Editorial Informationen - Kassenärztliche Vereinigung Sachsen
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6<br />
Wir stellen vor<br />
Dr. med. Gisela S. Lange:<br />
Schreibende westdeutsche Augenärztin mit ostdeutschen Wurzeln<br />
Wer an einem 3. Oktober im badischen<br />
Stutensee am Grundstück der Augenärztin<br />
Dr. Gisela Lange vorbeikommt, dem weht<br />
auf dem Balkon neben der Deutschlandfahne<br />
auch die Flagge des Freistaates<br />
<strong>Sachsen</strong> entgegen. Die Hausherrin erzählt<br />
so manchem erstaunten Frager gern etwas<br />
über ihre alte Heimat und muss feststellen:<br />
„Nach 16 Jahren deutscher Einheit wissen<br />
viele immer noch herzlich wenig über die<br />
neuen Bundesländer.“<br />
Von <strong>Sachsen</strong> nach Süddeutschland<br />
Gisela Lange stammt aus Hohndorf (ca.<br />
4.000 Einwohner) bei Hohenstein-Ernstthal.<br />
Ihr Start ins Medizinerleben begann mit einer<br />
Anästhesieausbildung in Dresden. Später<br />
wechselte sie ins Augenfach, „einer<br />
Liebe auf den zweiten Blick“. Gemeinsam<br />
mit ihrem Gatten wagte die Jungärztin 1976<br />
die Flucht aus einem Land, in dem ihr vor allem<br />
die Reisefreiheit fehlte. Endgültig fand<br />
das Medizinerehepaar Lange schließlich in<br />
Süddeutschland eine neue Heimat, auch beruflich.<br />
In Karlsruhe arbeitete Gisela Lange<br />
zunächst an der Klinik als operierende Oberärztin.<br />
Inzwischen führt die stolze Mutter<br />
von drei Töchtern seit nun schon 25 Jahren<br />
eine Augenarztpraxis.<br />
„Feiertagsdekoration“ in Stutensee<br />
Schreiben für die Kinder<br />
Mit den Töchtern verbindet die heute<br />
60-jährige auch ihren Start als Schriftstellerin:<br />
„Ich habe ihnen etwas mitgeben wollen<br />
und deshalb mein erstes Buch geschrieben.“<br />
Im Jahr 2000 erschien „Die Geschichte vom<br />
kleinen Vögelchen“, u. a. mit Gedanken<br />
über die „wichtigen Dinge des Lebens“, wie<br />
Wahrheit, Hoffnung, Geduld, Zweifel und<br />
Tapferkeit. Die erste Auflage betrug 200<br />
Exemplare. Dann schrieb eine örtliche Zei-<br />
tung darüber, Patienten haben sich dafür<br />
interessiert... „Das alles hat mir den Mut<br />
gegeben weiter zu machen“, sagt eine Frau,<br />
die den Optimismus zu ihren Lebensmaximen<br />
zählt. 2002 folgte ein Buch über das<br />
noch heute geteilte Zypern: „Die Frauen<br />
von Paphos“. Bei diesem „Tagebuch einer<br />
Reise“ gab es ebenfalls einen speziellen<br />
„Anstoß“ zum Schreiben: „Ein Flüchtlingsboot<br />
durfte nicht anlanden und sank in einer<br />
Bucht. Das war für mich sehr dramatisch,<br />
weil ich selbst einmal geflohen bin.“<br />
Zu sächsischen Wurzeln zurück<br />
Mit der 2005 veröffentlichten Publikation<br />
„Spaziergänge um den Grünfelder Park“,<br />
kehrte die „Neubadenerin“ zu ihren sächsischen<br />
Wurzeln zurück. Sie beschreibt einfühlsam<br />
das in der alten Töpferstadt Waldenburg<br />
in der Nähe ihres Geburtsortes<br />
liegende Areal. Über eine der frühesten<br />
englischen Parkanlagen <strong>Sachsen</strong>s hinaus,<br />
lernt der Leser all jene Orte kennen, von<br />
denen sich Fürst Otto Carl Friedrich von<br />
Schönburg vor über 220 Jahren auf Reisen<br />
„als Parkschöpfer für Waldenburg“ inspirieren<br />
ließ. Dazu gehören u. a. Wörlitz und<br />
Machern bei Leipzig. „Es ist mir ein großes<br />
Anliegen, den Blick für meine Heimat mit<br />
meinen Büchern zu öffnen“, sagt Gisela<br />
Lange, die mit ihrer Familie regelmäßige<br />
Kontakte nach <strong>Sachsen</strong> pflegt.<br />
Gelungene, von ihr selbst geschossene Fotos<br />
illustrieren das Buch. Frau Dr. Lange<br />
geht mit ihren Texten oft „in die Tiefe“.<br />
Dabei verleugnet sie die Parallelen zum<br />
Fachgebiet als Ärztin nicht: „Das Auge ist<br />
ein kleines Organ und wir müssen sehr ins<br />
Detail gehen.“ Wann das nächste Buch<br />
kommt, weiß Gisela S. Lange noch nicht<br />
genau. „Letztendlich bleibt das Schreiben<br />
ein Hobby“, setzt die Inhaberin einer<br />
Augenarztpraxis mit durchschnittlich 1.200<br />
Patienten im Quartal Prioritäten.<br />
Gegen neue Grenzlinien<br />
Als niedergelassene Ärztin lehnt sie Budgetierung<br />
strikt ab und kritisiert „dass es noch<br />
nie so viel Bürokratie gab wie heute.“ Für<br />
die „Westärztin“, die aus dem Osten<br />
kommt, ist es „längst überfällig“, die immer<br />
noch unterschiedliche Honorierung zwischen<br />
Ost und West anzugleichen. Dies<br />
stellt für Gisela Lange nur ein Beispiel dar,<br />
Wir stellen vor<br />
„Manche Erinnerungen aus der Kindheit sind<br />
versunken wie ein Schatz im Meer, einzig die<br />
Angelrute des Zufalls bringt Vergessenes wieder<br />
ans Tageslicht,“… (aus „Spaziergänge…)<br />
dass im vereinten Deutschland noch längst<br />
nicht alles vernünftig zusammengewachsen<br />
ist. Ein vereintes Deutschland, endlich ohne<br />
Grenzen, findet der ehemalige „Republikflüchtling“<br />
wunderbar. Trotzdem warnt<br />
Frau Dr. Lange: „Wir haben keine Staatsgrenzen<br />
mehr, aber wir müssen aufpassen,<br />
dass nicht neue Grenzlinien gezogen werden,<br />
z. B. zwischen Alt und Jung, zwischen<br />
Schwarz und Weiß, zwischen Deutschen<br />
und Ausländern...“ Aber, Gisela S. Lange ist<br />
Optimistin von Haus aus. – KS –<br />
Gisela S. Lange in ihrer Praxis,<br />
ein Bild der Dresdner Künstlerin Leonore<br />
Adler erinnert an die alte Heimat<br />
KVS-Mitteilungen Heft 7-8/2006