Beispiele für Anwendungen im Mathematik-Unterricht
Beispiele für Anwendungen im Mathematik-Unterricht
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<strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>Mathematik</strong>-<strong>Unterricht</strong><br />
Inhaltsverzeichnis:<br />
Puchberg, 1.12.2008<br />
Franz Schoberleitner<br />
1. Einleitung: <strong>Anwendungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Mathematik</strong>-<strong>Unterricht</strong> ? …………………. 1<br />
2. Einzelne „kleine“ <strong>Beispiele</strong>: Bremsweg ……………………….. 3<br />
Aidstest …………………………….. 6<br />
Celsius- Fahrenheit ………………… 8<br />
Radfahren ………………………….. 9<br />
Weltbevölkerung. ………………….. 10<br />
Abkühlung ………………………… 12<br />
Höhe eines Berges …………………. 14<br />
Weinfass ……………………………. 15<br />
Benzin oder Diesel ………………… 17<br />
Lohn- und Einkommenssteuer …….. 18<br />
Oberfläche und Volumen ………….. 20<br />
3. Fermi – Fragen ……………….……………………… 24<br />
4. <strong>Beispiele</strong> mit Computereinsatz: Osterei …………………………….. 27<br />
Durchhang …………………………. 30<br />
Fläche eines Sees …………………... 37<br />
Kurvenradius ……………………….. 41<br />
5. „Große“ <strong>Beispiele</strong>: PageRank-Algorithmus ……………. 43<br />
Computer-Tomographie …………… 53<br />
Hochrechnung ……………………... 60<br />
Vollständige Serie …………………. 67<br />
6. Matura-Aufgaben ………………………………………. 72
F.Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 1<br />
<strong>Anwendungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Mathematik</strong>-<strong>Unterricht</strong> ?<br />
Wenn man <strong>im</strong> Bereich der Schulmathematik von „<strong>Anwendungen</strong>“ spricht, kann damit – sehr<br />
grob gesprochen! – zweierlei gemeint sein:<br />
1. S. soll (selber) mit mathematischen Mitteln Fragen beantworten, die in realen<br />
Situationen auftauchen. („sich etwas ausrechnen können“ /„etwas erklären können“)<br />
2. S. soll Einsicht gewinnen in wichtige mathematische <strong>Anwendungen</strong><br />
Zu 1.: <strong>Mathematik</strong> ist Bestandteil des Alltag / ist zur Bewältigung des Alltags hilfreich oder<br />
sogar notwendig.<br />
Zusätzlich: Argumentieren, Kritisches Denken, Hinterfragen ….<br />
Zu 2: <strong>Mathematik</strong> spielt in unserer heutigen Welt eine zentrale Rolle, aber sie ist verborgen<br />
Man braucht von <strong>Mathematik</strong> nichts zu verstehen, um ihre Errungenschaften nutzen zu<br />
können.<br />
Motto: Die Welt mit der Brille der <strong>Mathematik</strong> betrachten …….<br />
• <strong>Mathematik</strong> „hinein-sehen“: Mathematische Modelle erstellen, um etwas auszurechnen<br />
oder etwas zu erklären<br />
• <strong>Mathematik</strong> „heraus-sehen:“ Steuersystem; GPS; Hochrechnung; CT; ISBN; Google; ..<br />
(1) „sich etwas ausrechnen“ (2) „<strong>Anwendungen</strong> kennenlernen“<br />
• v.a. Unterstufe, ab VS • v.a. Oberstufe<br />
• „einfache“ <strong>Mathematik</strong> • „schwierige“ <strong>Mathematik</strong><br />
• Selber modellieren, selber rechnen,<br />
selber argumentieren …<br />
• Kennenlernen, durchschauen einer<br />
Idee anderer („<strong>im</strong> Prinzip“)<br />
• Anwendbares Wissen • Wissen über <strong>Anwendungen</strong><br />
• Viele <strong>Beispiele</strong>,<br />
z.T. in Schulbüchern<br />
Natürlich gibt es auch etwas dazwischen ….<br />
• Wenige Vorzeigebeispiele<br />
„Sandkasten-<strong>Beispiele</strong>“
F.Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 2<br />
Einerseits ist <strong>Mathematik</strong> eine eigene Welt (mit Zahlen, Formeln, Begriffen, Regeln …)<br />
Andererseits kann man <strong>Mathematik</strong> in der realen Welt brauchen ….<br />
Begriffe, Sätze, … M. <strong>im</strong> Alltag<br />
„<strong>Mathematik</strong> als System“ M. in Wissenschaft / Technik<br />
• Beide Aspekte sind wichtig;<br />
die individuelle Wertschätzung kann sehr unterschiedlich sein …..<br />
• Je höher die Schulstufe, umso deutlicher müssen beide auseinander gehalten werden<br />
(Arbeiten „<strong>im</strong> System“ - Anwenden)<br />
→ Problem der „eingekleideten Aufgaben“<br />
• Zwei Standpunkte möglich:<br />
(1) Zuerst „System“ entwickeln, dann <strong>Anwendungen</strong> dazu<br />
(2) Von realen Problemen ausgehen, dann „System“ dazu entwickeln …<br />
In der Praxis dominiert (1), dagegen wird (2) häufig von Didaktikern gefordert …<br />
Problematik der „eingekleideten Aufgaben“:<br />
Beispiel :<br />
M „<strong>für</strong> sich“<br />
(Reine M.)<br />
Eine Firma hat 3 Verkaufsstellen in den Orten A, B, C. In einem Koordinatensystem haben<br />
diese folgende Koordinaten: A=(-3, 1) B=(4,-1) C=(1,5)<br />
Wo muss ein neu zu errichtendes Zentrallager gebaut werden, wenn es von allen drei Filialen<br />
gleich weit entfernt sein soll ?<br />
→ Entkleidete Aufgabe:<br />
→ Kritik (von der Sachsituation her):<br />
→ Gefahr:<br />
M. „<strong>für</strong> etwas anderes“<br />
(Angewandte M.)
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 3<br />
Beispiel Bremsweg<br />
Wenn ein Auto eine Vollbremsung macht, so gilt <strong>für</strong> seine Beschleunigung näherungsweise<br />
a( t)<br />
= −8<br />
( m / s<br />
Welchen Bremsweg legt das Auto zurück, wenn es zu Beginn des Bremsvorgangs mit einer<br />
Geschwindigkeit von 20 m / s unterwegs ist ?<br />
Alternative:<br />
Ein Auto ist mit einer Geschwindigkeit von etwa 70 km/h unterwegs. Wegen eines plötzlich<br />
auftauchenden Hindernisses macht der Fahrer eine Vollbremsung.<br />
Wie lang ist der Bremsweg ?<br />
Fortsetzung:<br />
Schafft es der Fahrer, das Auto rechtzeitig zum Stehen zu bringen, wenn er zum Zeitpunkt des<br />
Auftauchens des Hindernisses von diesem noch 40 m entfernt ist ?<br />
Falls nicht: Mit welcher Geschwindigkeit fährt er in das Hindernis ?<br />
Didaktische Hinweise:<br />
• Aktivierung von Alltagserfahrung (Moped ….) bzw. von Vorwissen (Fahrschule)<br />
• Formulierung einer Modellannahme notwendig!<br />
Einfachste Modell-Annahme:<br />
Beschleunigung ist konstant: a( t)<br />
= −c<br />
(bzw. Geschwindigkeit n<strong>im</strong>mt linear ab v ( t)<br />
v0<br />
c.<br />
t − = )<br />
Welchen Wert sollte man <strong>für</strong> c verwenden ?<br />
c hängt ab von Straßenbeschaffenheit, Reifen, Eigenschaften des Fahrzeugs, ….<br />
Einige Werte: PKW auf trockenem Asphalt, gute Reifen: c ≈ 8 ( m / s )<br />
2<br />
)<br />
PKW auf Neuschnee, Winterreifen: c ≈ 3 ( m / s )<br />
PKW auf Glatteis, Winterreifen ohne Spikes: c ≈ 1 ( m / s )<br />
Man muss sich jetzt <strong>für</strong> ein Szenario entscheiden …..<br />
2<br />
2<br />
2
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 4<br />
Die Angabe „das Auto fährt ist mit etwa 70 km/h unterwegs“ präzisieren wir willkürlich:<br />
v 20 m / s<br />
0 =<br />
• Lösungsskizze:<br />
v ( t)<br />
= 20 − 8.<br />
t<br />
2<br />
s( t)<br />
= 20t<br />
− 4t<br />
(gemessen ab dem Punkt, in dem Bremsung beginnt)<br />
v ( t)<br />
= 0 ⇔ t = 2,<br />
5<br />
Bremsweg b = s(<br />
2,<br />
5)<br />
− s(<br />
0)<br />
= 25 m<br />
Auch eine allgemeine Rechnung (mit den Parametern c und v 0 ) ist nicht schwierig.<br />
Ergebnis:<br />
b<br />
=<br />
v<br />
2<br />
0<br />
2c<br />
• Interpretation dieses Ergebnisses:<br />
Bremsweg ist proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit<br />
Bremsweg ist indirekt proportional zur (konstanten) Beschleunigung c<br />
Schüler erinnern sich manchmal an die Faustregel aus der Fahrschule:<br />
2<br />
10 ⎟ b =<br />
⎛ v ⎞<br />
⎜<br />
⎝ ⎠<br />
Dabei ist aber die Geschwindigkeit in km/h gemessen!<br />
Eine kurze Rechnung zeigt: Dies entspricht c ≈ 4<br />
• Fortsetzung:<br />
Hier ist die Frage des Anhaltewegs zu thematisieren, der sich aus Reaktionsweg und<br />
Bremsweg zusammensetzt.<br />
Mögliche Annahme: Reaktionszeit = 1 Sekunde (diskussionswürdig!!)<br />
Reaktionsweg = 20 m<br />
Unter dieser Annahme kommt das Fahrzeug nicht rechtzeitig zum Stehen !<br />
• Wie lange dauert es, bis das Auto (unter den getroffenen Annahmen!) das Hindernis<br />
erreicht?<br />
s ( t)<br />
= 20 liefert t = 2 , 5 ± 1,<br />
25<br />
Interessant ist nur die kleinere (!) der beiden Lösungen: t ≈ 1,<br />
38<br />
Man erhält: v ( 1,<br />
38)<br />
≈ 8,<br />
96 m / s das entspricht etwa 32 km/h!!<br />
Alle bis hierher angestellten Rechnungen können mit anderen Werten wiederholt und die<br />
Ergebnisse verglichen werden.
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 5<br />
• Analyse des letzten Ergebnisses:<br />
Wir untersuchen, wie sich die Geschwindigkeit entlang des Weges verändert.<br />
Sei d der zurückgelegte Weg ab Beginn des Bremsvorgangs.<br />
Zu welchem Zeitpunkt wird d erreicht, und wie groß ist dann die Geschwindigkeit v ˆ( d)<br />
?<br />
Eine kurze Rechnung liefert: vˆ ( d)<br />
= 400 −16d<br />
Die graphische Darstellung der Abbildung: d → 400 −16d<br />
zeigt das Wesentliche:<br />
Ergebnis einer allgemeinen Rechnung:<br />
2<br />
0 −<br />
vˆ ( d)<br />
v 2cd<br />
=<br />
Zum Weiterdenken: Andere einfache Modell-Annahmen über die Bremsung<br />
(1)<br />
k<br />
a( t)<br />
= −<br />
(2) a( t)<br />
= −k.<br />
v(<br />
t)<br />
v(<br />
t)<br />
Im Fall (1) ergibt sich: v( t)<br />
= v − t und daraus:<br />
Im Fall (2) ergibt sich:<br />
v(<br />
t)<br />
2<br />
0<br />
3<br />
b ~ v0<br />
−k.<br />
t<br />
= v e und daraus: b<br />
~ v0<br />
0.
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 6<br />
Beispiel Aids-Test<br />
Bei einem Test zur Feststellung einer best<strong>im</strong>mten Krankheit treten folgende Fehler auf:<br />
Mit 3 %iger Wahrscheinlichkeit ist der Test negativ, obwohl die Person erkrankt ist.<br />
Mit 5 %iger Wahrscheinlichkeit ist der Test positiv, obwohl die Person gesund ist.<br />
Zusätzlich weiß man aus Erfahrung, dass 10% der Bevölkerung an dieser Krankheit leiden.<br />
Bei einer Person ist der Test positiv. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie<br />
tatsächlich diese Krankheit hat? Kommentiere das Ergebnis!<br />
Alternative:<br />
Medizinische Test sind nicht 100% ig sicher; es können dabei auch Diagnosefehler auftreten.<br />
Wie häufig das geschieht, hängt von der betreffenden Krankheit und dem verwendeten<br />
Testverfahren ab.<br />
Die Güte medizinischer Testverfahren wird durch zwei Kennzahlen angegeben:<br />
Sensitivität = Wahrscheinlichkeit, dass eine kranke Person als krank erkannt wird<br />
Spezifität = Wahrscheinlichkeit, dass eine gesunde Person als gesund erkannt wird<br />
Für den sehr zuverlässigen ELISA-Test zur Feststellung einer HIV-Infektion werden in der<br />
neueren Literatur (vgl. Internet!) folgende Werte angegeben:<br />
Sensitivität = 99,5 % Spezifität = 99,5 %<br />
• Was genau bedeuten diese Zahlen ?<br />
• Bei einer Testperson ist der ELISA-Test positiv. Mit welcher Wahrscheinlichkeit liegt<br />
tatsächlich eine HIV-Infektion vor ?<br />
Diese Wahrscheinlichkeit hängt wesentlich davon ab, wie hoch man <strong>für</strong> die betreffende Person<br />
die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Infektion eingeschätzt hat, bevor der Test durchgeführt<br />
wurde ! („Priori-Wahrscheinlichkeit“; in der Medizin: Prävalenz)<br />
Angenommen, die Prävalenz habe den Wert x .<br />
Wie hoch ist dann nach einem positiven ELISA-Test die Wahrscheinlichkeit w (x)<br />
, tatsächlich<br />
HIV-infiziert zu sein ?<br />
• Berechne diese Wahrscheinlichkeit w (x)<br />
<strong>für</strong> x=0,1 und <strong>für</strong> x=0,01 !
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 7<br />
• Stelle den Zusammenhang allgemein dar!<br />
Mit Hilfe des Satzes von Bayes ergibt sich:<br />
w ( x)<br />
= p(<br />
I<br />
Graphische Darstellung:<br />
p(<br />
+ I ). p(<br />
I)<br />
0,<br />
995x<br />
+ ) =<br />
=<br />
=<br />
p(<br />
+ ) 0,<br />
995x<br />
+ 0,<br />
005(<br />
1−<br />
x)<br />
Weiterführende Fragen:<br />
0,<br />
99<br />
0,<br />
995<br />
x +<br />
x<br />
0,<br />
005<br />
• Im Falle eines positiven Testergebnisses wird ein zweiter Test durchgeführt (B-Probe).<br />
Mit welcher Wahrscheinlichkeit liegt tatsächlich eine Infektion vor, wenn auch der zweite<br />
Test positiv ist ?<br />
Was ist, wenn der zweite Test negativ verläuft ?<br />
• Wie könnte die Einschätzung der Priori-Wahrscheinlichkeit (Prävalenz) erfolgen ?<br />
Hinweise:<br />
0,995<br />
I<br />
x<br />
0,005 0,005 0,995<br />
• In der Gesamtbevölkerung Deutschlands liegt die Prävalenz <strong>für</strong> HIV bei etwa 0,05%<br />
• In der Praxis wird <strong>im</strong> Falle eines positiven Elisa-Test ein anderer Test durchgeführt<br />
(Western -Blood -Test), der wesentlich teurer ist und eine besonders hohe Spezifität<br />
aufweist.<br />
1-x<br />
¬ I<br />
+ - +<br />
-
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 8<br />
Beispiel Celsius - Fahrenheit<br />
Von einer linearen Funktion f kennt man die Werte an zwei Stellen: f ( −1)<br />
= 2 f ( 3)<br />
= 6<br />
Ermittle den Funktionsterm und zeichne den Graph <strong>im</strong> Intervall [-2, 5] !<br />
Alternative:<br />
Elisabeth bereitet sich auf ihren Sommerurlaub in den USA vor. Dem Reiseführer entn<strong>im</strong>mt sie,<br />
dass in den USA die Temperaturen auf einer anderen Skala als bei uns angegeben werden:<br />
„Grad Fahrenheit“ statt „Grad Celsius“.<br />
Der Reiseführer bietet folgende Tabelle zur Orientierung an:<br />
° C 0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />
° F 32 41 50 59 68 77 86 95 104<br />
• Gib eine Formel an zur Umrechnung von °C in °F und umgekehrt!<br />
• Fertige eine graphische Darstellung an!<br />
• Beantworte folgende Fragen und stelle dir selber weitere !<br />
Der Wetterbericht sagt Tageshöchstwerte von 80 °F voraus. Wie sollst du dich anziehen?<br />
Welche Temperatur sollte das Fieberthermometer anzeigen, wenn du gesund bist?<br />
Gibt es eine Temperatur, die auf beiden Skalen denselben Zahlenwert hat ?<br />
Information:<br />
Die besprochene Temperaturskala wurde vom deutschen Physiker Daniel Gabriel Fahrenheit<br />
(1686-1736) eingeführt. Diese wurde in Europa bis zur Einführung der Celsius-Skala<br />
verwendet und ist heute noch in den USA und einigen anderen angloamerikanischen Staaten<br />
gebräuchlich.<br />
Didaktische Hinweise:<br />
• Von den allermeisten anderen Umrechnungen von Einheiten unterscheidet sich dieses<br />
Beispiel darin, dass keine direkte Proportionalität besteht. Das liegt daran, dass <strong>für</strong> die<br />
Temperatur lange Zeit kein klar ausgezeichneter Nullpunkt erkennbar war.<br />
• Die Linearität kann etwa folgendermaßen ausgedrückt werden:<br />
Eine Zunahme der Temperatur um 5°C entspricht einer Zunahme um 9° F.
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 9<br />
Beispiel Radfahren<br />
Das Rad eines Fahrrades hat einen Durchmesser von 60 cm. Wie viele Umdrehungen macht<br />
das Rad pro Kilometer ?<br />
Alternative:<br />
Von Alexanders Wohnhaus bis zum Haus seiner Großmutter sind es ungefähr 2,5 Kilometer.<br />
Alexander fährt diese Strecke öfters mit dem Fahrrad und möchte folgendes wissen:<br />
• wie viele Umdrehungen macht das Rad auf dieser Strecke ?<br />
• wie oft muss er in die Pedale treten ?<br />
Welche Informationen benötigt man ?<br />
Informationen:<br />
Raddurchmesser werden üblicherweise in Zoll angeben. „Zoll“ ist eine alte Längeneinheit;<br />
1 Zoll entspricht ca.2,54 cm.<br />
Gängige Größen sind:<br />
Für Erwachsene: 26 Zoll, 28 Zoll<br />
Für Schulkinder: 20 Zoll, 24 Zoll<br />
Für Kleinkinder: 16 Zoll<br />
Übersetzungstabelle eines typischen Rades:<br />
Hinweise:<br />
• Die gestellten Fragen können mit verschiedenen Daten (etwa in Gruppen) gerechnet<br />
werden. Interessant ist das Spektrum der Ergebnisse!<br />
• Interessante weiterführende Frage:<br />
Wie viele „echt verschiedene“ Gänge hat das Fahrrad ?<br />
• Das Beispiel kann zu einem <strong>Unterricht</strong>sprojekt erweitert werden ….
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 10<br />
Beispiel Weltbevölkerung<br />
Die Bevölkerung der Erde betrug <strong>im</strong> Jahre 1960 ca. 3,31 Milliarden, <strong>im</strong> Jahr 1980 bereits ca.<br />
4,43 Milliarden.<br />
Beschreibe das Bevölkerungswachstum durch eine Exponentialfunktion!<br />
Um wie viel Prozent wächst die Weltbevölkerung pro Jahr ?<br />
Wann wird es 10 Milliarden Menschen geben?<br />
Alternative:<br />
Die folgende Tabelle zeigt die Entwicklung der Weltbevölkerung seit dem 17.Jahrhundert.<br />
Jahr 1650 1700 1750 1800 1850 1900 1950 1960 1970 1980 1990<br />
Bev. 0,51 0,63 0,71 0,91 1,13 1,60 2,53 3,31 3,70 4,43 5,32<br />
Wissenschafter behaupten:<br />
(1) Bis 1900 verlief das Bevölkerungswachstum annähernd exponentiell.<br />
Beschreibe die Bevölkerungsentwicklung <strong>im</strong> Zeitraum von 1650 bis 1900 durch eine<br />
Exponentialfunktion! Ist die Behauptung (1) gerechtfertigt?<br />
(2) Im 20. Jahrhundert liegt ein überexponentielles Wachstum vor,<br />
genauer: ein hyperbolisches Wachstum, beschrieben durch eine Funktion<br />
a<br />
g(<br />
t)<br />
=<br />
1−<br />
b.<br />
t<br />
Ermittle geeignete Parameterwerte a, b und untersuche, wie gut die Beschreibung zu den<br />
Daten passt! Erstelle eine Prognose <strong>für</strong> 2000 und <strong>für</strong> 2050! Kommentiere die Ergebnisse!<br />
Lösungshinweise:<br />
(1) Festlegung: Wir messen die Zeit ab 1650 in Einheiten zu je 50 Jahren.<br />
Eine Exponentialfunktion ist durch bereits durch 2 Funktionswerte festgelegt. In der<br />
Auswahl ist man frei ….<br />
t<br />
Wählt man etwa: f ( 0)<br />
= 0,<br />
51 f ( 5)<br />
= 1,<br />
60 , so ergibt sich: f ( t)<br />
= 0,<br />
51.<br />
1,<br />
257<br />
(2) Auch g (t)<br />
ist durch 2 Funktionswerte eindeutig festgelegt.<br />
Wählt man etwa: g( 5)<br />
= 1,<br />
6 g ( 6,<br />
8)<br />
= 5,<br />
32 so ergibt sich:<br />
0,<br />
544<br />
g(<br />
t)<br />
=<br />
1−<br />
0,<br />
132.<br />
t
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 11<br />
Vergleich der Daten mit den Modellen (mit Hilfe von EXCEL):<br />
Daten Modell 1 Modell 2<br />
Jahr t B(t) f(t) g(t)<br />
1650 0,0 0,51 0,51 0,54<br />
1700 1,0 0,63 0,64 0,63<br />
1750 2,0 0,71 0,81 0,74<br />
1800 3,0 0,91 1,01 0,90<br />
1850 4,0 1,13 1,27 1,15<br />
1900 5,0 1,60 1,60 1,60<br />
1950 6,0 2,53 2,01 2,62<br />
1960 6,2 3,31 2,11 3,00<br />
1970 6,4 3,70 2,20 3,51<br />
1980 6,6 4,43 2,31 4,22<br />
1990 6,8 5,32 2,42 5,31<br />
2000 7,0 6,10 2,53 7,16<br />
Graphische Darstellung:<br />
8,00<br />
7,00<br />
6,00<br />
5,00<br />
4,00<br />
3,00<br />
2,00<br />
1,00<br />
0,00<br />
0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0 8,0<br />
Anmerkung:<br />
Modell 1 wird beschrieben durch die Differentialgleichung: f ′ ( t)<br />
= k.<br />
f ( t)<br />
Modell 2 wird beschrieben durch die Differentialgleichung:<br />
Daten<br />
Modell 1<br />
Modell 2<br />
g ′ ( t)<br />
= k.<br />
g(<br />
t)<br />
2
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 12<br />
Beispiel Abkühlung<br />
Ein Körper wird in einen Kühlraum gestellt und kühlt sich exponentiell ab, wobei <strong>für</strong> seine<br />
t<br />
Temperatur T (t)<br />
nach t Minuten gilt: T ( t)<br />
= 65.<br />
0,<br />
86 (°C)<br />
• Welche Temperatur hat der Körper zu Beginn ?<br />
• Auf welchen Bruchteil sinkt die Temperatur pro Minute, auf welchen Bruchteil in 5<br />
Minuten?<br />
• Zeichne den Graph der Funktion T (t)<br />
!<br />
Alternative:<br />
Du bereitest dir eine Tasse Tee zu. Der Tee muss etwas ziehen und kühlt dabei ab. Wie lange<br />
dauert es, bis der Tee trinkbar ist ? Wann ist er kalt ?<br />
→ Welche Informationen benötigst du?<br />
→ Was muss festgelegt werden?<br />
→ Wie verläuft die „Temperaturkurve“ ?<br />
• Zusätzliche Angaben: Temperatur des Tees zu Beginn: 100 °C<br />
Raumtemperatur: 21 °C<br />
• Vorschläge <strong>für</strong> den Verlauf der „Temperaturkurve“:
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 13<br />
• Oft ist als Erfahrungswissen vorhanden:<br />
Je kleiner die Temperaturdifferenz (zur Umgebung) ist, desto langsamer ändert sich die<br />
Temperatur ….<br />
Einfachste Modellierung dieser Tatsache (äquivalente Formulierungen)<br />
• Die Änderungsrate der Temperatur ist proportional zur Temperaturdifferenz.<br />
• T ′ ( t)<br />
= k.<br />
( T ( t)<br />
−U<br />
) ) U … Umgebungstemperatur<br />
• Die Temperaturdifferenz n<strong>im</strong>mt exponentiell ab<br />
Dies wird oft als das NEWTONsche Abkühlungsgesetz bezeichnet.<br />
• Bei der Rechnung zeigt sich nun, dass eine zusätzliche Angabe notwendig ist: z.B. die<br />
Temperatur zu irgend einem späteren Zeitpunkt<br />
Durch Messung werde festgestellt: Nach 10 Minuten beträgt die Temperatur noch 74°C.<br />
Lösung: D ( t)<br />
: = T ( t)<br />
− 21<br />
t<br />
D ( t)<br />
= c.<br />
a mit D ( 0)<br />
= 79 und D ( 10)<br />
= 63<br />
⇒<br />
⇒<br />
D( t)<br />
= 79.<br />
0,<br />
96<br />
T ( t)<br />
= 79.<br />
0,<br />
96 + 21<br />
Damit können alle weiteren Fragen beantwortet werden ….<br />
Kritik am verwendeten Modell:<br />
• Völlig außer Acht gelassen wurde die Tasse, in der sich der Tee befindet. Eigentlich geht<br />
um die Temperaturen dreier Medien: Luft, Tee, Tasse.<br />
• Die Temperatur ist innerhalb eines Mediums nicht an jeder Stelle gleich. Anstelle „der<br />
Temperatur“ ist eigentlich von einer Temperaturverteilung zu reden (vgl. Infrarot-Bild!).<br />
t<br />
t
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 14<br />
Beispiel Höhe eines Berges<br />
In einem ebenen Gelände erhebt sich ein Berg, dessen Höhe ermittelt werden soll. Dazu geht<br />
man folgendermaßen vor:<br />
Man markiert <strong>im</strong> Gelände eine Standlinie AB, sodass die vertikale Ebene durch A und B auch<br />
durch die Spitze des Berges geht. Von A und B aus misst man die Höhenwinkel α und β zur<br />
Spitze des Berges.<br />
Berechne die Höhe des Berges, wenn gegeben ist: AB= 120 m α = 42°<br />
β = 49°<br />
Alternative:<br />
In einem ebenen Gelände erhebt sich ein Berg, dessen Höhe ermittelt werden soll. Dabei sind<br />
folgende Messungen möglich:<br />
• Messung von Streckenlängen <strong>im</strong> ebenen Gelände<br />
• Messung von Winkeln (horizontal und vertikal)<br />
Fertige eine Skizze an, gib an, welche Größen gemessen werden sollen, und gib die<br />
Rechenschritte an, die zur Berechnung der Höhe notwendig sind.<br />
Eventuell: Gib eine Formel zur Berechnung der Höhe aus den Messgrößen an!<br />
Didaktischer Kommentar:<br />
• In der klassischen Aufgabe geht es um das Entschlüsseln der geometrischen Beschreibung<br />
der Situation, um das richtige Anwenden der trigonometrischen Formeln und um die<br />
numerisch richtige Durchführung der Rechnung.<br />
• Die veränderte Aufgabe verlangt an erster Stelle die Entwicklung einer geeigneten<br />
Vermessungs-Strategie! Erfahrungsgemäß verlangt dies einige Diskussion ..<br />
Eine numerische Durchführung der Rechnung muss zunächst unterbleiben, es könnten aber<br />
nach der Diskussion einer Vermessungs-Strategie einfach Messwerte nachgeliefert werden.<br />
• Noch besser wäre natürlich eine tatsächliche Vermessung in der Realität. Diese benötigt<br />
allerdings viel Zeit und die notwendigen Geräte.
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 15<br />
Beispiel Weinfass<br />
Ein Weinfass entsteht durch Rotation des Graphen der Funktion f ( x)<br />
1<br />
− x<br />
180<br />
x-Achse <strong>im</strong> Intervall [-30;30]. Berechne sein Volumen! (Maße in cm)<br />
Alternative:<br />
Ein Fass hat folgende Abmessungen (innen):<br />
Radius von Grund- und Deckfläche: r = 2 dm<br />
Größter Radius (in halber Höhe): R = 3 dm<br />
Höhe h = 6 dm<br />
Wie groß ist das Volumen des Fasses ?<br />
Lösungshinweise:<br />
2<br />
= 25 um die<br />
Zunächst ist eine grobe elementargeometrische Approx<strong>im</strong>ation möglich, z.B. mit Hilfe zweier<br />
Kegelstümpfe. Ergebnis: ≈<br />
V 120 dm³<br />
Für eine genauere Berechnung ist folgende Vorgangsweise typisch:<br />
(1) Einführung eines geeigneten Koordinatensystems<br />
(2) Auswahl eines Funktions- bzw. Kurventyps zur Beschreibung der Fassdauben<br />
(3) Anpassen der Parameter an die gegebenen Abmessungen<br />
(4) Berechnung des Volumens mit Hilfe eines Integrals<br />
Beschreibung durch quadratische Funktion:<br />
1<br />
f ( x)<br />
= − x<br />
9<br />
3<br />
0<br />
2 +<br />
3<br />
1 2 2<br />
V = 2π . ∫ ( − x + 3)<br />
dx = ....... ≈ 135,<br />
7 dm<br />
9<br />
3
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 16<br />
Beschreibung durch Ellipsenbogen:<br />
2 5<br />
y = 9 − x<br />
9<br />
3<br />
0<br />
2<br />
5 2<br />
V = 2π . ∫ ( 9 − . x ) dx = ....... ≈ 138,<br />
2 dm<br />
9<br />
Beschreibung durch Cosinus-Funktion:<br />
f ( x)<br />
= 3.<br />
cos( 0,<br />
28.<br />
x)<br />
3<br />
2<br />
V = 2π . ∫ ( 3.<br />
cos( 0,<br />
28.<br />
x))<br />
dx = ....... ≈ 135 dm<br />
0<br />
Hinweis:<br />
3<br />
Die Art der Fragestellung ist auch historisch bedeutsam:<br />
Der Astronom und <strong>Mathematik</strong>er Johannes Kepler widmet ihr ein ganzes Buch („Nova<br />
stereometria doliorum vinariorum“, Linz 1615). Darin versucht Kepler, das Volumen<br />
verschiedener Fasstypen zu berechnen, indem er sie als Rotationskörper geeigneter<br />
Kegelschnittslinien auffasst, bei denen aber die Rotationsachse von Haupt- und Nebenachse<br />
verschieden ist. Bei einigen wenigen Körpern gelingt dies auch, allerdings mit Methoden, die<br />
sich sehr von unseren heutigen unterscheiden.<br />
Nicht in diesem Buch angeführt, aber trotzdem mit seinem Namen verbunden ist die so<br />
genannte Kepler´sche Fassregel:<br />
Sind G, M und D die Grundfläche, Mittelfläche und Deckfläche eines Fasses mit Höhe h , so<br />
gilt <strong>für</strong> sein Volumen die Formel:<br />
1<br />
V = . h.<br />
π .( G + 4M<br />
+ D)<br />
6<br />
Diese Formel entspricht genau der Approx<strong>im</strong>ation durch einen Ellipsenbogen.<br />
3
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 17<br />
Beispiel Diesel oder Benzin ?<br />
SZ 11.7.2008 (gekürzt)<br />
Dieselmotoren haben einen kräftigen Vorteil eingebüßt - mit Preisen von 1,50 Euro und mehr <strong>für</strong> einen Liter ist<br />
der Selbstzündertreibstoff inzwischen genauso teuer wie Superbenzin. Da stellt sich doch die Frage: Lohnt sich<br />
der Kauf eines Dieselfahrzeugs überhaupt noch?<br />
Diesel hatten in den letzten Jahren alle Trümpfe auf ihrer Seite: kräftige und durchzugsstarke Motoren <strong>für</strong> das<br />
Fahrvergnügen, niedriger Verbrauch und erheblich günstigere Preise an den Zapfsäulen <strong>für</strong> das Gefühl,<br />
wirtschaftlich vernünftig zu fahren. Fast jeder zweite Neuwagenkäufer entschied sich noch <strong>im</strong> vergangenen Jahr<br />
<strong>für</strong> einen Diesel: 47,7 Prozent exakt betrug die Dieselquote, zehn Jahre zuvor lag sie bei knapp 15 Prozent.<br />
Einen gewaltigen Vorteil haben Dieselfahrzeuge eingebüßt: Mit Preisen von 1,50 Euro und mehr <strong>für</strong> einen Liter<br />
ist der Selbstzündertreibstoff inzwischen genauso teuer wie Superbenzin.<br />
Aber die höheren Aufwendungen <strong>für</strong> Motorentechnik und Abgasreinigung be<strong>im</strong> Diesel schlagen mit einem<br />
üppigen Mehrpreis bei der Anschaffung zu Buche - der will hereingefahren werden.<br />
Diesel-Interessenten müssen also mit spitzerem Bleistift rechnen. Zu diesem Ergebnis kommt auch der ADAC in<br />
einer aktuellen Untersuchung: War <strong>im</strong> vergangenen Jahr noch knapp jedes zweite Dieselmodell schon nach 10.000<br />
Kilometern Jahresfahrleistung günstiger als das Benziner-Pendant, ist diese Quote nun auf 39 Prozent gefallen.<br />
Vielfahrer müssen sich aber nach wie vor keine Sorgen machen: In 89 Prozent aller Modellpaare ist der Diesel<br />
nach 20.000 Jahreskilometer auf jeden Fall in den schwarzen Zahlen.<br />
Je kleiner das Auto, desto später oder auch gar nicht rechnet sich der Diesel. Grund: Die Diesel-Modelle sind<br />
meist deutlich teurer, und vor allem sind die Benzinmotoren dieser Kleinwagen so sparsam, dass der Spareffekt<br />
des Diesels kaum zum Tragen kommt.<br />
Wer selbst ausrechnen will, ob sich der Kauf der Dieselversion lohnt, muss einfach ein paar Zahlen<br />
zusammentragen und seine Kosten ermitteln.<br />
Anschaffungskosten: Ermitteln Sie den Preis des jeweiligen Modells. Im Normalfall ist das Dieselmodell teurer<br />
als der Benziner. Allerdings berücksichtigen Sie <strong>für</strong> Ihren Vergleich nicht die komplette Preisdifferenz, denn wenn<br />
Sie das Auto wieder verkaufen, erzielen Sie be<strong>im</strong> einst teureren Diesel auch einen höheren Erlös. Als Faustregel<br />
bietet es sich an, zwölf Prozent der Preisdifferenz in die Kalkulation aufzunehmen. Kostet der Diesel 2000 Euro<br />
mehr, also 240 Euro.<br />
Fixkosten pro Jahr: Was kosten Steuer und Versicherung? Im Normalfall ist der Diesel teurer - diese Differenz<br />
wird ihm in der Kalkulation belastet.<br />
Betriebskosten pro 100 Kilometer: Nehmen Sie den Normverbrauch plus zehn Prozent Praxis-Aufschlag,<br />
multiplizieren Sie diesen Verbrauchswert mit dem aktuellen Benzin- und Dieselpreis. Ein schneller Weg, die<br />
Kosten <strong>für</strong> Wartung und Reparaturen zu ermitteln: auf den Posten <strong>für</strong> Treibstoff 30 Prozent aufschlagen. Bei<br />
diesem Punkt hat der Diesel die Nase vorn - alle 100 Kilometer fährt er einen Vorteil von mehreren Euro heraus.<br />
Nun addieren Sie die ermittelten Werte bei Anschaffungs- und Fixkosten: Das ist die Summe, die der Diesel jedes<br />
Jahr teurer ist. Wenn man nun diesen Betrag durch den Vorteil, den der Diesel bei den Betriebskosten hat, teilt und<br />
mit 100 multipliziert, hat man die Jahresfahrleistung in Kilometer, ab der sich ein Diesel lohnt.<br />
Mögliche Fragestellungen:<br />
• Warum rechnet sich die Anschaffung eines Dieselautos bei kleinen Autos weniger schnell<br />
als bei großen ?<br />
• Ist die vorgeschlagene Methode zur Berechnung der Jahresfahrleistung, ab der sich ein<br />
Dieselauto lohnt, plausibel ?<br />
Drücke diese Methode durch eine Formel aus! Welche Variable muss sie enthalten ?
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 18<br />
Beispiel Lohn- und Einkommenssteuer<br />
Jeder Steuerpflichtige muss <strong>für</strong> seine Einkünfte Lohn- oder Einkommenssteuer zahlen. Diese<br />
Steuer wird vom Jahreseinkommen berechnet, allerdings meist monatlich oder vierteljährlich<br />
<strong>im</strong> Vorhinein bezahlt.<br />
Die Berechung der Steuer erfolgt so:<br />
• Vom Brutto-Einkommen werden einige Beträge abgezogen (Sozialversicherungs-Beiträge,<br />
Freibeträge, …). Es ergibt sich das zu versteuernde Einkommen.<br />
• Vom zu versteuernden Einkommen wird die Steuer gemäß der unten angegebenen Formel<br />
berechnet.<br />
• Von der so errechneten Steuer werden dann noch sogenannte Absetzbeträge abgezogen.<br />
Quelle: https://www.bmf.gv.at<br />
Aufgaben:<br />
(1) Berechne die Steuer <strong>für</strong> ein zu versteuernden Einkommen von € 20.000,- bzw. von<br />
€ 30.000,- !<br />
(2) Sei x das zu versteuernde Einkommen, s(x) die da<strong>für</strong> zu zahlende Steuer.<br />
Zeichne den Graph der Funktion x → s(x)<br />
(Geeignete Einheiten wählen!)<br />
(3) Als Einstiegssteuersatz bezeichnet man jenen Prozentsatz, den man vom ersten zu<br />
versteuernden Euro zahlen muss. Wie hoch ist dieser ?<br />
Als Spitzensteuersatz bezeichnet man jenen Prozentsatz, den man <strong>für</strong> einen zusätzlich<br />
verdienten Euro höchstens zu bezahlen hat. Wie hoch ist dieser ?<br />
(4) Manche Politiker erheben die Forderung nach einer Flat-Tax. Bei diesem Steuer-<br />
Modell zahlt man vom zu versteuernden Einkommen einen fixen Prozentsatz (z.B.<br />
20%) an Steuer, egal wie hoch das Einkommen ist.<br />
Welche Einkommen würden von einem 20%-Flat-Tax-Steuertarif profitieren, welche<br />
würden dabei mehr Steuer zahlen ?
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 19<br />
(5) Der Durchschnittssteuersatz ist jener Prozentsatz des zu versteuernden Einkommens,<br />
der an Steuer zu zahlen ist.<br />
Es gilt:<br />
s(<br />
x)<br />
d ( x)<br />
= . 100<br />
x<br />
Stelle auch diese Funktion graphisch dar!<br />
Zu den Lösungen:<br />
Steuer-Tarif in Österreich:<br />
Vergleich mit Flat-Tax Durchschnitts-Steuersatz
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 20<br />
Beispiel Oberfläche und Volumen<br />
Ein Würfel mit Seitenlänge a besitzt die Oberfläche O (a)<br />
und das Volumen V (a)<br />
.<br />
Wir betrachten die Zuordnungen: a → O(a)<br />
und a → V (a)<br />
• Gib die Funktionsterme an und skizziere die Graphen! Welche Funktionstypen liegen vor?<br />
• Wie ändern sich Volumen und Oberfläche eines Würfels, wenn die Seitenlänge verdoppelt/<br />
verdreifacht/ halbiert/ mit t multipliziert wird ?<br />
Eine Kugel mit Radius r besitzt die Oberfläche O(r) und das Volumen V (r)<br />
Wir betrachten die Zuordnungen: r → O(r)<br />
und r → V (r)<br />
• Gib die Funktionsterme an und skizziere die Graphen! Welche Funktionstypen liegen vor?<br />
• Wie ändern sich Volumen und Oberfläche einer Kugel, wenn der Radius verdoppelt/<br />
verdreifacht/ halbiert/ mit t multipliziert wird ?<br />
Fortsetzung:<br />
Wesentlich ist, dass in diesen einfachen <strong>Beispiele</strong>n (zum Thema Potenzfunktionen) ein sehr<br />
allgemeiner, <strong>für</strong> beliebige Körper gültiger(!) Satz steckt, der <strong>für</strong> das Verständnis vieler realer<br />
Sachverhalte etwas hergibt:<br />
Satz:<br />
Ein Körper mit Volumen V 1 und Oberfläche O 1 wird zentrisch gestreckt mit dem Faktor t .<br />
Dann gilt:<br />
Hinweise:<br />
Kurz:<br />
V<br />
3<br />
~ t<br />
3<br />
1 .<br />
) ( t V t V =<br />
2<br />
1 .<br />
) ( t O t O =<br />
2<br />
O ~ t Konsequenz:<br />
2<br />
O ~ V 3<br />
• Die mathematisch korrekte Formulierung über eine zentrische Streckung wird oft durch das<br />
anschauliche Bild des „Aufblasens“ ersetzt. Wesentlich <strong>für</strong> das Verständnis ist, dass bei<br />
diesem Vorgang alle Längen mit einer gewissen Zahl (t) multipliziert werden.<br />
• Eine zentrische Streckung ist festgelegt durch ein Zentrum Z und einen Streckungsfaktor t.<br />
Allerdings ist das Zentrum Z <strong>für</strong> unsere Belange uninteressant, da eine Änderung von Z nur<br />
zu einer Verschiebung des Bildes führt …
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 21<br />
Begründung:<br />
(1) Wir begründen den Satz <strong>für</strong> dreieckige Pyramiden (siehe unten)<br />
(2) Alle anderen Körper können wir auf diesen Spezialfall zurückführen:<br />
Wir denken uns die Oberfläche des Körpers zerlegt in (kleine) Dreiecke mit den<br />
Flächeninhalten n A A ,.... O alt = A + ...... + A<br />
1 . 1<br />
n<br />
Verbindet man alle Eckpunkte dieser Dreiecke mit dem Zentrum Z der Streckung, so<br />
erhält man lauter dreieckige Pyramiden mit den Volumina n V V 1 ,....,<br />
V alt = V1<br />
+ .... + Vn<br />
Bei der zentrischen Streckung mit Faktor t werden die Flächeninhalte der Dreiecke<br />
mit 2<br />
t multipliziert, die Volumina der Pyramiden mit dem Faktor 3<br />
t .<br />
Also ergibt sich:<br />
O = t . A + t . A + ..... + t . A = t ( A + A + .... + A ) = t . O<br />
neu<br />
neu<br />
3<br />
2<br />
1<br />
3<br />
2<br />
2<br />
3<br />
2<br />
V = t . V + t . V + ..... + t . V = t ( V + V + .... + V ) = t . V<br />
1<br />
2<br />
(1) Bei einer zentrischen Streckung mit Faktor t werden die Längen aller Strecken mit t<br />
multipliziert, Winkel werden nicht verändert.<br />
Die Grundfläche einer dreieckigen Pyramide besitze die<br />
Seitenlängen a, b mit eingeschlossenem Winkelγ , die Höhe<br />
sei h .<br />
Dann gilt <strong>für</strong> das Volumen<br />
1 1<br />
Valt = . G.<br />
h = . a.<br />
b.<br />
sin( γ ). h<br />
3 6<br />
Wenn nun alle Längen mit t multipliziert werden, so gilt <strong>für</strong><br />
das Volumen der gestreckten Pyramide:<br />
1 3<br />
V neu = . a.<br />
t.<br />
b.<br />
t.<br />
sin( γ<br />
). h.<br />
t = t . V<br />
6<br />
alt<br />
n<br />
n<br />
3<br />
2<br />
1<br />
1<br />
2<br />
2<br />
n<br />
n<br />
3<br />
2<br />
alt<br />
alt
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 22<br />
In der Zeitschrift Bild der Wissenschaft erschien 1981 ein viel zitierter Beitrag über die<br />
Konsequenzen dieses Satzes in der Biologie: „Warum die Natur keine Riesen schuf“.<br />
Dieser Artikel ist vielfältig weiter verarbeitet worden z.B.:<br />
http://pluslucis.univie.ac.at/PlusLucis/962/APOL.pdf
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 23
F.Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 24<br />
Fermi- Fragen<br />
Diese Art von mathematischen Fragestellungen ist benannt nach dem Physiker und<br />
Nobelpreisträger Enrico FERMI (1901-1954). Dieser wollte mit solchen Fragen Studenten zum<br />
eigenständigen mathematischen Denken (Schätzen, Modellbilden, …) anregen. Die<br />
meistzitierte seiner Fragen ist wohl diese:<br />
„Wie viele Klavierst<strong>im</strong>mer gibt es in Chicago?“<br />
Das erfolgreiche Bearbeiten von FERMI-Fragen erfordert:<br />
• nur einfache mathematische Mittel (Schlussrechnen; Prozentrechnen; Umgang mit<br />
Einheiten; elementargeometrische Kenntnisse; …..)<br />
• die Fähigkeit zum Schätzen bzw. zum Bilden geeigneter Mittelwerte<br />
• die Fähigkeit zum Aufstellen begründeter Annahmen<br />
• Umgang mit Nicht-Wissen<br />
Bei manchen dieser Fragen kann man die notwendigen Informationen aus der Alltagserfahrung<br />
erschließen bzw. aus dem vorhandenen Allgemeinwissen ableiten. Bei anderen müssen<br />
Hintergründe und Daten recherchiert werden.<br />
Manche FERMI-Fragen erlauben zunächst eine einfache, sehr grobe Antwort, können aber bei<br />
vertiefter Beschäftigung zu anspruchsvoller <strong>Mathematik</strong> führen.<br />
Einige Hinweise zur Beschäftigung mit FERMI-Fragen:<br />
• Es muss <strong>für</strong> die Schüler ausführlich Gelegenheit zum Selber-Denken (alleine, in Gruppen,<br />
zu Hause) und zur Diskussion geben!<br />
• Wichtig: Kritische Prüfung der Antworten!<br />
(Ist das Ergebnis plausibel? Wie ändert sich das Ergebnis, wenn die benötigten<br />
Schätzwerte geändert werden ? Können die Annahmen gerechtfertigt werden ?)<br />
• Manche Schulen veranstalten originelle Wettbewerbe zum Lösen von FERMI-Aufgaben:<br />
(z.B: http://www.giselagym.musin.de)<br />
• Möglich wäre auch, Schüler selber solche Fragen erfinden zu lassen …..<br />
(Die Welt durch die „mathematische Brille“ sehen lernen!)
F.Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 25<br />
Wie findet man FERMI-Fragen ?<br />
• Zahlreiche Adressen <strong>im</strong> Internet, z.T. mit Beiträger namhafter Autoren (Herget, Leuders,<br />
Jahnke u.a.)<br />
• Aufmerksam Zeitung lesen und sich Fragen stellen ….<br />
• Mit offenen Augen durchs Leben gehen ……<br />
Hilfen zur Bearbeitung von FERMI-Aufgaben:<br />
• Welche Informationen braucht man ?<br />
• Kann man diese erschließen (Alltagserfahrung, Allgemeinwissen) ?<br />
Wenn nicht: woher kann man sie bekommen (Bücher, Internet, …)?<br />
• Wie hängt die gesuchte Antwort von diesen Informationen ab? (qualitativ, quantitativ)<br />
• Wie ändern sich die Ergebnisse, wenn man die verwendeten Daten variiert ? In welcher<br />
Größenordnung ist das Ergebnis ?<br />
<strong>Beispiele</strong>:<br />
(1) Zeitungsmeldung:<br />
Die Zahl der Verkehrstoten ist <strong>im</strong> Jahr 2006 auf den bisher niedrigsten Wert gesunken.<br />
723 Personen kamen bei einem Verkehrsunfall ums Leben.<br />
Wie viel Prozent der Todesfälle sind das ungefähr ?<br />
(2) Wie viel Meter Papier befinden sich ungefähr auf einer Toilettenpapier-Rolle ?<br />
(3) Wie viele Volksschul-LehrerInnen gibt es ungefähr in Linz ?<br />
(4) Zeitungsmeldung:<br />
Das erste Wochenende <strong>im</strong> August 2008 brachte Rekordsstaus auf Österreichs<br />
Autobahnen. Vor dem Tauerntunnel war die Autoschlange zeitweise 40 km lang.<br />
Wie viele Personen befinden sich ungefähr in einem solchen Stau?<br />
Wenn ein solcher Stau lange dauert, muss man die betroffenen Personen wegen der<br />
Hitze mit Wasser versorgen.<br />
Wie viel Wasser benötigt man? Wie lange dauert es, bis alle versorgt sind ? usw…
F.Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 26<br />
(5) Wie viele Bücher (Romane) haben auf einer CD Platz ?<br />
(6) Ein Artikel eines Magazin beschäftigt sich mit dem Problem der Verschwendung von<br />
Trinkwasser. Es wird folgende Behauptung aufgestellt:<br />
(7)<br />
(8)<br />
„Ein tropfender Wasserhahn kann pro Tag bis zu 100 Liter Wasser verschwenden.“<br />
Kann das st<strong>im</strong>men ?<br />
Quelle: http://did.mathematik.uni-halle.de/lehrerseite/fermi_fragen.pdf<br />
Quelle: http://did.mathematik.uni-halle.de/lehrerseite/fermi_fragen.pdf
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 27<br />
Wie groß ist das Volumen eines Ostereis ?<br />
Dies ist eine Frage, die zunächst einmal sehr einfach empirisch durch Messung beantwortet<br />
werden kann: Man füllt etwas Wasser in einen Messbehälter, legt dann das Ei hinein und<br />
ermittelt den dadurch entstandenen Volumenszuwachs.<br />
Die <strong>Mathematik</strong> bietet die Möglichkeit, dieses Volumen (zumindest näherungsweise) zu<br />
berechnen. (Hinterher ließe sich in diesem Beispiel die Qualität der Rechung überprüfen….)<br />
Natürlich sind Hühnereier der Größe und der Form nach verschieden. Zur Berechnung des<br />
Volumens benötigt man daher zweierlei:<br />
• Einige relevante Abmessungen des konkreten Eis<br />
• Einen Kurventyp, mit dem der Achsenschnitt des Eis beschrieben werden kann<br />
Das Ei selber kann sicher in guter Näherung als Rotationskörper aufgefasst werden<br />
Modell 1:<br />
2c<br />
2d<br />
Mit Hilfe einer Schublehre lassen sich die Länge<br />
und die Breite des dem Achsenschnitt<br />
umgeschriebenen Rechtecks leicht ermitteln. Wir<br />
bezeichnen sie mit 2 c bzw. 2 d .<br />
Was die Modellierung der Form des Eis betrifft,<br />
bieten sich verschiedene Möglichkeiten an:<br />
Wir stellen den Achsenschnitt (kurz: das Ei) dar durch einen Halbkreis und eine Halbellipse.<br />
Kreis: Radius d Ellipse: Achsenlängen a : = 2c<br />
− d b : = d<br />
Wenn man die Volumsformeln <strong>für</strong> Kugel und Ellipsoid bereits zur Verfügung hat, kann man<br />
das Eivolumen sofort berechnen:<br />
3<br />
2<br />
3<br />
2<br />
2<br />
2<br />
2π<br />
. d 2π<br />
. b . a 2π<br />
. d + 2π<br />
. d .( 2c<br />
− d ) 2π<br />
. d . 2c<br />
4π<br />
. c.<br />
d<br />
V = + =<br />
= =<br />
3 3<br />
3<br />
3 3<br />
Das ist genau die Formel <strong>für</strong> das Volumen des Ellipsoids mit den Achsenlängen c und d .<br />
(Natürlich können die beiden Teilvolumina in üblicher Weise mit Hilfe von Integralen<br />
berechnet werden; das soll hier nicht vorgeführt werden.)
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 28<br />
Modell 2:<br />
Eine Ellipse entsteht durch Stauchung eines Kreises mit einem Faktor k < 1,<br />
d.h.: jeder<br />
Funktionswert des Kreises wird mit demselben Faktor k multipliziert. ( k ist das Verhältnis<br />
der Längen von Nebenachse und Hauptachse der Ellipse.)<br />
Eine geeignete „Eifunktion“ kann erzeugt werden, indem man die Funktionswerte eines<br />
(Halb)kreises mit Faktoren multipliziert, die „von links nach rechts“ kleiner werden …<br />
Als Ausgangsobjekt wählen wir einen Kreis mit Mittelpunkt <strong>im</strong> Ursprung und Radius c .<br />
d<br />
d<br />
f ( x)<br />
: = c²<br />
− x²<br />
k ( x)<br />
: = − r.<br />
x e( x)<br />
: = f ( x).<br />
k(<br />
x)<br />
= c²<br />
− x²<br />
. ( − r.<br />
x)<br />
c<br />
c<br />
Mit dem Parameter r kann nun die Form des Eis verändert werden. ( r = 0 ergibt eine<br />
Ellipse)<br />
Das lädt zum Exper<strong>im</strong>entieren ein …<br />
Konkretes Beispiel:<br />
Bei einem Ei best<strong>im</strong>mte ich mit Hilfe einer Schublehre die Parameter: c = 2,<br />
7 cm; d = 1,<br />
9<br />
cm.<br />
• Ermittle durch Probieren einen passenden Parameter r !<br />
Es zeigt sich, dass etwa r = 0,<br />
05 ein geeigneter Wert ist.<br />
• Zeige: Das Max<strong>im</strong>um der Funktion e liegt<br />
nicht bei x = 0 , sondern etwas links davon!<br />
Dies sieht man allgemein aus: e ′<br />
( 0)<br />
= −c.<br />
r
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 29<br />
• Berechne das Volumen!<br />
Die Berechnung des Volumens erfolgt in der gewohnten Weise (wobei das auftretende<br />
Integral auch elementar berechnet werden könnte, da der Integrand eine Polynomfunktion<br />
4.Grades ist):<br />
Durch eine allgemeine Rechnung sieht man, dass das Ergebnis (<strong>für</strong> r ≠ 0 ) etwas größer<br />
ist als in Modell 1:<br />
5<br />
4π<br />
. cd ² 2 4π<br />
. c<br />
V = + r .<br />
3 25<br />
(Der Unterschied beträgt in unserem Beispiel nur ca. 0,3 cm³!)
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 30<br />
Durchhang eines Seils<br />
Aufgabe 1:<br />
Zwischen zwei gleich hohen Masten, die 10 m voneinander entfernt sind, wird ein Seil<br />
aufgehängt. Die Länge des Seils beträgt 11 m.<br />
Wie weit hängt das Seil durch ?<br />
Eine erste, sehr grobe Antwort erhält man durch folgende Überlegung:<br />
(Man könnte diese Form der Seilkurve realisieren, indem man auf den Mittelpunkt des Seils<br />
eine große Kraft wirken lässt ….)<br />
Man erhält mit dem Satz von Pythagoras: d = 5, 5²<br />
− 5²<br />
≈ 2,<br />
29<br />
Dieser Wert ist erfahrungsgemäß <strong>für</strong> die meisten Menschen überraschend groß. In<br />
Wirklichkeit wird der Durchhang allerdings etwas kleiner sein ……<br />
Durch welchen Kurventyp lässt sich die Seilkurve beschreiben ?<br />
Aufgrund der vorhandenen Anschauung wird man es wohl mit einer Parabel versuchen.<br />
(Physikalische Gründe <strong>für</strong> diese Modellbildung stehen hier zunächst nicht zur Verfügung.)<br />
Aus Symmetriegründen führen wir ein Koordinatensystem so ein, dass die beiden<br />
Aufhängepunkte P und Q folgende Koordinaten besitzen:<br />
⎛− 5⎞<br />
P = ⎜ ⎟<br />
⎝ 0 ⎠<br />
⎛5⎞<br />
Q = ⎜ ⎟<br />
⎝0⎠<br />
Die Seilkurve ist dann der Graph der Funktion<br />
f (<br />
x)<br />
= ax²<br />
− b
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 31<br />
die zunächst die beiden Parameter a und b enthält. Wegen f ( −5) = f ( 5)<br />
= 0 erhält man die<br />
Bedingung: b = 25a<br />
, sodass die Seilkurve schließlich durch die Funktion<br />
beschrieben wird.<br />
f ( x)<br />
= a.(<br />
x²<br />
−<br />
Nun ist der Parameter a so zu best<strong>im</strong>men, dass die Länge des Bogens zwischen P und Q 11<br />
beträgt.<br />
Wie erhält man die Länge eines Kurvenbogens ?<br />
Für eine exakte Βerechnung würde man Integral- und Differentialrechnung benötigen. Man<br />
kann aber die Länge eines Kurvenbogens in guter Näherung mit Hilfe der Länge eines<br />
Streckenzugs approx<strong>im</strong>ieren. Dies ist hier u.a. auch deswegen vertretbar, da ja die<br />
Verwendung einer Parabel als Seilkurve bereits zu einer vereinfachten Betrachtung führt.<br />
Nach Pythagoras gilt:<br />
∆<br />
2 2<br />
s = ∆x<br />
+ ∆<br />
y<br />
2<br />
Wir wählen etwa ∆x = 1 (und approx<strong>im</strong>ieren damit den Parabelbogen durch 10 Strecken).<br />
∆ y ist dann jeweils die Differenz zweier Funktionswerte an aufeinander folgenden<br />
ganzzahligen Stellen)<br />
Die Länge des Parabelbogens hängt in unserem Problem allerdings vom unbekannten<br />
Parameter a ab; wir schreiben da<strong>für</strong> L (a)<br />
. Leider können wir keine einfache Formel <strong>für</strong><br />
L (a)<br />
hinschreiben. Jene gesucht Zahl a , <strong>für</strong> die gilt L ( a)<br />
= 11 , kann also nicht durch<br />
algebraisches Lösen einer Gleichung gefunden werden.<br />
Wir gehen daher exper<strong>im</strong>entell vor:<br />
Wir erstellen eine Tabelle, in der die Länge eines Parabelbogens durch die Punkte P und Q<br />
näherungsweise berechnet wird, und zwar in Abhängigkeit vom Parameter a . Dann variieren<br />
wir a so, dass sich ergibt: L<br />
( a)<br />
= 11<br />
25)
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 32<br />
Parabel: a= 0,081<br />
x f(x) ∆ s<br />
-5 0,0000<br />
-4 -0,7290 1,2375<br />
-3 -1,2960 1,1496<br />
-2 -1,7010 1,0789<br />
-1 -1,9440 1,0291<br />
0 -2,0250 1,0033<br />
1 -1,9440 1,0033<br />
2 -1,7010 1,0291<br />
3 -1,2960 1,0789<br />
4 -0,7290 1,1496<br />
5 0,0000 1,2375<br />
Länge 10,9967<br />
Man erhält durch Probieren: a ≈ 0,<br />
081 Damit folgt weiter: b ≈ 2,<br />
025<br />
Der Durchhang des Seil ist aus Symmetriegründen genau in der Mitte zwischen P und Q zu<br />
messen, also: d = f ( 0)<br />
≈ 2,<br />
025<br />
Aufgabe zur weiteren Untersuchung:<br />
Wie ändert sich der Durchhang, wenn die Länge des Seils verändert wird ?<br />
Es könnte eine Tabelle erstellt werden, in der zu verschiedenen vorgegebenen Seillängen L<br />
der Durchhang d eingetragen wird…..<br />
Hinweis: Die Modellierung der Seilkurve durch eine Parabel ist umso problematischer, je<br />
größer die Seillänge <strong>im</strong> Verhältnis zum Abstand der Aufhängepunkte ist!
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 33<br />
Aufgabe 2:<br />
Zwischen zwei Masten, die 10 m voneinander entfernt sind, wird ein 11 m langes Seil<br />
aufgehängt. Der eine Mast ist 5 m hoch, der andere 8 m. Wie weit hängt das Seil durch ?<br />
Natürlich kann dieses Problem wie das letzte gelöst werden.<br />
• Man führt ein geeignetes Koordinatensystem ein und best<strong>im</strong>mt darin die Koordinaten der<br />
Aufhängepunkt P und Q<br />
• Man best<strong>im</strong>mt den Funktionsterm einer quadratischen Funktion, deren Graph durch P und<br />
Q geht. Dieser Funktionsterm enthält noch einen Parameter.<br />
• Man best<strong>im</strong>mt die Länge des Parabelbogens in Abhängigkeit vom Parameter<br />
näherungsweise über einen Polygonzug und variiert den Parameter, sodass der Bogen die<br />
Länge 11 besitzt.<br />
2<br />
Ansatz: f ( x)<br />
= ax + bx mit f ( 10)<br />
= 3,<br />
d.h.: 100 a + 10b<br />
= 3<br />
Setzt man ein, so erhält man die Funktion<br />
2<br />
f ( x)<br />
= ax + ( −10a<br />
+ 0,<br />
3)<br />
x<br />
Der Aufbau der Tabelle geschieht genau wie in Problem 1. Man erhält durch Anpassen des<br />
Parameters a den folgenden Graph:<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
0<br />
-1<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12<br />
-2<br />
-3<br />
-4
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 34<br />
2<br />
Ergebnis: a ≈ 0,<br />
064.<br />
Daraus folgt: b ≈ −0,<br />
34 f ( x)<br />
= 0,<br />
064x<br />
− 0,<br />
34x<br />
Was ist nun hier unter dem Durchhang zu verstehen ? Das muss präzisiert werden.<br />
• Der tiefste Punkt des Seils ist an jener Stelle, an der gilt: f ′ ( x)<br />
= 0<br />
Man erhält: x ≈ 2,<br />
66 f ( 2,<br />
66)<br />
≈ −0,<br />
45<br />
Damit ist <strong>im</strong> gewählten Koordinatensystem der tiefste Punkt lokalisiert. Er befindet sich<br />
von P aus gesehen etwa 45 cm unterhalb der Horizontalen.<br />
• Unter dem Durchhang versteht man üblicherweise den max<strong>im</strong>alen Höhenunterschied<br />
zwischen Seilkurve und geradliniger Verbindung der Aufhängepunkte.<br />
Der Durchhang ist also dort zu messen, wo die Tangente an die Seilkurve parallel zur<br />
Geraden durch P und Q ist. Dass dies genau in der Mitte des Intervalls der Fall ist, kann<br />
einfach begründet werden:<br />
Sei g (x)<br />
jene lineare Funktion, deren Graph durch P und Q geht. Dann gibt die Funktion<br />
d( x)<br />
: = g(<br />
x)<br />
− f ( x)<br />
an jeder Stelle x den Höhenunterschied zwischen Seilkurve und<br />
geradliniger Verbindung an.<br />
d(x) ist eine quadratische Funktion mit d ( 0)<br />
= d(<br />
10)<br />
= 0 . Aus Symmetriegründen<br />
n<strong>im</strong>mt sie ihr Max<strong>im</strong>um an der Stelle x = 5 an.<br />
Also ergibt sich: Durchhang d = d(<br />
5)<br />
≈ 1,<br />
6<br />
Eine algebraische Lösungsvariante:<br />
f ( x)<br />
= a.(<br />
x<br />
2 −<br />
25)<br />
In Abhängigkeit vom Parameter a<br />
ergeben sich folgende Funktionswerte:<br />
f ( 0)<br />
= −25a<br />
f ( 1)<br />
= −24a<br />
f ( 2)<br />
= −21a<br />
f ( 3)<br />
= −16a<br />
f ( 4)<br />
= −9a<br />
f ( 5)<br />
= 0<br />
Nun ist a so zu best<strong>im</strong>men, dass gilt:<br />
a<br />
2<br />
2<br />
2<br />
+ 1 + 9a<br />
+ 1 + 25a<br />
+ 1 + 49a<br />
+ 1 + 81a<br />
2<br />
2<br />
+ 1<br />
Diese Gleichung kann z.B. mit DERIVE gelöst werden: a<br />
≈ 0,<br />
081<br />
=<br />
5,<br />
5
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 35<br />
Anhang 1: Exakte Berechnung der Länge eines Parabelbogens.<br />
2<br />
f ( x)<br />
= a(<br />
x − 25)<br />
f ′ ( x)<br />
= 2ax<br />
5<br />
2<br />
L( a)<br />
= 2.<br />
∫ ( f ′ ( x))<br />
+ 1 dx = 2.<br />
∫<br />
0<br />
5<br />
0<br />
4a<br />
2<br />
x<br />
2<br />
+ 1 dx<br />
Dieses Integral kann nicht elementar best<strong>im</strong>mt werden. DERIVE liefert:<br />
2<br />
ln( 100a<br />
+ 1 + 10a)<br />
L ( a)<br />
= + 5.<br />
100a<br />
2a<br />
2<br />
+ 1<br />
Die Gleichung L ( a)<br />
= 11 kann nur numerisch gelöst werden.<br />
DERIVE liefert: a ≈ 0,<br />
08077<br />
Dies ist in sehr guter Übereinst<strong>im</strong>mung mit dem vorher gefundenen Wert!<br />
Anhang 2: Modellierung durch eine Kettenlinie<br />
Um zu einem physikalisch begründeten Modell zu kommen, geht man <strong>im</strong> einfachsten Fall von<br />
der idealisierenden Annahme aus, dass das Seil nur unter dem Einfluss der Schwerkraft steht<br />
und keine „inneren Kräfte“ (wie Biegesteifigkeit) auftreten. Man denkt dabei am besten an<br />
eine Kette, deren Glieder völlig frei beweglich sind.<br />
Aus der Analyse der in jenem Punkt der Kette wirkenden Kräfte ergibt sich mit einigem<br />
mathematischen Aufwand, dass die Form einer frei hängenden Kette durch eine so genannte<br />
Kettenlinie beschrieben werden kann.<br />
In Problem 1 wäre der folgende Ansatz zu machen:<br />
1<br />
1 x −x<br />
f ( x)<br />
= . cosh( a.<br />
x)<br />
− b<br />
mit cosh( x)<br />
: = ( e + e )<br />
a<br />
2<br />
1<br />
Wegen f ( −5) = f ( 5)<br />
= 0 ergibt sich: b = . cosh( 5a)<br />
a<br />
Also hängt f (x)<br />
wieder von einem einzigen Parameter ab, und dieser kann wie oben<br />
näherungsweise durch Probieren mit EXCEL best<strong>im</strong>mt werden.<br />
Die Länge der Kettenlinie kann auch exakt mit einem Integral berechnet werden:<br />
f ′ ( x)<br />
= sinh( a.<br />
x)<br />
5<br />
2<br />
L( a)<br />
=<br />
2.<br />
∫ 1 + sinh ( a.<br />
x)<br />
dx = 2.<br />
∫ cosh( a.<br />
x)<br />
dx<br />
0<br />
5<br />
0<br />
=<br />
2<br />
. sinh( 5a)<br />
a
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 36<br />
Nun ist die Gleichung L ( a)<br />
= 11 zu lösen. Das kann allerdings nur numerisch geschehen.<br />
DERIVE liefert: a ≈ 0,<br />
15268 und damit b ≈ 8,<br />
55265<br />
Für den Durchhang erhält man schließlich: d = f ( 0)<br />
≈ 2,<br />
003<br />
Der Unterschied zum Parabelmodell ist also sehr klein!<br />
Anhang 3:<br />
Die hier durchgeführten Berechnungen sind natürlich einer empirischen Überprüfung<br />
zugänglich. Das folgende Bild zeigt eine einfache Realisierung (mit einer Kette, die an zwei<br />
Nägeln aufgehängt ist …)<br />
In der Messung ist der Unterschied des Durchhangs zwischen Parabel und Kettenlinie nicht<br />
feststellbar ….
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 37<br />
Fläche eines Sees mit Google Earth und Geogebra<br />
Vorgangsweise:<br />
1. Erstellung eines geeigneten Bildausschnitts mit Google Earth.<br />
2. Festlegung einer „Einheitsstrecke“ (etwa: 1 km) mit dem Werkzeug „Lineal“<br />
3. Speichern des Bildes<br />
4. Einfügen des Bildes in Geogebra<br />
5. Konstruktion eines Vielecks, das den Konturen des Sees entspricht<br />
6. Best<strong>im</strong>mung des Flächeninhalts (Werkzeug in Geogebra!)<br />
7. Messung der Länge der Einheitsstrecke in Geogebra<br />
8. Umrechnung der Einheiten<br />
Umrechnung der Einheiten:<br />
2,02 E ≅ 1 km E ≅ 0,495 km E² ≅ 0,245 km²<br />
Damit ergibt sich als Flächeninhalt: A = 57,95 . 0,245 = 14,2 km²
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 38<br />
Wie kann der Flächeninhalt eines Polygons effizient berechnet werden ?<br />
Satz:<br />
Sind n P P P , , , 1 2 K die Eckpunkte eines einfachen(!) Polygons P mit positivem Umlaufsinn, so<br />
gilt <strong>für</strong> seinen Flächeninhalt die Formel<br />
a (<br />
n<br />
= ∑<br />
i=<br />
1<br />
i Pi<br />
+ 1 mit 1 : P1<br />
Pn + =<br />
(*) P)<br />
m(<br />
P , )<br />
1<br />
Dabei ist m( A,<br />
B)<br />
: = ( a1.<br />
b2<br />
− a2.<br />
b1<br />
)<br />
2<br />
Die Berechnung des Flächeninhalts eines Polygons (ob konvex oder nicht!) kann also nach<br />
einem sehr einfachen Schema durchgeführt werden:<br />
<strong>Beispiele</strong>:
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 39<br />
Beweis (anschauliche Version):<br />
Ein Polygon heißt einfach, wenn seine Seiten einander nur in Eckpunkten schneiden.<br />
Jedes einfache Polygon kann trianguliert (d.h. in Dreiecke zerlegt) werden.<br />
Wir beweisen (*) in zwei Schritten:<br />
(1) Die Formel gilt <strong>für</strong> Dreiecke.<br />
(2) Be<strong>im</strong> Hinzufügen eines Dreiecks zu einem Polygon bleibt die Formel gültig.<br />
Zu (1):<br />
(a) Der Ursprung O ist einer der Eckpunkte:<br />
(b) Der Ursprung O liegt <strong>im</strong> Inneren des Dreiecks:<br />
(c) Der Ursprung O liegt außerhalb des Dreiecks:<br />
m( A,<br />
B)<br />
gibt den orientierten Flächeninhalt des<br />
Dreiecks OAB an<br />
Das kann man auf viele Arten elementar beweisen.<br />
Insbesondere gilt: m( B,<br />
A)<br />
= −m(<br />
A,<br />
B)<br />
Wegen m ( O,<br />
A)<br />
= m(<br />
B,<br />
O)<br />
= 0 gilt die Formel (*) .<br />
Der Flächeninhalt des Dreiecks ABC ist die Summe<br />
der Flächeninhalte der Dreiecke OAB, OBC und<br />
OCA, welche alle positiv orientiert sind.<br />
Also gilt: a ( ABC)<br />
= m(<br />
A,<br />
B)<br />
+ m(<br />
B,<br />
C)<br />
+ m(<br />
C,<br />
A)<br />
Aufgrund der Orientierung der Dreiecke gilt:<br />
m( A,<br />
B)<br />
= −a(<br />
OAB)<br />
m ( B,<br />
C)<br />
= a(<br />
OBC)<br />
m( C,<br />
A)<br />
= −a(<br />
OAC)<br />
Aus der Zeichnung ist ersichtlich:<br />
a( ABC)<br />
= a(<br />
OBC)<br />
− a(<br />
OAB)<br />
− a(<br />
OAC)<br />
also: a ( ABC)<br />
=<br />
m(<br />
A,<br />
B)<br />
+ m(<br />
B,<br />
C)<br />
+ m(<br />
C,<br />
A)
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 40<br />
zu (2):<br />
Sei etwa Palt = ABCD , und es werde über der Seite<br />
CD das Dreieck ∆ = CED nach außen angefügt.<br />
Laut Voraussetzung gilt a( Palt<br />
) = m(<br />
A,<br />
B)<br />
+ m(<br />
B,<br />
C)<br />
+ m(<br />
C,<br />
D)<br />
+ m(<br />
D,<br />
A)<br />
Wegen (1) gilt außerdem: a ( ∆ ) = m(<br />
C,<br />
E)<br />
+ m(<br />
E,<br />
D)<br />
+ m(<br />
D,<br />
C)<br />
Da a( Pneu<br />
) = a(<br />
Palt<br />
) + a(<br />
∆)<br />
und m( D,<br />
C)<br />
= −m(<br />
C,<br />
D)<br />
erhält man: a( Pneu<br />
) = m(<br />
A,<br />
B)<br />
+ m(<br />
B,<br />
C)<br />
+ m(<br />
C,<br />
E)<br />
+ m(<br />
E,<br />
D)<br />
+ m(<br />
D,<br />
A)<br />
und das ist (*) <strong>für</strong> das neue Polygon<br />
Zum Beweis von (1 a) (elementargeometrisch):<br />
Von einer Rechtecksfläche werden die Flächeninhalte von 3<br />
rechtwinkeligen Dreiecken abgezogen.<br />
1 1 1<br />
1<br />
a( OAB)<br />
= a1.<br />
b2<br />
− . a1.<br />
a2<br />
− . b1.<br />
b2<br />
− .( a1<br />
− b1).(<br />
b2<br />
− a2<br />
) = ….. = .( a1. b2<br />
− a2.<br />
b1<br />
)<br />
2 2 2<br />
2<br />
Achtung:<br />
Es ist eine Fallunterscheidung bezüglich der Lage der Punkte A und B vorzunehmen!<br />
Eine Analyse zeigt:<br />
m( A,<br />
B)<br />
gibt den orientierten Flächeninhalt des Dreiecks OAB an
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 41<br />
Kurvenradius einer Straße – mit Google Earth und Geogebra<br />
Wenn ein Auto in einer Kurve fährt, ist es einer Zentrifugalkraft F ausgesetzt, <strong>für</strong> die gilt:<br />
m.<br />
v<br />
F =<br />
r<br />
2<br />
m … Masse des Autos v …. Geschwindigkeit r …. Kurvenradius<br />
Straßenkurven sind meist keine Kreisbögen, sodass es „den Kurvenradius“ eigentlich nicht<br />
gibt. Man kann aber den Kurvenverlauf „lokal“ durch Kreisbögen approx<strong>im</strong>ieren:<br />
• Wähle drei nahe beieinander liegende Punkte (A,B,C) auf der Kurve<br />
• Konstruiere (mit Hilfe der Streckensymmetralen) den Mittelpunkt des Kreises, der durch<br />
diese drei Punkte geht. (Dieser existiert, falls A,B,C nicht auf einer Geraden liegen.)<br />
Dies lässt sich mit Google-Earth und Geogebra und sehr einfach realisieren:<br />
1. Erstellung eines geeigneten Bildausschnitts mit Google Earth.<br />
2. Festlegung einer „Einheitsstrecke“ (etwa: 500 m) mit dem Werkzeug „Lineal“<br />
3. Speichern des Bildes<br />
4. Einfügen des Bildes in Geogebra<br />
5. Konstruktion von approx<strong>im</strong>ierenden Kreisen<br />
6. Best<strong>im</strong>mung der Kreisradien<br />
7. Messung der Länge der Einheitsstrecke in Geogebra<br />
8. Umrechnung der Einheiten<br />
Als Beispiel werden die beiden Autobahnauffahrten auf die Westautobahn bei Linz<br />
untersucht. Aus Erfahrung wissen viele Autofahrer, dass man Richtung Salzburg schneller<br />
unterwegs sein kann als Richtung Wien …<br />
Zunächst wählt man drei Punkte A, B, C auf der Auffahrt Richtung Salzburg und konstruiert<br />
den Mittelpunkt D des Kreises durch diese Punkte. Zeichnet man den Kreis ein, so sieht man,<br />
dass dieser sehr gut den Straßenverlauf approx<strong>im</strong>iert.<br />
Mit Hilfe der Vergleichsstrecke ergibt sich: 4, 1 E ≅ 500 m , also: E ≅ 122 m<br />
Damit erhält man <strong>für</strong> die beiden zu vergleichenden Kurvenradien: r 1 ≈ 700 , r2 ≈ 340 m<br />
Natürlich erhält jeder Schüler etwas andere Werte, aber die (relativen) Abweichungen sind <strong>im</strong><br />
Allgemeinen eher gering.
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 42<br />
Welche Zentrifugalkraft wirkt auf ein Auto, das mit 100 km/h auf der Auffahrt Richtung<br />
Salzburg unterwegs ist ?<br />
Setzt man: m = 1500 kg v = 28 m s r = 700 m<br />
so erhält man: F ≈ 1700 N<br />
Auf der Auffahrt Richtung Wien ist die Zentrifugalkraft etwa doppelt so groß …
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 43<br />
Page -Rank –Algorithmus von Google<br />
Jeder von uns ist gewohnt, <strong>im</strong> Internet mittels einer Suchmaschine zu suchen. Die heute bei<br />
weitem am meisten verwendete Suchmaschine ist Google.<br />
Was macht eine Suchmaschine ?<br />
(1) Das Internet wird laufende durchforstet (von „spidern“ bzw. „crawlern“). Dabei<br />
werden alle gefundenen Webseiten in Datenbanken gespeichert und mit einem<br />
Suchindex versehen („Momentaufnahme des Web“)<br />
(2) Zu einer Suchanfrage wird (mit Hilfe des Index) eine Trefferliste erstellt, die häufig<br />
Tausende von Adressen enthält.<br />
(3) Die Treffer werden in einer geeigneten Reihenfolge präsentiert. Der Suchende hätte<br />
natürlich gerne die <strong>für</strong> ihn relevanten Seiten ganz am Anfang der Liste …..<br />
Hier soll (3) näher beleuchtet und das von Google verwendete Verfahren <strong>im</strong> Prinzip<br />
dargestellt werden.<br />
Wie kommt man zu einer geeigneten Reihenfolge ?<br />
Was ist überhaupt eine geeignete Reihenfolge ?<br />
Welche Seiten sind <strong>für</strong> den Suchenden relevant ?<br />
Klar ist: Diese Frage kann nicht inhaltlich (d.h. durch eine Bewertung des Seiteninhalts)<br />
entschieden werden!<br />
Verfahren von Google:<br />
Jeder Internetseite wird (unabhängig von jeder Suchanfrage!) eine Bewertung ihrer Relevanz<br />
zugeordnet (ein „Gewicht“, das man „Page-Rank“ nennt). Nach einer Suchanfrage werden die<br />
Elemente der Trefferliste nach ihrem Page-Rank geordnet.<br />
(Das Verfahren zur Berechnung der Page-Ranks wurde 1998 von BRIN und PAGE an der<br />
Standford University entwickelt, später allerdings weiter verfeinert. Das von Google heute<br />
verwendete Verfahren wird als Betriebsgehe<strong>im</strong>nis gehütet…. )<br />
Grundidee des Page-Rank-Verfahrens:<br />
Man kann sich das gesamte Internet (zu einem festen Zeitpunkt) vorstellen als einen Knoten-<br />
Kanten-Graph:<br />
• Webseiten sind die Knoten<br />
• Links zwischen den Webseiten sind gerichtete Kanten.
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 44<br />
Ein „Mini-Web“ könnte etwa so aussehen:<br />
1<br />
Nun soll jeder Seite ein Gewicht (Page-Rank) zugeordnet werden, allerdings ohne Bezug zum<br />
Inhalt der Seite. Einziger Maßstab ist somit die Link-Struktur….<br />
Idee: Ein Link ist so etwas wie eine Empfehlung einer Seite durch eine andere.<br />
Von daher sind folgende Grundsätze plausibel:<br />
(1) Das Gewicht einer Seite ist umso größer, je mehr Links auf sie verweisen.<br />
(2) Links, die von Seiten mit großem Gewicht ausgehen, zählen mehr, andere weniger.<br />
(3) Je mehr Links von einer Seite ausgehen, umso weniger sind diese wert.<br />
Insgesamt ergibt sich folgende Grundvorstellung:<br />
Jede Seite gibt ihr Gewicht – gleichmäßig aufgeteilt - über Links an andere Seiten weiter.<br />
In unserem Mini-Web sieht das so aus:<br />
X1<br />
1<br />
3<br />
1<br />
1<br />
3<br />
1<br />
3<br />
2<br />
3<br />
5<br />
X2<br />
X3<br />
X5<br />
1<br />
2<br />
1<br />
1<br />
2<br />
1<br />
2<br />
4<br />
1<br />
2<br />
X4
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 45<br />
Zur Interpretation dieses Graphen:<br />
Seite 1 gibt sein Gewicht zu je einem Drittel weiter an die Seiten 2, 3 und 5.<br />
Seite 2 gibt ihr Gewicht je zur Hälfte weiter an die Seiten 3 und 4.<br />
……<br />
Umgekehrt:<br />
Das Gewicht der Seite 3 setzt sich zusammen aus jenen Werten, die sie von den Seiten 1, 2<br />
und 4 erhält.<br />
…….<br />
Zur Berechnung der Gewichte x 1 ,......, x5<br />
sind also folgende Bedingungen zu erfüllen:<br />
(1) x 1 = 1. x5<br />
x =<br />
1<br />
. x<br />
3<br />
x 3 =<br />
1 1 1<br />
. x1<br />
+ . x2<br />
+ . x<br />
3 2 2<br />
x 4 =<br />
1<br />
. x<br />
2<br />
x 5 =<br />
1 1<br />
. x1<br />
+ 1.<br />
x3<br />
+ . x<br />
3 2<br />
(2) 2<br />
1<br />
(3) 4<br />
(4) 2<br />
(5) 4<br />
Zu lösen ist also ein lineares Gleichungssystem mit 5 Variablen – was in diesem Beispiel<br />
recht einfach ist.<br />
Allerdings besitzt dieses Gleichungssystem keine eindeutige Lösung; der Rang des Systems<br />
ist 4.<br />
Setzt man etwa: x 1 = 1<br />
so erhält man dazu:<br />
1<br />
x 2 = ;<br />
3<br />
7<br />
x3<br />
= ;<br />
12<br />
1<br />
x4<br />
= ;<br />
6<br />
x5<br />
= 1<br />
Alle anderen Lösungen des Gleichungssystems sind Vielfache dieser Lösung.<br />
Aus Gründen, die später einsichtig werden, könnte man die Gewichte so normieren, dass ihre<br />
Summe den Wert 1 besitzt.<br />
In unserem Beispiel gilt:<br />
x<br />
1<br />
+ x + x + x + x<br />
Durch Division erhält man die normierten Werte:<br />
y 1 ≈ 0,<br />
3243<br />
y 2 ≈ 0,<br />
1081<br />
3 0,<br />
1892 ≈ y<br />
y 4 ≈ 0,<br />
0541<br />
5 0,<br />
3243 ≈ y<br />
2<br />
Die Rangfolge der Seiten unseres Mini-Webs lautet also: 1 und 5; 3; 2; 4<br />
3<br />
4<br />
5<br />
=<br />
37<br />
12
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 46<br />
Anmerkung:<br />
In Matrizen-Schreibweise sieht das obige Gleichungssystem so aus:<br />
⎛ 0 0 0 0 1⎞<br />
⎜ 1<br />
⎟<br />
⎜ 0 0 0 0⎟<br />
⎜ 3<br />
⎟<br />
⎜ 1 1 1<br />
0 0⎟<br />
X = ⎜ 3 2 2 ⎟ . X kurz: X = A.<br />
X mit nebenstehender Matrix A<br />
⎜ 1 ⎟<br />
⎜ 0 0 0 0⎟<br />
⎜ 2 ⎟<br />
⎜<br />
1 1<br />
0 1 0⎟<br />
⎝ 3 2 ⎠<br />
Alle Elemente der Matrix A liegen zwischen 0 und 1, und alle Spaltensummen sind gleich 1.<br />
Formale Definition des Page-Ranks:<br />
Sei N die Anzahl der Seiten.<br />
Für jedes n ∈ { 1,....,<br />
N}<br />
sei O (n)<br />
die Menge der Seiten, zu denen ein Link von n ausgeht<br />
I (n)<br />
die Menge der Seiten, von denen aus ein Link nach n<br />
führt.<br />
1<br />
Dann gilt: x n = ∑ . xk<br />
O(<br />
k)<br />
k∈I<br />
( n)<br />
Lösung der auftretenden Gleichungssysteme<br />
Die Berechnung der Page-Ranks <strong>für</strong> die Seiten des Webs führt auf das Lösen eines riesigen<br />
linearen Gleichungssystems; es hat so viele Variable wie es Seiten gibt. Es ist daher völlig<br />
aussichtslos, hier etwa mit dem Gaußschen El<strong>im</strong>inationsverfahren arbeiten zu wollen.<br />
Eine Möglichkeit, sich zumindest eine Näherungslösung zu verschaffen, besteht darin, iterativ<br />
vorzugehen:<br />
• Man beginnt mit einer einfachen „Anfangsverteilung“ der Gewichte;<br />
<strong>im</strong> Beispiel etwa mit<br />
x = x = x = x = x = 0,<br />
2<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
• In jedem Iterationsschritt setzt man die bisher gültigen Werte auf der rechten Seite des<br />
Gleichungssystems ein und erhält damit neue Werte.
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 47<br />
x<br />
′<br />
=<br />
1. x<br />
(1) 1<br />
5<br />
′<br />
x =<br />
1<br />
. x<br />
3<br />
′<br />
x 3 =<br />
1 1 1<br />
. x1<br />
+ . x2<br />
+ . x<br />
3 2 2<br />
′<br />
x 4 =<br />
1<br />
. x<br />
2<br />
′<br />
x 5 =<br />
1 1<br />
. x1<br />
+ 1.<br />
x3<br />
+ . x<br />
3 2<br />
(2) 2<br />
1<br />
(3) 4<br />
(4) 2<br />
(5) 4<br />
In Matrizen lässt sich die Iteration so schreiben:<br />
⎛0,<br />
2⎞<br />
⎜ ⎟<br />
⎜0,<br />
2⎟<br />
= ⎜0,<br />
2⎟<br />
⎜ ⎟<br />
⎜0,<br />
2⎟<br />
⎜ ⎟<br />
⎝0,<br />
2⎠<br />
X 0<br />
1 A.X<br />
0<br />
X = usw. allgemein: X n+<br />
A.<br />
X n<br />
In unserem Beispiel sieht man, dass man relativ schnell gute Näherungslösungen erhält:<br />
Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Konvergenz gegen eine Lösung des Gleichungssystems<br />
gesichert ist, wird später thematisiert.<br />
1 =
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 48<br />
Ein Zufalls-Surfer …..<br />
Wenn man die Gewichte so normiert, dass ihre Summe 1 ergibt, ist folgende Interpretation<br />
möglich:<br />
Ein Surfer startet auf einer Seite, folgt zufällig einem Link auf eine andere Seite, folgt von<br />
dort aus wieder zufällig einem Link usw. In jedem Zeitschritt führt der Surfer genau einen<br />
solchen „Seitenwechsel“ durch. Wo befindet sich der Surfer „nach sehr langer Zeit“?<br />
Es gilt: x n ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Surfer „nach sehr langer Zeit“ auf der<br />
Seite n befindet.<br />
Hintergrund:<br />
Es handelt sich hier um eine „zufällige Irrfahrt“ auf dem Graphen, der das Web repräsentiert.<br />
Diese Irrfahrt ist eine Markov-Kette mit der Übergangsmatrix A und der Grenzverteilung<br />
x ,....., x )<br />
( 1 N<br />
Probleme, die auftreten können:<br />
(1) Seiten, von denen kein Link ausgeht. (2) Schleifen<br />
Zu (1):<br />
1<br />
2<br />
• Die Interpretation des Zufalls-Surfers ist nicht definiert !<br />
• Das zu lösende Gleichungssystem besitzt nur die triviale Lösung x = x = x = 0<br />
1<br />
x = x<br />
2<br />
1<br />
x 2 = . x<br />
2<br />
x = x + x<br />
(1) 1 . 2<br />
(2) 1<br />
(3) 3 1 2<br />
Das System bestehend aus (1) und (2) enthält die Variable x 3 nicht. Es besitzt (als<br />
homogenes 2×2 Gleichungssystem) die Lösung x 1 = x2<br />
= 0 . Gleichung (3) liefert<br />
dann x 0 .<br />
3 =<br />
3<br />
3<br />
1<br />
2<br />
1<br />
2<br />
3
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 49<br />
Zu (2):<br />
• Der Zufalls-Surfer wird irgendwann in diese Schleife gelangen und springt dann<br />
zwischen den beiden Seiten hin und her ..<br />
• Das zu lösende Gleichungssystem lautet:<br />
x 1 = c.<br />
x + x<br />
(1) 3 2<br />
(2) x 2 = x1<br />
Es folgt sofort: 3 0 = x ; x 1 = x 2 kann beliebig gewählt werden.<br />
Das entspricht nicht den Intentionen unserer Webseiten-Bewertung: auch wenn die<br />
Seite 3 noch so gut <strong>im</strong> Web verlinkt ist, bewirkt die Schleife aus 1 und 2, dass die<br />
Seite 3 das Gewicht 0 erhält!<br />
Um die angeführten Probleme zu beseitigen, führt man zwei einfache Modifikationen des<br />
Grundkonzepts durch:<br />
Zu (1):<br />
Seiten, von denen kein Link ausgeht, werden zunächst weggelassen. Für das verbleibende<br />
Web werden die Gewichte iterativ ermittelt, und am Ende werden von dieser Lösung aus die<br />
Gewichte der weggelassenen Seiten berechnet.<br />
Durch diese Vorgangsweise wird die ursprüngliche Definition des Page-Rank geringfügig<br />
verletzt, da ja bei einigen Seiten die Anzahl der von ihnen ausgehenden Links verkleinert<br />
wird….<br />
Zu (2):<br />
Die Modifikation des Systems lässt sich am besten an der Interpretation des Zufalls-Surfers<br />
erläutern:<br />
Um nicht in einer Schleife „gefangen“ zu werden, folgt der Surfer „ab und zu“ nicht der<br />
Linkstruktur des Webs, sondern wählt völlig zufällig irgendeine Seite …..<br />
Dieses „Ab und zu“ wird gesteuert durch einen Parameter α ∈[<br />
0,<br />
1]<br />
, der interpretiert werden<br />
kann als Wahrscheinlichkeit, dass der Surfer bei einem Seitenwechsel einem Link folgt.<br />
(In der Praxis wird gerne ein –willkürlich gewählter!- Wert von etwa 0,85 gewählt.)
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 50<br />
Neue Definition des Page-Ranks:<br />
1<br />
1<br />
α. . x + ( 1−<br />
α).<br />
O(<br />
k)<br />
N<br />
xn = ∑ k<br />
k∈I<br />
( n)<br />
Wahrscheinlichkeit,<br />
über einen Link zur<br />
Seite n zu gelangen<br />
Im Fall α = 1 erhält man die bisherige Definition des Page-Ranks.<br />
Der Wert α = 0 entspricht der Situation, dass der Surfer jedes Mal eine völlig zufällige Seite<br />
auswählt. Klarerweise erhalten dabei alle Seite das selbe Gewicht.<br />
Durch diese Modifikation wird übrigens die Konvergenz des Iterationsverfahrens gegen eine<br />
Lösung des Gleichungssystems erzwungen. Dies folgt z.B. aus einem zentralen Satz über<br />
Markov-Ketten.<br />
Neue Berechnung <strong>im</strong> Ausgangsbeispiel:<br />
Das zu lösende Gleichungssystem heißt nun (mit d = 0,<br />
85)<br />
:<br />
(1) x 1 = 0, 15.<br />
0,<br />
2 + 0,<br />
85.<br />
1.<br />
x5<br />
Wahrscheinlichkeit,<br />
durch Zufallswahl zur<br />
Seite n zu gelangen<br />
(2) x 2 = 0, 15.<br />
0,<br />
2 +<br />
1<br />
0,<br />
85.<br />
. x1<br />
3<br />
(3) x 3 = 0, 15.<br />
0,<br />
2 +<br />
1 1 1<br />
0,<br />
85.(<br />
. x1<br />
+ . x2<br />
+ . x4<br />
)<br />
3 2 2<br />
(4) x 4 = 0, 15.<br />
0,<br />
2 +<br />
1<br />
0,<br />
85.<br />
. x2<br />
2<br />
(5) x 5 = 0, 15.<br />
0,<br />
2 +<br />
1 1<br />
0,<br />
85.(<br />
. x1<br />
+ 1.<br />
x3<br />
+ . x4<br />
)<br />
3 2<br />
Man könnte das Zustandekommen des Gleichungssystems auch so interpretieren:<br />
Jede Seite bekommt zunächst „<strong>für</strong> ihre Existenz“ einen kleinen Grundbetrag von hier 0,03.<br />
Dazu kommt dann ein – <strong>im</strong> Verhältnis zur ursprünglichen Definition etwas gedämpfter –<br />
Betrag, den die Seite von den auf sie verweisenden Seiten erhält.
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 51<br />
Weitere <strong>Beispiele</strong>:<br />
Lösung mit Hilfe von Derive:<br />
1<br />
2 3<br />
6 5<br />
Wieder hat das aufzustellende lineare Gleichungssystem (6 Gleichungen mit 6 Variablen)<br />
unendlich viele Lösungen (der Rang des Gleichungssystems ist 5).<br />
Fügt man die Normierungsbedingung (Summe der PageRank = 1) hinzu, besitzt das<br />
Gleichungssystem eine eindeutige Lösung:<br />
Die Reihung der Seiten nach ihrem PageRank sieht also folgendermaßen aus: 5, 4, 2, 3, 1, 6<br />
4
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 52<br />
Ändert man einen einzigen Pfeil in dem Knoten-Kanten-Graph (aus dem Pfeil von 6 nach 5<br />
wird ein Pfeil von 5 nach 6), so tritt eine völlig andere Situation auf:<br />
1<br />
2 3<br />
6 5<br />
Das auftretende lineare Gleichungssystem (6 Gleichungen mit 6 Variablen) besitzt nur die<br />
triviale Lösung (alle Variablen haben den Wert 0), wie man mit Derive schnell findet. Dies ist<br />
der Fall, weil von Seite 6 kein Link ausgeht.<br />
Nach der erweiterten Definition des PageRank müssen also die Seite 6 und die auf sie<br />
verweisenden Links zunächst weggelassen werden. Zunächst ist also ein Gleichungssystem<br />
mit 5 Gleichungen in 5 Variablen zu lösen. In einem zweiten Schritt wird dann x 6 berechnet<br />
mit Hilfe der Gleichung:<br />
1 1<br />
x 6 = . x1<br />
+ . x5<br />
3 4<br />
4
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 53<br />
Computer-Tomographie<br />
Röntgenstrahlen können das menschliche Gewebe durchdringen. Je nach der Art des Gewebes<br />
n<strong>im</strong>mt die Intensität des Strahls dabei mehr oder weniger stark ab. Auf dem Röntgenfilm<br />
entstehen daher hellere und dunklere Stellen – je nachdem, durch welches Gewebe der<br />
betreffende Strahl gedrungen ist.<br />
Be<strong>im</strong> klassischen Röntgenverfahren entsteht eine Projektion des durchleuchteten Körpers auf<br />
eine Ebene. Auf einem Röntgenbild überlappen einander also die Bilder von übereinander<br />
liegenden Organen.<br />
Die Computer-Tomographie liefert dagegen Bilder, die ebene Schnitte durch den Körper<br />
darstellen. Im Unterschied zum klassischen Röntgenbild sind dies aber keine „Fotographien“,<br />
sondern mit Hilfe des Computers errechnete Bilder!<br />
Die dazu benötigte <strong>Mathematik</strong> wurde lange vor der Erfindung der ersten Computer <strong>im</strong> Jahre<br />
1917 vom österreichischen <strong>Mathematik</strong> Johann RADON entwickelt.<br />
Die erste CT-Aufnahme an einem Menschen wurde 1971 durchgeführt. Der Physiker<br />
CORMACK und der Elektrotechniker HOUNSFIELD erhielten da<strong>für</strong> gemeinsam 1979 den<br />
Nobelpreis <strong>für</strong> Medizin.<br />
Heute wird anstelle der klassischen Computer-Tomographie häufig ein anderes Verfahren<br />
verwendet: die Magnetresonanz- oder Kernspin-Tomographie (MR). Diese kommt ohne<br />
schädliche Röntgenstrahlung aus.<br />
Grundsituation:<br />
Vom Sender S aus werden Röntgenstrahlen (einer best<strong>im</strong>mten Eingangsintensität I0) durch<br />
das Objekt geschickt, und <strong>im</strong> Empfänger E werden die Ausgangsintensitäten IE gemessen.<br />
Dann wird der Sender weitergedreht und der Vorgang wiederholt.<br />
Aus der Gesamtmenge aller gemessenen Ausgangsintensitäten wird <strong>im</strong> Computer das Bild<br />
errechnet.<br />
(512 * 512 Bildpunkte)
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 54<br />
Physikalische Grundlagen:<br />
Be<strong>im</strong> Durchgang eines Strahls durch ein Medium n<strong>im</strong>mt<br />
die Intensität mit der Eindringtiefe exponentiell ab:<br />
I t)<br />
= I . e<br />
( 0<br />
−λt<br />
λ ist dabei eine Konstante, die von der Materialdichte<br />
abhängt („Absorptionskoeffizient“)<br />
Be<strong>im</strong> Durchgang eines Strahls durch eine Schicht der Dicke d durch ein Material mit<br />
Absorptionskoeffizient λ reduziert sich die Intensität also auf den Wert<br />
I<br />
E<br />
−λ.<br />
d<br />
= I 0 . e = I 0.<br />
y<br />
(dabei ist y ein Faktor, der von d und λ abhängt und der interpretiert werden kann als<br />
Anteil, der be<strong>im</strong> Durchgang durch diese Schicht erhalten bleibt)<br />
Geht ein Strahl durch mehrere hintereinander liegende<br />
Schichten gleicher Dicke, so ergibt sich:<br />
I = I y . y .... y<br />
E<br />
0.<br />
1 2<br />
wobei die Faktoren n y y 1 ,....., die Informationen über die<br />
Absorptionskoeffizienten in den einzelnen Schichten<br />
enthalten.<br />
Vereinfachtes Modell der Tomographie:<br />
Wir stellen uns folgendes vor:<br />
• Über das Objekt ist ein feiner Raster von Quadraten<br />
gelegt. Hinterher entspricht jedes Rasterquadrat<br />
einem Bildpunkt (pixel).<br />
• Innerhalb jedes Rasterquadrats besitzt das Objekt eine<br />
einheitliche Massendichte und damit einen festen<br />
Faktor y.<br />
n
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 55<br />
Kennt man den „Weg“ eines Strahls durch den Raster, so kann man ausgehend von I0<br />
seine Ausgangsintensität IE berechnen,<br />
z.B.: I E = I 0 . y6.<br />
y7.<br />
y8.<br />
y9.<br />
y10<br />
• Wir vernachlässigen (grobe Vereinfachung!) die Länge des Weges innerhalb eines<br />
Quadrats und fragen nur, ob der Strahl das Rasterquadrat trifft oder nicht.<br />
I E = I . y . y<br />
z.B.: 0 6 2<br />
Das mathematische Kernproblem:<br />
Es ist in unserem Modell sehr einfach, <strong>für</strong> jeden Strahl die Ausgangsintensität IE zu<br />
berechnen, wenn alle Faktoren y i bekannt sind.<br />
Aber es liegt das umgekehrte Problem vor, und dieses ist viel schwieriger („inverses<br />
Problem“)<br />
Ursache<br />
(Faktoren y i )<br />
Inverses<br />
Problem<br />
Jeder Strahl liefert eine Gleichung, die einige der Unbekannten y 1 ,......, y25<br />
enthält,<br />
I E = I . y . y . y . y . y<br />
z.B.: 0 6 7 8 9 10<br />
Durch Logarithmieren und Umbenennen der Variablen x i : = ln( yi<br />
) erhält man daraus:<br />
x6 x7<br />
x8<br />
x9<br />
x10<br />
ln( I E ) ln( I 0 ) − = + + + +<br />
Die rechte Seite ist eine bekannte Zahl, die aus einem Messwert errechnet wird.<br />
Zu lösen ist also ein lineares Gleichungssystem:<br />
Wirkung<br />
(Ausgangs-<br />
Intensitäten)<br />
Anzahl der Variablen = Anzahl der Rasterquadrate = Anzahl der Bildpunkte<br />
Anzahl der Gleichungen = Anzahl der Strahlen<br />
Für ein einigermaßen gutes Bild (z.B. 1000*1000 Bildpunkte) hat man also gleich einmal eine<br />
Million Variable, und man benötigt (mindestens) eine Million Messwerte, um diese<br />
berechnen zu können …
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 56<br />
Sandkasten-<strong>Beispiele</strong>:<br />
(1) In diesem Raster sind die Wege der Stahlen eingetragen sowie die „rechten Seiten“ der<br />
zugehörigen Gleichungen, d.h.: S = I ) − ln( I )<br />
ln( 0 E<br />
S1 = 0,5<br />
S2 = 1,5<br />
S3 = 1,1<br />
S4 = 0,9<br />
S5 = 0,8<br />
a. Stelle das zugehörige lineare Gleichungssystem (*) auf!<br />
Welche auffälligen Eigenschaften hat es ? Warum ist das so ?<br />
b. Das Gleichungssystem besitzt mehr Gleichungen als Variable. Löse zunächst das<br />
Gleichungssystem, das aus den Strahlen S1, S2, S3, S5 besteht!<br />
Ist die erhaltene Lösung eine Lösung des Gleichungssystems (*) ?<br />
c. Löse das Gleichungssystem, das aus den Strahlen S1, S2, S3, S4 besteht!<br />
d. Ersetze den Wert von S4 durch 0,89 (Messfehler!)<br />
Welche Auswirkungen hat diese Änderung auf die Lösung des ursprünglichen<br />
Gleichungssystems (*) ?<br />
Lösungshinweise:<br />
x 1<br />
x 3<br />
S3<br />
x2<br />
x4<br />
a. Gleichungssystem: (1) x1 + x2 = 0,5<br />
(2) x3 + x4 = 1,5<br />
(3) x1 + x3 = 1,1<br />
(4) x2 + x4 = 0,9<br />
(5) x1 + x4 = 0,8<br />
S4<br />
Es kommen nur die Koeffizienten 0 und 1 vor. Das liegt daran, dass wir die Länge des<br />
Strahls innerhalb eines Rasterquadrats nicht berücksichtigen.<br />
Das Gleichungssystem ist „dünn besetzt“: Sehr viele - bei großen Systemen weitaus die<br />
meisten! - Koeffizienten sind gleich 0!<br />
b. Das Gleichungssystem besitzt die eindeutige Lösung (0,2; 0,3; 0,9; 0,6)<br />
Wie man leicht nachprüft, ist diese auch die eindeutige Lösung des Systems (*).<br />
c. Das Gleichungssystem besitzt unendlich viele Lösungen! Die auftretenden Gleichungen<br />
sind nicht linear unabhängig!<br />
d. Aus (b) folgt sofort, dass das neue Gleichungssystem keine Lösung besitzt!<br />
S1<br />
S2<br />
S5
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 57<br />
Aus diesem Beispiel kann man folgendes <strong>für</strong> die allgemeine Situation lernen:<br />
• Im Allgemeinen sind mehr Strahlen (Messungen) nötig, als Variable <strong>im</strong> System stecken,<br />
weil die aus den einzelnen Strahlen resultierenden Gleichungen nicht linear unabhängig<br />
zu sein brauchen.<br />
Damit hat man es also <strong>im</strong> Allgemeinen mit überbest<strong>im</strong>mten Gleichungssystemen zu tun!<br />
• Da die rechte Seite des Gleichungssystems aus Messwerten besteht, die mit Fehlern<br />
behaftet sind, wird das überbest<strong>im</strong>mte lineare Gleichungssystem <strong>im</strong> allgemeinen gar<br />
keine Lösung besitzen!<br />
Man wird sich also in der Praxis <strong>für</strong> Zahlen interessieren, die das Gleichungssystem<br />
„näherungsweise“ erfüllen (was <strong>im</strong>mer das heißt ….)<br />
(2) Stelle das zugehörige lineare Gleichungssystem auf und löse es mit Hilfe eines<br />
Computer-Programms (z.B.: DERIVE)<br />
12 11<br />
10<br />
x 1<br />
9<br />
x 2 3 x<br />
x 4 5 x 6 x<br />
x 7 8 x<br />
8<br />
x 9<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
1<br />
2<br />
3<br />
Liste der „rechten Seiten“ S i :<br />
2,1; 1,7; 1,6; 1,9; 2,2; 0,4;<br />
1,9; 1,6; 1,9; 1,0; 1,4; 1,3;
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 58<br />
Eine Lösungsmethode <strong>für</strong> lineare Gleichungssysteme<br />
Es ist völlig aussichtslos, die in der CT auftretenden riesigen linearen Gleichungssysteme mit<br />
der in der Schule üblichen Lösungsmethode (Gauss-Algorithmus) zu lösen.<br />
• Das Verfahren benötigt sehr viele Rechenschritte und damit viel Rechenzeit (Tage <strong>für</strong> ein<br />
Bild …..)<br />
• Es treten numerische Probleme auf<br />
• Das Gleichungssystem besitzt <strong>im</strong> Allgemeinen gar keine Lösung<br />
Das folgende einfache Iterationsverfahren erweist sich hier als sehr vorteilhaft:<br />
Zu Beginn setze alle Variablenwerte = 0<br />
Verwende <strong>für</strong> die folgenden Schritte die Gleichungen des Systems einzeln<br />
hintereinander; wenn die letzte Gleichung erreicht ist, beginne wieder mit der ersten.<br />
(1) Setze auf der linken Seite der Gleichung die bisher gültigen Variablenwerte ein und<br />
vergleiche das Ergebnis mit der rechten Seite.<br />
(2) Teile die sich ergebende Differenz gleichmäßig auf die in dieser Gleichung<br />
vorkommenden Variablen auf; die nicht vorkommenden Variablen ändere nicht.<br />
Im Beispiel (1) sieht das folgendermaßen aus:<br />
Gleichung x 1 x 1 x 1 x 1 Linke Seite Korrektur<br />
(1) 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,25<br />
(2) 0,25 0,25 0,00 0,00 0,00 0,75<br />
(3) 0,25 0,25 0,75 0,75 1,00 0,05<br />
Das kann natürlich z.B. mit EXCEL realisiert werden. Man kann beobachten, wie die<br />
Konvergenz der Variablenwerte gegen die Lösung erfolgt: die notwendigen Korrekturen<br />
werden <strong>im</strong>mer seltener und kleiner …<br />
Quellen und Verweise:<br />
• REICHEL/ZÖCHLING, Tausend Gleichungen – und was nun ? DdM 4 (1990)<br />
• www.matheprisma.uni-wuppertal.de : gute Möglichkeit, CT „durchzuspielen“<br />
• Viele Internetseiten mit Informationen in allen Schwierigkeitsgraden
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 59<br />
Schritt<br />
Anzahl<br />
x1 x2 x3 x4 linke Seite<br />
0,2000 0,3000 0,9000 0,6000<br />
0 1 1 0 0 0,5 2 0,0000 0,0000 0,0000 0,0000 0,0000 0,2500<br />
1 0 0 1 1 1,5 2 0,2500 0,2500 0,0000 0,0000 0,0000 0,7500<br />
2 1 0 1 0 1,1 2 0,2500 0,2500 0,7500 0,7500 1,0000 0,0500<br />
3 1 0 0 1 0,8 2 0,3000 0,2500 0,8000 0,7500 1,0500 -0,1250<br />
4 1 1 0 0 0,5 2 0,1750 0,2500 0,8000 0,6250 0,4250 0,0375<br />
5 0 0 1 1 1,5 2 0,2125 0,2875 0,8000 0,6250 1,4250 0,0375<br />
6 1 0 1 0 1,1 2 0,2125 0,2875 0,8375 0,6625 1,0500 0,0250<br />
7 1 0 0 1 0,8 2 0,2375 0,2875 0,8625 0,6625 0,9000 -0,0500<br />
8 1 1 0 0 0,5 2 0,1875 0,2875 0,8625 0,6125 0,4750 0,0125<br />
9 0 0 1 1 1,5 2 0,2000 0,3000 0,8625 0,6125 1,4750 0,0125<br />
10 1 0 1 0 1,1 2 0,2000 0,3000 0,8750 0,6250 1,0750 0,0125<br />
11 1 0 0 1 0,8 2 0,2125 0,3000 0,8875 0,6250 0,8375 -0,0188<br />
12 1 1 0 0 0,5 2 0,1938 0,3000 0,8875 0,6063 0,4938 0,0031<br />
13 0 0 1 1 1,5 2 0,1969 0,3031 0,8875 0,6063 1,4938 0,0031<br />
14 1 0 1 0 1,1 2 0,1969 0,3031 0,8906 0,6094 1,0875 0,0062<br />
15 1 0 0 1 0,8 2 0,2031 0,3031 0,8969 0,6094 0,8125 -0,0062<br />
16 1 1 0 0 0,5 2 0,1969 0,3031 0,8969 0,6031 0,5000 0,0000<br />
17 0 0 1 1 1,5 2 0,1969 0,3031 0,8969 0,6031 1,5000 0,0000<br />
18 1 0 1 0 1,1 2 0,1969 0,3031 0,8969 0,6031 1,0938 0,0031<br />
19 1 0 0 1 0,8 2 0,2000 0,3031 0,9000 0,6031 0,8031 -0,0016<br />
20 1 1 0 0 0,5 2 0,1984 0,3031 0,9000 0,6016 0,5016 -0,0008<br />
21 0 0 1 1 1,5 2 0,1977 0,3023 0,9000 0,6016 1,5016 -0,0008<br />
22 1 0 1 0 1,1 2 0,1977 0,3023 0,8992 0,6008 1,0969 0,0016<br />
23 1 0 0 1 0,8 2 0,1992 0,3023 0,9008 0,6008 0,8000 0,0000<br />
24 1 1 0 0 0,5 2 0,1992 0,3023 0,9008 0,6008 0,5016 -0,0008<br />
25 0 0 1 1 1,5 2 0,1984 0,3016 0,9008 0,6008 1,5016 -0,0008<br />
26 1 0 1 0 1,1 2 0,1984 0,3016 0,9000 0,6000 1,0984 0,0008<br />
27 1 0 0 1 0,8 2 0,1992 0,3016 0,9008 0,6000 0,7992 0,0004<br />
28 1 1 0 0 0,5 2 0,1996 0,3016 0,9008 0,6004 0,5012 -0,0006<br />
29 0 0 1 1 1,5 2 0,1990 0,3010 0,9008 0,6004 1,5012 -0,0006<br />
30 1 0 1 0 1,1 2 0,1990 0,3010 0,9002 0,5998 1,0992 0,0004<br />
31 1 0 0 1 0,8 2 0,1994 0,3010 0,9006 0,5998 0,7992 0,0004<br />
32 1 1 0 0 0,5 2 0,1998 0,3010 0,9006 0,6002 0,5008 -0,0004<br />
33 0 0 1 1 1,5 2 0,1994 0,3006 0,9006 0,6002 1,5008 -0,0004<br />
34 1 0 1 0 1,1 2 0,1994 0,3006 0,9002 0,5998 1,0996 0,0002<br />
35 1 0 0 1 0,8 2 0,1996 0,3006 0,9004 0,5998 0,7994 0,0003<br />
36 1 1 0 0 0,5 2 0,1999 0,3006 0,9004 0,6001 0,5005 -0,0002<br />
37 0 0 1 1 1,5 2 0,1997 0,3003 0,9004 0,6001 1,5005 -0,0002<br />
38 1 0 1 0 1,1 2 0,1997 0,3003 0,9001 0,5999 1,0998 0,0001<br />
39 1 0 0 1 0,8 2 0,1998 0,3003 0,9002 0,5999 0,7996 0,0002<br />
40 1 1 0 0 0,5 2 0,2000 0,3003 0,9002 0,6000 0,5003 -0,0001<br />
41 0 0 1 1 1,5 2 0,1998 0,3002 0,9002 0,6000 1,5003 -0,0001<br />
42 1 0 1 0 1,1 2 0,1998 0,3002 0,9001 0,5999 1,0999 0,0000<br />
43 1 0 0 1 0,8 2 0,1999 0,3002 0,9001 0,5999 0,7998 0,0001<br />
44 1 1 0 0 0,5 2 0,2000 0,3002 0,9001 0,6000 0,5002 -0,0001<br />
45 0 0 1 1 1,5 2 0,1999 0,3001 0,9001 0,6000 1,5002 -0,0001<br />
46 1 0 1 0 1,1 2 0,1999 0,3001 0,9001 0,5999 1,1000 0,0000<br />
47 1 0 0 1 0,8 2 0,1999 0,3001 0,9001 0,5999 0,7999 0,0001<br />
Korrektur
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 60<br />
Hochrechnung und Wählerstromanalyse<br />
An einem Wahltag ist die Öffentlichkeit daran interessiert, gleich nach der Schließung der<br />
letzten Wahllokale eine möglichst präzise Hochrechnung präsentiert zu bekommen.<br />
In einem Beispiel soll ein einfaches Modell da<strong>für</strong> besprochen werden.<br />
Ausgangssituation:<br />
• Bei der Wahl stehen drei Parteien (A, B, C) zur Auswahl.<br />
Nichtwähler werden nicht berücksichtigt. Sie könnten als vierte Partei in das Modell<br />
aufgenommen werden.<br />
• Es liegen bereits aus drei Orten (I, II, III) die Ergebnisse vor.<br />
(Dargestellt sind <strong>im</strong>mer die bisherige Verteilung und die neue Verteilung; der Einfachheit<br />
halber können die Prozentangaben auch als Anzahl der St<strong>im</strong>men interpretiert werden, da<br />
es bei unserem Verfahren nicht auf den Umfang der Stichprobe ankommt.)<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
60<br />
50<br />
40<br />
Ort I<br />
30 30 30<br />
10<br />
A B C<br />
35<br />
Ort III<br />
20 21<br />
30<br />
A B C<br />
44<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
40<br />
30<br />
Ort II<br />
50<br />
44<br />
10<br />
A B C<br />
50<br />
Gesamtergebnis alt<br />
35<br />
15<br />
A B C<br />
26
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 61<br />
Modell 1:<br />
Aus den Daten aus Ort I liest man ab: A verliert 20% der St<strong>im</strong>men<br />
B bleibt gleich<br />
C gewinnt 20% der St<strong>im</strong>men<br />
Wenn man ann<strong>im</strong>mt, dass das Wählerverhalten in Ort I typisch ist <strong>für</strong> das Wählerverhalten<br />
insgesamt, dann kann man diese Zahlen einfach auf die Gesamtbevölkerung übertragen und<br />
erhält eine<br />
“Hochrechnung“ : A: 30 %<br />
B: 35 %<br />
C: 35 %<br />
Klarerweise ist dieses einfache Modell in der Regel unbrauchbar:<br />
• Wie man sieht, liegen in Ort II die Verhältnisse ziemlich anders. Eine analoge<br />
Hochrechnung auf der Basis des Ortes II würde daher ein ganz anderes Ergebnis bringen.<br />
• Es ist nicht anzunehmen, dass in Orten mit sehr kleinem A-Anteil derselbe Prozentsatz<br />
an St<strong>im</strong>men verloren geht wie in Orten mit ursprünglich hohem A-Anteil ....<br />
• ............<br />
Modell 2:<br />
Zu einer wesentlich besseren Prognose führt eine so genannte Wählerstromanalyse.<br />
Grundgedanke:<br />
Partei A hat verloren - vermutlich sowohl an B als auch an C. Möglicherweise hat A aber<br />
auch St<strong>im</strong>men gewonnen - von B bzw. C. Bekannt ist nur der Gesamteffekt dieser<br />
St<strong>im</strong>menwanderung.<br />
Von den ehemaligen Wählern der Partei A hat ein best<strong>im</strong>mter Anteil wieder A gewählt; ein<br />
best<strong>im</strong>mter Anteil hat diesmal B, ein best<strong>im</strong>mter Anteil diesmal C gewählt. Analoges lässt<br />
sich von den ehemaligen Wählern der anderen Parteien sagen.<br />
Wir interessieren uns in der Folge genau <strong>für</strong> diese Anteile, bezeichnen sie mit x1, x2, x3, y1,<br />
y2, y3, z1, z2, z3 und nennen sie Übergangsfaktoren.
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 62<br />
60<br />
30<br />
Diese 9 Variablen sollen nun berechnet werden.<br />
Das ist möglich aufgrund der<br />
Grundannahme der Wählerstromanalyse:<br />
10 30<br />
Die Übergangsfaktoren haben in jedem Ort und damit in der Gesamtbevölkerung<br />
(annähernd) dieselben Werte.<br />
Zusätzlich nehmen wir hier noch eine Vereinfachung vor, die die Problemlösung erleichtert:<br />
Wir stellen uns die Orte als “geschlossene Systeme” vor: Bei dieser Wahl wählen wieder<br />
dieselben Wähler wie bei der letzten. (Wir vernachlässigen Zu- und Abwanderung,<br />
Todesfälle, Jungwähler,...)<br />
Das hat zur Folge, dass gelten muss: x1 + x2 + x3 = 1<br />
y1 + y2 + y3 = 1<br />
z1 + z2 + z3 = 1<br />
Die Zahl der Variablen reduziert sich somit auf 6.<br />
x1<br />
x2<br />
x3<br />
y1<br />
y2<br />
y3<br />
z1<br />
z2<br />
z3<br />
40<br />
30
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 63<br />
Das Zustandekommen der neuen Wahlergebnisse in Ort I wird gemäß unserem Modell durch<br />
folgende Gleichungen ausgedrückt:<br />
(1) 60 x1 + 30 y1 + 10 z1 = 40<br />
(2) 60 x2 + 30 y2 + 10 z2 = 30<br />
[ (3) 60 x3 + 30 y3 + 10 z3 = 30 ]<br />
Aufgrund unserer Vereinfachung enthält (3) keine neuen Informationen, sondern ist einfach<br />
eine Kombination aus (1) und (2).<br />
Analog erhält man Gleichungen aus den Wahlergebnissen aus Ort II und Ort III :<br />
(4) 40 x1 + 50 y1 + 10 z1 = 30<br />
(5) 40 x2 + 50 y2 + 10 z2 = 44<br />
[ (6) 40 x1 + 50 y1 + 10 z1 = 26 ]<br />
(7) 50 x1 + 20 y1 + 30 z1 = 35<br />
(8) 50 x2 + 20 y2 + 30 z2 = 21<br />
[ (9) 50 x3 + 20 y3 + 30 z3 = 44 ]<br />
Das Gleichungssystem von 6 Gleichungen in 6 Unbekannten “zerfällt” in zwei Gleichungssysteme<br />
von 3 Gleichungen in 3 Unbekannten:<br />
(1) 60 x1 + 30 y1 + 10 z1 = 40 mit der Lösung: x1 = 0,6<br />
(4) 40 x1 + 50 y1 + 10 z1 = 30 y1 = 0,1<br />
(7) 50 x1 + 20 y1 + 30 z1 = 35 z1 = 0,1<br />
(2) 60 x2 + 30 y2 + 10 z2 = 30 mit der Lösung: x2 = 0,1<br />
(5) 40 x2 + 50 y2 + 10 z2 = 44 y2 = 0,8<br />
(8) 50 x2 + 20 y2 + 30 z2 = 21 z2 = 0<br />
Daraus ergibt sich weiter (aufgrund der getroffenen Vereinfachung): x3 = 0,3<br />
y3 = 0,1<br />
z3 = 0,9<br />
Die gefundenen 9 Übergangsfaktoren erklären die Ergebnisse in den drei Orten vollständig.<br />
Sie werden nun als <strong>für</strong> die gesamte Bevölkerung gültig angesehen.
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 64<br />
A<br />
B<br />
Damit lässt sich nun leicht errechnen, wie viele St<strong>im</strong>men (bzw. St<strong>im</strong>menprozente) in der<br />
Gesamtbevölkerung zwischen den Parteien “geflossen” sein müssten:<br />
Diesmal wählten Partei A:<br />
Diesmal wählten Partei B:<br />
Diesmal wählten Partei C:<br />
0,6<br />
0,1<br />
0,3<br />
0,1<br />
0,8<br />
0,1<br />
0,1<br />
A*<br />
0<br />
C C*<br />
0,9<br />
60% der früheren A-Wähler, das sind 30,0 % der St<strong>im</strong>men<br />
10% der früheren B-Wähler, das sind 3,5 % der St<strong>im</strong>men<br />
10% der früheren C-Wähler, das sind 1,5 % der St<strong>im</strong>men<br />
das macht insgesamt diesmal 35 % der St<strong>im</strong>men<br />
10% der früheren A-Wähler, das sind 5,0 % der St<strong>im</strong>men<br />
80% der früheren B-Wähler, das sind 28,0 % der St<strong>im</strong>men<br />
0% der früheren C-Wähler, das sind 0,0 % der St<strong>im</strong>men<br />
das macht insgesamt diesmal 33 % der St<strong>im</strong>men<br />
30% der früheren A-Wähler, das sind 15,0 % der St<strong>im</strong>men<br />
10% der früheren B-Wähler, das sind 3,5 % der St<strong>im</strong>men<br />
90% der früheren C-Wähler, das sind 13,5 % der St<strong>im</strong>men<br />
das macht insgesamt diesmal 32 % der St<strong>im</strong>men<br />
B*
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 65<br />
Wichtige weiterführende Hinweise:<br />
(1) Das hier präsentierte einfache Modell einer Wählerstromanalyse kann natürlich<br />
äußerst vorteilhaft mit Hilfe von Matrizen dargestellt und bearbeitet werden:<br />
Seien A1, A2, A3 die alten Ergebnisse <strong>für</strong> Partei A in den drei Orten, A1*, A2*, A3* die<br />
entsprechenden neuen Ergebnisse; die Ergebnisse der Parteien B und C in den drei<br />
Orten seien analog dazu bezeichnet.<br />
⎛ A<br />
⎜<br />
M : = ⎜ A<br />
⎜<br />
⎝ A<br />
1<br />
2<br />
3<br />
100<br />
B<br />
B<br />
B<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
1<br />
2<br />
3<br />
0<br />
C<br />
C<br />
C<br />
1<br />
2<br />
3<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎟<br />
⎟<br />
⎠<br />
Wählerstrom-Analyse<br />
A B C<br />
von A von B vonC<br />
⎛ A<br />
⎜<br />
N : = ⎜ A<br />
⎜<br />
⎝<br />
A<br />
so gilt: N = M.<br />
X bzw. X = M . N<br />
*<br />
1<br />
*<br />
2<br />
*<br />
3<br />
B<br />
B<br />
B<br />
*<br />
1<br />
*<br />
2<br />
*<br />
3<br />
C<br />
C<br />
C<br />
*<br />
1<br />
*<br />
2<br />
*<br />
3<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎟<br />
⎟<br />
⎠<br />
1 −<br />
⎛ x<br />
⎜<br />
X : = ⎜ y<br />
⎜<br />
⎝ z<br />
Bezeichnet w : = ( A,<br />
B,<br />
C)<br />
das alte Wahlergebnis, h : = ( A , B , C ) die zu erstellende<br />
Hochrechnung, so gilt:<br />
−1<br />
h = w.<br />
X = w.<br />
M . N<br />
*<br />
*<br />
*<br />
1<br />
1<br />
1<br />
x<br />
y<br />
z<br />
2<br />
2<br />
2<br />
x<br />
y<br />
z<br />
3<br />
3<br />
3<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎟<br />
⎟<br />
⎠
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 66<br />
(2) Es könnte passieren, dass die durch die drei Stichproben eindeutig best<strong>im</strong>mten<br />
Übergangsfaktoren nicht zwischen 0 und 1 liegen. Das würde dann bedeuten:<br />
Die Ergebnisse in den drei Stichproben lassen sich nicht durch einen einheitlichen<br />
“Wählerstrom” erklären, und daher kann man daraus schon gar nicht eine Prognose<br />
<strong>für</strong> die Gesamtbevölkerung ermitteln.<br />
(3) Aus dem bearbeiteten Beispiel wird sofort klar, wie man das Modell auf ein n-<br />
Parteien-System ausdehnen könnte (in dem die Nichtwähler wie eine Partei geführt<br />
werden).<br />
Man benötigt dann zur Berechnung der Übergangsfaktoren die Ergebnisse aus n<br />
Orten, und es sind insgesamt n-1 lineare Gleichungssysteme mit je n Gleichungen in n<br />
Variablen zu lösen. Natürlich realisiert man das vorteilhaft mit Matrizen.<br />
(4) In der Praxis verwendet man die Ergebnisse von mehr Orten, als <strong>für</strong> die Berechnung<br />
der Übergangsfaktoren unbedingt notwendig sind. Man erhält dadurch ein<br />
“überbest<strong>im</strong>mtes Gleichungssystem”, das <strong>im</strong> allgemeinen keine Lösung haben wird,<br />
das heißt:<br />
die Ergebnisse aus diesen Orten werden mit einem einheitlichen “Wählerstrom” nicht<br />
exakt erklärt werden können.<br />
Man wendet daher Methoden an, um Übergangsfaktoren zu finden, die die Ergebnisse<br />
in den Stichproben wenn schon nicht exakt, so doch möglichst gut erklären. Dies geht<br />
über das übliche Lösen von linearen Gleichungssystemen weit hinaus und gehört in<br />
die so genannte “Ausgleichsrechnung”.<br />
(5) Eine wesentliche Erweiterung des Modells besteht darin, die Übergangsfaktoren nicht<br />
als Konstante, sondern als Zufallsvariablen aufzufassen: Diese können in jeder<br />
Stichprobe von den (unbekannten) tatsächlichen Übergangsfaktoren in der<br />
Gesamtbevölkerung etwas abweichen, aber größere Abweichungen sind ziemlich<br />
unwahrscheinlich.<br />
Diese statistische Betrachtungsweise bringt Wahrscheinlichkeiten ins Spiel. Es sind<br />
dann Prognosen folgender Art möglich:<br />
Mit 95%iger Wahrscheinlichkeit wird der St<strong>im</strong>menanteil der Partei A in der<br />
Gesamtbevölkerung zwischen 23% und 25% liegen.
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 67<br />
Vollständige Serie / das Sammler-Problem<br />
Im Vorfeld der Fußball-EM kam eine Schülerin der 7.Klasse mit der Frage:<br />
Ich sammle diese berühmten Fußballer-Pickerl. Ich habe gelesen, dass man ungefähr 700<br />
Euro investieren muss, bis man alle Bilder hat. St<strong>im</strong>mt das? Und wie kann man das<br />
ausrechnen?<br />
Natürlich braucht man dazu noch ein paar Angaben ….<br />
Für den <strong>Unterricht</strong> wurde eine Serie von Aufgaben formuliert, die schrittweise zur Lösung des<br />
Problems führen.<br />
(1) Wie oft muss man (<strong>im</strong> Mittel) würfeln, bis man erstmals eine Sechs erhält ?<br />
(2) Wie oft muss man einen Spielwürfel (<strong>im</strong> Mittel) werfen, bis man alle Augenzahlen<br />
mindestens einmal erhalten hat ?<br />
(3) Aus einer Urne mit n verschiedenen Kugeln wird <strong>im</strong>mer wieder mit Zurücklegen<br />
gezogen. Wie oft muss man (<strong>im</strong> Mittel) ziehen, bis jede Kugel zumindest einmal<br />
gezogen wurde ?<br />
(4) Eine vollständige Serie umfasst 535 verschiedene Bilder. Die Bilder werden in<br />
Packungen zu je 5 Stück gekauft. Wie viele Packungen muss man (<strong>im</strong> Mittel) kaufen,<br />
bis man die vollständige Serie der Bilder hat ?<br />
Zu (1):<br />
Die Anzahl der notwendigen Würfe ist eine Zufallsvariable X, deren Erwartungswert E(X)<br />
gesucht ist.<br />
Dazu benötigt man zunächst die Wahrscheinlichkeitsverteilung von X, die hier mit Hilfe eines<br />
Baumdiagramms leicht zu ermitteln ist:<br />
1<br />
6<br />
5<br />
6<br />
E ¬E<br />
1<br />
6<br />
5<br />
6<br />
E ¬E<br />
X=1 X=2 X=3<br />
1<br />
6<br />
5<br />
6<br />
E ¬E
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 68<br />
Es gilt:<br />
p ( X = 1)<br />
=<br />
p ( X = 2)<br />
=<br />
1<br />
6<br />
5<br />
.<br />
6<br />
1<br />
6<br />
5 5 1<br />
p ( X = 3)<br />
= . . Allgemein:<br />
6 6 6<br />
p ( X = k)<br />
Achtung: X ist eine diskrete Zufallsvariable mit unendlicher Wertemenge N!<br />
Geometrische Verteilung:<br />
=<br />
⎛ 5 ⎞<br />
⎜ ⎟<br />
⎝ 6 ⎠<br />
Es werde eine (beliebig lange) Versuchsserie durchgeführt. Die Versuchsausgänge seien<br />
unabhängig voneinander, und jedes Mal betrage die Erfolgswahrscheinlichkeit p .<br />
Sei X die Anzahl der Versuche bis zum ersten Erfolg.<br />
k−1<br />
Dann gilt: p(<br />
X = k)<br />
= ( 1−<br />
p)<br />
. p<br />
Man sagt kurz: Die Wartezeit bis zum ersten Erfolg in einem „Bernoulli-Exper<strong>im</strong>ent“ ist<br />
geometrisch verteilt.<br />
Wir suchen den Erwartungswert einer geometrisch verteilten Zufallsvariablen.<br />
Es gilt:<br />
E(<br />
X ) =<br />
In der Aufgabe (1) lautet also die Antwort:<br />
Man muss <strong>im</strong> Mittel 6 mal würfeln, bis man erstmals eine Sechs erhält.<br />
1<br />
p<br />
Diese Antwort ist den meisten Menschen intuitiv plausibel, möglicherweise aber aufgrund<br />
einer falschen stochastischen Vorstellung …..<br />
Beweis der Formel (mit Hilfe eines kleinen technischen Tricks …)<br />
Sei q : = 1−<br />
p die Misserfolgswahrscheinlichkeit. Damit gilt dann: p(<br />
X = k)<br />
= q .( 1−<br />
q)<br />
E ( X ) = 1.<br />
p(<br />
X = 1)<br />
+ 2.<br />
p(<br />
X = 2)<br />
+ 3.<br />
p(<br />
X = 4)<br />
+ 4.<br />
p(<br />
X = 4)<br />
+ ........ (unendliche Reihe)<br />
= 1.(<br />
1−<br />
q ) + 2.(<br />
1−<br />
q).<br />
q + 3.(<br />
1−<br />
q).<br />
q + 4.(<br />
1−<br />
q).<br />
q<br />
2<br />
= 1−<br />
q + 2q<br />
− 2q<br />
+ 3q<br />
− 3q<br />
+ 4q<br />
− 4q<br />
= 1+<br />
q + q + q<br />
2<br />
3<br />
+ .......<br />
2<br />
3<br />
2<br />
3<br />
4<br />
3<br />
+ ......<br />
+ .......<br />
=<br />
1<br />
1−<br />
q<br />
=<br />
k−1<br />
1<br />
.<br />
6<br />
1<br />
p<br />
k
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 69<br />
(2) Wie oft muss man einen Spielwürfel (<strong>im</strong> Mittel) werfen, bis man alle Augenzahlen<br />
mindestens einmal erhalten hat ?<br />
Diese Frage lässt sich <strong>im</strong> <strong>Unterricht</strong> gut real s<strong>im</strong>ulieren. Eine Versuchsdurchführung sieht<br />
dabei etwa folgendermaßen aus:<br />
Zunächst schreibt man die Zahlen 1,2,3,4,5,6 an. Dann würfelt man, streicht die gewürfelte<br />
Augenzahl durch (sofern sie noch nicht durchgestrichen ist), und führt dies so lange fort, bis<br />
alle Zahlen gestrichen sind. Dabei zählt man die Anzahl der Würfe mit.<br />
Wird der Versuch oft durchgeführt (von vielen Schülern in einer Klasse!), so ist der<br />
Mittelwert der benötigten Würfe ein Schätzwert <strong>für</strong> den gesuchten Erwartungswert.<br />
Dabei macht man die Beobachtung:<br />
„Im Allgemeinen geht es zu Beginn schnell voran, dann aber <strong>im</strong>mer langsamer ….“<br />
Diese Beobachtung wird nun näher analysiert und präzisiert. Wir beobachten während einer<br />
Versuchsdurchführung die Anzahl V der bereits gewürfelten verschiedenen Zahlen (das ist die<br />
Anzahl der bisher durchgestrichenen Zahlen).<br />
Wir starten mit V = 0 und sind fertig, so bald V = 6 .<br />
Der Versuch lässt sich darstellen durch ein Zustandsdiagramm mit entsprechenden<br />
Übergangs-wahrscheinlichkeiten:<br />
5<br />
4<br />
1<br />
1<br />
0 1<br />
6<br />
2<br />
6<br />
5<br />
6<br />
6<br />
Uns interessiert die Anzahl X der Versuche, die notwendig ist, um vom Zustand V=0 zum<br />
Zustand V=6 zu gelangen.<br />
Sei X 1 die Anzahl der notwendigen Versuche von V=0 zu V=1<br />
X 2 die Anzahl der notwendigen Versuche von V=1 zu V=2 usw.<br />
Dann gilt: X = X1<br />
+ X 2 + X 3 + X 4 + X 5 + X 6<br />
Uns interessiert letztlich nur der Erwartungswert<br />
Natürlich gilt E ( X1<br />
) = 1<br />
1<br />
6<br />
E ( X ) = E(<br />
X1<br />
) + E(<br />
X 2 ) + ...... + E(<br />
X 6 )<br />
2<br />
6<br />
. .<br />
. . .<br />
5<br />
6
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 70<br />
Die anderen Erwartungswerte sind aber ebenfalls einfach zu berechnen:<br />
5<br />
X 2 ist geometrisch verteilt mit Erfolgswahrscheinlichkeit p = , also:<br />
6<br />
4<br />
X 3 ist geometrisch verteilt mit Erfolgswahrscheinlichkeit p = , also:<br />
6<br />
usw.<br />
Damit erhält man also:<br />
6 6 6 6 6 ⎛ 1 1 1 1 1 ⎞<br />
E ( X ) = 1+<br />
+ + + + = 6.<br />
⎜1+<br />
+ + + + ⎟ =<br />
5 4 3 2 1 ⎝ 2 3 4 5 6 ⎠<br />
6<br />
( 2 )<br />
5<br />
= X E<br />
6<br />
( 3 )<br />
4<br />
= X E<br />
14,<br />
7<br />
(3) Aus einer Urne mit n verschiedenen Kugeln wird <strong>im</strong>mer wieder mit Zurücklegen<br />
gezogen. Wie oft muss man (<strong>im</strong> Mittel) ziehen, bis jede Kugel zumindest einmal<br />
gezogen wurde ?<br />
Dies ist eine einfache Verallgemeinerung von (2), und der Lösungsweg verläuft völlig analog<br />
zu oben.<br />
⎛ 1 1 1 ⎞<br />
Als Resultat erhält man: E(<br />
X ) = n.<br />
⎜1+<br />
+ + ........ + ⎟<br />
⎝ 2 3 n ⎠<br />
Für große n kann diese Summe näherungsweise berechnet werden mit Hilfe der Abschätzung<br />
n . ln( n)<br />
≤ E(<br />
X ) ≤ n.<br />
(ln( n)<br />
+ 1)<br />
(4) Eine vollständige Serie umfasst 535 verschiedene Bilder. Die Bilder werden in<br />
Packungen zu je 5 Stück gekauft. Wie viele Packungen muss man (<strong>im</strong> Mittel) kaufen,<br />
bis man die vollständige Serie der Bilder hat ?<br />
Nun ist die Sache bei weitem schwieriger geworden. Das kann etwa am Zustandsdiagramm<br />
analog zu (2) gesehen werden.<br />
• Mit jedem neuen Päckchen erhöht sich der Wert von V um eine der Zahlen 0, 1, ….,5, je<br />
nachdem, wie viele neue Bilder das Päckchen enthält. Von jedem Zustand führen also 6<br />
Pfeile weg …<br />
• Der Weg vom Zustand V = 0 zum Zustand V = 535 kann auf eine riesige Zahl von<br />
Möglichkeiten genommen werden ….
F. Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 71<br />
Zu einer exakten Lösung des Problems sind also ganz neue Überlegungen notwendig. In der<br />
Literatur findet man ziemlich komplizierte Formeln ….<br />
Hier soll das Problem nur näherungsweise gelöst werden.<br />
(1) Stellen wir uns vor, wir würden die Bilder einzeln kaufen und nicht in 5-er Packungen.<br />
Wie viele Einzelbilder müssten wir kaufen ?<br />
⎛ 1 1 ⎞<br />
Das ist genau Fall (3) mit n = 535 , also E (X ) = 535.<br />
⎜1+<br />
+ ...... + ⎟<br />
⎝ 2 535 ⎠<br />
DERIVE liefert da<strong>für</strong>: E ( X ) ≈ 3670<br />
(Mit den Näherungsformeln erhält man: 3361 ≤ E ( X ) ≤ 3896 )<br />
Das entspricht dem Inhalt von 734 Packungen ….<br />
(2) Welcher Fehler wird bei dieser Vereinfachung gemacht?<br />
Wir werden wohl annehmen, dass in einer Packung lauter verschiedene Bilder<br />
enthalten sind. Damit erhöht der Kauf einer Packung die Anzahl V der bisher<br />
verschiedenen Bilder eventuell mehr als der Kauf von 5 Einzelbildern (unter denen ja<br />
gleiche sein könnten). Der oben errechnete Wert von 734 Packungen könnte also zu<br />
groß sein ….<br />
Allerdings kann man leicht überlegen, dass der gemachte Fehler nicht allzu groß sein<br />
wird: Wir berechnen dazu die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses<br />
E … unter 5 aus 535 zufällig ausgewählten Bildern sind zumindest 2 gleiche<br />
535 534 533 532 531<br />
Es gilt: p(E) = 1 − . . . . ≈ 0,018<br />
535 535 535 535 535<br />
(Dieses Problem ist genau das bekannte Geburtstagsproblem!)<br />
Anders formuliert:<br />
Füllt man völlig zufällig je 5 Bilder in eine Packung, so enthalten mehr als 98% der<br />
Packungen lauter verschiedene Bilder!<br />
(3) Unsere Rechnung ist davon ausgegangen, dass die Bilder „gleichmäßig“ auf die<br />
Packungen aufgeteilt sind ?<br />
• Was genau bedeutet das überhaupt?<br />
• Wie / durch welchen Produktionsprozess könnte die Firma diese<br />
„Gleichverteilung“ herstellen ?<br />
• Hat die Firma überhaupt Interessen an einer „Gleichverteilung“ ?
F.Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 72<br />
<strong>Anwendungen</strong> in Matura-Aufgaben ?<br />
Thesen:<br />
• Innerhalb der Struktur „herkömmlicher“ Aufgaben ist eine echte Anwendungsorientierung<br />
nicht möglich. (Alternative: Niederlande Wiskunde A; Aufgabenstellungen<br />
wie z.B. in Biologie oder Physik)<br />
Kritische Punkte: offene Fragestellung; Informationsauswahl oder –beschaffung;<br />
qualitativ grundlegend verschiedene Lösungen; …<br />
• Bei einer Maturaaufgabe herkömmlicher Struktur kann nicht überprüft werden, ob ein<br />
Schüler „<strong>Mathematik</strong> anwenden“ kann. Die „angewandten Maturaaufgaben“ sind ein<br />
Signal an die interessierte Öffentlichkeit (Achtung!!) und ein Tribut an den LSR.<br />
• Viele „angewandten Maturaaufgaben“ sind mühsam eingekleidete Standard-Aufgaben,<br />
die nicht wirklich etwas mit Anwendung zu tun haben (und denen man die Mühe des<br />
Einkleidens ansieht…).<br />
„Innermathematische Fragestellungen“ sollten als solche belassen werden. Auch sie<br />
haben ihren Wert und ihre Berechtigung!<br />
Mögliche Strategien zur Konstruktion von geeigneten Aufgaben:<br />
• Funktionen untersuchen lassen, die einen realen Sachverhalt beschreiben<br />
(z.B. Exponentialfunktionen, Sinus-Funktionen, ….; Vergleich von Modellen)<br />
• Funktionsterme aufstellen lassen, Koordinatensysteme einführen lassen….<br />
• Beurteilende Statistik<br />
• Trigonometrie (?)<br />
• Ausbau von realitätsbezogenen Aufgaben aus dem <strong>Unterricht</strong> …
F.Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 73<br />
<strong>Beispiele</strong>:<br />
1. Die Bewegung eines Fahrzeugs in der Startphase wird durch zwei unterschiedliche<br />
Modelle beschrieben. (Zeit in Sekunden ab dem Start)<br />
a. Die Beschleunigung n<strong>im</strong>mt linear ab: a(0) = 6 m/s², a(10) = 0; a(t) = 0 <strong>für</strong> t ≥ 10<br />
Ermittle daraus die Geschwindigkeitsfunktion und berechne die max<strong>im</strong>ale<br />
Geschwindigkeit! Stelle Beschleunigung und Geschwindigkeit <strong>im</strong> Zeitintervall [0,20]<br />
graphisch dar!<br />
b. Die Beschleunigung n<strong>im</strong>mt exponentiell ab: a(0) = 6 m/s², a(10) = 0,81 m/s²<br />
Ermittle Beschleunigungs- und Geschwindigkeitsfunktion und stelle letztere graphisch<br />
dar! Begründe: Es gibt keine max<strong>im</strong>ale Geschwindigkeit, aber eine<br />
Grenzgeschwindigkeit v ∞ , der sich die Geschwindigkeit des Fahrzeugs asymptotisch<br />
nähert.<br />
c. Berechne in jedem der beiden Modelle<br />
den Zeitpunkt, zu dem die Geschwindigkeit den Wert v = 18 m/s erreicht.<br />
den Weg, den das Fahrzeug <strong>im</strong> Zeitintervall [0, 10] zurücklegt .<br />
2. Die Form einer in zwei Punkten aufgehängten Kette kann (unter einigen idealisierenden<br />
Annahmen) sehr gut durch eine Kurve namens „Kettenlinie“ beschrieben werden. Etwas<br />
gröber, aber da<strong>für</strong> viel einfacher, ist die Beschreibung durch eine Parabel.<br />
In einem geeigneten Koordinatensystem haben die Aufhängepunkt P,Q die Koordinaten<br />
P=(-6,10) Q=(6,10).<br />
0, 5x<br />
−0,<br />
5x<br />
a. Die Kettenlinie ist Graph der Funktion f ( x)<br />
: = 0,<br />
5.(<br />
e + e )<br />
Zeige, dass P und Q tatsächlich (fast) auf der Kettenlinie liegen, und dass T=(0,1) der<br />
tiefste Punkt ist!<br />
b. Beschreibe die Kurve näherungsweise durch eine quadratische Funktion g, deren<br />
Graph durch P, Q und T geht ! Zeichne die Graphen der Funktionen f und g!<br />
c. Vergleiche die Steigungen der beiden Kurven in den Aufhängepunkten P und Q!<br />
d. Als Maß <strong>für</strong> die durchschnittliche Abweichung der beiden Kurven kann die folgende<br />
Zahl genommen werden:<br />
Fläche zwischen den Graphen<br />
Länge des Intervalls<br />
Berechne diese Zahl!
F.Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 74<br />
3. Über den Abbau eines Schadstoffes <strong>im</strong> Wasser eines Sees liegen folgende Daten vor:<br />
t K(t)<br />
0 10<br />
1 7<br />
3 3,4<br />
T … Zeit in Monaten ab Beginn der Untersuchung<br />
K(t) ….. Schadstoffgehalt in mg/m³<br />
a. Begründe anhand der Daten, dass der Schadstoffabbau nicht linear erfolgt!<br />
b. Ermittle den Term einer quadratischen Funktion, die den gegebenen Daten genügt!<br />
Untersuche den Verlauf der gefundenen Funktion <strong>im</strong> Zeitintervall [0,10] und<br />
begründe, dass diese Funktion zur Beschreibung des Schadstoff-Abbaus nicht geeignet<br />
ist!<br />
c. Laut Theorie sollte der Schadstoffabbau exponentiell erfolgen.<br />
Zeige, dass dies <strong>für</strong> die gegebenen Daten in guter Näherung erfüllt ist!<br />
Stelle der Term einer geeigneten Exponentialfunktion auf und beantworte damit<br />
folgende Fragen:<br />
Wie lange wird es dauern, bis nur mehr 10% der ursprünglichen Schadstoffmenge<br />
vorhanden ist?<br />
Wie groß ist die „Halbwertszeit“ der Schadstoffmenge?<br />
Um wie viel Prozent n<strong>im</strong>mt die Schadstoffmenge pro Woche ungefähr ab?<br />
4. Nach Angabe der medizinischen Literatur haben etwa 8 Prozent der Menschen eines<br />
Landes den Virus V in ihrem Organismus.<br />
a. Berechne die Wahrscheinlichkeit, dass in einer Klasse mit 20 Schülern drei oder mehr<br />
Schüler diesen Virus in ihrem Körper haben !<br />
b. Wie groß muss eine Gruppe von Personen sein, damit mit 99%iger Wahrscheinlichkeit<br />
zumindest ein Virusträger in dieser Gruppe ist ?<br />
c. Ein best<strong>im</strong>mtes Symptom S tritt bei 95% der Virusträger von Zeit zu Zeit auf.<br />
Allerdings leiden auch etwa 10% der nicht Infizierten von Zeit zu Zeit (aus anderen<br />
Gründen) an diesem Symptom. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch,<br />
der das Symptom S hat, Träger des Virus V ist ?<br />
d. Bei einer großen Untersuchung an 1000 zufällig ausgewählten Personen zeigte sich,<br />
dass nur 69 (also deutlich weniger als 8%) das Virus in ihrem Körper hatten. Darf man<br />
aus diesem Ergebnis schließen, dass die Angabe der medizinischen Fachliteratur nicht<br />
(mehr) st<strong>im</strong>mt ? (Teste einseitig mit max<strong>im</strong>aler Irrtumswahrscheinlichkeit von 5%!)
F.Schoberleitner <strong>Beispiele</strong> <strong>für</strong> <strong>Anwendungen</strong> 75<br />
5. Ein Weinfass hat folgenden Achsenschnitt:<br />
Die (inneren) Abmessungen betragen: R = 5 dm<br />
r = 4 dm<br />
h = 12 dm<br />
a. Führe eine grobe Abschätzung des Volumens (nach oben und unten) mit Hilfe<br />
geeigneter elementarer Körper durch !<br />
b. Führe ein geeignetes Koordinatensystem ein, beschreibe die Fassdauben durch einen<br />
Ellipsenbogen und berechne das Volumen des Körpers mit Hilfe der Integralrechnung!<br />
c. Beschreibe die Fassdauben durch eine quadratische Funktion und berechne auch in<br />
diesem Fall das Volumen des entstehenden Rotationskörpers!<br />
Wie groß ist die Differenz der Ergebnisse in Prozent des Resultats aus b. ?<br />
d. Welches der beiden Modelle <strong>im</strong> konkreten Fall besser passt, könnte mit Hilfe des<br />
Winkels α entschieden werden. Berechne <strong>für</strong> beide Modelle den sich ergebenden<br />
Winkel α !<br />
Interpretiere <strong>im</strong> Lichte dieser Werte die unterschiedlichen Ergebnisse aus b. und c. !