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Ausgabe 412 - wiku-online.at

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Interessantes aus unserer Region!Gasthof und Pension „Schwarzer Graf“Die Sensenschmiede waren in unsererRegion die wohlhabendstenHandwerker, im Volksmund wurden sie„schwarze Grafen“ genannt, obwohl keinervon ihnen wirklich in den Adelsstanderhoben worden war. Am 19. Juli h<strong>at</strong> dieneue Besitzerin, Frau Rebecca Kriftner, dieehemalige „Pension Scheer“ in Windischgarstenunter dem Namen „SchwarzerGraf“ neu eröffnet. Wenn man die vomletzten „schwarzen Grafen“ und ehemaligenBürgermeister von WindischgarstenFranz Schröckenfux bis 1550 dokumentierteGeschichte dieses Hauses verfolgt,dann h<strong>at</strong> das seine berechtigten Gründe.Das im vierten Viertel des Marktes undan der Straße „gegen den Stoder“ gelegeneHaus hieß ursprünglich „Klemblehen“.„Klemb“ könnte „klein“ bedeuten, ein „Lehen“war ein Hof mit einer bestimmtenGrundgröße. Diese Bezeichnung stammtaus dem Mittelalter, als die HerrschaftenGründe an die Bauern verliehen haben.Es gab die „Meierhöfe“ mit bis zu über 100Joch Grundfläche, sie wurden im Laufeder Zeit zu „Huben“ mit etwa 50 - 60 Jochund diese wieder zu „Lehen“ mit etwa25 – 30 Joch aufgeteilt. Um 1600 wardas „Klemblehen“ kein reiner Bauernhofmehr, sondern der damalige Besitzer warFleischhauer, Gastwirt und Handelsmann,für den Eigenbedarf betrieb er eine Landwirtschaft.Es ist überliefert, dass im Jahr1602 der spätere Sensenschmiedemeisteram „Mosserlinggraben“ (heute Fraitgraben)namens Wolf Moser in diesem Gasthaussein Hochzeitsmahl hielt. Das Haush<strong>at</strong>te also damals schon eine erste Beziehungzu einem „schwarzen Grafen“. ImJahr 1646 fiel das „Klemblehen“ zusammenmit mehreren Häusern des unterenMarktes einem großen Marktbrand zumJörg StrohmannOpfer, es wurde erst nach 1648 wiederaufgebaut. Ab dem Jahr 1652 betriebendie Besitzer des „Klemblehens“ das Glasergewerbe,der Name des Hauses ändertesich in der folgenden ca. 200 Jahredauernden Periode auf „Glaserhaus“. Derletzte Glasermeister am „Glaserhaus“überließ es etwa Mitte des 19. JH. gegeneine Leibrente dem sehr erfolgreichenSensenfabrikanten Franz de Paul Schröckenfuxvon Roßleithen. Dieser war fürseine Zeit sehr fortschrittlich und h<strong>at</strong>temehrere hohe Auszeichnungen erhalten:1857 von Kaiser Franz Josef I. für besondereVerdienste um Industrie, Gemeindeund Schule das „Goldene Verdienstkreuz“und 1873 bei der Weltausstellung in Wienfür die damals einzigen nach dem „DamaszenerVerfahren“ produzierten und dortausgestellten Sensen die „AllerhöchsteAnerkennung Sr. Majestät“. Im Jahr 1874übernahmen die Geschwister Franz undMaria Schröckenfux von ihrem V<strong>at</strong>er das„Glaserhaus“ und ließen es 1875 zu einerPension umgestalten: Stall und derHeuboden wurden zu Fremdenzimmernumgebaut, für Stall, Holzlage und Kellerließen sie ein Nebengebäude errichten.Nach dem Tode der Schwester Maria imJahr 1882 wurde Franz Schröckenfux Alleinbesitzerder Pension. Er h<strong>at</strong>te bei seinemV<strong>at</strong>er den Beruf „Essmeister“ erlerntund war so einer der letzten „schwarzenGrafen“. Durch seine guten Beziehungenzur Geschäftswelt und zu leitenden Politikernkamen mehrere einflussreiche Sommergästenach Windischgarsten. Im Juni1893 verbrachte der damalige FinanzministerDr. Ernst von Plener mitsamt seinerFamilie den Erholungsurlaub in der Pension,gleichzeitig hielt sich dessen V<strong>at</strong>er, derehemalige Finanzminister Dr. Ignaz vonPlener, mit Familie im Egglhof auf. FranzSchröckenfux nützte diese guten Beziehungenfür Windischgarsten, es gelangihm zusammen mit seinem Bruder Gottlieb,den Bau der Pyhrnbahn über St. Pankraz– Roßleithen – Windischgarsten undSpital nach Selzthal durchzusetzen. ImJahr 1900 wurde Franz Schröckenfux zumBürgermeister des Marktes Windischgarstengewählt. In seiner bis zu seinem Todam 2. Jänner 1917 dauernden Amtszeiterhielt der Markt viele bis heute wichtigeEinrichtungen: 1902 die „Kinderbewahranstalt“,1904 die elektrische Beleuchtung,1905 die Ortswasserleitung, 1906die Pyhrnbahn, 1909 ein Telefonnetz und1916 eine neue Volksschule. Für den Bauder Volksschule stellte Franz Schröckenfuxsogar eine Grundparzelle mit 1.924 m 2gr<strong>at</strong>is zur Verfügung! Auf dem Gebiet derHeim<strong>at</strong>forschung verdanken wir FranzSchröckenfux die 400 Seiten umfassendeund bis in das 16. JH zurückgehende Häuserchronikdes Marktes Windischgarstensowie auf 925 Seiten die „Geschichte derösterreichischen Sensenwerke und derenBesitzer“. Für letzteres Werk musste er inder gesamten Monarchie in 72 Pfarrenund Archiven forschen. Er verfasste aucheine Gemeindechronik, in welcher er diewichtigsten Ereignisse der Zeit von 1848bis 1917 niederschrieb. Für seine Verdienstewurde er 1912 vom Gemeinder<strong>at</strong>zum Ehrenbürger von Windischgarstenernannt. Helmut Eder ist ein Urgroßneffevon Franz Schröckenfux, er wohnt seiteinigen Jahren in Windischgarsten. Er h<strong>at</strong>eine Tafel anfertigen lassen, die an denverdienstvollen „schwarzen Grafen“ erinnertund nach der Fassadenrestaurierungam Haus angebracht wurde.Rebecca Kriftner undHelmut EderFoto:Farbenhaus AignerNr. <strong>412</strong> • 7/2013 WIKU 7

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