötlinge<br />

geringfügig unterscheiden:<br />

a) Abb. 1 (211 Exemplare; Durchschnittsgewicht 2,632 g)<br />

GUT FÜR 1 GLAS BIER<br />

Bad. Münzkb. Karlsruhe (2,6214 g); Württ. Münzkb.<br />

Stuttgart (2,8082 g); Slg, F. Kirchheimer (2.7430 g).<br />

b) Abb. 2 (75 Exemplare; Durchschnittsgewicht 2,556 g)<br />

GUT FÜR 1 GLAS BIER<br />

Bad. Münzkb. Karlsruhe (2,6613 g); Württ. Münzkb.<br />

Stuttgart (2,5991 g); Slg. F. Kirchheimer (2,6872 g).<br />

Die im Bestand häufigere a-Variante ist von dem zweiten<br />

Gepräge nicht nur durch die fehlerhafte Ziffer verschieden.<br />

Bei ihr stehen in GLAS das L. A und S genähert; der<br />

linke Schenkel der Buchstaben U und Ü erscheint schwächer<br />

als innerhalb der Umschrift der b-Variante. Da auch<br />

9


Abb. 1: a-Variante der Bergmarken des Salzwerks Stetten bei Haigerloch (etwa 2mal vergrößert; Slg. F. Kirchheimer)<br />

Abb. 2: b-Variante der Bergmarken des Salzwerks Stetten bei Haigerloch (etwa 2mal vergrößert; Slg. F. Kirchheimer)<br />

andere Buchstaben geringfügig verschieden sind, bietet die<br />

rückseitige Beschriftung der Marken kein übereinstimmendes<br />

Bild. Sie beginnt bei der b-Variante unmittelbar am<br />

Bierglas, im anderen Gepräge aber etwas von seinem Fuß<br />

entfernt.<br />

In den Werksakten fanden sich bislang keine Unterlagen<br />

über den Zeitpunkt der Beschaffung der Biermarken für<br />

die bis 1924 gefei rten Bergfeste. Nach der stärkeren Abnutzung<br />

sind die in größerer Zahl vorhandenen, durchschnittlich<br />

etwas schwereren Stücke der a-Variante ältere<br />

Gepräge. Sie dürften aus dem 19. Jahrhundert stammen;<br />

1904 müssen mindestens 320 Stück vorhanden gewesen<br />

sein. Die besser erhaltenen Marken der b-Variante, zu<br />

deren Rückseite ein zweiter und hinsichtlich der Ziffer<br />

berichtigter Stempel diente, sind in der gleichen Prägeanstalt<br />

entstanden, und zwar wahrscheinl ch unmittelbar<br />

vor dem ersten Weltkrieg. Während seiner Dauer und bis<br />

in die Zeit der letzten Bergfeste behinderte die Metallnot<br />

eine Verwendung von Messing für geringwertige Marken<br />

staatl'dier Betriebe. Nach der Machart gehören sie vermutlich<br />

zu den Erzeugnissen der seit dem 18. Jahrhundert<br />

bestehenden Gravier- und Prägeanstalt L. Christian Lauer<br />

(Nürnberg), die viele Biermarken geliefert hat. Eine Anfrage<br />

bei dem bekannten Unternehmen erbrachte keine<br />

Gewißheit, da die Unterlagen über seine Gepräge und die<br />

Gesamtheit der alten Werkzeuge durch Kriegseinwirkungen<br />

verloren gingen.<br />

Von der stempelgleichen Vorderseite der Marken ist zu<br />

berichten, daß „Schlägel und Eisen" fehlerhaft wiedergegeben<br />

sind. Der Helm (Suel) durchragt nämiich nicht nur<br />

das geschärfte Eisen, sondern auch den zutreffend auf<br />

ihm liegenden fäustelartigen Schlägel. Übrigens zeigt das<br />

im vergangenen Jahrhundert benutzte Dienstsiegel des<br />

Oberbergamts Bonn, also der damals für die Aufsicht über<br />

die Berg- und Saiinen-Inspektion Stetten zuständigen Behörde,<br />

ebenfalls diese der Verwendung des Gezähes nicht<br />

gemäße Darstellung; ferner findet sie sich in älteren<br />

10<br />

Druckschriften über das Salzwerk, z. B. aus den Jahren<br />

1904 und 1912. Der Hinweis auf den auch seinem Dienstsiegel<br />

eigenen Fehler soll aber die Bedeutung der noch<br />

heute gebräuchlichen Marken als einzige derzeitig bekannte,<br />

mit dem Bergbau in den Hoh<strong>enzollerische</strong>n Landen<br />

verbundene Gepräge nicht schmälern. Da die letzte<br />

Emission von Kursmünzen für Hohenzollern 1852 erfolgte,<br />

ist ihr fiskalischer Charakter hervorzuheben.<br />

Bislang fanden sich keine Montan-Marken des bereits<br />

1708 erbauten und audi heute betriebenen Bergwirtshauses<br />

„Zum Eisenhammer" im Hüttenwerk Laucherthal bei Sigmaringen.<br />

An I.rem einstigen Vorhandensein ' : meines<br />

Erachtens nicht zu zwt - ein 2 . Das nach dem ersten Weltkrieg<br />

im südlichen Baden entstandene Kali, lizbergwerk<br />

Buggingen verwendete bis ..i die letzten Jahre bei besonderen<br />

Veranstaltungen mit „Schlägel und Eisen" verzierte<br />

Aiuminium-Konsummarken- Die in seiner Kantine<br />

gebraucht :h gewesene ältere Emission aus Messing ist<br />

1959 restlos verschrottet worden und selbst mir als langjährigem<br />

Mitglied des Crubenvorstands unbekannt geblieben!<br />

Ein ähnliches Schicksal könnten Marken sowohl<br />

von Laucherthal als auch anderer Berg- oder Hüttenwerke<br />

unseres Landes Baden-Württemberg erlitten haben.<br />

Anmerkungen:<br />

1 „Die Geschichte des Salzwerks Stetten bei Haigerloch" (Arb. z.<br />

Landeskde. Hohenz. H. 7, Sigmaringen 1967). Sowohl dem Verfasser<br />

als audi Herrn Betriebsleiter Dipl.-Bergingenieur W. Demel<br />

vom Salzwerk Stetten der Wacker-Chemie GmbH bin ich für<br />

mancherlei Auskünfte zu aufrichtigem Dank verpflichtet.<br />

2 Vgl. auch „Berichte" 8. Jahrg., Nr. 46 (1968), S. 492. - Die von<br />

J. Maier verfaßte „Geschichte des Fürstlich Hoh<strong>enzollerische</strong>n Hüttenwerks<br />

Laucherthal" (Hohenz. Jh. Bd. 18, 1958) enthält keinen<br />

Hinweis auf Bergmarken oder Schankzeichen.<br />

* Der Abdruck wurde freundlicherweise vom Verfasser und vom<br />

Krichelaorf-Verlag aus „Der Münzen- und Medaillensammler. Berichte<br />

aus allen Gebieten der Geld-, Münzen- und Medaillenkunde",<br />

8. Jg. (1968) Nr. 47 S. 540-542, gestattet Auch die Klischees wurden<br />

vom Verlag zur Verfügung gestellt, wofür wir aufrichtig danken.


WALTER SAUTER<br />

Die Hechinger Straßennamen<br />

„Name ist Schall und Rauch", läßt Coethe seinen Faust<br />

in Marthens Garten sagen. Hat es damit seine Richtigkeit?<br />

Keineswegs. Namen sind mehr als i.vie Aneinanderreihung<br />

von toten Buchstaben. An ihnen hängt Traktion,<br />

sie haben Atmosphäre. Ob es sich um Ortsnamen, Flurnamen,<br />

Vor- und Familiennamen handelt, alle sagen<br />

etwas aus. Aufschlußreich ist auch eine Betrachtung der<br />

Straßennamen, die man mit einiger Übertreibung die gedrängte<br />

Chronik eines Ortes nennen könnte. Ihre Deutung<br />

führt mitten hinein in die Geschichte, auch in die<br />

Kultur- und Wirtschaftsgeschichte.<br />

Von der Seite der praktischen Zweckbest lmung aus gesehen,<br />

sind die Straßennamen eine nüchtern-sachliche Angelegenhe<br />

,r . Sie dienen dem Zurechtfinden in dem Häusergevirr<br />

der Städte und größeren Landgemeinden. Ohne<br />

sie wäre eine Orientierung kaum möglich. An und für sich<br />

würden Zahlen den gleichen Dienst tun. Tatsächlich hat<br />

man diese Praxis häufig in Arne' Jta angewendet. Dort<br />

sind viele Städte in derart rasendem Tempo gewachsen,<br />

daß sich die Stadtverwaltungen oft die Mühe sparten, den<br />

neuen Straßen Namen zu geben. Sie begnügten sich damit,<br />

sie einfach zu numerieren. In Manhattan, dem vom<br />

Hudson, East- und Harlem-River umflossenen Stadtteil<br />

von New York, verlaufen zum Beispiel die Straßen<br />

schachbrettartig und sind fortlaufend numeriert. Von Süden<br />

nach Norden heißen sie Avenues, während die westöstlich<br />

verlaufenden Verkehrsadern Streets genannt werden.<br />

Nur in einer einzigen deutschen Stadt, in Mannheim, ist<br />

man ähnlich verfahren. Mannheim ist bekanntlich eine<br />

fürstliche Gründung aus dem Beginn des 17. Jahrhunderts.<br />

Die zw" ien Rhein und Neckar schachbrettartig in Rechtecken<br />

regelmäßig angelegten Häuserblocks sind mit Buchstaben<br />

und Zahlen bezeichnet und mit. zusätzlicher Numerierung<br />

der e uzelnen FLluser. E ae AnschrLt lautet<br />

z. B. A 1/7.<br />

Zum Giück ist eine solche seelenlose Numerierung von<br />

Ortsstraßen in Deutschland auf Mannheim beschränkt geblieben.<br />

Viel anschaulicher und auch einprägsamer als<br />

Zahlen sind Namen. Ein Beispiel dafür bietet die Stadt<br />

Hechingen. Die Namen ihrer Straßen sind Wortdenkmale<br />

'irer Geschichte in Vergangenheit und Gegenwart.<br />

Straßennamen treten . doch in Hechingen erst in einer<br />

späten Periode der städtischen Entwicklung in Erscheinung.<br />

Um Im stad '.sehen Grundsteuerbuch den Standort<br />

eines Hauses zu fixieren, verwendete man die Eigentumernamen<br />

der angrenzenden Grundstücke. Meist begnügte<br />

sich aber der Stadtschreiber mit Angaben über die<br />

ungefähre Lage in der Stadt. Da heißt es in den Einträgen,<br />

ein Haus liege „in der oberen Vorstadt", „vor dem<br />

oberen Tor", „beim Häusei der Armbrustschützen", „bei<br />

der Kirche", „an der Stadtmauer", „nächst dem Rathaus",<br />

„beim Pfarrhof", „bei aem Bräuhaus", „bei des Gloggers<br />

Brunnen", „beim unteren Tor", „in der Altstadt", „im<br />

Schadenweiler"P,auf der Schütte", „hinter der Runkellen"<br />

(Quelle am Maiweg), „beim Reichenbach", „am Muhlgraben",<br />

„hinter dem Ochsen".<br />

In der Hauptsache waren also Stadtteile und markante<br />

Gebäude Anhaltspunkte für die Lagebez ichnung von<br />

Hausern, wie es heute noch


selbst, ihre Geschichte, ihre Fluren und öffentlichen Einrichtungen<br />

Bezug nehmen. Die Zahl der benannten Straßen<br />

in Hechingen betrug damals 56. Die starke Bautätigkeit<br />

in den seither verflossenen nahezu 60 Jahren hat<br />

diese Zahl mehr als verdoppelt und auf nahezu 150 anschwellen<br />

lassen, die Wohnplätze nicht mitgerechnet.<br />

Diese neuen Straßen erhielten ihre Namen von den für<br />

Beschlüsse zuständigen Organen der Stadt. Heute ist es<br />

der Gemeinderat. Bevor eine Straße gebaut wird, wenn<br />

sie erst auf dem Reißbrett des Stadtbauamts eingezeichnet<br />

ist, wird ihr schon der Name gegeben.<br />

Die alten Hechinger Straßennamen weisen alle eine <strong>heimat</strong>liche<br />

Färbung auf. Heute ist diese Regel durchbrochen.<br />

Der Bedarf an Straßennamen wurde so groß, daß man<br />

auch in Hechingen nicht ohne beziehungslose und daher<br />

künstliche Erfindungen auskommen zu können glaubte.<br />

Beispiele dafür sind Mörikeweg, Hölderhnweg u.a.m. Zu<br />

solchen Verlegenheitslösungen sollte man möglichst wenig<br />

greifen, am besten gar nicht.<br />

Langweil^, und phantasielos, sprachlich unschön und in<br />

einigen Fällen auch inhaltlich falsch ist es, als Grundwort<br />

allzuhäufig „Straße" zu verwenden. Diesem Fehler ist<br />

man früher auch in Hec 'ngen verfallen, obwohl der<br />

R, chtum der deutschen Sprache auch andere Möglichkeiten<br />

in Fülle anbietet. Es muß anerkannt werden, daß man<br />

in Hechingen in den letzten Jahren erfreulicherweise davon<br />

Gebrauch gemacht hat. Als gute Beispiele seien angeführt:<br />

Am Meisenbächle, Am Ettenbach, Im Eierle,<br />

Stettener Halde.<br />

Mehr Rücksicht auf das Sprachgefühl<br />

So gut n allgemeinen in Hechingen die Straßennamen<br />

gewählt sind, verstoßen doch einige gegen das Sprachgefühl.<br />

Es ist überflüssig, ja geradezu sprachlich widersinnig,<br />

dem Herrenacker und dem Schadenweiler das<br />

Grundwort „Straße" anzuhängen. Weder der Herrenacker<br />

als früheres Gewann noch der Schadenweiler, eine<br />

alte Siedlung und heute Stadtteil, benötigen ein Grundwort;<br />

„Auf dem Herrenacker" und „Schadenweiler" würden<br />

genügen. Jedenfalls sollte das Grundwort „Straße"<br />

weggelassen werden. Es verträgt sich auch nicht mit dem<br />

Sprachgefühl, jedem hintersten Winkel im Stadtberexh<br />

den für 'hn kaum passenden Namen „Straße" zu geben<br />

Wenn e le Gasse keinen Fahrverkehr zuläßt und nur als<br />

Fußweg benützt werden kann, spricht man im Volksmund<br />

von einem „Gäßle", so in Hechingen vom Lindengäßle.<br />

Ganz unmotiviert hat man im amtlichen Straßenverzeichnis<br />

daraus e'ne Lindengasse gemacht, m Straßenverzeichnii<br />

der 30er Jahre sogar eine Lindenstraße, was<br />

völlig unsinnig war. In seiner Residenzzeit hatte Stuttgart<br />

ein Kön'gsgäßle I emand nahm Anstoß daran. Erst in<br />

der heutigen Zeit tut man so geschwollen.<br />

Die Deutung der Namen<br />

Beim Bemühen, die Hechinger Straßennamen zu deuten,<br />

wird zunächst ihre Einteuung in zusammengehörende<br />

Gruppen erkennbar. In einigen Namen hat die Siediungsgeschichte<br />

der Stadt ihren Niederschlag gefunden, andere<br />

beziehen sich auf kirchliche Gebäude und Einrichtungen.<br />

D : Namen vieler überbauter Fluren leben fort in Straßennamen.<br />

Namengebend waren auch die topographische<br />

Lage, andere Besonderheiten, die belebte und unbelebte<br />

Natur, Gebäude und öffentliche I inricntungen, Sport,<br />

Gewerbe und Beruf, Personen, die an der betreffenden<br />

Straße Eigentum besaßen, oder solche, deren Andenken<br />

man ehren wollte, poTitiserie und gemeindegeschichtliche<br />

Ereignisse Viele Namen erinnern an die frühere Bedeutung<br />

der Stadt als Res\enz. Ortsnamen geben die B i htung<br />

der so benannten Straßen an. Nur zwei Straßennamen<br />

entziehen sich der Ei ireihung in diese Gruppen.<br />

12<br />

Die Siedlungsgeschichte in Straßennamen<br />

Die Endung „ . . . ingen" läßt darauf schließen, daß Heck'ngen<br />

in seinen Siedlungsanfängen auf die Zeit der<br />

Landnahme durch die Alemannen zurückgeht. Namengebend<br />

waren die „Hachingen". Wir dürfen uns darunter<br />

einen durch Verwandtschaft und Abhängigkeit verbundenen<br />

Personenverband vorstellen, dessen gebietende und<br />

führende Persönlichkeit Hacho geheißen haben könnte<br />

oder Nachkomme eines Hacho war. Wir haben Grund zur<br />

Annahme, daß die ersten alemannischen Siedler sich im<br />

Talgrund der Starzel am Fuß des Martinsbergs niederließen.<br />

Die dortige Siedlung ist längst vom Erdboden<br />

verschwunden. In den alten Urkunden wird sie als „Niederhechingen"<br />

bezeichnet. Der bei der Straßenbezeichnung<br />

im Jahre 1906 angeführte Name „Niederhechinger<br />

Straße" für die links der Starzel von der Stadt zum Vorort<br />

Friedrichstraße führende Straße ist damit sehr sinnvoll.<br />

In den Jahrhunderten nachher nahmen die Hechinger<br />

weitere Flurteile starzelaufwärts unter den Pflug. Zunächst<br />

entstand eine Siedlung am Fuße des Killbergs und<br />

des Schrofens. In einer späteren Siedlungsperiode kam<br />

eine Weilersiedlung an den Ufern der Starzel und des<br />

Reichenbachs hinzu. Ihr Name „Schadenweiler" hat sich<br />

bis heute im Straßennamen erhalten.<br />

Eine völlige Änderung erfuhr das Siedlungsbild in der<br />

Mitte des 13. Jahrhunderts, als ein Zollergraf auf dem<br />

vordem unbebauten Gelände der heutigen Oberstadt eine<br />

neue Siedlung anlegte. Von den bisherigen ländlichen<br />

Siedlungen auf Hechinger Boden unterschied sie sich<br />

grundlegend. Sie sollte - dies war ihre Zweckbestimmung<br />

- eine Marktsiedlung sein m Handwerkern und<br />

Händlern als Bewohnern, die meist auch Landwirtschaft<br />

betrieben und bei denen die Bauern der Umgebung ihren<br />

Bedarf an Erzeugnissen des Handwerks und an Handelswaren<br />

decken konnten. Diese neue Siedlungstatsache ist in<br />

der Straßenbenennung von „Marktplatz" und „Marktstraße"<br />

festgehalten.<br />

In der Zeit nach dem ersten Weltkrieg herrschte eine<br />

große Wohnungsnot. Jahrelang hatte die Bautätigkeit geruht.<br />

Hunderte von Wohnungen fehlten. Eine gemeinsame<br />

Anstrengung war notwendig. Eir.2 Baugenossenschaft<br />

wurde gegründet, und auch die Stadt schaltete sich<br />

in den Wohnungsneubau ein. Beide bauten auf dem Gelände<br />

von der Hofgartenstraße stadtauswärts in Lichtung<br />

Friedrichstraße. Der Gedanke dieses Zusammenstehens<br />

und des Einsatzes der Stadt als Vollzugsorgan dieses Gemeinschaftswillens<br />

prägte sich tief ins Bewußtsein und bekam<br />

seinen Ausdruck in der von der Einwohnerschaft<br />

gebrauchten Bezeichnung „Siedlung" für das neu geschaffene<br />

Wohnviertel. Bei der Straßenbenennung übernahm<br />

( "e Stadt diese Bezeichnung und gab den neuen<br />

Straßen die Namen „Obere-" und „Untere Siedlungsstraße"<br />

und „Siedlungspiatz". Die beiden ersten Straßen<br />

erhielten später andere Namen, während der Name<br />

„Siedlungspiatz" als eine dauernde Erinnerung an den<br />

Siedlungsgedanken nach dem Krieg 1914/18 bestehen bleiben<br />

sollte. So wollten es die Stadtverordneten in den 20er<br />

Jahren, aber ihre Nachfahren auf dem Rathaus achteten<br />

diesen Willen nicht und benannten vor einigen Jahren<br />

den Platz in „Steubenplatz" um.<br />

Ungleich heftiger brannte nach dem zweiten Weltkrieg<br />

die Wohnungsnot auf den Nägeln. Schon bei den Einheimischen<br />

bestand nach der langen Pause l Bauen ein<br />

großer Nachholbedarf. Dazu kamen allein in Hechingen<br />

Tausende von Heimatvertriebenen, die untergebracht werden<br />

mußten. Die in den Jahren nach der Währungsreform<br />

mit Macht einsetzende und in der GeschiJite der Stadt<br />

einmalig dastehende Bau- und Siedlungstätigke t fand


auch in Straßenbezeichnungen ihren Niederschlag, die<br />

einige Herkunftsländer der Flüchtlinge und Vertriebenen<br />

und bedeutende Städte in ihnen festhalten: Königsberger<br />

Weg (Ostpreußen), Breslauer Weg (Schlesien), Banater<br />

Weg und Batschkaweg (Donauländer), Sudetenstraße,<br />

Prager Straße (Böhmen und Mähren - heute Tschechoslowak<br />

i). Bei diesen Wohngebieten am Stadtrand liegt<br />

zwar keine geschlossene Ansiedlung von Heimatvertriebenen<br />

vor, doch rekru'. ert sich - mit Ausnahme der Prager-<br />

und der Sudetenstraße - aus il fien d e Mehrzahl hrfer<br />

Bewohner.<br />

Eine 5 sdlungstatsache liegt auch dem Straßennamen<br />

„Max-Eyth-Straße" zugrunde. In jahrzehntelangen Bemühungen<br />

gelang es der Stadt, Grundstücke ZT : sehen der<br />

Ermelesstraße und der Haigerlocher Straße anzukaufen,<br />

um sie als Industriegelände abzugeben. Dort ist inzwischen<br />

ein neues Industrie- und Gewerbeviertel entstanden. Die<br />

Querstraße erhielt die Bezeichnung „Max-Eyth-Straße"<br />

im Gedenken an den schwäbischen Industriepionier Max<br />

von Eyth (1836-1906), der als Ingenieur in vier Weltteilen<br />

arbeitete und sich auch als Schriftsteller einen<br />

Namen schuf. Seile der älteren Generation noch gut bekannten<br />

Hauptwerke sind: „H. iter Pflug und Schraubstock",<br />

„Der Kampf um die Cheopspyramide" und „Der<br />

Schneider von Ulm".<br />

Als Erweiterung dieses Gewerbe- und Industrieviertels<br />

erschloß die Stadt ein anschließendes Neubaugebiet und<br />

bestimmte es teilweise für Gewerbe- und Industrieansiedlung.<br />

Sinngemäß wurden die Straßennamen gewählt:<br />

Daimlerstraße (Gottlieb Da.mler, 1834-1900, Ingen" ?ur,<br />

Pionier des Kraftfahrzeugbaus, Konstrukteur des Verbrennungsmotors<br />

für Motorräder und Kraftwagen, Gründer<br />

der später mit der Firma Benz-Motoren ve. ugten<br />

Daimler-Motoren-Gesellschaft, deren Erzeugni s das Mercedes-Auto,<br />

weltbekannt 'st), Fri"drich-List-Straße (Friedrich<br />

List, 1789-1846, Na 'onalökonorn, Politiker, Vorkämpfer<br />

der deutschen Zolle^ iheit) und Steinbeisstraße<br />

(Ferdinand Steinbeis, 1807-1897, Präsident der württemberr.ischen<br />

Zentrale für Gewerbe und Handel, setzte s" i<br />

verdienstvoll für die wirtschaftliche Entwicklung des<br />

Königreichs Württemberg vornehmlich auf dem Gebiet<br />

der Industrie ein).<br />

Namensgebung nach kirchlichen Gebäuden<br />

und Einrichtungen<br />

Die Entwicklung der katholischen Pfarrgemeinde verläuft<br />

parallel zur Geschichte der poi tischen Gemein de. Im ersten<br />

Schwerpunkt der Siedlung wu r de vermut ich die<br />

erste christliche Kirche errichtet, irf Ni'derhechingen nahe<br />

bei der heutigen Friedrichstraße. Diese erste Hec 1 nger<br />

Ki rche war dem Frankenheiligen Marl i geweiht, was auf<br />

Missionierung durch die Franken hinweist. Neben dem<br />

Namen Martinsberg erinnert die Straßenbezeichnung<br />

„Martinstraße" an diese nahe dem Fuße des Martinsbergs<br />

gelegene, längst schon abgegangene Kirche, die auch in<br />

einem Flurnamen fortlebt. Als sich später der Siediungsschwerpunkt<br />

nach der Siedlung unterhalb des Killbergs<br />

verlegte, wurde dort eine neue K 'che gebaut. Man weihte<br />

sie dem hl. Lucias, einem frühchristlichen Bischof von<br />

Chur. Die St.-Luzen-Kirche wurde später zur Pfarrkirche<br />

erhoben. Nach Ar und dem Kloster ist der „St.-Luzen-<br />

Weg" benannt. Die Benennung der beim ehemaligen<br />

Kloster St. Luzen ste" 1 aufwärts zum Schrofen führenden<br />

Straße wurde wegen der Gabelung der Straße geteilt in<br />

„Am Schrofen" und „Klostersteige" nach dem früheren<br />

Franziskanerkloster St. Luzen, das 1589 gegründet wurde<br />

und bis zur Aufhebung im Jahre 1808 bestand. Nach der<br />

Gründung der Stadt auf dem Hügel über der Starzel kam<br />

es erneut zu t ler Verlegung des Siediungsschwerpunktes,<br />

und auch hier folgte der Kirchenbau. Es war die Kirche<br />

zu Unserer Lieben Frau und St. Jakob. Daher der Name<br />

„Kirchplatz". Diese Kirche wurde bald zur Stiftskirche<br />

erhoben, zum gottesdienstiiehen Raum für das Kollegiatstift<br />

zu St. Jakob, eine Stiftung mit umfangreichem Grundbesitz<br />

zum Unterhalt eines Kollegiums von Weitgeistlichen,<br />

deren Zusammenleben nach einer festgelegten Regel<br />

geordnet war und die bestimmte gottesdienstliche Handlungen<br />

vorzunehmen hatten. Diese Kollegiatstifte waren<br />

ein Gegenstück zu den Klöstern, doch wohnten die Stiftsherren<br />

nicht zusammen in einem Kloster, sondern einzeln<br />

in Pfründehäusern. An dieses einstige Hechinger Kolieg<br />

tstift erinnert der Name „S, 'tsgasse", die „Katharinengasse"<br />

daneben an die Katharinenkapelle, die auf<br />

dem einstigen Friedhof hinter der Stiftskirche stand und<br />

vor dem Bau der jetzigen Stiftskirche abgebrochen wurde.<br />

Die „St. Jakobsgasse" ist nach dem Kirchenpatron, dem<br />

heiligen Apostel Jakobus dem Älteren, benannt.<br />

Wenn der Name „Heiligkreuz" genannt wird, denken<br />

wir an diesen Ort als Friedhof, als Ruheplatz der Toten.<br />

Diese Zweckbestimmung hat He-'-gkreuz erst seit dem<br />

Jahre 1814. Die dortige Friedhofskapelle war früher ein<br />

Wallfahrtsort, eine Gedenkstätte an die in der Sage vom<br />

höllischen Schuß verewigte Freveltat. Nach Heiligkreuz<br />

ist die dorthin führende „Heiligkreuzstraße" benannt.<br />

Flurnamen werden zu Straßennamen<br />

Weit über den ursprünglichen Siedlungskern haben sich<br />

die Städte und auch die Landgemeinden ausgeweitet. Sie<br />

überwuchern immer mehr die Fluren. Die Namen der Gewanne<br />

drohen unterzugehen und nur noch in Archiven<br />

ein papierenes Leben zu fristen. Es ist daher sinnvoll,<br />

neuen Straßen J ie Namen der Fluren zu geben, auf denen<br />

sie angelegt sind. Solche Namen atmen den Erdgeruch der<br />

Heimat. Die überbauten Fluren ieben in den Namen der<br />

Straßen fort. In Hecl -igen wird dies seit eher praktiziert.<br />

Als die beziehungsreichsten Straßennamen, die auf<br />

Flurnamen zurückgehen, verdienen „An der Breite" und<br />

„Im Maierhof" Beachtung. Sie sind Namensdenkmale der<br />

alten Ortsverfassung und erinnern an frühere Herrschaftsrechte.<br />

Die „Breite" ist wie der „Brühl" altes Herrschaftsgut<br />

in Siedlungsnähe, „Breite" ein ausgedehntes<br />

Ackerfeld guter Bonität, „Brühl" eine feuchte und daher<br />

im Grasertrag er 'ebige Wiesenfläche. Beide wurden einst<br />

vom Maierhof aus bewirtschaftet. Dort saß der Maier<br />

(vom lateinischen Wort maicr = der Größere) als Verwalter,<br />

später auch Lehensinhaber des Herrschaftsgutes<br />

und zugleich auftragsweise Inhaber einiger örtlicher Herrschaftsrechte<br />

und der damit verbundenen Pflichten. Der<br />

alte Hecluüger Maierhof steht seit Jahrhunderten r.iit<br />

mehr, gebl: Sen . t aber die Flurbezeichnung und heute<br />

der Straßenname. Der Flurname „Eierle", von dem der<br />

Straßenname „Im 1 jrle" abgeleitet ist, lautete früher<br />

„Erlach" und bedeutet eine Anhäufung von Erlen, ähnlich<br />

wie Stockoch - die namengebende Flur des „Stockochweges"<br />

- eine Anhäufung von Wurzelstöcken. An der<br />

Stelle der Flur dürfte einstmals ein Gehölz gerodet worden<br />

sein, von dem die Wurzelstöcke noch lange im Boden<br />

stecken b :ben. Die „Firststraße" hat ihren Namen vom<br />

First, dem langgestreckten Geländerücken zwischen der<br />

Hechinger Oberstadt und Stetten. First : st eine Bezeichnung<br />

für Menschen, eine Geiänderorm und einen Hausteil.<br />

Sie kennzeichnet das Hervorragende, den Fürsten, den<br />

First und den Dachr -st. In der Lichtnau, der einstigen<br />

großen Wiesenfläche, in der der gleichnamige frühere<br />

städtische Spiel- und Sportplatz frei gelassen worden ist,<br />

darf man an eine baumfreie, gehuitete Aue denken. Von<br />

ihr hat die Straße „Auf der Lichtnau" den Namen. „Tobel"<br />

bedeutet Schlucht, und tatsächlich zieht sich die He<br />

chinger „Tobelstraße" durch eine Schlucht hinter dem<br />

Schloßberg aufwärts. Der Hech'iger Straßenname<br />

13


„Scbüttestraße" -- besser hieße es „Auf der Schütte" - ist<br />

wohi als Aufschüttung zu erklären. I i Bach schwemmt<br />

Land auf, schüttet es auf. Di : Straße „In den Schelmenäckern"<br />

hat ihren Namen vom früheren Schelmenwasen.<br />

„Schelm" ist das- alte Wort für gefallenes Vieh, das nach<br />

den früheren gesundheitspolizeilichen Vorschriften vom<br />

Wasenmeister, auch Schinder, zuletzt Kleemeister genannt<br />

(er war zugleich Nachrichter, d. h. Vollzugsorgan von<br />

harten Gerichtsbeschlüssen;, auf dem Schelmenwasen „verlocht",<br />

d. h. in den Boden vergraben werden mußte.<br />

Heute besorgen die Tierkörperbes " tigungsanstalten diese<br />

Aufgabe. Steil zieht sich die Straße „Am Schrofen" den<br />

Hang der gl(" hnamigen An<strong>höh</strong>e hinauf. Das Wort<br />

„Schrofen" hängt mit dem Eigenschaftswort schroff zusammen.<br />

Es bedeutet zerklüfteter Felsen, felsige Höhe.<br />

Vor Niederhechingen in Richtung Hechingen lag früher<br />

etwa am Ende des heutigen Sportstadl ins der große, der<br />

Fischzucht dienende Niederhechinger Weiher. Nach ihm<br />

ist die Siedlung und Straße „Im Weiher" benannt. Wenn<br />

eine Straße „In den Bronnwiesen" heißt, so deutet dies<br />

auf das Vorhandensein einer Quelle hin. Auch die Fluren,<br />

die dem „Kohlbrunnenweg" und der Straße „Im Prinzling"<br />

den Namen gegeben haben, sind offensichtlich nach<br />

kleinen Quellen und fließenden Wässerlein benannt. Die<br />

Äcker an der Stelle der „Steinäckersiedlung" und der<br />

„Steinäckerstraße'' hatten s eher c'nen steinigen Untergrund.<br />

Seit der Umbenennung sind die Straßen „Im Maierhof"<br />

und „Prinz igstraße" unter der Bezeichnung „Im Maierhof"<br />

zusammengefaßt. Die Ma : erhofstraße erhielt nach<br />

dem Gewannamen die Bezeichnung „Im Keßler", Keßleräcker<br />

werden schon 1600 genannt. Vermutlich stehen sie<br />

in Beziehung zu den Keßlern, Kesselmachern und Kesselflickern.<br />

Der Grund für die Umbenennung war die bisherige<br />

zweima^ge Verwendung des Best nmungswortes<br />

Maierhof, was in diesem Stadtteil, in dem eine ganze Anzahl<br />

Familien des Namens Maier und Mayer wohnen, zu<br />

Schwierigkeiten in der Postzustellung geführt hatte.<br />

JOHANNES WANNENMACHER<br />

Ein Gang durch die heimische Mundart -<br />

Bezeichnung der Verwandtschaftsgrade in Rangendingen<br />

Jeder Volksstamm hat neben dem Hochdeutschen noch<br />

seine eigene Sprache, d" Mundart, d ; e viele Abwandlungen<br />

zeigt und oft sogar noch von Ort zu Ort besondere<br />

Verschiedenheiten aufweist. In d^sem alten Kulturgut<br />

liegt die ganze sprachschöpferische Kraft unserer Vorfahren.<br />

Die Mundart ist zuglt. ch ein Spiegel der Volksseele<br />

und in ihrer Art urwüchsig und urgründig. In unserer Zeit<br />

aber ist sie lautend einem Wandel unterworfen. Bevölkerungsumschichtung,<br />

Veränderungen in der Arbeite-, Lebens-<br />

und Denkweise bilden hierbei d e Hauptursache.<br />

Zwischen der jungen und der älteren Generation klaffen<br />

heute schon im mundartlichen Wortschatz und auch in der<br />

Art der Aussprache deutliche Lücken und Abweichungen<br />

vom Althergebrachten.<br />

Betrachten Wir nur einmal die Namen für die verschiedenen<br />

Verwandtschaftsgrade von einst und jetzt. Noch vor<br />

dem 1. Weltkrieg (1914-1918) gab es in der hiesigen<br />

Mundart keinen Großvater und keine Großmutter, keinen<br />

Opa und keine Oma, sondern nur einen Ähne und eine<br />

Ahna Diese zwei uralten Worte re : chen mit ihrem Ursprung<br />

bis in die Zeiten der ersten Namensgebung zurück.<br />

Entsprechend hieß der Urgroßvater Urühne und die Urgroßmutter<br />

Urahna. Statt Papa gebrauchte man in der<br />

14<br />

Besonderheiten des Geländes<br />

Staig ist i.ae im schwäbischen Sprachgebrauch häufig vorkommende<br />

Bezeichnung für einen mehr oder weniger steil<br />

aufwärts führenden Fahrweg, was für die Hechinger<br />

„Staig", die steil schräg verlaufende Verbindung der<br />

Oberstadt zur Unterstadt, voll zutrifft. Das Wort Rain<br />

kann eine doppelte Bedeutung haben, Rand oder langgestreckter<br />

schmaler Abhang. Beide Eigenschaften vereinigt<br />

der Gehweg „Am Rain". Er begrenzt den Marktplatz,<br />

ist also sei i Rand. Ein Graben trennt den Geländevorsprung,<br />

auf dem die Oberstadt steht, von dem<br />

F rst. Nach ihm ist der Weg „Am Graben" benannt. Der<br />

Kapf ist eine örtlichkeit, von der man „kapfen" kann,<br />

d. h. eine weite Aussicht genießt, also ein Aussichtsplatz.<br />

Erhalten hat ,; ch das Wort kapfen nur noch in „gaffen".<br />

Von dem Kapf hat die „Kapfgasse" ihren Namen. Viel<br />

bewundert wird dort von der Kriegergedächtnisstätte aus<br />

d'e herrliche Aussicht auf die Albberge.<br />

Die Natur in Straßennamen<br />

Auch andere Gegebenheiten der Natur haben in Hechinger<br />

Straßennamen ihren Niederschlag gefunden. Nach<br />

einer beim Maiweg entspringenden Quelle, der Runkellen<br />

(rinnende Quelle), ist die „Runkellengasse" benannt. Drei<br />

Bäche und Bächlein waren namengebend: der Ettenbach,<br />

der Reichenbach und des letzteren Zufluß, das Meisenbädile.<br />

Die Bach-Straßennamen he !r len: „Am Ettenbach",<br />

„Re.J)enbachgasse" und „Am Meisenbächle". Naturbezogen<br />

sind die für die Wohnsiedlung vor dem Fasanenwald<br />

gewählten Straßennamen. Man dachte dabe' an die<br />

Nähe des einstigen Jagdreviers und Fasanengeheges und<br />

an seine Vogelwelt. Das ist die Erklärung für die Bezeichnung<br />

„Amselweg", „Fasanenweg", „Finkenweg",<br />

„Drosselweg", „Meisenweg• und „Lerchenweg". Zum<br />

Jagdrevier gehört der Jäger, daher der „Jägersteig" in<br />

dieser Siedlung.<br />

(Der Beitrag wird in der näcnsten Nummer fortgesetzt)<br />

Mundart das schöne, alte Wort Ätte und für c_e Mama<br />

das Wort Amm. „Mei Ätte und mei Amm" konnte man<br />

als Elternbezeichnung aus Kindermund so warmherzig<br />

hören, und auch die heranwachsende Jugend verwendete<br />

vielfach noch dieselben Narnen. - Es gab in der Mundart<br />

auch keinen Schwiegervater und keine Schwiegermutter,<br />

sondern einen Schweher und eine Schwieger. Die Schwiegertochter<br />

wiederum war die Söhne oder Söhnere. Der<br />

Schwiegersohn wurde umschrieben und war einfach der<br />

Mann von der Tochter Marie, Anna etc. Nebenbei war für<br />

ihn auch das Wort Tochterma gebrauchlich. - Enkelkinder<br />

wurden nur selten als Enkel oder Enkelin angesprochen.<br />

Bei ihrer Benennung wurden die Namen der eigenen<br />

Söhne und Töchter dazwischen geschoben. So hieß es beispielsweise:<br />

Meim (Sohn) Karle sei Josef — oder meira<br />

(Tochter) Ann ihr Mariele. Diese Art der Namhaftmachung<br />

drückte e ; n besonders inniges Verbundense-- der<br />

Generationen miteinander aus. Schwager und Schwägeii i<br />

wurden in der Mundart ehemals auch umschrieben. Es<br />

hieß dann etwa so: Meim Weib sein Josef, oder me."i<br />

Weib ihre Kathare. Onkel und Tante nannte die Mundart<br />

Vetter und Bas. Die Bas oder 's Bäsle spielte oft wichtige<br />

Rollen im Kinderleben. Aus der Reihe der Vettern und


Basen wurden früher in der Regel auch die Taufpaten genommen,<br />

der Dötte und die Dotta, die ihre Patenkinder<br />

bis zur Schulentlassung an Ostern mit Eiern, an Allerseelen<br />

mit Sailen (Brotgebäck) und an Weihnachten mit Brezeln,<br />

Äpfeln und Nüssen beschenkten. Weitere Zugaben<br />

waren selten. Die Kinder aber hatten an diesem Wenigen<br />

damals oft mehr Freude als an dem vielfach zu üppigen<br />

Aufwand unserer Tage, der den wahren Sinngehalt der<br />

Feste nahezu erdrückt.<br />

Neffen und Nichten kannte man früher mundartlich ebenfalls<br />

nicht. Sie waren einfach die Kinder von Brüdern und<br />

Schwestern, deren Namen jeweils dem Namen des Kindes<br />

vorangesetzt wurden. Neffen und Nichten waren unter<br />

sich „Geschwisterige Kinder" und eine Generation weiter<br />

„Geschwisterige Kindskinder". Bis zu diesem Verwandt-<br />

JOHANN ADAM KRAUS<br />

Ein »Horb« bei Salmendingen ?<br />

In der Oberamtsbeschreibung Münsingen 1 ist die Rede<br />

von einem Orte Horb, der „in der Gegend von Salmendingen<br />

abgegangen ist". Man bezieht sich dabei auf<br />

Friedr. Eiseies Aufsatz über das Salmendinger Heufeld 2 ,<br />

wo eine Stelle aus dem Fleckenbuch von 1530 3 zitiert<br />

wird: „Von Horb(?) geht ein Weg bis auf Heufeld, genannt<br />

der Alt-Hechinger Weg".<br />

Die Geschichtsforscher sind nämlich in der üblen Lage, die<br />

Heimat einer Adelsfamilie „von Horwan" oder „Horwe"<br />

nicht ausfindig machen zu können, die seit etwa 1100 in<br />

Urkunden sowohl im Breisgau als auch auf der Alb vorkommt,<br />

vermutlich im Gefolge der Zähringer Herzöge.<br />

Die obige Oberamtsbeschreibung möchte nun ein Horb bei<br />

Salmendingen suchen, und darin folgt ihr neuestens Hans<br />

Harter in einem Aufsatz über eine Alpirsbacher Chroniknotiz<br />

4 .<br />

Im Rotulus Sanpetrinus kommt als erster ein nobilis vir<br />

Waltherus de Horwan um 1112 vor, der auch mit dem<br />

Kloster Zwiefalten zu tun hatte. Ein Cuono von Horwe,<br />

wohl Walthers Sohn, f ; ndet sich 1152 in Freir urg und<br />

schon etwas früher, wie Harter nachweist, in Offenburg.<br />

Im Jahr 1161 wird von ihm der Ort Tennenbach zur<br />

Klostergründung gekauft. Im gleichen Jahr ist er Vogt<br />

des Klosters Offenhausen am Lauterursprung. Kuno und<br />

sein Sohn Walther II. de Horwe stehen nach 1163 im<br />

Reichenbacher Schenkungsbuch und auch in Beziehungen<br />

zu Hirsau 5 .<br />

Wie verhalt es sich nun mit diesem angeblichen Horb bei<br />

Salmendingen? Das genannte Fleckenbuch von 1530 enthält<br />

u. a. folgende Einträge: „Ain farweg von bach uf<br />

hewteid hinus. Ain Zunstellin von bach bis uf die vichwaid.<br />

Item von horw (1698 verbessert zu horb) gat ain<br />

weg bis uf hewfeld, genannt der alt hecl' iger weg." Bach<br />

und Horw sind zweifellos Flurnamen. Bach ist identisch<br />

mit dem heutigen Baah-Brunnen an der Ringinger Straße,<br />

etwa 250 m westlich von Salmendingen am Sattel Zwischen<br />

Monk und Kavberg. Von dort ging und geht heute<br />

noch ein Fahrweg nach Westen (inzwischen als neue Straße<br />

nach Ringingen ausgebaut), biegt aber als Feldweg nach<br />

Norden ab, von dieser Straße weg, und führt nördlich des<br />

Kornbühls auf Heufeld bis zum Dreifürstenstein. Von<br />

Bach ging aber auch ein Weidezaun (Zaunstelle) bis auf<br />

die Salmendinger Viehweide, südwestlich des Kornbühls,<br />

wo noch mächtige Linden erhalten sind. Vom obigen<br />

Fahrweg zweigte wenige 100 m westlich vom genannten<br />

Brunnen der Alt-Hechinger Weg ab (so wie heute die<br />

neue Straße verläuft), südlich am Kornbühl vorbei und<br />

schaftsgrad blieben die gegenseitigen Beziehungen meist<br />

bewußt und aufrecht erhalten.<br />

Gänzlich unbekannt jedoch waren in der Mundart die<br />

Fremdwörter Cousin und Cousine für die Kinder von<br />

Onkel und Tante (Vetter und Base). Die Mundart bleibt<br />

in diesem Fall wieder lebensnah. Auch hierbei wurden die<br />

Namen von Vettern und Basen vorausgenannt und dann<br />

die Namen der betreffenden Kinder hinzugefügt. Man<br />

hörte dann etwa: Meim Josefvetter sei Xavere — oder<br />

meira Mariebäs ihre Theres.<br />

Heute sind die neuen Verwandtschaftsbezeichnungen aus<br />

der hochdeutschen Sprache zum großen Teil auch von der<br />

Mundart übernommen worden. Dieser für die Sprachgeschichte<br />

so interessante Vorgang bestätigt auch auf seine<br />

Weise die Dichterworte: „Die Stunde, leise wandelnd,<br />

wandelt alles" (Webers Dreizehnlinden).<br />

über die genannte Viehweide geradeaus über das Heufeld<br />

bis zur heute noch sog. „Hechinger Staig" ob Schlatt. Vielleicht<br />

wurde der Weg bei Anlage des fürstenbergischen<br />

(heute staatlichen) Forstes um 1850 geringfügig verlegt<br />

bzw. aufgegeben. Somit muß die Flur Horw oder Horb<br />

in der Nähe obiger Abzweigung Feldweg-Straße östlich<br />

des Kornbühls angenommen werden, also ein Sumpfgebiet<br />

vom genannten Baah-Brunnen her. Horw bedeutet<br />

nämlich Sumpf. Aus Jakob Frischlins Beschreibung der<br />

Zollerischen Hochzeit 1598 wissen wir, daß die Ulmer<br />

Landstraße von Hechingen aus über der Schlatter Kirche<br />

auf die Hechinger Staig und von da nach Salmendingen<br />

und Meldungen lief. Irrigerweise kam dafür in neuerer<br />

Zeit der Name Schlatter Kirchweg auf. Heute findet man<br />

östlich oder südlich des Kornbühls weder einen Sumpf<br />

noch irgendwelche Spuren einer Siedlung, geschweige<br />

denn einer Burg. Somit bleiot völlig schleierhaft, wie die<br />

Bearbeiter der genannten Oberamtsbeschre'bung aus dem<br />

bloßen Flurnamen Horw von 1530 auf die Heimat eines<br />

Adelsgeschlechts schließen konnten, .n unmittelbarer Nähe<br />

des alten Dorfes Salmendingen mit seiner Burg, die oberhalb<br />

der Kircne auf Kay stand. Die Herren von Horb<br />

müssen m. E. anderswo gesucht werden 8 , entweder in der<br />

Stadt Horb am Neckar oder in Horben bei Freiburg, wie<br />

es z. B. Alb. Krieger im Topographischen Wörterbuch von<br />

Baden tut, oder sonstwo.<br />

Während in Horben bei Freiburg kein Burgplatz bekannt<br />

ist, plaziert Alberti 7 i,n Adelsgeschlecht „von Horben"<br />

(mit 5 weißen Pfeilen in blauem Scl"d) in nie bayerische<br />

Gemeinde Gestraz und bringt vieie Angaben dazu aus<br />

Bayern. Auch setzt der gleiche Verfasser die anfangs von<br />

uns erwähnten Herren mit einleuchtenden Gründen nach<br />

Horb am Neckar. Hier findet sich heute noch wenig über<br />

der Talsohle, die einst sicher sumpfig war, der Name<br />

Burgstall, nämlich unmittelbar neben der Liebtrauenkapelle<br />

und dem zugehörigen Krankenhaus. Die relativ<br />

niedere Lage der ehemaligen Burg und der Name Horb<br />

(Sumpf) scheinen < .n w 'ltiges Zeichen für deren hohes<br />

Alter zu si n, im Gegensatz zur späteren, den Hang<br />

hinaufz! :henden Stadt.<br />

Anmerkungen<br />

1<br />

OAB Münsingen, 1912, S. 664, Anm. 1<br />

2<br />

Mitt. Hohenz. 37 (1903): S. 77<br />

3<br />

Gemeinderegistratur Salmendingen<br />

4<br />

„Die Ortertau" 49 (1969), S. 239<br />

5<br />

Quellenangabe in Anm. 4<br />

6<br />

Vgl. ZWLG 24 (1965), S. 179<br />

7<br />

v. Alberti, Württ. Adels- u. 'Wappenbuch I, S. 351<br />

15


Hinweise auf Neuerscheinungen<br />

Wolfgang Kimmig: Die Heuneburg an der oberen Donau<br />

Selbstverlag der Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte<br />

in Württemberg und Hohenzollern, Stuttgart, Altes<br />

Schloß. 128 Seiten, DM 8.-.<br />

Seit 1950 werden in den Monaten August bis Oktober<br />

Ausgrabungen an der Heuneburg, beim Talhof, Markung<br />

Hundersingen, Kreis Saulgau, durchgeführt, die jedes Jahr<br />

neue Erkenntnisse brachten. Schon lange bestand der<br />

Wunsch nach einem handlichen, allgemein verständlichen,<br />

mit Karten und Bildern gut ausgestatteten „Heuneburgführer".<br />

Vor Jahresfrist erschien nun dieses Buch, herausgegeben<br />

von dem derzeitigen Leiter der Ausgrabungen an<br />

dem keltischen Fürstensitz, Dr. Wolfgang Kimmig, Professor<br />

für Vor- und Frühgeschichte an der Universität<br />

Tübingen. Dieser Heuneburgführer ist allgemein verständlich<br />

und mit Karten, Bildern, Zeichnungen und Rekonstruktionen<br />

hervorragend ausgestattet. Er behandelt<br />

die Forschungsgeschichte, einen Rundgang für die Besucher,<br />

die Ausgrabungen selbst, die Schicksale der Heuneburg,<br />

dabei auch besonders reich bebildert die berühmte Lehmziegelmauer<br />

und die Bastionen der Kelten, sowie die Ge-<br />

schichte der Heuneburg im frühen Mittelalter. Besonders<br />

gut dargestellt sind auch die Funde, die teils einheimisch,<br />

teils griechische Importe sind und eine genaue Datierung<br />

zulassen.<br />

Der Heuneburgführer beschränkt sich nicht nur auf die<br />

Heuneburg. selbst, sondern behandelt auch in gleicher<br />

Weise die gleichzeitigen Grabhügel der Burgherren, den<br />

Hohmichele, die Grabhügel (Fürstenhügel) im Talhau, den<br />

Lehenbühl, die Baumburg, den Bettelbühl und Rauhen<br />

Lehen, und geht auch auf die Bestattungsbräuche der Hallstattzeit<br />

ein. Eine Literaturangabe zur Heuneburg und zu<br />

den dazugehörigen „Fürstenhügeln" beschließen den ausgezeichneten<br />

„Heuneburgführer".<br />

Für alle Wanderer, Heimatfreunde und Lehrer dürfte der<br />

„Heuneburgführer" eine reiche und ergiebige Fundgrube<br />

darstellen und vielerlei Anregungen zu Besichtigungen<br />

und Schulwanderungen geben, die sich leicht mit dem benachbarten<br />

spätmittelalterlichen Zisterzienserinnenkloster<br />

Heiligkreuztal verbinden lassen.<br />

Während der Ausgrabungszeit macht die Ausgrabungsleitung<br />

für Schulen und Gruppen Führungen. Dabei ist<br />

der Heuneburgführer verbilligt erhältlich.<br />

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26.-31, 7. „Die moderne Biologie - eine Wissenschaft auf dem Wege zum Verständnis des Lebens"<br />

3.- 3. 8. „Vor- und Frühgeschichte des oberschwäbischen und Bodenseeraumes"<br />

9.-15.8. „Barock das große Zeitalter Oberschwabens"<br />

16.-22. 8. „Mit Skizzenblock statt Kamera" - Zeichnen und Malen<br />

16.-22. 8. „Mit Kamera statt Skizzenblock" - ein Photokurs<br />

Bitte fordern Sie ausführliche Programme an im Volkshochschulheim Inzigkofen<br />

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Hediingen mit dem Hohenzollern. Lithographie von Eb. Emminger nach B. Popp, um 184b<br />

Wie steht es um Hohenzollern ? Die Neuordnung der Kreise bewegt die Gemüter<br />

Die Tageszeitungen in Hohenzollern, die großen Landeszeitungen,<br />

die hier gelesen werden, und die Rundfunkanstalten,<br />

die man in Hohenzollern hört, haben in den<br />

letzten Monaten ausführlich über das Denkmodell der<br />

Landesregierung und über die Alternativ-Vorschläge berichtet.<br />

Das Wesentliche für Hohenzollern besteht bekanntlich<br />

darin, daß der Landeskommunalverband aufgelöst<br />

und die beiden Kreise anderen, neuen und größeren<br />

Verwaltungseinheiten zugeordnet werden sollen. Es ist<br />

an dieser Stelle zunächst unerheblich, ob das die Großkreise<br />

Tübingen, Ebingen oder Tigmj ngen-Saulgau sein<br />

werden oder ob sich andere Begriffe zu Gegebenheiten<br />

kristalli' ieren werden.<br />

Der Kommunallandtag hat in seiner Entschließung vom<br />

25. Mai dieses Jahres mit Recht auf das garantierte Recht<br />

zur Selbstverwaltung hingewiesen. Mit Recht auch darauf,<br />

daß die hoh<strong>enzollerische</strong> Selbstverwaltung seit langem<br />

praktiziert und verwirklicht hat, was die Reform<br />

erst erbringen soll, zum Beispiel die sogenannte „Ein-<br />

raumigkeit" und die Koordination von Planung, Investition<br />

und Verwaltung.<br />

Die Geschichtskundigen - und das sind ja wohl die Leser<br />

der „Hoh<strong>enzollerische</strong>n Heimat" - wissen natürlich, daß<br />

eine Reihe der Vorwürfe,' die man heute den Reformern<br />

macht ihrerseits in vergangenen Jahrhunderten mitgeholfen<br />

haben, Hohenzollern zu formen: Was war nicht alles<br />

Willkür und Zufälligkeit, was nicht gewaltsames Reformieren,<br />

Rücksichtslosigkeit gegenüber den Bedürfnissen<br />

der Bevölkerung, von den Wünschen gar nicht zu reden;<br />

Politik war ja allein eine Sache „derer Potentatum", und<br />

meilenweit von unserer demokratischen Praxis entfernt,<br />

in der jedermann - wie es gegenwärtig zum Giück geschieht<br />

- öffentlich sein Für und Wider einer Reform<br />

der Landkreise dartun kann. Dieselben Vokabeln, die<br />

wir eben gebraucnten, sind auch diejenigen, die in der<br />

Diskussion heute die Rolle spielen.<br />

Dennoch: haben die 170 jähre gemeinsamer hoh<strong>enzollerische</strong>r<br />

Vergangenheit nicht auch ein Zusammengehörig-


keitsgefühl geschaffen? Ist.es nicht ein wenig abwegig<br />

(und Franz Gog hat dieses Argument mehrmals ins Feld<br />

geführt), daß man heute von „unzumutbar weiten" Wegen<br />

spricht, wo man Telefon, Kraftwagen und Linienbus<br />

hat? Wer stieß sich beispielsweise hundert Jahre lang daran,<br />

daß es von Adlberg nach Sigmaringen und umgekehrt<br />

zu kommen, eine abenteuerliche Reise über unglaubliche<br />

Straßen bedeutete? Wer vor genau 15 Jahren die Gelegenheit<br />

hatte, in Gammertingen dem ersten Anhörungstermin<br />

in Sachen Kreisreform, beizuwohnen, im Sommer<br />

1955, konnte erleben, wie Leute, deren Vorfahren nicht<br />

minder willkürlich zusammengetrieben worden waren,<br />

nämlich Badener, auf die Barrikaden stiegen. Mit zornroten<br />

Köpfen und geballter Faust verteidigten Stettener<br />

und Meßkircher ihr Stockach und wollten nichts von<br />

Ebingen oder Sigmaringen hören. Dieses Recht haben wir<br />

doch wohl audi? Diejenigen Diskussionsredner in der Sil<br />

zung des Kommunallandtags vom 25. Mai trafen den<br />

Nagel auf den Kopf, die meinten, man verschließe sidi<br />

einer Reform nicht, aber man müsse wissen, ob wirklich<br />

etwas Besseres als das Bewährte angeboten werde; und<br />

eben diese Frage sei mit den verschiedenen Vorlagen zur<br />

Reform der Kreisgrenzen noch nicht beantwortet. Wir<br />

halten es nidit für eine leere Phrase, wenn beispielsweise<br />

in den Erläuterungen zum Einzelplan 4 des Kommunalverbandes,<br />

Sozial- und Jugendhilfe, dieses Jahr 1 der Satz<br />

steht: „Die Verwaltungsstellen sind von jeher bemüht,<br />

dem ihnen sachlich und örtlidi anvertrauten hilfesudienden<br />

Persönenkreis ein Höchstmaß an sozialer Hilfe unter<br />

Beachtung und Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen<br />

schnell, sachkundig und nachhaltig zu leisten." Es<br />

wird immer Unzufriedene geben, aber diese Bemühung<br />

der Verwaltungsstellen ist doch wohl Tatsache. Und et-,<br />

was Besseres — stehe oben - muß in der Tat erst vorgelegt<br />

werden.<br />

Es gibt freilich einen Unterschied zwisdien den einstigen<br />

Willkürlichkei ten und Zufälligkeiten, unter denen Hohenzollern<br />

— audi — entstand, zu dem, was jetzt auf<br />

uns zukommt: Es ging immer um ein Auf und Ab, nie<br />

aber um ein Verschwinden des Namens Zollern oder Hohenzollern<br />

aus dem lebendigen politischen Bild. Dies aber<br />

steht uns heute - vielleicht -'bevor.; Andererseits aber<br />

wird durch eine etwaige Auflösung Hohenzollerns ja niemand<br />

vertrieben, ausgesiedelt, deportiert. Neufra und<br />

Gauselfingen werden weiterhin Nachbarn sein, Trochtelfingen,<br />

sollte es je einem Reutiinger Kreis zugeteilt werden,<br />

bleibt an der Seckach liegen, am vertrauten Bild<br />

wird sich nidits ändern. Und ändern wird sich auch nichts<br />

am gemeinsamen Erbe, an der Landeskunde und ihrer Erforschung,<br />

an den Orts- und Flurnamen und an allen<br />

übrigen, tausendfältigen Gegenständen der <strong>heimat</strong>lichen<br />

Forschung. Heimat bleibt Heimat, man sollte es nicht so<br />

dramatisieren, wenn in Zukunft die Hechinger Kraftfahrer<br />

vielleicht ein TÜ am Wagen führen, und dafür die von<br />

Meßldrch ein SIG.<br />

Darum wird auch der Gcschiclitsvcrein weiterbestehen,<br />

und wir hoffen, audi recht lange die „Hoh<strong>enzollerische</strong><br />

Heimat".<br />

18<br />

An unsere Leser<br />

Mit der allgemeinen Teuerung sind leider<br />

auch unsere Gestehungskosten gestiegen, obwohl<br />

alle unsere Mitarbeiter ohne Entgelt<br />

an der „Hohenzollerisdien Heimat* mitwirken.<br />

Wir müssen daher vom 1. Juli 1970.<br />

ab den Bezugspreis von halbjährlich 1,40 DM<br />

und 2,00 DM heraufsetzen,.<br />

WALTER SAUTER<br />

Die Hechinger Straßennamen<br />

(Fortsetzung)<br />

Die Residenz<br />

600 Jahre war die Stadt Hediingen Hauptort der Grafschaft<br />

Zollern, und als die Grafen die, Burg Hohenzollern<br />

als Wohnsitz aufgaben .und in ihr. wohnlidieres Schloß in<br />

Hechingen zogen, wurde die Stadt audi Residenz, In zahlreichen<br />

Straßehbezeidinungen hat dieser Charakter der<br />

Stadt als Residenz seinen Niederschlag gefunden. Der<br />

Name „Fürstenstraße" ist die zusammenfassende Aussage<br />

für die Bedeutung Hechingens als Residenz der Grafen<br />

von Zollern und späteren Fürsten von Hohenzollern-Hechingen.<br />

Die Umbenennung in „Hindenburgstraße" im<br />

Jahre 1933 zu Ehren des damaligen Reichspräsidenten<br />

v, Hindenburg war nur kurzlebig. Seit 1945 lautet die<br />

Bezeichnung, wieder Fürstenstraße,<br />

Nach einer Nebenlinie des Zollernhauses, den Grafen von<br />

Hohenberg, ist die „Hohenbergerstraße" benannt. • Die<br />

Hohenberger leiteten ihren Namen von der längst abgegangenen<br />

Burg Oberhohenberg bei Rottweil ab. Sie zählten<br />

zu-den bedeutendsten Adelsgeschlechtern Südwestdeutschlands.<br />

An Größe ihres Besitzes (neben der alten<br />

Grafschaft Hohenberg die Herrsdiaften Haigerloch, Rothenburgs<br />

Horb und Teile des Nagoldgaus), an Ansehen<br />

und an Macht überragten sie ihre Stammesvettern von<br />

der altzollerischen Linie. Eine Gräfin von Hohenberg war<br />

mit König Rudolf von Häbsburg vermählt. An sie als<br />

Stammutter des Hauses Häbsburg erinnerte man sich, als<br />

sich der österreichische Erzherzog Franz Ferdinand mit<br />

einer böhmischen Gräfin in nicht ebenbürtiger Ehe vermählte.<br />

Die Ehe endete tragisch. Das tödliche Attentat<br />

auf das Ehepaar war das Signal zum Ausbrudi des ersten<br />

Weltkrieges, Die von der Thronfolge ausgeschlossenen<br />

Kinder aus dieser Ehe erhielten den Namen und Titel<br />

Herzoge und Herzoginnen von Hohenberg. Die zollerischen<br />

Grafen von Hohenberg waren sdion im 15. Jahrhundert<br />

ausgestorben. Ihren großen Landbesitz hatten sie<br />

schon vorher verkaufen müssen. Die Straße hat ihren heutigen.<br />

Namen erst seit dem Jahre 1934. Früher hieß sie<br />

„Pfarrgasse" oder „Pfarrhofgässe" nach dem alten Hediinger<br />

Pfarrhof. (heute Haus Dehner mit dem Elektrogeschaft<br />

Schweizer) bis zum Verkauf des Hauses im<br />

Jahre 1866. Jahrhundertelang wohnte hier der Stadtpfarrer<br />

mit den Kaplanen. In den 80er Jahren kam als<br />

neue Straßenbezeichnung der Name „Synagogenstraße"<br />

auf; Namengebend war die Synagoge. Ihr gegenüber trifft<br />

die Straße auf die Goldschmiedstraße auf. Die Umbenennung<br />

in Hohenbergerstraße gehörte zu den Maßnahmen<br />

der Arisierung,<br />

Personennamen aus dem Fürstenhaus tragen drei Hechinger<br />

Straßen, als älteste die „Friedrichstraße". Diese Bezeichnung<br />

wird in zweifachem Sinne gebraucht. Fürst<br />

Friedrich Ludwig gab sie der im Anschluß an den Kasernenbau<br />

nach 1730 von ihm geplanten und der bereits<br />

bestehenden Siedlung von Mühlen und Wirtschaften zu<br />

Ehren seines Vaters, des Fürsten Friedrich Wilhelm, Den<br />

gleichen Namen erhielt bei der Straßenbenennung des<br />

Jahres 1906 die den Vorort von der Starzelbrücfce in<br />

Riditung Martinsberg durchquerende frühere Verkehrsstraße.<br />

„Fürstin-Eugenie-Straße" heißt die neue Straße,<br />

die vom Kinderhausgarten stadtauswärts führt. Wie die<br />

von der Fürstin Eugenie gestifteten caritativen Einrichtungen<br />

Kinderhaus, Armenhaus (heute Altersheim) und<br />

Krankenhaus ist dieser Straßenname eine Erinnerung an<br />

die lejzte Landesmutter des Hechinger Fürstentums und<br />

unvergeßliche Wohltäterin von Stadt und Land. Der von


der bisher „Im Hofgarten" benannten Straße abzweigenden<br />

und hinter das Schlachthaus führenden Straße gab<br />

die Stadtvertretung im Jahre 1927 den Namen „Eitelfritzstraße".<br />

Diese Namengebung war wohl gut gemeint<br />

- man dachte dabei an die Lage der Straße in einem früheren<br />

herrschaftlichen Gelände -, aber schlecht überlegt.<br />

Den Namen Eltelfritz in einem Straßennamen festzuhalten<br />

war mehr als berechtigt, für ein solch ehrendes Gedenken<br />

hätte jedoch keine so unbedeutende Straße gewählt<br />

werden sollen. Den Namen Eitelfr :dr n trugen<br />

bedeutende Regentenpersör Haiieit en in der Hechinger<br />

Stadtgeschichte und in der Landesgeschichte: Graf Eitelfriedrich<br />

I., der Erneuerer der Grafschaft Zollern nach<br />

ihrem Niederbruch zu Beg' in des 15. Jahrhunderts, Graf<br />

Eitelfriedrich II., Freund und vertrauter Ratgeber des<br />

Kaisers Maximilian, des „letzten Ritters", Präsident des<br />

Reichskammergerichts, Reichserbkämmerer und Anführer<br />

eines Reichsheeres, Erbauer des alten Hechl ger Rathauses,<br />

dann Eitelfriedrich IV., der seine Residenz zu i 1er<br />

Pflegestätte der Musik machte, der Kloster und Kirche<br />

St. Luzen, das Pfründehospital mit Kirche und den Unteren<br />

Turm erbaute. Bemerkenswert sind auch der nichtregierende<br />

Graf Eitelfriedrich (IIL), kaiserl her Feldhauptmann<br />

in Italien, und der letzte Hechu ger Fürst dieses<br />

Namens, Eitelfriedricii IL, der w.- seih Land unter dem<br />

Dreißigjährigen Krieg schwer zu 1. i den hatte. Neuerdings<br />

ist die Straße „Im Hofgarten" und die oben genannte<br />

Abzweigung unter dem Namen „Eitelfritzstraße" zusammengefaßt.<br />

Die „Lindichstraße* führt zum fürstlichen Jagd- und<br />

Lustschloß Lindich. Nach dem Burgsitz der Stadtherren,<br />

der Burg Hohenzoiiern, ist d** „Zcllerstraße" benannt.<br />

Diese Bezeichnung konnte erst aufkommen, als im Zug des<br />

Wiederaufbaus als neue Zufahrt zur Burg d Straße vom<br />

Brielhof her gebaut war. Der frühere Name war Balingen<br />

Straße oder Bai iger Landstraße. Auf dem Platz des<br />

früheren Filialgebäudes der Hohenzolle- sehen Landesbank<br />

stand bis zum unüberlegten Abbruch In den Jahren<br />

1813 und 1814 das Stadtschloß der Zollern. Dieses stolze<br />

Eitelfriedrichschloß hat der „Schloßsiraße" ihren Namen<br />

gegeben. Seine im Viereck um Innenhöfe angelegte Gebäudemasse<br />

reichte bis über die Mitte des heutigen Straßenkörpers.<br />

Das bald nach dem Abbruch gebaute Neue<br />

Schloß, heute Landesbank, ließ einen weiten Vorplatz<br />

frei, was dazu führte, daß die Fortsetzung der Schloßstraße<br />

den Namen „Schloßplatz" erhielt. Auf der gegenüberliegenden<br />

Seite liegt ein früheres fürstliches Verwaltungsgebäude.<br />

Es war ei stmals Sitz der Kanzlei, der<br />

Schreibstnben für die oberen Verwaltungsbeamten des<br />

Fürstentums. Die Erinnerung daran hält die „Kam eistraße"<br />

fest, die Verbindung zwischen Schloßstraße und<br />

Rain. Aus der Kanzle i wurde spater das Alte Schloß und<br />

das Interimsrathaus. Der Name „Münzgasse" erinnert an<br />

das Münzrecht der Grafen und Fürsten von Hohenzollern,<br />

das ihnen als vom Kaiser verliehenes bedeutsames<br />

Regal, d. h. Privileg, zustand. Die Prägestätte stand in der<br />

heutigen Münzgasse. Sie gehörte zuletzt zum Komplex<br />

der Baruch'schen Fabrikbauten und wurde mit ihnen im<br />

Jahre 1938 abgebrochen. Die „Kasernenstraße" im Vorort<br />

Friedrichstraße ist eine Erinnerung an die Kaserne, die<br />

der damalige Erbprinz und spätere Fürst Friedrich Ludwig<br />

in den 30er Jahren des 18 Jahrhunderts für die fürstlichen<br />

Haustruppen errichten ließ. Nur kurze Zeit lieme<br />

das Gebäude als Kaserne. Es wurde bald anderen Zwecken<br />

zugefunrt und war lange Wohnhaus für arme Judenfamiiien,<br />

bis es 1878 durch Brandstiftung völlig abbrannte,<br />

Die „Stutenhofstraße" führt zum früheren Stutenhof,<br />

d. h. zu dem Rest, der nach einigen Bränden von<br />

dem alten herrschaftli hen Gutshof übrig geblie Jen ist. In<br />

seiner ersten Zei war es das Gestüt für den Grafen. Zu<br />

einer herrschaftlichen Hofhaltung gehörte ein mit Reitund<br />

Kutschpferden gut besetzter Marstall für den Herrn,<br />

sein Gefolge und seine berittenen Dienstmannen. Aufgabe<br />

des Stutenhofs war es, den Nachwuchs an Pferden zu<br />

züchten. In allen Höfen des Hochadels gab es solche Gestüte.<br />

Auf dem Platz eines solchen Gestüts steht die baden-württembergische<br />

Landeshauptstadt, deren Name<br />

Stuttgart auf den früheren Stutengarten h: .lweist.<br />

Zu einer Burg und zu einem Schloß gehört ein Garten.<br />

Der erste Hechinger Burggarten dürfte innerhalb der<br />

Ringmauer beim „Bürgle" angelegt worden sein, bei der<br />

Stadtburg der Zollergrafen. In diesem Garten pflanzten<br />

und pflegten dl^ Gräfinnen mit ihren Mägden Würz- und<br />

Heilkräuter wie auch Blumen. Es war der Frauengarten,<br />

so benannt nach der Frau des Grafen, der allein die Titulatur<br />

Frau zukam. Alle anderen verehelichten weiblichen<br />

Wesen waren nur „Weiber". In späteren Zeiten<br />

erhielt der Frauengarten durch Zukäufe eine große Ausdehnung<br />

und rei 'ite von der nach ihm benannten<br />

„Frauengartenstraße" den Feilbach hinab bis zur Starzel.<br />

Die in der Hechinger Stadtchronik enthaltene Vermutung,<br />

der Frauengarten sei das B« '.tztum der mit dem Fürsten<br />

Friedrich Wilhelm im Jahre 1710 morganatisch vermählten<br />

Freiin Maximiliane v. Lützow gewesen, ist nicht stichhaltig,<br />

da der Frauengarten schon früher in der Forsiordnung<br />

der gefürsteten Grafschaft Zollern vom Jahre<br />

1623 erwähnt wird. Als in der Zeit der Renaissance die<br />

höfische Kultur nach prunkvoller Entfaltung strebte, entstand<br />

in der Nähe des Stutenhofes eine weitläufige prächtige<br />

Gartenanlage, der Hofgarten, auch Lustgarten genannt,<br />

mit hübschem Gartenschlößlein und Pavillons. An<br />

diesen seil. 120 Jahren zu Baugrundstücken und Krautländern<br />

aufgeteilten Hofgarten erinnert die Straßenbezeichnung<br />

„Hofgartenstraße". An der drl :en herrschaftlichen<br />

Gartenanlage erfreuen wir uns noch heute, am Fürstengarten.<br />

Er dürftt n der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts<br />

angelegt worden sein, als der Fürst weit draußen<br />

vor der Stadt ein Sommerhaus erstellen ließ, den Mittelbau<br />

der heutigen Villa Eugenia. Von dem später erweiterten<br />

Garten hat die an se' em Rand nach dem letzten<br />

Krieg erbaute Straße „Am Fürstengarten" irren Namen.<br />

Einige Straßennamen deuten auf herrschaft 'che Be^tzverhältnisse.<br />

Die „Herrenackerstraße" zieht sich über die<br />

überbaute Flur Herrenacker, 1590 erwähnt als „unseres<br />

gnädigen Herrnackher". Bei den Bezeichnungen „Am<br />

Schloßberg", „Schloßackerweg" und „Burgackerstraße"<br />

darf man nicht an ein Schloß oder eine Burg denken, die<br />

früher einmal dort gestanden hätten, höchstens viel! iit<br />

beim Burgacker. Die dortigen Grundstücke dürften vielmehr<br />

Zubehör zu einer Burg, zum Schloß gewesen seir.<br />

Im Mittelalter zwang das damals noch herrschende System<br />

der Naturalwirtschaft dazu, alle öffentlichen Einrichtungen<br />

wie Burgen, K'rcnen, Klöster, Spitäler mit Grundstücken<br />

für den Lebensunterhalt auszustatten. Bei den<br />

Burgäckern oder Burgenäckern läßt sich dies allerdings<br />

urkund :h nicht belegen, da sie schon in den alten städtischen<br />

Lagerbüchern als Pr atbesitz beschrieben sind.<br />

Dagegen b)' ,:b der Schloßberg bis zu seiner Überbauung<br />

nach den beiden Weltkriegen im Besitz des Fürstenhauses<br />

Hohenzollern.<br />

Straßen heißen nach Personen<br />

Unseren Vorfahren lag es fern, Persönlichkeiten durch die<br />

Namengebung von Straßen zu ehren. Der Volksmund benannte<br />

Straßen nach Personen le I .glich m seltenen Fällen,<br />

wenn Träger dieses Namens 1 leT wohnten oder Grundbesitz<br />

hatten. Dafür gibt es ' I Rechingen zwei Beispiele.<br />

Jahrhundertealt ist der Name Ermelesgasse, heute „Erme-<br />

19


lessfräße". Sie war bis zur Jahrhundertwende nur ein<br />

Feldweg. Die Bezeichnungen „des Ermelins Garten" und<br />

„des Ermelins Gäßlein" in alten städtischen Grundbüchern<br />

deuten auf ein Besitzverhältnis. Der Personenname Ermelin<br />

ist die Verkleinerungsform von Ermin oder Irmin,<br />

eines altgermanischen Wortstammes, den wir u. a. in dem<br />

latinisierten Namen des Siegers im Teutoburger Wald Arminius<br />

und im heutigen Vornamen Irmgard finden. Die<br />

Ermelesstraße ist also ein Weg, an dem vor Jahrhunderten<br />

ein Hechinger Bürger namens Ermelin einen Garten<br />

besaß. Wenn die Egler-Ehrenberg'sche Chronik der Stadt<br />

Hechingen den Namen „Ärmelesgasse" von den armen<br />

Sündern ableitet, die einst durch diese Gasse zum Galgen<br />

auf der Höhe vor dem Fichtenwäldle geführt worden<br />

seien, so folgte sie damit einer phantasievollen Volksüberlieferung,<br />

die wie viele andere volksetymologische Deutungen<br />

nicht haltbar ist.<br />

Ähnlich ist der Name „Siebergasse" zu erklären. Das heutige<br />

Wohn- und Geschäftshaus von Malermeister Fritz<br />

Müller wurde im Jahre 1846 von dem fürstlichen Baumeister<br />

Sieber gebaut und blieb ein halbes Jahrhundert<br />

im Besitz dieser Familie. Hinter ihm dehnte sich bis zum<br />

früheren, heute überbauten Löwengarten der große Sieber'sche<br />

Garten, von dem ein großer Teil im ersten Jahrzehnt<br />

dieses Jahrhunderts überbaut wurde. Die ihn erschließende<br />

Straße erhielt nach der Besitzerfamilie des<br />

Gartens den Namen Siebergasse.<br />

Erst in den 20er Jahren dieses Jahrhunderts wurde es<br />

auch in Hechingen Mode, Straßen nach berühmten oder<br />

um die Stadt verdienten Persönlichkeiten zu benennen.<br />

Weltgeschichtliche Bedeutung hatte der General Friedrich<br />

Wilhelm von Steuben, dessen Name zwei Straßen in Hechingen<br />

tragen, die „Steubenstraße" und der „Steubenplatz".<br />

Steuben war der militärische Mitbegründer der<br />

Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Nordamerika.<br />

Als Retter vor der drohenden Niederlage nach Amerika<br />

gerufen, schuf er als Generalinspekteur und Lehrmeister<br />

der Unionsarmee das Instrument, mit dem die<br />

Amerikaner ihren Freiheitskrieg m : '. Erfolg zu Ende führen<br />

konnten. Mit Hechingen verbunden war Steuben<br />

durch seine Berufung als Hofmarschall des Fürsten Joseph<br />

Wilhelm von Hohenzollern-Hechingen, in dessen Diensten<br />

er von 1764-1777 stand.<br />

Die Namengebung „Ludwig-Egler-Straße" ist die verd'ente<br />

Ehrung der bedeutendsten Persönli nkeit der Heiditnger<br />

Bürgerschaft, des Schriftstellers und D' hters Ludwig<br />

Egler (geb. 1828, gest. 1898). Abgesehen von seinem<br />

zeitgebundenen Wirken im P enste vielfältiger öffentlicher<br />

Interessen hat Ludwig Egler ein großes publizistisches<br />

Werk hinterlassen, von dem die erste Fassung der<br />

Chronik der Stadt Hechingen, volkskundliche Schriften<br />

und mundartliche Gedichte von ble uendem Werte sind.<br />

Mit dem Namen „Frankstraße" wollte die Stadt Hechr.igen<br />

den Oberamtmann von 1854-1868 und Parlamentarier<br />

Fn 'nerrn Frank von Fürstenwerth ehren. Wilhelm<br />

von Frank hatte sich hier größter Beliebtheit erfreut, und<br />

fei maiig war nie ihm b"i seinem Abschied zuteil gewordene<br />

Ehrung. Die Stadt Hechingen und sämtliche Landgemeinden<br />

des damaligen Oberamts Hechingen verliehen<br />

ihm das Ehrenbürgerrecht. Der Straßenname ist zugleich<br />

eine Erinnerung an eine hervorragende Hecl iger Beamtenfamilie,<br />

die in vier Generationen die höchsten Regierungs-<br />

und Verwaltungsstellen : n ehemaligen Fürstentum<br />

Hohenzollern-Hechingen und späteren preußischen<br />

Oberamt Hechingen innehatte, angefangen von dem<br />

Kanzler Johann Daniel Marianus Frank bis zu dem<br />

Oberamtmann und späteren Sigmaringer Regierungspräsidenten<br />

Frh. Adolf v. Frank.<br />

Die jSüllfriedstraße* ist nadi einem preußischen Diplomaten<br />

und Geschichtsforscher benannt, den man als gei-<br />

20<br />

stigen Urheber des Wiederaufbaus der Burg Hohenzollern<br />

von 1850-1867 bezeichnen kann. Graf Rudolf Stillfried<br />

von Ratonitz, portugiesischer Grande mit dem Titel eines<br />

Grafen von Alcantara, hat auch sonst in der Geschichte<br />

Hohenzollerns eine Rolle gespielt. Als Berater des Königs<br />

Friedrich Wilhelm IV. war er Fürsprecher der Einverleibung<br />

beider hoh<strong>enzollerische</strong>n Fürstentümer in Preußen.<br />

Die Stadt Hechingen machte ihn zum Ehrenbürger ebenso<br />

wie den Wirkl. Geh. Oberjustizrat und Landgerichtspräsidenten<br />

August Evelt (geb. 1828, gest. 1904), nach dem<br />

die ,,Eveltstraße" benannt ist. Evelt war einer der ersten<br />

von Preußen nach Hechingen entsandten Beamten.<br />

D Aufzählung all seiner Verdienste um Stadt und Land<br />

im Zeitraum eines nahezu 50jährigen öffentlichen Wirkens<br />

würde einen breiten Raum einnehmen. In jahrelangem<br />

Ringen gegen württembergische Widerstände erreichte<br />

er die für Hohenzollern günstige Führung der Eisenbahnlinie<br />

Tübingen-Hechingen-Sigmaringen. An der Errichtung<br />

des Landgerichts Hechingen und der Schaffung eines<br />

eigenen Kommunalverbandes für Hohenzollern hatte er<br />

wesentlichen Anteil.<br />

Die „Gfrörerstraße" ist nach dem seinerzeit hochangesehenen<br />

und beliebten Hechinger praktischen Arzt, Leibarzt<br />

des letzten Fürstenpaares und Oberamtsphysikus<br />

Dr. med. Franz Gfrörer benannt. Sein Ruf als ausgezeichneter<br />

Arzt reichte weit über die Grenzen des Hechinger<br />

Bezirks.<br />

In der neueren Zeit ist man vielerorts dazu übergegangen,<br />

Straßen nach Persönlichkeiten zu benennen, die mit<br />

der betreffenden Gemeinde wenig oder gar nichts zu tun<br />

haben. In den Großstädten darf der Massenbedarf an<br />

Straßennamen als Entschuldigung gelten, meist handelt es<br />

sich aber um Verlegenheitslösungen, da den zuständigen<br />

Bürgermeistern und Gemeinderäten nichts Gescheiteres<br />

einfiel. In etlichen Städten kann man ganze Dichter-,<br />

Musiker-, Gelehrten- und Politikerviertel antreffen. Man<br />

täte jedoch gut daran, solche Ehrungen den großen Städten<br />

zu überlassen. Nicht jede Stadt muß eine Goethestraße<br />

oder eine Richard-Wagner-Straße haben. Auch in Hechingen<br />

nat man in den letzten Janren des in raschem<br />

Tempo vor sich gehenden Wohnungs- und Straßenbaus,<br />

als in jedem Jahr einige Neubenennungen von Straßen<br />

fällig waren, zu solchen beziehungslosen Namengebungen<br />

gegriffen. Seither haben wir in den Neubaugebieten<br />

Schloßberg und Kohibrunnen ein musisches Viertel, wir<br />

haben die „Schillerstraße", den „Uhlandweg", „MünkewegHülderlinweg",<br />

die „Goethestraße", den „Eichendorffweg",<br />

die „Justinus-Kerner-Straße", den „Wieiandweg"<br />

und „Lenauweg".<br />

Eduard Mörike, Dicnter, 1804—1875, Schüler der Kiosterschule in<br />

Urach, ev. Pfarrer in Cleversulzbach, Gymnasiallehrer in Stuttgart<br />

(„Das Stuttgarter Hutzelmännlein", „Mozart auf der Reise nach<br />

Prag", Lyrik).<br />

Friedrich Hölderlin, Dichter, 1770-1843, studierte Theologie, war<br />

Hauslehrer, verfiel in geistige Jmnachtnug, rang in Oden um eine<br />

Verschmelzung von Griechen-, Christen- und Deutschtum (Bildungsroman<br />

Hyperion).<br />

Am ehesten einen <strong>heimat</strong>lichen Bezug hat die in diese Namengruppe<br />

gehörende Bezeichnung »Lenauweg*. Zu den sc jnsten und ; ich bekanntesten<br />

Gedichten Lenajs zählt „Der Postillon" („Lieblich war<br />

die Maiennacht"), ein Gedicht, zu dem Lenau die Anregung auf einer<br />

Fahrt mit dem Postwagen durch Hechingen nadi Balingen anfangs der<br />

30er Jahre des vorigen Jahrhunderts erhielt, als ein Postillon bei<br />

Steinhofen vor dem alten Friedhof bei der Kirche anhielt, um dem<br />

dort ruhenden toten Kameraden sein Leiblied zu blasen. Von den<br />

übrigen, in Hechinger Straßennamen verewigten Dichtern haben Schiller,<br />

Mörike und Eichendorff vermutlich nichts von der Existenz der<br />

Stadt Hechingen gewußt, höchstens Hölderlin, der im Tübinger evangelischen<br />

Stift seine Ausbildung erhielt. Der in Tübingen lebende<br />

Dichter Ludwig Vhland, volkstümlicher Lyriker („Ich hatt' einen<br />

Kameraden", „Schäfers Sonntagslied", „Die Kapeile", „Des Sängers<br />

Fluch"), Schöpfer der deutschen historischen Ballade, z. B. „Bertran<br />

de Born" und „Schwäbische Kunde", einer der Begründer der Ger-


manistik und Haupt der „Schwäbischen Dichtersd.ule", als Politiker<br />

Vertreter des Liberalismus u. a. im Frankfurter Parlament 1848, Dramendichter<br />

und Rechtsanwalt. In der letzteren Eigenschaft hatte er<br />

auch in Hechingen Klienten.<br />

Goethe kam im Sommer 1797 auf einer Schweizer Reise durch Hechingen.<br />

Er erwähnt die Stadt in seinem Reisetagebuch. Gut begründet<br />

ist auch der Name „Silcherweg". Friedrich Silcher, der Erwecker und<br />

Meister des deutschen Volksliedes, wirkte in Tübingen in einer Zeit,<br />

in der am Fürstenhof Hechingen die Musik in Blüte stand, und im<br />

Jahre 1837 kam er mit seiner Liedertafel zu dem großen Musikfest<br />

nach Hechingen. Seinen Namen trägt das Sildier-Doppelquartett des<br />

Hechinger Sängerbundes zu Recht, läßt es doch oft die volkstümlichen<br />

Lieder Silchers erklingen.<br />

Die Justinus-Kerner-Straße wurde nach einem Dichter der schwäbischen<br />

Schule benannt (1786—1864), Verfasser gemütstiefer, oft mystischer<br />

Gedichte, dem Spiritismus zugetan („Die Seherin von Prevorst");<br />

Kerners Großvater stand in Hoeningen im fürstlichen Dienst.<br />

Der von der Schillerstraße abzweigende Wielandweg hat seinen<br />

Namen ebenfalls von einem schwäbischen Dichter, Christoph Martin<br />

Wieland (1733—1813), dem bedeutendsten Autor des deutschen Rokoko<br />

und Begründer der modernen deutschen erzählenden Prosa.<br />

Für das Baugelände „Zwölf jauchert" wurden für die<br />

dortigen drei Straßen als Bezeichnung Personennamen<br />

gewählt, von denen zwe Ertlich bezogen sind. Der Name<br />

Albert-Einstein-Straße" erinnert an die Hechinger Beziehungen<br />

des berühmten Physikers und Nobelpreisträgers<br />

Prof. Dr. Albert Einstein, der u. a. ui s Relativitätstheorie<br />

aufgestellt hat. Eine Fam: e Einstein, nahe Verwandte<br />

des Physikers, war in zwei Generationen Teilhaber<br />

der Hechinger Firma Buntweberei Baruch & Söhne<br />

(heute SBI). Mit der Familie des Hechinger Fabrikanten<br />

Rudolf Einstein bestand eine doppelte Verwandtschaft.<br />

Rudolf Einstein war ein Vetter des Vaters von Albert<br />

Einstein, seine Frau eine Tante des Professors. Von Bedeutung<br />

war es auch, daß der vermögende Rudolf Einstein<br />

das Studium Albert Einsteins finanzierte, der<br />

demnach mit Hechinger Geld studierte. Albert Einst-<br />

n verbrachte häufig seine Ferien in Hechingen im<br />

Hause Einstein in der Schloßstraße, oberhalb des Gasthofes<br />

zum „Mohren". In zweiter Ehe war Albert Einstein<br />

mit seiner Hechinger Cousine Elsa Einstein verheiratet.<br />

Ebenso wie Albert Ei istein hat auch der<br />

Physiker und Nobelpreisträger Professor Max Planck<br />

durch seine Quantentheorie das phy. kar sehe Weltb'ld<br />

verwandelt Nach ihm, dem Präsidenten der s inen Namen<br />

tragenden Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung<br />

der Wissenschaften, der früheren Kaiser-WuheJm-Geseilschaft,<br />

ist die „Max-Planck-Straße" in diesem Baugebiet<br />

benannt. Zwei wissenschaftliche Institute dieser Gesellschaft<br />

hatten nach der Verlagerung aus dem bombenbedrohten<br />

Berliner Stadtteil Dahlen ; n den letzten Kriegsund<br />

in den ersten Nachkr-egs jähren iiiren Sitz in Hech ngen,<br />

das Institut für Phy^'k und das Institut für biologie.<br />

In dieser Zeit war Heesingen eine Stätte wissenschaftlicher<br />

Forschung von Rang, in der weitbekannte Gelehrte<br />

w' r kten, die Nobelpreisträger und Physiker Professor<br />

Dr. Heisenberg und Professor Max von Laue, der Physiker<br />

und Philosoph Prof. Dr. Carl Friedrich von Weizsäcker,<br />

Inhaber des Friedenspreises des deutschen Buchhandels,<br />

der Zoologe Prof. Dr. Alfred Kühn, Ritter der<br />

Friedensklasse des Ordens pour le m£r'


Straße" den Namen, die „Schulstraße" in der Stadtmitte<br />

nach dem 1816 erbauten früheren städtischen Schulhaus,<br />

in dem bis 1929 die katholische Volksschule, zuletzt noch<br />

die Knabenschule und zeitweise auch andere Schulen untergebracht<br />

waren. Seit dem Auszug der Schule in das<br />

neue Schulhaus auf dem Schloßberg dient der Bau als<br />

städtisches Mietwohngebäude. Außer der Schulstraße gibt<br />

es noch den „Schulweg", den vom Kirchplatz zur Neustraße<br />

hinabführenden Fußweg. Um den Schulkindern<br />

Umwege zu ersparen, wurde er bald nach der Erbauung<br />

der Schloßbergschule als kürzeste Verbindung zwischen<br />

der Oberstadt und der neuen Schule geschaffen.<br />

Die „Kaufhausstraße" hieß früher Schrannenstraße und<br />

wurde nach der Schranne benannt, dem heutigen städtischen<br />

Schulgebäude. Mit Schrannen bezeichnete man früher<br />

den Fruchtmarkt, den zentralen Umschlagplatz für das<br />

Getreide. Bei der Straßenbenennung des Jahres 1906<br />

meinte man, der Name Schranne werde nicht mehr verstanden,<br />

und änderte ihn in Kaufhausstraße um. Da man<br />

sich heute unter einem Kaufhaus etwas anderes vorstellt<br />

als einen früheren Fruchtmarkt, wäre es besser gewesen,<br />

den alten treffenden Namen zu belassen. An der „Hospitalstraße"<br />

liegen das Eitelfriedrich-Pfründehospital und<br />

die dazugehörige Kirche. Der „Spittel" ist die älteste erhalten<br />

gebliebene soziale Stiftung in Hechingen. Graf<br />

Eitelfriedrich IV. und seine Gemahlin Johanna geb. Gräfin<br />

von Eberstein errichteten das Hospital kurz nach 1600<br />

als Altersheim für die Grafschaft, vorzugsweise für alte<br />

Diener und Dienerinnen der Herrschaft. In der gleichen<br />

Straße liegt das 1889/91 erbaute, 1935/36 erweiterte und<br />

seither mehrmals umgebaute, modernisierte und durch<br />

Neubauten bereicherte städtische Schlachthaus. Neben ihm<br />

zweigt eine bisher „Schlachthausstraße" genannte Straße<br />

ab. Diese Bezeichnung ist neuerdings weggefallen. Die an<br />

ihr gelegenen Gebäude gehören jetzt zur Hospitalstraße.<br />

Die „Gutleuthausstraße" hat ihren Namen von dem Gutleuthaus<br />

auf dem Platz der heutigen Wirtschaft zum<br />

„Klösterle". Gutleuthäuser, auch Siechenhäuser oder Leprosenhäuser<br />

genannt, hießen im Mittelalter die außerhalb<br />

der Städte errichteten Gebäude, in denen man o ».<br />

an ansteckenden Krankheiten Leidenden, insbesondere<br />

d: i Aussätzigen, . ioiierte. E : heute noch im Orient, in<br />

Afrika und auf Inseln des Pazifischen Ozeans vorkommende<br />

furchtbare Krankheit war früher auch in Europa<br />

Jahrhunderte lang eine WL.I verbre." 5te Volksseuche, gegen<br />

die es nur ein Mittel gab, den Schutz der Gesunden<br />

vor einer Ansteckung durch strenge Absonderung der vom<br />

Aussatz Befallenen und ihren Ausschluß aus der menschlichen<br />

Gesellschaft. In Hütten, später eigens erbauten<br />

Häusern auf freiem Feid, mußten die Unglücklicher ihr<br />

Leben verbringen. Wie die Merian'sche Stadtansicht zeigt,<br />

lag damals das Gutleuthaus mitten in Feldern. Eine ausgebreitete<br />

Wohltätigkek mit zuwehen reichen Stiftungen<br />

sorgte in Hechingen für die armen, die „guten" Leute,<br />

denen man sich, wenn auch äußerlich getrennt, gefühlsmäßig<br />

verbunden fühlte. Man tat vieles, um ihnen ihr<br />

schreckliches Los zu erleichtern. Aus nötiger Entfernung<br />

erteilten ihnen dL: Geis .liehen den Segen. Als es später<br />

gelungen war, durch strengste A'bsperrmaßnanmen der<br />

Seuche Herr zu werden, diente das Gutleuthaus in Hechingen<br />

als Heim für arme alte und gebreck liehe Leute.<br />

In dem aufgebauten oberen Stockwerk f chtete d 1 rSfStinwitwe<br />

Maria Theresia im Jahre 1799 ein Krankenspital<br />

ein. Mehr als sechs Jahrzehnte war das ehemt _ge Gutleuthaus<br />

Pflegeheim für Kranke, bis im Jahre 1863 dank<br />

einer großen testamentarischen Zuwendung der Fürstin<br />

Eugen-; die Spi;alstiftung das bisherige Badgebäude in<br />

der Herrenackerstraße ankaufen und dort das heutige<br />

Hechinger Krankenhaus einrichten konnte. Ein Jahr<br />

wohnten zwei Kapuziner-Patres und zwei Laienbrüder<br />

22<br />

im bisherigen Spital, zogen aber wieder ab, da ihnen die<br />

Räumlichkeiten nicht genügten. Das Gebäude ging dann<br />

in Privatbesitz über und ist seither Wirtschaft.<br />

Die am „Klösterle" beginnende, mehrfach gewundene<br />

Straße endet am Bundesbahnhof und heißt nach ihm<br />

„BahnhofStraße". Dieses auf er<strong>höh</strong>tem Platz vor dem Abhang<br />

des Schrofens liegende Bahnhofsgebäude hat im<br />

Jahre 1869 als Station der damaligen Württembergischen<br />

Staatseisenbahn seinen Dienst angetreten. Die auf dem<br />

Gelände des Bundesbahnhofs stehenden Gebäude haben<br />

die Bezeichnung „Bundesbahnhof". Die Bahnhofstraße<br />

berührt noch einen weiteren Bahnhof, den am Fuße des<br />

Schrofenhanges erbauten Landesbahnhof, der bei der Inbetriebnahme<br />

der Killertalbahn Burladingen-Hechingen<br />

der Hoh<strong>enzollerische</strong>n Landesbahn erstmals im März 1901<br />

seine Schalter öffnete.<br />

Gewerbe und Wirtschaften in Straßennamen<br />

Umschlossen von zwei Wegen, der „Oberen" und „Unteren<br />

Mühlstraße", wird die Stadtmühle. Sie ist das älteste,<br />

heute noch bestehende, gewerbliche Unternehmen<br />

der Stadt. Vor Jahrhunderten wurde an dieser Stelle im<br />

Zusammenhang mit der Anlage des Mühlkanals eine<br />

Mühle erbaut. Das Teilstück der Schlatter Straße jenseits der<br />

Bundesstraße heißt neuerdings Walkenmühleweg nach der<br />

Walkenmühle, zu der er führt. In der früher fürstlichen<br />

Walkenmühle wurde das Tuch „gewalkt". Später ging<br />

die Walkenmühle in Privatei- entum über und wird heute<br />

als Getreidemühle und Sägewerk betrieben. Woher die<br />

„Goldschmiedstraße" an der Ostseite des alten Stadtkerns<br />

ihren Namen hat, ist nicht eindeutig festzustellen. Vermutlich<br />

stand an dieser Straße früher die Werkstätte eines<br />

Goldschmieds. In keinem der alten Handwerkerverzeichnisse<br />

der Stadt fehlt ein Goldschmied, und da Hechingen<br />

lange Zeit Residenz war, dürfte es dem Hechinger Goldschmiedemeister<br />

nicht an Arbeit gefehlt haben. Dagegen<br />

wissen wir die Stelle der früheren Schmiede, mundartlich<br />

„Schmidte" genannt, die der „Schmidtestraße" den Namen<br />

gegeben hat. Auf dem Platz des längst abgebrochenen<br />

Gebäudes steht heute das Haus Schmidtestraße 5. Mit<br />

Recht trägt die „Gutenberggasse* den Namen des Erfinders<br />

des Buchdrucks. Ein später durch ßrand vernichtetes<br />

Gebäude in dieser schmalen Gasse war von 1829 an<br />

Druckort der ersten Hechinger Ze : ing in ihren Anfangsjahren.<br />

Der vor 1400 in Mainz geborene Johannes Gensfleisch,<br />

genannt Gutenberg, erfand den Druck mit beweglichen<br />

Lettern. Als erstes großes Werk der neuen Kunst<br />

druckte er die nach ihm benannte 42ze.üge lateinische<br />

Bibel. Der Name „Lindengäßle" ist wie das Wirtsschild<br />

am Verlagsgebäude der „Hoh<strong>enzollerische</strong>n Zeitung" eine<br />

Erinnerung an die im Jahre 1967 abgebrochene alte Hechinger<br />

Gaststätte, das Hotel „Linde-Post". Nahezu zweieinhalb<br />

Jahrhunderte L s zum zweiten Weltkrieg ist hier<br />

gewirtet worden. Nahe dem Bahnhofhotel „Löwen"<br />

mündet die „Löwenstraße" in die Bahnhof Straße ein.<br />

Dieses einzige Hotel in der Unterstadt ist 1927/28 in dem<br />

früheren großen Garten des Nachbarhauses, des alten<br />

„Löwen", erbaut worden. Das Hotel übernahm den Namen<br />

der alten Wirtschaft, in der seit der Mitte des 18. Jahrhunderts<br />

ausgeschenkt wurde. „Silberburg" I"eßen zwei<br />

frühere Hechinger Wirtschaften, c : heute als Wohnhäuser<br />

dienen. In beiden ist nur wenige Jahrzehnte gewirtet<br />

worden. Nach der jüngeren Silberburgwirtschaft wurde<br />

die „Silberburgstraße" benannt, die ihr gegenüber in die<br />

Zollerstraße einmündet. Nur in den Jahren von 1851-<br />

1876 war ,,s' Carry's Haas" - so genannt nach dem Erbauer<br />

Kaspar Carry - eine Gaststätte. Es gab aber noch<br />

eine ältere „Silberburg". Di zweite und ältere Wirtschaft<br />

dieses Namens stand am Saum des Fürstengartens, der


früher nur bis zum Schattengang reichte. Als in den<br />

40er Jahren des vorigen Jahrhunderts Fürst Friedrich<br />

Wilhelm Constantin seinen Garten stadtauswärts vergrößern<br />

wollte, erwarb er von der Gastwirtsfamilie<br />

Oesterle die Wirtschaft samt dem dazugehörigen großen<br />

Garten und baute das Haus zu einem stattlichen Wohngebäude<br />

um, das später fürstlichen und anderen Beamten<br />

als Wohnung diente. Seitdem im Jahre 1949 Prinz Franz<br />

Joseph von Hohenzollern-Emden mit seiner Familie in<br />

die Villa Silberburg übersiedelte, wohnen erstmals nach<br />

100 Jahren Angehörige des Fürstenhauses Hohenzollern<br />

_n Hechingen. Der „Bierweg" hat seinen Namen vom Bier,<br />

das früher auf ihm gefahren wurde. Am oberen Ende des<br />

Zwi igels zweigt das Sträßchen von der Neustraße ab<br />

und windet sich um das Neue Schloß herum. In seiner<br />

heutigen Form wurde der ü'erweg erst angelegt, als die<br />

St. Luzen-Brauerei den früheren Schloßkeller in Benützung<br />

nahm und ihr nunmehriger Bierkeller einer guten<br />

Zufahrt bedurfte.<br />

Krieg und Politik in Straßennamen<br />

Die an die erste Schloßbergschule locker anschließende,<br />

in den Jahren 1937 und 1938 erbaute Wohnsiedlung war<br />

als Dank an die Kriegsopfer gedacht und für Bewohner<br />

aus diesem Personenkreis bestimmt. Als Namengeber der<br />

beiden, die Siedlung erschließenden Straßen boten sich<br />

die Gegenden von Schlachten des ersten Weltkrieges an,<br />

in denen hoh<strong>enzollerische</strong> Soldaten in besonders großer<br />

Zahl mitgekämpft und hohe Blutopfer gebracht hatten.<br />

Man wählte die jahrelang umkämpfte Landschaft Masuren<br />

in Ostpreußen und das Dorf Fricourt in Frankreich,<br />

Brennpunkt eines verlustreichen Ringens in der Sommeschlacht<br />

des Jahres 1916. Das ist die Erklärung für die<br />

Namen „Masurenweg" und „Fricourtweg".<br />

Der Anschluß Oesterreichs an das Deutsche Reich im Jahre<br />

1938 war ein Ereignis, das die Herzen bewegte. Im Hochgefühl<br />

der Freude gab man damals zwei Straßen auf der<br />

früheren Stetteiier Lichtnau, die im Jahr zuvor zu Heesingen<br />

gekommen war, die Namen „Wiener Straße" und<br />

„Kärntner Straße". Der Anschluß war nur von kurzer<br />

Dauer, und als heutiee Sinngebung dieser Straßenbenennung<br />

ble"-t nur die Verbundenhe von Deutschland und<br />

Oesterreich durch aie gleiche Spracne, die gleiche Kultur<br />

und eine jahrhundertelange gemeinsame Geschichte. Der<br />

Wunsch, einer gleichen Verbundenheit Ausdruck zu verleihen,<br />

war neben der nachbarschaftliciien Lage wohl auch<br />

der Beweggrund für die Namengebung „Bozener Straße",<br />

der Fortsetzung der Silberburgstraße auf der anderen<br />

Seite der Heiligkreuzstraße. Bis zum Jahr 1969 waren<br />

drei Hechin^er Straßen nach der Nachbargemeinde Stetten<br />

benannt, die dorthin führende Stettener Straße und die<br />

in sie einmündende Stettener Halde, die beide ihre Namen<br />

behielten, und der Stettener Weg auf der Höhe des Firstrückens<br />

bei der Heiligkreuzstraße. Dieser Weg liegt auf<br />

dem früher zu Stetten gehörenden Markungsteil „Stettener<br />

Lichtnau", der im Jahre 1937 im Zuge eines Geländeaustausches<br />

zu Hechingen kam. Der Name „Stettener<br />

Weg" sollte die Erinnerung an dieses gemeindepolitisch<br />

bedeutsame Ereignis festhalten. Indes ersenien es dem Gemeinderat<br />

als ungünstig, drei Straßenbezeichnungen nach<br />

Stetten zu belassen. Er taufte den Stettener Weg in Bregenzer<br />

Weg um, in Anlehnung an die unweit gelegenen<br />

Straßen, die nach Wien, Kärnten, dem Sudetenland, Prag<br />

und Bozen benannt sind.<br />

Die GebäudegiUppen an der „Oelser Straße" sind auf dem<br />

Gewann Eseläcker erbaut worden. Die an und für sich<br />

gegebene Übertragung des Flurnamens auf Ce Straße<br />

hätte bei den Bewohnern vermutlich keine freudigen Gefühle<br />

ausgelöst, was wohl der Grund war, daß man davon<br />

absah. Die Straße erhielt ihren Namen nach der heute im<br />

polnischen Machtbereich liegenden niederschlesischen Stadt<br />

Oels, für die Hechingen im Jahre 1953 die Patenschaft<br />

übernahm. In dem stattlichen Renaissance-Schloß in Oels,<br />

einst Besitztum des jeweiligen preußischen Kronprinzen,<br />

wohnte der letzte deutsche Kronprinz Wilhelm, der seine<br />

letzten Lebensjahre in Hechingen verbrachte. Dies war<br />

mit ein Grund für die Patenschaft.<br />

Der Sport in Straßennamen<br />

Der „Kegeltorweg" führt vom Unteren Turm (früher<br />

durch ein kleines Tor hindurch) den steilen Hang schräg<br />

abwärts ins Tal, wo vor Jahrhunderten nahe der Schützenwirtschaft<br />

eine der beiden städtischen Kegelbahnen<br />

stand. Vom Törle an seinem Beginn und der Kegelbahn<br />

an seinem Ende hat der Weg seinen Namen. Das Kegelspiel<br />

war einst das Lieblingsvergnügen der Hechinger<br />

Bürgerschaft und gleich dem Schießen mit Armbrust und<br />

Kugelbüchse ein Volkssport. An eine zeitweilige Schießanlage<br />

erinnert die „Schützenstraße" im Vorort Friedrichstraße.<br />

Sie verläuft in Richtung auf das Gelände, auf dem<br />

die im Jahre 1887 gegründete Schützengilde ihre Schießbahnen<br />

mit dem Schützenhaus errichtete. Die ganze Anlage<br />

mußte nach wenigen Jahrzehnten dem Bau der Hoh<strong>enzollerische</strong>n<br />

Landesbahn und dem Gaswerk weichen.<br />

Neustraße und Rabengasse<br />

Nicht in Gruppen einzureihen sind die Beze: hnungen<br />

Neustraße und Rabengasse. Die „Neustraße" ist heute<br />

keine neue Straße mehr, hat vielmehr schon mehr als<br />

hundert Jahre auf dem Buckel. Bei der Namengebung hat<br />

man sich nicht in geistige Unkosten gestürzt und beließ<br />

es bei der im Bauausschrieb genannten Bezeichnung neue<br />

Straße, was später in Neustraße umgewandelt wurde.<br />

Seither sind ganze Stadtteile neu entstanden, und die<br />

Neustraße zählt schon zu den alten Straßen. Beispiel<br />

ähnlicher Namengebung ist t le Brücke in Paris, der Pont<br />

Neuf = neue Brücke, aie in Wirklichkeit zu den ältesten<br />

Brücken der Seinestadt gehört und ein Alter von mehr<br />

als einem halben Jahrtausend aufweist. Von der Seite der<br />

Zweckbestimmung der Straße aus gesehen, hat der Name<br />

Neustraße auch heute noch seine Berechtigung. Der der<br />

Straße zugrunde liegende Verkehrsgedanke war damals<br />

neu, der Gedanke der Umgehung. Von der Schweizer<br />

Straße abgesehen, ist d Neustraße die erste Umgehungsstraße<br />

in Hechingen. Vor ihrer Erbauung ; ng der Durchgangsverkehr<br />

mitten durch d e Stadt hindurch, über den<br />

Schrofen steil herab über die Bahnhof- und Herrenackerstraße<br />

und die Staig und Schloßstraße herauf, was begreiflicherweise<br />

auf die Dauer untragbar war.<br />

Für die Rabengasse" hat sich im Volksmund heute noch<br />

Sie Bezeichnung Krappengass erhalten, was nahezu gleichbedeutend<br />

ist. „Krapp" ist die mundartliche Bezeichnung<br />

für Vögel, _ e der Familie der Raben angehören. Es frag'<br />

sich nun, aus welchem Grunde die Raben namengebend<br />

für d ; Gasse geworden sind. Es ist eine Frage, die nicht<br />

schlüssig beantwortet werden kann. Rabenvögel, wozu<br />

die Krähen und der heute in Deutschland fast ausgestorbene<br />

Kolkrabe gehören, gab es früher in viel größerer<br />

Zahl als jetzt. Mit Vorliebe nisteten sie im Gemäuer. Da<br />

di; Rabengasse im Zuge der Stadtmauer liegt und es hier<br />

auch nicht an Türmen fehlt, hat vielleicht das stän^'ge<br />

Geflatter der Rabenvögel der Gasse den Namen gegeben.<br />

Straßen beißen nach Gime' den<br />

Im Hechinger Straßenverzeichnis erscheinen auch Namen<br />

von Gemeinden. Die Anlässe der Benennung sind nicht die<br />

gleichen. Nach Städten und Landgemeinden, in denen<br />

23


Richtung sie führen, heißen die „Alte" und „Neue Rottenburger<br />

Straße", die „Tübinger Straße", die „Haigerlocher<br />

Straße", die „Schlutter Straße" und die „Stettener<br />

Straße" sowie die „Weilheimer Straße". Bei der Namengebung<br />

„Sigmaringer Straße" stand daneben noch der<br />

Wunsch Pate, die Verbundenheit mit der hohenzollerisdien<br />

Schwesterstadt zu bezeugen. Für diese schöne Geste<br />

hat sich Sigmaringen bis jetzt nicht revanchiert. Die Straße<br />

„Stettener Halde" liegt in einem Neubaugebiet jüngsten<br />

Datums. Eine Halde senkt sich dort an der Gemarkungsgrenze<br />

Stetten-Hechingen zum Tal des Reichenbachs hinab.<br />

Die Bezeichnung von Ausfallstraßen ist sehr zweckmäßig,<br />

erleichtert sie doch Durchreisenden die Orientierung.<br />

Hechinger Straßen in anderen Gemeinden<br />

Ebenso wie man in Hechingen Straßen nach Gemeinden<br />

benannte, in deren Richtung sie führen, haben es auch<br />

andere Gemeinden gehalten. Hechinger Straßen gibt es in<br />

Tübingen, Rottenburg, Hirrlingen, Bodelshausen, in einem<br />

Stuttgarter Vorort, in Haigerloch, Balingen, Tailfingen,<br />

Gomaringen, Burladingen, Ofterdingen, Hausen i. K.,<br />

Stetten b. Hechingen, Stein, Ste.nhofen und Gammertingen.<br />

Andere untergegangene Straßennamen<br />

In den vorangegangenen Ausführungen sind bereits Straßennamen<br />

genannt worden, die durch andere ersetzt wurden.<br />

Weitere verdienen Erwähnung. In den alten städtischen<br />

Grundbüchern erscheint die Goldschmiedstraße unter<br />

dem Namen Hintere Gasse nach ihrer talabgewandten<br />

Lage auf dem dem Schloß entgegengesetzten Stadthügel.<br />

Später kam für sie der Name Judengasse auf. Im Gegensatz<br />

zu anderen Städten, wie zum Beispiel Haigerloch,<br />

wohnten in Hechingen - mit Ausnahme der Friedrichstraße<br />

- die Juden nicht in ihnen zugewiesenen Stadtteilen<br />

abgesondert von der übrigen Einwohnerschaft.<br />

Einige Stadtteile waren jedoch von ihnen bevorzugt, so<br />

die heutige Goldschmiedstraße, deren Wohnhäuser in ihrer<br />

Mehrzahl jüdische Bewohner hatten. Von der Neustraße<br />

zieht sich eine Straße in die Talsenke des Feilbachs hinab.<br />

Sie hieß früher Feilbachstraße. Neuerdings ist sie in die<br />

Weilheimer Straße einbezogen worden.<br />

Vorschläge für künftige Straßenbenennungen<br />

Berliner Straße<br />

Berlin war die ehemalige Hauptstadt des Königreichs und<br />

späteren Freistaates Preußen, zu dem Hohenzollern und<br />

damit auch die Stadt HecF igen nahezu ein Jahrhundert<br />

gehörte, seit 1871 auch die Hauptstadt des Deutschen<br />

Reiches. Die Stadt hat auch eine eminent poli sehe Bedeutung<br />

im geteilten Deutschland. Ihr Status wird von<br />

der Bundesrepublik Deutschland und von der Sowjetunion<br />

mitsamt der DDR verschieden interpretiert. Berlin verkörpert<br />

heute ein Stück deutsches Sdiicksal. In der freien<br />

Welt gilt die Stadt als ein Symbol des Widerstands gegen<br />

die Pläne des Ostblocks, seine Machtsphäre auszuweiten.<br />

Auch hat der Mauerbau den Namen der Stadt überall in<br />

der Welt bekannt gemacht.<br />

Benennungen nach Angehörigen der früheren<br />

Judengeme de<br />

Im Zuge der „Arisierung" hat die Stadt Hechingen die<br />

BeTden Straßennamen Synagogenstraße und Auerbachstraße<br />

im Jahre 1933 zwangsläufig abgeschafft. Berthoid<br />

Auerbach (Schriftsteller, 1812-72, Vorkämpfer der Judeneman:<br />

ipation, errang Mit- s-inen „Schwarzwälder<br />

24<br />

Dorfgeschichten" und dem gefühlsbetonten Roman „Barfüßele"<br />

großen Erfolg) hatte in Hechingen €ie Talmudschule<br />

besucht. Die 1933 eingeführten neuen Straßenbezeichnungen<br />

leben so sehr im Bewußtsein der Einwohnerschaft,<br />

daß es keinen Sinn hätte, sie wieder zugunsten<br />

der alten Namen zu ersetzen. Indes ist die Stadt Hechingen<br />

der früheren Judengemeinde, d. h. der Israelitischen<br />

Kultusgemeinde Hechingen, eine Restitution schuldig. Die<br />

Hechinger Juden haben im öffentlichen und wirtschaftlichen<br />

Leben der Stadt eine positive Rolle gespielt, die<br />

Industrie in Hechingen eingeführt und zur Blüte gebracht.<br />

Sie gründeten Unternehmen der Weberei, Trikotwarenfabrikation<br />

und Schuhwarenherstellung in einer Zeit, ip<br />

der die übrige Einwohnerschaft in kleinbürgerlichem Denken<br />

verhaftet blieb und die Möglichkeit der neu aufkommenden<br />

Industrie nicht zu nutzen verstand. Auch traten<br />

die Juden in vielfältiger Weise als Aktive und Förderer<br />

des kulturellen Lebens der Stadt wie der Vereine in Erscheinung.<br />

Paul-Levi-Stra ße<br />

Paul Levi, gebürtiger Hechinger, Rechtsanwalt und Politiker,<br />

war einer der führenden deutschen Sozialisten, nach<br />

dem ersten Weltkrieg anfangs Spartakist und Kommunist<br />

und zuletzt leidenschaftlicher Gegner der von Moskau<br />

gesteuerten Kommunistischen Partei Deutschlands, zu seiner<br />

Zeit der bekannteste Hechinger in Deutschland wie<br />

in weiten Teilen der Welt, so in Rußland und Amerika.<br />

Seinen Namen kannte man in vielen Ländern.<br />

Rudolf-Levi-Stra ße<br />

Rudolf Levi, Fabrikant und Teilhaber der Firma<br />

J. Levi & Co., war eine der angesehensten Persönlichkeiten<br />

der Stadt. Er erwarb sich Verdienste durch seinen<br />

Einsatz für öffentliche Interessen als Vorsitzender der<br />

Landesstelle Hohenzollern der Industrie- und Handelskammer<br />

Frankfurt a. M., Vorsitzender des Kaufmännischen<br />

Vereins Hechingen, der einzigen Berufsvertretung<br />

dieser Art in Hohenzollern, als Mitglied der Hechinger<br />

Gemeindevertretung, des Kreistags und des Kreisausschusses.<br />

Sein Auftreten in diesen Gremien war immer<br />

Inbegriff friedlicher Zusammenarbeit in parlamentarischen<br />

Formen. Er war ein Mann des Ausgleichs. Auch die Förderung<br />

de; musikali,' hen Lebens lag ihm am Herzen.<br />

Er gehörte zu den Gründern des Konzertbundes, einer<br />

kleinen Gruppe von Hechingei Musikmäzenen, die Konzerte<br />

hervorragender Solisten und Quartette im Museum<br />

ermöglichten und für diesen Zweck einen Konzertflügel<br />

anschafften. Rudolf Levi wurde ein Opfer der Judenverfolgung.<br />

Der Hochbetagte starb nach der Deportation in<br />

dem berüchtigten Konzentrationslager Theresienstadt.<br />

Römerweg<br />

An der Markungsgrenze gegen Weilheim stand am Rande<br />

des Waldes Säuweiherle ein römischer Gutshof.<br />

Alemannenweg<br />

Hechingen ist c ne aleman: sehe S =dlung.<br />

Kajetan-Koller-Straße<br />

Für die von der Weilheimer Straße 2um Kieiskrankenhaus<br />

abzweigende Straße und ihre pr< ,ektierte Fortsetzung<br />

wäre bei der Benennung der Name eines Mediziners<br />

angebracht. Es i t jedoch nicht notwenr 1 ' 5, dafür<br />

nach einem Me ' : ner zu suchen, der keinerlei Bez. Hungen<br />

zu Hechingen hat. Die Stadt Hechingen hatte einen<br />

Arzt, der die Ehrung durch ei e Straßenbenennung ver-


dient: Dr. Kajetan Koller. Er entdeckte 1835 westlich<br />

der Landstraße nach Tübingen die von ihm „Friedrichsquelle"<br />

und „Konstantinquelle" benannten Schwefelbrunnen<br />

und erbaute zu ihrer Anwendung in der Herrenackerstraße<br />

das Kurheim Schwefelbad, das 1836 eröffnet<br />

wurde. Seither bis auf die heutige Zeit dient das Gebäude<br />

volksgesundheitlichen und sozialen Zwecken, nach der<br />

Schließung des Schwefelbads als Krankenhaus und neuerdings<br />

zusätzlich als Alten- und Alterspflegeheim. Auch<br />

sonst war Medizinalrat Dr. Koller eine der führenden<br />

Persönlichkeiten der Stadt, ein hochangesehener Bürger,<br />

Förderer vieler öffentlicher Bestrebungen, Mitg :d des<br />

Parlaments des Fürstentums. Er starb am 23. Juli 1872.<br />

In dem Nachruf, den die Zeitung ihm widmete, sind seine<br />

vielen Verdienste genannt.<br />

* *<br />

*<br />

Ein Ort Hildingen bei Gauselfingen?<br />

Im Findbuch der johanniterurkunden des Stuttgarter<br />

Hauptstaatsarchivs findet sich in Bd. II, S. 931 eine<br />

schlechte Abschrift einer knappen lateinischen Inhaltsangabe<br />

einer sonst nicht bekannten Urkunde des Rottweiler<br />

Johanniterhauses:<br />

„1306 März 28: Die Meisterin und der Konvent der<br />

Klosterfrauen von »Bassele« übertragen den Platz im<br />

Dorfe Gosselfingen (Gauselfingen), auf dem Wipert, genannt<br />

Cleffere (PKieffer?) sein Haus stehen hat, zusammen<br />

mit einem Wiesenstück am Steg neben (N.) von<br />

Moresbach, an den genannten Wipert, seine Gattin Agnes<br />

und deren Erben als ewiges E^entum gegen einen Geldzins<br />

(Pdenariato) aus einer Wiese, die im Banne Gauselfingen<br />

an dem Orte (loco) liegt, der Hildingen heißt."<br />

Der Zins muß später an die Johanniter von Rottw? 1 gekommen<br />

sein. Ausgehend von den Tatsachen, daß Gosselfingen<br />

zweifelsfrei unser Gausei igen meint, in dem laut<br />

unten folgender Urkunde nie Johanniter Besitzungen hatten,<br />

und daß in Gauselfingen vor allem das benachbarte<br />

Frauenkloster unter einer Meisterin (nach 1300 dann<br />

Priorin) begütert war, das einst Berg, später Marl-berg<br />

hieß möchte man das unbekannte „Bassele" als Lesefehler<br />

des Kopisten ansehen und darunter (Maria) Berg<br />

verstehen. Ein Hildingen im Geoiet von Gauselfingen ist<br />

freilich nicht bekannt, aber auf dem Südrand der Gemarkung<br />

Östlich der Fehla an der Straße nach Neufra bei<br />

einem alten Keller ist ein „Weiler" abgegangen, der von<br />

Ed. Bercker von 1468 bis 1581 ohne Namen urkundlich<br />

nachgewiesen ist \ Es liegt nahe, in ihm ein abgegangenes<br />

Hildingen zu vermuten, falls der Name nicht ebenfalls<br />

verstümmelt ist.<br />

Im gleichen Findbuch II, S. 1074 wird der Inhalt einer<br />

weiteren Urkunde gegeben: „1335 Jun_ 23: E'.e Brüder<br />

Johannes und Heinrich Spät verzichten gegenüber dem<br />

Villinger Johanniterkomtur jerg von L'echtenstein auf<br />

die Ansprüche an drei Schilling Heller Jahreszins aus<br />

einem Hof zu Gosselfingen (Gauselfingen), der zum Hof<br />

und Gotteshaus Jungental gehört."<br />

jungentai st als ehems iger Johanniterbes 1 z westlich von<br />

Starzein im Killertal abgegangen. Der Hof wurde im<br />

Jahre 1605 an den Zollergrafen verkauft'. Hierbei ist<br />

jedoch vom Hof zu Gauselfingen keine Rede mehr.<br />

Joh. Ad. Kraus<br />

Anmerkungen:<br />

1 Hohz. JHeft 1956 S. 110-124 und 1962 S. 61-88.<br />

2 Ed. Bercker, Die Kirchenpatrozinien im Kreis Sigmaringen, 1967.<br />

S. 103.<br />

» Zoller<strong>heimat</strong> 1941, S. 13-16.<br />

"Widerstand im Kloster Stetten gegen Reform<br />

und Klausur<br />

Wenn in der Anmerkung zur Urkunde 545 des Klosters<br />

Gnadental-Stetten 1 gesagt wurde, von Widerstand gegen<br />

die Reform, Observanz und den Beschluß (Klausur) des<br />

Klosters von 1507 lasse sich in Stetten nichts feststellen,<br />

so müssen wir dies aufgrund eines freundlichen Hinweises<br />

des H. H. Univ. Professors Dr. H. Tüchle in München-<br />

Gröbenzell berichtigen. Er fand nämlich unter den Briefen<br />

des Klosters Gnadental an den Basler Bischof Christopherus,<br />

die heute im alten bischöflichen Archiv zu<br />

Porrentruy (Purntrut) aufbewahrt werden, einen Brief<br />

aus unserem hoh<strong>enzollerische</strong>n Gnadental-Stetten folgenden<br />

Inhalts:<br />

1513 Febr. 27. „Hochwürdigster Fürst, gnädiger Herr!<br />

Eure fürstl. Gnade sei mit dem armen Gebet demütiger<br />

Kinder. In unserem Kloster war vor der Observanz [von<br />

1507] die Gewohnneit, wenn eine Person die Profeß<br />

machte, so gab sie dem Kloster 16 Pfund Heller zu einem<br />

Leibding von 1 Pfund, genannt Wil-geld Als sie 3 nun<br />

gewahr wurden, daß man das Kloster beschließen [die<br />

Klausur einführen] wolle, haben sie jeder einzelnen<br />

Schwester einen neuen Leibdingbrief machen lassen, wie<br />

wenn sie anderswo als im Kloster wären. Als dann einige<br />

hinauskamen [austraten], haben unsere Oberen ihnen<br />

zwar ihr Vermögen, aber nicht das Pfund Wilgeld gegeben<br />

und uns verboten, es ihnen zukommen zu lassen.<br />

Wir suchten Recht in Konstanz [beim Bischof], holten<br />

auch Rat ein bei den Gelehrten [der Universität] in Tübingen<br />

und sonst, die uns alle recht gaben. Und trotzdem<br />

ist das Urteil gegen uns ergangen. Nun erhielten wir<br />

den Rat, nach Rom zu appellieren. Somit bitten wir Ew.<br />

fürstliche Gnaden, unsere Beschwerdebriefe nach Rom zu<br />

besorgen, damit sie sicher laufen. Falls dies Ew. fürstliche<br />

Gnaden etwa Kümmernis bereiten sollte, so bitten wir,<br />

Ew. Gnaden wolle dies als ein getreuer Vater um Gottes<br />

^ llen leiden, weswegen wir zu allen Zeiten den allrr<br />

iitigen Gott bitten werden, die uns bewiesene Gnad<br />

in Zeit und Ewigkeit zu vergelten. Gott möge unsern<br />

gnädigen Herrn lang leben lassen bis zu einer seligen<br />

Ewigkeit. Datum auf Oculi im XVC. und XIII. Jahr.<br />

Gnäd r er Herr! Die B


MICHAEL LORCH<br />

Konrad und Ulrich von Jungingen, zwei Hochmeister des Deutschen Ritterordens<br />

Das alte hoh<strong>enzollerische</strong> Volksschullesebuch für die<br />

Oberstufe vom Jahre 1910 enthielt im <strong>heimat</strong>lichen Teil<br />

das Gedicht „Zwei Berge Schwabens". In ihm schildert<br />

der schwäbische Dichter Karl v. Gerok eine nächtliche<br />

Vision aus der Neujahrsnacht 1871: Vom alten schwäbischen<br />

Kaiserberg Hohenstaufen ist ein langer Geisterzug<br />

staufischer Schwabenkaiser aufgebrochen und 7 ; eht, voran<br />

der alte Barbarossa, am „vielgezahnten Albrand" entlang<br />

zur Zollerburg, wo die Geisterfürsten am Berg ihre Kronen<br />

hinlegen; denn das neue Deutsche Kaiserreich mit den<br />

Zollerkaisern war zu diesem Jahresbeginn Wirklichkeit<br />

geworden.<br />

Ganz unscheinbar, gleichsam im Schatten des Zollerberges,<br />

liegt hinter diesem versteckt im Killertal südlich von<br />

Jungingen unter dem mächtigen Himberg ein kleinerer<br />

Bergkegel, genannt „Bürgle unter Himberg". Er trug bis<br />

zum Jahre 1311 die Burg Hohenjungingen, auf vielen<br />

Karten heute fälschlich „Affenschmalz" genannt. (Die<br />

Wasserburg Affenschmalz stand in Killer und war dort<br />

der Stammsitz der Herren von Killer, genannt Affenschmalz.)<br />

Die Burg Hohenjungingen war der Stammsitz<br />

der Herren von Jungingen und ist somit die Stammburg<br />

der beiden Deutschordens-Hochmeisterbrüder Konrad<br />

und Ulrich von Jungingen (1393-1407-1410).<br />

Dresö beiden Hochmeister (ihr Amts tz war die Marienburg<br />

an der Nogat in Westpreußen) haben in ihrem Wirkungskreis<br />

(den ehemaligen Provinzen Ost- und Westpreußen)<br />

den Namen Jungingen mindestens ebenso volkstürr<br />

_ch gemacht, wie es in unserem Schwabenland die<br />

Namen Hohenstaufen und Hohenzollern sind. Der<br />

Schreiber dieser Zeilen hat es des öfteren erlebt, daß ostpreußische<br />

Landsleute, wenn diese anläßlich einer Fei einfahrt<br />

durchs Killertal auf der Ortstafel „Jungingen" gelesen<br />

haben, h r kurzen Aufenthalt einlegten, um sich<br />

in einem Gasthof oder in der Schule zu erkundigen, was<br />

man in der Heirnat der beiden Hochmeister von diesen<br />

noch zu erzählen weiß. Die in der Schule eingerichtete bescheidene<br />

Sammlung von Erinnerungsstücken diente dann<br />

dem Heirnatkundelehrer als willkommene Ergänzung seiner<br />

Erlauterungen.<br />

Die Ordenshochmeister erhielten vom Kaiser und dem<br />

Papste v'ele Vorrechte. Der Kaiser gab dem Hochmeister<br />

das Ehrenrecht, so oft er an den Kaiserhof komme, als<br />

ein Mitglied desselben betrachtet zu werden, gewahrte ihm<br />

den schwarzen Adler für seinen Schild und seine Ordensfahne<br />

und erhob ihn in den Rang eines Reichsfürsten; der<br />

Papst aber schenkte ihm einen kostbaren Ring, der fortan<br />

einen Kochmeister nach dem andern zierte. Das Ordensgewand<br />

war ein we :r, ier Mantel mit schwarzem, silberberandetem<br />

Kreuz. Die Farben „schwarz-weiß" und der<br />

schwarze Adler wurden später vom preußischen Staat<br />

ins Wappen übernommen, das Kreuz auf Mantel und<br />

Fahne ist Vorl >id für den Kriegsdienst-Orden des „Eisernen<br />

Kreuzes" geworden.<br />

Der Deutsche Ritterorden, dessen Ursprung in die Zeit<br />

der Kreuzzüge um 1128 fällt, kam auf Anregung des<br />

Papstes und von einem polnischen Fürsten gerufen um<br />

1226 in das Land östlloi der Weichsel zum Kampf gegen<br />

die hc inischen Preußen. Ais Gegengabe verlieh ihm der<br />

Kaiser das eroberte Land als Reiehsleheti und dem Hochmeister<br />

das Recht eines Re ; chsfürsten.<br />

Auch im Schwabenlande hatte der Deutsche Ritterorden<br />

große Besatzungen. Viele Rittergeschlechter setzten ihre<br />

26<br />

Ehre darein, ihre Söhne dem Orden zuzuführen. So ist<br />

es begreiflich, wenn uns 1393 als Hochmeister des Ordens<br />

ein Sohn des Schwabenlandes in Konrad von Jungingen<br />

entgegentritt, der dem alten Adelsgeschlecht der Herren<br />

von Jungingen in Hohenzollern entstammte. Der Stammsitz<br />

Hohenjungingen wurde schon um 1278 aufgegeben,<br />

denn von da bis 1300 gehörte er dem Johanniterorden,<br />

wurde dann württembergisch und 1311 von den Reutlingern<br />

im Städtekrieg zerstört. Die Herren von jungingen<br />

bauten sich 1316 in Jungnau (Jungingenao) an, und von<br />

1367 finden wir sie bis zum Aussterben 1501 auf Neu-<br />

Hohenfels. Es sei hier darauf hingewiesen, daß die beiden<br />

Hochmeisterbrüder nicht auf der Burg bei Jun£ igen das<br />

Licht der Welt erblickten. Ihre Wiege stand vielmehr vermutlich<br />

in Jungnau im Laucherttal, sei es auf der neuen<br />

Burg „Jungenowe" oder der alten Burg „ScJtowe", wo,<br />

wie bereits erwähnt, die Herren von Jungingen von 1316<br />

an ihren Sitz hatten.<br />

Konrad von Jungingen, 1393-1407<br />

Konrad wurde 1393 Hochmeister. Man muß annehmen,<br />

daß er zu diesem Zeitpunkt wer ^stens 40 Jahre alt war,<br />

da man einen jüngeren Ritter kaum an die Spitze des<br />

Ordens gestellt hätte. Er wird also um das jähr 1350 geboren<br />

sein. Das gleiche g ': vom Bruder UlriJi, der etwas<br />

jünger war als Konrad und um 1365 geboren wurde,<br />

B ; de Brüder mögen aber .hre Jugendze:' auf der Burg<br />

Hohenfels verbracht haben, wo deren Eltern wohnten,<br />

nachdem die Herrschaf-. Jungnau 1367 von ihnen verkauft<br />

worden war. - Nach dem Tode des Hochm isters<br />

Konrad von Wallenrod wurde am 30. November 1393<br />

auf der Marienburg der bisherige Ordenstresler (Schatzmeister,<br />

Finanzminister) Konrad von Jungi gen nstimmig<br />

zum Hochmeister gewählt. Konrad hatte zuerst eine<br />

Zf 'tlang die Stelle des Hauskomturs (Stellvertreter des<br />

Hausherrn) in Osterode bekleidet und war dann von<br />

1391 an oberster Tresler (Finanzminister) gewesen. Es<br />

gab bisher kein Beispiel daß ein Ordensritter, der so<br />

wenig Ämter und nur so kurze Zeit verwaltet hatte, zur<br />

Würde des Hochmeisters erhoben und damiL zum Oberhaupt<br />

des ganzen Ordens und zum Landesfürsten des<br />

Ordensgebietes gemacht wurde. Wir ersehen daraus, daß<br />

die obersten Gebietiger des Ordens eine hohe Meinung<br />

von dem lauteren Charakter und der großen Tüchtigkeit<br />

Konrads von Jungingen hatten. Konrad enttäuschte n ht.<br />

Er war ein hervorragender Hochm ister, und seine Regierung<br />

darf mit Recht die Blütezeit der Ordensherrschaft<br />

genannt werden.<br />

Konrad war ein Mann des Friedens. Viele Spannungen<br />

und Streitigkeiten mit benachbarten Fürsten überwand er<br />

mit seiner VerröhnungspOiliik. Wo es aber notwendig<br />

wurde, griff er auch zum Schwert, v : seine Bemühungen<br />

zur Ausrottung der Seeräuberei von 1395-1398 zeigen.<br />

Damals waren Schiffahrt und Handel auf der Ostsee<br />

vielfach durch Seeräuberi (Vitalienbruder) gefährdet;<br />

manche Schiffe wurden von ihnen weggenommen. Konrad<br />

entschloß sich zu einem Vorstoß gegen Gotland, den<br />

Haupts..z der Piraten. M ,:e März 1396 lief eine stattliche<br />

Ordensflotte mit mehr als 80 Schiffen, auf denen<br />

50 Ordensritter und 5000 Gewappnete sich befanden, vom<br />

Danziger Hafen aus Die Nester der Seeräuber wurden<br />

ausgehoben, die Insel Gotland kam unter die Oberhoheit<br />

des Ritterordens, wobei die Ansprüche des Schweden-


königs durch eine Geldsumme abgelöst wurden. Schwierig<br />

gestalteten sich Konrads Beziehungen zu Litauen und<br />

Polen, zumal der Großfürst Witold von Litauen trotz<br />

aller Friedensversicherungen immer wieder die größten<br />

Treulosigkeiten beging und Polen es nicht verschmerzen<br />

konnte, daß Konrad im Jahre 1403 die Neumark erwarb,<br />

wodurch das Ordensgebiet im Westen sich bis an die Oder<br />

erstreckte und so die Verbindung des Ordensstaates mit<br />

Deutschland hergestellt wurde. Infolge der Feindseligkeiten<br />

mit Polen und Litauen zog sich ein unheimliches Gewitter<br />

über dem Ordensstaat zusammen, dem doch Kon-<br />

Jungnau.<br />

Aquatinta<br />

nach W. Sdicuchzcr,<br />

um 1830<br />

rad während der Zeit seiner Regierung alle Segnungen<br />

des Friedens angedeihen lassen wollte. Im Ordensland<br />

selbst hatte sich ein Ereignis vollzogen, das zunächst kaum<br />

der Beachtung wert zu sein schien, in seinen Folgen aber<br />

eine umwälzende Kraft beweisen sollte: die Gründung<br />

der „Eidechsengesellschaft". Die Vertreter des Landadels<br />

hatten sich zu einem Bund zusammengeschlossen, dessen<br />

ausgesprochener Zweck gegenseitige Unterstützung und<br />

Förderung war, dessen Spitze aber letzten Endes gegen<br />

die Oberhoheit der Ordensherrschaft s' h richtete.<br />

Gerühmt wird die Regierung Konrads im Ordensstaat<br />

Preußen. Er traf verschiedene Anordnungen und Verbesserungen<br />

der Landesverwaltung. So wurde die Gerichtsordnung<br />

fester geregelt. Er ließ ein Salzwerk errichten.<br />

Zur Förderung des Verkehrs wurden Brücken<br />

gebaut und die Wege verbessert und durch Anlegung von<br />

Schleusen und Kanälen die Wasserver indung erleichtert.<br />

Besondere Aufmerksamkeit widmete er dem Handel als<br />

einer Quelle des Wohlstandes. Auch der Landwirtschaft<br />

wandte er seine Sorge zu. Manch öde Landstrecke wurde<br />

fiisch angebaut, die landwirtschaftlichen Betriebe der Or-<br />

denshäuser immer mehr ausgebaut und vervollkommnet.<br />

Zur Verbesserung der Schaf- und Rinderzucht ließ er<br />

Zuchtvieh selbst aus fremden Ländern kommen. Besondere<br />

Pflege fand die Pferdezucht auf den Höfen des Ordens.<br />

Der Pflege des Hopfen-, Wein- und Obstbaues ließ er besondere<br />

Förderung angedeihen. Pfropfreiser für Obstbäume<br />

bezog er aus seiner schwäbischen Heimat und ließ<br />

die veredelten Stämme durch das ganze Land verteilen.<br />

Konrad war Liebhaber des Gesanges und der Musik. Das<br />

Treslerbuch enthält häufig Ausgaben an Schüler, die auf<br />

der Marienburg und an anderen Orten beim Gottesdienst<br />

und sonst den Gesang besorgten, zumal in Gegenwart des<br />

Hochmeisters. Er unterh'elt außerdem eine e'^ene Hofkapelle.<br />

die 1399 32 Mitglieder zanlte. Nicht selten kamen<br />

fahrende Künstler ins ördenshaus Ganz Desonders<br />

förderte unser Hochmeister die Malerei. Er hielt sich einen<br />

eigenen Hofmaler, beschäftigte aber auch noch andere<br />

Maler. Häufig machte er Geschenke gerade mit teuren<br />

Bädern. Bernsteinschne : der fanden bei im ständig Absatz<br />

und Verdienst, ebenso die am Hofe angestellten<br />

Gold- und Silbeiarbeiter. Hoch entwickelt war damals<br />

i n Ordensland die Baukunst. Bedeutende Summen gab<br />

Konrad auch für seine Bib Dthek aus. Er haue e en besonderen<br />

Schreiber für das Abschoben von Büchern. Erwähnt<br />

sei noch die Sorgfalt, mit der er die im Orden übliche<br />

Falkenzucht pflegte; 1396 errichtete er e: ne eigene<br />

Falkenschule. Sehr oft wurden Jagdfalken als Ehrengeschenke<br />

an Fürsten gesandt.<br />

Die Ordensgenossen brachten ihrem Hochmeister Hochachtung<br />

und L be entgegen. Nur ungern nahm Konrad<br />

Änderungen in der Verwaltung der Ordensämter vor, so<br />

daß die meisten Gebieter eine Reine von Jahren ihre<br />

27


Ämter innehatten. Verfehlungen der Ordensangehörigen<br />

wurden streng geahndet; auch da hielt der Meister Gesetz<br />

und Ordnung aufrecht. Er selbst erlaubte sich nie einen<br />

Schritt der Willkür aus persönlichen Gründen.<br />

Ein hervorragender Charakterzug Konrads war seine<br />

Mildtätigkeit und Menschenfreundlichkeit. Wo Not und<br />

Unglück war, war seine milde Hand die nächste, und<br />

keiner schied von ihm unbefriedigt oder unerfreut. Beständig<br />

begleitete ihn, wenn er irgendwohin ging, sein<br />

Kämmerer Thimo, um Spenden unter die Armen zu verteilen.<br />

Doch nicht bloß einzelne, sondern ganze Dorfgemeinden<br />

erfuhren seine Mildtätigkeit, namentlich bei<br />

Unglücksfällen, Hagelschlag, Überschwemmungen oder<br />

wenn er das Land bereiste. Bei diesen Reisen begleitete<br />

ihn der Tresler mit einer hinreichenden Geldsumme. Auch<br />

für kirchliche Zwecke spendete er Gaben, wiederholt sind<br />

solche für Klöster und Ordensleute wie auch für Geistliche<br />

und Kirchen im Treslerbuch verzeichnet. Unter Konrad<br />

von Jungingen besaß der Orden in Preußen 55 Städte,<br />

48 Burgen, 18 368 Dörfer, 640 Pfarrdörfer und 2 000<br />

Freihöfe mit einem jährlichen Einkommen von 800 000<br />

rheinischen Gulden. (Realwert um 1400: 1 Gulden = 6<br />

Schafe, oder 1 Gulden = 36 Goldmark). Allgemein betrauert<br />

starb Konrad am 30. März 1407 auf der Marienburg<br />

und wurde in der St. Annengruft daselbst beigesetzt.<br />

Auf dem Totenbette soll er vor der Wahl seines<br />

hit2 r;en Bruders zum Hochmeister gewarnt haben aus<br />

Furcht, daß dieser zum Krieg mit Polen drängen würde.<br />

Diese Äußerung wird jedoch heute als Fabel bezeichnet.<br />

Sie soll wohl dartun, daß Konrads Sorge um das Wohl<br />

des Ordens ihm über, die Liebe zu seinem Bruder ging.<br />

Ulrich von Jungingen, 1407-1410<br />

Drei Monate nach dem Tode Konrads wurde am 26. Juni<br />

1407 dessen Bruder Ulrich von Jungingen einstimmig<br />

zum Hochmeister gewählt. Ulrich hatte seither verschiedene<br />

Ämter im Orden bekleidet. Seit 1387 war er Gefährte<br />

des Ordensmarschalls Konrad von Wallenrod gewesen<br />

und hatte an sc ler Seite verschiedene Kriegszüge<br />

nach Litauen mitgemacht, 1394 wurde er Vogt des Samlandes,<br />

1396 Komtur von Balga und 1404 Ordensmarschall.<br />

Als solcher hatte er das Kriegswesen unter sich.<br />

Das Verhältnis des Ordens zum Polenkönig war beim<br />

Tode Konrads keineswegs befriedigend. Ulrich war nun,<br />

wie ehedem sein Bruder, zunächst bemüht, den Frieden zu<br />

bewahren, obgleich er bald einsehen mußte, daß ihm kein<br />

Erfolg üesc-iieden war. Um so nötiger erschien ihm bei<br />

dieser Sachlage die Befestigung der Grenzburgen und die<br />

möglichste Sicherung der Grenzgebiete gegen Polen und<br />

Litauen. Eine Anzahl neuer Burgen wurde errichtet und<br />

an der kriegsmäßigen Ausrüstung der bestehenden eifrig<br />

gearbeitet. Uberall erhielten die Komture Befehl, ihre<br />

Häuser zu erfolgreicher Verteidigung bereit zu halten.<br />

Bald kam es wieder zu Streitigkeiten mit dem Polenkönig<br />

Wladislaw und auch mit dem Großfürsten Witold<br />

von Litauen, die bei der einmal bestehenden Lage zum<br />

Kriege führten. Am 6. August 1409 sandten der Hochmeister<br />

und seine Gebietiger ihre Absagebriefe von der<br />

Marienburg aus an den Polenkonig. Von beiden Seiten<br />

wurden Streitkräfte aufgestellt, die Antang Oktober zwischen<br />

Schmetz und Bromberg s^n auf 15 km genähert<br />

hatten, als durch das Bemühen des Königs Wenzel von<br />

Böhmen am 8. Oktober 1409 ein Waffenstillstand zustande<br />

kam mit der Bestimmung, daß spätestens bis<br />

Fastnacht 1410 die strittige Angelegenheit durch Schiedsspruch<br />

des Königs Wenzel entschieden werden sollte.<br />

28<br />

Witold war in den Waffenstillstand nicht eingeschlossen.<br />

Ulrich hoffte auf friedliche Beilegung der Sache. Die Hoffnungen<br />

Ulrichs bezüglich des Waffenstillstandes und des<br />

Schiedsgerichtes erfüllten sich nicht. Die polnischen Abgesandten<br />

nahmen nämlich die Entscheidung Wenzels nicht<br />

an und ver'^ßen Prag. Nun fanden erfolglose Verhandlungen<br />

zwischen dem König Siegmund von Ungarn, dem<br />

Bruder Wenzels, und dem König von Polen wegen des<br />

Friedens statt, die dieser aber absichtlich in die Länge<br />

zog, um seine Rüstungen vollenden zu können. Auch<br />

wurde zu Breslau um Pfingsten ein Verhandlungstag gehalten,<br />

der aber gleichfalls ohne Ergebnis verlief, da der<br />

Polenkönig keinen Bevollmächtigten dazu schickte.<br />

Schließlich sprach Ulrich in einem Schreiben der Gemahlin<br />

des Herzogs von Masowien, der Schwester des Polenkönigs,<br />

seine Bereitwilligkeit zur Erhaltung des Friedens<br />

aus. Doch alles war vergebens. Mit dem 8. Juli lief der<br />

Waffenstillstand ab, und der Krieg begann aufs neue.<br />

Am 15 Juli 1410 kam es zur blutigen Entscheidungsschlacht<br />

bei Tannenberg. Im Lager der Polen und Litauer<br />

standen 163 000 Mann, darunter 40 000 tatarische Hilfsvölker.<br />

Die Macht des Ordens betrug 85 000 Streiter mit<br />

65 Heerbannern, doch waren sie an Feldgeschütz dem<br />

Gegner überlegen. Zwischen Tannenberg und Grünfelde<br />

ordnen sich die Streitkräfte der Deutsch-Herren in langer<br />

gerader Linie, einen Zug von Berges<strong>höh</strong>en besetzend. Die<br />

Aufstellung ist beendet, aber sie warten noch 3 Stunden<br />

mit dem Angriff, damit die slawischen Gegner, denen gegenüber<br />

die Gesetze der Ritterlichkeit gewahrt sein sollen,<br />

Gelegenheit haben, aus dem sumpfigen Waldgelände herauszukommen.<br />

Hätten die Ordensleute dieses Gesetz der<br />

Ritterlichkeit, das auch bei Turnieren üblich war, unbeachtet<br />

gelassen, dann wäre die Schlacht zu ihren Gunsten<br />

ausgefallen. Der Ordensmarschall sandte dem Polenkönig<br />

durch Herolde zwei bloße Schwerter zum Zeichen, daß<br />

der Kampf beginnen solle. Auf der Gegenseite wurde das<br />

als besonderer Übermut ausgelegt, es war aber die übliche<br />

Form der Herausforderung zum ritterlichen Kampf. Dem<br />

an Zahl weit überlegenen Heere der vereinigten Polen,<br />

Litauer, Tataren und Russen gegenüber stritten die<br />

Deutsch-Ordensritter mit bewundernswerter Tapferkeit.<br />

Schon waren die Feinde zum Weichen gebracht, schon erscholl<br />

auf der ganzen Linie der Siegesgesang: „Christ ist<br />

erstanden", als die im Eldechsenbund vereinigten und mit<br />

der Ordensherrschaft unzufriedenen Adeligen des Kulmer<br />

Landes zu den Polen übergingen und ihnen so zum Siege<br />

verhalfen. Der rechte und linke Flügel des Ordensheeres<br />

wurde umfaßt und aufgerieben, die Mitte durchbrochen<br />

und auseinandergesprengt. 200 Ritter lagen am Boden,<br />

auch das Fußvolk war stark zusammengeschmolzen.<br />

Herren und Knechte kämpften mit gleicher Tapferkeit,<br />

aber schließlich gab nicht die Tapferkeit, sondern die<br />

Zahl der Streiter den Ausschlag. Den Feinden stand ein<br />

weit größeres Heer von Ersatzleuten zur Verfügung. Da<br />

das Unglück hereinbrach, rieten die Gebietiger dem Hochmeister<br />

zum Rückzüge, worauf c ser entgegnete: „Das<br />

soll, so Gott will, nicht geschehen, denn wo so mancher<br />

brave Ritter neben mir gefallen ist, will ich nicht aus dem<br />

Felde reiten." Mit Todesverachtung sprengt er dem feindlichen<br />

Haufen entgegen, ein furchtbares Mordgewünl entsteht,<br />

blutiger als je zuvor. Das Ordensvolk kämpft mit<br />

wahrem Löwenmut, allen voran der ritterliche Hochmeister<br />

auf einem weißen Streitroß. So hatte noch nie<br />

einer der Vorgänger ihnen 'm Kampfe vorangeleuchtet.<br />

Immer <strong>höh</strong>er türmen sich die Leichen, immer mehr ermatten<br />

die Kräfte vor der Ubermacht der Gegner. Da<br />

endlich sinkt auch der Meister von zwei tödlichen Geschossen<br />

in Stirn und Brust getroffen zu Boden. Um ihn<br />

lag die Blüte des Ordens, die ersten der Gebietiger, die


tapfersten Brüder, die Leichen von 600 Rittern und<br />

Knechten und 40 000 vom gerne' len Kriegsvolk des Ordens<br />

bedeckten die blutige Walstatt. 15 000 Mann gingen<br />

dem Orden durdi Gefangenschaft verloren, selbst der<br />

kostbare Kriegsmantel des Hochmeisters geriet in die<br />

Hände des Polenkönigs. Auf dessen Befehl wurde der<br />

Leidinam des Hochmeisters aufgesucht, „allem Volke zur<br />

Schmach" vor das Zelt des Königs gelegt, bis er nach<br />

Osterode und von da nach der Marienburg geführt wurde,<br />

wo er dann unter Jammer und Schmerz in der St. Annengruft<br />

beigesetzt wurde. Mit dem Tag von Tannenberg war<br />

das Schicksal des Ordens besiegelt, seine Lebenskraft unwiederbringlich<br />

dahin. Auf den ersten Thorner Frieden<br />

i. J. 1411, der für den Orden verhältnismäßig noch günstig<br />

war, folgte 1466 der zweite Thorner Frieden, bei dem<br />

u. a. Pommerellen und Ermland an Polen abgetreten werden<br />

mußten. 1525 trat der damalige Hochmeister Albrecht<br />

von Brandenburg zur Lehre Luthers über und aus dem<br />

Ordensstaat wurde ein weltliches Herzogtum. Auf dem<br />

Schlachtfelde von Tannenberg trug ein mächtiger Stein die<br />

Rund 6000 Bände<br />

Die Bücherei des Kommunalverbandes - nicht zu verwechseln<br />

mit der Hoh<strong>enzollerische</strong>n Heimatbücherei in Heesingen<br />

- umfaßt jetzt rund 6000 Bände. Der Bestand ist<br />

damit, besonders durch Neuerwerbungen der letzten Zeit,<br />

so angewachsen, daß im Landeshaus ein weiterer Raum<br />

für die Bibliothek eingerichtet werden muß. Freundliche<br />

Mitteilung von Herrn Landesverwaltungsrat Josef Mühlebach.<br />

Die Bibliothek umfaßt nicht nur zahlreiche Arbeiten<br />

über zollerische Geschichte, sondern auch so gut wie<br />

alle Veröffentlichungen, die je auf zollerischem Boden geschrieben<br />

wurden über die verschiedensten Gebiete, einschließlich<br />

Epik und Lyrik. wf<br />

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />

herausgegeben vom Hoh<strong>enzollerische</strong>n Geichichtsverein<br />

in Verbindung mit den Staatlichen<br />

Schulämtern Hechingen und Sigmaringen.<br />

Verlag: Hoh<strong>enzollerische</strong>r <strong>Geschichtsverein</strong><br />

748 Sigmaringen, Karlstraße 3. Druck: M. Liehners<br />

Hofbuchdruckerel KG, 748 Sigmaringen,<br />

Karlstraße 10.<br />

Die Zeitschrift „Hoh<strong>enzollerische</strong> Heimat" ist<br />

eine <strong>heimat</strong>kundliche Zeitschrift. Sie will besonders<br />

die Bevölkerung in Hohenzollern mit<br />

der Geschichte ihrer Heimat vertraut machen.<br />

Sie bringt neben fachhistorischen auch populär<br />

gehaltene Beiträge aus der Geschichte unseres<br />

Landes. Sie veröffentlicht bevorzugt Beiträge,<br />

die im Schulunterricht verwendet werden können.<br />

Bezugspreis: 2,00 DM halbjährlich<br />

Inschrift: „Im Kampf für deutsches Wesen und deutsches<br />

Recht starb hier der Hochmeister Ulrich von Jungingen<br />

am 15. Juli 1410 den Heldentod." Der Stein steht heute<br />

noch, doch ist die Inschrift ersetzt durch die Bezeichnung<br />

„Pola Grünwald". Es ist der Name, mit dem Polen die<br />

Schlacht bei Tannenberg bezeichnet.<br />

Auf dem Schlachtfeld von Tannenberg ist 500 Jahre später<br />

der Geist eines Ulrich von Jungingen wieder lebendig, als<br />

es galt, die gegen Deutschland anstürmenden Russen abzuwehren.<br />

Einem Feldmarschall von Hindenburg ist es<br />

1914 gelungen, in glänzender Entscheidungsschlacht das<br />

an Zahl überlegene russische Heer vernichtend zu schlagen<br />

und 80 000 Gefangene zu machen. Ein prunkvolles Bauwerk<br />

erinnerte als zweites Tannenbergdenkmal an diese<br />

zweite Tannenbergschlacht. Einige Jahre waren die sterblichen<br />

Überreste des Feldmarschalls von Hindenburg in<br />

einem der Türme beigesetzt, der so als Mausoleum diente.<br />

Heute ist auch dieses zweite Tannenbergdenkmal wieder<br />

beseitigt.<br />

Zweimal römische Funde<br />

Konten der „Hoh<strong>enzollerische</strong>n Heimat":<br />

802 507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />

123 63 Postscheckamt Stuttgart<br />

Die Mitarbeiter dieser Nummer:<br />

Michael Lorch, Oberlehrer i. R.<br />

7451 Killer, Bahnhofstraße 194<br />

Johann Adam Kraus<br />

Pfarrer und Erzbisch. Archivar i. R.<br />

78 Freiburg-Littenweiler, Badstraße 2<br />

Walter Sauter f, Schriftleiter a. D.<br />

745 Kechingen<br />

Walther Frick, Journalist<br />

748 Sigmaringen, Hohe Tannen<br />

Schriftleiter:<br />

Dr. med. Herbert Burkarth<br />

7487 Gammertingen, Eichertstraße<br />

Telefon 07574/329<br />

In diesem Frühjahr sind in Hohenzollern zweimal römische<br />

Funde gemacht worden, einmal beabsichtigt bei Inzigkofen,<br />

einmal ohne Absicht in Ostrach. In Inzigkofen<br />

legt das Landesamt für Denkmalpflege in Tübingen gegenwärtig<br />

Fundamente frei, die vielleicht zu einem römischen<br />

Kastell gehörten. Diese Grabung ist im größeren<br />

Zusammenhang der Erforschung der ersten römischen<br />

Nordgrenze zu sehen. Bekanntlich begann der Vorstoß<br />

der Römer von Süden her um das Jahr 15 v. Chr., vielleicht<br />

von der Reichenau aus, und etwa zu Lebzeiten<br />

Christi soll es eine Donaugrenze gegeben haben. Später<br />

bauten die Römer eine zweite, auf der Alb; das Burla-<br />

Redaktionsausschuß:<br />

Hubert Dedc, Konrektor<br />

745 Heeslingen, Tübinger Straße 28<br />

Telefon 07471/2937<br />

Walther Frick, Journalist<br />

748 Sigmaringen, Hohe Tannen<br />

Telefon 07571/8341<br />

Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />

persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />

diese zeichnen für den Inhalt dei Beiträge verantwortlich.<br />

Mitteilungen der Schriftleitung<br />

sind als solche gekennzeichnet.<br />

Manuskripte und Besprechungsexemplare werden<br />

an die Adresse des Schriftleiters oder Reüaktionsausschusses<br />

erbeten.<br />

Wir bitten unsere Leser, die „Hohenzollerisaie<br />

Heimat" weiter zu empfehlen.<br />

29


dinger Kastell dürfte ihr zugehören. Im Zug der Erforschung<br />

der Donaugrenze gelang vor weniger Jahren die<br />

Aufdeckung einer römischen „mansio" bei S^maringen,<br />

einer Reise-, Nachschub- und Polizeistation, wie man sie<br />

In Europa so unversehrt noch nicht fand. - Was in Inzigkofen<br />

jetzt herauskommt, steht noch niuit fest, im ungünstigsten<br />

Fall ist es ein Gutshof, eine „villa rustica".<br />

Ungünstig deshalb, weil solche Gebäude bereits mehrfach<br />

bekannt sind, gerade in der nächsten Umgebung von Sigmaringen.<br />

Ein solcher Fund wäre also nicht so wichtig.<br />

Ein gleicher Gutshof ist auch in Ostrach bei den Fundamentierungsarbeiten<br />

für e' n e Schule gefunden worden.<br />

Nach freundlicher Mitteilung von Direktor Jerg handelt<br />

es sich um Z egel eines zusammengebrochenen Daches,<br />

das zu einem landwirtschaftlichen Gebäude gehört. Schon<br />

Dr. Zingeler hat, nach Jerg, vor 70 oder 80 Jahren das<br />

Vorhandensein eines solchen Gutshofes in Ostrach festgestellt.<br />

wf<br />

JOHANN ADAM KRAUS<br />

Vergessener Adel von Rangendingen<br />

Es müßte merkwürdig erscheinen, wenn in Rangendingen,<br />

einer alten alemannischen Siedlung, nicht ehemals wie in<br />

den meisten alten Orten ein Ortsadel be<strong>heimat</strong>et gewesen<br />

wäre. Ragt doch in 1 km Entfernung nördlich vom Dorf<br />

ein auffallender Berg oder Kapf bis 530 m auf, der ausgerechnet<br />

den Namen „Haoburg" (also „Hohe Burg")<br />

trägt. Nur von Nordosten her ist dieser Kapf mit dem<br />

ebenen Hrndergelände verbunden, jedoch durch drei mächtige<br />

Wallgräben gesichert. Der äußerste Graben 1 ~gt 200<br />

Schritte vom eigentlichen Burgplatz entfernt und ist noch<br />

etwa sieben Meter bi :1t und 1,5 Meter tief und zeigt nach<br />

der Innenseite einen meterhohen Wall. Hundert Meter<br />

weiter nach dem Kapf zu steht man vor dem zweiten<br />

Wallgraben von ungefähr gleicher Breite und Tiefe und<br />

einem inneren Wall von etwa 2 m Höhe. Der dritte, also<br />

innerste, Graben zeigt eine Breite von etwa 15 m, eine<br />

Tiefe von 6 m und die Grabensohle ist heute noch 2 m<br />

breit. Dieser innere Graben umschließt en ien nahezu viereckigen<br />

Burgplatz von rund 30 m Länge und Breite. Der<br />

südwest" che Abhang der Kuppe fällt etwa 60 m fast senkrecht<br />

in die Tiefe. In der Annahme, hier habe einst eine<br />

ke'ti;che Volksburg gestanden, haben Heimatfreunde im<br />

Jahre 1967 einen von Bildhauer Josef Wannenmacher mit<br />

keltischen Symbolen und einer Inschrift versehenen Block<br />

von Muschelkalk aufgerichtet<br />

Daß der relativ kleine Innenraum von 30 zu 30 m auf<br />

dem hohen Kapf geradezu ideal für eine mittelalterliche<br />

Ritterburg mit vorgelagerten Außenwerken für Scheunen<br />

und Ställe und Gärten gei snt haben könne, wurde von<br />

den Einheimischen offenbar i cht bedacht, zuma' die örtliche<br />

Oberi: ferung von einem früheren Ortsaael mens<br />

mehr wußte. Die spätere Benützung einer frühgesch itlichen<br />

Befestigungsanlage zum Bau einer mittelalterlichen<br />

Ritterburg ist gar nicht selten, zumal wenn so eine günstige<br />

Situation vorliegt!<br />

Allerdings ist in Rangend rgen die Erinnerung an einen<br />

ade ' ;en Heinrich erhalten, für den seit angeblich 1466 bis<br />

30<br />

Erste „Kreis-Putzete"<br />

Am 9. Mai hat im Kreis Sigmaringen zum erstenmal eine<br />

„Putzete" stattgefunden, bei der allein dort, wo man<br />

zählte, rund 43 Lastwagenladungen Unrat zusammenkamen.<br />

Etwa 1700 Schulkinder und beschämend wenige<br />

Erwachsene, darunter Landrat Dr. Gögler selber, taten<br />

mit. Vom Standpunkt der He^natpflege aus ergibt sich<br />

daraus folgende Überlegung: Noch ist es leicht, einen<br />

von den Untaten der Zivilisation so gut wie ganz verschonten<br />

Landkreis sauber zu halten. Noch heißt es „Den<br />

Anfängen wehren" und man muß wenigstens hier noch<br />

nicht mit unzureichenden Maßnahmen hinter schon fortgeschrittenen<br />

Zerstörungen und Vergiftungen von Erde<br />

und Wasser herrennen. Der Sigmaringer Landrat läßt<br />

keinen Zweifel daran, daß dieser Auftakt nicht zugleich<br />

schon wieder ein Ende sein soll; er will vielmehr dieses<br />

„Anfängen Wehren" fortsetzen. Zu Be?"in dieses Jahres<br />

erstand auf seine Anregung auch die Kreisstelle für Naturschutz,<br />

samt Beirat, neu. wf<br />

in die Neuzeit ein kirchlicher Jahrtag mit Brotgabe gefeiert<br />

wurde, v» eil er der Gemeinde das schöne und fruchtbare<br />

Feld „I mdach" geschenkt habe, das unterhalb der<br />

Mühle links der Starzel gelegen ist. Bisher gelang es nicht,<br />

diesen angeblichen „Heinrich von Lindach" urkundlich zu<br />

fassen. Auf dem genannten Feld und auf der ganzen Gemarkung<br />

von Rangendingen weist keinerlei Bodenfund<br />

auf eine ehemalige Burg, außer eben dem genannten Kapf<br />

mit dem Namen „Haoburg" 2 .<br />

Eine Notiz in den alten „Mittelungen" des hoh<strong>enzollerische</strong>n<br />

<strong>Geschichtsverein</strong>s vom Jahre 1874 Seite 70 machte<br />

aufmerksam, daß die Originalurkunde i : ner edlen Mächti'ld<br />

von Rangadingen vom Jahre 1311 noch im Stuttgarter<br />

Staatsarchiv im Bestand „Kloster Kirchberg" erhalten<br />

se'- von der bisher nur ein Regest aus dem im<br />

letzten Krieg verbrannten ersten Band des Kirchberger<br />

Kopialbuchs bekannt war. Eine von Aren vairektor Dr.<br />

Eberhard Gönner großzügig zur Verfügung gestellte<br />

Kopie dieser Urkunde B 462 Nr. 142 ergab einige Überraschungen<br />

:<br />

1311 Juli 7, Horb: „Die edle Mächtild von Rangadingen<br />

überträgt mit Zustimmung ihres Sohnessohnes (Enkels),<br />

des Bruders Cuonrat im Johanniterorden, dem Dominikanerinnenkloster<br />

Kilchberg bei Haigerloch aus Liebe zu<br />

Gott und ihrem Seelenheil alle ihre folgenden Güter als<br />

Eigentum: 1) Ein Gut zu Dettensee, das der Bomer bebaut<br />

und das jährlich 9V2 Malter Roggen (Horber Meß),<br />

3 Tubi iger Schilling (ß), 4 Hühner, 2 Gänse und 100 Eier<br />

'iefert. 2) Ein Gut zu Ahldorf, das der Windemer baut,<br />

und jährlich 11 Mit. Roggen, 3 Mit. Kernen, 2 ß Tübinger,<br />

2 Hühner und 100 Eier gibt. 3) und 4) Zwei Güter<br />

zu Weitingen, Je bauen Arnold und se : -e zwei Söhne<br />

Burchard und Cuonrat. Das eine giltet jährlich 10 Mit.<br />

Roggen und das andere 6 Mit. Roggen, 4 Mit. Haber,<br />

10 ß Tübinger, 1 Gans, 2 Hühner und 100 Eier. M._ diesen<br />

beiden Gütern sollen o'e Frauen von I .irchberg "hre<br />

und ihres Sohnes Jahrzeit begehen. 5) Ein Gut zu Eutin-


gen („Uetingen"), das Berchtold von Hohadorf und sein<br />

Bruder bauen, und gilten jährlich 10 Mit. Roggen, 4 Mit.<br />

Kernen, 4 Mit. Haber, 4 Hühner, 1 Gans und 100 Eier.<br />

6) Ein Gut zu Betra („Betteran"), das Walter von Wiesenstetten<br />

baut und jährlich giltet 7 Mit. Roggen, 2 Mit. Haber,<br />

2 Hühner und 100 Eier. Ferner i rd bestimmt: Das<br />

Gut zu Eutingen sollen nach der Si i r terin Tod die Töchter<br />

ihres verstorbenen Sohnes, namens Kathrin und Mechtild,<br />

die im Kloster F rchberg sind, ihr Leben lang genießen.<br />

Nach beider Tod soll das Gut ans Kloster fallen für das<br />

Siechenhaus daselbst. Mächtild verzichtet für sich und ihre<br />

Erben auf die 6 Bauerngüter zugunsten des Klosters und<br />

bittet die Stadt Horb, die Urkunde zu besiegeln. Zeugen<br />

sind: Die 2 Ritter Cuonrat von Weitingen und Tragebolt<br />

von (Neuneck-)Egolfstal, Cuonrat von Isenburg und<br />

Strube sein Bruder, Johannes von Dettingen, Benz Dankolf,<br />

Matheus der Richter, Walther in dem Hofe der jung.<br />

Geschehen zu Horb im Jahre 1311 am achten Tag (nach)<br />

Peter und Paul."<br />

Aus dieser Urkunde geht hervor: Der Gemahl und Sohn<br />

der Stifterin sind tot, der Enkel Konrad gehört dem Johanniterorden<br />

an und dessen zwei Schwestern Katharina<br />

und Mechtild ieben als Nonnen im Kloster Kirchberg.<br />

Zum Jahrtag für sich und ' iren verstorbenen Sohn stiftet<br />

Mächtild die zwei Güter zu Weitingen. Das Gut zu Eutingen<br />

fällt nach der Stifterin Tod, die es offensichtlich noch<br />

weiterhin nutzen darf, an ihre Enkelinnen und dann ans<br />

Siechenhaus im Kloster. Die Matrone muß sehr angesehen<br />

und reich gewesen sein, wenn sie sechs Bauerngüter verschenkt<br />

und zur feierlichen Übertragung eine ganze Reihe<br />

schwäbischer (vielleicht verwandter) Adeliger zugezogen<br />

hat. Offenbar lebte kein näherer Verwandter der von<br />

Rangendingen mehr. Der Sohn ist tot, der Enkel hat als<br />

Johanniter Armut, Ehelosigkeit, Gehorsam und Kampf<br />

gegen die Ungläubigen gelobt, se ie Schwestern im Kloster<br />

ebenfalls die drc :rsten Gelübde abgelegt.<br />

Es muß hier näheres über den Johanniterorden 3 gesagt<br />

werden. Er geht auf den Verein italienischer Kaufleute<br />

zurück, die im Jahre 1048 In Jerusalem ein Spiral für<br />

kranke P Iger gegründet hatten und «ich daher „Hospii aibrüder<br />

zum hl. Johannes" nannten. Im Jahre 1113 traten<br />

dem Verein viele Ritter bei und 1120 wurde er in einen<br />

Ritterorden umgewandelt. Der johanm'.erorden hat vitl<br />

Gutes geleistet zum Wohle der Kirche, der Pilger und der<br />

Armen und im Kampf gegen die Ungläubigen. Als Palästina<br />

im Jahre 1291 mit dem Fall von Akkon an die<br />

Sarazenen verloren g ng, zogen die Johanniter nach Rhodos,<br />

weshalb sie später Rhodeserritter hießen. Dort behaupteten<br />

sie sich b.s 1522 gegen die Türken. Kaiser Karl V.<br />

überließ ihnen dann die Felseninsel Malta an der Südostecke<br />

Siziliens. Seitdem nennt man sie Malteserr" ter. In<br />

Schwaben hatte der Orden seit dem 13. Jahrhundert Kommenden<br />

mit einem oder mehreren Kaplänen zu Affaltrach,<br />

DätZ: gen-Rohrdorf, Hemmendorf, Rottweil, Hall, Rexingän,<br />

Vi" ; ngen und ein Priorat zu Jungental-Starzeln<br />

(Dieses ist 1275 bis 1406 erwähnt, dann unterstand es als<br />

Hofgut der Kommende Hemmendorf und wurde 1606 an<br />

den Grafen von Zollern verkauft.) Seit 1266 saß der<br />

Großkommandeur („Großkomtur") für Deutschland in<br />

Heitersheim bei Freiburg im Breisgau. Die Mitglieder<br />

schieden sich seit etwa 1150 in drei Klassen: Ritter (volladelige),<br />

Pr bester und c-.enende Brüder für Spital- und<br />

Waffend" ;nst. Daneben gab es Adelige auch ohne Gelübde.<br />

Die Ordensfahne zeigte das achtspitzige weiße<br />

Malteserkreuz auf rotem Grund. Dieses trugen alle Johanniter<br />

im Frieden auf dem schwarzen Mantel. Sie gelobten<br />

außer den drei Ordensgelübden noch „Dienst an<br />

den Armen und Schutz der Kirche". Eine Erinnerung<br />

daran ist heute der Malteserhilfsdienst.<br />

Doch kehren wir nun zum Rangendinger Adel zurück.<br />

Eine Überraschung ergab sich auch bei der Nachforschung<br />

nach dem Enkel Konrad vom Jahre 1311. Am 6. Mai 1309<br />

erscheinen als Zeugen eines Rottweiler Verkaufs: Die Brüder<br />

des johanniterordens daselbst, nämlich der Komtur<br />

Ulrich Bletz, der Keller und „der von Rangadingen" als<br />

„Spitalherren zu St. Johann in Rottwi.il" 5 . Man denkt<br />

hier, und wohl mit Recht, an obigen Konrad als Enkel der<br />

Mächtild. Im Jahre 1289 (nach dem 23. Sept.) finden wir<br />

einen „Bruder C. (wohl Conrad) von Rangadingen" als<br />

Angehörigen des Johanniterhauses zu Rexingen bei Hort<br />

Dieser wird kaum mit dem Enkel der Mächtild identisch<br />

sein, vielmehr denkt man eher an einen gleichnamigen<br />

Vetter (Onkel) des Johanniters von 1311. Laut einer Urkunde<br />

des gleichen Johanniterhauses Rexingen vom<br />

13. Juli 1310 schlichtete Ulrich Bletz, Komtur zu Rottweil,<br />

zusammen mit Ritter Hugo von Leinstetten und<br />

Heinrich Maier von Horb einen Streit zwischen Johann<br />

von Bedungen einerseits und Conrad von Rangadingen,<br />

gewesenem Komtur zu Rexingen und dem Konvent daselbst<br />

andererseits wegen bestimmter Leute, genannt die<br />

Mühlin 7 . Dieser Konrad lebte also noch 1310.<br />

Zweifellos war die Adelsfamilie „von Rangendingen" und<br />

besonders Mächtild tiefreligiös. Sie hat mit ihrem Gebet<br />

den hochherzigen Entschluß des Enkels Konrad begleitet,<br />

der Welt zu entsagen, um allein Gott, der Kirche und den<br />

Kranken zu dienen. Ja man : versucht, in ihrem verstorbenen<br />

Sohn jenen Heinrich zu vermuten, den die Bewohner<br />

Rangendingens als „von Lindach" bezeichnen. Die<br />

Uberlieferung häit ihn auch für den Stifter des hiesigen<br />

Frauenklösterleins von 1303, dessen Formierung schon<br />

einige Jahre in Anspruch genommen haben w.*d.<br />

Im Jahre 1294 kaufte ein Heinrich der Mezener in Rangendingen<br />

das Gut des Konrad genannt Stölger als Lehen<br />

des hochadeligen Wernher von Zimmern. Dabei sind als<br />

Zeugen angegeben: Herr Heinrich der Leutpriester von<br />

Haigerloch, den man nennt Mile, Herr Berchtold von<br />

Giselingen, der Vogt Heinrich Kretz. Bruder Heinrich<br />

der Vingeier, (der adelige) Rudolf Vinke, Diet(rieh) von<br />

Rangadingen, Herr Rigger Schebeli, Herr Gerung Hagge,<br />

Herr Volmer von Dornh* n usw. Geschehen zu Oberndorf<br />

im Haus des I igger Schebeli 8 . Die Bearbeiter des<br />

Urkundenbuchs vermuten zwar in diesem Diet von Rangadingen<br />

einen Oberndorfer Bürger. Aber in der Urkunde<br />

steht nichts davon, vielmehr ist er unter den Herren eingereiht.<br />

Ich möchte in ihm den Ortsherren von Rangendingen<br />

vermuten, den Gemahl der Mächtild!<br />

Am 1. Februar 1282 ist ein Bur(-kart) von Rangadingen<br />

erwähnt, der früher als Bürger von Horb einen Hof in<br />

dem bei Nordstetten gelegenen Buch (heute Buchhof) als<br />

Lehen des Klosters Reichenau besaß Es dürfte derselbe<br />

sein, der am 24. Februar 1277 zu Horb als „3«r(-kart)<br />

genannt von Rangadingen" Zeuge für das Kloster Kirchberg<br />

betr. Besitz zu Empfingen ist I0 . Vielleicht war er der<br />

Vater des DieW- ich) von Rangendingen. Wir wissen es<br />

nicht sicher. Nebenbei sei erwähnt, daß 1295 auch ein<br />

Angehöriger des schon um 1130 nachweisbaren Hechinger<br />

Adels, nämlich Walther von Hechingen, zur Johanniterkommende<br />

Rottweil gehörte<br />

Schon glfc.ch nach 1200 ersehe- it ein Wernherus de Rangendingen,<br />

der ein St. Galler Lehen hatte (vgl. den Rangendinger<br />

K'rchenheiligen St. Gallus!) und jährlich an das<br />

schweizerische Kloster bzw. dessen ] Jinghof zu Tailfingen<br />

einen Schilling Lehenzins entrichtete 12 . Freilich ist hier<br />

nicht ganz sicher, ob es sich tatsächlich um einen Adeligen<br />

handelte, oder um einen, der ebenvon Rangendingen kam.<br />

31


Die Tonnermühle zu Rangendingen wird 1299 erwähnt,<br />

die Familie Storker hat den Vornamen Konrad und Kraft<br />

im Jahr 1300 mit einem Guitemansgut, wobei Volkart<br />

von Owingen, Berthold von Dettingen und ein Ganusser<br />

von Haigerloch als Zeugen fungierten ls .<br />

Zum Rangendinger Adelsgeschlecht hat Staatsarchivdirektor<br />

Dr. Eberhard Gönner noch weitere Urkunden ausfindig<br />

gemacht, die sehr aufschlußreich sind:<br />

Am 31. Dezember 1312 beurkundete Dietrich, Cunrads<br />

Sohn von Berne, als Vogt der Kinder seiner (namentlich<br />

nicht genannten) Schwester 13 *, nämlich Burkart, Sifrit,<br />

Peter und Mechtild, daß diese auf alle Ansprüche auf die<br />

Güter, welche ihre Urahne, Frau Mächtild selig von Rangadingen,<br />

hinterlassen hat, zu Gunsten des Klosters Kirchberg<br />

gegen Empfang von 35 Pfund Heller verzichten.<br />

Bürgen waren Ritter Cunrad von Wytingen, Cunrad von<br />

der Waltstraße, Hermann Haugg und Friedrich Branthoch,<br />

Bürger zu Rottweil. Es siegelten die Aussteller und<br />

der erste Bürge. Datum Rottweil, am ewich Abend 1312 14 .<br />

Somit war jetzt die äitere Mächtild von Rangenr^ngen<br />

nicht mehr am Leben. Die eben genannte Mechtild, me<br />

junge, finden wir hier mit ihren Brüdern, und wieder<br />

am 24. Oktober 1324. An diesem Tage verkaufte „Mechtild<br />

von Rangendingen genannt von Bern" ans Kloster<br />

Kirchberg ihr Gut zu Ergenzingen um 20 Pfund Heller<br />

und setzte zu Bürgen ihre Brüder Burkart SifrIt und Peter<br />

von Bern. Es siegelte die Stadt Horb 15 . Es handelt si-h<br />

zweifellos um die gleichen Geschwister wif m der Urkunde<br />

von 1312.<br />

Bern hiels ehemals eine Burg am Neckar im Norden der<br />

Gemarkung Rottweil. Der Adel, der sich nach ihr nannte,<br />

führte im geteilten Schild einen mit drei L ; lenhütchen belegten<br />

Schragbalken 18 .<br />

Eine weitere Urkunde aus dem Kloster Kirchberg liegt in<br />

Stuttgart: Am 11. April 1325 verkauften Burkart von<br />

Bern, seine Brüder Syfrid und Peter, sowie seine Schwester<br />

Mechtild ans Kloster Kirchbeig ihren Laienzehnten zu<br />

Ergenzingen mit Einwilligung des Grafen Hein: ich von<br />

Fürstenberg, von dem der Zehnte Lehen ist, um IJO<br />

Pfund Heller und setzten zu Bürgen: Alb recht von Ergenzingen,<br />

Benze den Gemach und Albrecht den Bossinger.<br />

Siegler ist wiederum die Stadt Horb<br />

Die jüngere Mechtild, die 1324 als „von Rangendingen,<br />

genannt von Bern" auftritt, dürfte mit einem Herrn von<br />

Rangendingen, etwa obigem Heinrich („von Lindach")<br />

verehelicht gewesen sein. Oder wohnte sie lediglich auf<br />

der Burg Rangeridingen?<br />

Gemahl und Sehn der älteren Mächtild von Rangendingen<br />

waren vielleicht in dem Treffen bei Lei. stetten-Oberndorf<br />

im April 1298 umgekommen, wo Graf Albrecht von Haigerloch-Hoheiiberg,<br />

der Minnesänger, mit 350 Getreuen<br />

den Tod fand, während 500 Mann l i Gefangenschaft des<br />

Herzogs Otto von Bayern gerieten, der für König Auolf<br />

von Nassau stritt 18<br />

Nebenzweige der Familie von Rangendingen scheinen früh<br />

in die Städte gezogen zu sein. Im Jahre 1330 finden v ir<br />

die Bürger „Engeli und seinen Vater Heinrich die Rangendinger"<br />

zu Balingen 19 Ein Hans Schwager und Aberli<br />

(Albrecht) Rangendinger, Bürger zu Rottenburg, verkauften<br />

1384 ihr Haus daselbst. Von 1430 bis 1453 läßt sich<br />

ein Konrad Rangendinger als angesehenes Ratsmitglied zu<br />

Rottweil feststellenAlberti bildet das Wappen dieses<br />

Konrad von 1446 ab: Im Schild sieht man den Kopf, den<br />

Vorderrumpf und die Vorderbeine eines Widders oder<br />

Rams mit gewundenen Hörnern 21 . Im Jahre 1460 besaß<br />

das Kloster Alpirsbach in Engstlatt den Rangendmgers-<br />

Hof, der wohl auf einen Herrn von Rangend --igen zurückgeht<br />

22 .<br />

32<br />

E' i gleiches Wappenbild führten übrigens auch „die Man<br />

von Hurningen" (dem benachbarten Hin ; ngen) und die<br />

verwandten Hürning 2S . Ein Kunz Hurninger mit dem<br />

Widderwappen findet sich 1356-1363 zusammen mit dem<br />

Edelknecht Wernher dem Boller in der Umgebung des<br />

Grafen von Zollern. Ein Edelmann Hans Hurning war<br />

um 1390 Kirchherr zu Weilheim bei Hechingen und starb<br />

vor 1406. Nach einer Notiz 24 wäre er schon 1334 nachzuweisen,<br />

was Zweifel erregt. Fritz Hurning wird 1344—<br />

1360 im Gefolge der Zollergrafen erwähnt. Irmgard von<br />

Hurningen war 1385 und 1411 Klosterfrau zu Reuthin<br />

bei Wildberg und Jörg von Hurningen 1456 Pfarrer zu<br />

Rottenburg.<br />

Da diese Sippe Rangendinger, Hurninger, Man von Hurn<br />

.rgen das gleiche Wappen wie die Herren von Magenbuch<br />

führten, scheinen sie mit diesen zusammenzugehören,<br />

aber keine direkten Nachkommen der Mächtild von Rangendingen<br />

von 1311 zu sein, vielmehr weitläufige Verwandte.<br />

Oder sie gehörten einer früh abgespaltenen Linie<br />

an. Sie mögen t< "'s auf der Burg Rangendingen, teils in<br />

F 'rrlingen seßhaft gewesen sein. Hierzu möchte ich auch<br />

ijnen Pfarrer Eberhard von Rangendingen rechnen, der<br />

im Jahre 1363 seine wahrscheinlich von anderer Seite best.<br />

ttene Pfarrei Weiidorf bei Haigerioch vom Papste in<br />

Avignon bestätigt erhielt 2S . Allerdings könnte es sich einfach<br />

um einen Geistlichen gehandelt haben, der aus Rangenaingen<br />

kam, also nicht adelig war.<br />

Die Ritterburg Rangendingen auf dem Kapf ist längst<br />

zerfallen und vergessen. Die Steine sind wohl schon vor<br />

Jahrhunderten zum Bau von Weinbergmauern am Berghang<br />

weggeholt. Von den adeiigen Herren wußte niemand<br />

mehr. Aber wie der Gedenkstein auf der „Haoburg"<br />

den Besucher zum Grübeln and Träumen über eine verschwundene<br />

keltische Volksburg an diesem Platz anregen<br />

kann, so mögen auch i"ese Zeilen die Erinnerung an die<br />

einst '.lier wohnhaft gewesenen adeligen Herren von Rangendingen<br />

bewahren und an längstvergangene Zeiten erinnern.<br />

Jok. Adam Kraus<br />

Anmerkungen:<br />

1<br />

f'estschril t des Sängerbundes Rangendingen 1968, S, 88.<br />

2<br />

riol 'nzollerische Heimat 1968, S. 46; Hohenzoll. Zeitung,<br />

Hechingen: 6. 9. 68.<br />

4<br />

i.exikon für Theologie und Kirche von Buchbeiger, 1933 Bd. 5,<br />

544 f; und Johann Wetze!, Geschichte der katholischen Kirche in<br />

Hohenzollem; 1928, S. 59<br />

* Zoller<strong>heimat</strong> 1941, S. 13-16.<br />

s<br />

Kottweiler Urkundenbuch, 1896, S. 655.<br />

8 Wirtembergisdies Urkundenbuch 9, 301<br />

7<br />

Findbuch der Johanniterordens-Urkunden S. 331 („Rexingen") im<br />

Hauptstaatsarchiv Stuttgart.<br />

8 WUB 10, 229.<br />

® WUB 8, 379.<br />

10<br />

WUB 8, 15.<br />

" Rottweiler UB S. 652.<br />

« WUB 5, 397.<br />

« WUB 11, 186 und 395.<br />

ls<br />

a Die Unstimmigkeit, die sich aus dem Wort Schwester ergibt, kann<br />

ich nicht lösen. Meines Ei achtens müßte es hier seines „Bruders"<br />

heißen!<br />

14<br />

Kirchberger Kopialbuch II. S. 24: Hauptstaatsarchiv Stuttgart.<br />

15<br />

Findbudi zu Kloster Kirchberg: Hauptstaatsarchiv Stuttgart.<br />

18<br />

v Alberti, Württ. Adels- und Wappenbuch I, S. 49.<br />

17<br />

Hauptstaatsarchiv Stuttgart B 462, Nr. 181; Fürstt-nbg. UB III,<br />

Nr. 184, 2.<br />

is Hodler, Gesch. d. OAHaigerloch, 1928, S. 72; Karl v. Mareens,<br />

Gesch. d. kriegerischen Ereignisse i. Württbg. 1847, S. 5C-51.<br />

19<br />

Urk. Nr. 81 des Klosters Stetten: Hotz. jHeft 1955 Anhang.<br />

20<br />

Rottweiler UB: Register.<br />

« v Alberti II. S. 613.<br />

22<br />

Kreisbesdireibung Balingen II, 636.<br />

28<br />

Stettener Urkunden: Register (Note 19).<br />

24<br />

OAB Rottenburg, 1900, Bd II, S. 203.<br />

25<br />

K. Rieder, Römische Quellen zur Konstanzei Bistumsgeschichte,<br />

1908, Nr. 437.


JOSEF MÜHLEBACH<br />

WALTHER FRICK<br />

HÖH ENZOLLERISCHE<br />

HEIMAT<br />

20. Jahrgang 1970 Nr. 3<br />

Schloß Achberg. Prospekt des Schlosses. Tuschzeidinung Ende 18. Jh<br />

Die Exklave Achberg gehört seit dem 1. Januar 1969<br />

nicht mehr zu Hohenzollern, der Begriff der „Exklave"<br />

ist damit erloschen. Im Zug der ersten Bereinigung der<br />

Kreisgrenzen wurde dieses kleine Ländchen, wie man es<br />

wohl nennen darf, von dem rund hundert Kilometer entfernt<br />

liegenden Sigmaringen als Kreisstadt abgetrennt und<br />

dem Landkreis Wangen zugeteilt. Der Kommunallandtag<br />

hat Achberg ein fürstliches Abschiedsgeschenk gemacht<br />

und dazu sogar Schulden bei der Hoh<strong>enzollerische</strong>n Landesbank<br />

aufgenommen: Achberg bekam eine ordentliche<br />

Straße gebaut. Der Kuriosität halber sei erwähnt, daß<br />

der liebliche Flecken, nahe bei Lindau, den preußischen<br />

König Friedrich Wilhelm IV. bei se -iem ersten Besuch<br />

(nachdem mit Hohenzollern auch Achberg preußisch geworden<br />

war) so gut gefiei, daß er sich entschloß, dort<br />

ein Sommerschloß zu bauen. Er hatte sich sogar schon ein<br />

Grundstück dazu ausgesucht, aber aus dem Plan ist später<br />

nichts geworden. Eine andere Kuriosität ist die, daß Hohenzollern,<br />

solange Achberg dazu gehörte, unter den hopfenbauenden<br />

Landkreisen Baden-Württembergs aufgezahlt<br />

wurde, neben Ravensburg und Tettnang. Auf Achberger<br />

Äckern sind etliche Hektar mit Hopfen bepflanzt. Außer-<br />

Abschied von Achberg<br />

Herausgegeben com<br />

4P 3828 F<br />

Hohenzollerifchen Gefchichteoerein<br />

in Verbindung mit öen<br />

Staatlichen Schulämtern Hechingen<br />

unö Sigmaringen<br />

dem wurde auch der Sigmaringer Kreistag gelegentlich<br />

gehört, wenn an der Argen, die durch Achberg fließt,<br />

wasserbauliche Veränderungen durchgeführt werden sollten.<br />

Dies war vor kurzen Jahren der Fall, wobei allerdings<br />

das geplante Großkraftwerk zu bauen unterblieb;<br />

es hätte den schönen und unverbauten Fluß verwüstet.<br />

Als Achbergs Abschiedsstunde letztes Jahr geschlagen<br />

hatte, schrieb der damals noch amtierende, inzwischen<br />

pensionierte Landesverwaltungsrat Josef Mühlebach ein<br />

Exzerpt aus der Geschichte und der Lage Achbergs. Die<br />

Redaktion dieses Blattes hielt es für selbstverständlich,<br />

wenn auch mit einiger Verzögerung, Achberg ein Abschiedswort<br />

zu schre; Jen und die Ausführungen Mühlebachs<br />

Iner abzudrucken. Selbstverständlich bleibt die ehema'<br />

ic Deutschordensherrschaft weiterhin als Ausflugsziel<br />

für jedermann erhalten, und wir empfehlen eine<br />

Reise dorthin sehr warm. Wer darüber hinaus mit der<br />

Geschichte des Schlosses Achberg und seinen Kunstschätzen,<br />

auch mit den übrigen Bau- und Kunstdenkmälern<br />

sich näher vertraut machen will, sei auf die „Kunstdenkmäler<br />

Hohenzollerns", Band Sigmaringen, verwiesen.<br />

Achberg iot dort ein bre.'.er Raum gewiamet. Fr ick<br />

33


AUS DER GESCHICHTE DER EHEMALIGEN<br />

HERRSCHAFT UND SPÄTEREN EXKLAVE<br />

ACHBERG<br />

Allgemeines:<br />

Wenn man von der Exklave Achberg spricht, muß man sich<br />

zunächst daran erinnern, daß Achberg - im Gegensatz zu<br />

allen anderen hoh<strong>enzollerische</strong>n Exklaven - den Namen<br />

nicht von einer Gemeinde Achberg, sondern von der ehemaligen<br />

Herrschaft und dem Schloß Achberg herleitet.<br />

Die Exklave Achberg, ein anmutiger, kleiner Fleck Erde<br />

von ca. 1298 Hektar mit 1000 Einwohnern, zwei Wanderstunden<br />

vom Bodensee entfernt und von Württemberg<br />

und Bayern umschlossen, bildet den südlichsten Teil Hohenzollerns<br />

und war bis 1945 der südlichste Teil von<br />

Preußen überhaupt.<br />

Die Gesamtgemeinde besteht aus den Pfarrdörfern<br />

Esseratsweiler und Siberatsweiler - Siberatsweiler wird<br />

seit einiger Zeit von Esseratsweuer aus pastoriert - und<br />

den Weilern und Höfen Achberg, Bahl gs, Bufflings,<br />

Baindt, Doberatsweiler, Duznau, Frauenreute, Siggenreute,<br />

Isigatsweiler, Liebenweiler, Scheibenhof, Pechtensweiler,<br />

Englitz, Regnitz, Storeute.<br />

Aus der Siedlungsgeschichte:<br />

Die Alemannen sind in das südliche Oberschwaben in<br />

größerer Zahl erst eingezogen, als die Hundertschaften<br />

und Sippen bereits ihre Bedeutung im öffentlichen Leben<br />

verloren hatten. Sie haben sich also erst in späterer Zeit<br />

im Bodenseegebiet angesiedelt, als im übrigen Schwaben.<br />

Ihre Wohnstätten waren vor allem Einzelsiedlungen, die<br />

den Namen des Gründers erhielten. Manche dieser Siedlungen<br />

wuchsen dann durch Teilung oder durch Anschluß<br />

neuer Siedler allmählich zu dorfähnlichen Weilern aus.<br />

Auch gab es, neben Siedlungen von bloß wenigen Höfen,<br />

schon von Anfang an eigentlich Dorfsiedlungen. All diese<br />

Siedlungsarten dürften auch in Achberg vorgekommen<br />

sein.<br />

Jetzt noch bestehen Buffliags und Engntz nur aus je einem<br />

Hof. Mehrere Niederlassungen umfassen zwei bis sieben<br />

Höfe. Doberatsweiler, Esseratsweiler, Pechtensweiler und<br />

Sieberatsweiler waren vielleicht schon ursprünglich Dorfsiedlungen<br />

oder vergrößerten sich wenigstens im Laufe<br />

der 2eit zu solchen. Gar häufig finden sich die Orte auf<br />

weiler, die für unser Gebiet charakteristisch sind ähnlich<br />

•wie die ngen-Orte in Schwaben und die im allgemeinen<br />

wohl zu den frühesten Gründungen zu rechnen sind. In<br />

Achberg sind es deren sieben unter 14 alten Siedlungen.<br />

Außerdem haben vier Wohnplätze: Bahlings, Bufflings,<br />

Englitz und Regnitz, das Grundwort weiler oder hofen<br />

verloren und bieten nur noch den Personennamen Genitiv.<br />

Bahlings bedeutet also Weiler oder Hof des Paldine<br />

(Pald), Bufflings: Weiler oder Hof des Buff, Englitz:<br />

Hof des Engelhart und Regnitz: W 1er oder Hof des<br />

Regnolz.<br />

Der am frühesten genannte Ort Achbergs ist Pechtensweiler<br />

Im Jahre 839. Es folgen Sieberatsweiler im Jahr 860,<br />

Esseratsweiler im Jahre 1122 und Regnitz als Regnolz um<br />

1200. Der Name Achberg wird erstmals im Jahre 1194<br />

genannt.<br />

Die Herrschaftsfolge:<br />

Unter der fränkischen Herrschaft - nach 536 - wurde<br />

Alemann :n in Grafschaftsgebiete eingeteilt, die dann<br />

unter den Karolingern eine feste Abgrenzung erhielten.<br />

Bei der Gaueinteilung kam Achberg zum Argengau. Aus<br />

dem Argengau entwickelte i.-h d: a Herrschaft Tettnang.<br />

Die Herrschaft Tettnang steht im 12. Jahrhundert im<br />

Besitz des Bregenzer Grafenhauses und geht Ende des-<br />

34<br />

selben an die Tübinger Pfalzgrafen über, die wenig später<br />

als Zweiglinie das Haus Montfort begründeten. Erster<br />

Besitzer der Burg Achberg mit Zubehör war ein gleichnamiges<br />

niederadliges Geschlecht. Später erscheinen Truchsessen<br />

von Waldburg in deren Besitz und verkaufen sie<br />

1335 an die Herren von Molpertshausen; 1352 trägt Hans<br />

von Molpertshausen die Herrschaft an Österreich zu<br />

Lehen auf. 1366 kommt die Herrschaft im Erbgang an<br />

die Familie Oeder, von dieser durch Heirat einer Erbtochter<br />

1412 an die Herren von Königsegg zu Königseggberg,<br />

von diesen 1530 an die verwandten Herren von Sürgenstein.<br />

Achberg kommt an den Deutschen Orden<br />

1691 verkauft Johann Franz Sürgenstein wegen großer<br />

Schuldenlast Adlberg um 65 000 fl an den Landkomtur<br />

Franz Benedikt Freiherr von Baden zu Altshausen. Die<br />

Huldigung für den neuen Herrschaftsträger erfolgte 1693.<br />

Von da ab gehörte die Herrschaft Achberg zum Gebiet<br />

des Deutschen Ordens, näherhin zur Bailei Elsaß und<br />

Burgund. Landesherr war der jeweilige Landkomtur dieser<br />

Bailei, der seinen Sitz in Altshausen hatte. Von der<br />

Erwerbung der Herrschaft bis zur Auflösung des Ordens<br />

1806 - nach der Säkularisation - regierten über Achberg<br />

neun Landkomture.<br />

Achberg kommt zum Fürstentum Sigmaringen, später<br />

zum Oberamt und Kreis Sigmaringen<br />

Im Jahre 1809 - nach den napoleonischen Kr' ;gen - hob<br />

Napoleon den Deutschen Orden in allen Staaten der<br />

Rheinbunde auf und überwies die Ordensbesitzungen den<br />

Fürsten, in deren Gebieten sie lagen. Zwar nahm 1806<br />

Bayern die Herrschaft Achberg in Besitz, doch wurde<br />

diese im gleichen Jahr durch die Rheinbundakte dem<br />

Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen zugesprochen. Das<br />

Fürstliche und Preußische Obervogteiamt Achberg blieb<br />

bis 1854 bestehen, dann wurde das Gebiet dem Oberamt<br />

und späteren Kreis Sigmaringen zugeteilt.<br />

Durch all diese gescb itlichen Wandlungen hindurch ist<br />

Achberg zu einem, wenn auch kleinen, so doch einheitlichen<br />

und geschlossenen Herrschaftsgebiet gewachsen und<br />

hat seine Eigenart Jahrhunderte hindurch gewanrt.<br />

Das Achberger Schloß<br />

Das Schloß Achberg steht auf der Stelle einer schon 1335<br />

urkundlich erwähnten Burg. Überreste einer mittelalterlichen<br />

Burg treten an den unteren Schloßmauern nach<br />

Osten und Südosten so-»- m Unterbau des Schloß türmchens<br />

zu Tage. Die Erbauungszeit des heutigen Schloßbaues<br />

ist unbekannt. Man kann sie wohl in das 16. Jahrhundert<br />

datieren. Nach Erwerbung der Herrschaft im<br />

Jahre 1693 ließ der Landkomtur Franz Benedikt Freiherr<br />

von Baden das Schloß durch Um- und Ausbau<br />

modernisieren.<br />

Das Achberger Schloß - es gehört dem Fürsten von Hohenzollern<br />

- bietet geschichtlich und kunstgeschichtlich<br />

dem aufmerksamen Besucher beachtenswerte und interessante<br />

Gestaltung und Ausstattung einer ehemaligen<br />

Deutschordenskommende. Hier seien nur erwähnt das<br />

Portal, ein von toskanischen Halbsäulen flankiertes Rundbogentor<br />

mit Wappenaufsatz, die Kapelle, der Rittersaal<br />

mit reich stukkierter Barockdecke und das Glockentürmchen<br />

am Hoftor, aufgesetzt auf einen Brunnenkranz.<br />

Noch eine geschichtliche Erinnerung:<br />

Der Achberger Eroberungszug im Jahre 1866<br />

Mit dem Übergang Hohenzollerns an Preußen im Jahre<br />

1849/50 kam auch Achberg an den preußischen Staat und<br />

bl'-lete, wie oben schon bemerkt, dessen südlichsten Teil.


Am 6. Oktober 1856 besuchte König Friedrich Wilhelm<br />

IV. das neu erworbene Achberg, das ihm so gut gefiel,<br />

daß er willens war, auf dem ihm zu Ehren „Königsbühl"<br />

genannten Berg gegenüber dem Schloß eine Villa zu erbauen.<br />

Der Plan kam aber nicht zur Ausführung. Zehn<br />

Jahre später, 1866, erfolgte ein anderer Besuch in Achberg.<br />

Nach Ausbruch des Krieges traf am 20. Juni unter<br />

Führung des Advokaten Bekh ein Dutzend jüngerer Lindauer,<br />

zum Teil bewaffnet, in Esseratsweiler ein, um Achberg<br />

für Bayern in Besitz zu nehmen. Hierbei wurde u. a.<br />

eine Proklamation verlesen und erklärt, daß Achberg nun<br />

zu Bayern gehöre, das Bild von Bismarck an die Ortstafel<br />

angeheftet und verbrannt; bei der Rückkehr riß die<br />

Schar das preußische Hoheitszeichen an der Grenze um.<br />

Der Magistrat in Lindau und der Bezirksamtmann daselbst<br />

waren über diesen Eroberungszug weniger erfreut,<br />

HUBERT DECK<br />

Hohenzollern erhält Anschluß an das Eisenbahnnetz<br />

A. KLEINE CHRONIK DER<br />

HOHENZOLLERNBAHN<br />

I. Anfänge des Bahnwesens in Württemberg und Hohenzollern<br />

Als am 7. Dezember 1835 die erste Eisenbahn Deutschlands<br />

von Nürnberg nach Fürth eröffnet wurde, lag der<br />

Bau von Eisenbahnen in Württemberg und Hohenzollern<br />

noch in weiter Ferne. Erst am 18. April 1843 wurde ein<br />

Gesetz für den Bau von Eisenbahnen in Württemberg erlassen.<br />

In der ersten Bauperiode von 1844-54 entstand die<br />

Gesamtstrecke Heilbronn - Stuttgart - - Ulm - Biberach - Ravensburg-Friedrichshafen.<br />

Die erste württembergische<br />

Eisenbahn war die Strecke Cannstatt-Untertürkhcm, die<br />

am 22. Oktober 1845 fe rlich ihrer Bestimmung übergeben<br />

wurde<br />

Die zweite Bauperiode der württembergisdlen Eisenbahnen<br />

umfaßt die Zeit von 1857-1886. In dieser Zeit entstanden<br />

fasi alle Bahnen, d- Hohenzollern mit der großen<br />

Welt verbinden 2 .<br />

Bald nachdem die erste Eisenbahn Deutschlands zw .sehen<br />

Nürnberg und Furth verkehrte, hatten sich in Hohenzollern<br />

Bahnkomitees geb idet, die den Bau von Eisenbahnen<br />

planten. Freilich war in unserem kleinen Ländchen der<br />

Bau einer preußischen Staatsbahn ausgeschlossen. - Mehr<br />

als 30 Jahre lang beschäftigten sich die Bewohner Hohenzolierns<br />

mit dem Plan einer württembergischen Staatsbahn<br />

von Hechingen nach Sigmaringen über Burladingen.<br />

Zeitweise scheint d- ser Plan auch Aussicht auf Erfolg gehabt<br />

zu haben. Die württembergische Regierung lehnte<br />

ihn schließlich ab 3 .<br />

Am 7. März 1857 versammelten sich in Hechingen „Kommissionen"<br />

von Barngen, Eomgen, aus dem Steinlachtale<br />

und aus Hechingen, um die „nötigen" Schritte in der<br />

Eisenbahnfrage zu beraten. Die Gremien beschlossen, ihre<br />

Vorschläge an die Königlich Preußische Regierung einerseits<br />

und an der Königlich Württ. Regierung andererseits<br />

zur Prüfung einzureichen 4 .<br />

Ein Eisenbannkomitee in Ebingen und Balingen arbeitete<br />

wenig später zielbewußt darauf hin, eine Bahnlinie von<br />

Reutlingen oder Tübingen über Hechingen zu erlangen<br />

Ihre Vorschläge und Pläne finden sich in der großen<br />

Denkschrift vom Tahre 1863 5 .<br />

Doch der Bau dieser Linie ließ noch einige Zeit auf sich<br />

warten. Schuld daran war in erster Linie die mangelnde<br />

da sie unangenehme Weiterungen befürchteten. Es wurde<br />

gegen die Teilnehmer wegen ungesetzlicher Bewaffnung<br />

gerichtliche Klage erhoben. Sie wurden in erster Instanz<br />

freigesprochen, dagegen verurteilte das Appellgericht fünf<br />

Teilnehmer zu Gefängnisstrafen. Der oberste Gerichtshof<br />

in München hob aber das Urteil auf und erkannte auf<br />

Freisprechung aufgrund des Friedensvertrages vom<br />

22. August, der bestimmte, „daß kein Untertan der Könige<br />

von Preußen und Bayern wegen seines Verhaltens<br />

während des Krieges verfolgt, beunruhigt oder in seiner<br />

Person oder seinem Eigentum beanstandet werden solle".<br />

Damit war die Sache endgültig abgetan.<br />

Die reiche Geschichte Achbergs, die hier nur skizzenhaft<br />

dargestellt werden kann, schließt für Hohenzollern mit<br />

dem Übergang der Exklave Achberg zum 1. Januar 1969<br />

an den Landkreis Wangen. Josef Mühlebach<br />

Verständigung Württembergs mit Preußen. Denn Württemberg<br />

sah wohl, daß die Bahnlinie Tübingen-Hechingen-Balingen-Sigmaringen<br />

die kürzeste Verbindung zur<br />

Schweiz darstellen würde. Für den Verkehr mit c._ :sem<br />

Land waren jedoch von Württemberg die Hauptlandesbahn<br />

und die Oberneckarbahn gebaut worden.<br />

Die sogenannte Hauptlandesbahn, heute die Hauptstrecke<br />

Heilbronn-Stuttgart-Ulm-Friedrichshafen, wurde einst<br />

so gebaut, daß sie die damaligen Haupthandelsplätze des<br />

Königreichs Württemberg miteinander verband 6 .<br />

1. von Stuttgart über Ulm an den Bodensee;<br />

2. von Stuttgart über Urach an den Bodensee;<br />

3. von Stuttgart über Reutlingen an den Bodensee;<br />

4. von Stuttgart über TÜDingen-Hechingen-Balingen-<br />

Tuttlingen-Schaff hausen nach Zünch ersetzte wohl die<br />

drei ersten, nicht aber die letzte. Und gerade diese, im<br />

Volksmund „die Schwt ^erstraße" genannt, war die<br />

bedeutendste und älteste von allen 1 ,<br />

Das württembergische Eisenbahnnetz entwickelte sich weiter.<br />

So entstand das dringende Bedürfnis, dem großen,<br />

bis dahin unberücksichtigten Länderteil an der westlichen<br />

Seite der Hauptlandesbahn eine Eisenbahnlinie zu verschaffen.<br />

ie sollte den lebhaften Handei auf der Scnweizerstraße<br />

ersetzen. So wurde die Oberneckarbahn geplant<br />

und schließlich gebaut.<br />

Die Oberneckarbahn verläßt bei Plochingen die Hauptlaridesbahn,<br />

folgt dem Lauf des Neckars über Nürtingen<br />

- berührt Metzingen und Reutlingen und erreicht schließlich<br />

Tu Di ngen - Rottenbürg und Horb 8 .<br />

Im Jahre 1863 war diese Bahn bis Horb fertiggestellt. Von<br />

hier ab hing der Verlauf der Bahnlinie von den Verhandlungen<br />

mit Preußen ab: Entweder diS Bahnlinie führt<br />

durch hohenzolierisches Gebiet - oder sie umgeht das hoh<strong>enzollerische</strong><br />

Preußen und nimmt große Terrainschwierigkeiten<br />

auf sich, um über Schopflodi die Stadt Sulz zu<br />

erre'iien. Von hier aus sollte der Bahnkörper nach Rottweil<br />

und von dort entweder über Schwenningen nach Villingen<br />

führen oder nach SpaiJiingen und von dort weiter<br />

nach Tuttlingen 15s zum Knotenpunkt Singen 9 .<br />

Dieser Zugrichtung stellten die Verfechter der heutigen<br />

Hohenzollernbahn, das Bahnkomitee von Hechingen und<br />

Balingen, den Weg der altbewährten Schweizerstraße gegenüber.<br />

Nur die Städte Tübingen-Rottweil und Tuttlin-<br />

35


gen sind die Punkte, in denen sich die Oberneckarbahn und<br />

die Schweizerstraße berühren.<br />

Man muß sich fragen, warum Württemberg beim Bau der<br />

Oberneckarbahn nicht der Schweizerstraße folgte.<br />

a) Nach der Meinung Württembergs sollte die Oberneckarbahn<br />

nicht nur den Verkehr zur Schweiz, sondern<br />

daneben noch den Lokalverkehr vermi teln.<br />

b) Die reichen Wasserkräfte des Neckars von Rottenburg<br />

bis Schwenningen mußten berück iitigt werden, da in<br />

ihnen eine „Quelle des blühenden gewerblichen Lebens<br />

verborgen liege." In der Tat war jedoch in jener Zeit<br />

in den westlich von Tübingen gelegenen Gebieten, die<br />

von der Oberneckarbahn berührt wurden, i its zu bemerken.<br />

- Dagegen war für den Oberamtsbezirk Balingen<br />

mit dem industriere hen Ebingen eine Bahn<br />

nicht nur notwendig, sondern „geradezu eine Lebensfrage."<br />

d) Der hauptsächliche Grund, warum man n :ht der alten<br />

Schweizerstraße folgte, war der Wunsch Württembergs,<br />

die Bahn ausschließlich aaf seinem Gebiet zu führen 10 .<br />

Wir sehen, daß damals ein Eisenbahnprojekt immer m :hr<br />

in den Vordergrund trat, das all das befriedigen sollte,<br />

was die Oberneckarbahn nur unbefriedigend gelöst hatte.<br />

Die preußische Regierung setzte sich vergebens .anrelang<br />

für den Bau einer Eisenbahn ein, zunächst von Tübingen<br />

oder Reutlingen nach Hechingtn, sei es teilweise auf ihre<br />

Kosten oder sei es auf Kosten des Württembergischen<br />

Staates. Schließlich setzte Preußen Württemberg unier<br />

Druck. Württemberg sollte, falls es seine Oberneckarbahn<br />

durch preußisches Gebiet führe, eine Zweigbahn nach Hechingen<br />

bauen. Württemberg erklärte sich einverstanden<br />

mit dem Bau einer Bahn von Bieringen oder Reutlingen<br />

bis Hechingen. Diese Zweigbahn sollte 'sdoch ohne Zustimmung<br />

Württembergs in Hohenzollern nicht weiter gebaut<br />

werden dürfen<br />

Auf all diese Bedingungen wäre Preußen unter Umständen<br />

eingegangen, aber nicht auf den Verzicht, im eigenen<br />

Lande auf ewige Zeiten keine Bahn ohne die Zustimmung<br />

Württembergs bauen zu dürfen. Dieser Verzicht wäre nach<br />

Ansicht Preußens mit seiner Staatslehre und Wirtschaftspolitik<br />

nicht zu vereinbaren gewesen. Es würde somit die<br />

Entscheidung über eine der wichtigsten Lalldesinteressen<br />

Hohenzollerns auf ewige Zeiten aus der Hand geben und<br />

in die eines zwar benachbarten aber dennoch fremden<br />

Staates legen 12 .<br />

Es ist inceressant wie das damalige kleinstaatliene Denken<br />

sich auf das Verkehrswesen auswirkte und was für psychologische<br />

Schwierigkeiten zu überwinden waren.-Württemberg<br />

suchte vergeblich seine Bahn aus dem preußischen<br />

Gebiet herauszuhalten. Nach den damaligen Berechnungen<br />

hätten die Anlagekosten der Verlängerung rund 2,5<br />

Millionen Gulden gekostet (Bayern hatte, um mu seiner<br />

Augsburger-Lindauer 12 Millionen Gulden aufgewendet)<br />

13 .<br />

Die Instandhaltung d:' ser Strecke hätte jährlich enorme<br />

Summen verschlungen. Die Bahn hätte sich nicht rentiert.<br />

Nach all dem wird klar, daß das größte Hindernis für den<br />

Bau der Hohenzollernbahn zunächst die mangelnde Verständigungsbereitschaft<br />

Württembergs mit Preußen war.<br />

Schließlich sah man ein, daß beide Teiic 'm gegenseitigen<br />

Einvernehmen den größten Gewinn erzielen würden. Man<br />

setzte sich deshalb an den Verhandlungstisch, kam sich<br />

näher und unterzeichnete am 3. März 1865 den Eisenbahnvertrag<br />

zwischen Berlin und Stuttgart<br />

Er verpL' -htete Württemberg zum Bau der sogenannten<br />

„Hohenzollernbahn" (Linie Tübingen-IIechingen-Balingen-Ebingen-Sigtnaringen).<br />

36<br />

II. Zum Bahnbau<br />

Die Strecke Tübingen-Hechingen wurde von Oberbaurat<br />

v. Gaab, ab Hechingen nach Sigma ngen von Oberbaurat<br />

Schlierholz erbaut (Schlierholz erhielt neben zahlreichen<br />

Ehrungen auch das Ehrenburgerrecht der Stadt Sigmaringen<br />

lä ).<br />

Im Dezember 1866 begannen die Bauarbeiten der Tei. •<br />

strecke Tübingen-Hech 'igen, die am 29. Juni 1869 feierlich<br />

eröffnet wurde. Das Baubüro für diese Strecke, das<br />

während des letzten Krieges leider abbrannte, stand an<br />

der Stelle des heutigen „Dienstwohngebäudes der DB".<br />

Wenige Meter daneben steht noch heute eine ausgediente<br />

Bahnschlosserei aus jener Z_.t 16 .<br />

Vier Jahre war Hechingen ein Sackbahnhof bis die<br />

Fortsetzung Hechingen-Balingen am i. August 1874 dem<br />

Verkehr übergeben wurde 18 . Dieser Bauabschnitt wurde<br />

durch den Deutsch-Französischen Krieg verzögert. Komplikationen<br />

beim Bau dieser Trasse gab es zwischen Bai<br />

ngen und Ebingen. — „Die ungeheuer schwierige und<br />

teure Trasse von Balingen nach Ebingen durch den Untergrund<br />

aus tonigem Material und aus Gehängeschutt des<br />

braunen Jura erforderte größere Bauten" 19 .<br />

Am 4. Juli 1878 war m v der Eröffnung der Te 1 itrecke<br />

Sigmaringen-Balingen die Gesamtstrecke der Hohenzollernbahn<br />

Tübingen-Sigmaringen vollendet 20 .<br />

Nach der damaligen Betriebsvorschrift durften der gesamten<br />

Hohenzollernbahn nur Geschwl__ ' : .gke : ien bis 65 km/h<br />

gefahren werden. Außerdem wurde ein sogenannter<br />

Schiebedienst für Personen- und Güterzüge von Balingen<br />

bis zur Wasserscheide bei Lautlingen angeordnet. Von der<br />

Donauscite her galt diese Vorschrift nur für Güterzüge<br />

zwischen Ebingen und der Wasserscheide .<br />

An Sigmaringen hat die Hohenzollernbahn Anschluß an<br />

die Donaubahn, die 1878 von Ulm über Inzigkofen fertiggestellt<br />

wurde. Bereits seit dem 27. Juli 1873 war Sigmaringen<br />

durch den Ausbau der Strecke Scheer-Sigmaringen<br />

mit Ulm in Verbindung. Die Bürger von Sigmaringen<br />

weihten diese Strecke gebührend ein: Tagwache mit Böllerschüssen,<br />

großer Festzug am Nachmittag, Ansprache des<br />

Bürgerme sters von der Vorhalle des Bahnhofes aus, Festmahl<br />

" n Gasthaus zum „Deutschen Haus" und zum Ab<br />

schluß: Festball im Gasthaus zur „Sonne" 22 .<br />

Am 26. November 1890 war mit der Eröffnung der<br />

Strecke Tuttlingen-Sigmaringen die Donaubahn vollendet<br />

23 . Da sie durch ein Gebiet führt, in dem man im<br />

voraus nur mit geringem Verkehr und dementsprechend<br />

geringer Rentabilität reennete 24 , zeigte Württemberg kein<br />

großes Interesse für diese Bahn, besonders nicht in ihrer<br />

Eigenschaft als Hauptbahn Das Reich plante aber für die<br />

Sicherung der Landesverteidigung eine Eisenbahnverbindung<br />

zwischen dem Oberelsaß und dem süddeutschen Hinterland<br />

durch den Neubau der badischen Bahn Schopf heim<br />

-Walbach- Säckingen -Hintingen, die ihre Fortsetzung<br />

durchs Donautal nehmen sollte 2ä . Aus strategischen Gründen<br />

wurde somit diese Strecke der Donaubahn mit Hilfe<br />

des Re'-hs, Württemberg und Preußens gleichfalls als<br />

Hauptbahn ausgeführt 20 .<br />

Seit dem 25. Juni 1875 besteht die Linie Pfullendorf-AItshausen<br />

mit der Station Ostrach 27<br />

III. Die HectoMger wollten ihren Bahnhof<br />

beim „Deutschen Kaiser"<br />

In der damals 3500 Einwohner zählenden Stadt Hechingen<br />

wurde vor Baubeginn darum gekämpft, den Bahnhof<br />

in die „Stadtmute" zu bekommen. Er sollte in der Nähe<br />

des heutigen Landratsamtes („Deutscher Kaiser") oder an<br />

der Stelle der heutigen Schloßbergschule erstellt werden.<br />

Mit den verschiedensten Argumenten argumentiert. Hier


stehen die meisten Fabriken, hier sei das stärkste Verkehrsleben,<br />

hier befinden sich alle öffentlichen Stellen.<br />

Diese Pläne werden jedoch nur von den Hechinger Wirtschaftsgruppen<br />

vertreten 28 . Die Techniker und Plangestalter<br />

haben sich nie ernsthaft damit befaßt. So wurde der<br />

Bahnhof an der Schrofen Steige erbaut. Zum Bahnhof gehörten<br />

das Postamt mit Stallungen, der Güterschuppen<br />

mit Anbauten für die Verwaltung und e \e Drehscheibe.<br />

/V, Zur Einweihung der Strecke Hcchmgen-TUhingen<br />

Am 29. Juni 1869 wurde die Strecke dem Verkehr übergeben.<br />

Auf Hochglanz poliert, reich mit Girlanden geschmückt<br />

und mit dem preußischen und dem württembergischen<br />

Wappen versehen, schnaubte das Dampfroß<br />

verheißungsvoll von Tübingen nach Hechingen. Auf dem<br />

blanken Messingschild lasen die Neugierigen „Ipf", den<br />

Namen der Lokomotive.<br />

Der 29. Juni war für die Bevölkerung aller anliegenden<br />

Gemeinden der neuen Bahnstrecke ein großer Freudentag.<br />

Überall hatte man Festlichkeiten organisiert. Nur den Hechingern<br />

wurde ein „Wermutstropfen in den Freudenbecher"<br />

geträufelt. In Württemberg hatte man immer noch<br />

nicht vergessen, daß man 1866 beim Abzug der württembergischen<br />

Besatzungsmacht von der Zollerburg aus mit<br />

einer im Wald versteckt gehaltenen „Nürnberger Feldschlange"<br />

hohnvoll zwölf Kanonenschüsse nachgesandt<br />

hatte. Die Württemberger verlegten daher den Schwerpunkt<br />

der Feierlichkeiten nach-Tübingen. Hechingen sollte<br />

leer ausgehen. Kurz entschlossen wurde ein eigenes Fest<br />

arrangiert und man hielt dieses den Württembergern zum<br />

Trotz nachträglich mit großem Souper in der Gastwirtschaft<br />

zum „Löwen" ab<br />

Die Personenwagen der Hohenzollernbahn waren in verschiedene<br />

Klassen eingeteilt. Außerdem trugen die Wagen<br />

der Königlich-Württembergischen Staatseisenbahnen ie<br />

stolz prangende Abkürzung: K. W. St. £.<br />

Ein Trillfinger Bäuerlein, so wird erzählt, sei einmal mit<br />

seiner Frau nach Hechingen gekommen. Am Staatsbahnhof<br />

sollen die beiden, nach einem passenden Wagen suchend,<br />

am Zug entlang gegangen sein. Da habe der Bauer<br />

die auf schwarzem Grund leuchtenden Buchstaben K. W.<br />

St. E. gesehen. Eine Weile schaute er ratlos auf die Buchstaben.<br />

Dann se. es wie ein Schein der Erleuchtung über<br />

sein Geslcffl gegangen. Er habe seine bessere Hälfte am<br />

Arm genommen und voll freudiger Begeisterung gesagt:<br />

D Hohenzollernbahn ischt halt doch vornehm! Guck au do<br />

nauf, Weib, do stohts io ganz groß, wo mer einsteige<br />

müsset: K. W. St. E. = Komm Weib, steige ei.<br />

B. KLEINE CHRONIK DER<br />

HOHENZOLLERISCHEN LANDESBAHN<br />

I. Bau der 4 Stichbahnen<br />

Wenige Jahre nach der Eröffnung der Hohenzollernbahn<br />

erwies es sich jedoch, daß sie nicht ganz di Hoffnungen<br />

erfüllte, welche man s"e gesetzt hatte. Die Linie war<br />

doch hauptsächL l unter dem Ge' chtspunkt gebaut worden,<br />

die württembergischen und badischen Bahnen durch<br />

das preußische Gebiet hindurch zusammenzusch ' ;ßen.<br />

Immer noch waren aber im Laucherttal und im unteren<br />

Eyachtal viele Wünsche offen geblieben. In den 80er Jahren<br />

haben Württemberg jche und hoh<strong>enzollerische</strong> Interessengruppen<br />

eine Nord-Süd-Linie von Reutlingen über<br />

die Alb und das Laucherttal nach Sigmaringen verfochten.<br />

Sie sollte sogar als Hauptzufahrtsiinie zur Gotthardbahn<br />

dienen. Schließlich wurde sie als unwirtschaftlich abgelehnt.<br />

Umsonst hat man auch in Haigerloch auf den Bau<br />

einer Eisenbahn von Eyach nach Balingen gehofft. Es war<br />

auch i ht zu erwarten, daß die preußische Staatsbahn<br />

in dem abgelegenen kleinen Hohenzollern eine eigene<br />

Bahn einrichten würde 30 .<br />

Die Möglichkeit einer Selbsthilfe gab das preußische Kleinbahngesetz<br />

vom 18. Juli 1892. Der Hoh<strong>enzollerische</strong> Landesbaurat<br />

Max Leibbrand setzte am 28. Februar 1896<br />

einen Beschluß des Kommunallandtages durch, nach welchem<br />

der Hohenzollern Kleinbahn-Gesellschaft AG gegründet<br />

wurde 31 . Von dem Grundkapital mit 3V4 Millionen<br />

Goldmark übernahm der preußische Staat die Hälfte,<br />

je ein Viertel der Hoh<strong>enzollerische</strong>n Kommunalverband<br />

und die Westdeutsche Eisenbahngesellschaft. Dieser wurde<br />

der Bau und die Betriebsführung übertragen 32 .<br />

In zwei Abschnitten wurde die Bahn gebaut. Von 1900<br />

bis 1901 wurden vier Stichbahnen eingeweiht:<br />

Sigmar.ugendorf-Bingen<br />

Kleineng?* ngen-Gammertingen<br />

Hechingen-Burladingen<br />

Eyach- Haigerioch 33<br />

Als wich.igste Strecke wurde zuerst die Bahn Sigmaringendorf-Bingen<br />

am 28. März 1900 dem Verkehr übergeben.<br />

Damit erhielt das Fürstliche Hüttenwerk Laucherrhal<br />

den längst gewünschten Bahnanschluß und die Landesbahn<br />

einen guten Kunden 34 .<br />

Mit der Stichbahn Hec lingen- Burladingen, die am<br />

18. März 1901 eröffnet wurde, hatte das Killertal mit<br />

seiner damaligen H (5 Ii-'Kleinindustrie Bahnanschluß.<br />

Beim Bau der Strecke Eyach-Haigerlodi, die am 18. Juni<br />

1901 eingeweiht wurde, gab es „politische" Schwierigkeiten.<br />

Die Schienenstränge verlaufen auf württembergischem<br />

und preußischem Gebiet. Preußen konzessierte seinen<br />

Schienenante- nach dem Kleinbahngesetz von 1892, Württemberg<br />

kannte kein Kleinbahngesetz, und es konzessierte<br />

seine Sch-^nenstrecke als Nebenbahn nach dem Gesetz<br />

vom 18. April 1843 35 .<br />

Mit der Eröffnung der „Eyachbahn (Ilaigerloch-Eyach)<br />

wurden die Personenposten Eyach-Haigerloch und Haigerloch-Dett.<br />

igen aufgehoben. Von jetzt ab verkehrte der<br />

Postwagen nur noch zwischen Haigerloch und Hechingen.<br />

Am 7. November 1901 erhielt die Oberamtsstadt Gammertingen<br />

Anschluß an Kleinengstingen. Vorläufig war<br />

sie noch auf seine Postverbindung mit Sigmaringen und<br />

Burladingen ange^ esen 3e .<br />

Um Kosten zu sparen, wurde für e:""en Teil d eser Strekken<br />

die Schmalspur mit 75 cm und 1 m vorgeschlagen.<br />

L>ieser Plan wurde zum Glück n-'ht ausgeführt. Als die<br />

vier Stichbahnen in Betrieb genommen wurden, erhielt<br />

jede zwei kleine, zweiachsige Lokomotiven, einen Packwagen,<br />

dri Personen- und zwei Güterwagen.<br />

II. Ausbau der Zwischenstrecken<br />

Bald erkannte man, daß mit diesen Stichbahnen nur halbe<br />

Arbeit in wirtschaftlicher F isicht geleistet wurde Die<br />

Stammlinien mußten durch den Ausbau der Zwischenstrecken<br />

zu einem geschlossenen Netz vereinigt werden.<br />

Mehr als das Doppelte des 1 'iherigen Kapitals war für<br />

den Zusammenschluß nötig. 1907 wurde m"t dem Bau der<br />

Strecken Sigmaringen und Bingen nach Gammertingen<br />

und von dort nach Burladingen begonnen Viele italienische<br />

Gastarbeiter bevölkerten die Orte entlang der<br />

Bahnlinie.<br />

Im Dezember 1908 konnte uie Linie von Bingen nach<br />

Gammertingen und von dort nach Burladingen fest ch eröffnet<br />

werden.<br />

Bei dem Bau kam es zu einem seltenen Naturschutzproblem.<br />

Ursprüngliih hatte der Plan bei Bingen die Durchquerung<br />

des Bittelschießer Tälchens vorgesehen. Trotz erheblicher<br />

Kosten mußte diejes landschaftF r tie Kleinod umgangen<br />

werden.<br />

37


Sorgen ben _ete der Einschnitt zwischen dem Laucnerttal<br />

und Sigmaringen. Fast unmöglich schien es, die Böschungen<br />

zu sichern und wieder zur Ruhe zu bringen. Die Bauzeit<br />

für dieses relativ kleine Streckenstück zog sich lange<br />

hin. Noch heute heißt dieser Einschn : t im Volksmund:<br />

„Millionenloch" 38 . Man sagt auch, daß der Gew in der<br />

Baufirma aus allen hoh<strong>enzollerische</strong>n Eisenbahnlinien<br />

durch diesen Einschnitt wieder aufgezehrt worden sein<br />

soll 39 .<br />

Die Verbindung von Hechingen nach Stetten bei Haigerloch<br />

wurde schwierig. Man wollte Stetten bei H? ;erloch<br />

eine L.'nie nach Hechingen und gleichzeitig eine Zweigstelle<br />

durch das Eyachtal nach Balingen bauen. Die Verhandlungen<br />

mit dem Amtsverband Balingen führten zu<br />

keinem Ergebnis. Hechingen drängte auf den Bau der<br />

Strecke nach Haigerloch. Wegen d^ ser Linie hat es einen<br />

Streit zwischen Rangendingen und Grosselfingen gegeben.<br />

Beide Gemeinden wollten die Bahn haben, aber nur eine<br />

konnte zum Zuge kommen 40 .<br />

Endlich entschloß man sich zu dem Pian, den ein Hechinger<br />

Bankkomitee hatte ausarbeiten lassen. Am 24. Dezember<br />

1912 wurde diese Strecke eröffnet. Die Hoh<strong>enzollerische</strong><br />

Landesbahn war damit vollendet"<br />

Nach dem Ausbau der Zw chenstrecken zeigte sich bald,<br />

daß die kleinen Lokomotiven für viele Teile der Trasse<br />

zu schwach waren. So wurden 1912 zwei vierachsige Lokomotiven<br />

beschafft, später kaufte man sich zwei 5/5 gekuppelte<br />

Lokomotiven und ein i U gekuppelte Lokomotive<br />

hinzu. Ende 1934 wurden die ersten Diesel-Triebwagen<br />

in Betrieb genommen 42 .<br />

Vieies hat sich fn den 130 Jahren, seitdem das Eisenbahnkomitee<br />

zusammengetreten isj geändert. Beide Bahnen<br />

haben aber Ihre Aufgabe bestens erfüllt.<br />

Lueraturhinweis kann beim Verfasser erbeten werden.<br />

Anmerkungen:<br />

1<br />

Kurze, Vom Adler zum Tee, in: Die Deutsche Bundesbahn, Frankfurt<br />

1960, S. 1003<br />

- Dr. jur. Supper, Entwicklung des Eisenbahnwesens im Königreich<br />

Württemberg, Stuttgart 1895, S. 216<br />

5<br />

100 Jahre deutsche Eisenbahn, in: Hohenz. Blätter, 10. 12. 1935<br />

4<br />

Eisenbahn oder keine, in: Hohenz Wochenblatt, 8. 3. 1857<br />

5<br />

Die Herstellung einer Eisenbahn von Reutlingen oder Tübingen<br />

über Hechingen, Balingen und Ebingen nach Sigmatingen, Denkschrift,<br />

Ebingen 1863<br />

6<br />

R. Fricker, Die Pässe und Straßen der Schwäbischen Alb. Tübingen<br />

1902, S. 181 — A. Dehlinger, Württembergs Staatswesen, 2 Bd.<br />

1953, S. 703-704<br />

7/8/9/10/11/12 Evelt, Fliegende Blätter zur Beleuchtung des Eisenbahnprojekts,<br />

Tübingen—Hechingen—Balingen—Ebingen—Sigmaringen, in:<br />

Hohenz. Wochenblatt, Hechingen und Sigmaringen. Nr. 89, Nr. 90,<br />

Nr. 91, Nr. 93, Nr. 103, Nr. 106, Nr. 107, Nr. 108, Nr. 109,<br />

Nr. 111.<br />

13 Denkschrift, Ebingen 1863, S. 13<br />

14 B. Reiser, Neunzig Jahre Zollerbahn, in: Schwarzwälder Bote<br />

27. 6. 1959<br />

Dr. jur. Supper, a. a. O. S. 53<br />

Der Name des Augsberg bei Steinhilben hat schon allerlei<br />

Spekulationen ausgelöst. Sogar der römische Kaiser<br />

Augustus wurde schon bemüht. Es gibt jedoch eine recht<br />

einfache Erklärung. In der Umgebung des Augsberges findet<br />

man häufig Flurnamen wie Auchten, Auchert usw.<br />

Das bedeutet (nach Keinath) Nachtweide; das heißt das<br />

Weidevieh wurde üoer Nacht an bestimmten Plätzen, die<br />

wohl auch eingezäunt waren, zusammengeti leben. Der<br />

Augsberg, der erst seit dem 19. Jahrhundert bewaldet ist,<br />

hieß ursprünglich wohl Auchtsbcrg, ein Wort das dann zu<br />

Augsberg abgeschliffen wurde. B.<br />

Gereitherter Veesen. Im Lagerbuch des Klosters Mariaberg<br />

(1727) findet man bei Aufzählung der Abgaben<br />

38<br />

15 Erinnerung an die vor 25 Jahren eröffnete Teilstrecke Scheer—Sigmaringen,<br />

in: Hohenz. Volkszeitung Nr. 164, Sigmaringen 1898<br />

16 Nach mündlichen Angaben der BM — Hediingen<br />

17<br />

Dr. jur. Supper , a. a. O. S. 55, W. Baur, 70 Jahre Eisenbahn Hechingen—Tübingen,<br />

in: Das Bunte Blatt, 17. 6. 1939<br />

18<br />

Verauordierung von Eisenbahn — Arbeiten der Bausektion Balin-<br />

gen, in Hohenz. Blätter, 2. Mai 1872<br />

19 O. Jacob, Die Württembergischen Staatseisenbahnen in Historisdi-<br />

Statistisdier Darstellung, Tübingen 1895, S. 100<br />

20<br />

Programm über die bei der Eröffnung der Eisenbahnlinien Balingen<br />

—Ebingen—Sigmaringen — am 4. Juli 1878 abzuhaltenden Festlichkeiten<br />

in der Stadt Ebingen, Ebingen, 27. Juni 1878 — 60 Jahre<br />

Eisenbahn Balingen—Sigmaringen, in: Hohenz. Volkszeitung,<br />

4. 7. 1938<br />

21<br />

M. Oberreuter, Die Eisenbahnen in Württemberg, Stuttgart 1933,<br />

5. 71<br />

22<br />

Eröffnung der Donauthalbahn, Programm über die abzuhaltenden<br />

Feierlichkeiten, Sigmaringen, 15. 7. 1873<br />

23<br />

Festblatt zur Eröffnung der Bahnlinie Tuttlingen—Sigmaringen, in:<br />

Beilage zur Hohenz. Volkszeitung, Sigmaringen, 26. 11. 1890<br />

Zur Feier der Eröffnung der Bahnlinie Tuttlingen—Sigmaringen, in:<br />

Festblatt des Tuttlinger Gränz-Boten, Tuttlingen, 26. 11. 1890<br />

Die neue Bahnlinie Tuttlingen—Signiaringen, in: Nellenburger Bote,<br />

November 1890<br />

24<br />

Übersichtskarte der Bahnlinie Tuttlingen—Sigmaringen 1:50 000,<br />

Stuttgart 1890<br />

25<br />

A. Hanfing, Die Eisenbahnen in Baden, Stuttgarter geographische<br />

Studien, Reihe A. Heft 16/17, Stuttgart 1929<br />

26<br />

O. Jacob, Die Königlich Württembergischen Staatseisenbahnen in<br />

Historisch-Statischer Darstellung, Tübingen 1895, S. 117<br />

27<br />

B. Stehle, Eisenbahnen, in: Hohenzollern, ein Heimatbuch, Sigmaringen<br />

1925, S. 311<br />

28<br />

Dr. E, Koller, Die Stellung des Bahnhofes am Fuße der Königsburg<br />

Hohenzollern, Denkschrift, ohne Datum —<br />

Fromlett, die Oberstätter wollten den Bahnhof an der Kaiserburg,<br />

in: Hohenz. Zeitung, 30. 6. 58 —<br />

Situationsplan der Section Balingen — sog. „Hohenzollernbahn"<br />

1:2 500<br />

58<br />

B. Reiser a. a. O.<br />

30<br />

W. ßaur, Kleine Chronik der Hohenz. Landesbahn, in: Unser Zollerländle,<br />

Hechingen, 10. 1. 1958. S. 6<br />

S1<br />

F. Racer, Hohenz. Landesbahn AG, Hechingen 1936, S. 2 —<br />

32<br />

W. Baur, a. a. O, S. 7 -<br />

Die Entstehung der Hohenz. Kleinbahnen, in. Schwäbische ChromK,<br />

23. 11. 1901 -<br />

Garantie Vertrag 1899<br />

Genehmigungsurkunde für die Hohenz. Kleinbahnen, 28. 6. 1899<br />

Statut der Hohenz. Kleinbahn-Gesellschaft, 1899 -<br />

Bau und Betriebsvertrag für die Bahnen der Hohenz. Kleinbahn-<br />

Gesellschaft, 1899<br />

33<br />

F. Racer: a. a. O. S. 3<br />

3" W. Baur: a. a. O. S. 8<br />

• F. Racer: a. a. O. S. 3-4<br />

3" W. Baur: a. a. O. S. 8<br />

® 7 Denkschrift über den Ausbau der Hohenz. Kleinbahnen, 1906<br />

Der Ausbau des Netzes der hohenz. Kleinbahnen, in: Hohenz.<br />

Blätter vom 15. 3. 190'<br />

W. Baur: a. a. O. S. 11/12<br />

39<br />

F. Racer: a. a. O. S. 5<br />

W. Baur, S. 12 -<br />

41<br />

Genehmigungsurkunde für die Preußischen Bahnstrecken der Hoh<strong>enzollerische</strong>n<br />

Landesbahn — Aktien — Gesellschaft in Sigmaringen,<br />

1912<br />

42<br />

F. Racer, S. 8<br />

Öfters den Ausdruck „Gereitherter Veesen" (Veesen -<br />

Dinkei). Einschlägige Wörterbücher geben keine Auskunft.<br />

Einigen älteren Leuten in der Gegend Gammertingen-<br />

Mägerkingen ist der Ausdruck „reitern" noch bekannt. Er<br />

bedeutet soviel wie sieben. Das gedroschene Getreide<br />

wurde durch große Siebe von Abfallen gereinigt. Die<br />

Siebe nannte man Reiter. Im gleichen Lagerbuch findet<br />

man auch den Ausdruck „Veesen als Kaufmannsware".<br />

Vermutlich wurde hier ein noch größerer Reinheitsgrad<br />

des Getreides verlangt. Durch die „Re^er" ging natürlich<br />

alles, was kleiner war als die Veesenkörner, ebenfalls mit.<br />

Durch nochmaliges Sieben mit einem feineren Sieb konnte<br />

man Unkrautsamen, Steinchen und andere Verunreinigungen<br />

entfernen. B.


JOHANN JERG<br />

Römischer Gutshof mit Bad in Ostrach<br />

Die „Hohenzollensche Heimat" berichtete in Nr. 2, Jahrgang<br />

1970 von römischen Funden in Trmgkofdt und )ei<br />

Ostrach. Beim Friedhof in Inzigkofen gräbt das Staatliche<br />

Amt für Denkmalspflege in Tübingen, Ausgrabungsleiter<br />

Dr. Rein, seit zweieinhalb Monaten planmäßig im großen<br />

Umfang einen römischen Gutshof aus. Der größte Teil der<br />

Kalksteinfundamente des Hauptgebäudes liegt bereits<br />

frei. Außer drei sehr schönen Fibeln aus ciaudischer Zeit<br />

(etwa 50 n. Chr.) sind die anderen Funde aus dem 2. und<br />

3. Jahrhundert n Cnr. Die Frage, ob unter oder in der<br />

Nähe des Gucshofes das gesuchte römische Kastell 1 gt,<br />

kann immer noch nicht endgültig entschieden werden. Die<br />

Ausgrabungen gehen bis in den Herbst weiter.<br />

In Ostrach dagegen handelt es sich nicht um planr-'.iiige<br />

Ausgrabungen, sondern um nur kurze Notgrabungen und<br />

Feststellungen während der Baggerarbsiten. Leider konnte<br />

hier nicht planmäßig ausgegraben werden wegen Mangel<br />

an Mitteln, Arbeitskräften und Ausgrabungsleitern, vor<br />

allem aber wegen der Bautermine, die eine Unterbrechung<br />

der Bauarbeiten von vornherein unmöglich machten. Daß<br />

trotz dieser Schwierigkeiten recht interessante Funde und<br />

Feststellungen gemacht werden konnten, danken wir der<br />

beispielhaften Zusammenarbeit und Mithilfe von Bauarbeitern,<br />

Baufirmen, Bauleitung, des Schulleiters und<br />

mehr zuletzt der Mitarbeit von Schülern der dortigen<br />

Hauptschule. Die Lage war ganz ähnlich wie bei der<br />

Bergung der Alemannengräber anläßlich der Straßenbauarbeiten<br />

im Vorjahr in Laiz.<br />

Da wir bei der heute sehr regen Bautätigkeit, insbesondere<br />

beim Ausbaggern immer wieder auf vor- und frühgeschichtliche<br />

Funde stoßen, sei mir gestattet, die Vorgeschichte,<br />

die für die heutigen Funde typisch ist, kurz zu<br />

schildern. Seit fast 100 Jahren ist bekannt, daß 0,5 Kilometer<br />

westlich Ostrach. zv sehen den Straßen nach Pfullendorf<br />

und nach Spöck, starke römische Fundamente im<br />

Boden stecken. Diese Stelle liegt jedoch etwa 300 Meter<br />

nördlich der heutigen Funde.<br />

Zur Zeit baut der Hauptschulverband Ostrach am Hang<br />

hart südlich der Schlößle-Straße die große Haupt- und<br />

Realschule in Fertigbau weise. Die Bauleitung hat die<br />

Firma IMBAU, Neu-Ulm, Beim Setzen einer Baustange<br />

für das Schnurgerüsi stießen Arbeiter der Firma Stocker,<br />

Pfullendorf, in einem Meter Tiefe auf einen Ziegelstein-<br />

Plattenboden. Sie meldeten die Feststellung. Rektor Stork,<br />

Ostracft, verständigte davon den zuständigen Vertrauensmann<br />

für Bodenfunde, Direktor Jerg, Sigmaringen. Dieser<br />

stellte an Hand von zahlreichen typischen Leistendachziegeln<br />

fest, daß es sich offenkundig um ein Nebengebäude<br />

eines römischen Gutshofes handelte. Da eine planmäßige<br />

Ausgrabung unmöglich war, schlug er dem Amt für<br />

Denkmalspflege vor, während der Baggerarbeiten, soweit<br />

als n.Jglich, Funde zu bergen, damit nicht alles verloren<br />

war.<br />

Wie verabredet verständigte die Bauleitung den Vertrauensmann<br />

nach etwa zwei Monaten vom Beginn der<br />

Baggerarbeiten an der fraglichen Stelle. Ein Teil der 1,75<br />

Meter breiten Fundamentgräben war bereits ausgehoben.<br />

Zunächst stieß man auf die 0,80 Meter dicke und 1,65<br />

Meter breite Umfassungsmauer. Sie war aus großen, in<br />

Mörtel vergossenen Kieselsteinen, sogenannten Wacken<br />

gebaut, deren größte 50 Kilogramm wogen. Der Mörtel<br />

hatte etwa die Härte des heutigen Fundamentbetons. In<br />

den vier Fundamentgräben fand man mehrere Zwischenmauern,<br />

und lieben Dachz, igeln teilweise lose, teilweise<br />

geschlossene quadratische Ziegel-Fußbodenpiatten in den<br />

Größen von 17, 20 und 40 Zentimeter. Auffallend waren<br />

in dem Kiesgrund zahlreiche Kalksteinplatten aus Weißjura,<br />

ähnlich den heutigen Solnhofener Platten und auch<br />

typisch römische Heizröhren, tu'buli, die zu einer Heizanlage<br />

(Hypocausta) gehören. E'^ in der Fundamentgrabenwand<br />

sorgfältig herausgeputzter Querschnitt ergab<br />

dann eindeutig, daß es sich um das Kaltwasserbecken<br />

eines römischen Bades handelte.<br />

Das römische Bad<br />

In Hohenzollern ind die Grundrisse römischer Bäder von<br />

Weilheim seit 1914, Gammertingen s t 1929, Sigmaringen<br />

seit dem Bahnbau 1878 bekannt. Sie haben eine Größe<br />

bis zu 11,90/12,25 Meter (Weilheim) und mindestens<br />

vier verschieden große Räume: ein Warmwasserbad, ein<br />

Kaltwasserbad, einen Warmluftraum und einen An- und<br />

Auskleideraum. Wenn man bedenkt, daß diese Bäder zu<br />

inem Gutshof gehörten, so muß man sich wundern, was<br />

die Römer, beziehungsweise die in unserer Heimat damals<br />

lebenden romaiiisierten Kelten, besaßen.<br />

So ähnlich müssen wir uns das römische Bad in Ostrach<br />

vorstellen. Leider konnten wir nicht das ganze Bad mit<br />

den Fundamentmauern fr biegen, aber wenigstens Te :<br />

von drI aimen. Am besten erhalten war das Kaltwasserbad,<br />

dessen solide Konstruktion uns in Erstaunen<br />

setzte, insbesondere auch c J, 'e Abdichtung nach dem Fußboden<br />

und den Se : enwänden. Den Untergrund bildete<br />

ein 14 Zentimeter dicker Möitelboden, hart wie Beton.<br />

Darauf kamen 4 Zentimeter Ziegel-Estrich, darauf ein<br />

Boden aus 6 Zentimeter starken Ziegelplatten 40/40 Zentimeter,<br />

darüber 2 Zentimeter Ziegel-Estrich, und zuoberst<br />

der schon erwähnte Kalkstein-Plattenboaen, ähnlich<br />

den heutigen Sollnhofener Platten. Auch die Seitenwände<br />

waren mindestens bis 25 Zentimeter hoch ähnlich<br />

• soliert und |nüt Kalksteinplatten belegt. Diese Verwendung<br />

von Kalksteinplatten für Fußboden und Wände ist<br />

nach Aussage von Fachleuten in römischen Bädern Südwürttembergs<br />

bis jetzt nirgends bekannt.<br />

Ein ariderer großer Raum hatte ebenfalls einen ähnlichen<br />

Boden aus Kalksteinplatten. Die Wände waren im unteren<br />

Teil ebenfalls geplättelt. Im oberen Teil müssen sie mit<br />

weinrotem und gelbem Putz, mit einfachen Ornamenten,<br />

wie Putzreste beweisen, ausgestattet gewesen sein. Ein<br />

dritter Raum hatte .unen Fußboden aus großen Ziegelplatten,<br />

die in Ziegel-Estrich verlegt waren. Es ist wirklich<br />

schade, daß ö,eses so sorgfältig konstruierte und gut<br />

erhaltene Römerbad, insbesondere auch das Warmwasserbad,<br />

mit den Hypokausten nicht planmäßig ausgegraben<br />

werden konnte.<br />

Der römische Gutshof<br />

Etwa 200 Meter westlich der Baugrube kamen nach Abschieben<br />

des Humus Fundamentmauern zum Vorschein,<br />

die bei Regen immer mehr freigeschwemmt wurden. Nachdem<br />

fünf Hauptschüler etwa 40 Meter davon freigeputzt<br />

hatten wurde klar, daß es um Kreuzungen und Anschlüsse<br />

von Zwi :henmauern des Hauptgebäudes handelte, das<br />

Front nach Osten hatte und wie die übrigen römischen<br />

1 39


Gutshöfe im Kreis Sigmaringen etwa 35/21 Meter messen<br />

dürfte. Ein Teil des Hauptgebäudes muß Fußböden aus<br />

Ziegelplatten gehabt haben, wie die Funde zeigen.<br />

Da das Hauptgebäude nicht überbaut wird, könnte die<br />

genaue Ausdehnung noch festgestellt werden.<br />

Für die Hauptschüler von Ostrach, von denen fünf so<br />

tatkräftig und interessiert beim Ausgraben und Ausmessen<br />

mitgeholfen haben, dürften mit Interesse daran denken,<br />

daß das Gelände ihrer neuen Schule von den Römern<br />

oder den romanisierten Kelten benutzt wurde, und daß<br />

der heutige Werkraum und der ganze Naßraum auf dem<br />

einstigen Badegelände liegt. Der Gutshof dürfte etwa<br />

140 n. Chr. bis zum Alemannen-Einbruch 235, oder zum<br />

zweiten, endgültigen im Jahre 259 n. Chr. bestanden<br />

haben. Die Römer räumten damals ihre Gutshöfe und<br />

brannten sie nieder. Uns heutigen Menschen ist dies als<br />

System der „verbrannten Erde" leider nur zu gut bekannt.<br />

„Alles schon einmal dagewesen", kann man sagen.<br />

Dieses Bauloch war einmal ein Badezimmer, mit gelb und rot gemalten Wänden und einer sehr sorgfältigen Kalkstcin-<br />

Beplattung. Direktor Jerg mit weißem Hut, zusammen mit Bauarbeitern und Helfern.<br />

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />

herausgegeben vom Hoh<strong>enzollerische</strong>n <strong>Geschichtsverein</strong><br />

in Verbindung mit den Staatlichen<br />

Schulämtern Hechingen und '"•gmaringen.<br />

Verlag: Hoh<strong>enzollerische</strong>r <strong>Geschichtsverein</strong><br />

748 Sigmaringen, Karlstraße 3. Druck: M. Liehners<br />

Hof buchdruckerei KG, 748 Sigmaringen,<br />

Karlstraße 10.<br />

Die Zeitschrift „Hoh<strong>enzollerische</strong> Heimat" ist<br />

eine <strong>heimat</strong>kundliche Zeitschrift. Sie will besonders<br />

die Bevölkerung in Hohenzollern mit<br />

der Geschichte ihrer Heimat vertraut machen.<br />

Sie bringt neben fachhistorischen auch populär<br />

gehaltene Beiträge aus der Geschichte unseres<br />

Landes. Sie veröffentlicht bevorzugt Beiträge,<br />

die im Schulunterricht verwendet werden können.<br />

Bezugspreis: 2,00 DM halbjährlich<br />

40<br />

Konten der „Hoh<strong>enzollerische</strong>n Heimat":<br />

802 507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />

123 63 Postscheckamt Stuttgart<br />

Die Mitarbeiter dieser Nummer:<br />

Josef Müblebach, Landesverwaltungsrat<br />

748 Sigmaringen, Leopoldstraße 41<br />

Hubert Deck, 745 Hechingen<br />

Johann Jerg, Studiendirektor a. D.<br />

Johann Adam Kraus<br />

Pfarrer und Erzbisch. Archivar i. R.<br />

78 Freiburg-Littenweiler, Badstraße 2<br />

Walther Frick, Journalist<br />

748 Sigmaringen, Hohe Tannen<br />

Schriftleiter:<br />

Dr. med. Herbert Burkarth<br />

7487 Gammertingen, Eichertstraße<br />

Telefon 07574/329<br />

Redaktionsausschuß:<br />

Hubert Deck, Konrektor<br />

745 Hechingen, Tübinger Straße 28<br />

Telefon 07471/2937<br />

Walther Frick, Journalist<br />

748 Sigmaringen, Hohe Tannen<br />

Telefon 07571/8341<br />

Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />

persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />

diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge verantwortlich.<br />

Mitteilungen der Schriftleitung<br />

sind als solche gekennzeichnet.<br />

Manuskripte und Besprechungsexemplare werden<br />

an die Adresse des Schriftleiters oder Redaktionsausschusses<br />

erbeten.<br />

Wir bitten unsere Leser, die „Hoh<strong>enzollerische</strong><br />

Heimat" weiter zu empfehlen.


Der Krieg von 1870<br />

Vor hundert Jahren tobten die Kämpfe in Frankreich<br />

während des sogenannten „Siebzigerkrieges". Obwohl<br />

heute niemand mehr lebt, der jenen Krieg selber erlebte,<br />

ist in der älteren Generation auch in Hohenzollern die Erinnerung<br />

an ihn sehr lebendig, denn ungezählte Großväter<br />

haben ihren heute erwachsenen Enkeln (die auch schon<br />

Großväter sind) aus jener Zeit erzählt. Als der Krieg zu<br />

Ende war, entstand durch Bürgerinitiative in Sigmaringen<br />

auf dem Brenzkofer Berg ein Landeskriegerdenkmal im<br />

Stil der Zeit. Eine überlebensgroße Germania stand auf<br />

einer Säule aus Kalkstein, einen Lorbeerkranz in der<br />

Hand und ihn weit hinausstreckend, der Stadt zu. Obwohl<br />

die Fachleute es besser wußten und abrieten, wurde die<br />

Figur im zweiten Weltkrieg demontiert. Man hielt sie für<br />

massiv oder doch für dickwandig und daher als Metall für<br />

wertvoll. Es stellte sich aber heraus, daß sie lediglich aus<br />

Blech bestand. Sie lag dann lange Zeit in einer Sigmaringer<br />

Bauunternehmung herum und niemand weiß, was mit<br />

ihr geschehen ist. Um den Säulenstumpf, von dem auch<br />

die Broncetafeln mit den Namen abmontiert wurde, ist<br />

ein jahrelanger Kampf geführt worden, ehe die Stadt Sigmaringen<br />

vor wenigen Jahren ihn ganz beseitigte. An seiner<br />

Stelle entwarf und baute der Laizer Bildhauer Prof.<br />

Josef Henselmann das jetzt dort stehende Bauwerk, das<br />

sich der Beschreibung entzieht: für eine Halle ist es zu<br />

klein, ein Denkmal ist es im weitesten Sinn. Es handelt<br />

sich um eine Art riesiges Zelt aus Kalksteinen, an zwei<br />

Der erste Tote des Krieges 1870/71<br />

Der Volksschriftsteller und Schriftleiter des Stuttgarter<br />

Kath. Sonntagsblattes, K. Kümmel, schildert in seinem im<br />

Jahre 1912 veröffentlichten Buche: „Der große Krieg<br />

1870/71" den Heldentod des ersten Gefallenen dieses<br />

Krieges. Es war der Gauselfinger Burgersohn Sebastian<br />

Klaiber, der am 27. 4. 1849 als Sohn des Philipp Klaiber<br />

und der A. Maria geb. Rieber geboren war. Als Erinnerung<br />

steht an der Gauselfinger Kirche auf dem DenKmal:<br />

„Erstes Opfer des Krieges".<br />

Kümmel berichtet über seinen Heldentod: „Der erste<br />

Deutsche, welcher in diesem großen Kriege fiel, ist ein braver<br />

Süddeutscher, ein hoh<strong>enzollerische</strong>r Bauernsohn, gewesen.<br />

Klaiber war sein Name; er diente bei der 4. Schwadron<br />

der 7. Ulanen, die bei Dudweiler stand. Auf seine<br />

d -iigende Bitte, daß er auch t-inmal auf Vorposten komme,<br />

durfte Klaiber mit anderen Ulanen zum erstenmal den gewohnten<br />

Patrouillenritt mitmachen. Kaum eine halbe<br />

Stunde war er fort, als sein Pferd, ein Schimmel, in langem<br />

Galopp zurückkam. Bald erschien auch Klaibers Kamerad<br />

und gab traurigen Bericht. Die beiden Ulanen waren<br />

unangefochten bis zum Heidenhügel gekommen. Da<br />

fallen Schüsse von den f'' ndlichen Vorposten, aber die<br />

Re'~?r achten es nicht, " : .e sind gewohnt, sidi aus dem<br />

Schießen der Franzosen nicht viel zu machen. Plötzlich<br />

stürzt Klaiber, ohne einen Laut von sich zu geben, vom<br />

Pferd; ein Blutstreifen rieselt von der Stirn über das<br />

bleiche Antlitz. Der Ulan Deckelnik sprengt trotz dem<br />

feindlichen Kugelregen auf den regungslos Daliegenden<br />

zu, um zu sehen, ob noch Leben in ihm ist; doch der Gefallene<br />

rührt kein Glied mehr. Eine Zeitlang hindert das heftige<br />

Feuer iie Bergung der Leiche. Schließlich suchen zwei<br />

deutsche Zivilisten, indem sie zum Zeichen ihrer friedlichen<br />

AbsicnJ ihre Taschentücher an Stöcken schwenken,<br />

c : .e Unglücksstatte zu erreIc hen, und es gelingt ihnen auch,<br />

den gefallenen Krieger auf seiner Lanze und seinem Säbel<br />

Seiten offen und zugänglich, sofern die F' ;engitter nicht<br />

verschlossen sind. In der Mitte liegt die steinerne Gestalt<br />

eines Soldaten, nachempfunden den vielen Epithaphien in<br />

unseren Kirchen, auf denen steinerne oder aus Metall gegossene<br />

Ritter liegen. Dieser Soldat ist sozusagen das Sinnbild<br />

aller aus Hohenzollern ausmarschierter Soldaten, von<br />

1866, 1870/71 und aus den beiden Weltkriegen.<br />

Der Krieg von 1870 hat für Hohenzollern aber auch insofern<br />

Bedeutung, als der erste Tote ein Hohenzoller war.<br />

Im ersten Heft der „Hoh<strong>enzollerische</strong>n Heimat" vom Januar<br />

1951 findet sich ein Aufsatz zu diesem Thema. Er ist<br />

nicht mit einem Verfassernamen gekennzeichnet, bezieht<br />

sich aber auf einen Artikel in einem Buch aus dem Jahr<br />

1912. Wir glaubten, diesen Aufsatz in diesem Jubiläumsjahr<br />

wieder einmal abdrucken zu sollen. Er folgt hier weiter<br />

unten.<br />

Schließlich hat der Krieg aber auch die Bedeutung für uns,<br />

daß es ein Prinz von Hohenzollern war, Leopold, der<br />

mittelbar den Anlaß dazu gab. Die Rolle, die Prinz Leopold<br />

in dieser Auseinandersetzung spielte - oder besser:<br />

vorher spielte - ist in allen Geschichtswerken nachzulesen.<br />

Indessen wird vergessen, daß aus dem Prinzen Leopold<br />

später der Fürst von Hohenzollern wurde. Zudem sind<br />

gerade 65 Jahre vergangen seit seinem Tod. Darum sei<br />

ihm das nachfolgende Gedenkblatt gewidmet. Fr.<br />

zurückzubringen. Am nächsten Tage wurde der heldenmütig<br />

gefallene Soldat auf dem Saarbrücker Friedhof beigesetzt,<br />

wo ihm und dem ihm auf der Grenzwacht in den<br />

Tod folgenden Kameraden ein einfaches Denkmal errichtet<br />

worden ist. Auf der Höhe des Heidenhügels aber, an<br />

dem Punkt, wo Ulan Klaiber die tödliche Wunde erhielt,<br />

ist vor kurzem vom Verein ehemaliger 7. Ulanen ein<br />

Denkmal gesetzt worden, das die Stelle bezeichnet, wo der<br />

erste Deutsche 1870 den Heldentod fand."<br />

Eine Neuentdeckung:<br />

Burg Beerstein bei Hausen 'im Killertal. Name der Burgstelle<br />

auf dem Hausener Kapf gefunden.<br />

Nördlich der Wasserscheide Starzel-Fehla findet sich ein<br />

auffallender Bergkegel, das Hausener Kapf. Hier ist Sc t<br />

1931 eine Burgstelle bekannt geworden, von der man jedoch<br />

keinen Namen wußte. Das Rätsei scheint sidi überraschend<br />

zu lösen, wenn man die Beschreibung der Grundstücke<br />

durdigeht, die 1605 anläßlidi des Verkaufes des<br />

Johanniterhofes in Starzel an den Zollergrafen angelegt<br />

wurde 1 . Hier heißt es: „Uf Beerstein am Hauser<br />

Aimand, stösst vorn auf Teckh (auf die Eck!)." Auf Markung<br />

Hausen im Killertal gibt es außer dem genannten<br />

Hausener Kapf nirgends einen Felsen, der den typ'schen<br />

Burgnamen „-stein" tragen könnte. Wir dürfen mit Recht<br />

hier den Standort der ehemaligen Burg Beerstein annehmen.<br />

Das alte Wort Ber bedeutet sowohl Bär, als auch<br />

Beere und sogar Schwein! Bei einer Ritterburg dürfte<br />

wohl am ehesten der Name Bärstein zutreffen. Wilde<br />

Bären gab es ja in unserer Gegend bis 1580. Die Burg<br />

scibst wird wohl m't Übergang des Geländes an das Johanniterhospiz<br />

Jungental vor 1275 als bedeutungslos zer-<br />

I allen sein. Kraus.<br />

1 Zoller<strong>heimat</strong> 1941 14-17.<br />

41


WALTHER FRICK<br />

Leopold von Hohenzollern Zwei runde Daten erinnern 1970 an ihn<br />

Fürst Leopold Stephan Karl Anton Gustav Eduard Thassilo<br />

von Hohenzollern, 1835 bis 1905, war nicht nur der<br />

Prätendent auf den Thron Spaniens, an den die Welt s.ch<br />

gegenwärtig erinnert, er war vor allem auch zwanzig<br />

Jahre lang Fürst von Hohenzollern. Er war es, 1 ie man<br />

sagen darf, in der glanzvollsten Periode der r>igmaringer<br />

Residenz und er hat nie von st_nem Vater Karl Anton<br />

begonnene und wieder stärker gepflegte Freundschaft zum<br />

Haus Preußen geerbt und bewußt weitergepflegt. Alte<br />

Sigmaringer, von denen heute freilich kaum mehr welche<br />

leben, erzählen noch immer mit Begeisterung und Wehmut<br />

von jenen Zeiten um die Jahrhundertwende, als glanzvolle<br />

Feste, Jagden, Hochzeiten auf Schloß Sigmaringen,<br />

in Krauchenwies und Tosefslust die Besucher aus dem ganzen<br />

dynastischen Europa vereinigten.<br />

Eine Frage in diesem Zusammenhang ist offenbar den<br />

Historikern stets entgangen, und auch unseres Wissens hat<br />

in Hohenzollern selbsc niemand ihr Beachtung geschenkt:<br />

Warum hat Leopold eigentlich den spanischen Thron<br />

nicht bestiegen, nachdem Frankreich 1871 geschlagen<br />

war und Napoleon auf Wilhelms<strong>höh</strong>e gefangen saß? Es<br />

war doch niemand mehr da, der ihm seinen Anspruch<br />

streitig gemacht hätte? War sein Vater Karl Anton dagegen,<br />

der ja in dem Hin und Her des Frühsommers 1870<br />

offenbar seinen Sohn stark beeinflußte? Oder wollten Bismarck<br />

und der Kaiser nicht mehr? Das würde verwundern,<br />

weil schließlich Bismarck es war, der im Februar 18/0 den<br />

sehr zögernden König von Preußen dafür erwärmte, daß<br />

42<br />

ein Hohenzoller König von Spanien werden sollte. Nun<br />

wäre, nach dem militärischen Sieg, der politische eigentlich<br />

von selber in den preußischen Schoß gefallen. Jedoch, wie<br />

erwähnt, niemand hat offenbar bisher diese Frage einmal<br />

aufgehellt.<br />

Für Hohenzollern war es indessen viel wichtiger, daß aus<br />

dem Erbprinzen Leopold im Jahre 1885 der Fürst und<br />

Chef des Hauses wurde. Er war fünfzig Jahre alt, als er<br />

sein Amt übernahm, und hatte seine aktive militärische<br />

Laufbahn längst aufgegeben; 1873 war er Generalmajor<br />

geworden, 1885 wurde er Chef des Hoh<strong>enzollerische</strong>n<br />

Füs" ierregiments Nr. 40, jener Einheit, deren Tradition<br />

nach ihm noch sein Sohn Wilhelm und sein Enkel Friedrich<br />

Victor weiterführten. Es ist nach so langer Zeit schwer,<br />

richtig abzuwägen, ob Leopold wirklich der preußische<br />

Militär war, als den ihn sein Biograf Hermann Schroedel<br />

schildert, oder ob er nicht mehr oder weniger der Tradition<br />

folgte, wonach ja auch sein Vater preußischer General<br />

gewesen war. Mit der Pickelhaube über dem gepflegten<br />

Vollbart soll er zwar bestechend gut ausgesehen<br />

haben, aber eigentlich war Leopold zugleich viel zu fromm,<br />

zu demütig als Christ, zu ernsthaft und wohl auch zu<br />

gütig, um wirklich ein solcher Eisenfresser gewesen zu sein,<br />

als den im Kaiserreich mancher panegyrische Schriftsteller<br />

gerne hohe Offiziere darzustellen beliebte, zumal dann,<br />

wenn es sich auch noch um gekrönte Häupter handelte.<br />

Andererseits dürften zugleich seine Interessen nicht so<br />

weitgespannt sein le die seines Vaters, der die fürstlichen<br />

Sammlungen aufbaute. Auch scheint es, wenn man Biografien<br />

vergleicht, so gewesen zu sein, daß das größere allgemeine<br />

Wissen, besonders aber das „gelernte Regieren"<br />

mehr bei seinem Bruder Karl, dem späteren Carol I. von<br />

Rumänien gelegen hat. Hingegen war wiederum Leopold<br />

bestimmt nicht so, wie ihn kürzlich das Fernsehen darstellte<br />

anläßlich des 100-Jahr-Gedächtnis des Kriegsausbruchs:<br />

ein träumerisch-blauäugig in die Welt sehender<br />

junger Mann (er war damals 35), der gar nicht verstehen<br />

konnte, wie uis Dinge ..ich im Sommer 1870 um ihn herum<br />

entwickelten.<br />

Schließlich sei niJit vergessen, daß Fürst Leopold das<br />

Schloß wieder aufbaute, wie wir es kennen. Der Bau von<br />

1893 bis 1910 ist inzwischen oft genug auf Kr\ik gestoßen,<br />

und ganz SJ her würde das Schloß „schwäbischer"<br />

wirken, wäre es so geblieben, wie es vor den Umbauten<br />

Karl Antons und erst recht vor dem Wiederaufbau des<br />

Ostteils war. Dennoch ist es - wie der frühere Landeskonservator<br />

Walther Genzmer einmal sagte - nach so vielen<br />

Jahrzehnten wiederum selber in seiner jetzigen Gestalt<br />

ein Baudenkmal geworden und hat als solches seinen<br />

Platz in der Geschichce.<br />

Am 8. Juni 1905 ist Fürst Leopold in Berlin gestorben,<br />

70 Jahre alt, anläßlich der Hochzeit des Kronprinzen (der<br />

nach dem zweiten Weltkrieg 'n Hechingen lebte und<br />

starb). Als er in Hedingen beigesetzt wurde, folgten sei -<br />

nem Sarg ein Kaiser, eine Königin und drei Könige, viele<br />

Herzöge, Grafen, Prinzen und Prinzessinnen Unter der<br />

Bürgerschaft war die Trauer, wie lange Ze._ später noch<br />

zu hören war, echt und tief. Ein unbekannter Dichter<br />

schrieb in den „Hoh<strong>enzollerische</strong>n Blättern" ein Trauergedicht;<br />

es endete mit den Worten:<br />

Der Baum erzittert - Es war ein edler Zweig<br />

Der niederfiel.


Pater Fidelis Buck Ehrenbürger von Hitzkofen<br />

JOHANN ADAM KRAUS<br />

St. Eulogiuskapelle bei Bingen<br />

Kam ich da vor einiger Zeit ins Erzbischöfliche Archiv<br />

Freiburg, um meinen Nachfolger Dr. Hundsnurscher zu<br />

begrüßen. Auf dem Tisch hatte er neben Büchern und<br />

Akten auch ein Schriftstück von Biengen bwl Freiburg<br />

(Dekanat Neuenburg) liegen. Meine Augen flogen über<br />

das Deckblatt und hafteten an dem Namen „Euloghiskapelle"<br />

und dem darunter nachträglich beigefügten<br />

„Dettikofen". Was ist denn das? In dem Pfarrdorf Biengen<br />

bei Freiburg soll es eine Eulogiuskapelle gegeben<br />

haben, wie mir eine von meinem früheren Kaplansposten<br />

Bingen bei Sigmaringen bekannt war? Ich überlas das<br />

Schriftstück, das außer dem späteren Umschlag nur aus<br />

zwei Blattern besteht: Der Pfarrer berichtet : -n Jahr 1737<br />

an den Bischof von Konstanz: In aer ruinösen und vernachlässigten<br />

Kapelle des hl. Eulogius, bei der jährlich die<br />

Prozession mit Pferdesegnung stattfindet, habe ein angeblich<br />

württembergischer Zwetschgenhändler das hölzerne<br />

Bild des hl. Eulogius mit dem Roß vom Altar genommen<br />

und im nahen Wald auf den Ast eines Baumes gesetzt,<br />

wo es Bingener Einwohner gefunden und wieder auf seinen<br />

angestammten Platz zurückgebracht hätten. Der<br />

Name des Pfarrers ist mit Simon Weber angegeben.<br />

Merkwürdig, der Name des Geistlichen kam mir irgendwie<br />

bekannt vor, d- Prozession mit Pferdesegnung in<br />

unserem hoh<strong>enzollerische</strong>n Bingen aus meiner Kaplanszeit<br />

1937 nur zu gut in Erinnerung. Ich äußerte die Meinung,<br />

es handle sich hier wohl um ~ : ne Verwechslung der beiden<br />

Fidelis Buck, Jesuit, Professor für Hebräisch und Alttestamentliche<br />

Exegese, Bachelor of Arts, Lizentiat der<br />

Theologie, Sacrae Scripturae Doctor (Doktor der Theologie),<br />

ist anläßlich seines Urlaubs und seines Silbernen<br />

Priesterjubiläums zum Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde<br />

Hitzkofen ernannt worden, wie auch der Tagespresse<br />

in Hohenzollern zu entnehmen war. Pater Fidelis,<br />

Sigmaringer Abiturient von 1935, dürfte einer der größten<br />

Gelehrten sein, die Hohenzollern derzeit hervorgebracht<br />

hat. Sein Studien- und Lektorenweg führte ihn von<br />

Kanada nach Mexiko, den USA, Indien, Spanien und wieder<br />

nach Kanada, wo er derzeit zwei Lehrstühle innehat.<br />

Auch bereiste er sämtliche wichtige Ausgrabungsstätten<br />

zwischen Indien und Griechenland. Er lehrt außer seinen<br />

Hauptfächern auch Hetittisch, Assyrisch und ägyptische<br />

Hieroglyphen-Schrift.<br />

Sein Doktorvater in Rom, 1953, war sein weiterer Landsmann,<br />

der spätere Kardinal Augustin Bea. Dem ausgezeichneten<br />

Mann, der sich auch als Rundfunksprecher in<br />

Spanisch und Englisch und als Teilnehmer an Fernsehsendungen,<br />

ebenfalls in beiden Sprachen, hervortut, auch<br />

an dieser Stelle unseren Glückwunsch! Fr.<br />

Orte Biengen und Bingen. Der Archivar griff n sein<br />

Bücherregal und holte das gedruckte Personalverzeichnis<br />

des Bistums Konstanz ^on 1745. Und dort steht als<br />

Pfarrer unseres hoh<strong>enzollerische</strong>n Bingens der Name des<br />

Pfarrers Simon Weber! Die Verwechslung passierte dem<br />

früheren Archivar Zell um 1870. Er hat sich eben in<br />

Hohenzollern nicht ausgekannt und in Biengen nicht nachgefragt!<br />

Eine gute Wirkung scheint die Entführung der<br />

Eulogiusstatue damals gehabt zu haben: 1746/47 wurde<br />

die Eulogiuskapelle am Weg von Bingen nach Inneringen<br />

neu und größer erbaut. Ein Kapellchen stand auf dem<br />

Platz schon 1492 „auf Kreuzen", woraus man wohl schließen<br />

darf, daß lange vor dem schlichten Bau dort schon<br />

ein Kreuz gestanden hacte.<br />

Burgname Lägstein bei Gauselfingen. Die kleine Burgruine<br />

westlich des Ortes Gauselfingen hc.'ßr be: den Einheimischen<br />

einfach „Schlössle". Im Zollerischen Lagerbuch<br />

von 1544 1 jedoch Leckstein. Der Name wird später irrig<br />

auch Rechstein geschrieben. Michael Buck berichtet in seinem<br />

Oberdeutschen Flurnamenbuch von einem alten Wort<br />

„Läg", das Haide oder Abhang bedeutet. Leckstein oder<br />

Lägstein bedeutet also „Fels an der Halde".<br />

1 Berthold Hagens Zollerischen Lagerbuch Band ßurladingen im Fürstlichen<br />

Archiv Sigmaringen. Krs.<br />

Die Bezeichnung „Zeig unter Leckstem" findet man auch in Güterbeschreibungen<br />

des Klosters Mariaberg (Anm. d. Red.).<br />

43


JOHANN ADAM KRAUS<br />

Kulturgeschichtliche Lesefrüchte<br />

Wer sich je mit geschichtlichen Quellen, also Urkunden,<br />

Lagerbüchern oder Berichten aus vergangener Zeit befaßte,<br />

stieß immer wieder auf Worte, Begriffe oder Bezeichnungen,<br />

die heute außer Gebrauch und ohne Wörterbuch<br />

nicht ohne weiteres verständlich sind. Sie können<br />

einem leicht das Lesen vergällen. Den wirklich Interessierten<br />

jedoch spornen sie an, dem Sachverhalt auf den<br />

Grund zu gehen. Als Handreichung für den Leser der<br />

„Hoh<strong>enzollerische</strong>n Heimat" sind folgende gelegentlich<br />

aufgelesenen Ausdrücke und Erläuterungen vergangener<br />

Verhältnisse gedacht, um ihm mühseliges Nachforschen zu<br />

ersparen. Uberflüssig zu betonen, daß es sich nur um<br />

einen kleinen Teil, eine zufällig entstandene Reihe handeln<br />

kann,<br />

ald = oder.<br />

Asem, äsem: In einer Gemeindeordnung von 1530 wird<br />

bestimmt, zu Unrecht gefälltes (gestohlenes) Holz sei polizeilich<br />

„bis uf die äsem zu rügen", das heißt zu verfolgen<br />

und bestrafen. Nach langem Rätselraten fand sich ein<br />

mittelhochdeutsches (mnd) Wort „die Ase", das ein Gestell<br />

oben an der Wand am Ofen bedeutet, und zum Auflegen<br />

des Brennholzes diente. Zur Endung M kann man<br />

das schwäbische Kettem-Kette, oder Besewreis vergleichen.<br />

Anwander, nicht ein bloßer Angrenzer, sondern ein Acker,<br />

auf dessen Breitseite (ein- oder beiderseits) andere Äcker<br />

anstoßen, deren Bebauer auf dem ersteren ihren Pflug<br />

wenden dürfen, also auf ihm ihre Anwand haben (Hohenz.<br />

Heimat 1958, 15).<br />

Arme Leut: Untertanen einer Herrschaft (die sich einbildete,<br />

reich zu sein).<br />

Auffahrt, s. Ehrschatz.<br />

aufsetzen, Aufsatz: nannte man ir Heiligenzimmern im<br />

17. Jahrhundert nach einer Beerdigung das Bereitstellen<br />

von Mehl, Brot etc. als Lohn für den Mesner (Heimatklänge<br />

d. Zoiler 1936, 8). Es handelte sich soinit nicht um<br />

ein althe'i'.isches Totenopfer!<br />

Badstuben gab es früher in vielen Orten Hohenzollerns,<br />

wie Michael Walter im Hohenz. Jahresheft 1951 sehr<br />

interessant berichtete und den Badebetrieb erläuterte. Die<br />

„Geschichte von Inneringen" von Maier-Krezdorn nennt<br />

( S. 71) einen Bader zum Jahr 1554, einen Jakob Ziegler<br />

1595, seinen Nachfolger Jakob Yelin. Im Jahr 1610 heiratete<br />

der Bader Hans Schielm aus Wilflingen bei Riedlingen<br />

nach Inneringen und übernahm die Badstube<br />

(S. 475). Ihm folgte sein Sohn Johann Jakob, dann der<br />

Enkel Joh. Kaspar „der Balbierer". Dessen Sohn Johann,<br />

der 1709 h ratete, nannte sich als Bader auch „Chyrurg".<br />

So hießen im 18. Jahrhundert auch die früheren Bader in<br />

Ringingen, waren also hauptsächlich Heilpraktiker (Hohenz.<br />

JHeft 1961, 154).<br />

Bann, bannen: Man sprach von Zwing und Bann" als Befehlsgewalt<br />

(bzw. „Bott und Verbott") in der Gemarkung,<br />

die selber auch als „Bahn"' erscheint. Bannsteine<br />

waren die Grenzsteine der Gemarkung. Em gebannter<br />

Hau (r ":ht gespannter!) oder Wald war zum Schutz der<br />

jungen Bäump vor dem weiievieh mittels aufgesteckter<br />

Strohwische für unbefugtes .Betreten verboten.<br />

baschgen: Die inncringer betonten 1630: „Der neue Vogt<br />

dürfe nicht daran denken, daß er uns mehr werde baschgen,<br />

w - er wolle", das heißt herumstoßen, herumvoxen.<br />

44<br />

bekören: Wenn einer 1530 den Gatter (oder das Falltor)<br />

im Dorfzaun nicht zumachte und durch hinauslaufen des<br />

Viehes in den Fluren Schaden entstand, mußte der Unterlassende<br />

„bekören" oder „den Schaden wagen", das heißt<br />

Entschädigung leisten.<br />

Bestand, Beständer = Verpachtung, Pächter.<br />

Besthaupt: Von Leibeigenen (im 18. Jahrhundert allen<br />

Einwohnern Ringingens und anderer Orte) mußte nach<br />

dem Tod das beste Haupt (Stück) Vieh, von Frauen das<br />

beste Obergewand (in Geldeswert) an den Leibherrn oder<br />

Dorfherrn abgegeben werden: Erbschaftsteuer. Man<br />

sprach auch von Hauptfall, Leibfall bzw. „jemand verhauptfallen".<br />

Biersieder: Bartlin Traub von Inneringen erhielt als<br />

Bierbräu im Jahre 1581 für ein Fäßlein Bier mit 33 Maß<br />

besten Vorlaufs 1 fl und 1 Bazen. Er hatte das Bier an<br />

die fürstenbergische Herrschaft nach Heiligenberg geliefert.<br />

Chyrurg: siehe Badstube.<br />

-chörig: In Inner.ngen werden im Urbar von 1732 immer<br />

w.vder die Häuser als zwei-, drei-, vier-chörig angegeben,<br />

die meist mit Stroh gedeckt und einstöckig waren. Auch<br />

Scheunen sind so taxiert. Einmal nur ist von Dachplatten<br />

die Rede. Das rätselhafte Wort -chörig scheint noch heute<br />

in „Wiederkehr" zu stecken, einem Hausanbau, der im<br />

rechten W tikel auf den Hauptbau stößt. Eine vierchörige<br />

Scheuer kann jedoch kaum vier Anbauten gehabt<br />

haben! Vielmehr bedeutet das zugrundeliegende Wort<br />

kar, (das nach Michael Buck aus „Quadrat" entstand, wie<br />

Karene aus Quadragene) bei Fachwerkbauten einen<br />

„Fachbund" von einem senkrecht stehenden Balken bis<br />

zum andern (etwa 10 Fuß = 3 Meter breit), in dem bei<br />

Wohnungen gewöhnlich ein Fenster eingesetzt ist. Ein<br />

drei-chöriges Wohnhaus hatte somit drei Fensterkreuze.<br />

dehain = kein.<br />

Eehäftin, ehehaft: Rechtmäßige Wege und Lucken im<br />

Dorfzaun hießen eehaft, das heißt gesetzmäßig (von ewa<br />

= Gesetz, wie in Ehe und Ehehalten). Die Summe solcher<br />

rechtmäßigen Dinge hießen: Ehehäftinen.<br />

Egert: ein öde liegendes Weideland, nicht zum Anbau zu<br />

gebraucnen, wohl abzuleiten von agere = (Vieh) treiben<br />

(Hohenz. Heimat 1966, 32).<br />

Ehrschazz (honorarium 1292), eigentlich Ehrengabe, auch<br />

„Auffahrt" genannt, vom neuaufziehenden Bauern an den<br />

Herrn zu zahlen. Vgl. Handlohn.<br />

Einspenner hießen lt( Ringingen die Kleinbauern und Taglohner,<br />

die nur ein Zugstück hatten. Dagegen hießen so<br />

im 16. Jahrhundert im Zolleriscnen die Landjäger oder<br />

Polizisten.<br />

Einungen nannte man die kleinen Strafen im Dorfbereich.<br />

Elendenkerze: In Gauselfingen, Rin^ngen. Salmendingen<br />

und anderswo bestanden um 1500 besondere Stiftungen<br />

(Grundstöcke) zum Unterhalt der Kerzen für die „Elenden<br />

Seelen" im Fegfeuer.<br />

Espan ^Irrig Eschbach), Aisoen o. ä. 1 inden sich als Flurnamen<br />

von W( ideplätzen in Dorf nahe Da das Anrangs-E<br />

lang ist, muß das mit „ewa-Gesetz" zusammenhängen.<br />

Das vielbesprochene Rätsel hat erst Josef üchnetz gelöst:


„Spannen" nannte man das leichte Fesseln des Weideviehs<br />

an den Vorderbeinen (bzw. Hals und Fuß), um das<br />

Fortlaufen zu verhindern (Fleckenbuch Salmendingen<br />

1530). Der oder das Espan ist der rechtmäßige gemeindliche<br />

Weideplatz, besonders für Zugtiere (J. Schnetz?<br />

Flurnamenkunde 1952 S. 66).<br />

Etter: der das Dorf umschließende Zaun, auch „Zunstellin"<br />

genannt.<br />

Fall, Leibfall: Abgabe der Leibeigenen. Vgl. Besthaupt.<br />

Falltor, Val-, Waltor, Falter: ein eingehängter Gatter im<br />

Dorfzaun, der sich von selbst wieder schloß, um das Hinauslaufen<br />

des Viehes zu verhindern. In Melchingen ist<br />

das Wort als Flurname in Nähe der Kapelle am Ortsrand<br />

erhalten. Hierher gehört auch der Inneringer Torwart<br />

Friedrich Werner von 1581.<br />

Faselvieh: Hagen, Eber, Bock (männliche zur Zucht dienende<br />

Tiere).<br />

Fastnachtsküchlein: Als eine Art Gegengabe für den<br />

Zehnten hatten die Pfarrer ehemals die Pflicht, ihren<br />

Pfarrkindern jeweils auf Fastnacht eine Spende zu geben,<br />

das sogenannte Fastnachtsküchlein (Hohenz. Heimat 1951,<br />

25). In Inneringen gab der Pfarrer zu diesem Behuf jjdem<br />

verheirateten Bürger 2 Maß Wein und i U Brotlaib, jeder<br />

verwitweten Person 1 Maß und ein Achtel Laib. Außerdem<br />

gab er zu dem österlichen „Gesegneten" 26 Pfund<br />

geräuchertes Rindfleisch und 300 gesottene und zerhackte<br />

Eier, die der Mesner austeilte. Auch zum Johannessegen<br />

(27. Dezember) stiftete der Pfarrer gewöhnlich 14 Maß<br />

Wein, auch stellte er den Meßwein und den sogenannten<br />

Kommunikantenwc n. Ehemals hat man nämlich die<br />

„Ausspülete" des Meßkelchs nach dem Meßopfer in Wein<br />

geschüttet und diesen den Gläubigen zu trinken ausgeteilt:<br />

als Kommunikantenwein. Um 1805 wurde das Fastnachtsküchlein<br />

in eine Abgabe an den Schulfond abgeändert.<br />

Feuerspritze: Im Jahr 1743 ist in Inneringen ein Spritzenmeister<br />

nachzuweisen, der seine Spritze gut im Stand zu<br />

halten und zweimal im Jahr schmieren mußte: Gehalt<br />

1 Gulden. In * igingen ist erst 1788 einer Feuerwehr mit<br />

noch erhaltener Dreieckfahne (mit Fürstenbergischem<br />

Wappen) sowie eine Häuseinste der Brandversicherungs-<br />

Beiträge erhalten. In allen fürstenbergischen Orten waren<br />

laut Feuerordnung „Feuerschauer" aufgestellt.<br />

Fischenz: Fischerei-Recht.<br />

Fronhaber, Haberabgabe an den Herrn.<br />

Fronleichnam („Leib des Herrn"): Bei der Prozession<br />

um den Flecken mi: dem Allerhe; Iigsten hatten in Inneringen<br />

1741 acht Schützen mit Unter- und Obergewehr<br />

(wohl Säbel und Flinte) beizuwohnen und erhielten nachher<br />

ein Vesper für 15 Kreuzer, Schultheiß und die Hfffimeltrager<br />

durften auf Gemeindekosten 45 kr verzehren.<br />

Fürspannen: Beim Einzug der Brautleute in ihr Haus<br />

haben bis in unsere Tage Jugend und Ledige mit einem<br />

Seil „fürgespannt", das heißt den Weg versperrt, worauf<br />

jene "oh mit einem kleinen Geldbetrag loskauften. Dieses<br />

Fürspannen ist nicht zu verwechseln mit „Vorspann leisten"<br />

bei steilen Wegen!<br />

Galgen gab es früher in jeder Herrschaft. Mit Missetätern<br />

war man ehedem nicht so zimperlich ve heute, wo man<br />

sie auf Kosten der Steuerzahler lahreiang ein sorgloses<br />

Leben führen läßt. Im Jahr 1576 hat Fürstenberg das<br />

baufällig gewordene „Hochgei ht" für die Herrschaft<br />

Jungnau, nämlich den „Galgen mic drei Säulen" am Galgenbühl<br />

(Gewann Lachen) in Inneringen neu aufrichten<br />

lassen.<br />

Gant: Zwangsversteigerung („man hat einem vergantet",<br />

oder „es ist einer auf die Gant kommen"). Das Wort<br />

kommt von dem Ausruf: „quantum", das heißt wieviel<br />

(bietet ihr)"?<br />

Ganze Bauern waren solche, die eine ganze Mene (Pfluggespann)<br />

mit vier Rossen hatten. Halbe Bauern hatten nur<br />

zwei und Viertelsbauern ein Roß. Daneben hießen die<br />

kleinen Bäuerlein Stümpler oder „Seidner oder Söldner",<br />

als Besitzer einer „Seide". Der Treiber beim Pflug hieß<br />

Mäne- oder Menebue.<br />

Gemeinmerk, alter Ausdruck für Almende. Im 16. Jh. gab<br />

es noch Gemeinmärke, an denen zwei oder mehr Gemeinden<br />

teilhatten. „Wer zuerst mit dem Weidevieh darauf<br />

kam, durfte von den später Kommenden nicht vertrieben<br />

werden."<br />

Gemarschaft, gmaren: Zusammensetzen der Zugtiere<br />

zweier Kleinbauern an einen Pflug. Dieser benötigte<br />

früher teils bis zu vier Zugstücken!<br />

Grad, Gred: Fruchtschranne in Inneringen mit einem<br />

Gredmeister. Nur dort durften Bäcker, Biersieder und<br />

Wirte ihr Getreide kaufen, also nicht in Privathäusern.<br />

Gutemtag: Montag (feria secunda, denn secunda wurde<br />

auch als günstig, „gut" übersetzt!).<br />

Haab hieß einst das (Weide-) Vieh eines Dorfes. Noch erhalten<br />

in dem Spruch „Hab und Gut" = Vieh und Grundstücke.<br />

Haarwurm nannten unsere Eltern auch die „Rufen",<br />

eitrige Schorfbildungen, besonders im Kopfhaar.<br />

Hafengießer: In der Inneringer Ortsgeschichte wird einer<br />

zu Ueberlingen, später Riedlingen, genannt, ohne daß die<br />

Art seiner Erzeugnisse erkennbar wäre.<br />

Hagestolz — Altlediger, dessen Nachlaß der Herrschaft<br />

zufiel.<br />

Handlohn: Gebühr, urspr. Ehrengabe, an den Grundherrn<br />

bei Kauf, Tausch. Erbfall eines Gutes. Aehn ii „Ehrschatz"!<br />

Hauptfall, siehe Besthaupt.<br />

Heimburgen sind niedere Gemeindebeamte gewesen:<br />

Rechner, Ri hter o. ä.<br />

Hennen und Hühner, als Abgabe unterschieden: Aithennen<br />

und Junghühner;<br />

Judenhandel war im Fürstenberc sehen noch um 1800 verboten,<br />

im Gegensatz zur Herrschaft Zollern. Dort duldete<br />

man Juden, weil sie Steuergeld einbrachten!<br />

Kaib und Schelm sind alte Namen für ansteckende Viehkrankheiten<br />

und V'jhkadaver (Klauenseuche u. ä.), später<br />

wurden sie Schimpfnamen für Menschen. Wie Kaib auch<br />

„Aas" bedeutete, so bezeichnet der Scheimenwasen den<br />

Platz, an dem man gefallenes Vieh verscharrte. Er hat<br />

also nichts mit „Schelmen und Dieben" zu tun.<br />

Kairbe: „1455 ein wasen, uf dem des hagen kairbe staut"<br />

(Tailfingen). Korb hieß einst ein mit Flechtwerk eingeriegeltes<br />

kleines Haus eines Seidners, Taglöhners, Tagwerkers,<br />

auch Leibdinghaus oder Speicher. Zum Doppelvokal<br />

vgl. „Kairn = Korn" 1396 in Hohenberger Rechnungen.<br />

Khai, Khoi, Gayh = Gehege, Verhau, Befestigung.<br />

Kommunikantenwein, vgl. Fastnachtsküchlein.<br />

Koppen: In Bisingen gibt es eine Koppenhalde. Der Salmendinger<br />

Pfarrer schrieb im 18. Jahrhundert, die Grundstücke<br />

auf dem Heufeld brächten wenig Ertrag, da sie<br />

voller Koppen seien. Gemeint sind Büsche oder Hecken,<br />

45


deren Beseitigung sich die Gemeinde Salmeni J 'ngen auch<br />

auf Weisen auswärtiger Besitzer vorbehalten hatte.<br />

Kreben, der: In vielen Gemeinden Hohenzollerns und<br />

darüber hinaus fand sich in alter Zeit ein Kreben. Kreb<br />

ist gleich Korb oder Flechtwerk. Gemeint waren Plätze,<br />

oft Gerichtplätze, die mit einem Flechtzaun umgeben waren,<br />

wie z. B. in Dornstetten.<br />

Laachen, Lauchen, Loochen: Einkerbungen in Stein oder<br />

Bäumen als Grenzzeichen. Als Tätigkeit!;Wuns Grenzzeichen<br />

einhauen, Grundstücke vermarken. Davon „Lauchbäume".<br />

Lägel, Legel, die: kleines Fäßchen für Wasser usw. In Lägein<br />

wurden aus Jungnau Fische und Krebse ins Heiligenberger<br />

Schloß geliefert. Das Wort ist abzuleiten von Iat.<br />

lagella, griech. lagynos.<br />

Lugerbuch: Beschreibung von Gütern und I mkünften.<br />

Lannenfuhrwerk: „Im J. 1710 einigte man sich auf der<br />

schwäbischen Kr.'sversammlung, nach und nach auf den<br />

Straßen das weite Geh (br.itere Fahrbahn) einzuführen,<br />

bei dem man zwei Pferde nebene: .ander spannen und<br />

ziehen lassen könne. Zugleich wurde das für c ; e Straße<br />

höchst schädliche Lannen- oder Gabelfuhrwerk abgeschafft.<br />

Das Lannenfuhrwerk war ein Wagen, bei dem die<br />

Rosse an einer Lanne voreinander gespannt waren. 1 ese<br />

Lannen wurden nun durch das Deichselfuhrwerk abgelöst"<br />

(Maier-Krezdorn. Geschichte von Inneringen, 1966,<br />

S. 239). Noch 1763 hat man den Jakob Flöß bestraft, weil<br />

er mit seinem „Landenwagen" und drei Pferden hintereinander<br />

in L i Mühle nach Jungnau fuhr.<br />

Letze. Der fürstenbergische Vogt gab 1596, als er die<br />

Fruchtrechnung in Inneringen abgehalten und im Pfarrhaus<br />

gewohnt hatte, beim Weggehen den Bediensteten als<br />

Letze (Gabe, Erfrischung zum Abschied) zwt Gulden.<br />

Lichtstuben, Kunkelstuben, zu denen LeJige und andere<br />

abends in bestimmte Häuser zusammenkamen, wurden<br />

wegen vorgekommener Exzesse von Fürstenberg mehrfach<br />

verboten.<br />

Maiden = männliches Pferd: Hengst oder Wallach.<br />

Maienstecken war in Inneringen bei der Jugend sehr beliebt.<br />

Sie wurden aber nicht einer „Auserwähhen", sondern<br />

der Geistlichkeit, den Wirten, dem Barbierer, Jäger<br />

und Schultheißen gesteckt. I ine etwaige Geldstrafe wegen<br />

dabe vorgekommenem Unfug traf die Burscnen hart, da<br />

das Geld rar war. Lieber nahmen sie in Jungnau ihre Ochsenz!<br />

mer-Streiche oder Arschböller in Empfang<br />

Meß — Hohlmaß, im Gegensatz zu Maß = Längenmaß.<br />

Noch vor 40 Jahren gab es in Burladingen Meßmacher<br />

oder Hersteller von hölzernen Snnri, Viendel und Meßle.<br />

Mene, Mäne = Pflugge;pann. Der Treiber hieß Mene-Bue.<br />

Narrenhäusle hieß im 18. Jh. der Orisarrest, auch „Gehorsambe"<br />

genannt.<br />

Neujahrskuchen gab die Herrschaft Fürstenberg durch<br />

ren Jungnauer Müller den Inneringer EÜrgern, wobei es<br />

oftmals zu Streitereien kam.<br />

ö(n)ser, der Brotsack, eigentlich Aser (von Essen!). Im<br />

Breisgau nannte man den Schulranzen auch Schulo(n)ser.<br />

Passionssptele waren ehemals nicht nur in Trochtelfingen,<br />

sondern im 18. Jh. auch in Inneringen Brauch. Der Schmied<br />

Eisele von dort gab an: „Als die ehrsame Burgerschaft<br />

sonntagnachm.. tags d" Comöc.. de passione Dom>i probieret,<br />

wobey er Christum vorstelle, seye ihm an dem<br />

Kreuz übel worden, weswegen er zu Xaveri Ott sich be-<br />

46<br />

geben, den entlehnten Mantel ihme widerumb anheimgestellet<br />

und, umb sich zu erholen, für ein paar Kreuzer<br />

brannten Wein getrunken".<br />

Pest wütete in früherer Zeit oft in unserer Gegend. Im<br />

J. 1611 starben in Inneringen 211 Menschen. Beim Schwedeneinfall<br />

kamen laut Kirchenbuch dort sechs Menschen<br />

zu Tode, die erschlagen worden. Das Pestjahr 1635 raffte<br />

dort 133 Erwachsene und 144 Kinder fort und 1636 nochmal<br />

21 Erwachsene. (Im Mittel starben sonst damals in<br />

Inneringen jährlich vier bis fünf!) Im Jahre 1674 sind<br />

wieder 20 und 1676 gar 45 Verstorbene eingetragen. Auch<br />

1710 starben daselbst 25 Kinder und 10 Erwachsene.<br />

Prozessionen: An Christ* Himmelfahrt ging man in Inneringen<br />

zu Fuß (Pfarrer und Honoratioren zu Pferd),<br />

um beide Esche (der dritte war ja brach!), worauf die<br />

Geistlichkeit von der Gemeinde zu einem Ehrentrunk eingeladen<br />

wurde. Dabei waren auch Schultheiß, Unterschultheiß,<br />

die zwei Bürgermeister, Mesner, die Kreuz-, Fahnenund<br />

Laternenträger und die Musikanten. Die Ministranten<br />

durften nicht mittrinken. Ein Essen wurde nicht gereicht.<br />

Eine B ctprozession fand nach Scheer statt mit Pause auf<br />

dem Rückweg i Ii.tzkofen oder Bingen. Zur Beaufsichtigung<br />

der Kinder waren besondere Hüter aufgestellt.<br />

Quitanz: Quittung.<br />

Rai mg, raiten = Rechnung, rechnen.<br />

Rauchhaber: "ne Abgabe von Haber, zu der jeder Rauch,<br />

d. h. Haushalt, verpflichtet war. Aehnliches galt von der<br />

Rauchhenne auf Fastnacht.<br />

„Rauffen": Maier-Krezdorn berichten aus Inneringen von<br />

zwölf Brunnen oder Tränken (wohl Ziehbrunnen) innerhalb<br />

des Dorfes. Bei dreien nennen die Verfasser der<br />

Ortsgesd.ichce „dabeinegende Rauffen", an einem zwei,<br />

an iiiem andern Brunnen war eine „eingefaßte Rauffen",<br />

oder (laut Verfasser) „Trinkraufe". Da eine Raufe sonst<br />

im Stall ein Gitter ist, aus dem das Vieh das Langiutter<br />

rupft, bleibt der Sinn d >er Raufen am Brunnen dunkel.<br />

Waren es etwa Gitter, die das Händeln des Viehes verhindern<br />

sollten? Doch ist den Umständen entsprechend<br />

eher an einen Lesefehler der beiden Autoren zu denken:<br />

Raussen (nicht Rauffen), d. h. Hanfrößen! Vgl. „Roßen"!<br />

richtbar, „Dnchtbar": wurden um 1600 die erwachsenen<br />

Gläubigen (über 14 Jahre) genannt, die man mit Beicht<br />

und Kommunion „herrichten" konnte zum Sterben<br />

J chtung: Vertrag.<br />

Robhaber, Raubhaber war im zollerischen Gebiet eine Abgabe<br />

an Haber. Rob = Knecht, robaten = Frondienst leisten<br />

(vgl. Roboter!). Vermutlich war der Raubhaber eine<br />

Ablösung eines Frondienstes.<br />

Roßen, Röße, Rauße, Raißle: Wasserlöcher in Dorfnähe,<br />

in die man den Hanf legte, damit durch einen Gärungsprozeß<br />

sich die harten Angeln (Aegnen) von den gesuchten<br />

Fasern besser lösten.<br />

Rübteiie finden sich im 18. Jh., als d*e Gemeinden an die<br />

Bürger kleine Grundstücke zum Rübenbau ausgaben. Es<br />

gab 1785 auch Erdäpfelteile.<br />

Rugung, rügen, i gen: Wer sich gegen die festgelegten<br />

Rechte der Dorfgemeinde in Flur und innerhalb Etters<br />

verging, wurde gerügt, d. h. angezeigt und bestraft.<br />

Runs, Rauns, Runz, heißt e ; le Stelle, an der Wasser rinnt<br />

oder rann, daher der Fiurname „Wasserrauns".<br />

Satel, Sautel, Sootel, sind Ackerstreifen in Breite einer<br />

Saatbahn.<br />

Schätzung, Schatzgeld = Steuer.


Schelm, siehe Kaib.<br />

Schießhaus: Schon im 16. Jh. sind in manchen Orten, besonders<br />

im Fürstenbergischen sog. Schützengesellschaften<br />

nachzuweisen, die mit der Armbrust, später mit Zielrohren<br />

auf Scheiben schössen. In Inneringen haben, wie im<br />

Trochtelfinger Amt, die Schützen zu ihrem Feste von der<br />

Herrschaft mehrere Gulden zum Geschenk erhalten. Letztere<br />

hatte auch den Ehrenschuß. Erhalten ist in I. nur der<br />

Flurname „Beim Schießhäusle".<br />

Schule: Es ist ein unbestreitbares Verdienst der Kirche, in<br />

unseren Dörfern die ersten (wenn auch einfachen) Schulen<br />

eingerichtet zu haben! Im J. 1567 bestimmte nämlich der<br />

Konstanzer Bischof Markus Sittich in seinen Diözesanstatuten:<br />

„Wie in den Klöstern, sollen auch in den Pfarreien<br />

tüchtige Erzieher und Lehrer angestellt werden, wobei es<br />

der bürgerlichen Obrigkeit unbenommen bleibt, ehrenhafte<br />

und erfahrene Männer dafür zu bestimmen, welche<br />

den Geistlichen im Unterricht unterstützen. In kleinen Orten,<br />

wo bisher noch kein Lehrer ist, solle ein Helfer (od.<br />

Vikar) den Unterricht erteilen, oder es sollen wenigstens<br />

Mesner angestellt werden, die zugleich das Amt eines<br />

Schulmeisters zu verwalten fähig sind."<br />

Im Visitationsbescheid von Konstanz für das Kapitel<br />

Trochtelfingen vom J. 1695 heißt es: „Da eine neue<br />

Schüssel nur schwer den zuerst angenommenen Geruch<br />

wieder verliert, so soll die zarte Jugend richtig erzogen<br />

und zur Frömmigkeit und guten Sitten angehalten werden.<br />

Daher sollen die Pfarrer mit höchstem Nachdruck<br />

darauf dringen, daß wenigstens zur Winterzeit deutsche<br />

Schule gehalten ^ 'rd. Wo sie schon besteht, mögen geeignete<br />

Männer gottesfürchtige dafür gewonnen werden. Wenigstens<br />

aber sollen, wo zu diesen schlechten Zeiten den<br />

Eltern die Mittel (zur Schuleinrichtung) fehlen, die Kinder<br />

in die benachbarten Orte zur Schule geschickt werden. Die<br />

Pfarrer mögen dieses große Werk der Liebe auf sich nehmen<br />

und die ihr anvertraute Jugend im Deutschlesen und<br />

Schreiben unterr hten, wonach auch die Katechese mit<br />

mehr Nutzen und Gewinn für die Seelen gehalten werden<br />

kann". (Erzb. Archiv Freiburg.) Im J. 1709 heißt es aus<br />

gleichem Anlaß: „Die Seelenhirten sollen darauf achten,<br />

daß, wo keine Schule besteht, sie möglichst bald errichtet<br />

wird, und wo sie schon besteht, sollen sie dieselben öfter<br />

im Jahr visitieren."<br />

Während in Ringingen erst seit 1701 ein Schulmeister bekannt<br />

ist, einige Bürger aber schon 1661 lesen und schreiben<br />

konnten, kennt man in Burladiugcn einen Schulmeister<br />

schon 1612, in Inneringen 1601 einen namens Hans<br />

Rued f. Von Salmendingen heißt es im Visitationsbericht<br />

1685: „Im Sommerf!) hält einer Schule, der sonst<br />

die Rosse hütet". (Man möchte freilich vermuten, daß es<br />

statt Sommer richtiger Winter heißen müßte!)<br />

Schultern als alte Abgaben sind Schinken, Schulterstücke,<br />

„Schaufele".<br />

Schwaighäuser sind 'Wntschaftsgebäude oder Viehhäuser.<br />

Schwaig bedeutet V'h- oder Schafherde. „Schwaig halten"<br />

nannte man aie Schafhaltung.<br />

Seelgeräte sind geistliche Stiftungen für Verstorbene. Das<br />

„Seelbuch" enthielt das Verzeichnis der Meßstiftungen.<br />

Ein „Seelbad" war für Arme gestiftet, gedacht als geistiges<br />

Gutes Werk für Verstorbene.<br />

Siechenhaus: Um 1735 ist ' l Inneringen die Rede von<br />

e ; em Acker der Heligenpflege, auf dem früher das Siechenhaus<br />

stand, und von einem Siechenwasen. Auch n<br />

Ring- igen ist 1695 ein S chenhaus erwähnt. Es stand damals<br />

an der Stelle, an der heute die (t.^fer gelegte) Straße<br />

nach Knler am 5 ichle m den Wald eintritt. Etwas unter-<br />

halb in Saien ist noch das Siechenbrünnele bekannt, an<br />

dem die Sondersiechen, wegen ansteckender Krankheiten<br />

von den übrigen Dorfgenossen Abgesonderten, ihr Wasser<br />

holen konnten. Wann dieses Siechenhaus abging, ist<br />

nicht bekannt. Ein Acker stieß darauf hinaus, der vor einigen<br />

Jahren durch Tieferlegen der neuen Straße in Wegfall<br />

kam.<br />

Söldner, Seidner, vgl. Ganze Bauern.<br />

Spanischer Mantel: Der die Christusrolle im Passionsspiel<br />

zu Inneringen spielende Eisele wurde zur Strafe, daß er<br />

sonntagnachmittags während der Vesper im Wirtshaus<br />

Branntwein getrunken, eine Stunde lang in dem Spanischen<br />

Mantel öffentlich ausgestellt. Dieser bestand in einer<br />

schweren Eichentonne, die umgekehrt dem Delinquenten<br />

aufgestülpt wurde mit einem Loch für den Kopf zum<br />

Durchstrecken. Die Tonne war so niedrig, daß der Mann<br />

deren ganze Last tragen, oder mit gebogenen Knien stehen<br />

mußte.<br />

spannen, s. Espan.<br />

Stelle, Viehstelle: Lagerplatz des Weideviehes. Vgl. Stellflecken<br />

im Ringinger Wald an der Grenze Stetten-Burladingen.<br />

Stieter — Hengst.<br />

Stig, der: Fußweg; im Gegensatz „die Staig" = Fahrweg.<br />

Stigel, das: Im Dorfzaun zu Ringingen gab es 1530 wie<br />

audi anderwärts da, wo ein Fußweg hindurchführte, jeweils<br />

ein Stigel, d. h. ein Steigbrett zum Uebersteigen des<br />

Zauns als Hindernis gegen das Hinauslaufen des Viehes<br />

und der Gänse.<br />

Stöße: Zwiste, Streitigkeiten.<br />

-stund in zweistund, dreistund usw: zweimal, dreimal!<br />

Sturz: Zum Turmdach in Inneringen wurden 1626 in Ulm<br />

einige hundert Platten weißen Sturzes gekauft, d.h. Weißblech!<br />

Im Schloß Burladingcn fanden sich 1512 auch sturzene<br />

Kacheln, also aus Blech.<br />

tädingen, Tädung: Str' tfall schlichten, verhandeln, Abmachung<br />

treffen.<br />

Taugstein, Tugstein, Dauchstein = Tuffstein.<br />

Tä)erin = Schildwirtschaft, lat. taberna.<br />

Tennrairen, Tänrer: Aehren, die auf der Tenne liegen blieben<br />

(Dennrairede).<br />

Torwart in Inneringen im 16. Jh.: vgl. Falltor. Es gab<br />

dort damals n Werdin-tor bei der Flur Werdt.<br />

Triebwachs wurde in der Kirche in Inneringen gestohlen.<br />

Vermutlich war Trief- oder Tropfwachs gerne* t.<br />

turnen oder „bessern" = Felder düngen.<br />

Uchtet, Auchtert: Weideplatz, bes. Morgenweide, alt<br />

„uochta".<br />

Uebelzeit: DL Inneringer mußten 1603 im Schloßhof zu<br />

Jungnau Felsen brechen und „mit großer Uebelzeit" zerschlagen:<br />

d. h. „mit großer Mühe"!<br />

ungefährlich = „ane geferde": ist mit dem heutigen „ungefährlich"<br />

nicht mehr identisch, sondern bedeutete „ohne<br />

Arglist".<br />

Ungeld, Umgelt: Steuer (Gilt) für ausgeschenkten Wein<br />

(oder B er). Lexer erklärt das Wort als „««angebrachte,<br />

ungerechte G.it".<br />

Ungenosse, Ungenossambe: wer nicht zum gleichen Leibeigenschaftsherrn<br />

gehört,<br />

47


Untergang bezeichnete ehemals das Feldgericht. Die Untergänger<br />

hatten die Grenzmarken zu „untergehen", zu<br />

prüfen und zu ergänzen, Grenzstreitigkeiten zu schlichten<br />

usf.<br />

unzher = bisher.<br />

Urbar — Lagerbuch.<br />

Waldhay - Waidhüter. Heger des Waldes.<br />

Wegiösin: eine Abgabe bei Aufgabe eines Gutes durch<br />

Verkauf, Tausch oder Abzug, „Abfahrt".<br />

Weitraiten sind Randge ete der Dorfflur, die nach Bedarf<br />

von dem Grundherrn zur Ausstockung und Bebauung<br />

freigegeben wurden. Sie gaben in Inneringen dem Herrn<br />

jew- 'ls pro Jauchert 2 Viertel (Simri) des Ertrags. Die<br />

erste Silbe „Weit" dürfte zu wi< = Holz gehören (also<br />

Witmark = Holzmark, Withau = Holzschlag), wird aber<br />

auch als „weit entfernt" erklärt. Zu Raite vgl. Hofraite<br />

= Hofraum.<br />

Werthe, die: In Inneringen war 1731 bestimmt: „Wenn<br />

einer den Aufenthalt des Roßhirten nicht kennt, mag er<br />

sein Roß auf die Werthe tun". Oder: „Nach 14 Tagen sind<br />

die Mutterpferde" von der Werthen „weg wieder zur<br />

Herde zu treiben." Vermutlich war die Werde oder<br />

Werthe ein inselartiger Weideplatz in sumpfigem Gelände<br />

in Nähe des Ortsausgangs nach Ve ngenstadt, wo das<br />

Werdin-tor überliefert ist (1536). Diese Werde war der<br />

Bedeutung nach mit einem Espan identisch.<br />

Widdum: Ausstattungsgüter der Pfarrei. Widmaier hieß<br />

der Bebauer des Widdums.<br />

48<br />

G Hechingea<br />

Zollerland ^<br />

zwischen Alb<br />

und<br />

Schwarzwald<br />

Wisat, weisen: Dem Herrn oder der Wöchnerin eine<br />

Ehrengabe bringen.<br />

Wucherrind: Zuchtstier oder Hagen.<br />

wüste Acker: brachliegende Grundstücke.<br />

Wychhag: In Saimendrgen r ,t im Fleckenbucn 1530 die<br />

Rede von einem „Wychhagen" in Nähe des Dorfes, vermutlich<br />

dem Dorfhag (lat. vicus = Dorf). Der Kornbühl<br />

bedeutet sicher nicht Keltenhügel, wie neulich ein Kalender<br />

behauptete. Man denkt an lat. cornu = Horn, oder<br />

deutsches „Ge hörn" und Bühl.<br />

Zugrecht: Im J. 1719 erhielt Johann Kleck in Inneringen<br />

von seinem Vater ein halbes Haus samt dem Zugrecht auf<br />

die andere Hälfte. Also im Falle des Fe'iwerdens des anderen<br />

Hausteils, hatte Johann als naher Verwandter das<br />

Vorkaufsrecht vor allen andern: er durfte den andern Teil<br />

„an sich ziehen".<br />

Zugviehhaber: mußte in Ringingen 1545 je 1 Viertel von<br />

jedem Zugstück an die Herrschaft jährlich abgeliefert werden.<br />

Angeblich war früher eine Fronarbeit in diese Naturalabgabe<br />

umgewandelt worden, weil man annahm, die<br />

Zahl der Zugstücke bleibe ziemlich gleich.<br />

Zügnust: Zeugnis, Bestätigung.<br />

Zunstellin = Zaunstelle, Verlauf des Etters um das Dorf<br />

1530 in F.


HOHENZOLLERISCHE<br />

HEIMAT<br />

£0. Jahrgang 1970 Nr. 4<br />

Herausgegeben DOID<br />

4P 3828 F<br />

Hohenzollerifchcn Gelchichtooerein<br />

in Verbinöung mit Den<br />

Staatlichen Schulämtern Hechingen<br />

unö Sigmaringen<br />

I<br />

Unseren Lesern wünschen wir ein gesegnetes Weihnachten und ein glückliches Neues Jahr 5<br />

Dieses Deckenbild in der St.-Michaels-Kirdie in Gammertingen ist 1886 von dem Gammertinger Maler Constantin Hanner<br />

gemalt worden. Große Kunst ist es nicht, vielleicht stellt es sogar eine Kopie dar. Aber vielleicht ist das Bild gerade deshalb<br />

liebenswert, weil Hanner sich als Handwerker fünlte, nicht als Künstler, und dafür ist seine Leistung beachtlich. Das<br />

Bild hat wohl kaum jemand einmal richtig angesehen; wir bringen es deshalb als Weihnachtsgruß den Lesern der „Hoh<strong>enzollerische</strong>n<br />

Heimat" anstelle der vielen großen Kunstwerke zu Weihnachten, die hier in den letzten zwanzig Jahren gezeigt<br />

wurden. B.


Die Schriftleitung freut sich, ihren Lesern einen Beitrag<br />

unseres Hoh<strong>enzollerische</strong>n Landsmannes Leopold Bausinger<br />

bringen zu können. Herr Landrat i. R. Bausinger<br />

ist am 20. Januar 1899 in Stetten bei Hechingen geboren.<br />

Nach Besuch des Gymnasiums in Hechingen trat er in<br />

die Verwaltungslaufbahn ein. Nach einer Tätigkeit in<br />

Aachen und Sigmaringen, wurde er 1927 Bürgermeister<br />

von Haigerloch, 1932 Bürgermeister von Burladingen.<br />

LEOPOLD BAUSINGER<br />

Heimat im Dorf - im Kreislauf des Jahres<br />

Ganze 800 Einwohner zählte mein Hei natdorf in meiner<br />

Jugend. Die Dörfler waren meistens Kleinbauern, Kleinhandwerker<br />

und doch auch schon Fabrikarbeiter, die allerdings<br />

noch eine kleine Landwirtschaft betrieben. Ein<br />

Bauer mit 20 Morgen war eine Seltenheit. Kein Wunder,<br />

daß der Lebensstandard mehr als bescheiden war. Am<br />

Fuß der Zolleralb liegt mein Heimatdorf, die Zollerburg<br />

und das Zellerhorn überragen es, in weitem Halbkreis<br />

zieht sich der Albtrauf um das Tal, der Dreifürstenstein<br />

bildet den nordöstlichen Eckpfeiler des Traufes.<br />

Die Eisenbahn fährt heute noch am Dorf vorbei, ebenso<br />

die Bundesstraße Stuttgart- Bodensee—Schweiz. So liegt<br />

das Dorf „abseits am Wege", s 11 und friedlich i weiten<br />

Tal inmitten von Obstgärten. Kein Wunder, daß das<br />

Dorf in früheren Zeiten den Beinamen „im Gnadental"<br />

führte, herrührend vom ehemaligen Dominikanerinnenkloster,<br />

einer Gründung der Grafen von Zollern im<br />

frühen Mittelalter, Jahrhunderte hindurch Erbbegräbnisstätte<br />

der Zollerngrafen.<br />

Knapp 2 km entfernt vom Dorf liegt die Kreisstadt, „des<br />

B-.iches älteste Zollernstadt", wie sie sich früher gern<br />

nannte. Das Zollerländchen war bekanntlich von 1850<br />

b:_ zum Zusammenbruch 1945 „preußisch" gewesen. In<br />

der Schule lernten wir preußische Geschichte und sangen:<br />

„Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben, die Fahne<br />

weht mir weiß und schwarz voran!" Und dabei kamen<br />

fast nur uie Wehrpflichtigen Zur Ableistung ihrer aktiven<br />

Dienstzeit ins eigentliche Preußen, solange Hohenzollern<br />

zum VIII. Armeekorps zählte mit Sitz in Koblenz. Aber<br />

die Rheinländer fühlten sich letztlich genauso als „Mußpreußen"<br />

wie wir Hohenzollern.<br />

Die nahe Kreisstadt bedeutete für uns Dörfler schon die<br />

weite Welt. Dort gab es Krämer- und Viehmärkte, viele<br />

Geschäfte mit mancherlei Schaufensterauslagen, nicht nur<br />

eine, sondern gleich mehrere Kirchen, darunter auch eine<br />

evangelische, sogar eine Synagoge, ein Landgericht, das<br />

Oberamt, die Leinkasse, <strong>höh</strong>ere Schulen und eine Vielzahl<br />

von Wirtschaften, von denen in meiner Jugend die<br />

Wirtschaft „Zur Pfanne" die Stammkneipe der Dörfler<br />

war. Aber auch Arbeitsplätze bot die Stadt, auf die<br />

manche Dorfbewohner wegen der kargen Landwirtschaft<br />

angewiesen waren.<br />

Mit den Kindern der Stadt lagen wir Dorfbu'ben in<br />

Fehde. Bei unseren Gängen ins Städtle gab's öfters Streitigkeiten<br />

und Hänseleien. Wir beschimpften die Stadtbuben<br />

mit „Spüllumpenfresser", dem Übernamen der<br />

Städter, sie gaben zurück mit unserem Ubernamen „Hageverschrecker".<br />

Manchmal gab's auch Hiebe.<br />

Ivchts Attraktives bietet das Dorf, von der alten hochgotischen<br />

Klosterkirche abgesehen. Das Kloster selbst fiel<br />

1898 einem Brande zum Opfer.<br />

He mat also wie vielfältig und überall. Aber um u.'ese<br />

Heimat kreisen ü^e Gedanken auch heute noch nach mehr<br />

50<br />

Von 1936 an war er Bürgermeister in Rüdesheim. Herr<br />

Bausinger wurde 1950 Landrat des Rheingaues in Rüdesheim.<br />

Seit 1965 lebt er im Ruhestand in Johannisberg im<br />

Rheingau. Seine Jugenderinnerungen zeigen, wie eng er<br />

seiner Heimat verbunden blieb. (Unser Beitrag ist ein<br />

Nachdruck aus Heft 1/1970 der Zeitschrift „Schwäbische<br />

Heimat").<br />

denn 50jähriger Abwesenheit, von gelegentlichen Besuchen<br />

abgesehen. Immer wieder steigt die Jugend in der<br />

Erinnerung auf, Menschen, Bilder, Ereignisse. Sie wiederzugeben<br />

will ich versuchen.<br />

Im Kreislauf des Jahres<br />

Seltsam: nie hatte ich so recht das Empfinden als Bub,<br />

daß mit dem Glockenschlag nachts 12 Uhr am 31. Dezember<br />

ein Jahr zu Ende gegangen und ein neues angebrochen<br />

sein soll. Es hat sich ja nichts verändert in der Natur<br />

und im Geschehen, wieso dann also ein neuer Anfang?<br />

Nach Lichtmeß dagegen, wenn die Tage schon wieder<br />

länger wurden — „Lichtmeß bei Tag eß", sagte die Mutter,<br />

und wir Kinder wieder länger „auf der Gaß" herumspringen<br />

konnten, wenn der meiste Schnee geschmolzen war,<br />

und die schwarze Ackererde und das Grün der Wiesen<br />

wieder zutage traten, wenn es draußen wieder „äber"<br />

wurde, wenn der Föhnwind lauwarm durch's Tal strich,<br />

wenn die ersten Gänseblümchen sich zeigten, Haselnußsträucher<br />

und Salweiden blühten, dann, ja dann verspürte<br />

man die Veränderung draußen in der Natur, was oich<br />

auch auf uns Buben übertrug, denn von jetzt an hörte<br />

das Stuoenhocken auf. Straßen und Gassen, Feld und<br />

Wald gehörten wieder uns Buben, man konnte wieder<br />

„Fangeries" und „Verschlupferles" spielen, m'. Pfeil und<br />

Bogen schießen, mit einer Schleuder auf die Spatzenjagd<br />

gehen, Kinderhändel austragen Zw-"dien den Oberdorf -<br />

iern und aen Unterdörflern, Starenkasten zusammenbasteln<br />

und zum oberen Bühneladen f'naushängen, aus<br />

Holz vom Holderbaum Schlehbüchsen fertigen und mit<br />

Wergpropfen auf die Mädle sei :ßen. Und schon m<br />

März blühten an gewissen Stellen dl: Schneeglöckchen,<br />

die wir an Sonntagen heimholten und dabei verbotener-<br />

•w Jse zum Teil mit den Wurzelknollen ausgruben und<br />

allerdings in den Hausgarten pflanzten, wo sie dann<br />

jahrelang standen und jedes Jahr auch blünten.<br />

Die Karwoche kam in Sicht und mit ihr der Beöinn der<br />

Osterfe 'en. Am Palmsonntag trugen wir Palmen zur<br />

Weihe in die K'rche, die wir aus Haselnaßzweigen, Palmkätzchen,<br />

Eichenlaubzweigen mit verdorrtem Laub,<br />

„Seng" zu einem Bündel zusammensteckten und mitten<br />

hinein ein aus vier geschälten Holderhölzchen auf einer<br />

Haselnußrute aufgestecktes Kreuzchen stellten. Vier solcher<br />

Palmen mußten wir zu Hause machen, für uns selbst,<br />

für die Lehrerstante, unsere „Dotte" (Patin), die alte<br />

Nacnbarin Zitta und für deren verheiratete Tochter<br />

Frieda. Am Palmsonntag galt es früh aufzustehen, denn<br />

der letzte war der Palmesel. Schon lange vor Beginn des<br />

Gottesaienstes zogen wir mit unseren Palmen zur Kirche,<br />

denn auch dort galt der oder die letzte als Palmesel des<br />

Jahres. Meist traf es immer wieder die gleichen, die auch<br />

sonst überall zu spät kamen. Nach der Kirche lieferten<br />

wir unsere Palmen ab, bei der Lehrerstante una bei den


eiden Nachbarinnen, wobei es jedesmal 10 Pfennige gab,<br />

die wir unserer Sparbüchse einverleibten. Wenn man in<br />

diese ein Geldstück warf, präsentierte der Blechsoldat<br />

daran, und zwar so lange, bis ein erneuter Geldeinwurf<br />

Arme und Gewehr des Soldaten wieder in normale Lage<br />

verbrachte. Stundenlang hätte ich dieses Sj .^1 fortsetzen<br />

können, doch fehlten dafür die Grosdien.<br />

Die Kartage kamen und mit ihnen die abendlichen Metten<br />

in der Dorfkirche, bei denen die alten, schönen Psalmen<br />

im Wechselgebet zwischen Priester und Volk gebetet<br />

wurden. Da stimmten wir Buben aus unseren Mettebüchlein<br />

kräftig mit ein:<br />

. . . Du weidest mich auf reichen Fluren,<br />

Du leitest mich an lauteren Bächen . . .<br />

. . . An Deiner Hand kann ich nicht irren,<br />

Du bist der wahre Weg zum Leben . . .<br />

. . . Barmherzig und von großer Güte<br />

Bist Du mein Heiland und Erlöser . . .<br />

... Es rühmt dies ein Geschlecht dem anderen,<br />

Auch ich erhebe Deinen Namen.<br />

Vor dem Hochaltar der Kirche stand ein dreizehnarmiger<br />

Leuchter, von dem während der Mette nach und nach eine<br />

Kerze um die andere von Ministranten mit einer Zange<br />

gelöscht wurde bis auf die Kerze in der M ; :te, die zu<br />

guter Letzt verlassen in der dunklen Kirche noch brannte.<br />

Christus bedeutete sie, während die anderen zwölf die<br />

Apostel versinnbildlichten, wie sie in der Stunde der Gefahr<br />

einer um den anderen den Herrn und Meister verlassen<br />

hatten. Mittwochs in der Karwoche läuteten noch<br />

die Glocken, Gründonnerstag zum letztenmal beim Gloria<br />

der Messe. Das Ailerheiligste wurde vom Hochaltar i.i<br />

das altehrwürdige gc .iscne Sakramentshäuschen verbracht,<br />

die Glocken schwiegen, statt inrer klapperten die Ratschen.<br />

Ja, die Rätschen! Welcher Dorfbub hätte kein<br />

solches Radauinstrument gehabt! Die Kirche selbst besaß<br />

davon aus alter Zeit eine ganze Garnitur, die große<br />

Scnindelrätsche, die dem gewichtigsten Buben der ältesten<br />

Schulklasse gebührte, mehrklöppelige und einklöppelige<br />

Rätschen, große und kleine, mit denen wir Buben vor<br />

jedem Gottesdienst zweimal laut Krach machend durch's<br />

Dorf rannten, so daß wir schweißtriefend zur Kirche zurückkamen.<br />

Am Karsamstagmorgen beim Gloria der<br />

Messe läuteten wieder die Glocken, und damit wurden<br />

dl i Rätschen für ein Jahr wieder in den Ruhestand versetzt.<br />

Dieser Ostersamstag sah uns Buben schon frühmorgens<br />

bei der Kirche, fand doch da schon um 6 Uhr früh die<br />

„Scheiterweihe" statt. Jeder rechte Dorfbub brachte sein<br />

Scheit mn, ein gewöhnliches Stück ßackholz, wie es die<br />

Mutter beim Heizen des Backofens benutzte. Mil Hammer<br />

und Stemmeisen wurden aus jedem Sehe; drei untereinanderi'Agende<br />

Kreuze herausgestemmt, das obere Ende<br />

wurde mit einem Loch durchbohrt, durch das eine Trageschnur<br />

gezogen wurde. Wiederum mußten wir vier solcher<br />

Scheite fertigen, wie wir ja auch vier Palmen zu machen<br />

hatten. Vor der Kirchentür war ein kleiner Holzstoß<br />

aufgeschichtet, auf den wir unsere Schate legten, immer<br />

kreuzweise übereinander. Der Geistncne trat mit Mesner<br />

und Ministranten aus der Sakrisiei, der Mesner sollte<br />

das Feuer durch Feuersi in und Zundel entfachen, so<br />

gebot es die Vorschrift der Kirche. Aber selten wollte<br />

dies gelingen, doch der Mesner hatte für solche Fälle eine<br />

Streichholzschachtel bei jirh und entzündete mit einem<br />

Streichholz das Feuer, was uns Buben gar n ent eingehen<br />

wollte. Über das brennende Feuer sprach der Geistliche<br />

seine Gebete, derweilen wir Buben darauf achteten, daß<br />

;.jdes Scheit am unteren Ende bis etwa zur Mitte anbrannte.<br />

Kaum war c' ; kirchliche Zeremonie beendet<br />

und der Geistliche in die Kirche zurückgekehrt, langten<br />

wir Buben unsere noch brennenden Scheue aus dem<br />

Feuer, schwangen sie in der Luft und hatten unsere helle<br />

Freude an Feuer, Funken und Quaim. Wieder gab's für<br />

jedes Scheit bei den Verwandten und Nachbarn einen<br />

Groschen, und wiederum konnte der Sparbüchsensoldat<br />

präsentieren. Und nun war durch das geweihte Scheit<br />

das Haus vor Blitz und Feuer geschützt!<br />

Dem Osterhasen machten wir sein Nest im großen Hausgarten.<br />

Schon hatte der Wasserschierling getrieben, daß<br />

wir ihn beim Nestbau mitverwenden konnten. Wohl weil<br />

die Stallhasen dieses erste Frühlingskraut so gern fraßen,<br />

nahmen wir an, daß es auch dem Osterhasen besonders<br />

willkommen sein würde. Da lagen dann am Ostermorgen<br />

buntgefärbte Ostereier im Nest, vielleicht auch mal ein<br />

rotzuckeriges Osterhäschen. Die Freude war groß. Als<br />

das erste Schuljahr anstand, brachte der Osterhase den<br />

Schulranzen und die Griffellade. Das Schöne war, daß<br />

der Osterhase auch bei den Großeltern und Paten für<br />

uns „eingelegt" hatte. Nach dem Osteramt ging's zu<br />

diesen, um deren „Osterhasen" zu holen. So konnten wir<br />

nachmittags nach der Andacht, deren Besuch für alle<br />

Schulkinder selbstverständliche Pflicht war, mit den<br />

anderen Kindern auf die Wiese gehen und Ostereier<br />

„schucken" (werfen), wobei manchem Ei die Schale<br />

sprang. Diese Eier wurden dann gegessen, wobei es manche<br />

auf eine sagenhafte Zahl brachten, ohne Bauchweh<br />

zu bekommen. In den Osterferien hatten wir Buben<br />

noch viel Freizeit, denn die Feldgeschäfte hatten noch<br />

nicht begonnen. Morgens früh fuhren wir mit dem Kuhfuhrwerk<br />

mit ins Brennholz in den über eine Stunde entfernten<br />

Gemeindewald. Denn der Vater war ja Allmandbürger<br />

und hatte als solcher Anspruch auf sein Bürgerholz,<br />

bestehend aus etlichen Raummetern Brennholz und<br />

100 und mehr Reisigbuscheln. Was waren dies bei trockenem<br />

Wetter schöne Fahrten in den frischen Morgenstunden.<br />

Bis hoch hinauf zu den Felsen der Alb mußte man<br />

dabei. Oft saß das Hoiz auf unzugänglichen Hängen und<br />

Halden und mußte von dort an fahrbare Wege „gerückt"<br />

werden. Dabei mußte Scheit um Scheit oder Rolle um<br />

Rolle den Berg so lange hinuntergeworfen werden, bis<br />

man das Holz an einem Weg abfahrbereit wieder aufseezen<br />

konnte. Das machte uns Buben viel Freude, zumal<br />

der Vater versprochen hatte, uns zum Vesperbrot ein<br />

richtiges Holzmacherfeuer anzuzünden, an dem Brot und<br />

Speck fe n duftig, „gebäht" werden konnten, wie es im<br />

Winter c le Holzhauer taten.<br />

Einmal nahm uns der Vater nach getaner Arbeit hinauf<br />

auf den Albtrauf, wir kletterten über Felsen und stiegen<br />

durch das Felsenmeer i.inauf, wo haushohe Felsblöcke und<br />

Klötze aus grauer Vorzeit lagern, mit Moos bewachsen<br />

und teilweise mit Efeu berankt, so daß sie in der düsteren<br />

Stille des Waldes zum Teil wie vorsintflutliche Tiere<br />

aussahen. Dort oben in dem Felsgebirge befand sich auch<br />

eine H'ihle, in die der Vater mit uns einstieg. Ein<br />

„Wilderer" soll in dieser Hohle gehaust haben, in Wirklichkeit<br />

war es ein harmloser Naturmensch und Maler,<br />

der einen langen Vollbart trug und durch sein ungepflegtes<br />

Äußere einst einem jungen Holzfuhrmann Angst und<br />

Schrecken einjagte, so daß er mit einem Hebeisen auf<br />

den „Wiiden" losging, der sich als harmloser Naturmensch<br />

erwies. Sie wurden dann aber bald gute Freunde,<br />

und der „Wilde" wohnte mehrere Wochen beim Holzfuhrmann<br />

im Dorf, bis ihn eines Tages der Freiheitsdrang<br />

übermannte, und er über Nacht still und spurlos<br />

verschwand. — In diesem Felsenmeer hauste in meiner<br />

frühen Jugend noch ein Uhu, der letzte weit und breit<br />

damals in freier Wildbahn, etliche uralte Eichenbäume<br />

hatten sich aus alter Zeit herübergerettet (sie stehen<br />

51


übrigens heute noch als Naturdenkmale geschützt), ehemalige<br />

Fanggruben für Wölfe, die „Wolfsgruben", waren<br />

noch zu sehen, was Wunder, wenn in dieser Umgebung<br />

das junge Bubenherz bangte und zagte, und ich meinte,<br />

jeden Augenblick müßte etwas Außergewöhnliches geschehen,<br />

ein Räuber kommen, ein Wolf vor uns stehen<br />

oder gar das Rotkäppchen begegnen.<br />

Droben auf den Höhen der Berge schauten wir zum<br />

erstenmal in die Weite der Welt und der Heimat. Weit<br />

hinten lagen die Höhenzüge des Schwarzwaldes, dort im<br />

Westen lägen die Vogesen und hier im Süden d e „Schneeberge",<br />

die Alpen also. Zum erstenmal ging mir hier oben<br />

auf den Bergen ins Herz ein, wie einzig schön das Heimatland<br />

war, zugleich wuchs aber auch die Neugier, zu<br />

erfahren, wie die Welt nun wohl hinter dem Schwarzwald<br />

und hinter den Vogesen aussehen möge. Liebe zur<br />

Heimat, Drang in die Ferne!<br />

Der Saft stieg in die Bäume. Aus Bachweiden machten<br />

wir Buben „Hupen". Die Rinde wurde mit einem Taschenmesser<br />

so lange geklopft, bis sie .sich vom saftigen Holz<br />

unversehrt löste. Ein richtiger Bub begnügte sich mit<br />

solch einer einfachen Hupe nicht, er wollte eine „Waldhupe"<br />

haben, für die die Rinde von der Salweide geringelt<br />

und abgeschält und sodann in Trompetenform<br />

wieder zusammengerollt w urde. Oben hinein wurde dann<br />

eine gewöhnliche kleine Hupe gesteckt, und so war das<br />

Blasinstrument fertig. War das ein Konzert an Sonntagen,<br />

wenn eine Bubenschar mit ihren Hupen trompetend<br />

ins Dorf zog!<br />

Der 1. April war damals schon wie heute dazu da, den<br />

oder die „in den April zu schicken". Einmal, ich ging noch<br />

nicht in die Schule, sollte ich das Opfer werden. Der<br />

Kuno, der Enkel des „Nageljörgle", des letzten Nagelschmieds<br />

weit und breit, und mein älterer Bruder gaben<br />

mir 10 Pfennig und schickten mich zur Krämerin, dem<br />

Sinzele, um für das Geld „Ibidum" zu kaufen. Lange<br />

sträubte ich mich, nichts Gutes ahnend. Eis die beiden<br />

mich dann doch überredeten, und ich zum Kramladen<br />

ging. Das Sinzele kam, nachdem ich die Ladenglocke gezogen<br />

hatte, und frug nach me aem Begehr. „Für 10 Pfennig<br />

1 Ibidum", sagte ich und legte den Groschen auf den<br />

Ladenusch. Da mußte die gute Krämerin gar herzhaft<br />

lachen und frug. wer mich geschickt hätte. „Der Kuno",<br />

erwiderte ich. Das Sinzele gab mir den Groschen wieder<br />

zurück und sagte: „Jetzt gehst nur wieder zum Kuno<br />

und sagst inm, er war' dumm." Derweilen konnten der<br />

Kuno und der Bruder sieh vor lauter Lachen nicht genug<br />

tun, daß sie midi hereingelegt und m den April geschickt<br />

hatten.<br />

Bald kam der r. M-n. Als Schulbuben interessierten wir<br />

uns auf dem Schulweg n der Frühe, welchen Dorfschönen<br />

nachts von aen ledigen Burschen buntbebänderte Maien<br />

„gesteckt" waren. Als ich dann später selber im Alter<br />

war, um Maien zu stecken, war ich der H-'mat längst<br />

entronnen. Und w eder einige Jahre später, als ich in<br />

einem schönen, romantisdien Städtdien — der Fliederstadt<br />

im Eyachtai — meine erste Bürgermeisterstelle innehatte<br />

und als Junggeselle einem M tagsstammtisch angehorte,<br />

hatten mir zum 1. Ma. zechfrohe Kumpane auf den Rathaus'balkon<br />

einen mit Bier-, Wein- und Sektflaschen geschmückten<br />

Maien gesteckt, vielleicht um mich zu mahnen,<br />

daß ich ml h langsam unter den Schönen des Landes<br />

umsehen sollte.<br />

Der Mai war auch für uns Dorfjungen damals schon<br />

Wandermonat. Mir machten Maientouren in die Wälder<br />

und Berge der Alb und kehrten ma einem Lied auf den<br />

Lippen noch so zeitig zurück, daß wir den Gottesdienst<br />

nicht versäumten.<br />

52<br />

Die Maiglöckchen blühten in den Buchenwäldern, wir<br />

wußten alle Standorte, mußten aber gewärtig sein, daß<br />

wir mit den Buben des Nachbardorfes nient zusammentrafen,<br />

denn ansonsten hätte es blutige Fehde gegeben.<br />

Christi Himmelfahrt kam. In großer Prozession zog das<br />

ganze Do


noch keine Maschinen, so daß die Arbeit manuell verrichtet<br />

werden mußte. Um vier Uhr und früher ging's<br />

auf die Mahd, die Älteren mähten, die Kinder mußten<br />

„warben". Der ganze Tag war angefüllt mit Handarbeit,<br />

mit Wenden, Schochen, Zusammen„keien a , Laden, Abladen,<br />

so ging es tagaus, tagein bis zum Schluß. Von<br />

einem Kindersdiutzgesetz wußte man auf dem Dorf<br />

nichts, wir sind aber gleichwohl groß geworden, ohne<br />

Schaden zu nehmen.<br />

Ähnlich war es dann später bei der Getr.' deernte und<br />

im öhmdet. Audi hier mußten wir hart zupacken. Es soll<br />

gesagt sein: ich war und bin nicht wenig stolz, einen<br />

großen Heuwagen laden zu können, auch später noch,<br />

als ich dann und wann im Heuet in Ferien nach Hause<br />

kam.<br />

Der Sommer ging unbemerkt ins Land. An Kräuterweihe<br />

(Mariä Himmelfahrt) trugen wir vier „Weihsang" in die<br />

Kirche, zusammengestellt aus Korn- (damals noch DL -<br />

kel), Gerste- und Haferbüscheln, rote Kerzen und Königskerzen,<br />

Weißkraut- und Dickrübenblättern. "derum<br />

belieferten wir die Lehrerstante und die beiden Nachbarinnen,<br />

und wiederum gab's et che Groschen für die<br />

Sparbüchse mit dem präsentierenden Soldaten.<br />

Nach der letzten Fuhre Heu war die „Heukatz" fällig,<br />

und nach dem letzten Garbenwagen die Sichelhenke.<br />

Aber gefeiert wurde nicht, man saß eine Viertelstunde<br />

länger und gemütlicher beim Nachmittagsvesper, die Eltern<br />

erzählten aus ihrer Jugend, wie sie „Theater spielten",<br />

„Maschgera gingen", den und jenen Schabernack<br />

trieben. Der Vater konnte begeh ert aus seiner Soldatenzeit<br />

1886—1888 in Köln erzählen. Dre Kaisern hatte er<br />

in dieser Zeit geschworen: Wilhelm I., Fr idrich III. und<br />

Wilhelm II.<br />

Mariä Geburt zieh'n die Schwalben furt, sagt die Bauernregel.<br />

Es herbstete, die Tage wurden merklich kürzer,<br />

Wiesen und Getreideäcker waren abgeerntet. Eines Tages<br />

zog der Schäfer ins Dorf mit 200 bis 300 Scnafen. Der<br />

Pferchkarren wurde in die Gemarkung gefahren und die<br />

Hürden aufgeschlagen. Da waren wir Buben dann bald<br />

gut Freund mit dem Schäfer, lagen ganze Nachmittage<br />

bei ihm draußen auf dem Feld, gruben nach Mäusen und<br />

Maulwürfen, rauchten verstohlen Pfeife, durften schon<br />

mal beim Schäfer schnupfen. Er konnte so nette Geschichten<br />

erzählen, war ja auch schon weit herumgekommen,<br />

kannte den Schwarzwald und das Badische, hütete<br />

im Winter im Elsaß und im Frühjahr und Sommer auf<br />

dem Truppenübungsplatz Heuberg.<br />

Die Wiesen hatten wieder getrieben. Nachmittags trieben<br />

wir die Kühe auf di- Weide, trieben allerhand Allotria,<br />

br eten Äpfel am Feuer und schmiedeten Pläne für das<br />

Erwachsendem. Abends trieben wir das Vieh wieder zurück<br />

ins Dorf und knallten mit den Peitschen, daß man<br />

meinen konnte, die Hölle wäre losgelassen,<br />

Dann ging's in die Kartoffeln, die man damals noch mit<br />

der Hacke ausmachte. Das Schönste für uns Buben dabei<br />

waren die Kartoffelfeuer, deren Rauch während der Kartoffelernte<br />

siJi über die ganze Gemarkung und darüber<br />

hinaus hinzog und i nen herben Duft verbreitete, wie er<br />

im Herbst vielfältig anzutreffen ist. Köstlich waren dabei<br />


denn der heilige Mann die oder jene Untat doch wissen<br />

könnte. Es ging aber immer besser ab als gedacht, so<br />

daß die Hanselmänner und Lebkuchen und Nüsse und<br />

Äpfel durch keine Bitternis getrübt wurden. So konnte<br />

man an Nikolaustag nach der Schule bei den Großeltern,<br />

bei der Dotte und beim Dötte frohen Mutes die Hanselmänner<br />

abholen, die auch dort für uns vom Nikolaus<br />

„eingelegt" wurden. Wie an der Kirbe trat für uns Buben<br />

um jene Zeit der Brotlaib etwas in den Hintergrund,<br />

soviel Hanselmänner mußten gegessen werden. Bei einem<br />

Gang durch's Dorf waren sie in vielen Häusern, in<br />

denen Buben wohnten, zwischen Vor- und Innenfenster<br />

aufgestellt, manchmal ganze Fenster voll und darunter<br />

wahre Prachtkerle in Größe und Umfang.<br />

Eines Morgens war die Landschaft schneebedeckt, über<br />

Nacht wurde es Winter. Die Schloten, die das Jahr<br />

über in einer Ecke des Schopfes verstaubt lagen, wurden<br />

hervorgeholt und auf ging's zum Schlittenfahren, mal<br />

an den steilen Mühlhof, mal an den Haldenberg. Die<br />

oft selbst verfertigten und von Generation zu Genera uon<br />

vererbten „Bauchschlitten" waren weitaus in der Mehrzahl,<br />

vornehmere Eisen- oder gar Rodelschlitten waren<br />

im Dorf selten. Größere Buben trieben n „Wasserschlittle"<br />

auf, mit dem früher vor dem Bau der Wasserleitung<br />

das Wasser von den Dorfbrunnen in Gölten im<br />

Winter nach Hause gefahren wurde. Ein solcher Schlitten<br />

bot für 8 bis 10 Kinder Platz, wobei sie alle wie die<br />

Heringe übereinander i ngen. Aber weil dabei auch schon<br />

Mädle mitgenommen wurden, war die Platzenge keineswegs<br />

unsympathisch. Die Wasserschi...de waren ansonsten<br />

das Reservatrecht der Ledigen, die abends mit ihren Liebsten<br />

zum Schlittenfahren gingen. Manchmal wurde von<br />

den Ledigen ein Mistschlitten bei einem Bauern aufgetrieben,<br />

mit dem es in großer Besetzung den Berg hinuntergmg.<br />

Schlittschuhlaufen war ebenfalls beliebt, insbesondere<br />

dann, wenn der Dorfbach zugefroren war und eine Eisbahn<br />

bot. Schneemänner machten wir und Backöfen.<br />

Ein altes Ofenrohr diente als Kamin, wir feuerten mit<br />

Stroh, und in die ausgehölten Köpfe der Schneemänner<br />

stellten wir Kerzchen und jagten damit den kleinen<br />

Kindern Angst ein.<br />

Eines Tages hatte der Vater den Metzger bestellt, denn<br />

vor Weihnachten sollte noch geschlachtet werden, auf<br />

daß vorgesorgt war. Drr Zentner und mehr schwer war<br />

die Sau, die unter M thilfe des ganzen Hauses ihr Leben<br />

lassen mußte. Wir Kinder durften schon mithelfen, dem<br />

Säuiein im großen Zuber die Borsten auszureißen, und<br />

bei vorgeschrittenem Alter bekamen wir vom Metzger<br />

ein scharfes Messer in die Hand, um auch beim Schaben<br />

zu helfen. Das Säule wurde dann, wenn es fein säuberlich<br />

auf dem Schrägen lag, an dem großen Rechen aufgehangen,<br />

der Metzger schnitt i h m den Bauch auf, holte<br />

die Eingeweide heraus, schnitt Kopf und Füße ab und<br />

legte alles das zurecht, was zum Verwursten bestimmt<br />

war. Nach dem Re : '.;en der Därme ging es an's Wurstmachen,<br />

Blut- und Leberwürste hauptsächlich, die bald<br />

im Kessel brodelten. Zwischendurch gab's Kesselfleisch,<br />

das auf dem Hackklotz geschnitten und mit etwas Salz<br />

und Brot gegessen wurde. Die Männer tranken vorweg<br />

einen Schnaps und sodann Most. Kirsch- und Zwetschgenwasser<br />

aus eigener Ernte war immer im Haus. In der<br />

Küche wirkten die Frauen, denn zur Metzelsuppe gab<br />

es . ; agangs Fladlesuppe, sodann zu den Würsten und<br />

dem Fle c ch Knöpfle, Sauerkraut und „Grumb.eraschnitz".<br />

Die Verwandtschaft war mit Kind und Kegel<br />

eingeladen, Tische mußten zusammengerückt werden,<br />

um di Gäste alle aufzunehmen, wobei uie Frauen erst<br />

dann zum Essen schritten, wenn die Männer und Kinder<br />

54<br />

fertig waren. Am Kopfende saß der Metzger, er schnitt<br />

Würste und Fleisch an, probierte von allem, um zu zeigen,<br />

daß man seine Ware mit Appetit essen könne. Für uns<br />

Buben war es Ehrensache, uns durch all die Köstlichkeiten<br />

von Würsten und Sied- und Bradleisch hmdurchzuessen,<br />

auch wenn man zum Schluß nicht mehr Papp sagen konnte<br />

und den oberen Hosenknopf aufmachen mußte. Der<br />

Metzger stand früher auf, denn nachi ttags hatte<br />

er schon wieder woanders zu schlachten, „So, nun esset<br />

se g'sund und z'frieda", verabschiedete er sich.<br />

Abends durften wir beim Speckschneiden helfen. Das gab<br />

zwar „schmotzif e" Hände, doch schmeckten die Grieben,<br />

die beim Auslassen des Speckes übrigblieben, um so besser.<br />

Die Vöglein aber bekamen davon auch ihren Teil,<br />

wie ihnen der Vater auch manchen sonstigen Brocken<br />

im Garten hinterließ. Die „Saublase" wurde in der Werkstatt<br />

aufgehangen, manchmal hingen dort 3 solcher Gebilde,<br />

die in früheren Zt "en für mancherlei Zwecke verwendet<br />

wurden, so zum Beispiel, um Flaschen luftdicht<br />

abzusch sßen. Wir Buben benutzten sie aber an Fastnacht,<br />

um als „Hanswurstel" n t ihnen die Mädle zu verdreschen.<br />

Weh tat's ja nicht! In der Werkstatt hing auch<br />

der Saunabel, der zum Schmieren der Sägen und anderer<br />

Werkzeuge benutzt wurde. Und in der Küche am Brett<br />

hing das „Schmeerlaible", das bei eitrigen Geschwüren als<br />

altes, bewährtes Hausmittel unentbehrlich war. Ein<br />

Stückchen Schmeer auf die Wunde gelegt, und Dreck und<br />

Eiter wurden zusammen- und herausgezogen, ja, was so<br />

ein Säule doch für wertvolle Dienste leistet! Ich lasse<br />

nichts über d":se Borstentiere kommen und wäre jederzeit<br />

bereit, einer Einladung zu einer echten, bäuer"chen<br />

Metzelsuppe sofort nachzukommen.<br />

Nun konnte Weihnachten kommen, der Schinken hing im<br />

Rauch, und mancher Braten lag eingesalzen in der Gölte.<br />

Und Weihnachten kam, damals wie heute mit jenem<br />

Zauber des Geheimnisses und des Geheimnisvollen. Der<br />

Vater besorgte am Heiligen Abend den Stall früher als<br />

sonst, wobei er dem Vieh als W< 'inachtsgabe zum Schluß<br />

eine Raufe öhmd gab. „Das Vieh soll auch wissen, daß<br />

Weihnachten ist", pflegte er zu sagen. So kam dann an<br />

jedem Heiligen Abend das liebe Christkind ins Bauernhaus<br />

und brachte einen Weihnachtsbaum und eine Krippe,<br />

die der Urgroßvater in se'nen Mannesjahren schon für<br />

seine Kinder gemacht hatte. Und beschenkt wurden wir<br />

Kinder auch, von zu Hause aber nur mit prakt' chen<br />

Dmgen, Kleidungs- und Wäschestücken, etwas für die<br />

Schule oder was sonst war. Aber Springerle gab's und<br />

Ausstecherle in gar manchen Arten und Formen und nicht<br />

zu vergessen das schmackhafte Hutzelbrot. Am Weihnachtsmorgen<br />

wurden wir in der Frühe für die Christmette<br />

geweckt. In Mantel und Schal — Balledin sagten<br />

wir — gut verhüllt, Fausthandschuhen und „Gaderstützetle"<br />

an den Händen, zwt-i Paar Strumpfen an den<br />

Fußen stampften wir durch den hartgefrorenen Schnee<br />

zur alten Klosterkirche. Aus den meisten Häusern begegneten<br />

uns Mettebesucher, so daß sich bald eine lange<br />

Kette von Kirchgängern bildete. Sie aile wollten teilhaben<br />

am Wunder der Heiligen Nacht.<br />

In der Kirche brannce der mächtige Christbaum aus vielen<br />

Wachskerzen, die Frauen hatten in ihren Kirchenstühlen<br />

Wachsstöcke brennen, Männer vereinzelt ein Kerzlein,<br />

denn die Kirche war damals noch ohne elektrische<br />

Beleuchtung. Die Orgel ' ltonierte Weihnachtslieder, der<br />

Priester zog mit einem Heer von Ministranten, unter<br />

denen auch ich manchmal aushilfsweise zu sehen war, zum<br />

Altar, die Orgel setzte kräftig ein, die schönen, alten<br />

WeiLnachtslieder erfüllten den Raum und gingen manchen<br />

ans Herz. Kein Wunder, daß man in der Christ-


mette den und jenen Besucher sah, der das Jahr über den<br />

Weg zur Kirche nicht oder nur selten fand.<br />

Der Christmette folgte das Hirtenamt, eine zweite Messe<br />

also, in der wiederum nur Weihnachtslieder gesungen<br />

wurden. Danach ging es erfroren aber innerlich beglückt<br />

schnell nach Hause, da und dort brannte in Häusern der<br />

Christbaum, aus den Ställen drang der matte Schein der<br />

Stallaternen. Daheim am großen Kachelofen war man<br />

schnell warm, der heiße Kaffee — allerdi :gs war es nur<br />

gebrannte Gerste und Zichorie — mit kiel Milch half nach,<br />

der große Kranzkuchen und sogar ein Gugelhopf wurden<br />

am Weihnachtsmorgen angeschr ;ten, Weihnachten war<br />

auch im Bauernhaus eingekehrt.<br />

Am zweiten Weihnachtsfeiertag, am Stefanstag, besuchten<br />

wir im nahen Städtlein die Krippchen in der Stadtkirche<br />

und in der alten Klosterkirche St. Lützen, wobei<br />

es uns besonders dieses Krippchen angetan hatte, weil<br />

der dortige Mesner die alten Krippenfiguren in bunter<br />

Tracht angezogen hatte. Jedes Jahr kamen neue Kleidchen<br />

hinzu, mal für den Hirten, mal für einen heiligen<br />

DIT'VÖ g, mal auch für den he !gen Josef. Für jedes<br />

Kirchenfest ergänzte der Mesner seine Krippe und stellte<br />

sie auf den jewr üigen Festtag um. Auf Dreikönigstag<br />

kamen die Heiligen Drei Könige mit ihren Kamelen hinzu<br />

und mit gar mancherlei Geschenken, am Sonntag mit<br />

dem Evangelium von der Hochzeit zu Kanaan waren<br />

Braut und Bräutigam mit Hochzeitsgästen und Weinkrügen<br />

aufgestellt, immer wußte der Mesner etwas Neues. So<br />

gingen wir in der Weihnachtszeit mehrmals zum Kripplein<br />

nach St. Lützen und schenkten dem schwarzen Mohrenbub<br />

einen Kreuzer — einen oder zwei Pfennige —, der<br />

sich bei jedem Einwurf mit einem Kopfnicken bedankte.<br />

Wenn wir „zum Kripple" in die Stadt gingen, erhielten<br />

wir einen Zehner extra von zu Hause, um sich in der<br />

Stadt eine Laugenbrezel oder eine Mutschel zu kaufen.<br />

Für 10 Pfennig gab es damals entweder zwei Brezeln<br />

oder zwei Mutschein.<br />

Daheim in der Dorfkirche gab es lange kein Krippiein,<br />

bis Sich eines Tages ein auswärt jer Wohltäter fand, der<br />

dem Dorf eine künstlerisch wertvolle Krippe mit holzgeschnitzten<br />

Figuren schenkte. Aber für uns Kinder ging<br />

halt nichts über das St.-Lutzen-Kripple mit den in allen<br />

Farben angezogenen simplen Krippenfiguren.<br />

Auf Weihnachten folgten bald Sylvester und Neujahr.<br />

Neujahrsan schießen wurde schon immer groß geschrieben<br />

auf dem Lande, denn für das Feuerwerk und derlei Zinnober<br />

fehlte das Geld. Wir Buben verfertigten unser Schießwerkzeug<br />

so: zu einer leeren Patronenhülse, wie sie durch<br />

die Reservisten oder auch durch Manöversoldaten in<br />

,edes Dorf kamen, wurde ein passender Stöpsel aus äii em<br />

alten Schlüssel oder emem Sparrennagel durch Abfeilen<br />

des Bartes oder der Spitze zurecht gemacht und Patronenhülse<br />

und Stöpsel mit starker Schnur oder Draht versehen.<br />

In die Patronenhülse wurden Knallplättchen gelegt,<br />

das Schächtelchen kostete 3 Pfennig und enthielt gut<br />

und gern 50 und mehr Knallplättchen. Der Stöpsel wurde<br />

in die Hülse eingeführt, daß er mit den Knallplättchen<br />

m Berührung kam. Sodann wurde aas Schießgerät an<br />

Schnur oder Draht mit starkem Schwung gegen einen<br />

Mauerstein oder einen sons gen harten Gegenstand geschlagen,<br />

wobei die Sch'-ßplättchen mehr oder weniger<br />

laut, je nach ihrer Menge, knallten. Verwegene Buben<br />

machten die Ladung so stark, daß entweder die Patronenhülse<br />

zerriß oder wenigstens Schnur oder Draht entzweigingen,<br />

wob=i es vorkommen konnte, daß der Schütze<br />

leichte Verletzungen von s ch trug. Aber er kam sich<br />

gleichwohl als Held vor.<br />

Die Ledigen schössen mit Pistolen, deren Läufe mit Pulver<br />

und Papier gefüllt und mittels eines Zündhütchens ab-<br />

gefeuert wurden, wie dereinst c\e Zündnadelgewehre.<br />

Diese Schießerei war zwar verboten, doch wenn ein<br />

Gendarm ins Dorf kam, wußten die Burschen ihm rechtzeitig<br />

auszurücken. Die Alten waren nur immer besorgt,<br />

daß bei dieser Schießerei kein Unheil passierte, was<br />

leider dann und wann vorkam. D ; e Ledigen schössen<br />

ihren Herzallerliebsten „das neue Jahr an", d.' : Mädchen<br />

fühlten sich geehrt, wenn es um Mitternacht unter 'hren<br />

Schlafkammern tüchtig krachte.<br />

An Sylvesterabend ging der Vater nach dem Nachtessen<br />

ins Wirtshaus, um alter Sitte gemäß einen Hefekranz<br />

auszuwürfeln. Wenn wir an Neujahr erwachten, war<br />

unsere erste Sorge, ob der Vater auch einen Hefekranz<br />

gewonnen habe, öfter als einmal, wenn es mit dem Spiel<br />

nicht klappen wollte, kaufte der Vater einen Kranz, wie<br />

er uns später gestand, um uns Kinder nicht zu enttäuschen.<br />

So war sein gutes Herz!<br />

Am Neujahrsmorgen nach dem Gottesdienst gingen wir<br />

zu den Großeltern und Dötte und Dotte, um ihnen das<br />

Neujahr „anzuwünschen". „Ich wünsch' Euch ein glückseliges<br />

Neues Jahr", lautete überall unser Sprüchlein,<br />

und dafür gab's wiederum einen Groschen für die Sparbüchse.<br />

Am Dreikönigstag, damals noch gesetzlicher Feiertag,<br />

brachten wir eine Tasse oder ein Glas mit Salz, in dem<br />

ein Stück Kreide stak, zur Weihe in die Kirche, doch<br />

diesesmal nur für uns selbst, so daß also die sonst üblichen<br />

Groschen ausfielen. Mit der geweihten Kreide<br />

schrieben wir über c"e Stubentür in großen Buchstaben<br />

K + B + M. Hier standen sie dann, die Namenszeichen<br />

der Heiligen Drei Könige, das Salz aber vermengten wir<br />

mit dem Inhalt des großen Salzhafens in der Küche.<br />

Dann kam der 27. Januar und damit Kaisers Geburtstag.<br />

Der letzte Kaiser Wilhelm II. war am 27. Januar geboren<br />

und an diesem Tage fanden im ganzen Vaterlande Geburtstagsfe..<br />

rn statt. Droben auf der Zollerburg war geflaggt.<br />

Als kleiner ARC-Schütze mußte ich bei der Schulfeier<br />

ein Gedicht vortragen, das mir heute noch im Gedächtnis<br />

ist:<br />

„Bin zwar ein kleiner Knabe noch,<br />

Der wenig nur erst weiß.<br />

Jedoch den Kaiser kenn ich doch,<br />

Und sag . im Lob und Preis."<br />

So lautet die erste Strophe, doch Gedicht und Lieder und<br />

die Rede des Lehrers interessierten uns weniger als vielmehr<br />

die Ansprache des Bürgermeisters, in der er uns eine<br />

Kaiserwurst und einen Kaiserweck ankündigte, die wir<br />

gern in Empfang nahmen, zumal sie für manche Sdiulkinder<br />

die einzige Wurst im Jahr war, d'e sie erhielten.<br />

Einmal an Kaisersgeburtstag, als ich kleiner Sextaner war,<br />

durfte ich bei der abendlichen Feier des dörflichen Militärvereins,<br />

dessen Vorsitzender der Vater war, bei einem<br />

Theaterstück mitwirken. Ich hatte die Rolle eines Wa' c enknaben<br />

zu spielen, der zu guter Letzt in einem Kriegerwaisenheim<br />

gute Aufnahme fand. Als Belohnung für<br />

meine „Schauspielkunst" erhielt ich aus der Kasse des<br />

Vereins eine Schützenwurst und eine Mutschel. Seither<br />

stand ich nie mehr auf jenen Brettern, die die Welt bedeuten.<br />

An Marie Lichtmeß brachten wir Kerzen zur Weihe in<br />

die Kirche, die für das Altärchen beim Feldkreuz an<br />

Christi Himmelfahrt bestimmt waren und für den Fäll<br />

eines Versehganges vorsorglich zu Hause aufbewahrt<br />

wurden. In der Kirche wurde der Biasiussegen gespendet,<br />

der vor Halskrankheiten bewahren sollte.<br />

Nach Dreikönigstag redeten die Lec'.gen vom „Maschgeragau".<br />

Es war ganz selbstverständ 1 ' h, daß vor diesem<br />

Tage keinerlei Fastnachtsveranstaltungen stattfanden,<br />

von Dreikön'gstag an aber die Fastnacht freigegeben war.<br />

55


Zwar fanden auf dem Lande, von Vereinsfeiern abgesehen,<br />

keinerlei Bälle statt, vielmehr wickelte sich die<br />

Fastnacht für die Ledigen hauptsächlich abends durch<br />

Hausbesuche ab. Wie froh waren wir, wenn dann abends<br />

öfters Maskenbesuch ins Haus kam. Da kamen die jungen<br />

Leute als Mausfallen- und Kochlöffelhändler, der eine bot<br />

Schwefelhölzle, ein anderer Besen aus Buchenreisig an,<br />

mal kam eine Zigeuner- mal eine Musikantengruppe. War<br />

das dann ein Umtrieb in den Wohnstuben! Sobald die<br />

Masken weg waren, ging es ans Raten und Fragen, wer<br />

die Masken wohl gewesen sein mögen.<br />

Wir Kinder sind tagsüber verkleidet im Dorf herumgesprungen<br />

und waren Hans im Glück. Einmal hatte ich die<br />

Rolle eines Bären zu übernehmen, wie ja damals öfters<br />

mal Bärentreiber ins Dorf kamen. Mit Saubohnenstroh<br />

banden mir meine Kameraden Füße, Beine, Leib und<br />

Arme ein, der Kopf wurde mit einem braunen Tuch umwickelt,<br />

aus dem durch 2 Augenschlitze gerade noch etwas<br />

Sicht war, in die Hände bekam ich einen" dicken Prügel,<br />

um den Leib eine lange Kette, und so ging's mit dem<br />

Bärenführer und seinem Gefolge, das genauso verlumpt<br />

aussah wie richtige Bärentreiber und Zigeuner, durch's<br />

Dorf. Ich mußte auf den „Hinterfüßen" traben und tanzen<br />

und den Prügel dabei in den „Vorderpranken,, hochhalten,<br />

mal mich wild gebärden und den Kindern Angst<br />

einjagen, vor den Häusern „bitte, b' :e" machen und anschließend<br />

eine Verbeugung für die Gabe. Denn im Betteln<br />

taten wir es den echten Bärentreibern gleich! Kein Wunder,<br />

daß ich zum guten Schluß schwitzte wie im Hochsommer<br />

und die gute Mutter zu Hause schimpfte: „Wie<br />

konntest du nur so dumm sein und dich als Bär hergeben!"<br />

Doch schön war's, ach, so schön!<br />

An Fastnachtsdienstag wurden wir und das ganze Dorf<br />

durch die „Tagwacht" geweckt. In der Morgenfrühe, der-<br />

Die Sage vom Eulengrubenweiblein in Unterschmeien<br />

Oberlehrer i. R. Konstantin Fecker aus Steinhofen war<br />

von 1925 bis 1948 Lehrer in Unterschmeien. In den ersten<br />

Tahren seiner Tätigkeit ging er der Sage vom Eulengrubenweiblein<br />

nach und es gelang ihm auch alles zu erfahren,<br />

was über das Eulengrubenwi ibiein noch bekannt war.<br />

Außerdem konnte er auch ein Gedicht zusammenbringen,<br />

das in Bruchstücken in Unterschmeien noch bekannt war.<br />

Am Weg von Unterschmeien nach Thiergarten im Donautal<br />

liegt die Eulengrube, ein Erdfall, der früher anscheinend<br />

einmal recht groß und _lef war. In dem Loch hauste<br />

ein Geist, das Eulengrubenweiblein. Es war kein schrecklicher<br />

Geist, sondern ein Weiblu 1, klein wie ein Zwerg,<br />

von zarter Gestalt und fein geputzt. Wenn ein Wanderer<br />

ins Donautal ging, so konnte es geschehen, daß das Weiblein<br />

plötzlich am Wege stand. Das oben erwähnte Gedicht<br />

berichtet:<br />

„Und Wanderer, die hinunter ins Tal der Donau geh'n,<br />

Seh'n oft die; UnDekannte am Wege steh'n.<br />

,Wo gehts nach Unterschmeien?' Das selt'ne Weiblein fragt<br />

Und fraget immer wieder, so oft man's ihr gesagt!"<br />

Was das Weiblein eigentlich in Unterschmeien wollte,<br />

wird man nie erfahren, denn es ist niemals hingegangen<br />

Schlimm war es allerdings, wenn ein fremder Wanderer<br />

das Weiblein nach dem Weg fragte. Er bekam mit Sicherheit<br />

eine falsche Richtung gewiesen. Das Weiblein konnte<br />

also auch recht boshaft sein. Deshalb gingen die Leute<br />

früher nur sehr ungern an der Eulengrube vorbei. Wenn<br />

es auch nur ein kleines Weiblein war, vor einem Geist<br />

hatte man eben Angst.<br />

56<br />

weilen die Dörfler noch im Schlaf lagen, zogen die Ledigen<br />

durch's Dorf und machten einen Höllenlärm. Eine<br />

„Putzmühle", wie sie zum Reinigen des Getreides nach<br />

dem Dreschen verwandt wurde, machte Krach, Blechdekkel,<br />

Schellengeläute für Pferdegespanne, Trompeten und<br />

Trommeln und was ansonsten noch an Lärminstrumenten<br />

aufzutreiben war, sorgten für die Begleitmusik. Am liebsten<br />

wären wir Buben gleich mitgezogen, doch jagte man<br />

uns wieder in die Betten. Die Schule war an Fastnachtdienstag<br />

notwendiges Übel, und wir konnten es kaum<br />

erwarten, bis der Lehrer uns entließ. Daheim hatte die<br />

Mutter inzwischen „Hosensacknudeln" und „Fastnachtsküchle"<br />

gebacken, die wir mit einem Heißhunger verschlangen,<br />

uns noch beide Hosensäcke vollstopften und<br />

zurück ins Dorf rannten, um ja nichts zu versäumen.<br />

Dann und wann veranstalteten die Ledigen Umzüge, mal<br />

eine Bauernhochzeit darstellend, mal eine Zigeunerhorde,<br />

mal die nahen Städter verulkend, mal örtliche Begebenheiten<br />

ins Lächerliche ziehend. War das dann ein Treiben<br />

und Frohsinn unter der Jugend, doch nahmen auch die<br />

Erwachsenen an dem fröhlichen Umtrieb teil. Der „Odermatt",<br />

so hieß er, kam mit einem großen „Stiefel" Bier<br />

aus dem „Grünen Baum" heraus, schon nicht mehr ganz<br />

nüchtern, und ließ uns Kinder singen:<br />

Hoorig, hoorig, hoorig ist dia Sau,<br />

Und wenn dia Sau it hoorig ist,<br />

No geit se könne Leaberawischt.<br />

Und dann wieder:<br />

Hoorig, hoo 5, hoorig ist dia Katz,<br />

Und wenn dia Katz it hoorig ist,<br />

No fangt se könne Mäus.<br />

Wir bitten Autor und Leser um Verständnis dafür, daß<br />

wir hier abbrechen müssen. Im nächsten Heft wollen wir<br />

diesen Bericht fortsetzen und abschließen. Die Redaktion.<br />

Heimatliteratur<br />

Geschichtliche Beschreibungen ehemaliger Klöster sind in<br />

letzter Zeit erschienen:<br />

1. Gor heim b. Sigmaringen, 1347—1782, von P. Palmatius<br />

Säger in „Thuringia Franciscana", Fulda, 17. Jg.<br />

1962, Seite 109-135. Ebenda findet sich die (in letzter<br />

Zeit le der umgestaltete und völlig entleerte) „Herz-<br />

Jesu-Kirche _n Gorheim" von P. Theophil Hecht, Seite<br />

101—108, mit mehreren Bildern.<br />

2. Gor heim (Tertiai innen) von Mix Heinrichsperger<br />

.1 „Al?manr'i Franciscana Antiqua", Bind 14, 1969,<br />

Seite 74-110 (Verlag Aug. Spät, Ulm a. D.).<br />

3. Laiz (Tertiarinnen) 1308—1782, von demselben,<br />

ebenda S. 111-123.<br />

4. Inzigkofen (Tert Irinnen, später Augustinerinnen)<br />

1354-1802, von demselben, ebenda Band 14, 19b9, Seite<br />

124-135.<br />

5. St. Luzen b. Heclrngen (Franziskaner-Observanten)<br />

1586-1802, von demselben, ebenda im Band 16, 1970,<br />

Sci:e 139—222 unter tatkräftiger Mithilfe von Fritz Staudacher,<br />

Hechingen (Patreslisten 1586—1857!). Kurzes<br />

Wiederaufleben in Stetten b. Hechingen 1868—75.<br />

6. Bernstein b. Heiligenzimmem-Haigerloch, 1361<br />

bis 1806, ebenfalls von Max Heinrithsperger in „Alemannia<br />

Franciscana Antiqua" Band 16, 1970, Seite 93—138,.<br />

unter Beihilfe von Fritz Staudacher, Hechingen, und Max<br />

Sch tel, l - : gmaringen.


JOHANN ADAM KRAUS<br />

Veringendorf - Brennpunkt frühmittelalterlicher Geschichte<br />

Die St.-Michaels-Kirche in Veringendorf ist nicht nur<br />

baulich eine der ältesten Kirchen Hohenzollerns, sondern<br />

auch ihrem Ursprung nach. Der nachstehende Bericht von<br />

J. A. Kraus zeigt, wie groß die räumliche Ausdehnung<br />

des Besitzes dieser Kirche noch 1444 war. Die erste Veringendorfer<br />

Pfarrei soll schon zwischen 670 und 730 entstanden<br />

sein (Wetzel, Zoller<strong>heimat</strong> 1936). Der Patron<br />

St. Michael deutet auf eine adelige Eigenkirche hin. Das<br />

Adelsgeschlecht, dem die Kirche gehörte, saß wohl nur<br />

wenige hundert Meter entfernt auf der „Altenburg".<br />

Diese Burg, die nach ihrer Lage keinerlei Ähnlichkeit mit<br />

einer mittelalterlichen Burg hat, dürfte wohl einer der<br />

ältesten Adelssitze im ganzen Umkreis sein. Es ist sehr<br />

fraj _ch, ob sie überhaupt einmal in Stein gebaut war.<br />

Wahrscheinlich standen hier Holzhäuser, die von Palisaden<br />

geschützt waren. Diese frühen Herrensitze waren<br />

eigentlich nur große Bauernhöfe. Erst im 11. Jahrhundert<br />

setzten sich die hochadeligen Herren von ihren Höfen ab<br />

und bauten auf Bergen und Felsen "lre steinernen Burgen.<br />

Eine solche Burg wurde aber iu Veringendorf nicht gebaut.<br />

Die Grafen von Veringen suchten siui einen Platz,<br />

der einige Kilometer entfernt war und bauten dort Burg<br />

und Stadt Veringen. Der uralte Platz Veringen wurde<br />

zu Veringendorf. Die Grafen von Altshausen beginnen<br />

sich im 11. Jahrhundert nach Veringen zu nennen. Über<br />

die Familie der „Ur-Veringer" ist urkundlich nichts bekannt.<br />

Aber der Komplex St.-Michaels-Kirche — Altenburg<br />

zeigt, daß wir es mit einem alten und sehr bedeutenden<br />

Adelssitz zu tun haben. Vielleicht wird die Altenburg<br />

von Veringendorf einmal zu einem bedeutenden<br />

Objekt der mittelalterlichen Archäolgie.<br />

St-Michaels-Pflege zu Veringendorf 1444<br />

Daß auch eine trockene Aufzählung von Einkünften eine<br />

höchst ergieoige Quelle von interessanten Einzelheiten aus<br />

der Gesch'dite unserer Heimat bilden kann, sehen wir<br />

aus e ler Zusammenstellung des Einkommens der St.-<br />

Michaels-Pflege zu Veringendorf vom Donnerstag vor<br />

St. Margarethen (11. Juli) 1444 die im fürstlichen Archiv<br />

zu Sigmaringen liegt (Veringen R 78, Nr. 21). Wir entnehmen<br />

daraus:<br />

In Benzingen wird ( i Hans Berner genannc. In Veringendorf<br />

an der Staig haben Mönche von Rottenburg eine<br />

Hofstatt. Der Lauchertübergang bei der heutigen Brücke<br />

heißt Kirchfurt. Ein Hans Röber besitzt ^'e Badstube,<br />

ein Herr (wohl Geisti : her) Hans Bröhel ein Haus, Meister<br />

Hans Zinnenberg zahlt an den Heiligen 3 ß (Sch ing)<br />

aus seinem Haus unter Altenburg, wo ja in unseren lagen<br />

wohl kein Haus steht, falls nicht die Gegend des späteren<br />

Kaplane. hauses gemeint war. Leider ist nicht zu ersehen,<br />

wieso und worin dieser Zinnenberg Meister war. Konrad<br />

Fuler der jung zahlte 7 ß aus seinem Haus am Markt und<br />

Hans Frowenlop 5 ß aus seinem in der Helgasse. Erwähnt<br />

w rJ ein Acker, der in Stetten an Bettmur liegt,<br />

wobei Bettmur soviel wie Betmauer, GeDetsnische, Kapellchen<br />

bedeutet! Stephan Waih (Waich, Welscher!) besitzt<br />

einen Krutgarten, der alte F "glm gibt 4 ß aus seiner<br />

Wiese in den Lussen (Luß = durch das Los verteilte<br />

Grundstücke;. Genannt sind 4 ß aus den Einkünften, die<br />

den vier Orden gehören (Benediktiner, Cisterzienser,<br />

Franziskaner, Augustiner?) Wir wüßten gerne, warum<br />

das so war! Felder an der Grinzlen, im Affelstetter Brühl<br />

tauchen auf. Der Heilige bezieht 1 ß jährlich aus der<br />

Closen (Klause) zu Veringendorf, und eine Katharina in<br />

der Closen gibt 4 ß aus des Kundigs Hofraite bei dem<br />

Kirchhof (offenbar ihrem Wohnplatz). Wenn aber Katharina<br />

in der Closen nicht mehr da ist, oder daß sie vertrieben<br />

wird und sie hinterläßt Eigengut, so gehört dies<br />

sant Michael, der Heiligenpflege, zu eigen. Erwähnt ist<br />

eine Mühle an der Bruck, eine Wiese an Alenberg, eine<br />

Wiese unter dem Gowenberg. Aberlin Surer (heute Saurer)<br />

hat Abgaben aus seinem Haus zu leisten. Eine obere<br />

Mühle wird genannt, ein Kayertal und Hans Hochspachs<br />

Mühlgasse, der vermutlich der Müller ist. Ein Feld ist<br />

zwischen Segenhalden und Egelswang gegen Veringendorf<br />

genannt, bei Jungnau ein Garten zu Empfingen und<br />

Flur Sindelfingen, zwei ehemalige W-iler. Zu Affelstetten<br />

stand noch ein Hof, die Aecker auf Krummow<br />

ziehen in Richtung Risach (gen Winterlingen). Eine Wiese<br />

an der Velhen (heute Fehla!) stoßt an die Wannen, anderseits<br />

an den Kapellenacker (wohi St.-Ottilien-Kapelle).<br />

Hans Nopp von Gammertingen gab 8 ß auf<br />

1 Mannsmad Wiesen an der Velhen an Eblin Schuchmachers<br />

Wiese. Konrad Uelin gab 1 Pfund Heller aus<br />

drei Wiesen an der Welhan (Fehla) gelegen, stoßen unten<br />

an Baidenstain (d. i. Altes Schloß). Ein Niedlings Espan<br />

taucht auf, eine Wiese an Dieringer und ein Kürsener<br />

(Kürsenner) Kunrad Frank. Sopp Loser aus Hettingen<br />

(Hattingen!) hat 1 Pfund Heller zu zahlen jährlich aus<br />

1 Mm Wiesen auf Husen (abgeg. Dorf in Nähe des Zusammenflusses<br />

Fehla-Lauchert). Genannt ist Barthlome<br />

Frick, des Müilers Sohn, auch 1 Acker der zu den Turren<br />

liegt. Wir finden auch Einkünfte aus entfernteren Orten:<br />

Cunz Sick von Burladingen zahlt jährlich 2 ß aus einem<br />

Gütlein zu Mayingen (abgeg. zw. Gauselfingen u. Burladingen),<br />

heißt „St. Michels Gut"', ebenso Ragor von<br />

Burladingen 9 ß aus St. Michels Gütlein zu May gen,<br />

ebenso Hans Koffmann 1 Pfund und 2 ß aus St. M iiels<br />

Gut, und haben einst (dem adeligen) Kuon von Burladingen<br />

gehört. (Es war wohl der Letzte des Geschlechtes, der<br />

noch 1402 genannt wird.) r ,; etz Brecht zu Gosselfingen<br />

(Gauself.) zahlt jährlich 3 ß aus St. Michels Gütlein<br />

(vgl. Michelsrain zu GauselL igen!). Item Ogkerlay gibt<br />

5 ß aus St. Michels Gütlein, Benz Brecht ebenso auch<br />

3'/ä ß aus St. Michels Gütlein und Cunz Smälzli 7 ß<br />

aus der Musternun Gut (wohl alle zu Gauselfingen). Aus<br />

Inneringen ist Cunz Schüll genannt, ein Anger (Wiese)<br />

zu Ittenhausen, ein Claus Schütz aus Sigmaringen gibt<br />

10 ß aus Langmaden, stoßt an Bulis Furt (ob an der Lauchen<br />

bei Hornstein?). Gen Harthausen a. d. Sch. erscheint<br />

eine Hirendorfer Staig, die auf ein abgegangenes Dorf<br />

weist. Claus Belser wohnt zu Winterlingen, ein Husenberg<br />

wird an Reinstetter Staig erwähnt, ein Acker auf<br />

der unteren Kohen diesseits dem großen Riet, eine Flur<br />

Risenpuch (Risachbuch?), ein Burkart Kriesy zu Blättringen,<br />

ein St. Peters Gut zu Benzingen. Heii'genpfleger<br />

waren damals Hans ( 'nkelier und H; nzlin Müller zu<br />

Veringendorf. Die Urkunde besiegelte die Stadt Veringen.<br />

J. A. Kraus<br />

57


DIE JAHRESVERSAMMLUNG<br />

Keine Stellungnahme zum Hechinger Schloß<br />

Die Jahresversammlung des Hoh<strong>enzollerische</strong>n <strong>Geschichtsverein</strong>s<br />

fand dieses Jahr turnusmäßig in ! .gmaringen statt,<br />

am 17. Oktober im „Bären". Man hatte einen Samstag<br />

gewählt, um zu sehen, ob dadurch mehr von den rund<br />

700 Mitgliedern abkömmlich wären. Es waren etwa 50<br />

Mitglieder gekommen. Nach den üblichen Rückblicken<br />

und dem Kassenbericht entzündete sich die Debatte für<br />

kurze Zeit an dem drohenden Abbruch des Hechinger<br />

Schlosses, wobei sich die Herren Willy Baur und Baron<br />

von Ow dafür einsetzten, daß dieser klassizistische Bau<br />

erhalten bleibe Es gäbe für ihn nur ein einziges Gegenstück,<br />

wie Baur erinnerte, nämlich die Münze von Karlsruhe.<br />

Diese aber sei mit großem Aufwand wieder hergestellt<br />

worden, während man sich in Hohenzollern anscivcke,<br />

das Schloß abzureißen. Landrat Dr. Mauser,<br />

gleichsam als Vertreter der Landesbank, gab zu bedenken,<br />

daß der Erhalt zu kostspielig und unwirtschaftlich<br />

sei. Auch der Hinwcu darauf, daß vor wenigen Jahren<br />

das Hauptgebäude in Sigrnaringen, das einstige Ständehaus<br />

Hohenzollern, bei der Renovierung erhalten blieb,<br />

verpuffte. — Inzwischen haben sich bekannt ich namhafte<br />

Persönlichkeiten n Hechingen an die Öffentlichkeit gewendet<br />

mit eirem Appell, das Schloß zu bewahren.<br />

Sehr ergiebig waren in beiden Kreisen in diesem Jahr die<br />

Bodenfunde, wozu Kreisvertrauensmann Wallishauser für<br />

Hechingen wegen Erkrankung seinen Bericht verlesen ließ.<br />

Schwedengreuel 1633<br />

Professor Dr. Heinz hat 1897 in den Mitteilungen des<br />

Hoh<strong>enzollerische</strong>n <strong>Geschichtsverein</strong>s Seite 123 unter anderem<br />

berichtet: Am 5. März 1633 erschien der schwedische<br />

General Horn von Hechingen her vor Sigmaringen,<br />

nahm den Obersten d'Espaigne gefangen und Keß das<br />

fürstliche Schloß auf der Sute gegen die Mühle (Elektrizitätswerk)<br />

hin in Brand stecken. Das Schloß wurde bis<br />

zur Küche hinauf in Asche gelegt, alles Wertvolle geraubt,<br />

das Mobiliar zerschlagen oder ins Feuer geworfen. Auch<br />

an den Fruchtkästen sind alle Schlösser zerschlagen, (Sie<br />

Türen zerhauen und 'lie Früchte samt 10 Fuhren Salz<br />

weggenommen worden, zusammen 54 Malter. Ebenso<br />

smd dl: fürstlichen Schlösser und Jagdhäuser zu (Langen-)<br />

Enslingen, Krauchenu es, Verlngenstadt, Sigmaringendorf<br />

(das sog. Schlößchen), zu Gutenstein und 'Thalheim<br />

samt der Sigmaringer Kanzlei, Rüstungskammer, die<br />

gänzlich ausgeplündert worden, und andere fürstliche<br />

Häuser an Dach, Gemach, Täferwerk usw. also ruiniert<br />

und übel zugei'-htet, daß man sie ohne große Unkosten<br />

fürderh'. nicht mehr bewohnen kann (sagt ein alter Bericht;.<br />

Demnach muß im Beieich der Burg Veringenstadt,<br />

die nach W. Baur schon Ende des 15. Jahrhunderts und<br />

nach der Zimmerischen Chronik 1566 „Burgstall" (d. h.<br />

Ruine) genannt wird, wieder »in Jagdschloß oder etwas<br />

58<br />

Der Schwerpunkt lag im Kreis Sigmaringen, für den Vertrauensmann<br />

Jerg berichtete. Hier wurden zwei römische<br />

Gutshöfe aufgedeckt, der eine in Ostrach beim Bau einer<br />

Schule, der andere aufgrund von Luftaufnahmen auf den<br />

„Krummäckern" zwischen Laiz und Inzigkofen. Auch der<br />

Grabungsleiter des staatlichen Amtes für Denkmalspflege,<br />

Di. Hartmann Reim, war bei der Sitzung anwesend.<br />

Dr. Reim versprach der Redaktion des Blattes, für die<br />

kommende Frühlingsausgabe einen Bericht zur Verfügung<br />

zu stellen, der sich mit dem Inzigkofener Vorhaben befaßt<br />

(das 1971 fortgesetzt werden soll).<br />

Von grundsätzlicher Wichtigkeit aber waren die Ausführungen<br />

des Vorsitzenden Dr. Eugen Stemmler. Wenn die<br />

Frage gestellt werde, welche Zukunft der Verein habe, da<br />

das politische Ende Hohenzollerns beschlossen sei könne<br />

die Antwort nur lauten: er hat jetzt erst recht seine Zukunft.<br />

Dr. Stemmler erinnerte an Ge^.lde, die es seit Jahrhunderten<br />

als pol ische Einheiten nicht mehr gibt wie den<br />

Hegau und die Ortenau, dennoch bestehen ihre <strong>Geschichtsverein</strong>e.<br />

Für Hohenzollern komme übert_'.?s hinzu, daß<br />

künftig niemand anders als eben der Verein die Tradition<br />

und die Pflege der Forschung weitertragen müsse. Dazu<br />

sei n breites geistiges wie wirtschaftliches Fundament<br />

vonnötigen, Dr. Stemmler hielt es daher für wünschenswert,<br />

daß der Verein noch mehr Mitglieder haben sollte.<br />

Frick<br />

ähnliches errichtet gewesen sein. Ebenso geht aus dem<br />

Bericht hervor, daß das Schiößlein von Thaiheim nicht<br />

erst unter dem Fürsten Josef Friedrich von S jmaringen<br />

(1715—69) errichtet sein kann. Kr.<br />

Die Gammertinger Schachfiguren und Spielsteine von den<br />

Grabungen beim sog. Alten Schloß Baldenstein an der<br />

Fehla von 1963/64 sind sowohl in „Fundberichte aus<br />

Schwaben" (Neue Folge XVII, Stuttgart 1965, Tafel 45)<br />

als auch im „Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen<br />

in Baden-Württemberg" 1968 S. 237 f. veröffentlicht. Ob<br />

die Spielsteine tatsächlich zum Teil erst aus dem 13. Jahrhundert<br />

stammen, wie angenommen wird, ist durch a.:<br />

Identifizierung des „Alten Schlosses" ml r der Burg emes<br />

vor 1138 ans Kloster Zwiefalten gelangten Dörfleins<br />

Baldenstein zweifelhaft geworden (Hohenz. Heimat 1968,<br />

59 und Blätter des Schwäb. Albvereins 1969, 7). Denn<br />

d:


HERBERT BURKARTH<br />

Der Weiler unter Lichtenstein<br />

Eine abgegangene Siedlung zwischen Neufra und Gauselfingen<br />

Die mündliche Überlieferung in Neufra wußte schon<br />

immer von einem Ort zu berichten, der unterhalb der<br />

Burg Lichtenstein lag. Ja es wird sogar behauptet, daß<br />

das ganze Dorf früher dort gestanden habe. Der Bericht<br />

wird durch die Behauptung gestützt, daß man beim Bahnbau<br />

Spuren von Häusern gefunden habe. Beides, um es<br />

vorwegzunehmen, stimmt nicht. Immerhin war die Obere<br />

Mühle, die 1969 dem Straßenbau weichen mußte, ein<br />

Hinweis auf eine Siedlung in dieser Gegend. Edmund<br />

Bercker (Patrozinien im Kreis Sigmaringen) schreibt<br />

unter Neufra: Abgegangene Siedlung. Weiler: Etwa 2 km<br />

nordwestlich Neufra, rechts der Fehla, wird diese abgegangene<br />

Siedlung zu suchen sein. 1468 wird eine Wiese<br />

„lyt im wyler" genannt. 1547 heißt es von einer Wiese<br />

„im Weyller" und 1581 „am Weiller Rieth under Lichtenstein"<br />

und den „Weilerhalden".<br />

Flurnamen überleben Jahrhunderte<br />

Außer den von Bercker genannten Quellen kommt die<br />

Bezeichnung Weiler in zahlreichen anderen Flurbeschreibungen<br />

und Lagerbüchern vor. Befragung von Einwohnern<br />

aus Neufra ergab, daß die Bezeichnung Weiler, wenn<br />

auch nicht mehr geläufig, so doch noch bekannt ist, auch<br />

in verschiedenen Formen: Im Weiler, Weilerwiesen, Weilertäle<br />

und Weilerschachen. Damit ist auch die Lage klar.<br />

Die Siedlung muß sich östlich der Fehla, unmittelbar an<br />

der Markungsgrenze zu Gauselfingen befunden haben.<br />

Obwohl der Neubau der Bundesstraße 32 Ende 1969<br />

direkt durch das bezeichnete Gelände ging, wurden keinerlei<br />

Siedlungsspuren gefunden.<br />

Burgsiedlung der Lichtensteiner?<br />

Man beobachtet immer wieder, daß sich in unmittelbarer<br />

Nähe bedeutenderer Burgen und eine solche dürfte Lichtenstein<br />

wohl gewesen sein, eine Siedlung befand. Meistens<br />

gehörte zu der Siedlung auch eine Mühle. Urkundlich<br />

läßt sich über das Alter der Oberen Mühle bisher<br />

nichts nachweisen. Im abgebrochenen Keller fand sich<br />

eine Inschrift mit der Jahreszahl 1710. Für das Fehlen<br />

urkundlicher Nachrichten gibt es übrigens eine einfache<br />

Erklärung. Die Mühle war Eigentum der Herrschaft und<br />

deshalb nicht abgabepflichtig. Sie wird daher in Lagerbüchern<br />

auch nicht erwähnt. Es läßt sich nur vermuten,<br />

daß die Mühle letztes Überbleibsel des Weilers unter Lichtenstein<br />

war.<br />

War es die Siedlung Krissenbuch?<br />

Als Stammväter der Lichtensteiner möchte ich die Brüder<br />

Milo und Heinrich ansehen, die vor 1140 vom Zwiefalter<br />

Chronisten Berthold genannt werden. Sie waren adelige<br />

Dienstleute des Grafen Ulrich von Gammertingen und<br />

hatten Besitz in Neufra, Mägerkingen und einem abgegangenen<br />

Ort Krissenbuch. Der Ort wurde bisher (Oberamtsbeschreibung<br />

Münsingen) im nördlichsten Teil des<br />

Kreises Münsingen vermutet, wo ein Flurname Kreisbuch<br />

vorkommt. Viel wahrscheinlicher ist aber doch, daß sich<br />

der Ort irgendwo im Umkreis von Neufra — Gammertingen<br />

— Mägerkingen befand. Es ist allerdings zweifelhaft,<br />

ob Krissenbuch und der Weiler unter Lichtenstein<br />

59


identisch sind, denn es fehlt jeder Hinweis in Flurnamen<br />

usw. Andererseits heißt es ausdrücklich, daß die Brüder<br />

Heinrich und Milo dem Kloster Zwiefalten zwei Huben<br />

in Kassenbuch schenkten, durch die Hand ihres Herren,<br />

des Grafen Ulrich von Gammertingen. Die Gegend um<br />

Gammertingen ist also höchst „verdächtig".<br />

Das Lichtensteiner Lehen<br />

Nach Aussterben der Grafen von Gammertingen befand<br />

sich das Gebiet nördlich von Gammertingen (Mägerkingen,<br />

Hausen a. L., damals noch Zeidelhausen genannt,<br />

halb Bronnen und halb Neufra) in Besitz der Grafen von<br />

Württemberg. Zu dem „halben Dorf Neufra" gehörten<br />

auch die Burgen Lichtenstein. Vermutlich wurde der<br />

Weiler unter Lichtenstein im 14. Jahrhundert aufgegeben<br />

und die Bewohner zogen nach Neufra. Wahrscheinlich<br />

ließen sie sich geschlossen im Oberdorf nieder. Man findet<br />

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />

herausgegeben vom Hoh<strong>enzollerische</strong>n <strong>Geschichtsverein</strong><br />

in Verbindung mit den Staatlichen<br />

Schulämtern Hechingen und Sigmaringen.<br />

Verlag: Hoh<strong>enzollerische</strong>r<strong>Geschichtsverein</strong><br />

748 Sigmaringen, Karlstraße3. Drude: M. Liehners<br />

Hof buchdruckerei KG, 748 Sigmaringen,<br />

Karlstraße 10.<br />

Die Zeitschrift ,Hoh<strong>enzollerische</strong> Heimat" ist<br />

eine <strong>heimat</strong>kundliche Zeitschrift. Sie will besonders<br />

die Bevölkerung in Hohenzollern mit<br />

der Geschichte ihrer Heimat vertraut machen.<br />

Sie bringt neben fachhistorischen auch populär<br />

gehaltene Beiträge aus der Geschichte unseres<br />

Landes. Sie veröffentlicht bevorzugt Beiträge,<br />

die im Schulunterricht verwendet werden können.<br />

Bezugspreis: 2,00 DM halbjährlich<br />

60<br />

Konten der „Hoh<strong>enzollerische</strong>n Heimat":<br />

802 507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />

123 63 Postscheckamt Stuttgart<br />

Die Mitarbeiter dieser Nummer:<br />

Leopold Bausinger<br />

Landrat a. D.<br />

Johannisberg im Rheingau<br />

Dr. med. Herbert Burkarth<br />

7487 Gammertingen, Eicbertstraße<br />

Johann Adam Kraus<br />

Pfarrer und Erzbisch. Archivar i. R.<br />

78 Freiburg-Littenweiler, Badstraße 2<br />

tyf'ther Frick, Journalist<br />

748 Sigmaringen, Hohe Tannen<br />

Schriftleiter:<br />

Dr. med. Herbert Burkarth<br />

7487 Gammertingen, Eichertstraße<br />

Telefon 07574/329<br />

heute noch im Oberdorf die typisch württembergische<br />

Hausform, wie sie in Hausen und Mägerkingen vorkommt.<br />

Nach 1400 verfielen die Burgen Lichtenstein. Das<br />

Gebiet um die Burgen und die Markung des ehemaligen<br />

Weilers bildeten das sogenannte Lichtensteiner Lehen, um<br />

das die jeweiligen Inhaber der Herrschaft Gammertingen<br />

in Stuttgart bitten mußten. Es wurde „nach altem Herkommen"<br />

auch immer wieder verliehen. Nur bestimmte<br />

Forst- und Jagdrechte behielt sich Württemberg vor. Zu<br />

Anfang des 19. Jahrhunderts verkauften die Herren von<br />

Speth-Gammertingen die Obere Mühle an den Urgroßvater<br />

des letzten Müllers. Im Herbst 1969 wurde die<br />

Mühle, die mehr und mehr zum Verkehrshindernis geworden<br />

war, angezündet. Der Abbruch des soliden Eichenfachwerkes<br />

wäre zu teuer gewesen. So ging ein Stück<br />

Geschichte, das letzte Gebäude eines vergessenen Ortes,<br />

in Rauch und Flammen auf.<br />

Redaktionsausschuß:<br />

Hubert Deck, Konrektor<br />

745 Hechingen, Tübinger Straße 28<br />

Telefon 07471/2937<br />

Walther Frick, Journalist<br />

748 Sigmaringen, Hohe Tannen<br />

Telefon 07571/8341<br />

Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />

persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />

diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge verantwortlich.<br />

Mitteilungen der Schriftleitung<br />

sind als solche gekennzeichnet.<br />

Manuskripte und Besprechungsexemplare werden<br />

an die Adresse des Schriftleiters oder Redaktionsausschusses<br />

erbeten.<br />

Wir bitten unsere Leser, die „Hoh<strong>enzollerische</strong><br />

Heimat" weiter zu empfehlen.


WALTHER FRICK<br />

Sankt Nikolaus im Schwabenland<br />

Er nnerung an den Archivar Eugen Schnell<br />

Der heilige Nikolaus als Vorbote von Weihnachten hält<br />

sich immer noch; er ist in Hohenzollern nur in den Auslagen<br />

der Schaufenster zum nichtssagenden Weihnachtsmann<br />

degradiert worden, aber das ist schon seit den<br />

zwanziger Jahren so. Weniger bekannt ist, daß ein Mann<br />

aus Hohenzollern, der damalige Leiter des Fürstlich Hohenzollern'schen<br />

Haus- und Domänenarchivs, Eugen<br />

Schnell, als Nikolausforscher tätig war. Schnell war übrigens<br />

auch ein Dichter, der in dem Buch „Dichterstimmen<br />

aus Hohenzollern" von Ludwig Egler vertreten ist.<br />

„Sankt Nikolaus, der heilige Bischof und Kinderfreund,<br />

sein Fest und seine Gaben", nannte Eugen Schnell seine<br />

Arbeit, die in mehreren Heften nacheinander in den 80er<br />

Jahren herauskam. Die Hefte sind enthalten (wie übrigens<br />

auch die eben erwähnte Anthologie hoh<strong>enzollerische</strong>r Dichter)<br />

in der Bibliothek des Kommunalverbands in Sigmaringen.<br />

Der Schreiber dieser Zeilen hat sich von Dr. Rudolf<br />

Seigel, einem der Nachfolger Schnells auf seinem<br />

Platz im Archiv sagen lassen, daß noch heute in dem kleinen<br />

Kreis europäischer Nikolausforscher jedermann über<br />

Schnell Bescheid weiß und seine Arbeit benutzt.<br />

Eugen Schnell, nach dem in Sigmaringen eine kurze<br />

Straße benannt ist, sammelte alles, was er über den Heiligen<br />

erfahren konnte. Ihm kam zustatten, daß gerade<br />

erst, 1866, ein Prinz aus Sigmaringen Fürst (später König)<br />

von Rumänien wurde. Damit begannen enge Fäden<br />

gewoben zu werden, und Schnell erwähnt an einer Stelle<br />

geradezu die Unterstützung des Hauses Hohenzollern-<br />

Rumänien in seinen Arbeiten zur Frage der Verehrung<br />

des Heiligen im Bereich des Balkan und der Ostkirchen.<br />

Dieser Teil seiner Arbeit fiel denn auch besonders reichhaltig<br />

aus.<br />

Der Sammler hat mit einem bewundernswerten Fleiß<br />

alles zusammengetragen, was nur irgendwo zu wissen<br />

stand über Nikolaus. Hymnen aus östlichen Kirchen,<br />

selbst aus Armenien, hat er zum Teil in ganzer Länge<br />

wiedergegeben. Er berichtet über aje hohe Bedeutung des<br />

Heiligen in Rußland, wo selbst Zaren NikSlai hießen.<br />

Brauchtum in Polen, Wettersprüche zu seinem Tag, Legenden,<br />

ganze Meßtexte zu seinen Ehren zählt er auf. Er<br />

erwähnt auch den Widerspruch zwischen Italienern, dio<br />

behaupten, der Heilige läge in Bari begraben, und den<br />

Russen, die ihn von dort in den 1830er Jahren entwendet<br />

haben wollten. Sogar der reichste Mann zu Schnells Zeiten,<br />

angeblich ein argentinischer Landbesitzer, wird erwähnt,<br />

nur weil er Nikolaus heißt. Die Orte, die den<br />

Namen des Heiligen tragen, fehlen niJit, auch nicht die<br />

skandinavische Niels, Nielson und Niellsen in allen<br />

Schreibarten; Schnell weiß auch, daß der „Nick", dänischer<br />

Name für den Bischof der Seemannsmission. Das<br />

erinnert daran, daß Nikolaus aufgrund seiner zahlreichen<br />

Sepfahrt-Legenden ein Patron der Schiffer ist.<br />

Wenn Schnell seine Arbeit eine „kirchen- und kulturgeschichtliche<br />

Abhandlung und Beitrag zur Klärung der<br />

christlichen und heidnischen Mythologie .. ." bezeichnet,<br />

so übertreibt er keineswegs. Sicherlich wäre selbst in der<br />

Erinnerung vieles von dem verloren gegangen, was auf<br />

dem breiten Landgürtel vom Baltikum bis zum Schwarzen<br />

Meer von Schnell zusammengetragen wurde Tatsächlich<br />

dürfte das Meiste durch die russische Revolution<br />

verlorengegangen sein. Aber in Sigmaringen saß ein stiller<br />

Gelehrter in seinen Mußestunden über seinen Nikolaus-<br />

Notizen und hinterließ so ein kulturgeschichtliches Erbe,<br />

das sonst verloren wäre.<br />

Zwei B:lder hat Schnell seinem Heft beigefügt, Darstellungen<br />

aus der Nikolaus-Verehrung der Ostkirchen, von<br />

denen wir hier eines widergeben. Es unterscheidet sich<br />

wesentlich von „unserem" westlichen Nikolaus. Der Heilige<br />

ist hier an Attributen nicht kenntlich, denn eine Kirche<br />

tragen viele Heilige auf der Hand, Es fehlen Mitra<br />

und Krummstab, es fehlen vor allem die drei goldenen<br />

Kugeln auf dem Buch, das Nikolaus bei uns in der Hand<br />

h;":. Dafür ist er kenntlich an der griechischen Umschiift,<br />

die zu deutsch iautet „Der heilige Nikolaus".<br />

„Hausen am Andelsbach"<br />

N'KÜAAC<br />

Nach längerer Zeit ist wieder einmal ein ganzes Buch über<br />

eine hoh<strong>enzollerische</strong> Gemeinde erschienen, verfaßt von<br />

inem Laien: Josef Mühlebach hat seiner Heimatgemeinde<br />

Hausen am Andelsbach ein Werk gewidmet, an dem er,<br />

wie er be der 7b0-Jahr-Feier der Gemeinde sagte, rund<br />

dreißig Jahre gearbeitet hat, unter tätiger Mithilfe seiner<br />

Frau Mailanne. Dieses Buch, rechtzeitig fertig zu dem<br />

genannten Fest im soeben vergangenen Herbst, hat Mühlebach<br />

die Ehrenbürgerwürde Hausens eingetragen. Das<br />

Werk selber haben wir vor, in der nächsten Nummer der<br />

„Hoh<strong>enzollerische</strong>n Heimat" im April zu würdigen.<br />

61


HERBERT BURKARTH<br />

Der Besitz des ehemaligen Frauenklosters Mariaberg<br />

in hoh<strong>enzollerische</strong>n Ortschaften<br />

Das Frauenkloster Mariaberg kam 1802 an Württemberg<br />

mit der Begründung, daß es „gänzlich von Zwiefalten abhängig"<br />

sei. Das stimmt aber nicht, denn Mariaberg<br />

unterstand nur der geistlichen Aufsicht von Zwiefalten.<br />

Das Kloster war aus seiner Umgebung heraus entstanden<br />

und lebte mit ihr. Bis 1700 waren die jeweiligen Inhaber<br />

der Herrschaft Gammertingen Schirmvögte. Danach war<br />

das Kloster völlig selbständig. Es bestand nur eine lose<br />

Verbindung zur Reichsritterschaft in Ehingen. Die Gründungsgesrhichte<br />

von Mariaberg ist bis heute nicht aufgeklärt.<br />

Es entstand aus dem Rittergut Berg, dessen Inhaber<br />

nach der Gründungsaussage die Grafen von Montfort<br />

waren. Die spätere Tradition bezeichnet neben den Grafen<br />

von Montfort die Grafen von Württemberg und die Grafen<br />

von Veringen als Klosterstifter. Nur der Anteil der<br />

Grafen von Württemberg (Grf. Ulrich der Stifter) läßt<br />

sich noch abgrenzen. Von dieser Seite stammte ein Teil<br />

des Dorfes Bronnen und 4 Höfe in Mägerkingen; vielleicht<br />

auch Besitz in Neufra. Neben dem eigentlichen Klostergebiet<br />

hatte Mariaberg weit verstreuten Besitz in der<br />

Umgebung, der von Sigmaringen im Süden, bis Reutlingen<br />

im Norden reichte. Der Streubesitz konzentrierte sich<br />

aber hauptsächlich in der Herrschaft Gammertingen.<br />

Erwerb und Arten des Besitzes<br />

Im Anfang einer Klostergründung stand immer eine<br />

größere Schenkung als Grundstock, um das Kloster überhaupt<br />

lebensfähig zu machen. Wie schon erwähnt, läßt<br />

sich dies in unserem Fall geschichtlich nicht mehr erfassen.<br />

Erst ab 1300 unterrichten die Urkunden über Erwerb und<br />

Verlust von Besitz. In der Frühzeit standen Stiftungen<br />

und Schenkungen im Vordergrund Im 14. und 15. Jahrhundert<br />

wurde der Besitz hauptsächlich durch Käufe von<br />

Grundstücken und Rechten erweitert Hinzu kam die Mitgift<br />

von Klosterfrauen, Stiftungen von Zinsen für Seelenmessen<br />

und Einkäufen von Pfrüdnern.<br />

Dit Höfe des Klosters in der Umgebung werden als Erblehen<br />

bezeichnet. Da alle Höfe gleichzeitig der jeweiligen<br />

Grundherrschaft erblehenspflichtig waren, dürfte die Bezeichnung<br />

Erblehen nicht ganz korrekt sein. Wahrscheinlich<br />

handelte es sich meistens nur um Teile eines Erblehens<br />

oder Vogtrechte. So mußten z. B. alle Höfe in<br />

Neufra eine Abgabe von Vogthaber leisten. Weglösin<br />

(Abgabe be-'m Tode des Inhabers) ist selten. Nur in Mägerkingen<br />

mußten die Höfe Weglösin und Handlohn<br />

geben (Handlohn bei der Übernahme durch einen neuen<br />

Inhaber). Auch die Hohe der Abgaben ist sehr unterschiedlich.<br />

Sie bestanden aus Geld, Veesen, Haber,<br />

Schweineschultern, Hühnern und Eiern. Die Abgabe von<br />

Hühnern erfolgte teilweise als Herbst oder Fastnachtshennen,<br />

was die Anerkennung einer Leibeigenschaft bedeutet.<br />

Die Rechtsverhältnisse sind also sehr kompliziert<br />

und kaum mehr zu entwirren. Grundlage vorliegender<br />

Untersuchung ist das Lagerbuch von 1727, das um 1750<br />

abgeschlossen wurde. Der Teil des Lagerbuches, welcher<br />

die Orte des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen betrifft,<br />

kam nach der Säkularisation nach Sigmaringen. Er<br />

befindet sich jetzt im Fürstlichen Ärch v. Der andere Teil<br />

kam in das Kammeralamt Pfullingen. Es befindet sich<br />

jetzt mit dem ehemaligen Klosterarchiv im Hauptstaatsarchiv<br />

Stuttgart. Es sind auch noch ältere Lagerbücher<br />

62<br />

vorhanden, die jedoch nicht so ausführlich sind. Der Erwerb<br />

des Klosterbesitzes nach 1300 ist teilweise noch aus<br />

den Urkunden des Klosterarchives zu ermitteln. Die Urkunden<br />

aus der Zeit vor 1300 sind Fälschungen und deshalb<br />

nicht verwertbar.<br />

Sigmaringen<br />

Der Besitz des Klosters in Sigmaringen bestand aus zwei<br />

Wiesen, der Hedinger Wies und der Käppeleswies am<br />

Laizer Fußweg. Der Besitz umfaßte 4 Mannsmahd, dürfte<br />

also nur einen Teil der genannten Fluren darstellen.<br />

Hettingen<br />

Die Einkünfte aus Hettingen waren klein. Das Kloster<br />

hatte hier ein Haus „am Brunnen" (unterhalb des „Ochsen")<br />

und einen Garten bei der Kapelle. Das Haus war<br />

auf einer Wiese erbaut, die 1410 der Gammertinger Bürger<br />

Heinz Schipfer seiner Tochter Othilia im Kloster zu<br />

Berg vermacht hatte. 1364 vermachte Konrad der Mälchinger,<br />

gesessen zu Hustnegg (bei Gammertingen) dem<br />

Kloster seine Wiese in der Braite zu Hettingen, des Mälchingers<br />

Acker genannt. Das Grundstück wurde später<br />

verkauft. 1474 hatte das Kloster in Hettingen noch 5<br />

Grundstücke.<br />

Kettenacker<br />

Mit dem Besitz in Kettenacker hatte das Kloster viel<br />

Ärger. 1445 erwarb Mariaberg von Heinz Späglin, Bürger<br />

zu Gammertingen, einen Hof in Kettenacker. In einer<br />

Urkunde von 1447 machte der Grundherr Hans von Rechberg<br />

„um seines Seelenheiles willen" den Hof lehensfrei.<br />

Das bedeutete, daß das Kloster den Hof als Fallehen<br />

ansah und ihn nur für eine beträchtliche Summe (Ehrschatz)<br />

verlieh. Außerdem wurden Abgaben an die weltliche<br />

Herrschaft (Speth zu Hettingen) verweigert. Von<br />

dieser wurde clie Rech'bergsche Urkunde nie anerkannt.<br />

Vermutlich ist sie tatsächlich eine Fälschung, denn sie<br />

unterscheidet sich in der Schrift deutlich von den anderen<br />

Rechbcrgcr Urkunden. Auch entsprach es durchaus nicht<br />

dem Charakter des „Tollen Rechbergers", sich für sein<br />

Seelenheil in Unkosten zu stürzen. Die Folge war ein<br />

Prozeß, der sich über mehr als zweihundert Jahre hinzog.<br />

Erst am Ende des 18. Jahrhunderts kam es zu einer gütlichen<br />

Einigung. Zahlreiche Briefe und Rechtsgutachten<br />

über diesen Streit be: Inden sich im Fürstlichen Archiv<br />

Sigmaringen und im Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Außer<br />

diesem Lehenshof hatte das Kloster in Kettenacker noch<br />

ein kleineres Gut, aus dem es eine Abgabe an Getreide<br />

bezog.<br />

Gammertingen<br />

In Gammertingen hatte das Kloster seinen größten auswärtigen<br />

Besitz. Mindestens ein Drittel der Markung war<br />

in irgendeiner Form nach Mariaberg zinspflichtig. Der<br />

Besitz war teilweise sehr alt. Schon 1299 verzichtete Graf<br />

Heinrich von Veringen auf seine Gefälle, die er von Leuten<br />

bezog, die dem Kloster zu Berg und dem St.-Michaels-<br />

Altar zu Gammertingen zinsbar waren. In der gleichen<br />

Urkunde wird ein Grundstück des Klosters erwähnt, gelegen<br />

an dem Weiher zu Gammertingen. Dieser Weiher<br />

lag in der Gegend des heutigen Hotel „Kreuz". Später


wurde das Grundstück als „Kiverlinswies" bezeichnet,<br />

nach dem Ritter Kiverli (aus der Familie der Lichtensteiner)<br />

aus Gammertingen. Das Mariaberger Lagerbuch<br />

nennt noch die uralten Gammertinger Hofnamen, die sich<br />

nur noch teilweise erklären lassen: Des Herrlins Hof, des<br />

Wachingers Hof, des Würthes Hof, des Gommeringers<br />

Hof, des Gärtlens Hof und der Mayerhof. Der Herrlins<br />

Hof stammt von dem Niederadeligen Klaus von Pflummern.<br />

1327 und 1330 erwarb Mariaberg Güter von Klaus<br />

von Pflummern. Da seine Frau Gertrud zustimmen<br />

mußte, ist anzunehmen, daß sie aus Gammertingen<br />

stammte. U. a. wurde das Gut Birkisberg verkauft, das<br />

an der Markungsgrenze nach Feldhausen liegt. Der<br />

Wachinger Hof geht auf einen Uoz von Wachingen zurück,<br />

der ebenfalls in Mariaberger Urkunden vorkommt.<br />

Der Mayerhof lag in der Nähe der Unteren Mühle. Aus<br />

diesem Hof bezog das Kloster nur 2 Pfd. Hlr. 1396 hatte<br />

das Kloster auf seine Rechte an der Kiverlinswies (s. o.)<br />

verzichtet und dafür 2 Pfd. Hlr. aus dem Mayerhof bekommen.<br />

1344 verkaufte Schultheiß Ulrich Nelle von<br />

Gammertingen dem Kloster die Hälfte der Mühle vor<br />

dem Tor (Untere Mühle) zu Gammertingen. 1438 heißt<br />

es aber, daß die Mühle seit 80 Jahren vergangen und wüst<br />

gelegen. Sie wurde jetzt neu erstellt. Später wurde der<br />

Zins, den die Mühle bringen sollte, auf eine Taverne in<br />

Harthausen b. F. gelegt. Es würde hier zu weit führen,<br />

alle Verkäufe und Stiftungen Gammertinger Adeliger und<br />

Bürger aufzuführen. Erwähnt sei nur noch, daß die<br />

Blaizeäcker (heute aufgeforstet) freies Eigentum des Klosters<br />

waren und daß Mariaberg aus der Badstube zu Gammertingen<br />

einen Zins bezog. Außerdem hatte es eine Anzahl<br />

Wiesen, Hanfgärten usw., die frei verliehen wurden.<br />

Die Gammertinger brachten ihre Abgaben durch das Kruchental<br />

in die Mühle nach Mariaberg. Dort haben sich bis<br />

heute die Flurnamen Mühlhalde und Mühlweg erhalten.<br />

Neufra<br />

Der Mariaberger Besitz in Neufra war ursprünglich sehr<br />

umfangreich. Im 16. Jahrhundert waren es noch 11 Hofe,<br />

Güter und Lehen, die alle einen Zins an Geld, Vogthaber,<br />

E'trn und Herbsthühner entrichteten. Aus den Urkunden<br />

geht über den Erwerb der Güter in Neufra nichts hervor.<br />

Es ist daher anzunehmen, daß der Besitz sehr alt ist. Möglich<br />

wäre, daß er aus einer Württembergischen Stiftung<br />

stammt (LiChtensti mer Lehen). Auch die Einzeigrundstücke<br />

liegen unterhalb der Burgen Lichtenstein. So heißt<br />

es: „3V2 Mannsmahd" Wiesen im Weiler (abgegangene<br />

Siedlung im Fehlatal), 10 Mannsmahd Wiesen im Weiler<br />

zwischen Briel und Fehlen gelegen, 1 Mannsmahd Wiesen<br />

am Lichtensteiner Weiher an der Fehlan und dem Wald<br />

gelegen" (der Weiher war ein Fischweiher unterhalb Lichtenstein).<br />

Ganz eigenartig ist, daß das Kloster fast seinen<br />

ganzen Besitz in Neufra schon im 16. Jahrhundert aufgegeben<br />

hat. Die Inhaber der Güter lösten Zinsen und<br />

Abgaben durch Zahlung einer Geldsumme ab. Da dies in<br />

Neufra innerhalb einer kurzen Zeit vor sich ging, muß ein<br />

besonderer Grund vorgelegen haben, über den aber leider<br />

bisher nichts bekannt ist. Im Lagerbuch ist nur die Tatsache<br />

der Ablösung vermerkt.<br />

Feldhausen<br />

Die Feldhauser Klosterguter wurden größtenteils im 14.<br />

und 15. Jahrhundert gekauft. Verkäufer waren die Herren<br />

von Lichtenstein, Bürger aus Gammertingen und<br />

Trochtelfingen. I in Gut stammte von der Heiligenpflege<br />

Meldungen. Im 18 Jahrhundert hatte das Kloster in Feldhausen<br />

5 Güter: Des Hoppen Gut, des Bücken Hof (der<br />

Name Buck kommt heute in Feldhausen noch vor), des<br />

Starkhen Gut und zwei Erblehen ohne Hofnamen. Außer-<br />

dem mußten zwei Häuser einen Zins bezahlen. Eines war<br />

am Höllenlöchle gelegen. Freies Eigentum des Klosters<br />

waren zwe- Hanfgärten und drei Äcker. Im Lagerbuch<br />

des Klosters werden übrigens immer noch Holzwiesen<br />

verzeichnet, eine Wirtschaftsform, die es im 18. Jahrhundert<br />

längst nicht mehr gab. Holzwiesen kommt auf<br />

Markung Feldhäusen heute als Flurname vor (beim Parkplatz<br />

Ottersberg).<br />

Harthausen bei Feldhausen<br />

Harthausen wird in den älteren Urkunden von Mariaberg<br />

als Harthausen uff Albe bezeichnet. Auch hier wurden<br />

die meisten Güter käuflich erworben. Es ist ganz auffallend,<br />

daß das Kloster bei den Güterkäufen die Orte<br />

Gammertingen, Feldhasuen und Harthausen bevorzugte.<br />

Da die Herren von Gammertingen gleichzeitig Schirmvögte<br />

des Klosters waren, hielt man vermutlich Besitz ; n<br />

diesem Gebiet für besonders sicher. Mariaberg hatte in<br />

Harthausen sechs Güter bzw. Erblehen. Verkäufer waren,<br />

wie in Feldhausen, hauptsächlich Gammertinger und<br />

Trochtelfinger Bürger, aber auch die Herren von Steinhilben.<br />

Die Höfe hatten vor allem Getreide zu liefern.<br />

Ein Hof mußte ein Viertel Hanfsamen abgeben. Auch in<br />

Feldhausen gab es einen Hof, der Hanfsamen oder Erbsen<br />

liefern mußte. An Getreide mußte immer die gleiche<br />

Menge Veesen und Haber abgeliefert werden, während<br />

z. B. die Höfe in Gammertingen doppelt soviel Veesen<br />

wie Haber zu liefern hatten. Wahrscheinlich hängt dies<br />

mit der Wirtschaftsform in den einzelnen Orten zusammen.<br />

Auch heute noch wird in diesen Orten auf der Alb<br />

mehr Hafer angebaut, als in Tallagen.<br />

Inneringen<br />

Hier besaß Mariaberg ein Erblehen. Dieses Gut hatte um<br />

1300 Ritter Gerloch von Steinhilben mit seinen Söhnen<br />

um seines Seelenheiles willen dem Kloster gestiftet. Falls<br />

das Kloster vergehen sollte, falle alles an die Prediger zu<br />

Rottweil. Dazu kam es aber nicht. Noch Im 18. Jahrhundert<br />

gehörte der Hof Manaberg. Die Abgabe betrug<br />

9 Viertel Kernen nach des Dorfes Maß und 24 Viertel<br />

Haber. Hier gab es also noch mehr Haber, als in Feldhausen-Harthausen.<br />

Der Hof mußte auch Weglösin geben. In<br />

der Stiftungsurkunde ist ausdrücklich vermerkt, daß der<br />

Hof freies Eigentum des Gerloch von Steinhilben war; es<br />

handelt sich also um ein echtes Erblehen.<br />

Trochtelfingen<br />

In Trochtelfingen hatte Mariaberg ein Erblehen, zwei<br />

Wiesen, drei Gärten und Zins aus vier Häusern. Auch in<br />

Trochtelfingen bezog das Kloster einen Zins aus der alten<br />

Badstube. Obwohl Mariaberg zur Stadt Trochtelfingen<br />

zahlreiche Beziehungen hatte (viele Nonnen stammten aus<br />

Trochtelfingen), ist urkundlich über den Erwerb des Besitzes<br />

nichts bekannt.<br />

Steinhilben<br />

In diesem Ort waren zwei Erblehen dem Kloster zinspflichtig.<br />

Eines mußte auch Weglösin geben. Wie in Feldhausen<br />

und Harthausen mußten Veesen und Haber in<br />

gleicher Menge geliefert werden. Außer den beiden Höfen<br />

hatte Mariaberg in Steinhilben noch zehn Einzelgrundstucke,<br />

die verpachtet wurden. 1364 verkaufte Dyeme von<br />

Stainhülin dem Kloster Wiesen zu Steinhilben, die man<br />

nennt Schwarzhülin. 1371 vermachte Wetzek der Maiser<br />

von Stainhulw, Bürger zu Reutlingen, einen Hof ans<br />

Kloster. Eine weitere Stiftung machte 1383 Adelheid die<br />

Maiserin, die ihren eigenen Hof, genannt des kleinen<br />

Maisers Hof, dem Kloster schenkte. Auch Trochtelfinger<br />

Bürger übergaben Besitz in Steinhilben an Mariaberg.<br />

63


Gauselfingen<br />

Über die Güter in Gauselfingen sind im Ma aberger Archiv<br />

eine ganze Anzahl von Urkunden vorhanden. Dabei<br />

war der Besitz nicht einmal sehr groß. Es waren zwei<br />

Güter, eines von ihnen des Dettingers Gut, das immer wieder<br />

in Urkunden erscheint. Außerdem hatte das Kloster<br />

ein Gärtie und bezog Abgaben aus zwei herrschaftlichen<br />

Gütern. Der Flurname Nonnenwiesen erinnert heute noch<br />

an den alten Besitz. Die Getreideabgaben aus den Gauselfinger<br />

Gütern erfolgten nach Vöhringer Maß. Vermutlich<br />

hängt das mit dem uralten Besitz der St. Michaelskirche<br />

von Veringendorf im Fehlatal zusammen. Nicht nur in<br />

Gauselfingen, sondern auch in dem zu Gammertingcn gehörenden<br />

Teil des Fehlatales läßt sich „vöhringendorfischer"<br />

Besitz nachweisen.<br />

Burladingen<br />

Der Burladinger „Klosterhof" gehörte ursprünglich nicht<br />

nach Burladingen, sondern zu dem abgegangenen Ort<br />

Mayingen. Im Zinsbuch von 1472 wird das Lehen, das<br />

1727 13 (!) Inhaber hatte, noch unter Mayingen genannt.<br />

1362 hatte Heinrich Spät von Schirmberg sein Gut zu<br />

Mayingen um seines Seelenheiles willen dem Kloster geschenkt.<br />

Die Lage der Burg Schirmberg ist bis heute ungeklärt.<br />

Vermutlich wird sie aber nicht weit vom Fehlatal<br />

zu suchen s n.<br />

Hausen im Killertal<br />

Ein Baumgärtie war der einzige Besitz von Mariaberg in<br />

Hausen i. K Dafür w' d im Lagerbuch genau angegeben,<br />

was im Garten stand: 4 Apfelbäume, 2 Wasserbirnen und<br />

noch andere Bäume. Auf den Genuß der Äpfel und Wasserbirnen<br />

legten die Nonnen keinen Wert, denn der Garten<br />

wurde gegen Geld verpachtet.<br />

Jungingen<br />

Aus einem Haus und Garten, darauf vor diesem die<br />

Badstube gestanden, bezog das Kloster 1 Pfd. Heller Zins.<br />

64<br />

^echingea<br />

Zollerland<br />

zv« «chen Alb<br />

UMCI<br />

Schwarz wa kl j n<br />

Ein weiterer Zins kam aus einem Haus und Garten an der<br />

Starzel gelegen. In Jungingen waren außerdem 2x10<br />

Gulden Kapital ausgeliehen, die je 30 Heller Zins brachten.<br />

Hörschwag<br />

Mariaberg hatte hier vier Grundstücke, die verpachtet<br />

waren. Aus 9 Jauchert Acker bezog es einen Geldzins.<br />

Melchingen<br />

Der Mariaberger Hof in Melchingen war 1377 von<br />

Berchta von Melchingen dem Kloster für einen ewigen<br />

Jahrtag gestiftet worden. Die Abgaben erfolgten in Reutlinger<br />

Maß. Als einziger Mariaberger Hof mußten die<br />

Melcbinger 6 Käse liefern. Den Nonnen scheint der Melchinger<br />

Käse aber nicht recht geschmeckt zu haben, denn<br />

im Lagerbuch ist vermerkt, daß statt des Käses auch eine<br />

Geldsumme zu nehmen sei.<br />

Die vorstehende Arbeit erhebt keinerlei Anspruch auf<br />

Vollständigkeit. Das Lagerbuch von 1727 bringt eine Beschreibung<br />

jedes einzelnen Grundstückes, das zu den Mariaberger<br />

Höfen gehörte. Dabei werden uralte Dinge mitgeschleppt,<br />

weil man bestrebt war, den Besitzstand zu<br />

wahren. Auch Grundstücke, deren Lage niemand mehr<br />

kannte, werden noch beschrieben. So heißt es z. B. in einer<br />

Güterbeschreibung von 1753 (Stadtarchiv Gammertingen)<br />

der Inhaber eines Wiesplätzle gab an, selbiges sei vor<br />

Jahren bei einem Hochwasser von der Lauchert fortgeschwemmt<br />

worden. Jetzt sei nichts mehr vorhanden.<br />

Quellen: Archiv des Klosters Mariaberg im Hauptstaatsarchiv Stuttgart<br />

(B 477), Lagerbücher von 1472 bis 1727. Der Teil des Lagerbuches<br />

von 1727, der die hohenz. Orte betrifft, befindet sich im Fürstl.<br />

Archiv Sigmaringen. Eine ausführliche Beschreibung der Gammertinger<br />

Güter (1753) ist im Stadtard v Gammertingen. Auch die herrschaftlichen<br />

Lagerbücher (z. B. das Speth'sche Lagerburh von 1530)<br />

erwähnen den Mariaberger Besitz.<br />

Auszüge aus Mariaberger Urkunden brachte J. A. Kraus in den<br />

Hohenz. Jahresheften 1962 nach Unterlagen von S. Locher. Die Güter<br />

von Bronnen sind in einem eigenen Lagerbuch von 1729 niedergelegt.<br />

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