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Kontakt und Einstellung zu Kindern mit Behinderung

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Pädagogische Hochschule Zentralschweiz<br />

<strong>Kontakt</strong> <strong>und</strong> <strong>Einstellung</strong><br />

<strong>zu</strong><br />

<strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong><br />

Eine empirische Untersuchung<br />

in integrativen <strong>und</strong> nicht integrativen Klassen<br />

Masterarbeit<br />

Studiengang Schulische Heilpädagogik 2008-11<br />

Verfasser:<br />

Michaela Allemann-Koch, Kirchbühlstrasse 28, 5630 Muri AG<br />

Anita Kalberer-Suter, Ulmenweg 3, 5503 Schafisheim AG<br />

Christian Sterchi, Klosterzelgstrasse 16, 5210 Windisch AG<br />

eingereicht am 14. Januar 2011<br />

bei<br />

Dr. Luciano Gasser<br />

Fachkern: Alltag <strong>und</strong> Wissenschaft


Abstract<br />

<strong>Kontakt</strong>möglichkeiten zwischen <strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> <strong>und</strong> ohne <strong>Behinderung</strong> im gemeinsamen Unterricht<br />

erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Vorurteile abgebaut bzw. verhindert werden <strong>und</strong> sich die<br />

soziale Stellung von <strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> in integrativen Regelklassen verbessert.<br />

Diese Arbeit überprüft die <strong>Kontakt</strong>hypothese sowie die Theorie sozialer Vergleichsprozesse <strong>und</strong><br />

untersucht <strong>mit</strong>tels Einzelinterviews <strong>Einstellung</strong>en, <strong>Kontakt</strong>häufigkeit, <strong>Kontakt</strong>qualität <strong>und</strong> den<br />

<strong>Kontakt</strong>wunsch von integrativ <strong>und</strong> nicht integrativ beschulten Kindergarten- <strong>und</strong> Primarschul-<br />

kindern im Kontext von fiktiv geschilderten schulischen, sozialen <strong>und</strong> sportlichen Ausschluss-<br />

situationen <strong>mit</strong> behinderten <strong>Kindern</strong>.<br />

Die Ergebnisse zeigen, unabhängig von der Schulform, eine hohe Bereitschaft von Primarschul-<br />

kindern, ein körperlich- bzw. geistig behindertes Kind in einer Gruppensituation ein<strong>zu</strong>schliessen.<br />

Bezüglich <strong>Kontakt</strong>häufigkeit <strong>und</strong> <strong>Kontakt</strong>qualität konnten keine nennenswerten Unterschiede<br />

- 1 -<br />

Abstract<br />

zwischen integrativen <strong>und</strong> nicht integrativen Klassen festgestellt werden. Primarschulkinder unter-<br />

scheiden in schulischen <strong>und</strong> sportlichen Settings deutlicher nach <strong>Behinderung</strong>sform als Kinder-<br />

gartenkinder. Mittelstufenkinder <strong>mit</strong> einem differenzierten <strong>Kontakt</strong>wunsch stellen ihre moralischen<br />

Überlegungen über die Gruppenziele. Bezüglich der Bedeutung von Fre<strong>und</strong>schaft lassen sich keine<br />

schlüssigen Aussagen machen.<br />

Schlüsselbegriffe: Soziale Stellung von <strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>, <strong>Einstellung</strong>en, Vorurteile,<br />

<strong>Kontakt</strong>hypothese, Theorie der sozialen Vergleichsprozesse, integrierte bzw. nicht integrierte Klassen,<br />

Ausschlusssituationen


Inhaltsverzeichnis<br />

- 2 -<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Erster Teil: Theorie...................................................................................................................3<br />

1 Einleitung.......................................................................................................................3<br />

2 Darstellung der inhaltlichen Problematik......................................................................6<br />

3 Soziale Stellung von behinderten <strong>Kindern</strong> in der Schule...............................................7<br />

4 Definition <strong>und</strong> Funktion von Vorurteilen......................................................................9<br />

4.1 Vorurteil........................................................................................................................10<br />

4.2 <strong>Einstellung</strong>en <strong>und</strong> Werte..............................................................................................13<br />

5 Konzepte <strong>zu</strong>r sozialen Interaktion...............................................................................15<br />

5.1 Die <strong>Kontakt</strong>hypothese als Mittel <strong>zu</strong>r Reduktion von Vorurteilen...............................15<br />

5.2 Empirische Bef<strong>und</strong>e <strong>zu</strong>r <strong>Kontakt</strong>hypothese................................................................18<br />

5.3 Auswirkungen von <strong>Kontakt</strong>erfahrungen......................................................................19<br />

5.4 Möglichkeiten <strong>zu</strong>r <strong>Einstellung</strong>sveränderung..............................................................20<br />

5.5 Fre<strong>und</strong>schaft als besondere Qualität von <strong>Kontakt</strong>......................................................23<br />

6 Die Theorie sozialer Vergleichsprozesse.....................................................................29<br />

6.1 Gegenüberstellung der <strong>Kontakt</strong>hypothese <strong>und</strong> der Theorie sozialer<br />

Vergleichsprozesse.......................................................................................................31<br />

Zweiter Teil: Empirische Untersuchung................................................................................34<br />

7 Vorgehen <strong>und</strong> Methoden.............................................................................................34<br />

7.1 Fragestellungen............................................................................................................34<br />

7.2 Stichprobe.....................................................................................................................38<br />

7.3 Forschungsinstrument.................................................................................................39<br />

7.4 Ablauf <strong>und</strong> Durchführung der Untersuchung.............................................................41<br />

8 Ergebnisse....................................................................................................................44<br />

9 Diskussion....................................................................................................................73<br />

9.1 Darstellung <strong>und</strong> Interpretation der Ergebnisse...........................................................74<br />

9.2 Schlussfolgerungen....................................................................................................100<br />

9.3 Folgerungen für die Praxis.........................................................................................102<br />

9.4 Kritische Anmerkungen <strong>zu</strong>r Methode........................................................................103<br />

9.5 Ausblick......................................................................................................................104<br />

Literaturverzeichnis...............................................................................................................105<br />

Dritter Teil: Anhang..............................................................................................................109<br />

Anhang A: Erhebungsinstrument...............................................................................................................110<br />

Anhang B: Verwendete Bilder <strong>zu</strong> den Interviews....................................................................................139<br />

Anhang C: Tabellenverzeichnis...................................................................................................................141<br />

Anhang D: Abbildungsverzeichnis.............................................................................................................144<br />

Anhang E: Untersuchungen E bis H.........................................................................................................145<br />

Anhang F: Interdependenz der unabhängigen Variablen.......................................................................159


Erster Teil: Theorie<br />

1 Einleitung<br />

- 3 -<br />

Erster Teil: Theorie<br />

Die Schule als Spiegelbild einer pluralistischen Gesellschaft steht vor grossen Herausforderungen.<br />

Wie soll die Schule der Zukunft aussehen? Die allgemeine Pädagogik <strong>und</strong> insbesondere auch die<br />

Heilpädagogik befinden sich in einem gesellschaftlichen <strong>und</strong> politischen Spannungsfeld. Befürworter<br />

der Integrationspädagogik sehen die Zukunft in einer Weiterentwicklung der traditionellen Schule <strong>zu</strong><br />

einer „Schule der Vielfalt“, basierend auf der Umset<strong>zu</strong>ng einer Pädagogik der Vielfalt, wie sie <strong>zu</strong>m<br />

Beispiel Annedore Prengel (2006) postuliert. Diese inklusive Pädagogik versteht sich „als Pädagogik<br />

der intersubjektiven Anerkennung zwischen gleichberechtigten Verschiedenen“ (Prengel 2006, S. 62).<br />

Sie sieht in der Verschiedenheit der Kompetenzen kein gr<strong>und</strong>sätzliches Problem, sondern eine<br />

Entwicklungschance für alle Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler.<br />

Johann Amos Comenius (1592-1670) hat seine im Jahr 1657 erstmals veröffentlichte pädagogische<br />

Hauptschrift <strong>mit</strong> den Worten „Die vollständige Kunst, alle Menschen alles <strong>zu</strong> lehren“ (Comenius,<br />

2007) untertitelt. Da<strong>mit</strong> hat er das Ziel einer inklusiven Pädagogik <strong>und</strong> Didaktik vermutlich erstmals<br />

„visionär“ umrissen. Auch Kinder <strong>mit</strong> körperlichen <strong>und</strong> geistigen <strong>Behinderung</strong>en sind primär<br />

Kinder <strong>mit</strong> ganz normalen Bedürfnissen <strong>und</strong> vielen Fähigkeiten. Eine wichtige Aufgabe für die<br />

Schule der Zukunft sehen Befürworter der Integrationspädagogik darin, Kinder <strong>zu</strong>m Zusammen-<br />

leben <strong>und</strong> <strong>zu</strong>r Mitgestaltung gemeinsamer Vorhaben <strong>zu</strong> befähigen <strong>und</strong> die gesellschaftliche Teilhabe<br />

aller <strong>zu</strong> ermöglichen.<br />

Diesen Bestrebungen stehen die Integrationskritiker gegenüber. Schlagworte, wie Heterogenität 1 ,<br />

Integration <strong>und</strong> Inklusion 2 , erregen die Gemüter <strong>und</strong> heizen Debatten in den Medien, in politischen<br />

Kreisen, in den Lehrerkollegien <strong>und</strong> in der Bevölkerung an. Nach wie vor ist die Angst vor der<br />

Verschiedenheit in Schulklassen gross, insbesondere in Be<strong>zu</strong>g auf die gemeinsame Erziehung <strong>und</strong> den<br />

Gemeinsamen Unterricht 3 von <strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> <strong>und</strong> ohne <strong>Behinderung</strong>. Sie scheint auch nicht durch<br />

Studien aus den Köpfen vertrieben werden <strong>zu</strong> können, die aufzeigen, dass durch die Integration von<br />

1 In dieser Arbeit wird die Heterogenität als die Verschiedenheit der Individuen in der Gruppe betrachtet. Sie zeigt sich im schulischen Alltag<br />

sowohl auf der körperlichen, sozialen, kulturellen, wie auch auf der kognitiven Ebene. Durch die Integration erfolgt eine gewünschte erhöhte Heterogenität,<br />

die „als bereichernd favorisiert“ gilt (Heinzel & Prengel, 2002, S. 11).<br />

2 Integrative Schulen versuchen, „das Leben <strong>und</strong> Lernen in der Gemeinschaft von behinderten <strong>und</strong> nicht behinderten Menschen <strong>zu</strong> ermöglichen<br />

<strong>und</strong> durch didaktische <strong>und</strong> methodische Massnahmen professionell <strong>zu</strong> unterstützen“ (B<strong>und</strong>schuh et al., 2007, S. 137). „Mit der Erklärung von Salamanca<br />

der UNESCO von 1994 hat der Begriff ,Inklusion’ Eingang in die internationale Diskussion um die Weiterentwicklung der Integration<br />

gef<strong>und</strong>en. ,Inklusive Schulen’ betonen die Einbindung in die Gemeinschaft <strong>und</strong> das Schulumfeld, sie sind barrierefrei, unterstützen die Zusammenarbeit<br />

auf allen Ebenen, haben ein gemeinsames Curriculum <strong>und</strong> treten für die Gleichhabechancen ein“ (B<strong>und</strong>schuh et al., 2007, S. 139).<br />

3 ,Gemeinsamer Unterricht’ ist in den letzten 30 Jahren <strong>zu</strong> einem Fachbegriff geworden, der in den folgenden Ausführungen beibehalten <strong>und</strong> gross<br />

geschrieben wird. Gemeint ist, Schüler <strong>mit</strong> <strong>und</strong> ohne <strong>Behinderung</strong> lernen gemeinsam in einer Integrationsklasse. Dieser Unterricht ist hoch differenziert<br />

<strong>und</strong> individualisiert <strong>und</strong> orientiert sich an Konzepten wie ,Projektunterricht’, ,Wochenplanunterricht’, ,Gesprächskreise’, ,freie Tätigkeit’,<br />

,Altersdurchmischung’, ,Lernen am gemeinsamen Gegenstand’ <strong>und</strong> letztlich auch einer übergeordneten demokratischen Pädagogik, die die Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler stückweise auch in die Planungsprozesse einbezieht (Heimlich, 2007).


- 4 -<br />

Einleitung<br />

<strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en die „begabten“ Mitschüler in ihrer Lernentwicklung, wie auch bezüglich<br />

sozialer <strong>und</strong> emotionaler Faktoren nicht benachteiligt werden (vgl. Bless & Klaghofer 1991, Bless 2007).<br />

In der schweizerischen Bildungspolitik steht diesen Befürchtungen der Anspruch der schulischen<br />

Integration gegenüber. Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren<br />

(EDK, 2007) hat an ihrer Jahresversammlung vom 25./26. Oktober 2007 in Heiden ein Konkordat<br />

<strong>zu</strong>r Sonderpädagogik verabschiedet <strong>und</strong> empfahl den Kantonen den Beitritt. Mit dem Beitritt von<br />

Basel-Stadt im Mai 2010 als 10. Kanton kam das Konkordat <strong>zu</strong> Stande. In der Zwischenzeit sind<br />

zwei weitere Kantone (BL <strong>und</strong> UR) beigetreten. Die EDK hat die Inkraftset<strong>zu</strong>ng für die Kantone,<br />

welche es ratifiziert haben, auf den 1. Januar 2011 festgesetzt. Das Konkordat bildet einen erstmals<br />

in dieser Form vorliegenden gesamtschweizerischen Rahmen für die Schulung von <strong>Kindern</strong> <strong>und</strong><br />

Jugendlichen <strong>mit</strong> besonderem Bildungsbedarf. In diesem Konkordat heisst es: „Integrative Lösungen<br />

sind separierenden Lösungen vor<strong>zu</strong>ziehen, unter Beachtung des Wohles <strong>und</strong> der Entwicklungs-<br />

möglichkeiten des Kindes oder des Jugendlichen sowie unter Berücksichtigung des schulischen<br />

Umfeldes <strong>und</strong> der Schulorganisation“ (Interkantonale Vereinbarung über die Zusammenarbeit im<br />

Bereich der Sonderpädagogik, Art 2; Gr<strong>und</strong>sätze, b).<br />

Dass eine Schule, die Heterogenität akzeptiert <strong>und</strong> als Chance für mehr Leistung <strong>und</strong> Gerechtigkeit in<br />

Schule <strong>und</strong> Gesellschaft versteht (Cloerkes, 2007), nicht einfach politisch verordnet werden kann, zeigt<br />

die jüngste Entwicklung im Kanton Zürich. Dort wurde das kantonale Sonderpädagogik-Konzept<br />

nach der Vernehmlassungsphase aufgr<strong>und</strong> ernüchternder Rückmeldungen durch die einzelnen Schulen<br />

im Juni 2010 <strong>zu</strong>rückgezogen. Die Ablehnung sei vor allem auf die Angst vor einer Überforderung der<br />

Schule <strong>und</strong> der Lehrpersonen <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>führen. Man tue sich vielerorts schwer <strong>mit</strong> der Umset<strong>zu</strong>ng des<br />

an sich unbestrittenen Integrationsgedankens in der Zürcher Volksschule (Bernet 2010).<br />

Die Integrationsforschung konnte in den letzten Jahren nachweisen, dass sich Kinder <strong>mit</strong> Lern-<br />

behinderungen in Be<strong>zu</strong>g auf schulische Kompetenzen in integrativen Klassen positiv entwickeln<br />

können (Bless 2007). Andererseits zeigen Studien <strong>zu</strong>r soziometrischen Stellung, dass diese Kinder<br />

meist wenig Akzeptanz <strong>und</strong> Wertschät<strong>zu</strong>ng von ihren Klassenkameraden ohne <strong>Behinderung</strong> erfahren<br />

<strong>und</strong> deshalb eher ausgeschlossen werden (Bless 2000, Eckhart 2006, Huber 2006). Genau dieser<br />

Aspekt, nämlich die Art <strong>und</strong> Weise des sozialen Umgangs, ist jedoch entscheidend, wenn es um die<br />

Bewertung von gelungener Integration geht.<br />

Hier setzt unsere Arbeit ein. Sie beschäftigt sich im Folgenden <strong>mit</strong> Fragestellungen <strong>zu</strong>r sozialen<br />

Interaktion zwischen <strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> <strong>und</strong> ohne <strong>Behinderung</strong> in verschiedenen Kontexten. Welche<br />

Faktoren beeinflussen das ein- oder ausschliessende Verhalten von <strong>Kindern</strong>? Sind es früh erworbene<br />

<strong>Einstellung</strong>en bzw. Stereotypen oder <strong>Kontakt</strong>erfahrungen? Wie konstruieren sich Kinder subjektive


- 5 -<br />

Einleitung<br />

Wirklichkeiten, wenn sie in schulischen, sportlichen oder die Freizeit betreffenden Situationen vor<br />

die Entscheidung gestellt werden, ob alle gleich <strong>zu</strong> behandeln sind (Ausschluss ist unfair) oder ob<br />

der Anspruch besteht, dass die Gruppe gut funktioniert <strong>und</strong> die persönlichen Ziele erreicht werden?<br />

Unterscheidet sich dabei das Ausschlussverhalten in Be<strong>zu</strong>g auf verschiedene <strong>Behinderung</strong>sformen<br />

(geistig bzw. körperlich)? Unterscheidet sich an Schweizer Schulen die Integrationsbereitschaft von<br />

<strong>Kindern</strong> verschiedener Altersstufen (Kindergarten, Unter- <strong>und</strong> Mittelstufe) in integrativ bzw. nicht<br />

integrativ beschulten Klassen? Welche spezifischen <strong>Kontakt</strong>erfahrungen wirken sich auf die <strong>Einstellung</strong><br />

der Kinder gegenüber Kameraden <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en aus? Lassen sich aus den Erkenntnissen<br />

Folgerungen für die Praxis ziehen?<br />

Die vorliegende Arbeit ist eingebettet in ein vom Schweizerischen Nationalfonds finanziertes<br />

Forschungsprojekt, das am Institut für Schule <strong>und</strong> Heterogenität (ISH) der Pädagogischen Hoch-<br />

schule Luzern unter dem Titel „Entwicklung moralischer Urteile <strong>zu</strong>m Ausschluss behinderter<br />

Kinder in integrativen <strong>und</strong> nicht integrativen Schulklassen” durchgeführt wird 4 .<br />

Wir verwenden normalerweise die Formulierung „Kinder <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>“, da sie uns geeignet<br />

erscheint, um aus<strong>zu</strong>drücken, dass die <strong>Behinderung</strong> ein Merkmal <strong>und</strong> nicht die ganze Person meint.<br />

Wenn stellenweise doch von behinderten <strong>Kindern</strong> gesprochen wird, erfolgt dies aus Gründen der<br />

besseren Lesbarkeit.<br />

Aus demselben Gr<strong>und</strong> wird mehrheitlich die männliche Form verwendet, die weibliche Form ist<br />

selbstverständlich <strong>mit</strong> eingeschlossen.<br />

Bei der verwendeten Literatur haben wir uns vor allem auf deutschsprachige Publikationen <strong>und</strong><br />

Forschungen konzentriert.<br />

4 Näheres <strong>zu</strong>m Forschungsprojekt siehe unter: www.fe.luzern.phz.ch/ish/ish-projekte/umgang-<strong>mit</strong>-heterogenitaet-in-schule-<strong>und</strong>unterricht/entwicklung-moralischer-urteile-<strong>zu</strong>m-ausschluss-behinderter-kinder-in-integrativen-<strong>und</strong>-nicht-integrativen-schulklassen/


2 Darstellung der inhaltlichen Problematik<br />

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in drei Teile:<br />

- 6 -<br />

Darstellung der inhaltlichen Problematik<br />

• Erörterung der theoretischen Gr<strong>und</strong>lagen <strong>zu</strong>r sozialen Stellung von behinderten <strong>Kindern</strong> in der<br />

Schule, <strong>zu</strong>r Vorurteilsproblematik <strong>und</strong> <strong>zu</strong>r sozialen Interaktion (Kapitel 3 bis 6).<br />

• Empirische Untersuchung <strong>mit</strong>tels Einzelinterviews <strong>zu</strong> moralischen Urteilen in Ausschluss-<br />

situationen, <strong>zu</strong> <strong>Kontakt</strong>en zwischen behinderten <strong>und</strong> nicht behinderten <strong>Kindern</strong> allgemein,<br />

sowie <strong>zu</strong> ihrer <strong>Einstellung</strong> [<strong>Kontakt</strong>wunsch] (Kapitel 7).<br />

• Anhang: Erhebungsinstrument, Untersuchungen <strong>zu</strong> Emotions<strong>zu</strong>schreibung / Empathie /<br />

Wissen / <strong>Kontakt</strong>wunsch, Interdependenz der unabhängigen Variablen sowie Verzeichnisse<br />

der Tabellen <strong>und</strong> Abbildungen<br />

Wie bereits in der Einleitung angesprochen, stehen den Befürwortern integrativer Schulungsformen<br />

diejenigen gegenüber, die die Integration von <strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en ablehnen. Maikowski <strong>und</strong><br />

Podlesch (2002) führen dies auf die weit verbreiteten Vorurteile gegenüber Menschen <strong>mit</strong> geistiger<br />

<strong>Behinderung</strong> <strong>zu</strong>rück. Im ersten Teil der theoretischen Ausführungen werden deshalb die Entstehung<br />

<strong>und</strong> Bedeutung von <strong>Einstellung</strong>en, Vorurteilen <strong>und</strong> Stereotype im Allgemeinen erörtert.<br />

In einem zweiten Schritt werden kontakttheoretische Überlegungen angestellt. Gr<strong>und</strong>lage dieser<br />

Ausführungen sind Konzepte <strong>zu</strong>r sozialen Interaktion. Es wird aufgezeigt, wie sich Allports einfache<br />

<strong>Kontakt</strong>hypothese (1954, deutsche Überset<strong>zu</strong>ng 1971) im Laufe der letzten Jahrzehnte innerhalb der<br />

sozialpsychologischen Forschung entwickelt hat (Aronson et al. 2004) <strong>und</strong> welche Bedeutung diese<br />

Erkenntnisse für die Praxis der Zukunft haben könnten.<br />

Im Gegensatz da<strong>zu</strong> steht die Theorie sozialer Vergleichsprozesse von Festinger (1954), die von Frey<br />

et al. (2001) erweitert wurde. Sie fokussiert die Anpassungsprozesse des Individuums bezüglich einer<br />

Gruppe. Ziel des Vergleichs ist die Verringerung der Diskrepanz zwischen sich <strong>und</strong> der Gruppe.<br />

Sollte dies nicht gelingen, resultiert der Ausschluss aus der Gruppe.<br />

In unserer empirischen Untersuchung wird unter anderem analysiert, inwiefern eine Gruppenziel-<br />

vorgabe (eine gute Note erreichen, beim Seilziehen gewinnen, im Zirkus möglichst viel Spass haben)<br />

eine Rolle spielt, ob ein behindertes Kind in die Gruppe aufgenommen wird oder nicht.


- 7 -<br />

Soziale Stellung von behinderten <strong>Kindern</strong> in der Schule<br />

3 Soziale Stellung von behinderten <strong>Kindern</strong> in der Schule<br />

Soziale Integration von <strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> in inklusiven <strong>und</strong> integrativen Schulen<br />

Die amerikanische Hirnforscherin Naomi Eisenberger stellte in ihren Studien fest, dass soziale<br />

Ausgren<strong>zu</strong>ng <strong>und</strong> körperlicher Schmerz neurologisch im Zusammenhang stehen: „Wer beim Sport<br />

(dort Ballspiel) von seinen Mitspielern ignoriert wird, ,fühlt’ dies in der gleichen Hirnregion (dem Gyrus<br />

cinguli), in der auch körperlicher Schmerz repräsentiert <strong>und</strong> realisiert wird“ (zit. nach Huber, 2006, S. 11).<br />

Die soziale Integration in der Schule hat demnach für das Wohlbefinden aller Kinder eine zentrale<br />

Bedeutung <strong>und</strong> es besteht weitgehend Konsens darüber, dass die Entwicklung eines positiven Sozial-<br />

verhaltens ein zentrales pädagogisches Ziel ist. Heterogene Lerngruppen bieten eine Vielfalt von<br />

Lernanregungen <strong>mit</strong> sozialen <strong>und</strong> emotionalen Entwicklungsanreizen.<br />

„Der gemeinsame Unterricht von <strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> unterschiedlichen Lern- <strong>und</strong> Leistungsvorausset<strong>zu</strong>ngen<br />

hat in den vergangenen Jahren <strong>zu</strong> Kontroversen geführt. Befürchtungen <strong>und</strong> Erwartungen stehen<br />

sich diametral gegenüber“ (Eckhart, 2006, S. 162). Einerseits gibt es Untersuchungen <strong>zu</strong>r sozio-<br />

metrischen Stellung von <strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> <strong>und</strong> ohne <strong>Behinderung</strong>en in inklusiven Schulen. Die deutsche<br />

Integrationspädagogik sucht im internationalen Zusammenhang den Anschluss an das von Boban<br />

<strong>und</strong> Hinz (2005) entwickelte Konzept der Inklusion, das eine Weiterentwicklung des integrativen<br />

Ansatzes darstellt. Maikowski <strong>und</strong> Podlesch (1988) haben beispielsweise in der Fläming-Gr<strong>und</strong>schule<br />

Berlin 5 während dreier Jahre in drei Integrationsklassen eine soziometrische Befragung durchgeführt.<br />

Im Vergleich <strong>zu</strong> integrativen Regelklassen verfügten die behinderten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler an<br />

der Fläming-Gr<strong>und</strong>schule Berlin über ein dichteres soziales Beziehungsnetz. Obwohl sie anfänglich<br />

eine weniger gute Statusposition hatten, veränderte sich die Stellung von Jahr <strong>zu</strong> Jahr positiv. Auch<br />

ausserhalb der Schule kam es <strong>zu</strong> vermehrten Freizeitkontakten.<br />

Andererseits stehen Ergebnisse aus der Schweizer Nationalfonds-Untersuchung „IntSep“ 6 (Eckhart, 2006)<br />

diesen Bef<strong>und</strong>en gegenüber. Sie zeigen, dass sich im integrativen Unterricht tolerantes Verhalten<br />

<strong>und</strong> ein wertschätzendes Zusammenleben nicht automatisch entwickeln. Im Gegenteil: Gr<strong>und</strong>schul-<br />

kinder <strong>mit</strong> Schulleistungsschwächen werden von ihren Mitschülern häufig abgelehnt, stehen so<strong>mit</strong><br />

am Rand des sozialen Klassengefüges. Wenn Kinder sowohl Schulleistungsschwächen als auch<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong> haben, verschlechtert sich die soziometrische Stellung <strong>zu</strong>sätzlich. Zwar<br />

werden schulleistungsschwache Kinder auch in der Schweiz immer häufiger integriert unterrichtet,<br />

5 Inklusive Schule besonderer pädagogischer Prägung <strong>mit</strong> Gemeinsamem Unterricht von behinderten <strong>und</strong> nichtbehinderten <strong>Kindern</strong>.<br />

6 Zu IntSep siehe: www.unifr.ch/spedu/uploads///dokumente/forschung/projektesnf/intsep%20ueberblick.pdf


- 8 -<br />

Soziale Stellung von behinderten <strong>Kindern</strong> in der Schule<br />

doch wirklich „integriert” sind sie nicht, denn „eine echte Integration in Be<strong>zu</strong>g auf ihre sozialen<br />

Beziehungen scheint (…) vielerorts ausser Reichweite“ (Eckhart, 2005, S. 180).<br />

In einem umfassenden Überblick von Bless (2000) wurden die oben erörterten Bef<strong>und</strong>e <strong>zu</strong>r sozio-<br />

metrischen Stellung bestätigt. Eine weitere Bestätigung findet sich in einer deutschschweizerischen<br />

Untersuchung von Haeberlin et al. (1999). Ebenfalls kritisch beleuchtet Huber (2006) die soziale<br />

Stellung von behinderten Schülern in einer aktuelleren empirischen Untersuchung <strong>zu</strong>r sozialen<br />

Integration von Schülern <strong>mit</strong> sonderpädagogischem Förderbedarf (SFB) im Gemeinsamen Unter-<br />

richt. Er kommt in seiner Evaluationsstudie <strong>zu</strong>m Schluss, „dass die Wirkung des Gemeinsamen<br />

Unterrichts auf die soziale Integration von Schülern <strong>mit</strong> SFB nicht so eindeutig <strong>zu</strong> sein scheint, wie<br />

es die Bef<strong>und</strong>e deutscher Schulversuche <strong>und</strong> die integrationspädagogische Theoriebildung vermuten<br />

lassen“ (Huber, 2008, S. 12).<br />

Was lässt sich dieser eher ernüchternd stimmenden Bilanz entgegenstellen? Was verhindert denn die<br />

wertschätzende Kooperation zwischen den <strong>Kindern</strong> innerhalb einer Lerngruppe, wie sie eine Schul-<br />

klasse darstellt? Krampen (1993, S. 130) hält in seinem Forschungsüberblick fest: „Unterricht in<br />

heterogenen Gruppen erhöht die <strong>Kontakt</strong>möglichkeiten zwischen unterschiedlichen Schülern <strong>und</strong><br />

kann im Laufe der Zeit <strong>zu</strong> einem Abbau von Vorurteilen <strong>und</strong> anderen Interaktionsbarrieren führen,<br />

bzw. deren Entstehung verhindern helfen“.<br />

Bevor <strong>Kontakt</strong>möglichkeiten thematisiert werden, setzen wir uns im folgenden Kapitel <strong>mit</strong> Vorurteilen,<br />

<strong>Einstellung</strong>en <strong>und</strong> Werten auseinander.


4 Definition <strong>und</strong> Funktion von Vorurteilen<br />

- 9 -<br />

Definition <strong>und</strong> Funktion von Vorurteilen<br />

Wer möchte nicht gerne „vorurteilsfrei“ an Menschen <strong>und</strong> Dinge herangehen, in der inneren<br />

Überzeugung, dass Vorurteile einseitig, falsch <strong>und</strong> unfair sind? Vorurteile gehören <strong>zu</strong>m Leben. Für<br />

die amerikanischen Sozialpsychologinnen Werth <strong>und</strong> Mayer (2008) sind Vorurteile keineswegs nur<br />

schlecht, sie sind sogar notwendig. Das Wort „Vor-Urteil“ sagt es schon, dass es bereits in unserem<br />

Gedächtnis gespeicherte <strong>und</strong> da<strong>mit</strong> schnell abrufbare Urteile sind, die erlauben, Informationsver-<br />

arbeitung <strong>zu</strong> vereinfachen. „Wir müssen über Dinge, die vermutlich auf die grosse Mehrheit einer<br />

Gruppe <strong>zu</strong>treffen (z. B. dass die meisten Menschen in England englisch sprechen), nicht bei jeder<br />

Begegnung wieder neu nachdenken, um <strong>zu</strong> entscheiden, wie wir beispielsweise unser Gegenüber<br />

ansprechen sollen. Wir brauchen nur das Vor-Urteil ab<strong>zu</strong>rufen. Unter Zeitdruck oder bei hoher<br />

Komplexität des Sachverhalts ist dies besonders nützlich“ (Werth & Mayer 2008, S. 378).<br />

Dass der Begriff des Vorurteils trotz der oben ausgeführten positiven Aspekte für die psychische<br />

Ökonomie auch eine äusserst negativ behaftete Seite hat, hängt da<strong>mit</strong> <strong>zu</strong>sammen, dass die Konsequenzen<br />

von Vorurteilen äusserst verheerende Folgen haben können. Sie reichen beispielsweise vom Hass <strong>und</strong><br />

der Benachteiligung oder Verfolgung von Fremdgruppen (z.B. Schwarze in USA in den 50-er-Jahren)<br />

bis hin <strong>zu</strong>m Völkermord an den Armeniern Anfang des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts, den Juden im zweiten<br />

Weltkrieg, den Tutsi <strong>und</strong> Hutu 1994 in Ruanda <strong>und</strong> dem Massaker von Srebrenica 1995.<br />

Auch Diskriminierungen im Alltag können für den einzelnen Menschen materielle Nachteile <strong>und</strong><br />

psychische Folgen haben. Die soziale Ungerechtigkeit betrifft <strong>zu</strong>m Beispiel Ausländer, Behinderte<br />

oder Übergewichtige, sei es im Berufsleben wie auch in der Schule.<br />

Die Tatsache, dass in unserer Leistungsgesellschaft Menschen <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en nicht den sozialen<br />

Normen entsprechen, beeinflusst die <strong>Einstellung</strong>en ihrer einzelnen Mitglieder. Cloerkes (2007) sieht<br />

die Reduzierung sozialer Teilhabe von Menschen <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en als Konsequenz einer Gesellschaft,<br />

die sich ausschliesslich am Ges<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Vollhandlungsfähigen orientiert. Wertvorstellungen einer<br />

Gesellschaft bestimmen demnach <strong>Einstellung</strong>en <strong>und</strong> Verhaltensweisen.<br />

Cloerkes fasst verschiedene Studienergebnisse der letzten 30 Jahre <strong>zu</strong>sammen <strong>und</strong> kommt <strong>zu</strong>m Schluss,<br />

dass die Art der <strong>Behinderung</strong> sowie die kulturell bedingte soziale Reaktion den grössten Einfluss auf<br />

die <strong>Einstellung</strong>en <strong>und</strong> das Verhalten haben. An dieser Stelle ist an<strong>zu</strong>merken, dass Cloerkes dem<br />

Nutzen von <strong>Einstellung</strong>sstudien kritisch gegenübersteht, weil seiner Meinung nach die unterschied-<br />

lichen Ebenen der <strong>Einstellung</strong> <strong>und</strong> des tatsächlichen Verhaltens in den verschiedenen Studien teilweise<br />

vermischt würden. Er plädiert für eine strikte Trennung zwischen dem, was sich in den Köpfen<br />

abspielt (<strong>Einstellung</strong>, Vorurteil, Wert, Stigma) <strong>und</strong> der Ebene des gezeigten Verhaltens. Er sieht nur<br />

einen begrenzten Zusammenhang zwischen den beiden Ebenen <strong>und</strong> dieser erlaube keine Vorhersagen.


- 10 -<br />

Definition <strong>und</strong> Funktion von Vorurteilen<br />

In Untersuchen <strong>zu</strong> Vorurteilen gegenüber <strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en von Helmut v. Bracken (1981)<br />

zeigte sich, dass grosse Teile der Bevölkerung die geistige <strong>Behinderung</strong> für die schwerste halten, die<br />

jemand treffen kann. Viele Menschen reagieren <strong>mit</strong> Entsetzen, Angst <strong>und</strong> Abscheu auf geistig<br />

Behinderte. Es kann sogar so weit gehen, dass Menschen der Auffassung sind, es sei besser, dass<br />

Geistigbehinderte früh sterben. In den letzten 30 Jahren wurden viele weitere Untersuchungen<br />

gemacht. Klauss (1996) stellte Mitte der 90-er Jahre fest, dass sich das Wissen über <strong>Behinderung</strong>en<br />

in der Zwischenzeit verändert hat. Die Auffassung, dass Menschen <strong>mit</strong> geistiger <strong>Behinderung</strong> früh<br />

sterben sollen, wird nun <strong>zu</strong>rückgewiesen. Wocken (2000) stellt dem gegenüber, dass weiterhin mehr<br />

als 50% der Befragten an diesem Paradigma festhalten, obwohl bereits mehr als 75% die gemeinsame<br />

Beschulung von <strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> <strong>und</strong> ohne geistige <strong>Behinderung</strong> befürworten. Er kommt aufgr<strong>und</strong><br />

dieser Ergebnisse <strong>zu</strong>m Schluss, dass Ambivalenz das vorherrschende Merkmal darstelle, also weder<br />

krasse Behindertenfeindlichkeit noch gewachsene Behindertenfre<strong>und</strong>lichkeit aus<strong>zu</strong>machen sei.<br />

Cloerkes kommentiert dieses Fazit <strong>mit</strong> folgendem Statement: „Das kann man nun als Teil-Entwarnung<br />

angesichts verbreiteter Befürchtungen vor einer ,neuen Behindertenfeindlichkeit’ werten oder<br />

auch – bei Skepsis gegenüber Methoden der <strong>Einstellung</strong>sforschung – als enttäuschend, wenn man<br />

die vergleichsweise hohe öffentliche Aufmerksamkeit in Rechnung stellt, die Behindertenfragen<br />

heute <strong>zu</strong>kommt“ (Cloerkes, 2007, S. 106).<br />

Die Bedeutsamkeit des Wissens darüber, was Vorurteile genau sind, wie sie entstehen, wie <strong>und</strong> wann<br />

sie <strong>zu</strong>r Anwendung kommen <strong>und</strong> was sie aufrechterhält, scheint zentral, um als Heilpädagoginnen <strong>und</strong><br />

Heilpädagogen, Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer, wie auch als Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler verantwortungsvoll<br />

<strong>mit</strong> den eigenen Vorurteilen um<strong>zu</strong>gehen <strong>und</strong> der Diskriminierung wirksam <strong>zu</strong> begegnen. Es muss<br />

davon ausgegangen werden, dass dies ein komplexes Unterfangen ist, über lange Zeiträume angelegt<br />

sein muss <strong>und</strong> neben der Hoffnung auf echte Anerkennung <strong>und</strong> Gleichberechtigung auch ein<br />

mögliches Scheitern dieses Vorhabens <strong>mit</strong> einbezieht.<br />

4.1 Vorurteil<br />

Vorurteile können sowohl positiv als auch negativ konnotiert sein. Im Grossteil der Fälle wird der Begriff<br />

allerdings für negative <strong>Einstellung</strong>en gegenüber Fremdgruppen verwendet. Markowetz (2007, S. 289)<br />

umschreibt das Vorurteil als „eine unkritische, ungeprüfte oder nur durch Minimalinformationen abge-<br />

sicherte, affektiv geladene <strong>und</strong> irrationale Übernahme bzw. Produktion einer Meinung, Erwartung oder<br />

Auffassung gegenüber einzelnen Personen, Gruppen, Verhältnissen, Institutionen, Produktionen,<br />

Ereignissen oder Objekten, die sich schnell <strong>zu</strong> einem stabilen, nur schwer veränderbaren Urteil<br />

verfestigt.“ Vorurteile weisen eine kognitive (Stereotyp), eine affektive (Stereotypakzeptierung) sowie<br />

eine Verhaltenskomponente (Diskriminierung) auf (Werth & Mayer, 2008).


- 11 -<br />

Definition <strong>und</strong> Funktion von Vorurteilen<br />

In der Literatur <strong>und</strong> im allgemeinen Sprachgebrauch sind oft verschiedene, synonym verwendete<br />

Ausdrücke an<strong>zu</strong>treffen, z. B. Stereotyp, Stereotypakzeptierung, Diskriminierung, <strong>Einstellung</strong>, Wert<br />

<strong>und</strong> Stigma. Sie können als Ausdrucksformen von sozialer Distanz <strong>und</strong> Nähe <strong>zu</strong> Menschen <strong>mit</strong><br />

<strong>Behinderung</strong>en angesehen werden <strong>und</strong> sollen – um den Begriff des Vorurteils etwas präziser<br />

umschreiben <strong>zu</strong> können – nachfolgend erläutert werden.<br />

Stereotyp (stereotypes Wissen, kognitive Komponente)<br />

Der Begriff wurde 1922 von Lippmann (2003) geprägt <strong>und</strong> in die Sozialpsychologie eingeführt.<br />

Er beschrieb die Diskrepanz zwischen der komplexen Aussenwelt <strong>und</strong> den kleinen, vereinfachten<br />

Bildern in unseren Köpfen, die er als „Stereotypen“ bezeichnet (Aronson et al., 2004). Das Prinzip<br />

der Stereotypisierung dient der Vereinfachung der Sichtweise auf die Welt, nach Allport ist es das<br />

“Gesetz der geringsten Anstrengung“ (Allport, 1971, S. 183ff).<br />

Ein Stereotyp stellt die Basis von Vorurteilen dar, ist aber noch kein Vorurteil (Werth & Mayer, 2008).<br />

Die Stereotypisierung ist nicht a priori wertend oder <strong>mit</strong> negativen Emotionen verb<strong>und</strong>en. „Ein<br />

Stereotyp ist die kognitive Komponente einer voreingenommenen <strong>Einstellung</strong> <strong>und</strong> ist definiert<br />

als eine Verallgemeinerung über eine Gruppe, wobei nahe<strong>zu</strong> allen Mitgliedern identische Merk-<br />

male <strong>zu</strong>geordnet werden, ohne Rücksicht auf bestehende Variationen unter den Mitgliedern“<br />

(Aronson et al., 2004, S. 526). Ein Beispiel aus dem Alltag soll dies verdeutlichen: „Von Frauen<br />

wird gesagt, sie können schlecht parkieren.“<br />

Markowetz spricht im Zusammenhang von Stereotypen gegenüber Menschen <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en<br />

von „parzellierten <strong>und</strong> reduktionistischen Bildern über Behinderte (…), die als ‚hilfreiche Wahrheiten’<br />

gehandelt werden. Obwohl sich diese bei objektiver Überprüfung als Halb- oder Unwahrheiten<br />

nachweisen lassen, werden sie nicht oder nur kurzfristig korrigiert“ (Markowetz 2007, S. 290).<br />

In unseren durchgeführten Interviews im Bereich „Wissen über <strong>Behinderung</strong>“ wird nach möglichen<br />

Ursachen körperlicher bzw. geistiger <strong>Behinderung</strong> gefragt. Gibt das befragte Kind <strong>zu</strong> Protokoll,<br />

„die Eltern des behinderten Kindes sind auch behindert“, steckt dahinter vermutlich der Stereotyp<br />

„behinderte Kinder haben behinderte Eltern“.<br />

Die Motivation, vorurteilsfrei <strong>zu</strong> handeln, spielt für die Stereotypanwendung eine wichtige Rolle. Ist<br />

eine Person gewillt vorurteilsfrei <strong>zu</strong> handeln, müssen weitere Vorausset<strong>zu</strong>ngen gegeben sein, da<strong>mit</strong><br />

sie dies willentlich kontrollieren kann. In einem ersten Schritt muss sie sich bewusst werden, dass sie<br />

von einem Vorurteil beeinflusst wird <strong>und</strong> sie muss ausserdem über die nötigen Kontroll- bzw.<br />

Selbstregulationskompetenzen verfügen (Werth & Mayer, 2008).<br />

In einem Experiment aus dem Jahre 1997 haben K<strong>und</strong>a <strong>und</strong> Oleson folgendes herausgef<strong>und</strong>en:<br />

Personen, die <strong>mit</strong> Argumenten konfrontiert werden, die ihre Stereotype stark in Frage stellen, neigen


- 12 -<br />

Definition <strong>und</strong> Funktion von Vorurteilen<br />

da<strong>zu</strong>, sie <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>weisen, <strong>mit</strong> der Begründung, dass sie die Ausnahmen darstellen, welche die Regel<br />

bestätigen. Da<strong>mit</strong> wird die Stereotypisierung noch verstärkt (1997, beschrieben nach Aronson et al., 2004).<br />

Stereotypakzeptierung (stereotype Überzeugung, affektive Komponente)<br />

Werth & Mayer (2008) bezeichnen die positive oder negative Empfindung gegenüber Personen<br />

aufgr<strong>und</strong> ihrer Zugehörigkeit <strong>zu</strong> einer Fremdgruppe <strong>mit</strong> dem Begriff der Stereotypakzeptierung<br />

bzw. stereotyper Überzeugung. Sie legen Wert darauf, diese verschiedenen Komponenten <strong>zu</strong><br />

differenzieren. Um nämlich von einem „echten Vorurteil“ sprechen <strong>zu</strong> können ist die affektive<br />

Komponente <strong>zu</strong>sätzlich <strong>zu</strong>m stereotypen Wissen notwendig.<br />

• Kognitive Komponente: Von Frauen wird gesagt, sie können schlecht parkieren.<br />

• Affektive Komponente: Ich finde, Frauen können schlecht parkieren.<br />

Die affektive Komponente kann <strong>zu</strong> Fanatismus führen <strong>und</strong> ist Gr<strong>und</strong> dafür, warum auch ganz<br />

vernünftig denkende Menschen teilweise nicht in der Lage sind, ein Vorurteil <strong>zu</strong> revidieren<br />

(Werth & Mayer, 2008). Für Cloerkes (2007) ist die affektive Komponente der Kern einer sozialen<br />

<strong>Einstellung</strong> gegenüber Menschen <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>.<br />

Diskriminierung (Verhaltenskomponente, behaviorale Komponente)<br />

„Diskriminierung bezeichnet den Ausdruck von Vorurteilen in ungerechtfertigt negativem oder<br />

schädlichem Verhalten gegenüber Personen aufgr<strong>und</strong> ihrer Zugehörigkeit <strong>zu</strong> einer Fremdgruppe“<br />

(Werth & Mayer, 2008, S. 380). Weitreichende Folgen der Diskriminierung können z. B. eingeschränkte<br />

soziale Teilhabe, Isolation <strong>und</strong> Rollenverlust nach sich ziehen <strong>und</strong> allgemein die Identität von<br />

Menschen bedrohen.<br />

Stigma<br />

Der Begriff Stigma ist gemäss Markowetz (2007) ein Sonderfall eines sozialen Vorurteils gegenüber<br />

einem Menschen <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> <strong>und</strong> schreibt dieser Person negative, sogar diskreditierende Eigen-<br />

schaften <strong>zu</strong>. Stigmatisierende Bezeichnungen können z. B. „Krüppel“, „Behinderter“ <strong>und</strong> „Spastiker“<br />

sein (Speck, 2008). Das Stigma haftet gleichsam als negatives Merkmal an der Person, andere Merk-<br />

male wie ihr Charakter oder ihr Bildungsniveau können das Stigma nicht ersetzen. „Was eine solche<br />

stigmatisierte Person von der normalen her am deutlichsten <strong>und</strong> stärksten erfährt, ist die Nicht-<br />

Akzeptierung, das Vermissen von normalem Respekt <strong>und</strong> normaler Beachtung (Speck, 2008, S. 223).<br />

Die Folgen von Stigmatisierungen können Diskriminierungen <strong>mit</strong> den oben beschriebenen Folge-<br />

erscheinungen sein.


4.2 <strong>Einstellung</strong>en <strong>und</strong> Werte<br />

- 13 -<br />

Definition <strong>und</strong> Funktion von Vorurteilen<br />

Cloerkes, als Vertreter der Soziologie, beruft sich auf eine Definition aus dem Jahr 1962 von Krech,<br />

Crutschfield & Ballachey: „Eine <strong>Einstellung</strong> ist ein stabiles System von positiven oder negativen<br />

Bewertungen, gefühlsmässigen Haltungen <strong>und</strong> Handlungstendenzen in Be<strong>zu</strong>g auf ein soziales<br />

Objekt“ (1962, zitiert nach Cloerkes, 2007, S. 104). Er gibt dem Begriff „<strong>Einstellung</strong>“ gegenüber<br />

dem Begriff „Vorurteil“ den Vor<strong>zu</strong>g 7 , da er ihm neutraler erscheint <strong>und</strong> er die durchgängige<br />

Existenz von Vorurteilen gegenüber behinderten Menschen nicht als bewiesen ansieht.<br />

Markowetz (2007) stellt fest, dass Stigma wie auch Vorurteile auf der <strong>Einstellung</strong>sebene wirksam<br />

werden <strong>und</strong> ihren Ausdruck im konkreten Verhalten gegenüber Menschen <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> haben.<br />

„<strong>Einstellung</strong>en beziehen sich auf konkrete soziale Objekte <strong>und</strong> sind abhängig von der Haltung der<br />

<strong>Einstellung</strong>sträger <strong>zu</strong> abstrakten Konstrukten (z. B. Ges<strong>und</strong>heit, Schönheit, körperliche Unversehrtheit).<br />

<strong>Einstellung</strong>serwerb <strong>und</strong> <strong>Einstellung</strong>sänderung hängen von gesellschaftlichen Norm- <strong>und</strong> Wert-<br />

vorstellungen ab. Sie stehen hinter den <strong>Einstellung</strong>en <strong>und</strong> definieren bewusst oder unbewusst die<br />

Voreingenommenheit gegenüber Behinderten“ (Markowetz, 2007, S. 291).<br />

Auch für Cloerkes (2007) stehen hinter den <strong>Einstellung</strong>en Werte. Sie stellen für ihn die entscheidende<br />

Variable in jeder Analyse des Verhältnisses zwischen Menschen <strong>mit</strong> <strong>und</strong> ohne <strong>Behinderung</strong> dar.<br />

Je nachdem, worauf sich eine <strong>Einstellung</strong> bezieht, werden die Begriffe Vorurteil, Selbstwertgefühl<br />

<strong>und</strong> Wertvorstellungen unterschieden. Das Vorurteil bezieht sich auf die <strong>Einstellung</strong> gegenüber<br />

sozialen Gruppen, beispielsweise Menschen <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en. Das Selbstwertgefühl bezieht sich auf<br />

die <strong>Einstellung</strong>en gegenüber der eigenen Person. Wertvorstellungen beziehen sich auf <strong>Einstellung</strong>en<br />

gegenüber abstrakten Dingen, wie <strong>zu</strong>m Beispiel der Chancengerechtigkeit (Werth & Mayer, 2008).<br />

Die Mehrheit der <strong>Einstellung</strong>stheoretiker unterscheidet bei <strong>Einstellung</strong>en ebenfalls eine kognitive,<br />

eine affektive <strong>und</strong> eine behaviorale Komponente, unabhängig davon, ob die <strong>Einstellung</strong> positiv oder<br />

negativ ist. Wird in unserer empirischen Studie, bzw. im Moralinterview, <strong>zu</strong>m Ausschluss von <strong>Kindern</strong><br />

<strong>mit</strong> geistiger oder körperlicher <strong>Behinderung</strong> gefragt, ob ein behindertes Kind in die Gruppe, die<br />

schwere Mathematikaufgaben lösen muss, aufgenommen werden soll, so werden auf der kognitiven<br />

<strong>Einstellung</strong>sebene Vor- <strong>und</strong> Nachteile abgewogen. Wird das Kind gefragt, ob es gut oder schlecht<br />

sei, dass das behinderte Kind ein- oder ausgeschlossen wird, beeinflussen positive oder negative<br />

Aspekte auf der affektiven <strong>Einstellung</strong>sebene den Entscheid. Mit der Entscheidung, ob das Kind<br />

7 In der vorliegenden Masterarbeit geben wir ebenfalls – im Sinne von Cloerkes <strong>und</strong> Markowetz – dem Begriff „<strong>Einstellung</strong>“ gegenüber dem<br />

Begriff „Vorurteil“ den Vor<strong>zu</strong>g.


- 14 -<br />

Definition <strong>und</strong> Funktion von Vorurteilen<br />

selbst ein- oder ausschliesst, kommt der behaviorale Aspekt – im Sinne von Annäherung oder<br />

Vermeidung – <strong>zu</strong>m Tragen.<br />

All diese Ausführungen zeigen, dass Vorurteile, Stereotype, Stigma, Werte <strong>und</strong> <strong>Einstellung</strong>en auf<br />

unterschiedliche Weise <strong>und</strong> in unterschiedlicher Ausprägung unterschwellig aber auch offen im<br />

menschlichen Zusammenleben allgegenwärtig wirken. Erlaubt die Komplexität der oben ausgeführten<br />

Sachverhalte eine optimistische Sichtweise auf die Veränderbarkeit von <strong>Einstellung</strong>en? Die Sichtweise<br />

des Sozialpsychologen Aronson ist ermutigend, indem er sich auf Henry David Thoreaus (1817-1862)<br />

Aussage beruft: „Es ist nie <strong>zu</strong> spät, unsere Vorurteile auf<strong>zu</strong>geben“ (Aronson et al., 2004, S. 516).


5 Konzepte <strong>zu</strong>r sozialen Interaktion<br />

5.1 Die <strong>Kontakt</strong>hypothese als Mittel <strong>zu</strong>r Reduktion von Vorurteilen<br />

- 15 -<br />

Konzepte <strong>zu</strong>r sozialen Interaktion<br />

Wären Vorurteile rein kognitiv, dann liessen sich Stereotype durch Wissensver<strong>mit</strong>tlung <strong>und</strong> durch<br />

Neubildung von Assoziationen verändern. Da jedoch die affektive Komponente das entscheidende<br />

Merkmal des Vorurteils darstellt, ist <strong>mit</strong> logischer Argumentation <strong>und</strong> Sachwissen nicht dagegen<br />

an<strong>zu</strong>kommen. Ein immer wieder diskutiertes Mittel ist ein vermehrter <strong>Kontakt</strong> zwischen „verfeindeten“<br />

Gruppen (Werth & Mayer, 2008).<br />

Allport gilt als geistiger Vater der Vorurteilsforschung. In seinem 1954 erschienenen Standardwerk<br />

„Die Natur des Vorurteils“ (deutsche Überset<strong>zu</strong>ng 1971) definiert er den Begriff aus etymologischer<br />

Sicht. Es ist interessant, dass er dabei im Laufe der Geschichte einen Bedeutungswandel feststellt.<br />

Ursprünglich bedeutete das lateinische Wort praejudicum das, was vorausgeht (praecedens), ein Urteil,<br />

das auf vorangegangen Erfahrungen <strong>und</strong> Entscheidungen basiert (Allport, 1971). Zunehmend<br />

begann sich der Begriff <strong>zu</strong> verändern, bis er schliesslich in Allports berühmte <strong>und</strong> wohl kürzeste<br />

Definition des Vorurteils mündete: „Von anderen ohne ausreichende Begründung schlecht denken“<br />

(Allport 1971, S. 20, Hervorh. i. Orig.). Nach Allports Definition scheint hinter dem Vorurteil eine<br />

Art Denkfehler <strong>zu</strong> liegen, der <strong>zu</strong> einem unreflektierten Fehlurteil, gar <strong>zu</strong> einer Vorverurteilung führen<br />

kann. Allport weist aber über das rein negative Denken hinaus. Es gibt auch das Umgekehrte,<br />

wonach Menschen ohne ausreichende Begründung gut von anderen denken. Gemäss Allport ist<br />

das ethnische Vorurteil aber meist negativ.<br />

In seinem viel zitierten Klassiker <strong>zu</strong>r Vorurteilsproblematik beschreibt er verschiedene <strong>Kontakt</strong>arten<br />

<strong>und</strong> -bedingungen, von deren Ausprägungen die <strong>Kontakt</strong>wirkung ab<strong>zu</strong>hängen scheint. Er unterscheidet<br />

quantitative Aspekte von <strong>Kontakt</strong>, Status-, Rollen- <strong>und</strong> Persönlichkeitsaspekte <strong>und</strong> verschiedene<br />

<strong>Kontakt</strong>bereiche. Er weist da<strong>mit</strong> auf die Vielfalt des Problems hin <strong>und</strong> macht deutlich, dass die<br />

<strong>zu</strong>künftige Forschung noch weiter jede einzelne Variable in Kombination <strong>mit</strong> anderen untersuchen<br />

sollte.<br />

Allport war der Meinung, dass Intergruppenkontakt nur unter bestimmten Bedingungen <strong>zu</strong> einer<br />

Vorurteilsreduktion führen kann bzw. sich Vorurteile <strong>und</strong> Feindseligkeiten eher noch verstärken,<br />

wenn diese nicht gegeben sind. Er formuliert drei besonders wichtige Bedingungen, unter denen<br />

eine wesentlich positivere <strong>Kontakt</strong>wirkung erwartet werden darf:<br />

• Statusgleichheit: Durch <strong>Kontakt</strong> wird die Vorurteilsreduktion gefördert, wenn die inter-<br />

agierenden Personen den gleichen Status haben, d.h. wenn zwischen ihnen kein Hierarchie-<br />

gefälle besteht.


- 16 -<br />

Konzepte <strong>zu</strong>r sozialen Interaktion<br />

• Kooperation <strong>und</strong> Anstreben gemeinsamer, übergeordneter Ziele: „Einzig jene Art von<br />

<strong>Kontakt</strong>, die Leute da<strong>zu</strong> bringt, gemeinsam etwas <strong>zu</strong> tun, scheint eine Chance <strong>zu</strong>r Änderung<br />

von <strong>Einstellung</strong>en <strong>zu</strong> haben.“ (Allport 1971, S. 281, Hervorh. i. Orig.). Allport sieht hier die<br />

grösste Chance <strong>zu</strong>r Änderung, weil die gemeinsame Aufgabe Solidarität stiftet <strong>und</strong> diese<br />

Bedingung, im Gegensatz <strong>zu</strong>r Statusgleichheit, auf der Interaktionsebene liegt.<br />

• Unterstüt<strong>zu</strong>ng durch Autoritäten/Institutionen: „Die Wirkung des Vorurteilsabbaus ist<br />

sehr viel grösser, wenn der <strong>Kontakt</strong> durch die öffentlichen Einrichtungen unterstützt wird<br />

(das heisst durch Gesetz, Sitten <strong>und</strong> örtliche Atmosphäre) <strong>und</strong> vorausgesetzt, der <strong>Kontakt</strong> führt<br />

<strong>zu</strong>r Entdeckung gemeinsamer Interessen <strong>und</strong> der gemeinsamen Menschlichkeit beider Gruppen“<br />

(Allport, 1971, S. 285f.).<br />

Die Kooperation <strong>und</strong> das Anstreben gemeinsamer, übergeordneter Ziele würden für die Schule<br />

bedeuten, dass gemeinsame Unternehmungen <strong>und</strong> gemeinsame Interessen mehr bewirken, als der<br />

blosse <strong>Kontakt</strong> <strong>mit</strong> gleichem Status. Der Transfer <strong>zu</strong> Feusers „Gemeinsames Lernen am gemeinsamen<br />

Gegenstand“ (Feuser, 1998, S. 19ff.) liegt nahe. Auch Aronsons (Aronson et al. 2004) beschriebene<br />

Form kooperativen Lernens, nämlich die „Jigsaw-Methode“ 8 , hat sich als wirkungsvoll erwiesen, um<br />

Vorurteile unter Schülern, die <strong>zu</strong>m Beispiel aufgr<strong>und</strong> unterschiedlicher ethnischer Herkunft bestehen,<br />

<strong>zu</strong> reduzieren. In unseren durchgeführten Interviews im Bereich „<strong>Kontakt</strong> <strong>zu</strong> behinderten <strong>Kindern</strong>“<br />

werden die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler <strong>zu</strong> gemeinsamen Aktivitäten innerhalb <strong>und</strong> ausserhalb der<br />

Schule <strong>und</strong> <strong>zu</strong>r Häufigkeit des <strong>Kontakt</strong>s befragt.<br />

„Ganz wesentlich scheint <strong>zu</strong> sein, dass der <strong>Kontakt</strong> unter die Oberfläche dringt, um Vorurteile wirksam<br />

<strong>zu</strong> ändern“ (Allport, 1971, S. 281). Die Intensität, die Emotionalität des <strong>Kontakt</strong>es ist wichtig. Es ist<br />

<strong>zu</strong> erwarten, dass Fre<strong>und</strong>schaften zwischen <strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> <strong>und</strong> ohne <strong>Behinderung</strong>en eine zentrale<br />

Bedeutung erhalten (vgl. Kapitel 5.5).<br />

Ein weiterer, wichtiger Aspekt, den Allport aufzeigt, ist das Alter der Kinder. Bei Allport (1971)<br />

kommt es in der Vorpubertät, ungefähr im Alter von zehn Jahren, <strong>zu</strong>m ethnozentrischen Höhepunkt,<br />

indem Fremdgruppen gegenüber der Eigengruppe klar abgelehnt werden. Kinder im ersten <strong>und</strong><br />

zweiten Schuljahr wählen gemäss Allport häufig ein Kind anderer Rasse oder ethnischer Gruppen-<br />

<strong>zu</strong>gehörigkeit als Spielkameraden oder Banknachbarn. Diese Fre<strong>und</strong>lichkeit verschwindet meistens<br />

8 1971 hat Aronson in Austin (Texas) eine wirkungsvolle Unterrichtsmethode entwickelt, um Probleme zwischen Schülern <strong>und</strong> Schülerinnen<br />

unterschiedlicher Ethnien <strong>zu</strong> lösen, ihre Vorurteile ab<strong>zu</strong>bauen, ihr Selbstbewusstsein <strong>zu</strong> stärken <strong>und</strong> um Verantwortung <strong>zu</strong> lernen. Jedes Mitglied<br />

der Gruppe erhält einen Teil des Unterrichtsstoffes um diesen <strong>zu</strong> bearbeiten <strong>und</strong> ver<strong>mit</strong>telt ihn anschliessend den anderen Gruppen<strong>mit</strong>gliedern.<br />

So<strong>mit</strong> kann der Lerninhalt nur erarbeitet werden, wenn jedes Mitglied seinen Teil da<strong>zu</strong> beiträgt, so<strong>zu</strong>sagen wie ein Puzzleteil (engl. jigsaw). So<strong>mit</strong><br />

ist jeder Schüler hinsichtlich der Erarbeitung des gesamten Unterrichtsstoffs von den anderen Gruppen<strong>mit</strong>gliedern abhängig. Verglichen <strong>mit</strong><br />

Schülern <strong>und</strong> Schülerinnen in traditionellen Klassen zeigten Jigsaw-Schüler eine Vorurteilsreduktion <strong>und</strong> gleichzeitig eine erhöhte Sympathie für<br />

ihre Gruppenkameraden. Gleichzeitig verbesserten sich auch die Schulleistungen <strong>und</strong> das Selbstwertgefühl (Aronson et al., 2004).


- 17 -<br />

Konzepte <strong>zu</strong>r sozialen Interaktion<br />

in der 5. Klasse. Im 12. Schuljahr wird die Differenzierung dann wieder grösser, das Vorurteil ist<br />

weniger radikal. Da wir in unserer Arbeit Kinder des Kindergartens, der 2./3. <strong>und</strong> 5./6. Klasse<br />

<strong>zu</strong> ihren <strong>Kontakt</strong>verhalten befragt haben, ist Allports These bezüglich des Alters überprüfbar<br />

(vgl. Kapitel 9, Fragestellung 4).<br />

In den letzten Jahren hat die Forschung viele weitere Studien <strong>zu</strong> den Bedingungen der <strong>Kontakt</strong>hypo-<br />

these durchgeführt, wie sie Allport beschrieben <strong>und</strong> als unabdingbar bezeichnet hat. Haben sich die<br />

drei Bedingungen (Statusgleichheit, Kooperation <strong>und</strong> Anstreben gemeinsamer, übergeordneter Ziele,<br />

Unterstüt<strong>zu</strong>ng durch Autoritäten/Institutionen) bestätigt?<br />

Werth <strong>und</strong> Mayer (2008) fassen den aktuellen Forschungsstand <strong>zu</strong> den Bedingungen der <strong>Kontakt</strong>-<br />

hypothese <strong>zu</strong>sammen, indem sie eine aktuelle Meta-Analyse von Pettigrew <strong>und</strong> Tropp (2006)<br />

beschreiben, die über 500 Studien <strong>zu</strong>m Thema Intergruppenkontakt auswertet. Einerseits zeigt sich,<br />

dass optimale Bedingungen die Vorurteilsreduktion im Intergruppenkontakt zwar deutlich verbessern,<br />

andererseits scheinen diese Bedingungen aber nicht zwingend notwendig <strong>zu</strong> sein. Sympathie <strong>und</strong><br />

Vertrautheit <strong>mit</strong> der Fremdgruppe erhöhen sich bereits dadurch, dass man ihr vermehrt ausgesetzt<br />

ist. Werth <strong>und</strong> Mayer kommen <strong>zu</strong> folgendem Schluss: „Entscheidend für den positiven Effekt von<br />

<strong>Kontakt</strong> ist die Reduktion von Angst-, Bedrohungs- <strong>und</strong> Unsicherheitsgefühlen, dahingehend, wie<br />

man sich gegenüber Fremdgruppen<strong>mit</strong>gliedern verhalten soll, wie man von diesen wahrgenommen<br />

<strong>und</strong> ob man von diesen akzeptiert werden wird. Durch den vermehrten <strong>Kontakt</strong> wird demnach die<br />

bedeutsame affektive Komponente von Vorurteilen beeinflusst“ (Werth <strong>und</strong> Mayer 2008, S. 417).<br />

Auch Elliot Aronson kommt in seinem Standardlehrbuch „Sozialpsychologie“ <strong>zu</strong>m Schluss, dass<br />

sich Vorurteile nur durch <strong>Kontakt</strong>e verändern lassen. „Jahrzehntelange Forschung hat Allports frühe<br />

Forderung untermauert, dass diese Bedingungen erfüllt sein müssen, bevor der <strong>Kontakt</strong> <strong>zu</strong> einer<br />

Abnahme in den Vorurteilen zwischen Gruppen führen kann“ (Aronson et al., 2004, S. 518). Er<br />

erweitert jedoch die <strong>Kontakt</strong>bedingungen nach Allport (Statusgleichheit, Kooperation <strong>und</strong> Anstreben<br />

gemeinsamer, übergeordneter Ziele, Unterstüt<strong>zu</strong>ng durch Autoritäten/Institutionen) um weitere drei<br />

Bedingungen:<br />

1. Gegenseitige Abhängigkeit (z.B. gemeinsame Kooperation in Notsituationen)<br />

2. zwangloser <strong>Kontakt</strong> (z.B. Kooperation auf freiwilliger Basis ohne Zielvorgabe)<br />

3. vielfältiger <strong>Kontakt</strong> (z.B. <strong>Kontakt</strong>möglichkeiten <strong>mit</strong> verschiedenen Personen aus der Fremdgruppe)<br />

In diesem Zusammenhang zeigt Aronson auf, dass die „Macht sozialer Normen“ genutzt werden<br />

kann, um Vorurteile <strong>zu</strong> reduzieren: Wenn ein Chef eine Norm von Akzeptanz <strong>und</strong> Toleranz schafft,<br />

werden die Gruppen<strong>mit</strong>glieder ihr eigenes Verhalten verändern, um der Norm <strong>zu</strong> entsprechen.<br />

Bezogen auf den schulischen Kontext kann daraus geschlossen werden, dass Lehrpersonen <strong>zu</strong>r


- 18 -<br />

Konzepte <strong>zu</strong>r sozialen Interaktion<br />

Vorurteilsreduktion beitragen können. Wenn es ihnen gelingt, ein integrationsfre<strong>und</strong>liches Lehr-<br />

<strong>und</strong> Lernklima der Akzeptanz <strong>und</strong> Toleranz <strong>zu</strong> schaffen, leisten sie in ihrer Alltagsarbeit einen<br />

wichtigen Beitrag <strong>zu</strong>r Veränderung von Stereotypen (Aronson, 2004).<br />

5.2 Empirische Bef<strong>und</strong>e <strong>zu</strong>r <strong>Kontakt</strong>hypothese<br />

Die <strong>Kontakt</strong>wirkung zwischen Menschen <strong>mit</strong> <strong>und</strong> ohne <strong>Behinderung</strong> wurde vor allem in zwei gross-<br />

angelegten Sek<strong>und</strong>äranalysen (je über 200 analysierte Studien) von Cloerkes <strong>und</strong> Yuker untersucht.<br />

Cloerkes (2007) bestätigt nach eigener Analyse bei fast 60% der Studien die <strong>Kontakt</strong>hypothese. Er<br />

zieht jedoch folgendes Fazit: „Zwischen <strong>Kontakt</strong> <strong>mit</strong> behinderten Menschen <strong>und</strong> den <strong>Einstellung</strong>en<br />

gegenüber Behinderten existiert eine Kausalbeziehung. Fraglich ist allerdings, ob <strong>Kontakt</strong> in dem<br />

Masse <strong>zu</strong> einer positiven Haltung gegenüber Behinderten führen kann, wie dies oft erwartet wird“<br />

(Cloerkes 1997, S. 126). Er gibt ausserdem <strong>zu</strong> bedenken, dass die <strong>Kontakt</strong>variable in vielen Studien<br />

durch wenig differenzierte Fragestellungen (z. B. „Kennen Sie einen Behinderten? Begegnen Sie<br />

regelmässig einem Behinderten?“) mangelhaft operationalisiert sei.<br />

Bei Yuker (1988) fallen die Resultate ambivalent aus. Einerseits wird mehrheitlich von positiven<br />

Auswirkungen (51%) berichtet, andererseits zeigte sich, dass bei r<strong>und</strong> 10% der untersuchten Fälle<br />

sogar negative <strong>Einstellung</strong>en entstanden. 39% der <strong>Einstellung</strong>en blieben unverändert.<br />

Beide Untersuchungen deuten darauf hin, dass minimale positive Tendenzen aus<strong>zu</strong>machen sind. Die<br />

Ergebnisse lassen sich jedoch nicht ohne Weiteres auf die Situation in integrativen Schweizer Schul-<br />

klassen übertragen. Unser Forschungsvorhaben prüft deshalb die <strong>Kontakt</strong>hypothese erneut, indem<br />

sie Kindergarten- <strong>und</strong> Primarschulkinder <strong>zu</strong> ihren <strong>Kontakt</strong>erfahrungen <strong>und</strong> <strong>Einstellung</strong>en befragt.<br />

Eine Schulklasse stellt aufgr<strong>und</strong> ihrer individuellen Zusammenset<strong>zu</strong>ng eine besondere <strong>Kontakt</strong>-<br />

situation dar. Wie sieht es <strong>mit</strong> den <strong>Einstellung</strong>en von Schulkameraden gegenüber behinderten<br />

Mitschülern („peers“) aus? In Studien, die auf soziometrischen Verfahren basieren (vgl. Breitenbach &<br />

Ebert 1997, Haeberlin et al. 2003), wurden in den letzten Jahren Daten erhoben, die insgesamt <strong>zu</strong><br />

ambivalenten Aussagen kommen. Sie reichen von positiven bis <strong>zu</strong> negativen Rückwirkungen auf die<br />

<strong>Einstellung</strong>en der Schüler ohne <strong>Behinderung</strong>. Wichtig für einen positiven Effekt ist die bereits<br />

erwähnte Bedeutung der qualitativen <strong>Kontakt</strong>bedingungen.<br />

Unterscheiden sich die <strong>Einstellung</strong>en der Schüler je nachdem, ob der <strong>Kontakt</strong> <strong>zu</strong> einem Kind <strong>mit</strong><br />

geistiger bzw. körperlicher <strong>Behinderung</strong> stattfindet? Bei Schülern <strong>mit</strong> persönlichen <strong>Kontakt</strong>en <strong>zu</strong><br />

geistig behinderten Peers fand Stürmer (1977) positive <strong>Einstellung</strong>en, wogen gelegentliche, unge-<br />

wollte Begegnungen sich negativ auswirken. Bei <strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> Körperbehinderungen sind die


- 19 -<br />

Konzepte <strong>zu</strong>r sozialen Interaktion<br />

Wirkungen schulischer <strong>Kontakt</strong>e günstiger als bei <strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> Lernbehinderungen. Genau umge-<br />

kehrt sieht es bei Freizeitkontakten aus (Marenbach 1985).<br />

In der bereits im Kapitel 5.1 erwähnten Meta-Analyse von Pettigrew <strong>und</strong> Tropp (2006) gelten sorgfältig<br />

strukturierte <strong>Kontakt</strong>programme als besonders effektiv. Die Ergebnisse sind deutlich erfolgver-<br />

sprechender als Informationsprogramme oder unstrukturierte <strong>Kontakt</strong>e. Diese Ergebnisse sind<br />

gute Gr<strong>und</strong>lagen, um bereits die an vielen Schulen realisierten <strong>Kontakt</strong>programme (regelmässig<br />

stattfindende Projektwochen, Theaterprojekte, Pausenaktivitäten usw.) weiter aus<strong>zu</strong>bauen.<br />

5.3 Auswirkungen von <strong>Kontakt</strong>erfahrungen<br />

Der Gr<strong>und</strong>gedanke <strong>zu</strong>r integrierten Beschulung von <strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> <strong>und</strong> ohne <strong>Behinderung</strong> geht davon<br />

aus, dass möglichst frühzeitige <strong>und</strong> direkte <strong>Kontakt</strong>e <strong>zu</strong> einer positiven <strong>und</strong> akzeptierenden Haltung<br />

im Leben führen. Cloerkes (2007) spricht von drei theoretischen Annahmen, die der <strong>Kontakt</strong>hypothese<br />

<strong>zu</strong> Gr<strong>und</strong>e liegen <strong>und</strong> aus denen er zwei Thesen ableitet, auf die sich wiederum die meisten Arbeiten<br />

aus der Behindertenforschung stützen:<br />

Annahme 1: Durch <strong>Kontakt</strong> <strong>und</strong> Informationen können falsche „Voraus-Urteile“ korrigiert werden.<br />

Annahme 2: Der Mangel an Vertrautheit <strong>mit</strong> körperlich <strong>und</strong> geistig behinderten Menschen ist gemäss<br />

der „Gleichgewichtstheorie“ von Heider (1977) charakteristisch dafür, dass die nichtvertraute Situation<br />

als bedrohlich <strong>und</strong> der Energieaufwand ihn aus<strong>zu</strong>halten, als hoch empf<strong>und</strong>en wird. <strong>Kontakt</strong> stellt ein<br />

Mittel dar, Fremdheit in Vertrautheit um<strong>zu</strong>wandeln.<br />

Annahme 3: Es besteht eine ausgeprägte Tendenz, Personen <strong>zu</strong> mögen, <strong>mit</strong> denen durch Interaktion<br />

oder Nähe ein <strong>Kontakt</strong> besteht. Homans (1968, S. 125f) beschreibt dies folgendermassen: „Wenn<br />

sich die Häufigkeit der Interaktion zwischen zwei oder mehr Personen erhöht, so wird auch das<br />

Ausmass ihrer Zuneigung füreinander <strong>zu</strong>nehmen <strong>und</strong> vice versa“.<br />

Aufgr<strong>und</strong> dieser Annahmen formuliert Cloerkes (2007, S. 146) folgende Thesen:<br />

„1. Personen, die über <strong>Kontakt</strong>e <strong>mit</strong> Behinderten verfügen, werden günstigere <strong>Einstellung</strong>en<br />

gegenüber Behinderten zeigen als Personen, die keine derartigen <strong>Kontakt</strong>e haben oder hatten.<br />

2. Je häufiger <strong>Kontakt</strong> <strong>mit</strong> Behinderten bestanden hat, umso positiver wird die <strong>Einstellung</strong> des<br />

Betreffenden sein.“<br />

Cloerkes bemängelt, dass die qualitativen Aspekte des <strong>Kontakt</strong>s in der Forschung <strong>zu</strong> wenig Beachtung<br />

finden <strong>und</strong> hält fest, dass die Häufigkeit des <strong>Kontakt</strong>s <strong>mit</strong> behinderten Personen, nicht allein-<br />

entscheidend sei, sondern wichtige Nebenbedingungen wie die <strong>Kontakt</strong>intensität (Freude am <strong>Kontakt</strong>


- 20 -<br />

Konzepte <strong>zu</strong>r sozialen Interaktion<br />

<strong>und</strong> positive Gefühle beim Zusammensein <strong>mit</strong> Behinderten) <strong>und</strong> die Freiwilligkeit (Möglichkeit des<br />

Ausweichens in andere Beziehungen muss gewährleistet sein) eine zentrale Rolle spielen.<br />

Ursprüngliche <strong>Einstellung</strong>en – positive wie negative – haben die Tendenz sich <strong>zu</strong> verstärken.<br />

Deshalb sind positive <strong>Kontakt</strong>erlebnisses in der frühesten Kindheit von entscheidender Bedeutung.<br />

5.4 Möglichkeiten <strong>zu</strong>r <strong>Einstellung</strong>sveränderung<br />

Cloerkes (2007) skizziert, diskutiert <strong>und</strong> bewertet kritisch mögliche Strategien <strong>zu</strong>r Veränderung der<br />

sozialen Reaktion auf Menschen <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>. Es sind dies:<br />

- Informationsstrategien<br />

- <strong>Kontakt</strong><br />

- Simulation des Behindertseins bzw. Rollenspiel<br />

- Einwirkung auf persönlichkeitsspezifische Merkmale (individuelle Psychotherapie,<br />

Gruppentherapie „sensitivity training“, Training von Selbst-Einsicht etc.)<br />

- Zulassen von „originären Reaktionen“ (ursprüngliche, affektive, spontane Reaktionen)<br />

- Kombinationen verschiedener Strategien <strong>und</strong> Veränderung des normativen Kontextes<br />

Er stützt sich dabei auf Sek<strong>und</strong>äranalysen empirischer Untersuchungen <strong>und</strong> kommt <strong>zu</strong>m Schluss,<br />

dass eine gezielt einsetzbare <strong>und</strong> erfolgreiche Strategie <strong>zu</strong>r <strong>Einstellung</strong>sveränderung gegenüber<br />

behinderten Menschen noch nicht existiert.<br />

In dieser Arbeit werden exemplarisch die Informationsstrategien <strong>und</strong> die Strategien <strong>zu</strong>m <strong>Kontakt</strong><br />

erörtert, da von Interesse ist, ob sich diese als wirksame Methoden <strong>zu</strong>r <strong>Einstellung</strong>sveränderung im<br />

Kontext Schule erweisen. Es ist an<strong>zu</strong>nehmen, dass dort Informationsstrategien eingesetzt werden.<br />

Ob sie die gewünschten <strong>Einstellung</strong>sveränderungen nach sich ziehen?<br />

Informationsstrategien<br />

Dem Bemühen, dass man durch die Macht der Medien, also durch breit angelegte Informations-<br />

kampagnen, das Wissen über <strong>Behinderung</strong>en erweitern <strong>und</strong> daraus folgend, falsche Vorstellungen,<br />

negative <strong>Einstellung</strong>en <strong>und</strong> Verhaltensweisen erfolgreich beeinflussen kann, wird in der Literatur<br />

ein grosser Stellenwert eingeräumt (Cloerkes, 2007). Dahinter liegen populäre Annahmen, „<strong>zu</strong>m<br />

einen die vom Vorurteil als ,Voraus-Urteil’, <strong>zu</strong>m anderen das sogenannte ,Konsistenztheorem’“<br />

(Cloerkes, 2007, S. 138).<br />

Die Annahme des Vorurteils als „Voraus-Urteil“ (vgl. Allport, 1971, S. 20) geht davon aus, dass<br />

<strong>Einstellung</strong>en bzw. Vorurteile gelernt werden, aber nicht durch reale Erfahrungen <strong>mit</strong> dem Be<strong>zu</strong>gs-<br />

objekt, sondern durch unreflektiertes „Voraus-Urteil“, das durch genaue Prüfung <strong>und</strong> durch<br />

Wissens<strong>zu</strong>wachs revidiert werden kann.


- 21 -<br />

Konzepte <strong>zu</strong>r sozialen Interaktion<br />

Das Konsistenztheorem besagt, dass Menschen die drei Ebenen, die <strong>Einstellung</strong>en auszeichnen,<br />

nämlich die kognitive, affektive <strong>und</strong> die behaviorale Komponente in Übereinstimmung bringen<br />

wollen. Da<strong>mit</strong> sei die Reaktion auf das <strong>Einstellung</strong>sobjekt einheitlich <strong>und</strong> <strong>mit</strong> dem beobachtbaren<br />

Verhalten kongruent. Diese Annahme stützt letztlich die Vorstellung, dass es genügt, eine der<br />

Ebenen <strong>zu</strong> beeinflussen, die dann die gesamte <strong>Einstellung</strong>, bzw. auch das Verhalten verändert.<br />

Im Kapitel 4 wurde dargelegt, dass die affektive Komponente bei <strong>Einstellung</strong>sveränderungen gegen-<br />

über Menschen <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en zentral ist. Cloerkes ist überrascht, dass trotz dieser Tatsache<br />

kognitiven Strategien in der Werbung den Vor<strong>zu</strong>g gegeben wird. Er geht sogar noch einen Schritt<br />

weiter <strong>und</strong> wirft der Behindertenforschung vor, dass sie nicht vom „Irrglauben abrücken wolle, viel<br />

,Sachwissen’ sei ein sicherer Indikator für positive <strong>Einstellung</strong>en“ (Cloerkes, 2007, S. 139).<br />

Hier sei ein Beispiel aus der Teaser-Plakatkampagne 2009 der Schweizerischen Invalidenversicherung<br />

(IV) angefügt: „Behinderte liegen uns nur auf der Tasche“ (Stereotyp, kognitive Komponente) <strong>und</strong><br />

„Ich finde, Behinderte bringen unserer Gesellschaft keinen Nutzen“ (Stereotypakzeptierung, affektive<br />

Komponente). Mit diesen Provokationen versuchte die IV Vorurteile gegenüber Menschen <strong>mit</strong><br />

<strong>Behinderung</strong>en <strong>zu</strong> reduzieren, indem sie diesen Stereotypen kurze Zeit später folgenden Zusatz in<br />

anderer Farbe beifügte: „wenn wir ihre Fähigkeiten nicht nutzen“. Allerdings zeigte sich, dass für<br />

viele Behindertenorganisationen da<strong>mit</strong> eine Grenze überschritten <strong>und</strong> befürchtet wurde, dass solche<br />

Kampagnen Vorurteile eher noch zementieren könnten. Die Kampagne wurde daraufhin frühzeitig<br />

abgebrochen.<br />

Ein weiteres Problem in Be<strong>zu</strong>g auf die Beeinflussung der kognitiven Komponente ist das Prinzip<br />

der „selektiven Wahrnehmung“. Sie besagt, dass Menschen nur dann bereit für Veränderungen in<br />

ihrem Denken sind, wenn es ihnen Nutzen stiftet. Allport stellt treffend fest: „(…) Propaganda für<br />

Toleranz wird selektiv wahrgenommen. Jene, die sie nicht in ihr Inneres aufnehmen wollen, haben<br />

keine Schwierigkeiten, das <strong>zu</strong> vermeiden. Jene aber, die sie aufnehmen, haben es meistens nicht<br />

nötig“ (Allport, 1971, S. 489f). Cloerkes (2007) befürchtet, dass aufgr<strong>und</strong> selektiver Wahrnehmung<br />

sich bereits existierende ungünstige <strong>Einstellung</strong>en gegenüber Menschen <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en noch<br />

verstärken könnten. Er verstärkt dies, indem er anfügt, dass empirische Untersuchungen über die<br />

Darstellung behinderter Menschen in den Medien zeigen, dass sie mehrheitlich in negativen denn in<br />

positiven Kontexten gezeigt werden.<br />

Informationskampagnen über <strong>Behinderung</strong>en <strong>und</strong> Behinderte haben ihre Berechtigung als ergänzende<br />

Massnahme. Sie dürfen in ihrer Wirkungsmöglichkeit nicht überschätzt <strong>und</strong> die Gefahr gegenteiliger<br />

Effekte nicht unterschätzt werden (Cloerkes, 2007).<br />

Ein erfolgreiches aktuelleres Beispiel, das eher auf der affektiven Verhaltensebene an<strong>zu</strong>setzen<br />

versuchte, ist die Sendereihe „Üsi Badi“ des Schweizer Fernsehens, die im Juli <strong>und</strong> August 2010


- 22 -<br />

Konzepte <strong>zu</strong>r sozialen Interaktion<br />

ausgestrahlt wurde. Es standen sechs Menschen <strong>mit</strong> geistiger <strong>Behinderung</strong> im Mittelpunkt, die den<br />

Sommer in einer Badi verbrachten <strong>und</strong> dem Bademeister halfen, Gäste bewirteten <strong>und</strong> den<br />

Kioskbetrieb unterstützten. Gleichzeitig thematisierte Radio DRS 1 verschiedene Aspekte des<br />

Zusammenlebens <strong>mit</strong> Menschen <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>. Die Sendung war sehr erfolgreich <strong>und</strong> erhielt<br />

Mitte Oktober 2010 den Zürcher Fernsehpreis. Die Jury begründete ihren Entscheid da<strong>mit</strong>, dass es<br />

der Doku-Serie gelungen sei, ein wichtiges soziales Anliegen <strong>zu</strong> transportieren, in dem sie <strong>mit</strong> grosser<br />

Sorgfalt Liebenswürdigkeit <strong>und</strong> Respekt vor Menschen <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> ein unverfälschtes Unter-<br />

haltungsformat <strong>zu</strong> gestalten wusste. Am 12. November 2010 startet unter dem Label „SF bi de Lüt“<br />

erneut eine Doku-Serie über Menschen <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>: „Schloss Biberstein“. Auch sie hat <strong>zu</strong>m<br />

Ziel, Menschen <strong>mit</strong> einer <strong>Behinderung</strong> authentisch, ohne falsche Sentimentalität <strong>zu</strong> Wort kommen<br />

<strong>zu</strong> lassen <strong>und</strong> dem Zuschauer Einblicke in ihren Lebensalltag <strong>zu</strong> gewähren. Der Redaktionsleiter,<br />

Tom Schmidlin, erhofft sich, eine Zuschauerzahl von 500 000 <strong>zu</strong> erreichen.<br />

Wie eingangs dieses Kapitels erwähnt, sieht Cloerkes noch keine gezielt einsetzbare, erfolgssichere<br />

Strategie <strong>zu</strong>r <strong>Einstellung</strong>sveränderung. Das ist einerseits ernüchternd <strong>und</strong> wenig ermutigend. Anderer-<br />

seits sieht er die besten Perspektiven in einer „konsequenten <strong>und</strong> sorgfältig geförderten sozialen<br />

Integration behinderter Menschen“ (Cloerkes, 2007, S. 157). Er schlägt <strong>zu</strong>dem vor, die Rahmen-<br />

bedingungen der sozialen Reaktion auf Menschen <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> stärker in den Forschungsfokus<br />

<strong>zu</strong> nehmen. Als eine der wichtigsten dieser Rahmenbedingungen für den Abbau negativer Ein-<br />

stellungen <strong>und</strong> Handlungstendenzen betont er die „Stärkung der Handlungskompetenz behinderter<br />

Menschen“ (Cloerkes, 2007, S. 153). Durch die fachgerechte Ver<strong>mit</strong>tlung von Kenntnissen über die<br />

Mechanismen der Vorurteilsprozesse <strong>und</strong> der komplexen Interaktionsdynamik sollen Menschen <strong>mit</strong><br />

<strong>Behinderung</strong> unterstützt <strong>und</strong> gestärkt werden, sich selber kompetent <strong>und</strong> aktiv für eine Situations-<br />

verbesserung ein<strong>zu</strong>setzen. Cloerkes bezeichnet als wesentliche Vorausset<strong>zu</strong>ng, da<strong>mit</strong> <strong>Einstellung</strong>s-<br />

veränderungen stattfinden können, die „Beeinflussung der <strong>Einstellung</strong>sentwicklung“ in der frühen<br />

Kindheit wie auch die Wichtigkeit, dass Änderungsstrategien nicht isoliert auf Behinderte bezogen,<br />

sondern in ein Gesamtkonzept im Umgang <strong>mit</strong> „Verschiedenheit“ eingeb<strong>und</strong>en werden sollten<br />

(Cloerkes, 2007).<br />

Dies alles stellt letztlich einen „(heil-)pädagogischen Imperativ“ dar, den es für uns – entgegen aller<br />

pessimistisch wirkenden Perspektiven auf der Basis eines reflektierten Menschenbildes – um<strong>zu</strong>setzen<br />

gilt. Die innere Haltung beeinflusst die heilpädagogische Arbeit entscheidend.


5.5 Fre<strong>und</strong>schaft als besondere Qualität von <strong>Kontakt</strong><br />

- 23 -<br />

Konzepte <strong>zu</strong>r sozialen Interaktion<br />

Fre<strong>und</strong>schaft ist eine qualitativ hohe Form des <strong>Kontakt</strong>es <strong>und</strong> deshalb für die vorliegende Arbeit<br />

von Bedeutung.<br />

Alisch & Wagner (2006), zwei deutsche Erziehungs- <strong>und</strong> Sozialwissenschaftler <strong>mit</strong> Forschungs-<br />

schwerpunkt Kinderfre<strong>und</strong>schaften, geben in ihrem Buch „Fre<strong>und</strong>schaften unter <strong>Kindern</strong> <strong>und</strong><br />

Jugendlichen“, das aus einem Symposium über Kinderfre<strong>und</strong>schaften in Dresden hervorgegangen<br />

ist, einen rudimentären Überblick <strong>zu</strong> dieser Thematik. Im folgenden Abschnitt wird auf diese Quelle<br />

Be<strong>zu</strong>g genommen.<br />

Der Fre<strong>und</strong>schaftsforschung liegt eine Vielfalt theoretischer Ansätze <strong>zu</strong> Gr<strong>und</strong>e. In den 70-er Jahren<br />

war das Attraktionsgesetz nach Byrne bedeutsam (Alisch & Wagner, 2006). Es besagt, dass eine Person<br />

umso attraktiver erscheint, je grösser die wahrgenommene Ähnlichkeit der <strong>Einstellung</strong>en ist. In den<br />

letzten Jahren trat dieses Attraktions-Paradigma in den Hintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> wurde vielfach kritisiert.<br />

Ihm wird vorgeworfen, dass der Austausch von <strong>Einstellung</strong>sinformationen nicht am Anfang einer<br />

Beziehungsbildung stehe <strong>und</strong> dass Variablen wie Alter, Geschlecht sowie Bildungsniveau nicht <strong>zu</strong>m<br />

Tragen kämen. Auch nonverbales Verhalten werde <strong>zu</strong> wenig einbezogen.<br />

Die Ähnlichkeitshypothese bildet seit Jahrzehnten ein wichtiges Standbein der Fre<strong>und</strong>schaftsforschung.<br />

Sie beruft sich auf die einfache Aussage, dass Fre<strong>und</strong>e einander ähnlich seien. Ähnlichkeitsmerkmale<br />

können sein: Geschlecht, Rasse, ökonomischer Hintergr<strong>und</strong>, Leistung, Aggression, sozialer Rück<strong>zu</strong>g<br />

<strong>und</strong> soziometrischer Status (Alisch & Wagner, 2006). Einen interessanten Untersuchungsansatz<br />

innerhalb des schulischen Kontextes (9- <strong>und</strong> 10-jährige Kinder) verfolgten Kupersmidt et al. (1995).<br />

Sie interessierten sich dafür, ob sich Fre<strong>und</strong>schaften zwischen Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern aus dem<br />

Anteil ähnlicher Merkmale vorhersagen lassen. Sie fanden heraus, je mehr ähnliche Merkmale<br />

übereinstimmten, desto höher war die Wahrscheinlichkeit einer Fre<strong>und</strong>schaftsbildung. Besonders<br />

bedeutsam erscheint, dass sich diese Bef<strong>und</strong>e nur für Fre<strong>und</strong>schaften im schulischen Kontext<br />

bestätigen liessen. Sie waren geringer bei Fre<strong>und</strong>schaften in der Freizeit <strong>und</strong> bei besten Fre<strong>und</strong>en<br />

waren diese Zusammenhänge so gut wie nicht vorhanden.<br />

Auch die Ähnlichkeitsforschung steht <strong>mit</strong>tlerweile in der Kritik. Unter anderem werden ihr vorge-<br />

worfen <strong>zu</strong> statisch vor<strong>zu</strong>gehen <strong>und</strong> entwicklungspsychologische Faktoren <strong>zu</strong> wenig ein<strong>zu</strong>beziehen.<br />

Die Austauschtheorie geht von der Annahme aus, dass die Kosten-Nutzen-Bilanz stimmen muss.<br />

Vereinfacht gesagt ist eine Beziehung dann stabil „wenn für beide Partner (Fre<strong>und</strong>e) die Belohnungen<br />

die Kosten übertreffen“ (Alisch & Wagner, 2006, S. 87). In diesem theoretischen Ansatz ist eine<br />

Parallele <strong>zu</strong>m integrativen Konzept sozialer Vergleichsprozesse nach Frey et al. <strong>zu</strong> erkennen<br />

(vgl. Kapitel 6).


- 24 -<br />

Konzepte <strong>zu</strong>r sozialen Interaktion<br />

Ein wichtiger theoretischer Ansatz innerhalb der Fre<strong>und</strong>schaftsforschung bildet die Bindungstheorie<br />

nach Kerns (1994), der sich auf den Begründer der Bindungstheorie von John Bowlby (Julius et al., 2009)<br />

beruft. Diese Theorie sieht in der Sicherheit der Mutterbindung eine wesentliche Vorausset<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong>r<br />

Erreichung von Fre<strong>und</strong>schaftszielen <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>schaftsqualität. Die innerhalb der Mutter-Kind-<br />

Beziehung erlernten Fertigkeiten werden vom heranwachsenden Kind auch in anderen Beziehungen<br />

eingesetzt. Es werden Arbeitsmodelle bezüglich der Erwartungen über Sozialverhalten anderer<br />

gespeichert. Das Kind interpretiert Erfahrungen <strong>mit</strong> anderen <strong>und</strong> lässt frühere Interaktionsmuster<br />

wieder aufleben, indem es sich Beziehungen aussucht, die seine Erwartungen bestätigen. Wenn eine<br />

Mutter ihr Kind beispielsweise früh <strong>zu</strong>rückweist, sucht sich das Kind später ebenfalls Partner, die es<br />

<strong>zu</strong>rückweisen, da es dieses früh erlernte <strong>und</strong> seinen Erwartungen entsprechende „Modell“ bestätigt<br />

haben möchte.<br />

Es überträgt seine Bindungserfahrungen auch auf die Lehrpersonen, das bedeutet, dass diese in der<br />

Lage sein sollten, die Bindungsbedürfnisse des Kindes wahr<strong>zu</strong>nehmen <strong>und</strong> angemessen darauf <strong>zu</strong><br />

reagieren. Gerade im Falle von Verhaltensauffälligkeiten ist dieses Hintergr<strong>und</strong>wissen für Lehr-<br />

personen bedeutsam. Gr<strong>und</strong>sätzlich sind Bindungsmuster veränderbar, sei es durch Reflexion oder<br />

durch positive, neue Bindungserfahrungen, die dem Kind einerseits in therapeutischen <strong>und</strong> anderer-<br />

seits in pädagogischen Settings ver<strong>mit</strong>telt werden können (Julius, 2001).<br />

Die Hypothesen, dass sicher geb<strong>und</strong>ene Kinder mehr soziale Kompetenz besitzen als unsicher<br />

geb<strong>und</strong>ene, sowie die Annahme, dass sich daraus ihre Fre<strong>und</strong>schaften reibungsloser gestalten, als<br />

diejenigen unsicher geb<strong>und</strong>ener Kinder, liessen sich teilweise bestätigen (vgl. Sroufe & Fleeson 1986,<br />

Park & Waters 1989).<br />

Obwohl die Bindungstheorie <strong>zu</strong> wichtigen Aspekten wie <strong>zu</strong>m Beispiel Bindung <strong>zu</strong> Vater <strong>und</strong><br />

Geschwistern, sowie weitere Dimensionen der Eltern-Kind-Beziehung vorläufig nicht auf<strong>zu</strong>zeigen<br />

vermag, veranlasst der aktuelle Forschungsstand Alisch & Wagner <strong>zu</strong> folgender, vielversprechender<br />

Aussage: „Eine differenzierte Bindungstheorie, die Komponenten anderer Ansätze integriert, könnte<br />

in ihrer Erklärungskraft anderen Theorien deutlich überlegen sein“ (Alisch & Wagner, 2006, S. 89).<br />

Auswirkungen von Fre<strong>und</strong>schaft<br />

Fre<strong>und</strong>schaften wirken sich auf verschiedenen Ebenen aus (Alisch & Wagner 2006):<br />

• Auf kognitiver Ebene bieten Fre<strong>und</strong>e Rückhalt bei Fehlern <strong>und</strong> Misserfolgen. Lernprozesse<br />

können dadurch positiv unterstützt werden. Die Hilfe leistungsstärkerer Fre<strong>und</strong>e trägt <strong>zu</strong> einer<br />

Verbesserung der Leistung bei.


- 25 -<br />

Konzepte <strong>zu</strong>r sozialen Interaktion<br />

• Auf sozialer Ebene erleichtern Fre<strong>und</strong>e die Anpassung bei Schuleintritt <strong>und</strong> Schulwechsel,<br />

fördern die Moralentwicklung <strong>und</strong> Kooperation, sind hilfreich beim Aufbau eines positiven<br />

Selbstbildes <strong>und</strong> erleichtern eine Perspektivenübernahme.<br />

• Auf emotionaler Ebene steigern Fre<strong>und</strong>e allgemeines Wohlbefinden <strong>und</strong> Sicherheitsgefühl,<br />

ermöglichen bessere Stressbewältigung <strong>und</strong> regulieren Gefühle.<br />

• Auf gesellschaftlicher Ebene sind Fre<strong>und</strong>schaften von Jugendlichen besonders bedeutsam. Sie<br />

erleichtern den Übergang von der Kindheit ins Erwachsensein, tragen bei <strong>zu</strong>r Neuorientierung<br />

<strong>und</strong> sozialen Sicherheit.<br />

Qualitätsstufen innerhalb des Fre<strong>und</strong>schaftsverständnisses<br />

Der Amerikaner Selman hat auf Gr<strong>und</strong> seiner Forschung fünf Entwicklungsstufen des Fre<strong>und</strong>-<br />

schaftsverständnisses definiert (Alisch & Wagner 2006). Die verschiedenen Entwicklungsstufen sind<br />

qualitativ unterschiedlich, integrieren aber die jeweils vorangegangene Stufe hierarchisch. Die Abfolge<br />

der Entwicklungsstufen ist invariant, was empirisch gut belegt ist (vgl. Keller & Wood 1989,<br />

Krappmann 1990, Valtin 1991).<br />

• 3 bis 7 Jahre: „Enge Fre<strong>und</strong>schaft als momentane physische Interaktion“. Fre<strong>und</strong>e sind Kinder,<br />

<strong>mit</strong> denen man gerade spielt <strong>und</strong> die in der Nähe wohnen. Gemeinsame Aktivität <strong>und</strong> räumliche<br />

Nähe sind tragend. Das Denken ist egozentrisch <strong>und</strong> verhindert eine Perspektivenübernahme.<br />

Konflikte entstehen auf dieser Stufe nicht aus der Unvereinbarkeit zweier Parteien, sondern<br />

weil materielle Dinge (Spielzeug) nicht verfügbar sind. Konflikte werden auf physischem Wege<br />

gelöst, durch körperliche Gewalt oder Abwendung.<br />

• 4 bis 9 Jahre: „Enge Fre<strong>und</strong>schaft als einseitige Hilfestellung“. Jetzt werden die eigene Perspektive<br />

<strong>und</strong> die des Fre<strong>und</strong>es voneinander unterschieden, aber noch nicht aufeinander bezogen. Ein<br />

Fre<strong>und</strong> soll den eigenen Wünschen <strong>und</strong> Bedürfnissen nachkommen. Konflikte lassen sich nur<br />

einseitig lösen, indem man entweder <strong>mit</strong> konflikterzeugendem Verhalten aufhört oder sich<br />

entschuldigt.<br />

• 6 bis 12 Jahre: „Enge Fre<strong>und</strong>schaft als Schönwetter-Kooperation“. Die Perspektivenübernahme<br />

gelingt noch nicht durchgängig, schliesst aber Wünsche <strong>und</strong> Gefühle ein. Die Einhaltung von<br />

Abmachungen wird wichtig, deren Verlet<strong>zu</strong>ng wird geahndet. Um Konflikte bei<strong>zu</strong>legen, müssen<br />

sich beide Partner bemühen. Ein Konflikt wird dann als bereinigt betrachtet, wenn jede Partei<br />

<strong>zu</strong>friedengestellt ist.<br />

• 9 bis 15 Jahre: „Enge Fre<strong>und</strong>schaft als intimer gegenseitiger Austausch“. Jetzt kann die Fre<strong>und</strong>-<br />

schaftsbeziehung aus der Perspektive eines Aussenstehenden betrachtet werden. Akzeptanz,<br />

Loyalität, Verpflichtung werden wichtig. Konfliktlösungen haben <strong>zu</strong>m Ziel, dass jeder auch an


- 26 -<br />

Konzepte <strong>zu</strong>r sozialen Interaktion<br />

Stelle des anderen <strong>mit</strong> der Lösung <strong>zu</strong>frieden ist. Dies trägt letztlich da<strong>zu</strong> bei, die Beziehung <strong>zu</strong><br />

stärken.<br />

• ab 12 Jahre: „Enge Fre<strong>und</strong>schaft als Autonomie, Verlässlichkeit <strong>und</strong> Unterstüt<strong>zu</strong>ng“. Dem<br />

Fre<strong>und</strong> wird <strong>zu</strong>gestanden, dass er sich auch in anderen sozialen Beziehungen weiterentwickeln<br />

kann. Probleme des Fre<strong>und</strong>es können die Beziehung nur dann belasten, wenn sie nicht auf<br />

Sensibilität <strong>und</strong> Verständnis des Fre<strong>und</strong>es stossen.<br />

Bigelow et al. (1996, nach Alisch & Wagner 2006) haben bei Befragungen 6- bis 13-jähriger Kinder<br />

festgestellt, dass sich etwa ab dem 9. Lebensjahr das männliche vom weiblichen Fre<strong>und</strong>schafts-<br />

verständnis unterscheidet. Während Jungs häufiger gemeinsame Aktivitäten, wie organisierte Spiele<br />

oder Sport als Gr<strong>und</strong> für eine Fre<strong>und</strong>schaft angeben, führen Mädchen Themen wie Treue, Loyalität,<br />

altruistisches Verhalten als Gründe für Fre<strong>und</strong>schaften an. Für Jungs wie auch für Mädchen scheint<br />

<strong>Kontakt</strong> wichtig <strong>zu</strong> sein, wenn auch in verschiedenen Qualitäten. Wie Kinder die Qualität einer<br />

Fre<strong>und</strong>schaft beschreiben, hat Uhlendorff (2006, nach Alisch & Wagner, 2006, S. 98ff) eindrucksvoll<br />

festgehalten: „Fragt man Kinder in der <strong>mit</strong>tleren Kindheit nach ihren Fre<strong>und</strong>en, dann berichten sie<br />

meistens nicht nur von einem oder zwei besten Fre<strong>und</strong>en, sondern von mehreren. Krappmann,<br />

Uhlendorff <strong>und</strong> Oswald (1999) zeigten, dass ausführlich interviewte Kinder (N=928) im Durchschnitt<br />

mehr als drei beste Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> zwei bis drei gute Fre<strong>und</strong>e benennen. Die Kinder gaben an, mehr<br />

beste Fre<strong>und</strong>e als gute Fre<strong>und</strong>e, mehr gute Fre<strong>und</strong>e als ,nur’ Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> mehr ,nur’ Fre<strong>und</strong>e als<br />

Spielkameraden <strong>zu</strong> haben. Dieses Ergebnismuster war stabil für Mädchen <strong>und</strong> Jungs, für Zweit-,<br />

Dritt-, Viert- <strong>und</strong> Fünftklässler.“<br />

Die Studie zeigt, dass sich die guten <strong>und</strong> besten Fre<strong>und</strong>schaften tatsächlich qualitativ von den anderen<br />

Gleichaltrigenbeziehungen abheben: Bei 90% aller beschriebenen „besten Fre<strong>und</strong>schaften“ <strong>und</strong> bei<br />

71% aller „guten Fre<strong>und</strong>schaften“ gaben die Kinder an, sich <strong>zu</strong> mögen. In den Kategorien „nur<br />

Fre<strong>und</strong>e“ <strong>mit</strong> 57% <strong>und</strong> „Spielkameraden“ <strong>mit</strong> 48% ist das deutlich weniger der Fall. Die Kinder<br />

hatten <strong>mit</strong> ihren „besten“ <strong>und</strong> „guten Fre<strong>und</strong>en“ mehr Geheimnisse, sie vertrugen sich besser,<br />

munterten sich häufiger auf, verteidigten sich eher <strong>und</strong> hatten mehr Spass als <strong>mit</strong> „nur Fre<strong>und</strong>en“<br />

oder <strong>mit</strong> „Spielkameraden“. Nicht alle Kinder haben enge Fre<strong>und</strong>schaften, wenn man als Kriterium<br />

eine gegenseitige Fre<strong>und</strong>esnennung heranzieht. Etwa 30% aller befragten Kinder hatten keine enge<br />

Fre<strong>und</strong>schaft innerhalb ihrer Schulklassen.<br />

Fre<strong>und</strong>schaftsfördernde <strong>Kontakt</strong>bedingungen<br />

„Gr<strong>und</strong>bedingung für Entstehung <strong>und</strong> Aufrechterhaltung einer Fre<strong>und</strong>schaft ist die Gelegenheit da<strong>zu</strong>“<br />

(Alisch & Wagner, 2006, S. 130). Schulischer <strong>Kontakt</strong> erfüllt gr<strong>und</strong>sätzlich diese Gr<strong>und</strong>bedingung.<br />

Forschungsergebnisse von Wehner (2005, S. 409ff) machen jedoch deutlich, dass Fre<strong>und</strong>schaften


- 27 -<br />

Konzepte <strong>zu</strong>r sozialen Interaktion<br />

bei der Entstehung <strong>und</strong> Erhaltung unterstützt werden müssen. Fre<strong>und</strong>schaften können nicht allein<br />

betrachtet werden, sondern als eingebettet in das gesamte Beziehungs- <strong>und</strong> Umgebungsgefüge der<br />

Kinder. <strong>Kindern</strong> kann diese Unterstüt<strong>zu</strong>ng in erster Linie von den Eltern geboten werden. Doch<br />

auch der Schule kommt entscheidende Bedeutung <strong>zu</strong>. Wer im Unterricht neben wem sitzt, ob<br />

Aufgaben kooperativ <strong>zu</strong> lösen sind, wer dabei <strong>mit</strong> wem <strong>zu</strong>sammenarbeiten kann oder muss, sind<br />

Beispiele für Gestaltungsspielräume, die Lehrpersonen nutzen können, um <strong>Kindern</strong> <strong>Kontakt</strong>- <strong>und</strong><br />

Interaktionsmöglichkeiten <strong>zu</strong> bieten <strong>und</strong> so<strong>mit</strong> Fre<strong>und</strong>schaftsschliessungen <strong>zu</strong> begünstigen. Die<br />

Schule schafft demnach im besten Fall qualitativ gute <strong>Kontakt</strong>bedingungen, wie sie auch Allport<br />

bzw. Aronson als Mittel <strong>zu</strong>r erfolgreichen Vorurteilsreduktion beschreiben. Es ist an<strong>zu</strong>nehmen, dass<br />

auf diesem Boden eine qualitativ hohe <strong>Kontakt</strong>form wie sie die Fre<strong>und</strong>schaft darstellt, überhaupt<br />

erst wächst.<br />

Für die Vertiefung der Fre<strong>und</strong>schaft spielt allerdings der ausserschulische Kontext eine bedeutendere<br />

Rolle. In einer Untersuchung von Hirsch <strong>und</strong> DuBois (1989) gaben 77% an, mehr über Schulfre<strong>und</strong>e,<br />

die sie auch in der Freizeit trafen, <strong>zu</strong> wissen. Weit voneinander entfernt wohnen erwies sich als<br />

Hindernis <strong>zu</strong>r Vertiefung von Fre<strong>und</strong>schaften. 46% kam auch mindestens einmal pro Woche <strong>mit</strong><br />

Fre<strong>und</strong>en aus der Nachbarschaft <strong>zu</strong>sammen, die ihre Schule besuchten.<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es für Kinder wichtig ist, eine Auswahl Gleichaltriger<br />

(Kinder <strong>mit</strong> <strong>und</strong> ohne <strong>Behinderung</strong>!) in der Nachbarschaft <strong>zu</strong> haben, einen gemeinsamen Schulweg<br />

<strong>zu</strong> teilen <strong>und</strong> auch dieselbe Schule <strong>zu</strong> besuchen. So können <strong>Kontakt</strong>e aufgebaut <strong>und</strong> allenfalls <strong>zu</strong><br />

Fre<strong>und</strong>schaften weiterentwickelt werden.<br />

In unseren durchgeführten Interviews im Bereich „<strong>Kontakt</strong> <strong>zu</strong> behinderten <strong>Kindern</strong>“ befragten wir<br />

Kindergartenkinder sowie Schüler der 2./3. Klasse <strong>und</strong> der 5./6. Klasse. Folgende drei Fragestellungen<br />

bzw. ihre Antworten werden in dieser Arbeit als mögliche Indikatoren für Fre<strong>und</strong>schaft definiert:<br />

• Könntest du dir vorstellen, <strong>mit</strong> einem geistig- bzw. körperlich behinderten Kind befre<strong>und</strong>et <strong>zu</strong><br />

sein?<br />

• Würdest du ein geistig- bzw. körperlich behindertes Kind <strong>zu</strong> dir nach Hause einladen?<br />

• Würdest du ein geistig- bzw. körperlich behindertes Kind <strong>zu</strong> deiner Geburtstagsparty einladen?<br />

Es ist von Interesse, die Ergebnisse der Befragungen <strong>mit</strong> den erläuterten Entwicklungsstufen nach<br />

Selman (1984) <strong>zu</strong> vergleichen. Daraus können allenfalls Schlüsse gezogen werden, ob innerhalb der<br />

befragten Klassen überhaupt qualitativ hochstehendere Beziehungen (Fre<strong>und</strong>schaften) zwischen<br />

<strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> <strong>und</strong> ohne <strong>Behinderung</strong> auf den verschiedenen Altersstufen möglich bzw. vorhanden<br />

sind. Hierbei muss allerdings beachtet werden, dass dies theoretische Konstrukte bleiben werden, da<br />

nicht von der Entscheidung („Würdest du…“) auf die reale Handlung geschlossen werden kann.


- 28 -<br />

Konzepte <strong>zu</strong>r sozialen Interaktion<br />

Von hohem Interesse ist die Frage, ob jene Kinder, die über einen qualitativ guten <strong>Kontakt</strong> in Be<strong>zu</strong>g<br />

auf die Fre<strong>und</strong>schaft verfügen die gleichen sind, die auch in der komplexen Situation <strong>mit</strong> Zielvorgabe<br />

(eine gute Note erreichen, beim Seilziehen gewinnen, im Zirkus möglichst viel Spass haben) Kinder<br />

<strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en einschliessen.


6 Die Theorie sozialer Vergleichsprozesse<br />

- 29 -<br />

Die Theorie sozialer Vergleichsprozesse<br />

Die bisherigen theoretischen Erörterungen basieren auf kontakthypothetischen Gr<strong>und</strong>annahmen.<br />

Diesen steht die Theorie sozialer Vergleichsprozesse gegenüber, die von anderen Annahmen ausgeht.<br />

Sie ist eine empirisch gut untersuchte Theorie innerhalb der Sozialpsychologie, die 1954 von Festinger<br />

begründet <strong>und</strong> sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt wurde. Im Folgenden wird auf das „Integrative<br />

Konzept sozialer Vergleichsprozesse“ nach Frey et al. (2001) Be<strong>zu</strong>g genommen. Dieses komplexe<br />

Modell, welches das Verhalten von einzelnen Personen in Gruppen vorhersagen <strong>und</strong> erklären soll,<br />

befasst sich ebenfalls <strong>mit</strong> der Interaktion zwischen Individuum <strong>und</strong> Gruppe, kommt jedoch <strong>zu</strong><br />

anderen Schlüssen als die <strong>Kontakt</strong>hypothese. Die zentrale Gr<strong>und</strong>annahme dieser Theorie besteht<br />

darin, dass Menschen ihre Fähigkeiten <strong>und</strong> Meinungen bewerten, indem sie sich <strong>mit</strong> einer Be<strong>zu</strong>gs-<br />

gruppe vergleichen. Dieser Vergleich hat <strong>zu</strong>m Ziel, die Diskrepanz zwischen einer Gruppe <strong>und</strong> sich<br />

selber <strong>zu</strong> verkleinern. Wenn dies nicht gelingt, so droht der Ausschluss aus der Gruppe.<br />

Informeller Gruppendruck<br />

In Gruppen herrscht ein Konfor<strong>mit</strong>ätsdruck, der sie gegen aussen als homogenes Gebilde erscheinen<br />

lässt (Frey et al., 2001). Dieser Druck bezieht sich auf individuelle <strong>und</strong> soziale Identitäten: Meinungen,<br />

Fähigkeiten, Fertigkeiten, Emotionen <strong>und</strong> soziale Position. Nach Haeberlin et al. (1999) werden<br />

Interaktionen durch eine Kosten-Nutzen-Rechnung bestimmt. Die Interaktion <strong>mit</strong> einem Schüler<br />

wird immer dann vermieden, wenn der Nutzen (positive Effekte) aus der Interaktion geringer ist als<br />

die eigenen Bemühungen. Petillon (1978) <strong>und</strong> Haeberlin et al. (1999) stellen fest, dass im Schulbereich<br />

die Wahrnehmung der anderen Schüler vorwiegend auf Schulleistungen <strong>und</strong> auf schulkonformes<br />

Verhalten kanalisiert wird. Das hätte gemäss diesen Ausführungen schwerwiegende Folgen für Kinder<br />

<strong>mit</strong> körperlicher bzw. geistiger <strong>Behinderung</strong> sowie für Kinder <strong>mit</strong> Verhaltensauffälligkeiten.<br />

In unseren durchgeführten Interviews <strong>zu</strong> moralischen Ausschlusssituationen (schulische, sportliche<br />

<strong>und</strong> soziale Gruppenaktivitäten) würden gemäss dieser Theorie nur dann Kinder <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en<br />

integriert, wenn die Gruppe einen Nutzen – auch rein moralischer Art – sieht.<br />

Verhaltensstrategien bei Diskrepanzen<br />

Frey et al. (2001) formulieren in ihrem „Integrativen Konzept sozialer Vergleichsprozesse“ vier<br />

Verhaltensstrategien. Huber (2006) fasst sie in seiner empirischen Untersuchung <strong>zu</strong>sammen. Im<br />

folgenden Abschnitt wird auf diese Quelle (Huber, 2006) Be<strong>zu</strong>g genommen. Die vier Verhaltens-<br />

strategien kommen als mögliche Anpassungsstrategien <strong>zu</strong>m Tragen, sobald das Individuum in einem<br />

Punkt von der Gruppe abweicht. Es stellt sich die Frage, inwieweit diese Strategien auch für Kinder<br />

<strong>mit</strong> geistiger oder körperlicher <strong>Behinderung</strong> anwendbar sind <strong>und</strong> deshalb werden im Anschluss an<br />

die Beschreibung der einzelnen Strategien Überlegungen da<strong>zu</strong> angestellt.


- 30 -<br />

Die Theorie sozialer Vergleichsprozesse<br />

1. Änderung der eigenen Person. Eine Anpassung ist umso wahrscheinlicher, je höher der<br />

Konfor<strong>mit</strong>ätsdruck verspürt wird, je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, in eine Alternativ-<br />

gruppe <strong>zu</strong> wechseln <strong>und</strong> je attraktiver die Be<strong>zu</strong>gsgruppe erscheint.<br />

Kinder <strong>mit</strong> geistiger bzw. körperlicher <strong>Behinderung</strong> sind mehrheitlich nicht in der Lage, ihr<br />

Verhalten willentlich <strong>zu</strong> verändern. Huber (2006, S. 48) spricht sogar von einer „gerade<strong>zu</strong><br />

zynischen Verhaltensstrategie, die den wahrgenommenen Konfor<strong>mit</strong>ätsdruck in keiner Weise<br />

verringern kann“.<br />

2a) Veränderung der Position der anderen Gruppen<strong>mit</strong>glieder. Wenn eine Veränderung der eigenen<br />

Person nicht möglich ist, besteht im Prinzip die Alternative, dass sich die anderen Gruppen-<br />

<strong>mit</strong>glieder anpassen, also ihre Positionen verändern.<br />

Auch diese Strategie scheint unrealistisch <strong>zu</strong> sein, denn die Gruppen<strong>mit</strong>glieder werden ihre<br />

eigenen Fähigkeiten nicht den geistig- oder körperbehinderten <strong>Kindern</strong> anpassen wollen.<br />

2b) Behauptung der eigenen Person. Die Behauptung der eigenen Person kann nur stattfinden,<br />

wenn der Konfor<strong>mit</strong>ätsdruck der Be<strong>zu</strong>gsgruppe nicht <strong>zu</strong> gross ist oder wenn es eine Alternativ-<br />

gruppe gibt.<br />

Diese Strategie kommt Kinder <strong>mit</strong> geistiger bzw. körperlicher <strong>Behinderung</strong> eher nicht in Frage,<br />

denn der Konfor<strong>mit</strong>ätsdruck steigt für diese Schüler je grösser der sonderpädagogische Förder-<br />

bedarf ist. Im integrativen Unterricht ist <strong>zu</strong>dem ein Ausweichen auf eine Alternativgruppe<br />

nicht realisierbar.<br />

3. Verlassen der Gruppe. Wenn die Gruppen<strong>mit</strong>glieder nicht bereit sind, ihre Position <strong>zu</strong> verändern,<br />

oder wenn keine Alternativgruppe <strong>zu</strong>r Verfügung steht <strong>und</strong> der Selbstwert durch die Änderung<br />

der eigenen Person bedroht ist, wird die Gruppe verlassen.<br />

Kinder <strong>mit</strong> geistiger bzw. körperlicher <strong>Behinderung</strong> könnten theoretisch die Klasse wechseln,<br />

meistens stehen sie jedoch nach kurzer Zeit vor denselben Problemen. Eine Umteilung in eine<br />

Sonderschule würde den Konfor<strong>mit</strong>ätsdruck vermindern, steht dem Integrationsgedanken aber<br />

entgegen.<br />

4. Ausschluss aus der Gruppe. Wenn die Gruppenidentität gefährdet ist <strong>und</strong> die Gruppe vermutet,<br />

dass sich die Person nicht anpassen wird, sowie wenn eine Gruppe die Attraktivität der Person<br />

gering achtet, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine Person ausschliesst.<br />

Gerade für Kinder <strong>mit</strong> geistiger bzw. körperlicher <strong>Behinderung</strong> ist eine willentliche Anpassung an<br />

die Klassennorm schwierig <strong>und</strong> deshalb ist gemäss der Theorie der Sozialen Vergleichsprozesse<br />

eine isolierte, ungünstige soziale Position innerhalb ihrer Klasse <strong>zu</strong> vermuten.


- 31 -<br />

Die Theorie sozialer Vergleichsprozesse<br />

Festinger (1954) formulierte als letzte Strategie für den Schutz des Selbstwertes einer Person:<br />

Umlenken des Vergleiches auf eine andere Vergleichsdimension.<br />

Gemeinsamer Unterricht, wie <strong>zu</strong>m Beispiel Lernen am gemeinsamen Gegenstand (Feuser, 1998) der<br />

ein zentraler Baustein eines funktionierenden integrativen Unterrichts darstellt, ermöglicht es, den<br />

Fokus auf andere Werte <strong>zu</strong> lenken. So<strong>mit</strong> kommt – wie bereits beschrieben – der Lehrperson eine<br />

wichtige Aufgabe im Rahmen eines Umlenkungsprozesses <strong>zu</strong>. Allerdings gilt es <strong>zu</strong> bedenken, dass<br />

die Art <strong>und</strong> Weise, wie ein solcher Prozess in die Praxis übertragen werden kann, aus der Forschung<br />

nicht eindeutig hervorgeht.<br />

6.1 Gegenüberstellung der <strong>Kontakt</strong>hypothese <strong>und</strong> der Theorie sozialer Vergleichsprozesse<br />

Die <strong>Kontakt</strong>hypothese entspricht einer normativen Haltung. Sie entspricht einem integrations-<br />

pädagogischen, optimistischen Ansatz <strong>und</strong> versucht durch die Berücksichtigung von günstigen<br />

Bedingungen nach Allport <strong>und</strong> Aronson (Statusgleichheit, Kooperation <strong>und</strong> gemeinsame Ziele,<br />

Unterstüt<strong>zu</strong>ng durch Autoritäten/Institutionen, gegenseitige Abhängigkeit, zwangloser sowie viel-<br />

fältiger <strong>Kontakt</strong>) negative <strong>Einstellung</strong>en, Stereotypen oder gar Vorurteile <strong>zu</strong> verändern. Gemäss<br />

Werth <strong>und</strong> Mayer (2008), die sich auf eine aktuelle Meta-Analyse von Pettigrew <strong>und</strong> Tropp (2006)<br />

stützen, sind dabei für den positiven Effekt von <strong>Kontakt</strong> <strong>zu</strong>dem „die Reduktion von Angst-,<br />

Bedrohungs- <strong>und</strong> Unsicherheitsgefühlen entscheidend, dahingehend, wie man sich gegenüber<br />

Fremdgruppen<strong>mit</strong>gliedern verhalten soll, wie man von diesen wahrgenommen <strong>und</strong> ob man von<br />

diesen akzeptiert werden wird“. Hier geht es also um die Beeinflussung der affektiven Komponente,<br />

die bei der Vorurteilsreduktion entscheidend wirkt.<br />

Die <strong>Kontakt</strong>hypothese geht bezogen auf die Fragestellungen in dieser Arbeit davon aus, dass unter<br />

oben genannten Bedingungen, <strong>Kontakt</strong>e zwischen <strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> <strong>und</strong> ohne <strong>Behinderung</strong>en bestenfalls<br />

<strong>zu</strong> einer nachhaltigen Verhaltensänderung führen, die das vielfältige Miteinander selbstverständlich<br />

möglich macht.<br />

Die Theorie sozialer Vergleichsprozesse entspricht einem sozialpsychologischen Ansatz. Sie setzt<br />

ihren Fokus auf das Motiv, dass Menschen ihre Fähigkeiten <strong>und</strong> Meinungen bewerten <strong>und</strong> sich <strong>mit</strong><br />

einer Be<strong>zu</strong>gsgruppe vergleichen. Dieser Vergleich hat <strong>zu</strong>m Ziel, die Diskrepanz zwischen einer<br />

Gruppe <strong>und</strong> sich selber <strong>zu</strong> verkleinern. Es geht um eine Maximierung des eigenen Selbstwertes <strong>und</strong><br />

darum, dass Interaktionen erst dann stattfinden, wenn die Kosten-Nutzen-Rechnung stimmt. Bezogen<br />

auf die Integration von <strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> geistiger bzw. körperlicher <strong>Behinderung</strong> in Regelklassen stimmt<br />

diese Theorie eher nüchtern <strong>und</strong> pessimistisch. So<strong>mit</strong> sind Kinder <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en meist von<br />

Anfang an auf dem Verliererposten, weil die Diskrepanz zwischen ihnen <strong>und</strong> der in Klassen definierten


- 32 -<br />

Die Theorie sozialer Vergleichsprozesse<br />

<strong>und</strong> vom Schulsystem vorgegebenen Normen gross ist. Die von Frey et al. (2001) in ihrem Integra-<br />

tiven Konzept der sozialen Vergleichsprozesse vorgeschlagenen Verhaltensstrategien <strong>zu</strong>r Reduktion<br />

dieser Diskrepanz sind für jene Kinder mehrheitlich nicht anwendbar. Aus integrationspädagogischen<br />

Ansätzen lässt sich für den Umgang <strong>mit</strong> Heterogenität eine integrationsfördernde Wirkung vorher-<br />

sagen, aus der Theorie sozialer Vergleichsprozesse leitet sich eher integrationshemmende Wirkung<br />

ab (Huber, 2006).<br />

Einerseits hinterlässt Hubers Studie Irritation <strong>und</strong> Verunsicherung, da die Forschung <strong>mit</strong>tlerweile<br />

davon ausgeht, dass heterogene Lerngruppen für die soziale Integration förderlich sind. Ein genauer<br />

Blick auf den Inhalt seiner Untersuchung scheint uns deshalb angebracht.<br />

Gr<strong>und</strong>lagen der Untersuchung<br />

Huber (2006) hat in seiner empirischen Untersuchung folgende fünf integrationspädagogische<br />

Gr<strong>und</strong>annahmen für eine soziale Integration von Schülern <strong>mit</strong> Sonderförderbedarf (SFB) kritisch<br />

untersucht <strong>und</strong> folgende Widersprüche festgestellt:<br />

• Gr<strong>und</strong>annahme 1: Soziale Integration von Schülern <strong>mit</strong> <strong>und</strong> ohne SFB ist vergleichbar.<br />

Es besteht ein Widerspruch (Huber, 2006, S. 311 ff): „Das Risiko für soziale Ausgren<strong>zu</strong>ng ist<br />

für Schüler <strong>mit</strong> SFB doppelt so hoch wie für ihre Klassenkameraden ohne SFB. Im Falle<br />

starker sozialer Ablehnung deutet sich eine verschärfte Situation an, in der Schüler <strong>mit</strong> SFB<br />

r<strong>und</strong> 5,5 Mal häufiger betroffen sind.“<br />

• Gr<strong>und</strong>annahme 2: Soziale Integration verläuft nicht über Schülermerkmale, die Schüler <strong>mit</strong><br />

SFB benachteiligen.<br />

Es besteht ein Widerspruch: Schaut man, welche Kriterien <strong>zu</strong> einer Integration führen<br />

(Intelligenz, Schulleistungen, sportlich-faires Verhalten), so sind das jene Merkmale, <strong>mit</strong> denen<br />

SFB-Schüler schwächer ausgestattet sind.<br />

• Gr<strong>und</strong>annahme 3: Normabweichungen führen nicht <strong>zu</strong> sozialer Ausgren<strong>zu</strong>ng.<br />

Es besteht ein Widerspruch: Normabweichungen ziehen auch im Gemeinsamen Unterricht<br />

soziale Ausgren<strong>zu</strong>ngen nach sich.<br />

• Gr<strong>und</strong>annahme 4: Mit wachsender Heterogenität einer Schulklasse verbessert sich die soziale<br />

Integration von Schülern <strong>mit</strong> SFB.<br />

Es besteht ein Widerspruch <strong>zu</strong> Feusers integrationspädagogischer These „Abschied <strong>zu</strong> nehmen<br />

vom Dogma der ,Homogenität’ <strong>zu</strong>gunsten grösstmöglicher Heterogenität der Lerngruppen“<br />

(Huber, 2006, S. 313): „Durch ausgeprägte Heterogenität der Lerngruppe verstärkt sich die<br />

Ausbildung sozialer Hierarchien.“


- 33 -<br />

Die Theorie sozialer Vergleichsprozesse<br />

• Gr<strong>und</strong>annahme 5: Unterrichtsbezogene Faktoren können soziale Integration von Schülern <strong>mit</strong><br />

SFB beeinflussen.<br />

Verdacht auf Widerspruch (Huber, 2006, S. 313 f): „Für unterrichtsbezogene Faktoren im<br />

Allgemeinen <strong>und</strong> das Lernen am Gemeinsamen Gegenstand im Besonderen waren keine<br />

signifikanten Effekte auf die soziale Integration von Schülern <strong>mit</strong> SFB nachweisbar. (...)<br />

Einschränkend muss hier jedoch die vergleichsweise grobe Erhebung unterrichtsbezogener<br />

Faktoren erwähnt werden (...)“. Huber sieht die Chance für eine mögliche <strong>und</strong> gute soziale<br />

Integration, wenn gute Schulleistungen <strong>und</strong> Intelligenz sowie Motivation-, Selbst- <strong>und</strong> Sozial-<br />

kompetenz vorliegen. Die Chancen stehen schlecht bei aggressiv-draufgängerischem Verhalten<br />

<strong>und</strong> sozialem Rück<strong>zu</strong>g. Dem stellt die Integrationspädagogik gegenüber, dass Gemeinsamer<br />

Unterricht einer veränderten <strong>und</strong> individualisierten Leistungsbewertung folgen muss, um die<br />

soziale Integration, die für das Lernen <strong>und</strong> das Selbstkonzept zentral sind, <strong>zu</strong> ermöglichen.<br />

Es ist kritisch fest<strong>zu</strong>halten, dass in Hubers Evaluationsstudie (Huber, 2009) wichtige Komponenten<br />

wie Unterrichtsgestaltung, mehrperspektivisches Leistungsverständnis 9 <strong>und</strong> Kompetenz der Lehr-<br />

personen nicht untersucht wurden.<br />

Es stehen sich demnach widersprüchliche Theorien gegenüber. Huber kommt <strong>zu</strong>m ernüchternden<br />

Schluss, dass sich „die theoretischen Ansätze einer vornehmlich normativ ausgerichteten Integrations-<br />

pädagogik im Falle der sozialen Integration nicht <strong>mit</strong> der alltäglichen Situation im Gemeinsamen<br />

Unterricht decken. Sozial integriert ist, wer dem Sinn <strong>und</strong> Zweck der Gruppe <strong>und</strong> ihrem Werte-<br />

system am ehesten entspricht. Ausgegrenzt wird, wer davon abweicht“ (Huber, 2006, S. 325).<br />

Hubers Untersuchungen stellen <strong>zu</strong>dem in einer Schule, die das Leistungsprimat hoch hält, dem<br />

Gemeinsamen Unterricht ein schlechtes Zeugnis aus. „Innere Separation“ sei leider nach wie vor<br />

aktueller den je. Trotzdem will Hubers empirische Studie die Axiome der Integrationspädagogik<br />

nicht widerlegen, sondern aufzeigen, dass wichtige Ziele bis <strong>zu</strong>m heutigen Zeitpunkt noch nicht<br />

verwirklicht werden konnten.<br />

9 „Nur ein Mehrperspektivisches Leistungsverständnis (Prengel 1999) kann die notwendige Balance zwischen den Zielen der Forderung konventioneller<br />

Leistungen <strong>und</strong> der Offenheit für schöpferisches Tun ermöglichen. Integrationspädagogik hat <strong>zu</strong> dieser Problematik, die im Prinzip in jeder<br />

pädagogischen Situation enthalten ist, einen weiterführenden Beitrag geleistet, sie hat belegt, dass individuell angepasste Leistungsförderung den<br />

verschiedenen <strong>Kindern</strong> auf ihren verschiedenen Leistungsniveaus optimale Leistungssteigerung ermöglichen kann“ (Annedore Prengel im Beitrag<br />

,Zur Dialektik von Gleichheit <strong>und</strong> Differenz in der Bildung, Impulse der Integrationspädagogik’, in: Eberwein & Knauer, 2009, S. 146.).


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