23.11.2012 Aufrufe

Sehr geehrter Herr Schönauer aus Ingolstadt, Ich antworte auf Ihren ...

Sehr geehrter Herr Schönauer aus Ingolstadt, Ich antworte auf Ihren ...

Sehr geehrter Herr Schönauer aus Ingolstadt, Ich antworte auf Ihren ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Sehr</strong> <strong>geehrter</strong> <strong>Herr</strong> Tobias <strong>Schönauer</strong><br />

Ihr Brief hat mich veranlasst mich an die schwere Zeit zu erinnern, die in<br />

meiner Jugend gekommen ist. Und Jugend, ist immer Jugend, auch später<br />

erinnert man sich an sie nicht so bitter, wie im Alter.<br />

Und heute, mit mehr als 80 Jahren, bin ich überrascht wie ich das Alles<br />

<strong>aus</strong>halten konnte, leben, lieben, alles vergessen und überleben konnte. Es<br />

zeigt sich: Der Mensch kann alles!<br />

<strong>Ich</strong> – D. E. N. 1923 geboren, Geburtsname B. Als der Krieg anfing lebten wir<br />

<strong>auf</strong> der Krim. Außer mir gab es in der Familie noch fünf Kinder, ich war die<br />

Älteste. 1942, Vater war an der Front, arbeitete ich mit meinen Schwestern,<br />

um irgendwie zu leben, als Taglöhner. Wir halfen bei der Obsternte. Dafür<br />

haben uns die Deutschen mit kostenlosem Mittagessen gefüttert 396 . Eines<br />

Tages kam ein Auto <strong>auf</strong> das Feld. Sie registrierten uns alle und befahlen uns,<br />

<strong>auf</strong> der Arbeitsburse zu erscheinen. Wir hatten Angst nicht zu gehorchen. Auf<br />

der Burse registrierten sie uns erneut und erklärten, dass wir nach<br />

Deutschland fahren müssen (sie haben nur die jungen Leute genommen).<br />

Sie transportierten uns in sehr überfüllten Güterwagons, <strong>auf</strong> der leeren<br />

Fläche. Die Tür war mit einem Vorhängeschloss zugesperrt. Im ganzen<br />

Wagon gab es nur zwei kleinere Fensterchen und es war Ende August 1942.<br />

Wir haben nur am Morgen und am Abend Halt gemacht, je 10 bis 15 Minuten<br />

in der leeren Steppe. In drei bis vier Tagen brachten sie uns in irgendein<br />

Städtchen und schickten uns in ein Bad. Nach dem Bad fuhren sie uns weiter,<br />

aber nicht lange. Sie haben uns <strong>aus</strong>geladen, Reihen gebildet und irgendein<br />

Mensch (Großgrundbesitzer) hat sich 20 Menschen <strong>aus</strong>gewählt, unter ihnen<br />

auch mich. Er brachte uns <strong>auf</strong> seinen Hof zur Kartoffelernte. Wir arbeiteten<br />

bei ihm zwei oder drei Wochen, schliefen <strong>auf</strong> Strohsäcken, aber sie haben<br />

uns gut gefüttert, drei mal am Tag. Wir arbeiteten viel und schwer ab 7 Uhr<br />

früh bis spät abends. Nachdem die Ernte eingebracht war, kam am Abend ein<br />

mit einer Plane abgedeckter LKW. Sie luden uns alle ein und fuhren los. Es<br />

hat geregnet, es war dunkel und kalt. Sie brachten uns ins Lager in der Stadt<br />

<strong>Ingolstadt</strong>. Das Lager war sehr groß, von allen Seiten mit einer hohen Mauer<br />

und Stacheldraht umzäunt. Sie brachten uns in einen großen Raum, in dem in<br />

Reihen Etagenbetten mit Matratzen und Kissen standen. Sie waren mit Stroh<br />

gefüllt und wir wohnten dort mit 70 Menschen. So bin ich also in ihre Stadt<br />

gekommen.<br />

Außer Russen, Ukrainern und anderen Sowjets gab es im Lager Polen,<br />

Tschechen, Jugoslawen, aber sie lebten getrennt von uns <strong>auf</strong> der anderen<br />

Seite.<br />

Jeden Tag haben uns Polizisten in eine Fabrik zur Arbeit geführt (<strong>Herr</strong> P. und<br />

Ludwig). In der Fabrik arbeiteten wir in den Werkstätten. <strong>Ich</strong> in der Werkstatt<br />

Nr. 36 beim Meister <strong>Herr</strong> F. Oberdirektor war <strong>Herr</strong> K. Wir arbeiteten 12<br />

Stunden am Tag an einer Drechselmaschine. Aus dem Raum zu gehen und<br />

sich frei <strong>auf</strong> dem Gelände der Fabrik zu bewegen, dazu hatten wir kein Recht<br />

ohne eine spezielle Erlaubnis.<br />

Wir bekamen drei mal am Tag Essen, aber es als Essen zu bezeichnen wäre<br />

sehr schwer. Zum Frühstück gab es Brei <strong>aus</strong> Rüben oder Mohrrüben, zum<br />

Mittagessen (wässrige) Suppe mit den gleichen Rüben und am Abend nicht<br />

viel Brot und Tee.<br />

109

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!