Propstei Wislikofen - Horizonte Aargau
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<strong>Horizonte</strong> | 24. Juni 2012<br />
Nachhall ist spürbar<br />
Paul Steinmann, Autor des Landschaftstheaters zum Zweiten Villmergerkrieg<br />
Die Auseinandersetzungen zwischen den reformierten<br />
Orten Bern, Zürich und Waadt<br />
sowie den katholischen Gebieten Innerschweiz<br />
und St. Gallen steigerten sich am 25. Juli 1712<br />
zur Schlacht auf dem Langelenfeld<br />
zwischen Dottikon,<br />
Dintikon und Villmergen.<br />
Der brutal geführte Kampf<br />
forderte innert weniger<br />
Stunden mehrere Tausend Tote. 300 Jahre später<br />
soll der Zweite Villmergerkrieg «mit Chrüz<br />
und Fahne», dem Freiämter Landschaftstheater,<br />
wieder ins Bewusstsein gebracht werden.<br />
Energie. «Ich habe auf dieses Thema gewartet.»<br />
Paul Steinmann ist Villmerger, katholischer<br />
Theologe, Theaterschaffender. Seit zwanzig Jahren<br />
schon sammelte er in einer Mappe entsprechende<br />
Fakten. Als dann die Autoren-Anfrage<br />
von Szene Freiamt kam, konnte er die Puzzleteile<br />
zu einem vielschichtigen Ganzen zusammenfügen.<br />
Erinnerungen standen am Anfang von «mit<br />
Chrüz und Fahne». «Die Energie dieses Krieges<br />
ist noch immer da», ist der 56-Jährige überzeugt.<br />
«Sie lässt sich nicht überwinden mit Todschweigen<br />
oder Vergessen, sondern nur mit Erinnern»,<br />
erklärt der heute im Tösstal Wohnhafte.<br />
Foto: Roger Wehrli<br />
Überwinden<br />
geht nur mit Erinnern.<br />
Gegensätze. Also spielt das Landschaftstheater<br />
mit rund 80 Mitwirkenden zwischen<br />
Vergangenheit und Gegenwart, mit Nähe und<br />
Distanz, tönt wuchtig und klingt doch sanft.<br />
Dieses Zweipolige widerspiegelt<br />
sich in der Inszenierung.<br />
Im ersten Teil des<br />
Theaterabends stehen in<br />
kurzen Szenen, dargestellt<br />
rund ums Schloss Hilfikon, jene im Mittelpunkt,<br />
die am Krieg mitverdienten, über ihn<br />
berichteten, ihn erlitten. In der «Tagesschau»<br />
wird zum Beispiel eine Villmergerin interviewt,<br />
die die Schlacht erwartet. Sie spricht<br />
zwar aus der Not, dennoch klingen ihre Worte<br />
witzig. Infotainment, Information und Unterhaltung,<br />
nennt man dies im Medienjargon.<br />
Lautstark geht es in der Schlosskapelle zu und<br />
her. Dort tragen ein reformierter Pfarrer – übrigens<br />
gespielt von einem engagierten Katholiken<br />
– und ein Kapuzinerpater den religiösen<br />
Konflikt in aller Heftigkeit aus … und berufen<br />
sich dabei auf dieselbe Bibel und denselben<br />
Jesus. Theologe Paul Steinmann: «Die Unterschiede<br />
zwischen Reformiert und Katholisch<br />
sind eigentlich minim. Doch was sie auslösen,<br />
Paul Steinmann wuchs in Villmergen auf, war dort Ministrant und in der Jungwacht aktiv, später studierte<br />
er Theologie. Genauso nahe ist ihm die Theaterwelt. Als das verschmilzt nun im Landschaftstheater in<br />
Erinnerung an den Zweiten Villmergerkrieg.<br />
zoom<br />
mit Chrüz und Fahne<br />
«mit Chrüz und Fahne» ist eines der grössten<br />
Theaterprojekte, das je im Freiamt realisiert<br />
wurde. Verantwortlich für die Durchführung<br />
ist Szene Freiamt, die vom Kellertheater<br />
Bremgarten, dem Verein Kultur im Sternensaal<br />
Wohlen, der Theatergesellschaft Villmergen<br />
und Muri Theater getragen wird.<br />
Autor des Stücks ist Paul Steinmann, Regie<br />
führt Adrian Meyer. Gespielt wird «mit Chrüz<br />
und Fahne» vom 25. Juli bis 1. September<br />
2012 in Hilfikon. www.kreuz-und-fahne.ch.<br />
Historische Hintergrundinformationen zum<br />
Thema hat auch der Kanton <strong>Aargau</strong> zusammengetragen<br />
und online gestellt unter:<br />
www.ag.ch/gedenken1712<br />
5 I<br />
ist enorm.» Um diesen Zündstoff nicht erneut<br />
explodieren zu lassen, sind nach Ansicht von<br />
Paul Steinmann Gespräche über Religion noch<br />
heute Pflicht.<br />
Frieden. Im zweiten Teil des Landschaftstheaters<br />
taucht das Publikum mit ein in eine<br />
heutige Hochzeitsfeier. Die Braut stammt aus<br />
einer reformierten, der Bräutigam aus einer<br />
katholischen Familie. Das auch sonst nicht<br />
reibungsarme Fest wird immer wieder gestört.<br />
Als man den Lärm nicht mehr ignorieren kann,<br />
wird klar: Da draussen tobt die Schlacht; der<br />
25. Juli 1712 schwappt über in die Gegenwart;<br />
der Krieg von damals wird zum Krieg von<br />
heute. «Anscheinend ist es nicht möglich, alles<br />
mit Verhandlung oder Geld zu lösen. Gewalt<br />
ist eine Erscheinung der Veränderung. Fortschritt<br />
ist mit Schmerzen verbunden. Mobilität<br />
etwa gibt es auch nicht ohne Verkehrsunfälle»,<br />
bilanziert Paul Steinmann und ergänzt:<br />
«Genau so dazu gehört das Überwindende<br />
– Liebe und Hoffnung. Dazwischen bewegt<br />
sich das Leben.» So war denn eine Folge des<br />
Zweiten Villmergerkriegs der vierte Schweizer<br />
Landfrieden, der am 11. August 1712 in Aarau<br />
geschlossen wurde und die Basis für die Einführung<br />
der Religionsfreiheit in unserem Land<br />
legte. Carmen Frei