Vital- und Erlebnisjournal
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Plötzlich stand er vor uns: Ein Hüne von einem Mann.<br />
Große Augen mit buschigen Augenbrauen. Ein dunkler,<br />
etwas zotteliger Bart. Über seiner ausgebleichten Jacke<br />
trug er eine blaue Schürze.Die typische Schürze der Südtiroler<br />
Bauern. Kein Wandersmann, das war uns gleich<br />
klar. Wir schauten uns gegenseitig mit einer Mischung<br />
aus Neugierde <strong>und</strong> Zurückhaltung an –eruns, wir ihn –<br />
<strong>und</strong> dann ging mir ein Licht auf. „Sie sind ein Waaler,<br />
oder?“, fragte ich ihn <strong>und</strong> er nickte. Dann begann er zu<br />
erzählen. Von seiner Arbeit als Waaler. Manchmal war<br />
sein Dialekt ein wenig schwer zu verstehen, aber das<br />
war egal. Er war der deutlichste Beweis, wie sehr die<br />
historischen Waalwege noch lebendig sind. Diese Wasserkanäle<br />
dienten früher wie heute der Bewässerung der<br />
trockenen Gebiete r<strong>und</strong> um Naturns. Um die künstlich<br />
angelegten Bäche von Zweigen, Laub <strong>und</strong> Steinen frei zu<br />
halten, wurden Wege entlang der Waale angelegt, damit<br />
man jederzeit an sie herankommen konnte. Diese Pfade<br />
sind heute die schönsten <strong>und</strong> attraktivsten Wanderwege.<br />
Waaler waren <strong>und</strong> sind so etwas wie Wasserwächter:<br />
Sie kontrollieren, ob das Wasser ungehindert fließt.<br />
Das regelmäßige Schlagen des Waalhammers, der sich<br />
an Wasserrädern befindet, signalisiert dem Waaler, oballes<br />
in Ordnung ist, oder ob er sich auf den Weg machen<br />
muss, um eine Störung zu beseitigen. Das alles erzählte<br />
uns der Waaler ganz fre<strong>und</strong>lich, verabschiedete sich<br />
<strong>und</strong> verschwand dann hinter der nächsten Wegbiegung.<br />
Wir aber wanderten weiter entlang des schmalen Wasserstroms,<br />
der hier <strong>und</strong> da unter der Erde verschwand,<br />
um dann plötzlich wieder gurgelnd aufzutauchen. Als die<br />
Kinder kleiner waren, gehörten die Waalwege r<strong>und</strong> um<br />
Naturns <strong>und</strong> dem Schloss Juvalvon Reinhold Messner zu<br />
den beliebtesten Ausflugszielen. Immer willkommen bei<br />
allen Waal-Gehern: Die herrlichen Einkehrmöglichkeiten.<br />
Überall lässt sich die feinste Südtiroler Jause mit Speck,<br />
Wein <strong>und</strong> Kaminwurzen machen. Bei einem Ausflug hatten<br />
wir besonders Glück: Da hatten die Frauen in der<br />
Nacht Brot gebacken. Das ganzeWirtshaus warvon dem<br />
würzig-frischem Duft erfüllt. Zusammen mit dem Südtiroler<br />
Speckteller <strong>und</strong> einem Roten war die Mahlzeit eine<br />
der besten, die ich jegegessen habe. Alles war „echt“,<br />
kam von diesem Stück Erde, mehr brauchte es nicht.<br />
Auch das ist Alpine Wellness, die man nur hier bekommt<br />
<strong>und</strong> die man sich nicht kaufen kann.