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höh enzollerische heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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ERNST SCHULTZE<br />

Das Jagdschloß Lindich<br />

Erinnerungen an die höfische Zeit im Fürstentum Hohenzollern-Hechingen<br />

In einer knappen Stunde wandert man von der Zollernstadt<br />

Hechingen hinaus zum Lindich. Früher war die<br />

Straße von zwei dichten Reihen alter Linden eingesäumt.<br />

Heute stehen nur noch ein Dutzend der mächtigen<br />

Bäume, unter deren Schatten einst die fürstliche Jagdgesellschaft<br />

des Hechinger Hofes hinausfuhr zur Jagd<br />

in den weiten Wäldern rund um das Jagd- und Lustschloß<br />

Lindich. Noch heute erinnern die Waldnamen an die<br />

Bedeutung des höfischen Jagdbetriebes. Da ist nahe bei<br />

Hechingen der „Fasanengarten", ein geschlossenes Waldgebiet,<br />

in dem heute kein Fasan mehr vorkommt, und<br />

westlich des Lindich beim „Staufenburger Hof" liegt der<br />

große Wald „Tiergarten". Bis zur Revolution 1848 war<br />

dieses Waldgebiet durch kilometerlange Holzgatter eingesäumt.<br />

Hirsche und Wildschweine lebten in diesem weiträumigen<br />

Gatterrevier wie in freier Wildbahn und dienten<br />

dem Fürsten und ihren Kavalieren zu jagdlicher Ergötzung<br />

nach dem Brauch der damaligen Zeit.<br />

Einer der alten Hechinger Fürsten war mit Leib und<br />

Seele Soldat und Jäger. Sein Name war Friedrich Ludwig<br />

von Hohenzollern-Hechingen. Im Jahre 1688 geboren,<br />

übernahm er 1727 von seinem Vater die Regierung.<br />

Ludwig war als Soldat im Range eines kaiserlichen Generalfeldmarschalls<br />

und Oberkommandierenden der österreichischen<br />

Truppen am Oberrhein viel von seinem Fürstentum<br />

abwesend. Er hat als Reiterführer in den Kriegen<br />

des Kaisers gegen Franzosen, Türken und aufständische<br />

Ungarn unter der Fahne des Prinzen Eugen gekämpft.<br />

Erst nach Übernahme der Regierung von seinem Vater<br />

widmete sich Ludwig von Hohenzollern-Hechingen den<br />

Regierungsgeschäften und der Jagd. Welche Rolle die<br />

Jagd damals spielte, können wir uns heute kaum vorstellen.<br />

Die Bauern mußten nicht nur ständige Verwüstungen<br />

ihrer Felder durch die Unmengen von Wild<br />

in Kauf nehmen, sie mußten auch bei den großen Hofjagden<br />

als Treiber Dienste tun.<br />

Die Wilderei wurde für unsere heutigen Beg ffe sehr<br />

hart bestraft. In einer Hechinger Chronik fand ich folgenden<br />

Bericht aus dem Jahre 1744, also aus der Regierungszeit<br />

des Fürsten Ludwig: „Der fürstliche Hofjäger<br />

Phi 1 pp Keppler aus Hechingen, der überführt wurde,<br />

in seinem Revier während zwei Jahren über 200 Fasanen<br />

gewildert und mit Hilfe von Josef und Anton Saile<br />

aus Hemmendorf veräußert zu haben, wurde zum Tod<br />

durch den Strang verurteilt, dann aber durch die Gnade<br />

des Fürsten zu l4jähnger, die b^.den Hehler zu vierjähriger<br />

Galeerenstrafe verurteilt und alle drei zur Strafverbüßung<br />

als Ruderknechte in Lisen von einem dazu<br />

kommandierten Gefreiten nach Venedig abgeführt."<br />

Bei einem seiner Jagdausflüge rastete der Fürst oberhalb<br />

des Staufenburger Hofes auf einem Plateau, von dem<br />

der Blick weit nach Süden zu den Bergen der Alb mit<br />

dem Hohenzollern und nach Norden über die großen<br />

Wälder zu beiden Seiten des Starzeltales schweift. Hier<br />

mag ihm der Gedanke gekommen sein, an diesem bevorzugten<br />

Platz ein Jagd- und Lustschloß zu erbauen, wie<br />

es damals bei vielen Fürstenhöfen Mode war. Man wollte<br />

in bequemer Entfernung von der Residenz draußen in<br />

der Natur, ungestört von lastigen Regierungsgeschäften,<br />

die Sommermonate verbringen. D • großen, reichen Fürsten<br />

bauten sich Versailles, Schönbrunn, Sanssouci, Solitude<br />

oder Nymphenburg, die kleineren Fürsten bescheidenere<br />

Schlösser, bei denen auch Parkanlagen nach fran-<br />

6<br />

zösischem Stil nicht fehlen durften. Und so entstand das<br />

Schloß Lindich. Mit dem Bau wurde im Jahre 1739 begonnen,<br />

1741 war das Schloß vollendet. Der Baumeister,<br />

der den Plan gefertigt hat, ist seltsamerweise in den<br />

vielen Abrechnungen und Schriftstücken, die sich im Archiv<br />

befinden, nirgends erwähnt. Man vermutet, daß der fürstliche<br />

Bauinspektor Philipp Hermann Schöpf den Plan<br />

entworfen hat, wahrscheinlich nach einem italienischen<br />

Vorbild. Schöpf wurde im Jahre 1688 als das 7. Kind<br />

eines Hechinger Maurermeisters geboren. Er war also genau<br />

so alt wie sein fürstlicher Herr. Der Schloßbau kostete<br />

etwa 30 000 Gulden. Das Wasser wurde in einer Holzrohrleitung<br />

von Mariazell am Fuß der Alb kilometerweit<br />

hergeleitet. Auch heute liefert diese Quelle noch<br />

das Wasser für die fürstlichen Gebäude in Hechingen.<br />

Das Schloß hat einen quadratischen Grundriß; zwei Reihen<br />

von je 7 Fenstern gliedern die 4 Fronten auf. Das<br />

Gebäude hat 3 Stockwerke, von denen das oberste ein<br />

Mansardengeschoß ist. Das Schloß wird von einer achteckigen<br />

Rotunde mit großen Fenstern gekrönt. Von hier<br />

oben hat man einen wundervollen Ausblick nach allen<br />

Himmelsrichtungen. Im obersten Stockwerk unter der<br />

Rotunde liegt eine achteckige große Halle, in der acht<br />

Säulen im Kreis stehen. Im Erdgeschoß führt ein breiter<br />

Flur vom Hauptportal im Süden quer durch das Schloß<br />

zum nördlichen Eingang. Der Gang erweitert sich in der<br />

Mitte zu einer Halle. Links ist die Schloßkapelle, rechts<br />

der breite Treppenaufgang. Ein großer Balkon im ersten<br />

Stock, der auf zwei Säulen ruht, überdacht den Platz<br />

vor dem Hauptportal. Grüne Schlagläden an allen Fenstern<br />

geben dem Schloß einen behaglich ländlichen Anblick.<br />

Kommt man von Hechingen auf der schnurgeraden<br />

Zufahrtsallee auf das Schloß zu, so fällt der Blick zuerst<br />

auf die sechs reizenden Kavaliershäuschen, die im Halbkreis<br />

südlich vor dem Schloß liegen. Dazwischen schließen<br />

hohe Taxushecken den Park von der Außenwelt ab. Der<br />

Park wurde beim Bau des Schlosses dem damaligen Zeitgeschmack<br />

entsprechend im französischen Stil angelegt.<br />

Der neutige Park mit seinen mächugen aiten Bäumen ist<br />

nicht mehr so groß wie der ursprüngliche. Auch fehlen<br />

die zahlreichen Statuen, die farbigen Zierkugeln, die<br />

Springbrunnen und Wasserspiele, die dereinst den prächtig<br />

geklei eten Kavalieren und schön geputzten Hofdamen<br />

als passende Umgebung dienten.<br />

Die sechs Kavaliershäuser, von denen eines heute eine<br />

behagliche Gaststätte ist, dienten einst als Wirtschaftsräume,<br />

Unterkunft für die Bediensteten und als Stallungen.<br />

Die Inneneinrichtung des Schlosses hat im Laufe<br />

der Jahrhunderte natürlich öfters gewechselt. In Berichten<br />

aus der Bauzeit sind folgende Räume erwähnt: ein gemalter<br />

Saal, ein Tafelzimmer, des Fürsten Schlafzimmer,<br />

ein Porzellanzimmer und ein Billardzimmer. Einige Zimmer<br />

haben heute noch prächtige Parkettböden und bunte<br />

Deckenmalereien. Im ehemaligen Salon der Fürstin ziert<br />

den Boden ein kreisförmiges Mäandermotiv. Strahlenförmig<br />

munden darin helle und dunkle Streifen aus verschiedenen<br />

Hölzern.<br />

So lange Fürst Ludwig, der Erbauer des Schlosses, während<br />

der Sommer- und Her'ostmonate hier draußen residierte,<br />

waren die Tage von jagdlichen Unternehmungen<br />

beherrscht. Schon früh am Morgen erklang das ungeduldige<br />

Bellen der Hunde im Zwinger und das Rufen der<br />

Reitknechte, die die Pferde sattelten. Trat dann der Fürst

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