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TK-Broschuere-Depression

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<strong>Depression</strong>Wissenswertes fürPatienten und Angehörige


Vorwort„Es ist nicht das Nichtwollen, sonderndas Nichtkönnen.“Es gibt kaum eine Krankheit, die soschwerwiegend und gleichzeitig so tabuisiertist, wie eine <strong>Depression</strong>. Erst wennein berühmter Sportler oder Schauspieleröffentlich bekennt, depressiv zu sein,nimmt die Öffentlichkeit so ein Krankheitsbildwahr, an dem in Deutschlandetwa acht Millionen Menschen leiden.Ein Grund für die gesellschaftliche Verdrängungist sicher, dass eine <strong>Depression</strong>vielen Angst macht, weil sie in unerklärbarerWeise die Persönlichkeit einesMenschen, scheinbar ohne erkennbareUrsache, verändert. Hinzu kommt, dasses „die eine <strong>Depression</strong>“ nicht gibt, sonderndiese in vielen Varianten, Verläufenund Schweregraden auftritt.Ziel der Broschüre ist es, der <strong>Depression</strong>ein Gesicht zu geben. Wir möchtenSie darüber aufklären, dass es sich umeine echte Krankheit handelt, die abergut behandelbar ist. Wir wollen Ihnendamit auch Mut machen und Hoffnunggeben, dass es – so schwer Sie es sichvielleicht im Moment auch vorstellenkönnen – Wege gibt, die aus dem dunklenTunnel führen.Die Broschüre soll Ihnen und Ihren Angehörigenauch helfen, zum Expertender Krankheit zu werden, sodass Sie gutinformiert gemeinsam mit Ihrem Arzt denfür Sie richtigen Behandlungspfad auswählenkönnen. In diesem Sinne findenSie am Ende eines jeden Kapitels ein Lese-Echo,welches Ihnen hilft, die gewonnenenKenntnisse zu überprüfen. Durchdie Wiederholung fällt es Ihnen zudemleichter, sich das Gelesene zu merken.Die Inhalte dieser Broschüre basieren aufaktuellen Therapieempfehlungen derArzneimittelkommission der deutschenÄrzteschaft und somit auf den neuestenwissenschaftlichen Erkenntnissen zu diesemKrankheitsbild. Diese Therapieempfehlungenwurden von Experten verfasstund erläutern unter anderem die wichtigstenDiagnose schritte und Behandlungsmethoden.Sie werden regelmäßigüberarbeitet und richten sich ursprünglichan Haus- und Fachärzte sowie sämtlicheTherapeuten und Pflegekräfte, dieim Bereich der Psychiatrie tätig sind. Inder vorliegenden Broschüre haben wirdiese Therapieempfehlungen in eine fürLaien verständliche Sprache „übersetzt“.Sie erhalten damit unabhängige und fachlichgeprüfte Informationen zum Krankheitsbild<strong>Depression</strong>. An dieser Stelle seiaber auch betont, dass die Broschüre keinesfallsdas Gespräch und die Beratungmit Ihrem Arzt ersetzen kann.Wir wünschen Ihnen Zuversicht undbaldige Genesung.Ihre Techniker Krankenkasse2 | <strong>Depression</strong>


Inhalt<strong>Depression</strong> kurz gefasst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<strong>Depression</strong> – die Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6Formenreich – Das Wesen der Erkrankung . . . . . . . . . . . . . . . . 7Eine Volkskrankheit – Häufigkeit von <strong>Depression</strong>en. . . . . . . . . 11<strong>Depression</strong> ist nicht gleich <strong>Depression</strong> – Verläufe undFormen der Erkrankung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12Ursache oder Folge – <strong>Depression</strong> und Begleiterkrankungen . . 14Vieles ist ungeklärt – Ursache und Entstehung einer<strong>Depression</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16Die Diagnose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26Die Behandlung der <strong>Depression</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32Medikamentöse Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34Weitere Verfahren zur Behandlung einer <strong>Depression</strong>. . . . . . . . 40Behandlungserfolg in Ihren Händen – Therapietreue . . . . . . . . 43Die Rolle der Angehörigen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46Antworten zum Lese-Echo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48Nützliche Anschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51<strong>Depression</strong> | Herausgeber: Techniker Krankenkasse, Hauptverwaltung: 22291 Hamburg, Fax 040 - 69 09-22 58, Internet:www.tk.de. Fachbereich Versorgungsmanagement, Klaus Rupp (verantwortlich). Unter wissenschaftlicher Beratung derArzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und basierend auf deren ärztlichen Therapieempfehlungen. Konzept,Text und Koordination: Institut für Didaktik in der Medizin, Dr. A. van de Roemer, Michelstadt. Redaktion: Monica Burkhardt.Gestaltung: The Ad Store GmbH, Hamburg. Produktion: Yvette Lankau. Lithografie: Hirte GmbH & Co. KG, Hamburg. Bilder:Getty Images. Illustrationen: Rob Roberts. Druck: Köllen Druck & Verlag GmbH, Bonn.© Techniker Krankenkasse. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung.3. Auflage 2014<strong>Depression</strong> | 3


<strong>Depression</strong> kurz gefasstDas Thema <strong>Depression</strong> ist komplex. Was Betroffene und Angehörigedabei oft schwer nachvollziehen können: <strong>Depression</strong> isteine echte Krankheit, die aber gut behandelbar ist.Nachfolgend finden Sie Antworten aufdie wichtigsten Fragen zu einer <strong>Depression</strong>,zum Beispiel zu Symptomen, Ursachen,dem Krankheitsverlauf und zuBehandlungsmöglichkeiten. AusführlichereInformationen erhalten Sie dannin den folgenden Kapiteln.Welche Krankheitszeichensind typisch?Die Symptome einer <strong>Depression</strong> wirkensich auf das seelische und körperlicheBefinden aus. Beispielsweise verändertsich die Stimmungslage. Betroffene sindniedergeschlagen, freudlos, antriebslosund plagen sich mit Schuldgefü hlen. Auchder Körper reagiert: Schlafstörungen,Appetitlosigkeit, Sexualstörungen, KopfundRückenschmerzen sind typischeBeispiele für körperliche Beschwerden,die im Rahmen einer <strong>Depression</strong> auftauchenkönnen. Mehr dazu finden Sie abSeite 7.Welche Verlaufsformen gibt es?<strong>Depression</strong>en können zeitlich, imSchweregrad und in den Symptomensehr unterschiedlich verlaufen. Die häufigsteVerlaufsform ist die sogenannteUnipolare (einpolige) <strong>Depression</strong>, beider nur die typischen Symptome einer<strong>Depression</strong> (zum Beispiel Niedergeschlagenheit)auftreten. Bei einer Bipolaren(zweipoligen) Störung hingegen4 | <strong>Depression</strong>


treten im Wechsel sehr gegensätzlicheSymptome auf. Die Betroffenen leidenunter starken Gefühlsschwankungen,bei denen sich beispielsweise ein übersteigertesStimmungshoch plötzlich inFreudlosigkeit, mit Gedanken, sich dasLeben zu nehmen, verändern kann undumgekehrt. Eine weitere Form ist eineabgeschwächte, dafür aber chronischverlaufende <strong>Depression</strong>. Mehr dazu findenSie ab Seite 12.Welche Ursachen sind bekannt?Damit eine <strong>Depression</strong> entsteht, müssenvermutlich mehrere verschiedeneFaktoren gemeinsam auftreten. Nebeneiner genetischen Vorbelastung spieltsicher auch die Lebenssituation einesMenschen eine gewichtige Rolle. Sogilt es als erwiesen, dass zum Beispielanhaltender Stress, eine seelische Dauerbelastungoder auch eine schwereakute Belastung (zum Beispiel Verlusteines Partners) die Hirnfunktion beeinträchtigenund damit eine depressiveEpisode auslösen können. Mehr dazufinden Sie ab Seite 16.Wie kann eine <strong>Depression</strong>festgestellt werden?Liegt der Verdacht einer <strong>Depression</strong> vor,kann der Arzt durch die von dem Betroffenenberichtete Vorgeschichte (Anamnese)und Fragen nach den Symptomen feststellen,ob eine <strong>Depression</strong> vorliegt odernicht. Gegebenenfalls wird er auch einekörperliche Untersuchung vornehmen,um auszuschließen, dass nicht vielleichteine andere Erkrankung Symptome einer<strong>Depression</strong> hervorgerufen hat. AusführlichereInformationen dazu finden Sie abSeite 27.Gibt es Risiken zu erkranken?Hierzu gehören beispielsweise zunehmendesAlter sowie schwerwiegendeLebensereignisse. Möglich sind auchkörperliche Ursachen, wie zum Beispieleine Schilddrüsenunterfunktion, Diabetesmellitus oder Multiple Sklerose. Auchbestimmte Medikamente oder eine erblicheVeranlagung können schuld sein,dass ein Mensch an <strong>Depression</strong>en erkrankt.Weitere Informationen dazu findenSie auf Seite 14 und ab Seite 16.Welche Behandlung ist erfolgreich?Sowohl eine medikamentöse Therapieals auch psychotherapeutische Verfahrenoder eine Kombination aus beidemhelfen, eine <strong>Depression</strong> erfolgreich zubehandeln. Mehr dazu finden Sie abSeite 31.Wie wichtig ist Therapietreue?Eine Therapie kann nur erfolgreich sein,wenn der Erkrankte über einen längerenZeitraum konsequent daran teilnimmt.Diese sogenannte Therapietreue ist derentscheidende Schlüssel zur langfristigenGenesung. Weitere Informationendazu finden Sie ab Seite 43.<strong>Depression</strong> | 5


<strong>Depression</strong> – die KrankheitEine <strong>Depression</strong> ist eine ernst zu nehmende Krankheit, dieunbehandelt über lange Zeit Lebensqualität raubt und durchauslebensbedrohlich sein kann.6 | <strong>Depression</strong>


Formenreich – DasWesen der ErkrankungAuffälligstes Zeichen einer <strong>Depression</strong>ist das veränderte Erleben und Verhaltendes Betroffenen. Dies geschiehtnicht von heute auf morgen. Ganz allmählichstellen sich typische Krankheitszeichenein, die einen einst fröhlichenund interessierten Menschen in das genaueGegenteil verwandeln. Eine <strong>Depression</strong>erfasst das Denken, Fühlen undHandeln, aber auch viele Körperfunktionen.Entsprechend unterschiedlich sinddie Symptome:Depressive GrundstimmungWas unterscheidet eine <strong>Depression</strong>von einer normalen schlechten Stimmungoder Traurigkeit, die jeder Menschzwischendurch einmal erleben kann?Einer der wesentlichen Unterschiede:Betroffene leiden über Wochen, teilweiseüber Monate unter gedrückterStimmung, fühlen sich niedergeschlagenoder antriebs los. Der Alltag, derBeruf und das Familienleben der aneiner <strong>Depression</strong> Erkrankten könnenmassiv beeinträchtigt werden.Versiegen der FreudeFreudlosigkeit und eine gedrückte Stimmunggehören zu den Kernsymptomeneiner <strong>Depression</strong>. Jegliches Interessean dem, was einmal Spaß und Freudebereitet hat, weicht einer inneren „Versteinerung“,einer gähnenden seelischenLeere. Betroffene fühlen sich völlig empfindungslosund nehmen weder Trauernoch Glück wahr.Gestörter AntriebViele depressive Menschen empfindenden Mangel an Energie und Antrieb sowiedie Lähmung der Entschlusskraftals eine der schlimmsten Beschwerden.Es kostet sie ungeheure Mühe, insbesonderein den Morgenstunden, eineTätigkeit zu beginnen oder sich zu etwasaufzuraffen. Selbst kleinere Aufgabendes Alltags, wie Einkaufen, Kochenoder Aufräumen, bauen sich wie eineunüberwindbare Mauer vor ihnen auf.Bei besonders schwerem Verlauf kannes auch sein, dass der Betroffene denTag im Bett verbringt, unfähig, aufzustehenund etwas aus eigenem Antrieb anzufangen.Manchmal verspüren depressive Menschenauch eine innere verzweifelteUnruhe, verbunden mit einem starkenBewegungsdrang.Selbstvorwürfe und SchuldgefühleDepressive Menschen neigen dazu, sichselbst unbegründet zu beschuldigen undan ihrem Selbstwert zu zweifeln. Beispielsweisewirft sich der Betroffene vor,im Leben alles falsch gemacht zu haben,nur noch eine Last für seine Umgebungzu sein oder Fehler aus der Vergangenheitnun büßen zu müssen. Es kommtvor, dass Selbstvorwürfe sogar wahnhafteZüge annehmen, in denen der Patientnicht durch noch so stichhaltige Argumentevon seiner „Unschuld“ überzeugtwerden kann.Negative Gedankenund endloses GrübelnBesonders quälend für die Betroffenenist ein innerer „Zwang“ zum Grübeln.<strong>Depression</strong> | 7


GUT ZU WISSEN!Wortherkunft | Das Wort <strong>Depression</strong>leitet sich vom lateinischen Wort „deprimere“ab, welches übersetzt „niederdrücken“bedeutet. Der ältere AusdruckMelancholie hingegen stammt aus derAntike. Der berühmte Arzt Hippokratesnahm an, dass die Krankheit durcheinen Überschuss an „schwarzer Galle“verursacht wird („melas“, griechisch für„schwarz“, „chole“, griechisch für „Galle“).Negative Gedanken und Sorgen, wiezum Beispiel Versagensängste oder dieIdee, bald zu verarmen, beherrschendas Denken. Auch kann sich unter Umständeneine wahnhafte Überzeugungentwickeln, an einer unheilbaren Krankheitzu leiden.Gefühle der AngstAngst ist eine „Schwester“ der <strong>Depression</strong>,denn beide treten sehr häufig gemeinsamauf. Vielfach werden in der frühenPhase der Erkrankung zuerst unerklärlicheÄngste verspürt, die nach und nachvon depressiven Gefühlen überlagertwerden. Genauso gut ist es aber auchmöglich, dass sich zu einer bestehenden<strong>Depression</strong> eine Angsterkrankungdazugesellt.Symptome einer <strong>Depression</strong>Depressive StimmungGestörter AntriebEndloses GrübelnAppetitlosigkeitFreudlosigkeitAngstgefühleSchuldgefühleSchlafstörungenAbbildung 18 | <strong>Depression</strong>


Weitere mögliche Anzeichen für eine<strong>Depression</strong>Mimik und Gestik können nicht lügen.Daher ist eine <strong>Depression</strong> oft auch ander Körperhaltung, der Sprache und demAussehen zu erkennen. Die Betroffenenwirken häufig teilnahmslos, Mimik undGestik erscheinen im Vergleich zu früherverlangsamt oder erstarrt. Auch ein imVergleich zu früher vernachlässigtes Äußereskann auf eine <strong>Depression</strong> hinweisen.Eine <strong>Depression</strong> kann sich auch durchverschiedene körperliche Symptome äußern,zum Beispiel Kopf- und Rückenschmerzen,Herz-Kreislauf-Beschwerdensowie Verdauungsstörungen. Weiter könnensich ein Druckgefühl im Brustbereich,allgemeine Gliederschwere oderein vermindertes sexuelles Bedürfnis alsFolge einer <strong>Depression</strong> einstellen. BeiFrauen kann die Regel gestört und dasOrgasmuserleben eingeschränkt sein.Bei betroffenen Männern kann es zuErektionsstörungen kommen. Nicht seltensind die körperlichen Beschwerden sostark, dass die typischen Symptome einer<strong>Depression</strong> für den Betroffenen in denHintergrund treten (siehe Abbildung 2).Diese „Verschleierung“ kann es demArzt schwer machen, frühzeitig eine <strong>Depression</strong>zu erkennen.Mögliche körperliche Beschwerden bei <strong>Depression</strong>KopfschmerzenBrust:DruckEngegefühlHerz-Kreislauf:SchwindelAtembeschwerdenMagen-Darm:AppetitstörungenMagendrückenÜbelkeitVerstopfungRücken:SchmerzenVerspannungenSexualorgane:Bei dem Mann:ErektionsstörungenBei der Frau: Zyklus-,OrgasmusstörungenBeine:GliederschwereAbbildung 210 | <strong>Depression</strong>


<strong>Depression</strong> ist nicht gleich <strong>Depression</strong> –Verläufe und Formen der ErkrankungVerläufe einer <strong>Depression</strong>So unterschiedlich die Menschen sind,so unterschiedlich können <strong>Depression</strong>enverlaufen. Es ist durchaus möglich,dass eine <strong>Depression</strong> nur einmal im Lebenauftritt. Sie kann dabei unterschiedlichausgeprägt sein und über mehrereWochen oder Monate andauern.Eine einmal aufgetretene <strong>Depression</strong>erhöht jedoch das Risiko, dass der Betroffene,manchmal erst Monate oderauch Jahre später, einen beziehungsweisemehrere Rückfälle erleidet. Diesewiederkehrende Form wird medizinischals rezidivierende Unipolare <strong>Depression</strong>bezeichnet („recidere“, lateinisch für „zurückfallen“).Die Dauer eines Rückfallskann sehr unterschiedlich sein undzwischen wenigen Wochen und einigenMonaten schwanken.GUT ZU WISSEN!Rückfallrisiko | Untersuchungen habengezeigt, dass <strong>Depression</strong>en in der Regelmehr als einmal auftreten. Bei 60 bis70 von 100 Patienten folgt im Laufe derZeit erneut eine depressive Episode. BeiFrauen tritt die <strong>Depression</strong> schon früherim Leben auf. Sie haben ein höheresRückfallrisiko für weitere depressivePhasen als Männer.Selten verläuft eine <strong>Depression</strong> chronisch,das heißt über Monate oder garJahre. Betroffene leiden dann eher unterleichten, aber dafür dauerhaft auftretendenSymptomen (siehe Dysthymia,Abbildung 3).Formen einer <strong>Depression</strong>Unipolare <strong>Depression</strong>Die häufigste Form einer <strong>Depression</strong> isteinpolig (medizinisch: unipolar). Hier tretennur die typischen Symptome einer<strong>Depression</strong> auf. Hierzu gehört zum Beispiel,dass der Betroffene das Interessean Dingen verliert, die ihm bisher Freudebereitet haben. Ihm fällt es schwer,sich aufzuraffen, und er empfindet einenVerlust an Gefühlen für sich und andere(siehe Abbildung 1, Seite 8).Bipolare StörungenDeutlich seltener ist die zweipolige(medizinisch: „Bipolare“) Störung, beider die Betroffenen zwischen den Polen„vom Himmel hoch jauchzend“ und„zu Tode betrübt“ hin und her pendeln.„Der Himmel“ ist dadurch gekennzeichnet,dass der Patient in seiner Stimmungund seinem Antrieb übersteigert ist.Es kommt zu einer erhöhten Risikobereitschaft,Tatendrang, Ideenflut undSelbstüberschätzung. „Zu Tode betrübt“bedeutet, dass in dieser Phase die typischenSymptome einer Unipolaren <strong>Depression</strong>auftauchen.Die Bipolare Störung, auch als manisch-depressiveErkrankung bezeichnet(„mania“, griechisch für „Raserei“),ist ein sehr schwerwiegender Verlaufmit hohem Rückfall- und Selbsttötungs-12 | <strong>Depression</strong>


isiko. Eine Bipolare Störung benötigtandere Behandlungsmaßnahmen alseine Unipolare <strong>Depression</strong>.Die vorliegende Broschüre geht auf dieBesonderheiten der manischdepressivenErkrankung nicht näher ein. WeitereInformationen zu dieser besonderenForm erhalten Sie bei einem Facharzt(Psychiater) oder über die DeutscheGesellschaft für Bipolare Störungen(www.dgbs.de).DysthymiaAls Dysthymia („dysthymia“, griechischfür „Missstimmung“) wird eine wenigerstark ausgeprägte depressive Verstimmungbezeichnet, die jedoch oft überJahre anhalten kann. Die Betroffenenfühlen sich niedergeschlagen, müde,ängstlich und in ihrer Grundstimmungeher pessimistisch. Häufig können sieaufgrund der abgeschwächten Symptomeihren Alltag noch mühsam bewältigenoder den beruflichen Aufgabenweitgehend nachkommen.WinterdepressionEine weitere, wenn auch seltene Formder <strong>Depression</strong>, tritt bevorzugt in denWintermonaten auf. Diese sogenannteWinterdepression betrifft scheinbar häufigerjüngere Frauen. Die Betroffenenleiden meist unter starker Müdigkeit undHeißhungeranfällen. Eine Ursache dieserSonderform ist vermutlich mangelndesSonnenlicht. Sonnenlicht kann, über denSehnerv vermittelt, Einfluss auf denStoffwechsel unseres Gehirns nehmenund dadurch bei entsprechender Veranlagungeiner <strong>Depression</strong> vorbeugen.Verschiedene Verlaufsformen einer <strong>Depression</strong>Unipolare <strong>Depression</strong>Bipolare <strong>Depression</strong>DysthymiaAbbildung 3<strong>Depression</strong> | 13


Ursache oder Folge –<strong>Depression</strong> und BegleiterkrankungenBei bestimmten körperlichen Erkrankungentreten überdurchschnittlich häufigzusätzlich auch <strong>Depression</strong>en auf.Hierzu zählen beispielsweise: Herz-Kreislauf-Erkrankungen Schlaganfall Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) Schilddrüsenerkrankungen Krebserkrankungen Rheuma Multiple Sklerose (MS) Parkinson Demenz (zum Beispiel Alzheimer) Migräne Chronische SchmerzenStatistisch gesehen erkranken 42 von100 Menschen mit chronischen Leidenim Laufe ihres Lebens auch an einer<strong>Depression</strong>. Es ist allerdings bis heuteunklar, ob dafür die Erkrankung ansich oder der damit zusammenhängendeseelische Druck das anhaltendeStimmungstief auslöst; möglicherweisetrifft beides zu. Als gesichertgilt, dass zum Beispiel ein Herzinfarkthäufig viel schwerwiegender ist, wenngleichzeitig eine <strong>Depression</strong> vorliegt.Auch die Einnahme einiger Arzneimittel,wie bestimmte Antibiotika, Betablocker,Interferon oder Kortisonpräparate könnenzu einer <strong>Depression</strong> führen. Daherlohnt es sich, einen Blick auf die im Beipackzettelaufgelisteten Nebenwirkungender entsprechenden Medikamentezu werfen.GUT ZU WISSEN!<strong>Depression</strong> neben anderenKrankheiten | Eine begleitende<strong>Depression</strong> kann den Behandlungserfolgeiner anderen Krankheit inFrage stellen. Ein Grund mag sein,dass die Selbstheilungskräfte durchdie <strong>Depression</strong> eingeschränkt sind.Hinzu kommt, dass ein Patient, derniedergeschlagen und antriebslosist, sich kaum in der Lage fühlt, denEmpfeh lungen seines Arztes zu folgen.Regel mäßig Tabletten einzunehmenoder sich mehr zu bewegen wird dazu einer echten Herausforderung.14 | <strong>Depression</strong>


Lese-EchoFrage 1:Was ist zu tun, wenn Sie mit demGedanken spielen, Ihr Leben zubeenden?a) Keinesfalls darüber redenb) Darauf warten, dass diese Gedankenvon selbst vergehenc) Sich einem Nahestehenden oderseinem Arzt anvertrauenFrage 2:Was wird unter Dysthymia verstanden?a) Eine einmalig auftretende <strong>Depression</strong>b) Eine <strong>Depression</strong> mit starkenStimmungsschwankungenc) Eine weniger stark ausgeprägte<strong>Depression</strong>, die aber chronisch –meist über mehrere Jahre –verläuftFrage 3:Welches sind die Symptome einereinpoligen (Unipolaren) <strong>Depression</strong>?a) Rededrang, Ideenflut, erhöhteRisikobereitschaftb) Unfähigkeit, Gefühle wahrzunehmen,Verlust an Energie undFreudlosigkeitc) Die Symptome von a und bzusammenDie richtigen Antworten finden Sieauf der Seite 48.<strong>Depression</strong> | 15


Vieles ist ungeklärt – Ursache und Entstehungeiner <strong>Depression</strong>Experten gehen davon aus, dass mehrereRisikofaktoren zusammenkommenmüssen, um eine <strong>Depression</strong> auszulösen.Ein gewichtiger Faktor ist vermutlicheine erbliche Vorbelastung, dieMenschen anfälliger macht, an einer<strong>Depression</strong> zu erkranken. Aber auchdie Lebenssituation eines Menschenist wichtig. Dauerstress, Überforderungoder eine chronische Krankheitsind Faktoren, die ebenfalls eine <strong>Depression</strong>auslösen können.Wissenschaftlich bewiesen ist, dassfehlende vertrauensvolle persönlicheBeziehungen (zum Beispiel eine intakteFamile) ein Risikofaktor für eine <strong>Depression</strong>ist. Je mehr Risikofaktorengleichzeitig auftreten, um so höher istdie Gefahr, dass eine Störung der Botenstoffeim Gehirn auftritt (siehe Seite 20).Risikofaktoren für die Entwicklung einer <strong>Depression</strong>ErblicheVorbelastungAnhaltende seelischeBelastungKörperlicheErkrankungFunktionsstörung derBotenstoffe<strong>Depression</strong>Abbildung 416 | <strong>Depression</strong>


Dauerstress und <strong>Depression</strong>, wiepasst das zusammen?Das Gehirn interpretiert Stress als Ge -fahr. Wenn sich ein Mensch zum Beispielüber- oder unterfordert fühlt oder einenAngehörigen verloren hat, reagiert derKörper und aktiviert das innere Alarmsystem.Wie viel Stress jeder Mensch vertragenkann, ist sehr unterschiedlich. Wasfür den einen höchsten Stress bedeutet,empfindet ein anderer in der gleichenSituation als weniger bedrohlich. Diesesogenannte Stresstoleranz kann angeborenoder aber auch im Laufe des Lebenserlernt worden sein.Mithilfe des Fassmodells lässt sich dasPhänomen der unterschiedlichen Stresstoleranzgut veranschaulichen.Je nachdem, wie hoch das Fassungsvermögenist (unterschiedliche Stresstoleranz),läuft das Wasser (zum BeispielDauerstress, Belastungen) schnellerüber. Das heißt, bei einer Person mitgeringer Toleranz gegenüber Stress läuftdas Fass schneller über (siehe Abbildung5 b) als bei Menschen, deren„Fassungsvermögen“ (Stresstoleranz)hoch ist (siehe Abbildung 5 a).Fassmodell:Hohe StresstoleranzFassmodell:Geringe StresstoleranzDauerstressSeelische BelastungDauerstressSeelische BelastungHoheStresstoleranzGeringeStresstoleranzAbbildung 5 aAbbildung 5 b<strong>Depression</strong> | 17


Es ist schon länger bekannt, dass Menschen,die ständig gestresst und überfordertsind, leichter eine <strong>Depression</strong>entwickeln. Experten haben zum Beispielfestgestellt, dass Stress hormonelleVeränderungen im Körper bewirkt,die auf Dauer die Stoffwechselfunktionim Gehirn empfindlich stören können.Zum besseren Verständnis genügt einkurzer Blick in die menschliche Vergangenheit:Zur Zeit der Neandertaler warenunsere Vorfahren für den täglichenKampf ums Überleben bestens ausgestattet.Bei der Jagd war es wichtig,dass in Gefahrensituationen, zum Beispielbeim Angriff eines Höhlenbären,die Muskulatur, das Schmerz- sowiedas Immunsystem in Sekundenschnellereagieren können.Diese innere Alarmglocke besteht auszwei Hormonen. Das ist ACTH (AdrenocorticotropesHormon), das in derHypophyse, einer Hormondrüse imHirn, produziert wird, sowie das StresshormonKortisol, welches in den Nebennierenrindenentsteht. Beide Hormonewerden in gefährlichen Situationen raschins Blut abgegeben (siehe Abbildung 6 a).Ihre Aufgabe ist es unter anderem, denKörper beziehungsweise seine Organeauf Kampf oder Flucht vorzubereiten.Hierzu zählen beispielsweise ein schnellererHerzschlag, eine verstärkte Atmungoder eine bessere Durchblutung derMuskulatur.Auch Angst oder andere bedrohlicheGefühle werden durch die Aktivität derAlarm- und Stresshormone wachgerufen.Hormonausschüttung in einerGefahrensituationKortisolHerzAbbildung 6 aGehirnHypophyseNebennierenKortisolAlarmhormonMuskelnAtmungWird Kortisol in das Blut abgegeben,bremst das Gehirn sehr schnell dieAusschüttung dieses Alarmhormons,sodass alsbald kein Kortisol mehr indas Blut abgegeben wird. Das bedeutetfür unser Beispiel, dass sich nachder Jagd das Alarmsystem in der Regelsehr rasch wieder beruhigt; Atmungund Herzschlag verlangsamensich, die innere Aufregung legt sich inwenigen Minuten (siehe Abbildung 6 b).18 | <strong>Depression</strong>


Heutzutage muss der Mensch seinEssen nicht mehr unter Lebensgefahrerjagen – die Stress- und Alarmreaktionensind uns als Erbe aus dieser Zeitaber unverändert erhalten geblieben.Anstatt einem Höhlenbären stehen wirheute seelischen Belastungen gegenüber,die über lange Zeit anhalten können.Hierzu zählen beispielsweise beruflicherStress, chronisch verlaufendeKrankheiten, finanzielle Sorgen, Beziehungsproblemeoder der Verlust einesPartners.Befindet sich der Körper in wochen-,vielleicht sogar monatelanger „Alarmbereitschaft“(Dauerstress), dann versagtbesonders bei stressempfindlichen Men -schen (siehe Fassmodell, Seite 17) dasregulierende „Bremssystem“ im Gehirn.Der Körper wird regelrecht mit demStresshormon Kortisol überschwemmt(siehe Abbildung 6 c).Da Kortisol über den Blutkreislauf auch indas Gehirn gelangt, beeinträchtigt diesvermutlich auch die Funktion der Nervenzellenund ihrer Botenstoffe. Da bei vielenBetroffenen die Kortisol-Konzentration inBlut und Urin dauerhaft erhöht ist, vermutenviele Wissenschaftler, dass durch einKortisol-Überangebot möglicherweise dieEntwicklung einer <strong>Depression</strong> gefördertwird.Hormonausschüttung nach abgeklungenerGefahrensituationDauerstress kann eine<strong>Depression</strong> verursachenKortisolAlarmhormonÜberangebotKortisolÜberangebotAlarmhormonAbbildung 6 bAbbildung 6 c<strong>Depression</strong> | 19


Die Veränderungen im GehirnDas aus den Fugen geratene Kortisol-Alarmsystem stört auf Dauer vermutlichdas Gleichgewicht der Botenstoffe imGehirn und damit auch den Informationsaustauschder Nerven. Zum besserenVerständnis soll das nachfolgendeModell zeigen, wie unser Gehirn unddessen Nerven funktionieren.Vereinfacht gesagt kann man sich dasGehirn wie eine sehr komplizierte Telefonzentralevorstellen. Die etwa 20 MilliardenNerven sind über unzähligeNervenfasern miteinander verbunden(siehe Abbildung 7 a). Die Nerven tauschenihre Informationen an winzigen,knopfförmigen Kontaktstellen, den Synapsen,aus.Die Nervenbahnen im Gehirn ähneln ingewisser Weise der Funktionsweiseeines Telefons. Beim Telefon muss daselektrische Signal aus der Telefonleitung,die den Nervenfasern entspricht,in Schallwellen umgewandelt werden.Dadurch wird der Abstand zwischendem Ohr und dem Telefon überwunden.Die Synapsen im Gehirn funktionierenbeim Telefon wie der Hörer.Nervenzellen und ihre Kontaktstellen unter dem Mikroskop betrachtetMilliardenNervenzellenNervenkontaktstelle(Synapse)Nervenzelle A Nervenzelle BNervenzelle ANervenzelle BNervenfaserNervenfaserBotenstoff(zum Beispiel Serotonin)Abbildung 7 a20 | <strong>Depression</strong>


Vergleich zwischen der Funktion einer Nervenkontaktstelleund einem TelefonBotenstoffNervenzelle ANervenzelle BNervenfaserElektrischerImpulsElektrischerImpulsSchallwellenElektrischerImpulsAbbildung 7 bIm Innenohr des Zuhörers werden dieSchallwellen wiederum in elektrischeSignale umgewandelt und über dieGehörnerven in das Gehirn geleitet.Ganz ähnlich verhält es sich an denKontaktstellen der Nerven. Auch hiermuss ein – wenn auch mikroskopischkleiner – Abstand zwischen zwei inKontakt stehenden Nerven überwundenwerden. Anstatt Schallwellen nutzenNerven dabei sogenannte Botenstoffe(zum Beispiel Serotonin), die von derSignal gebenden („sprechenden“) Nervenzelleausgeschüttet werden. Dieseüberwinden den Spalt und lösen beider („zuhörenden“) Nervenzelle wiederumein elektrisches Signal aus, welchesüber deren Nervenfaser weitergeleitetwird (siehe Abbildungen 7 a und 7 b).<strong>Depression</strong> | 21


Nach heutiger Auffassung ist bei derEntstehung einer <strong>Depression</strong> vor allemdie Funktion zweier wichtiger Botenstoffedes Gehirns, nämlich die desNoradrenalins und des Serotonins, gestört.Beide Botenstoffe werden in derTiefe des Gehirns, im sogenanntenHirnstamm, gebildet. Sie dienen vorallem den Nerven zum Informationsaustausch,die zum Beispiel für Empfindungen,Gefühle, Antrieb, Entscheiden,Aufmerksamkeit und den Schlaf-Wach-Rhythmus zuständig sind (siehe Abbildungen9 a und 9 b).Es gilt als gesichert, dass genau dieseNervenbahnen, die Serotonin und Noradrenalinals Botenstoffe verwenden,bei vielen depressiven Menschen wenigeraktiv sind als bei gesunden. Obdiese „Schwäche“ auf einem Mangeldieser Botenstoffe beruht (siehe Abbildungen8 a und 8 b) oder ob die „Übertragung“der Information an den Nervenkontaktstellennicht richtig funktioniert,ist bislang ungeklärt.GesundDepressivBotenstoffe ausreichendvorhandenBotenstoffmangelAbbildung 8 a: Normale Übertragung durchausreichend BotenstoffeAbbildung 8 b: Mangel an Botenstoffen beziehungsweisenicht richtig funktionierendeÜbertragung an der Nervenkontaktstelle22 | <strong>Depression</strong>


Dass Serotonin bei der Krankheitsentstehungeine gewisse Rolle spielt, zeigtsich am Verlauf der Nervenfasern, dieSerotonin als Botenstoff nutzen.Diese entspringen in einer kleinen Regionim Hirnstamm. Sie ziehen in darübergelegene Hirnareale, welche beispielsweisefür Appetit oder den geregeltenSchlaf-Wach-Rhythmus verantwortlichsind. Weitere Ausläufer dieser Nervensind mit den Zentren verknüpft, die inuns das Gefühl von Freude und Lebenslustauslösen. Schließlich erreichendiese Nervenäste den vorderen Bereichdes Gehirns, der zum Beispiel für konzentriertesDenken, Aufmerksamkeitund Entscheiden zuständig ist (Abbildung9 a, blaue Pfeile).Ist die Funktion dieser Nerven gestört(Abbildung 9 b, Seite 24, gestricheltePfeile), können Symptome einer <strong>Depression</strong>entstehen.Serotonin spielt außerdem auch beider Regulation der Verdauung und derDarmbewegung eine Rolle. VielleichtGehirn eines gesunden MenschenDenkenAbwägenEntscheidenAufmerksamkeitKonzentrationsfähigkeitFreudeLebenslustGeregelter Schlaf-Wach-RhythmusAppetitSexuelle LustAbbildung 9 a: Hirnbereiche und deren Funktion sowie die Nervenbahnen (dunkelblauePfeile), die Serotonin als Botenstoff benötigen<strong>Depression</strong> | 23


lassen sich damit auch körperlicheKrankheitszeichen der <strong>Depression</strong>,wie zum Beispiel Übelkeit oder Appetitstörungen,erklären.Unabhängig von diesen biologischenModellen, deren Bausteine nicht alleeindeutig bewiesen sind, gibt es auchdie Vermutung, dass die Entstehungeiner <strong>Depression</strong> auch auf psychologi -scher Ebene stattfindet. So kann beispielsweisenegatives Denken undEmpfinden im Laufe des Lebens auch„erlernt“ werden. Daraus ergeben sichdie Ansätze für die antidepressiv wirkendePsychotherapie (siehe ab Seite 32).Gehirn eines depressiven MenschenSchwierigkeiten beim:DenkenAbwägenEntscheidenKonzentrierenNiedergeschlagenheitAngstSchlafstörungenAppetitlosigkeitSexualstörungAbbildung 9 b: Funktionsstörung (gestrichelte Pfeile) und depressive Symptome befindensich in den gleichen Hirnbereichen24 | <strong>Depression</strong>


Lese-EchoFrage 4:Welche Botenstoffe sind bei der Entstehungeiner <strong>Depression</strong> maßgeblichbeteiligt?a) Adrenalinb) Serotoninc) Dopamind) NoradrenalinFrage 5:Welche Funktionen werden durchdie Botenstoffe Serotonin und Noradrenalingeregelt?a) Gestimmtheit und Emotionenb) Muskelbewegungc) Konzentriertes Denken und Aufmerksamkeitd) Regelung des Schlaf-Wach-RhythmusFrage 6:Welche Veränderungen im Gehirnkönnen bei einer <strong>Depression</strong> beobachtetwerden?a) An den Kontaktstellen der Nervenist die Informationsübertragunggestörtb) Die Funktion bestimmter Botenstoffe(zum Beispiel Serotonin) istbeeinträchtigtc) Durchblutungsstörungen inverschiedenen Bereichen desGehirnsDie richtigen Antworten finden Sieauf der Seite 48.<strong>Depression</strong> | 25


Die DiagnoseEs ist nicht immer einfach für die Ärzte, eine <strong>Depression</strong> zuerkennen. Mithilfe anerkannter Tests ist es jedoch möglich.26 | <strong>Depression</strong>


In Deutschland richten sich die Ärztebei der Diagnose in der Regel nacheinem Fragenkatalog, der von derWeltgesundheitsorganisation (WHO)entwickelt wurde.Um die Diagnose <strong>Depression</strong> festzulegen,müssen eine bestimmte Anzahlvon Haupt- und Nebensymptomen sowieweitere Kriterien vorliegen:Zu den Hauptsymptomen gehören: Gedrückte Stimmung Verlust an Interesse/Freude Verminderter AntriebZu den Nebensymptomen gehören: Konzentrieren fällt schwer Vermindertes Selbstwertgefühl Schuldgefühle Gehemmtes oder getriebenesVerhalten Wunsch, aus dem Leben zu scheiden Schlafstörungen AppetitstörungenDer Schweregrad einer <strong>Depression</strong> wirddurch die Anzahl der Haupt- und Nebensymptomebestimmt, unter welchen derBetroffene seit mindestens zwei Wochenleidet; das heißt, je mehr Symptomeüber zwei Wochen vorliegen, umso höherist der Schweregrad der Erkrankung.Einteilung | Eine leichte <strong>Depression</strong>liegt dann vor, wenn mindestenszwei Hauptsymptome undzusätzlich wenigstens zwei Nebensymptomevorliegen.Treten zwei Hauptsymptome unddrei Nebensymptome auf, liegteine mittelgradige <strong>Depression</strong> vor.Treten alle drei Hauptsymptomeund wenigstens vier Nebensymptomeauf, kann von einer schweren<strong>Depression</strong> ausgegangenwerden.<strong>Depression</strong> | 27


Der Wohlfühltest der Weltgesundheitsorganisation(WHO)Falls Sie sich unsicher fühlen, ob Sietatsächlich unter einer <strong>Depression</strong>leiden, können Sie mithilfe des einfachenWohlfühltests zumindest einenersten Hinweis bekommen, ob beiIhnen möglicherweise eine <strong>Depression</strong>vorliegt. Falls Sie schon einmal eine<strong>Depression</strong> durchlebt haben, lohnt essich, im Sinne der Früherkennung denTest alle drei Monate (pro Quartal)durchzuführen.Wer den Verdacht hegt, an einer <strong>Depression</strong>zu leiden, kann sich entwederan seinen Hausarzt oder gegebenenfallsan einen Facharzt (Nervenarzt oderPsychiater) wenden.Für den Arzt ist es nicht immer ganzeinfach, eine <strong>Depression</strong> festzustellen.Schwierigkeiten ergeben sich vor allemdann, wenn der Patient weniger überseine psychischen Beschwerden, sondernvermehrt über körperliche Symptomeklagt (siehe Abbildung 2, Seite 10).Nicht jeder Arzt denkt sofort an eine<strong>Depression</strong>, wenn ein Patient ihm mitteilt,dass er an Darmbeschwerden,Müdigkeit, Rücken- oder Kopfschmerzenleidet. Hinzu kommt, dass es vielenMenschen schwerfällt, über seelischeProbleme zu sprechen. Sie fürchten, für„verrückt“ oder nicht zurechnungsfähiggehalten zu werden.Da viele körperliche Erkrankungen tatsächlichauch Symptome einer <strong>Depression</strong>hervorrufen können, ist einekörperliche Untersuchung zum Ausschlussdieser Ursache notwendig.Lese-EchoFrage 7:Bei der Diagnose einer <strong>Depression</strong>wird nach Haupt- und Nebensymptomengefragt. Welches sind dieHauptsymptome?a) Gedrückte Stimmungb) Verlust an Interesse/Freudec) Verminderter Antriebd) RastlosigkeitFrage 8:GUT ZU WISSEN!Angst | Angst kann sowohl als Teil einer<strong>Depression</strong> als auch als eigenständigesKrankheitsbild auftreten. Angstgefühletreten bei bis zu 70 Prozent der depressivenPatienten auf. Oftmals geht eineAngststörung auch in eine <strong>Depression</strong>über. Daher sollte im Rahmen derDiagnose auch unbedingt untersuchtwerden, ob eine Angststörung vorliegt.Welches sind Nebensymptome?a) Schuldgefühleb) Verfolgungsideenc) Wunsch, aus dem Leben zuscheidend) AppetitstörungenDie richtigen Antworten findenSie auf der Seite 48 und 49.28 | <strong>Depression</strong>


WHO-WohlfühtestDer Wohlfühltest gibt eine mögliche <strong>Depression</strong> zu erkennen. Die fünfFragen decken die Bereiche Stimmung (gute Laune, Entspannung), Vitalität(Aktivität, frisch und ausgeruhtes Aufwachen) und generelle Interessen(Interesse an Aktivitäten) ab.vergangenenzwei Wochen ...In den immer oft mehr weniger selten nieals die Hälfteder Zeit... war ich frohund guter Laune5 4 3 2 1 0... habe ich michruhig und 5 4 3 2 1 0entspannt gefühlt... habe ich michenergisch und 5 4 3 2 1 0aktiv gefühlt... habe ich mich beimAufwachen frisch und 5 4 3 2 1 0ausgeruht gefühlt... war mein Alltagvoller Dinge, diemich interessieren5 4 3 2 1 0Datum:1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. QuartalPunkte:Bewerten Sie jede Frage nur einmal. Am Ende zählen Sie die fünf Zahlenzusammen. Wenn Sie weniger als 13 Punkte erreichen oder mit einerAntwort im rot markierten Bereich (1 oder 0) liegen, kann eine behandlungbedürftige<strong>Depression</strong> nicht sicher ausgeschlossen werden. Wir raten Ihnen,sich an Ihren Arzt zu wenden, um die Notwendigkeit einer <strong>Depression</strong>sbehandlungabklären zu lassen.Quelle: http://www.psykiatri-regionh.dk/NR/rdonlyres/3F12728C-B0CD-4C50-A714-B6064159A314/0/WHO5_German.pdf<strong>Depression</strong> | 29


Die Behandlung der <strong>Depression</strong>Es gibt verschiedene Optionen, die <strong>Depression</strong> zu behandeln.Wichtig ist, dass der Patient mitmacht.30 | <strong>Depression</strong>


Jeder von einer <strong>Depression</strong> Betroffenekann sich schwer vorstellen, dass eseinen Weg gibt, der aus diesem seelischenTief wieder herausführt. Dahergleich zu Anfang dieses Kapitels diegute Nachricht, dass <strong>Depression</strong>en mithilfemoderner Medikamente und psychotherapeutischerVerfahren behandelbarsind und die meisten Betroffenenihren Lebensmut, Lebensfreude sowieinnere Energie zurückgewinnen können.So schwer es Ihnen vielleicht auch fällt:Die ersten und sicherlich wichtigstenSchritte zur Besserung sind, dass Siesich eingestehen, an einer <strong>Depression</strong>erkrankt zu sein, ärztliche Hilfe suchenund diese annehmen. Bedenken Sie,dass eine <strong>Depression</strong>, ähnlich wie Bluthochdruck,eine ernst zu nehmendeKrankheit ist und keine, wie viele Menschenglauben, vorübergehende Befindlichkeitsstörung.Um eine <strong>Depression</strong> zu behandeln,stehen verschiedene Methoden zurVerfügung, die allein oder kombiniertangewandt, unterschiedlich erfolgreichsein können. Weiter ist es wichtigzu unterscheiden, ob eine akutedepressive Phase behandelt werdenmuss oder ob eine Rückfall verhütendeLangzeittherapie notwendig ist.GUT ZU WISSEN!Behandlungsziele | Die depressive Episode verkürzenoder beenden Die erreichte Besserung stabilisieren Einen Rückfall verhüten Die Selbsttötung (Suizid) vermeiden Aktive Teilnahme am sozialen Leben,vor allem familiär und beruflichDa eine <strong>Depression</strong> mit einer Funktionsstörungdes Gehirns und tiefgreifendenVeränderungen des Erlebensund Verhaltens einhergeht, kann sieerfolgreich sowohl mit Medikamenten(Antidepressiva) als auch mit psychotherapeutischenVerfahren behandeltwerden. Beide Methoden haben sichin wissenschaftlichen Untersuchungenals wirksam erwiesen.Generell gilt, dass, je nach Schweregrad,immer im Einzelfall entschieden werdenmuss, ob eine Psychotherapie,eine medikamentöse Behandlung oderbeide Methoden kombiniert den meistenErfolg versprechen.Welche Behandlung für Sie infragekommt, kann erst dann entschiedenwerden, wenn Ihrem Arzt eine genaueDiagnose hinsichtlich Form, Schweregradund bisherigem Verlauf der <strong>Depression</strong>vorliegt.<strong>Depression</strong> | 31


PsychotherapiePsychotherapeutische Verfahren sindeine wesentliche Säule bei der Behandlungeiner <strong>Depression</strong>. Psychotherapiealleine wird bei einer leichtenbis mittelgradigen <strong>Depression</strong> empfohlen.Bei schweren <strong>Depression</strong>en empfehlendie Experten eine Kombinationvon Psychotherapie und Medikamenten.Psychotherapie kommt auch alsErhaltungstherapie und nach Abklingender akuten Phase infrage.Die Psychotherapie beginnt mit demunterstützenden Arztgespräch. Der Arztklärt in verständlicher Weise auf, vermitteltZuversicht, entlastet bei Schuldgefühlenund verlorenem Selbstwertgefühl.Eine weitere Aufgabe des Arztes ist es,die Patienten im Rahmen einer medikamentösenTherapie zu begleiten. Dies istbesonders wichtig, weil viele der Betroffenenkrankheitsbedingt Schwierigkeitenhaben, regelmäßig ihr Medikament einzunehmen.Zu den bewährten psychotherapeutischenVerfahren zählen die Verhaltenstherapie, Kognitive Verhaltenstherapie, Interpersonelle und TiefenpsychologischePsychotherapie.Welche Methode am besten geeignetist, richtet sich nach den Bedürfnissendes Patienten und dem bisherigen Verlaufder Erkrankung. Die Verfahren bietensowohl Psychiater als auch klinischePsychologen an.VerhaltenstherapieDie Verhaltenstherapie geht davon aus,dass depressive Gedanken, Gefühleund Handeln die Folgen eines fehlgeleiteten,verzerrten Denkens sind. ImRahmen der Therapie wird dies demPatienten bewusst gemacht und schrittweisekorrigiert. So werden zum Beispielpassive und zurückgezogene Patientendurch strukturierte Tages- undWochenpläne wieder aktiviert. Durchden Aufbau von Aktivitäten kommt eszu positiven Erlebnissen, die wiederumauch die Stimmung verbessernhelfen. Schließlich gilt es, im Rahmender Verhaltenstherapie Strategien zuentwickeln, um zukünftige Krisen undschwierige Situationen zu bewältigen.Die aus der Verhaltenstherapie kommendeKognitive Therapie („cognoscere“,lateinisch für „erkennen, erfahren, denken“)wurde speziell für die Behandlungder <strong>Depression</strong> entwickelt. Im Mittelpunktsteht, <strong>Depression</strong>en auslösendeDenk- und Verhaltensmuster zu erkennen,um sie anschließend schrittweise zuverändern. Fühlen, Denken und Handeln32 | <strong>Depression</strong>


sind eng miteinander verwoben. Sokann eine niedergeschlagene Stimmungnegative Denkmuster hervorrufen (zumBeispiel: „Ich bin nichts wert“), die wiederumAntriebsmangel und sozialenRückzug zur Folge haben. Die Therapiesoll den Kreislauf von niedergeschlagenerStimmung, negativem Denken undPassivität durchbrechen und im positivenSinne verändern. Wie schnell dieTherapie wirkt, hängt ganz vom Schweregradder Erkrankung ab und ist daherindividuell sehr verschieden. Mit aktivenÜbungen in Form von „Hausaufgaben“berichten betroffene Patienten jedoch inder Regel recht bald, dass die depressivenSymptome nachlassen.Interpersonelle PsychotherapieDer Schwerpunkt der InterpersonellenPsychotherapie (IPT) liegt darin,in andauernden, belastenden LebenssituationenKonflikte aufzudecken undzu bearbeiten.Hierzu gehören Konflikte, die sich auszwischenmenschlichen Beziehungen(zum Beispiel Trennung, Partnerschaftskonfliktenoder der Pflege eines Angehörigen)oder aus Veränderungen derLebenssituation ergeben (zum BeispielArbeitslosigkeit).Durch Gespräche mit dem Therapeutenwerden aktuelle Lebensprobleme desBetroffenen erörtert, die im Zusammenhangmit der <strong>Depression</strong> stehenkönnten. In mehreren Sitzungen erlerntder Betroffene soziale Fertigkeiten, dieihm helfen, mit den Schwierigkeiten inseinem sozialen Umfeld besser umzugehen.Gleichzeitig wird gezielt an dendepressiven Symptomen gearbeitet,indem er in den Gesprächen Entlastungund Hoffnung erfährt.Die Interpersonelle Psychotherapie istkeine Kassenleistung.Tiefenpsychologische PsychotherapieDie Tiefenpsychologische Psychotherapiegeht davon aus, dass eine <strong>Depression</strong>vor allem dann entsteht, wenn durchungelöste Konflikte das Verhältnis zunahestehenden Personen belastet wird.Die Therapie konzentriert sich daherauch auf den zwischenmenschlichenBereich, beispielsweise darauf, dassaktuelle Konflikte und deren Folgen fürdie sozialen Beziehungen bearbeitetwerden. Der Therapeut unterstützt,indem er zuhört, akzeptiert, Hoffnungvermittelt und bei der Überwindungder <strong>Depression</strong> hilft. Ihre Wirksamkeitist wissenschaftlich nicht so gut belegtwie die anderen genannten Verfahren.<strong>Depression</strong> | 33


GUT ZU WISSEN!Keine Abhängigkeit | Anti depressivamachen nicht süchtig! Süchtig machennur die Substanzen, die schnell wohltuendwirken, wie zum Beispiel Schmerzmittel,Alkohol oder einige Beruhigungsmittel(zum Beispiel Valium). Da beiAntidepressiva erst nach circa zwei bisvier Wochen die Wirkung langsam eintritt,ist eine Sucht ausgeschlossen.MedikamentöseBehandlungVor der Behandlung mit Medikamentensollten Sie von Ihrem Arzt über Wirkweise,Dosierung, mögliche Nebenwirkungenund Behandlungsdauer aufgeklärtworden sein. Auch sollten Siewissen, dass nicht jedes Medikamentbei allen Patienten gleich wirksam ist.In verschiedenen Studien konnte nachgewiesenwerden, dass immerhin beietwa 50 bis 70 Prozent der mit einemAntidepressivum behandelten Patientendie Therapie erfolgreich verlaufenist. Das bedeutet, dass bei einigen Betroffenen,bei denen das verschriebeneMedikament nur unzureichend wirkt,gegebenenfalls ein anderes alternativverordnet werden muss.Inwieweit Antidepressiva bei leichteren<strong>Depression</strong>en eine Wirksamkeit besitzen,die über den Placeboeffekt hinausgeht,ist in den vergangenen Jahrenheftig diskutiert worden. Placebos sindScheinmedikamente ohne Wirkstoff,die aber dennoch bei einigen Patientendie Symptome beeinflussen können.Inzwischen hat sich die Meinung durchgesetzt,dass leichtere <strong>Depression</strong>ennicht von vornherein mit Antidepressivabehandelt werden sollten. Das Risikomöglicher Nebenwirkungen sollte beileichten <strong>Depression</strong>en nicht eingegangenwerden.Eine <strong>Depression</strong> beginnt schleichend.Über Tage und Wochen hinweg verschlechtertsich die allgemeine Grundstimmung.Lebensfreude und innererAntrieb lassen auffällig nach. Unbehandeltverbleibt der Betroffene in diesemStimmungstief.Die Akutbehandlung dauert circa zweibis vier Wochen. Etwa so lange dauertes auch, bis die Antidepressiva wirkenund die depressiven Symptome allmählichnachlassen. Dieser langsame Wirkeintritthängt unter anderem damit zusammen,dass sich die Funktions störungder Botenstoffe (siehe Seite 22) nursehr langsam normalisiert. Da wir abergewohnt sind, dass Tabletten (zum Beispielgegen Kopfschmerzen) in derRegel schnell wirken, erfordert die verzögerteWirkung der Antidepressivaimmer etwas Geduld.An die Akutbehandlung schließt sichdie Erhaltungstherapie an, die etwasechs Monate andauert. In dieser Zeitgeht es darum, den ersten Behandlungserfolgzu stabilisieren und die Therapiemit gleichem Medikament undgleicher Dosis bis zur vollständigen34 | <strong>Depression</strong>


Symptomfreiheit fortzusetzen (siehe Abbildung10). Treten während dieser Phasewieder depressive Symptome auf,spricht man von einem Rückfall. Besondersanfällig für einen Rückfall sindPatienten, die bereits zwei oder mehrdepressive Episoden innerhalb der vergangenenfünf Jahre erlitten haben.Besteht ein hohes Risiko für einenRückfall, sollte vorbeugend eine Langzeitbehandlung,über mehrere Jahre,eingeleitet werden.Viele Patienten, denen es allmählichbesser geht, vernachlässigen leiderallzu oft die Medikamenteneinnahme.Da aber die Genesung zu diesem Zeitpunktmeist noch nicht vollständig abgeschlossenist, birgt das Absetzen desMedikamentes ein hohes Rückfallrisiko.Ganz besonders ist vor einem plötzlichenAbsetzen zu warnen.Möglicher Verlauf und die drei Behandlungsabschnitteeiner depressiven EpisodeGesundKrankAllmählicheBesserungRückfall?Rückfall?UnbehandelterVerlaufAbbildung 10Akutbehandlung2 bis 4 WochenErhaltungs therapie4 bis 6 MonateLangzeittherapieMonate bis Jahre<strong>Depression</strong> | 35


Die Medikamente im EinzelnenIm Hinblick auf die Verbesserung derSymptome unterscheiden sich die Medikamenteder einzelnen Wirkstoffgruppennicht wesentlich. Wichtige Unterschiedebestehen jedoch im Wirkmechanismus,der Wirkdauer und den Nebenwirkungen.Ein wichtiger Ansatzpunkt in der Wirkungder Antidepressiva ist nach Meinung dermeisten Wissenschaftler, dass der gestörteInformationsaustausch an denKontaktstellen der Nerven (siehe Seite22) wieder behoben wird. Die Medikamenteunterstützen hierbei die Funktionder Botenstoffe (zum Beispiel Serotoninoder Noradrenalin), indem sie derenKonzentration an den Kontaktstellen derNerven (siehe Abbildung 11 b) in unterschiedlicherWeise erhöhen.Nebenwirkungen | „Alles, waswirkt, hat Nebenwirkungen“, istein Spruch unter Pharmakologen.Medikamente, die oral (überMund/Magen), intramuskulär (inden Muskel mittels Spritze) oderintravenös (in die Vene mithilfeeiner Infusion) in das Blut gelangen,werden im gesamten Körperverteilt. Das heißt, dass sieauch außerhalb der erkranktenRegion wirken können. TretenNebenwirkungen auf, sind sie inder Regel vorübergehend undmeist harmlos. Falls Sie dennochmit bestimmten Nebenwirkungennicht zurecht kommen, informierenSie bitte Ihren Arzt. Erwird gegebenenfalls die Dosierungändern oder Ihnen alternativein für Sie besser verträglichesMedikament aussuchen.ErkranktBehandelt11 a 11 bBotenstoffmangelBotenstoffmangel behobenAbbildungen 11 a und 11 b: Die medikamentöse Therapie zielt generell darauf ab, einen vermutetenBotenstoffmangel (Abbildung 11a) an den Kontaktstellen der Nerven wieder aufzuheben(Abbildung 11 b). Hierdurch wird die gestörte Funktion langsam wieder normalisiert36 | <strong>Depression</strong>


Die Wirkung der nachfolgenden Wirkstoffgruppenist durch wissenschaftlicheStudien nachgewiesen. Die dabeiaufgeführten Nebenwirkungen sind nureine Aufzählung der häufigsten undwichtigen unerwünschten Begleiterscheinungen.Selektive Serotonin-Rückaufnahmehemmer(SSRI)Diese Medikamente steigern gezieltdie Konzentration des BotenstoffesSerotonin an den Kontaktstellen derNerven und verbessern so deren Signalaustausch.Die SSRI sind eine neueWirkstoffgruppe im Vergleich zu den früherausschließlich verordneten NSMRI(siehe Seite 38). Sie unterscheiden sichvon den NSMRI durch andere möglicheNebenwirkungen.Nebenwirkungen | Nebenwirkungenäußern sich häufig in Form von Übelkeitund Kopfschmerzen. Bei Behandlungsbeginnkönnen Unruhe, Schlaflosigkeitund Angstzustände auftreten. Weiterkann die sexuelle Funktion beeinträchtigtund das Blutungsrisiko erhöht sein.Gerade Letzteres ist besonders wichtig,wenn eine Operation bevorsteht.Im Zusammenhang mit den oben genanntenUnruhezuständen wurden beieinigen wenigen Patienten unter SSRIverstärkt lebensmüde (suizidale) Gedankenbeobachtet, insbesondere beiKindern und Jugendlichen. Für Erwachsenelässt sich ein solches Risiko anhandder vorliegenden Untersuchungengegenwärtig nicht sicher bestätigen.Wer diese Medikamente einnimmt, sollteauf jeden Fall – besonders zu Beginnder Behandlung – in engem Kontakt mitseinem behandelnden Arzt stehen. DerPatient sollte ihn sofort insbesondereüber innere Unruhezustände oder garSelbsttötungsgedanken informieren.Soll die Behandlung mit dieser Medikamentenartbeendet werden, muss beilangem Anwenden die Dosis über mehrereWochen langsam reduziert werden.Dieses Ausschleichen verhindert weitereNebenwirkungen, die bei zu schnellemAbsetzen auftreten können. Dazu zählenzum Beispiel Kribbeln, Schwindel, Kopfschmerzenund Übelkeit.Selektive Serotonin- und/oderNoradrenalin-Rückaufnahmehemmer(SSNRI)Diese Antidepressiva wirken in zweifacherWeise, indem sie die Funktionzweier Botenstoffe, nämlich die desSerotonin und des Noradrenalin, unterstützen.Diese Medikamente sind sogenannteduale Antidepressiva. Wieauch bei den anderen Antidepressivawird hier die Konzentration dieser Botenstoffean den Kontaktstellen derNerven erhöht und damit deren Informationsaustauschverbessert.Nebenwirkungen | Diese Medikamentengruppenhaben ähnliche Nebenwirkungenwie die SSRI. Benommenheit,Übelkeit oder Schlafstörungen und eindosisabhängiger Blutdruckanstieg sindmöglich. Bei Männern können auch Problemebeim Wasserlassen auftreten.<strong>Depression</strong> | 37


Nichtselektive Monoamin-Rückaufnahme-Inhibitoren(NSMRI)Hinter diesem komplizierten Namenstehen Antidepressiva, die schon längerauf dem Markt sind. Aufgrund ihrerchemischen dreifachen Ringstrukturwerden sie auch als trizyklische (tri = 3)Antidepressiva, kurz TZA, bezeichnet.Sie wirken ähnlich wie die oben beschriebenenSSNRI, indem sie, je nachMedikament, die Funktion der BotenstoffeSerotonin und Noradrenalin in unterschiedlichemAusmaß verbessern. Einigedieser Antidepressiva wirken mehrüber Serotonin, andere mehr über Noradrenalinbeziehungsweise über beideBotenstoffsysteme. Zusätzlich wirkensie jedoch noch auf weitere Botenstoffsysteme,was ihr anderes Nebenwirkungsrisikoerklärt.Nebenwirkungen | Im Vergleich zuneueren Antidepressiva hat diese Substanzgruppeandere unerwünschte Begleiterscheinungen.Besonders zu beobachtensind Nebenwirkungen, diedas Herz-Kreislauf-System betreffen.Hierzu zählen Blutdruckabfall undSchwindel. Die Herzfunktion sollte regelmäßigmittels eines Elektrokardiogramms(EKG) überwacht werden, sowohlzu Beginn als auch während derBehandlung. Weitere Nebenwirkungenkönnen Mundtrockenheit, Verstopfungoder Sehstörungen sein.MAO-HemmerEine weitere Gruppe von Antidepressivabilden die Monoaminoxidase-Hemmstoffe,auch MAO-Hemmer genannt. DieseWirkstoffgruppe hemmt den natürlichenAbbau von Serotonin und Noradrenalinund unterstützt damit die Signalübertragungan den Kontaktstellen der Nerven.Nebenwirkungen | Bei MAO-Hemmernmit relativ kurzer Wirkung treten nurwenige Nebenwirkungen auf, wie zumBeispiel Mundtrockenheit. Bei MAO-Hemmern mit längerer Wirkdauer hingegenkönnen auch Abbauprozesse inGang gesetzt werden, die deutlich mehrNebenwirkungen erzeugen. Daher solltebei Einnahme dieser Medikamente zumBeispiel auf Käse und Rotwein verzichtetwerden, da sonst massive Blutdruckveränderungen(Anstieg oder Abfall) auftretenkönnen. Daher werden diese nur seltenbei ambulanten Patienten verordnet.In Kombination mit SSRI oder NSMRIdürfen MAO-Hemmer nicht eingenommenwerden. Es besteht die Gefahr einesSerotoninüberschusses, welcherlebensbedrohlich sein kann.Alpha-2-AntagonistenAlpha-2-Antagonisten erleichtern vorallem die Freisetzung der BotenstoffeNoradrenalin beziehungsweise Serotonin38 | <strong>Depression</strong>


durch eine Blockade sogenannter Alpha-2-Rezeptoren, die wiederum dieAusschüttung von Noradrenalin beziehungsweiseSerotonin hemmen. Diesist ein mehr indirekter Weg, um dieFunktionsstörung an den Kontaktstellender Nerven zu verbessern.Nebenwirkungen | Neben Müdigkeitund Mundtrockenheit ist längerfristig eineGewichtszunahme beobachtet worden.Pflanzliche AntidepressivaUnter den pflanzlichen Antidepressivazeigen nur Johanniskrautextrakte inwenigen wissenschaftlichen Studieneine gewisse Wirkung bei leichten undmittelgradigen <strong>Depression</strong>en. Auf welcheWeise Johanniskraut wirkt, ist nichtbekannt. Bei schweren <strong>Depression</strong>ensollte es auf keinen Fall angewandtwerden.Nebenwirkungen | Es kann möglicherweisezu einer erhöhten Lichtempfindlichkeitder Haut kommen,eine sogenannte Phototoxizität sowiezu allergischen Hautreaktionen. DieseMedikamente weisen zudem starkeWechselwirkungen mit anderen Arzneimittelnauf, teilweise mit schwerwiegendenFolgen. So können oraleVerhütungsmittel wie die Antibabypillenicht wirken. Zusätzlich können mancheArzneimittel ihre Wirkung auchverstärken. Das bekannteste Beispielsind hier die Blut verdünnenden Medikamente,zum Beispiel Abkömmlingedes Wirkstoffes Cumarin.LithiumEine Sonderrolle spielt das Lithium.Lithiumsalze haben vielfältige Wirkungenauf biologische Prozesse in derZelle. Therapeutisch wird es vor allembei manischen Episoden innerhalb einerBipolaren Störung eingesetzt (sieheSeite 12). Es kann aber auch bei einerUnipolaren <strong>Depression</strong>, bei mangelnderWirksamkeit eines Antidepressivums,zusätzlich als „Wirkungsverstärker“ gegebenwerden. Vor allem wird es vorbeugendgegen das Wiederauftretensowohl manischer als auch depressiverPhasen (inklusive Selbsttötungsversuchen)eingesetzt.Nebenwirkungen | Mögliche unerwünschteWirkungen sind unter anderemZittern, Durchfälle und einebeeinträchtigte Schilddrüsenfunktion.Eine Besonderheit der Lithiumbehandlungist, dass sie über eine regelmäßigeKontrolle der Lithiumkonzentrationim Blut gesteuert werden muss. Dahersind bei dieser Therapie regelmäßigeBlutabnahmen notwendig,um dieLithiumkonzentration zu bestimmen.<strong>Depression</strong> | 39


Weitere Verfahren zur Behandlung einer <strong>Depression</strong>Neben den Antidepressiva und der Psychotherapiegibt es zusätzliche Maßnahmen,die bei geeigneten PatientenSymptome lindern helfen. Dazu zählendie Lichttherapie, der therapeutischeSchlafentzug und die Elektrokrampftherapie.LichttherapieBei der seltenen, saisonal bedingtensogenannten Winterdepression kannLicht als Therapieverfahren eingesetztwerden. Der Patient schaut täglich für30 bis 40 Minuten in eine Lichtquellevon 2.500 bis 10.000 Lux. Lux ist eineMaßeinheit für Helligkeit. Ein Vergleich:Ein Spaziergang bietet im Sommer circa10.000 Lux, hingegen an einem bewölktenWintertag nur 2.500 Lux. Etwa500 Lux wird durch die Beleuchtung ineinem Zimmer gespendet. Nachgewiesenist, dass auch über den Sehnervder Schlaf- Wach-Rhythmus angeregtsowie der Botenstoff Serotonin ausgeschüttetwird. Ein Spaziergang an einemsonnigen Wintertag bietet allerdings inunseren Breitengraden eine vergleichbareLichtzufuhr, wie die Lichttherapie sieeinsetzt. Zudem bedeutet ein Spaziergangzusätzlich noch Bewegung undfrische Luft. Höhensonnen, normaleZimmerlampen oder andere Leuchtenkönnen die spezifischen Lichttherapiegerätenicht ersetzen.Die Lichttherapie gehört in Deutschlandjedoch nicht zum Leistungsumfang dergesetzlichen Krankenkassen.Schlafentzug (Wachtherapie)Die Wachtherapie ist vor allem für Patientengeeignet, die unter einem ausgesprochenenMorgentief leiden. Auchbei mäßiger Medikamentenwirkungkann eine Wachtherapie durchaus aufeine Therapie verstärkend wirken.Bei der Wachtherapie, die meist stationärdurchgeführt wird, bleibt der Patient eineganze Nacht und den darauf folgenden40 | <strong>Depression</strong>


Tag wach. Selbst ein kurzes Nickerchenist nicht gestattet. Der Schlafentzug wirdim Allgemeinen mit anderen Verfahrenkombiniert. Der Grund: Die Symptomeder <strong>Depression</strong> können zwar gelindertwerden, sodass sich der Patient besserfühlt. Dieser Zustand hält allerdings nurein oder zwei Tage an. WiederholterSchlafentzug kann den Effekt jedochstabilisieren. Für viele Betroffene jedenfallsist es eine ermutigende Erfahrung,dass sich durch diese einfacheMaßnahme eine <strong>Depression</strong>, zumindestkurzfristig, durchbrechen lässt.Nebenwirkungen vorübergehende Gedächtnisstörungenzu erwähnen. Vieleschwer depressive Patienten empfindendieses Verfahren dennoch als sehrhilfreich.Die EKT wird in Deutschland nur imRahmen einer Krankenhausbehandlungdurchgeführt.Elektrokrampftherapie (EKT)Diese Therapieform wird nur bei schwerdepressiven Patienten angewandt, beidenen sich alle anderen Maßnahmenals wirkungslos erwiesen haben. InKurznarkose wird durch einen Stromimpulsein künstlicher Krampfanfall ausgelöst.Durch diese moderne, schonendeTechnik sind die Nebenwirkungen gering;acht bis zwölf Anwendungen im Abstandvon zwei bis drei Tagen sind meistausreichend. Neben dem allgemeinenNarkoserisiko sind als unerwünschte<strong>Depression</strong> | 41


Lese-EchoFrage 9:Welche Therapieformen werdenvorrangig bei einer <strong>Depression</strong>eingesetzt?a) Lichttherapieb) Psychotherapiec) Medikamentöse Therapied) WachtherapieFrage 11:Worin unterscheiden sich die verschiedenenAntidepressiva?a) In der Linderung der Symptomeb) In den Nebenwirkungenc) In der WirkweiseDie richtigen Antworten finden Sieauf Seite 49.Frage 10:Wie lange muss im Allgemeinenein Antidepressivum eingenommenwerden, bis die depressive Stimmungsich aufhellt?a) Zwei bis vier Tageb) Ein bis zwei Wochenc) Zwei bis vier Wochend) Vier bis sechs Wochene) Zwei bis vier Monate42 | <strong>Depression</strong>


Behandlungserfolg in Ihren Händen –TherapietreueDer Erfolg der Behandlung hängt maßgeblichvon Ihrer Bereitschaft und IhrerFähigkeit ab, von Anfang an konsequentan der vereinbarten Therapie festzuhalten.Das ist oft leichter gesagt als getan,weil sich verschiedene „Therapie-Hürden“in den Weg stellen, die es vielleichtauch Ihnen schwer machen, derTherapie die Treue zu halten.Die Therapie-HürdenGelähmter Wille | Eine <strong>Depression</strong> istmeist mit einer Art Sinnentleerung verbunden,die den Betroffenen lähmt,seinen Alltag in gewohnter Weise zubewältigen. Morgens aufzustehen, sichzu pflegen, die Wohnung für Einkäufeund Erledigungen zu verlassen, wird inder akuten Phase von vielen Betroffenenals eine fast unüberwindliche Hürdeempfunden. In dieser Gefühlslage kannauch das Wahrnehmen der vereinbartenGesprächstermine beim Arzt oder Psychotherapeutenund das regelmä ßigeEinnehmen einer Tablette als schwierigempfunden werden, zumal die Wirkungder Antidepressiva erst nach zwei bisvier Wochen spürbar wird. Auch diePsychotherapie benötigt eine gewisseZeit, bis eine erste Bes serung eintritt.Haben Sie Geduld | Stellen Siesich darauf ein, dass es einigeWochen, vielleicht auch Monate,dauert, bis alle Symptome verschwundensind. Vertrauen Siesich einem Angehörigen oderFreund an. Er kann Sie unterstützen,Sie an die tägliche Medikationerinnern und auch motivieren,Ihre Tabletten regelmäßig einzunehmenoder zur Psychotherapiezu gehen.Es ist wichtig, dass Sie aktiv bleiben,auch wenn Sie sich niedergeschlagenfühlen und Ihre Lebensfreude verlorenhaben. Wenn Sie sich völlig abkapseln,den ganzen Tag im Bett oder auf derCouch liegen, wird auch das Gehirnträge und verstärkt damit die <strong>Depression</strong>.Auch hier können verständnisvolleAngehörige und Freunde helfen. VersuchenSie gemeinsam einen für Siezumutbaren Tages- oder Wochenplanauszuarbeiten. Beginnen Sie mit kleinerenDingen, wie zum Beispiel täglichspazieren zu gehen. Je aktiver Siesind, umso wohler werden Sie sichfühlen und gleichzeitig feststellen,dass sich Ihre Stimmung und Ihr Allgemeinbefindenschrittweise bessern.<strong>Depression</strong> | 43


Angst vor den Medikamenten | VielePatienten scheuen die Einnahme vonMedikamenten; sei es aus der Angstvor Nebenwirkungen oder der Befürchtung,dass Medikamente, die auf diePsyche wirken (Psychopharmaka), dieseverändern können und süchtig machen.Diese Befürchtungen sind unbegründet.Die heute eingesetzten Medikamentewurden in verschiedenen wissenschaftlichenStudien umfangreich in Bezug aufihre Sicherheit und Wirksamkeit getestet.Die Studien weisen nach, dass Antidepressivaweder süchtig noch abhängigmachen und auch die Persönlichkeitnicht verändern.Auch moderne Antidepressiva habenNebenwirkungen, die aber gut bekanntund oft vorübergehender Natur sind.Falls Sie bestimmte Begleiterscheinungennicht tolerieren können, sollten Sieunbedingt Ihren Arzt ansprechen; Gleichesgilt für unerwartete Nebenwirkungen.Er wird dann mit Ihnen zusammenentscheiden, ob auf ein Medikament miteinem anderen Wirkstoff umgestelltwerden kann.Langzeittherapie | Täglich über Monateoder auch Jahre hinweg regelmäßigTabletten einzunehmen oder psychotherapeutischeGespräche zu führen,gelingt nur dann, wenn Sie vom Nutzenüberzeugt sind.Mit Blick auf die Langzeittherapie solltenSie bedenken, dass sich Ihre <strong>Depression</strong>über viele Monate schleichendund langsam entwickelt hat. Der Gesundungsprozessdauert ebenso lange.Wird die Therapie aber eigenständig,ohne ärztliche Rücksprache, abgebrochen,droht die Gefahr eines Rückfalls.Dies gilt besonders für den Abbruch derMedikamenteneinnahme.Gesundfühlfalle | Gerade dann, wennSie sich besser fühlen oder die Symptomeweitgehend verschwunden sind,besteht die Gefahr, dass Sie da und dorteine Tablette auslassen beziehungsweisevergessen oder die Einnahme bewusstgänzlich einstellen. Geschieht dies zu frühund ohne Rücksprache mit Ihrem Arzt,erhöht sich das Risiko, erneut depressivzu werden. Falls Sie sich völlig gesundfühlen, sollten Sie daher mit Ihrem Arztbesprechen, ob eine schrittweise Verringerungder Dosis zu diesem Zeitpunktschon vertretbar ist.Stellen Sie sich darauf ein, dass die Behandlungeiner ersten depressiven Episodeungefähr ein halbes bis zu einemganzen Jahr dauern wird. Bei Patienten,die schon Rückfälle erlitten haben, musseine Therapie, sei es medikamentösoder psychotherapeutisch, oft über Jahredurchgeführt werden (Langzeittherapie;siehe Abbildung 10, Seite 35).44 | <strong>Depression</strong>


Stumm sein | In unserer Leistungsgesellschaftschämen sich viele Patientenzuzugeben, dass sie depressiv sind. Dasheißt, dass viele Betroffene nicht überdie Erkrankung sprechen und sich nichttrauen, sich über ärztliche Hilfe zu informieren.Sprechen Sie darüber | GehenSie in Ihrem engeren FamilienundFreundeskreis offen mit IhrerKrankheit um und sprechen Siedarüber. Ihre Schweigsamkeitund Zurückgezogenheit wirdsonst möglicherweise dahingehendfalsch interpretiert, dassSie mit Ihrer Familie oder IhrenFreunden nichts mehr zu tun habenmöchten. Je offener Sie abermit Menschen Ihres Vertrauensüber Ihre <strong>Depression</strong> sprechen,umso mehr Verständnis und Hilfewird Ihnen sicherlich entgegengebracht.Auch wird es Ihnenleichter fallen, die Therapie einzuhalten,wenn Sie diese nicht versteckenmüssen.GUT ZU WISSEN!Aktiv sein | Durch regelmäßigesBewegen hellen Sie die Stimmung auf.Strengen Sie sich körperlich etwas an,so wird Ihr Gehirn stimuliert und eswird wacher. Nehmen Sie, am bestenmit anderen gemeinsam, die Aktivitätenauf, die Sie früher einmal gerne unternommenhaben – wie zum BeispielSpazierengehen, Walken, Radfahrenoder Schwimmen.Versuchen Sie Ihre sozialen Kontaktewieder aufzufrischen, auch das regt an:Tun Sie den ersten Schritt und rufeneinen Freund oder eine Freundin anund verabreden sich für gemeinsameAktivitäten ohne jeden Leistungsdruck.<strong>Depression</strong> | 45


Die Rolle der AngehörigenAuch Verwandte und Freunde können dabei helfen,die <strong>Depression</strong> zu überwinden.Eine <strong>Depression</strong> kann eine Partnerschaftund die Familie in erheblichem Umfangbelasten. Gesunde Menschen, die selbstnoch keine <strong>Depression</strong> durchlebt haben,können sich in keiner Weise vorstellen,was es bedeutet, depressiv zu sein. ImGegenteil, vielfach bekommen die Erkranktenzu hören, sie sollten sich gefälligstnicht so hängen lassen oder sichendlich zusammenreißen. Da depressivenMenschen genau dies nicht möglichist, werden mit solchen AussagenSchuldgefühle verstärkt und das ohnehingeschwächte Selbstwertgefühl nochmehr geschädigt.Verstehen könnenEs ist zunächst wichtig, Verständnis fürden Zustand des Betroffenen zu entwickeln.Zunächst gilt es zu verstehen, dasseine <strong>Depression</strong> keine vorübergehendeBefindlichkeitsstörung ist, sondern einesehr ernst zu nehmende Krankheit. Esist daher sehr wichtig, dass Sie sich alsAngehöriger umfangreich über das Weseneiner <strong>Depression</strong> und die Behandlunginformieren. Hierzu gehört auch,dass Sie den Betroffenen bei den Arztbesuchen,so oft es geht, begleiten.Wenn Sie sich ausreichend aufgeklärtfühlen, sind Sie besser in der Lage, denbetroffenen Freund oder Verwandtengeduldig und nachsichtig zu begleiten.Bedenken Sie auch immer, dass selbsteine behandelte <strong>Depression</strong> im Mittelvier Monate andauert.In kleinen Schritten aktivierenEine wesentliche Aufgabe des Angehörigenist es, dem Patienten Hoffnung zugeben und ihn in kleinen Schritten zuaktivieren. Dies wird unter Umständennicht ganz einfach sein, weil es demPatienten nicht am Wollen, sondern amKönnen mangelt. Auch hier ist Ihre Geduldgefragt. Unternehmen Sie gemeinsamDinge, die zunächst mit nur wenigAufwand verbunden sind und spenden46 | <strong>Depression</strong>


Lob, wenn es geklappt hat. ErmutigenSie ihn zum Beispiel, wenigstens einekleine Strecke spazieren zu gehen, Musikzu hören oder ein Museum, Theateroder Kino zu besuchen. Empfehlenswertsind vor allem die Aktivitäten, die ihmbereits vor der Erkrankung Freude undSpaß bereitet haben.Ortswechsel | Wenig hilfreich,sogar gefährlich ist es, einem Depressivenzu einem Ortswechsel,zum Beispiel im Rahmen einerUrlaubsreise, zu raten. Der Wechselder gewohnten Umgebungverstärkt meist nur die depressiveSymptomatik.Positive GesprächsführungBieten Sie dem Betroffenen immer wiederentlastende Gespräche an; ambesten verbunden mit einem Spaziergangin schöner Umgebung. Zeigen Siedabei Verständnis für dessen schwierigeSituation und Gefühle von Hilflosigkeit.Versichern Sie dem Angehörigenoder Freund, dass er sich auf Sie verlassenkann und Sie ihn im Rahmen derTherapie unterstützen. Geben Sie Hoffnung,dass er nach der Behandlung wiederganz „der Alte“ sein wird. Seien Sienicht frustriert, wenn der Betroffene indiesen Gesprächen Ihnen immer wiedermit seinen negativen Gedanken begegnet.Haben Sie Geduld.Therapietreue fördernVielen Patienten fällt es schwer, täglichüber einen langen Zeitraum hinwegMedikamente einzunehmen. Da aberAntidepressiva (siehe ab Seite 36) dieSymptome lindern können, sollten Sieden betroffenen Freund oder Verwandtenunterstützen, das Medikament regelmäßigeinzunehmen. Auch dann,wenn es ihm schon wesentlich bessergeht, achten Sie bitte mit darauf, dassdie Tabletten weiterhin regelmäßig eingenommenwerden (siehe Seite 44).Ebenso sollten Sie den Patienten ermuntern,die Gesprächstermine beimPsychotherapeuten wahrzunehmen.Sich selbst entlastenEinen depressiven Menschen zu versorgenoder zu begleiten, ist bisweilen sehrbelastend. Sie können aber nur dann einstarker Partner sein, wenn Sie sich immerwieder selbst „Pausen“ und einengewissen Abstand zum Erkrankten gönnen.Gehen Sie, ohne ein schlechtesGewissen zu haben, mit Freunden aus,treiben Sport oder verfolgen weiter IhreHobbys. Gelegentlich können Depressiveaber in ihrer Stimmung und ihremAntrieb so schwer beeinträchtigt sein,dass Partner und Familie überfordertund der Belastung nicht mehr gewachsensind. Für diese schwer erkranktenPatienten sollte eine professionelleBehandlung in einem dafür spezialisiertenKrankenhaus in Erwägung gezogenwerden. Ganz besonders gilt dies, wennder Patient Selbsttötungsabsichten injedweder Form äußert. Nehmen Siedies immer sehr ernst, auch wenn erschon häufiger darüber gesprochen hat.GUT ZU WISSEN!Kein guter Rat | Die gut gemeintenRatschläge, „sich mal zusammenzureißen“oder „mal auszuspannen“ sindkeine Hilfe.<strong>Depression</strong> | 47


Antworten zum Lese-EchoFrage 1 | Antwort c ist richtig.Gedanken, mit der „seelischen Talfahrt“endlich Schluss machen zu wollen, müssenSie, auch wenn sie nur kurz auftauchen,sehr ernst nehmen. Bitte vertrauenSie sich in diesem Fall unbedingt demMenschen an, der Sie Ihrer Meinungnach am besten aus der Krise führenkann. Das kann Ihr Arzt, Ihr Therapeut,ein guter Freund oder ein Angehörigersein. Treffen Sie eine Vereinbarung mitIhrem Vertrauten, dass Sie sich bei akutauftretendem Wunsch, aus dem Lebenscheiden zu wollen, mit ihm in Verbindungsetzen werden!Frage 2 | Antwort c ist richtig.Eine Dysthymia ist eine <strong>Depression</strong> mitabgeschwächten depressiven Symptomen.Die Betroffenen können zwarhäufig noch beruflich tätig sein oder ihrenAlltag bewältigen, fühlen sich aber, meistüber Jahre, erschöpft, freudlos und niedergedrückt.Frage 3 | Antwort b ist richtig.Eine Unipolare <strong>Depression</strong> ist durch ausschließlichdepressive Symptome, wieFreudlosigkeit, Energieverlust und Interessenlosigkeit,gekennzeichnet. DieseForm kann, unterschiedlich ausgeprägt,mehrfach im Leben auftreten und mehrereWochen oder Monate andauern.Frage 4 | Antworten b und d sind richtig.Wissenschaftler gehen heute davonaus, dass bei einer <strong>Depression</strong> in ersterLinie die Nervenbahnen eine Funktionsstörunghaben, welche die BotenstoffeSerotonin und Noradrenalin bei ihrerInformationsübertragung nutzen.Frage 5 | Antworten a, c und dsind richtigDie Botenstoffe Serotonin und Noradrenalinsind die Basis für konzentriertesDenken, Aufmerksamkeit und einengeregelten Schlaf-Wach-Rhythmus. Weitersteuern diese Botenstoffe unsereEmotionen und Stimmungslage.Frage 6 | Antworten a und b sind richtig.Nach heutiger Kenntnis liegt bei derEntstehung einer <strong>Depression</strong> einegestörte Funktion zweier wichtigerNervenfasersysteme im Gehirn undderen Botenstoffe, dem Noradrenalinund Serotonin, vor.Frage 7 | Antworten a, b und csind richtig.Bei einer leichten bis mittelgradigen<strong>Depression</strong> treten zwei dieser Hauptsymptome,bei einer schwergradigen<strong>Depression</strong> alle drei Hauptsymptome auf.48 | <strong>Depression</strong>


Frage 8 | Antworten a, c und dsind richtig.Nebensymptome dienen wie dieHauptsymptome zur Einteilung desSchweregrades einer <strong>Depression</strong>. WeitereNebensymptome sind: Konzentrationsschwierigkeiten,vermindertesSelbstwertgefühl, gehemmtes odergetriebenes Verhalten sowie Schlafstörungen.Frage 9 | Antworten b und c sind richtig.Frage 11 | Antworten b und c sind richtig.Antidepressiva sind unterschiedlich verträglich.Auch in der Wirkweise gibt esgewisse Unterschiede. So beeinflusseneinige Antidepressiva ein oder mehrereBotenstoffe, andere wiederum verlangsamenderen Abbau im Stoffwechsel.In der Linderung der Symptome, dasheißt in der Gesamtwirksamkeit, unterscheidensich die Substanzen nichtwesentlich.Die Symptome können durch die regelmäßige,längere Einnahme eines Antidepressivumserfolgreich gelindert werden.Auch psychotherapeutische Verfahren,oft kombiniert mit einem Medikament,können nachweislich helfen. Sie werdenin Kombination bei mittelschweren undschweren <strong>Depression</strong>en empfohlen.Licht- und Wachtherapien sind wenigerwirkungsvoll und werden daher nur alszusätzliche Verfahren eingesetzt.Frage 10 | Antwort c ist richtig.Antidepressiva benötigen meist etwazwei bis vier Wochen, bis die depressiveStimmung sich bessert. Dieser „Nachteil“hat einen entscheidenden Vorteil:Aufgrund des verlangsamten Wirkungseintrittsmachen Antidepressiva wedersüchtig noch abhängig.<strong>Depression</strong> | 49


Nützliche AnschriftenDeutsches Bündnis gegen<strong>Depression</strong> e. V.Klinik und Poliklinik für Psychiatrieder Universität LeipzigSemmelweisstraße 1004103 Leipzigwww.buendnis-depression.deinfo@buendnis-depression.dePsychotherapie-Informations-Dienst (PID)Am Köllnischen Park 210179 BerlinTelefon: 030 - 209 16 63-30Telefax: 030 - 209 16 63-16Telefonische Beratungszeiten:Montag: 10 bis 13:00 Uhr und16 bis 19:00 UhrDienstag: 10 bis 13:00 Uhr und16 bis 19:00 UhrMittwoch: 13 bis 16:00 UhrDonnerstag: 13 bis 16:00 Uhrwww.psychotherapiesuche.depid@dpa-bdp.deNAKOS Nationale Kontakt- undInformationsstelle zur Anregungund Unterstützung vonSelbsthilfegruppenWilmersdorfer Straße 3910627 BerlinTelefon: 030 - 31 01 89-60Telefax: 030 - 31 01 89-70www.nakos.deselbsthilfe@nakos.dePsychiatrienetz – Bundesverbandder Angehörigen psychischKranker (BApK)Oppelner Straße 13053111 Bonnwww.bapk.deBundesverband Psychiatrie-Erfahrener e. V.Wittener Straße 8744789 BochumTelefon: 02 34 68 70 55 52Telefax: 02 34 64 05 10 3www.bpe-online.de50 | <strong>Depression</strong>


NachwortWir hoffen sehr, dass wir Sie und IhreAngehörigen mithilfe der Broschüreausreichend informieren konnten. UnserZiel ist es, Sie zu motivieren, ärztlicheHilfe zu suchen, anzunehmen und demvorgeschlagenen Therapieweg treu zubleiben.Damit Ihnen dies gelingt, ist es sehrwichtig, dass Sie sich im Vorfeld derTherapie-Entscheidung gut aufklärenlassen und Sie alle noch offenstehendenFragen mit Ihrem Arzt abklären.Wir wünschen Ihnen eine baldige unddauerhafte Genesung.Checkliste wichtiger Fragen, die Sie noch mit Ihrem Arzt klären wollen:Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?Was sind die Vor- und Nachteile der verschiedenen Methoden?Bei Medikamenteneinnahme: Mit welchen Nebenwirkungenmuss ich rechnen?Können Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten auftreten,die zusätzlich eingenommen werden?Ab wann kann ich mit einer deutlichen Besserung rechnen?Wie lange dauert die Behandlung?Wie kann ich selbst zur Genesung beitragen?Wie können Partner und Familie helfen?Wie kann das Risiko verringert werden, nach einer Behandlungerneut zu erkranken?<strong>Depression</strong> | 51


Wir sind für Sie daSie haben Fragen rund um Gesundheitund Krankenversicherung?Das <strong>TK</strong>-ServiceTeam ist 24 Stundentäglich an 365 Tagen im Jahr für Sieerreichbar: Tel. 0800 - 285 85 85(gebührenfrei innerhalb Deutschlands)Selbstverständlich können Sie sichauch per E-Mail an uns wenden:service@tk.de<strong>TK</strong>-ÄrzteZentrumIm <strong>TK</strong>-ÄrzteZentrum sind rund 100Fachärzte für Fragen zur Gesundheitam Telefon: Tel. 040 - 85 50 60 60 60(365 Tage im Jahr, 24 Stunden täglich)InternetAusführliche Informationen rund umKrankenversicherung und Gesundheitfinden Sie auf: www.tk.deBesuchen Sie uns auch auf:10.4/014 11/2014

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