Propstei Wislikofen - Horizonte Aargau
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<strong>Horizonte</strong> | 24. Juni 2012<br />
Separation ist gestern<br />
In Aarau und Baden finden Gottesdienste mit Gebärdendolmetscher statt<br />
Foto: Roger Wehrli<br />
«Wichtig ist heute, allen Gemeindemitgliedern auf derselben Augenhöhe zu begegnen», erklärt Peter<br />
Schmitz-Hübsch, Gehörlosenseelsorger <strong>Aargau</strong> und Zürich.<br />
«Wenn in unserer Oberwinterthurer Gemeinde<br />
das Vaterunser gebetet wird, machen alle Gebärdensprache.<br />
‹Tanzende Hände› nennen wir<br />
das», sagt Peter Schmitz-Hübsch, katholischer<br />
Gehörlosenseelsorger <strong>Aargau</strong> und Zürich. Inzwischen<br />
hat diese Gemeinde sogar ein Liedrepertoire,<br />
das sie mitgebärdet, vom Kyrie bis<br />
zum Laudate omnes gentes. Das könnte auch<br />
bald in Aarau und Baden so sein: Denn auch<br />
dort wird der reguläre Gottesdienst von einem<br />
Gebärdendolmetscher für Gehörlose übersetzt.<br />
Hindernisfrei. Wegen Barrieren in der Gesellschaft<br />
und in der Kirche sind gehörlose<br />
Menschen bis anhin vor allem unter sich geblieben.<br />
Die Kirche hat ihnen speziell auf ihre<br />
Bedürfnisse zugeschnittene Gottesdienste<br />
Mit Gehörlosen feiern<br />
In Aarau und Baden finden neu monatlich<br />
Gottesdienste mit einem Gehörlosendolmetscher,<br />
einer Gehörlosendolmetscherin statt.<br />
Nächste Daten in Aarau: Sonntag, 15. Juli,<br />
10 Uhr, Kirche St. Peter und Paul und in Baden:<br />
Sonntag, 12. August, 10.30 Uhr, Stadtkirche.<br />
www.gehoerlosenseelsorgeag.ch<br />
angeboten. «Separation ist aber gestern», sagt<br />
Peter Schmitz-Hübsch. «Man will heute eine<br />
hindernisfreie Gemeinde.» Dies entspreche übrigens<br />
auch dem Markusevangelium, wo Jesus<br />
den Mann mit der verdorrten Hand auffordert:<br />
«Steh auf, und stell dich in die Mitte!» Die Katholische<br />
Landeskirche im <strong>Aargau</strong> unternimmt<br />
derzeit grosse Anstrengungen, dieser Botschaft<br />
nachzuleben. So hat die Frühjahrssynode ein<br />
Grundlagenpapier zur «Pastoral bei Menschen<br />
mit Behinderung» verabschiedet. Selbstermächtigung<br />
sowie Inklusion – Einbeziehung –<br />
spielen darin eine zentrale Rolle: «Behinderte<br />
möchten aus ihrer Identität geachtet sein und<br />
in ihrer Andersartigkeit dazugehören», erklärt<br />
Peter Schmitz-Hübsch. Vom paternalistischen<br />
Gottesbild in der Seelsorge habe man sich übrigens<br />
auch verabschiedet. Dieses habe die Haltung<br />
vermittelt: Da gibt es Arme, Bedürftige,<br />
um die man sich kümmern muss und zu denen<br />
man sich hinunterbeugt. «Wichtig ist heute, allen<br />
Gemeindemitgliedern auf derselben Augenhöhe<br />
zu begegnen», so Peter Schmitz-Hübsch.<br />
Einprägsam. Es tue einer Gemeinde gut, Elemente<br />
von Behindertengottesdiensten in ihre<br />
regulären Gottesdienste zu integrieren, findet<br />
Peter Schmitz-Hübsch. In seinen Gehörlosengottesdiensten<br />
verwendet er beispielsweise<br />
aargau<br />
Neue Fachstelle<br />
Zukünftig werden Menschen mit Behinderung<br />
immer mehr unter Menschen ohne Behinderung<br />
leben. Diese Betrachtung hat sich<br />
auch auf die kirchliche Arbeit übertragen.<br />
Dort wird von einer Theologie der Inklusion<br />
gesprochen. Das heisst, Menschen mit<br />
Behinderung bilden keine Sondergemeinde<br />
mehr, sondern sind Teil der Gemeinschaft.<br />
Um diese Entwicklung vorantreiben zu<br />
können, hat die Synode der Landeskirche<br />
beschlossen, ab 1. Januar 2013 eine neue<br />
Fachstelle für die Pastoral bei Menschen mit<br />
Behinderung zu schaffen. Sie ersetzt die bisher<br />
drei Angebote in diesem Arbeitsbereich.<br />
www.kathaargau.ch<br />
3 I<br />
gerne Bilder. So zeigte er kürzlich − um das<br />
Evangelium des guten Hirtens zu veranschaulichen<br />
− grossformatige Schwarzweissfotografien<br />
eines Schafhirten, der ein Lamm in seinen Armen<br />
trägt. Es folgte ein lebhafter Dialog um das<br />
bockige Schaf, das von der Herde weggelaufen<br />
war. «Bilder sprechen Menschen direkt an, und<br />
sie prägen sich ein», sagt Peter Schmitz-Hübsch.<br />
Bewegt. Gebärden vertieften die Botschaft<br />
ebenfalls. Peter Schmitz-Hübsch: «Die Gebärdensprache<br />
ist ja eine Körpersprache. Man muss<br />
sich bewegen, innerlich wie äusserlich. Das bricht<br />
auf und schafft Raum.» Noch stärker wirkten<br />
Rituale mit Bewegung. In eindrücklicher Erinnerung<br />
ist ihm ein Festgottesdienst in Oberwinterthur:<br />
Die Gemeindemitglieder zogen, von<br />
einem Dudelsackspieler begleitet, tanzend und<br />
Tücher schwenkend in die Kirche ein. «Das Herz<br />
war im Tanz beteiligt und sagte: Ich bin fröhlich<br />
und Jesus ist bei mir», so Peter Schmitz-Hübsch.<br />
Auf die Gottesdienste in Baden und Aarau mit<br />
dem Gehörlosendolmetscher freut er sich. «In<br />
den hörenden Gemeinden beginnt ein neues<br />
Bewusstsein zu reifen für einen selbstverständlicheren<br />
Umgang in der Pastoral bei Menschen mit<br />
Behinderung.» Es gehe um die Botschaft, dass<br />
alle Teile eines Leibes und einer Liebe Jesu Christi<br />
seien − und das ohne Barrieren. Iwona Eberle