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Vom Umgang mit Suizidäusserungen in der ... - seminare-ps.net

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Dr. H. Missol / R. StettlerKl<strong>in</strong>ik SonnenhaldeAmbulante DiensteHabsburgerstrasse 15CH-4055 Basel<strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> Suizidäusserungen <strong>in</strong><strong>der</strong> Betreuung von Bor<strong>der</strong>l<strong>in</strong>e-Patientenund depressiven Patienten22. Riehener Sem<strong>in</strong>ar25. Oktober 2011


SuizidKlischee und Wirklichkeit• „Wer von Suizid spricht, tut es nicht.“– 80% <strong>der</strong> Menschen, die e<strong>in</strong>en Suizid unternehmen, kündigen diesenvorher an und geben da<strong>mit</strong> ihrer Umwelt e<strong>in</strong>e Chance, ihnen zuhelfen.• „Wer sich wirklich umbr<strong>in</strong>gen will, ist nicht aufzuhalten.“– Die meisten Suizide werden im Rahmen von Krisen durchgeführt. E<strong>in</strong>eentsprechende Krisenbewältigung kann den Suizid verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n.• „Wer es e<strong>in</strong>mal versucht hat, versucht es immer wie<strong>der</strong>.“– 70-80% aller Suizidversuche s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>malige Ereignisse.


SuizidKlischee und Wirklichkeit• „E<strong>in</strong> Suizidversuch ist nur Erpressung.“– Zweifellos setzt e<strong>in</strong> Suizidversuch die Umgebung unter starken Druck.Dies ist jedoch häufig nur e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis darauf, wie gross die Not desBetroffenen ist.• „Nur wer es ernsthaft versucht hat, ist weiterh<strong>in</strong>suizidgefährdet.“– Die <strong>in</strong>dividuelle Suizidgefährdung hängt nicht <strong>mit</strong> dem Ausmass <strong>der</strong>Lebensbedrohung durch den Suizidversuch zusammen, son<strong>der</strong>n mussjedes Mal neu e<strong>in</strong>geschätzt werden.


SuizidKlischee und Wirklichkeit• „Zu Weihnachten und zu Neujahr sowie an grauenNovembertagen s<strong>in</strong>d die meisten Suizide zu verzeichnen.“– In <strong>der</strong> Suizidhäufigkeit ist e<strong>in</strong> signifikanter Gipfel im Frühjahr und e<strong>in</strong>kle<strong>in</strong>er Gipfel im Spätherbst nachgewiesen. Nach Festtagen bestehte<strong>in</strong>e gewisse Häufung von Krisen.• „Wenn man jemanden auf Suizidgedanken anspricht, br<strong>in</strong>gtman ihn erst auf die Idee, sich umzubr<strong>in</strong>gen.“– Die Möglichkeit, Suizidgedanken <strong>mit</strong> jemandem besprechen zukönnen, br<strong>in</strong>gt für den Betroffenen meist e<strong>in</strong>e erhebliche Entlastung.


Suizidalität: Ängste vonTherapeuten“E<strong>in</strong>e Grundbed<strong>in</strong>gung für Selbstmordverhütung ist dasE<strong>in</strong>geständnis <strong>der</strong> Angst und ihrer Wahrnehmung”“Es geht darum, <strong>mit</strong> Ängsten umgehen und leben zulernen, nicht sie zu beseitigen”Pohlmeier, 1992


Suizid <strong>in</strong> <strong>der</strong> SchweizEpidemiologische Fakten• 1‘300-1‘500 Suizide jährlich, d.h. etwa 4 Suizide pro Tag• 15‘000-25‘000 Suizidversuche jährlich (Faktor 10-15)• Lebenszeitprävalenz von Suizidversuchen: 10%• Lebenszeitprävalenz von Suizidgedanken: 52%• Suizide s<strong>in</strong>d bei 15-44 jährigen Männer die häufigsteTodesursache• Suizide s<strong>in</strong>d die zweithäufigste Todesursache bei Jugendlichen• 50% <strong>der</strong> 15-19 jährigen haben e<strong>in</strong>mal Suizidgedanken gehabt


SuizidHerleitung des Präventionsgedanken• Hohe Anzahl von Suiziden und Suizidversuchen• Ca. die Hälfte <strong>der</strong> Suizidversuche führen zu ke<strong>in</strong>erangemessenen Behandlung• E<strong>in</strong> Suizidversuch ist <strong>der</strong> grösste Risikofaktor für e<strong>in</strong>enspäteren Suizid• Suizid ist e<strong>in</strong>e zum<strong>in</strong>dest teilweise vermeidbare /verh<strong>in</strong><strong>der</strong>bare Todesursache• Das Erkennen suizidgefähr<strong>der</strong>ter Personen birgt erheblichesPräventionspotential


SuizidpräventionWichtige Aspekte• Wissen, wer gefährdet se<strong>in</strong> könnte• Wissen um die präsuizidalen Abläufe• Wissen wer kann wie helfen, welche Hilfe istnötig• Wissen um die Not <strong>der</strong> H<strong>in</strong>terbliebenen nache<strong>in</strong>er suizidalen HandlungNach Wolfersdorf und Etzersdorfer, 2011


Suizidalität als Prozess• „Suicide is the endresult of a process not theprocess itself.“Zub<strong>in</strong> J, 1974


Stadien <strong>der</strong> präsuizidalenEntwicklung (Pöld<strong>in</strong>ger)I. Erwägungs-Stadium II. Ambivalenz-Stadium III. Entschluss-StadiumSuizidgedanken•Erhaltene DistanzierungsundSteuerungsfähigkeit•H<strong>in</strong>weise / Appelle•Suggestive Momente (Suizid<strong>in</strong> <strong>der</strong> Umgebung/ Presseberichteetc.)Suizidimpulse•E<strong>in</strong>geschränkte Distanzierungsund Steuerungsfähigkeit•Hilferufe, Ankündigungen•KontaktsucheSuizidvorbereitungSuizidhandlung•Aufgehobene DistanzierungsundSteuerungsfähigkeit•Resignation•Trügerische Ruhe•VorbereitungshandlungenNach Pöld<strong>in</strong>ger, 1968


Präsuizidales Syndrom (R<strong>in</strong>gel)Präsuizidales SyndromZunehmende E<strong>in</strong>engung•Situative E<strong>in</strong>engung•Dynamische E<strong>in</strong>engung•Personale E<strong>in</strong>engung•Wertbezogene E<strong>in</strong>engungAggressionsstauung undAggressionsumkehr•Fehlende Aggressionsabfuhr und Wendung <strong>der</strong>Aggression gegen die eigene PersonSuizidphantasien<strong>in</strong> die Irrealität)(Flucht•Aktiv <strong>in</strong>tendiert•Passiv sich aufdrängendNach R<strong>in</strong>gel E, 1953


Suizidalität:Ambivalenz• Suizidabsicht korrigiert sich ....– ... bei 68-80% <strong>in</strong> weniger als 2 Tagen– ... bei 90-99% <strong>in</strong> weniger als 10 TagenNach: R<strong>in</strong>gel (1953), Stengel und Cook (1958), L<strong>in</strong>den (1969)


Narzisstische Kriseaus Ste<strong>in</strong>,2009


Narzisstische KriseE<strong>in</strong> aktuelles FallbeispielBasler Zeitung, 6. Oktober 2011, S. 27


Suizidgefährdung undSelbstwertproblematikKränkungNarzisstische Persönlichkeit, Vulnerabilität des SelbstwertgefühlsDekompensation des labilen <strong>in</strong>neren Gleichgewichtes ( Selbstgefühl)Kompensationsversuche ( Abwehr) missl<strong>in</strong>genRückzug ( Sehnsucht nach Schlaf, Pause, Ruhe, Wärme, Geborgenheit)Suizidversuch, Suizid


Suizidversuche undPersönlichkeitsstörungen• 40-90% aller Patienten <strong>mit</strong> Persönlichkeits-störungenhaben e<strong>in</strong>e Anamnese vorangehen<strong>der</strong>Suizidversuche• 3-9% <strong>der</strong> Patient<strong>in</strong>nen <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er Bor<strong>der</strong>l<strong>in</strong>e-Persönlichkeitsstörung sterben durch SuizidWolfersdorf und Etzersdorfer, 2011; L<strong>in</strong>ehan et al., 2000


Bor<strong>der</strong>l<strong>in</strong>e-Persönlichkeitsstörung DSMIV„Tiefgreifendes Muster von Instabilität <strong>in</strong>zwischenmenschlichen Beziehungen, im Selbstbild und <strong>in</strong> denAffekten sowie von deutlicher Impulsivität. Der Beg<strong>in</strong>n liegt imfrühen Erwachsenenalter und manifestiert sich <strong>in</strong> denverschiedenen Lebensbereichen“


Entwicklung <strong>der</strong> Ich-StrukturSelbstSelbst/ObjektdifferenzierungObjekt„gut“„gut“Spaltung„böse“„böse“


Persönlichkeitsorganisation(nach Kernberg )• Erklärungsmodell für das Verstehen u.a. vonSuizidhandlungen bei Bor<strong>der</strong>l<strong>in</strong>e-Patienten durchBeschreibung <strong>in</strong>ner<strong>ps</strong>ychischer Vorgänge als Erweiterung <strong>der</strong><strong>ps</strong>ychoanalytischen ObjektbeziehungstheorieAspekte- <strong>in</strong>tegrierte Identität/ Identitätsdiffusion- reife vs. frühe Abwehrmechanismen- Fähigkeit zur Realitätsprüfung


PersönlichkeitsstrukturPersönlichkeitsorganisation• Normal (Ich-Erleben kohärent, konstant <strong>in</strong> Raum u. Zeit ,ambivalent, selbstreflexiv )• Neurotisch• Bor<strong>der</strong>l<strong>in</strong>e - Persönlichkeitsorganisation hoch• Bor<strong>der</strong>l<strong>in</strong>e- Persönlichkeitsorganisation <strong>mit</strong>tel• Bor<strong>der</strong>l<strong>in</strong>e- Persönlichkeitsorganisation niedrig• PsychotischNach Kernberg


Persönlichkeitsorganisation (PO)normal neurotisch Bor<strong>der</strong>l<strong>in</strong>e POmässigesNiveauIdentität <strong>in</strong>tegriert <strong>in</strong>tegriert IdentitätsdiffusionObjektbeziehung stabil komplex dauerhaft/oberflächlichgespalten,oberflächlich,stabil o. KonflliktBor<strong>der</strong>l<strong>in</strong>e POschweresNiveauIdentitätsdiffusiongespalten,oberflächlich,BedürfnisbefriedigungPrim. Abwehr nicht nicht/ selten vorhanden häufigvorhandenPrim. Aggression ke<strong>in</strong>e Funktionse<strong>in</strong>schränkungRealitätsprüfung vorhanden <strong>in</strong>takt/mildverzerrtvorhandenmässig verzerrtvorhandenausgeprägtverzerrt


Nach K<strong>in</strong>d, 1992Psychoökonomie <strong>der</strong> Suizidalität ISuizidalität ...• ... hat regulierende Funktion im Rahmen e<strong>in</strong>es<strong>ps</strong>ychischen Reorganisationsvorganges (<strong>in</strong>tra<strong>ps</strong>ychischund <strong>in</strong>terpersonell)(nicht Ausdruck seelischer Dekompensation )• ... ist <strong>in</strong> ihrer <strong>ps</strong>ychischen Funktionalität abhängig vomEntwicklungsniveau sowie aus <strong>der</strong> Dynamik <strong>der</strong>Therapeut-Klient-Beziehung zu verstehen,• ... ist häufig Ausdruck des Wunsches, die Beziehungzum an<strong>der</strong>en (bzw. den an<strong>der</strong>en) zu än<strong>der</strong>n


Entwicklung <strong>der</strong> Ich-StrukturSelbstSelbst/ObjektdifferenzierungObjekt„gut“„gut“Spaltung„böse“„böse“


Nach K<strong>in</strong>d, 1992Psychoökonomie <strong>der</strong> Suizidalität III• Suizidalität als steuernde Funktion bei <strong>der</strong> Abwehr vonVerlustängsten ( Ich - Grenzen stabil)-manipulative Suizidalität: dient <strong>der</strong> Sicherung <strong>der</strong> Beziehungzu an<strong>der</strong>en Menschen durch Kontrolle <strong>mit</strong> SuiziddrohungGegenübertragungskonstellation des manipulierten Objektes:Gefühl, manipuliert zu werden, <strong>in</strong> die Enge getrieben werden,Ohnmacht, Aggression ( „Gegenübertragungungshass“, sieheMaltsberger )


Psychoökonomie <strong>der</strong> Suizidalität IV• Suizidalität als steuernde Funktion bei <strong>der</strong> Abwehr vonVerlustängsten ( Ich - Grenzen stabil)- Resignative Suizidalität: Beziehungssicherung bleibt erfolglosund vergeblich; das Ziel wird aufgegeben;Gegenübertragungskonstellation des aufgegebenen Objektes:Gefühl, überflüssig zu se<strong>in</strong>, vom Patienten nicht mehr benötigtzu werden, dieser richtet ke<strong>in</strong>e Erwartungen mehr an Th.,Situation ersche<strong>in</strong>t nicht mehr alarmierendNach K<strong>in</strong>d, 1992


Psychoökonomie <strong>der</strong> Suizidalität VNach K<strong>in</strong>d, 1992


Psychoökonomie <strong>der</strong> Suizidalität VI• „Bl<strong>in</strong>de Flecken“ - therapeuteneigeneGegenübertragungsschwierigkeiten <strong>mit</strong> suizidalen Patienten– Hysterisch strukturierter Therapeut: Vorschnelles Interpretieren (SV –suizidal), <strong>mit</strong> über-kompensatorischen Massnahmen sekundärKontrolle gew<strong>in</strong>nen– Zwanghaft strukturierter Therapeut: starkes Kontrollbedürfnis,Ohnmacht ( manipuliert- werden) schlecht aushaltbar,Gefahr, eigene ablehnende Impulse werden schwerer reflektiert, eherausagiert (Patient wird e<strong>in</strong>geengt, kontrolliert, ausOrientierungsbedürfnis des Therapeuten heraus )Nach K<strong>in</strong>d, 1992


Psychoökonomie <strong>der</strong> Suizidalität VII• „Bl<strong>in</strong>de Flecken“ - therapeuteneigeneGegenübertragungsschwierigkeiten <strong>mit</strong> suizidalen Patienten- depressiv strukturierter Therapeut: Gefahr <strong>der</strong> Entwicklung vonSchuldgefühlen, verhält sich zu stark gewährend, weniger konfrontierend,negative Übertragung bleibt ausgespart und nicht bearbeitbar- narzisstisch strukturierter Therapeut: erlebt Suizidalität ggf. alsKränkung, Fehlschlagen <strong>der</strong> Therapie, Gefahr <strong>der</strong> Verleugnung vonSuizidalität.- schizoid-strukturierter Therapeut: schwierige Nähe/ Distanz-Regulation beson<strong>der</strong>s bei fusionärer SuizidalitätNach K<strong>in</strong>d, 1992


Therapie bei chronischer Suizidalität• Aufbau e<strong>in</strong>es stabilen Beziehungsrahmens• Vermeidung e<strong>in</strong>er passiven therap. Haltung, stattdessen authentische Präsens (Hilfs-Ich )• Conta<strong>in</strong><strong>in</strong>g für aggressives Erleben und Agieren(Reflexion <strong>der</strong> Gegenübertragung)• Konfrontieren<strong>der</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> selbstzerstörerischem Verhalten• Bearbeitung <strong>der</strong> Autoaggression durch Reflexion <strong>der</strong> <strong>in</strong>ner<strong>ps</strong>ychischen und<strong>in</strong>terpersonellen Funktionalität• Herstellen e<strong>in</strong>er Beziehung zwischen Gefühlen und Handlung• Setzen und E<strong>in</strong>halten von Grenzen konsequent, nicht restriktiv• Interventionen im Hier und Jetzt,(stützend, ,(affekt-)klärend, konfrontierend, kognitiv reflektierend, deutend)Sich zur Verfügung stellen als neutrales, wohlwollendes Gegenüber


Depression und Suizidalität„Suizidalität gehört zur Depression wie Fieberzur Lungenentzündung“


Depression und SuizidmortalitätDepression und SuizidmortalitätDepression im Vorfeld / zum Zeitpunkt von Suiziden 40-60%Alle Schweregrade <strong>der</strong> Depression 3-4%Schwere depressive Episoden 12-15%Suizidgedanken 70-80%Suizidversuche 20-30%Nach Wolfersdorf /Etzersdorfer, 2011


Komorbidität bei Suizidopfern <strong>mit</strong>DepressionKomorbidität Männer Frauen Gesamtn=45 n=26 n=71n % n % n %Angststörung 8 18 4 15 12 17Suchterkrankung 20 44 2 8 22 31Persönlichkeitsstörung 14 34 8 33 22 34Körperliche Erkrankung 23 51 14 54 37 52Ke<strong>in</strong>e 5 11 6 23 11 15Nach Isometsä et al., 1994


Depression und Suizidalität (I)• Depressive Störungen s<strong>in</strong>d <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er 20-fach erhöhtenSuizidhäufigkeit verbunden (Lebenszeitrisiko ca. 15%).• Bei Patienten <strong>in</strong> ärztlicher Behandlung, die Suizid begehen, lag<strong>in</strong> 75% e<strong>in</strong>e depressive Symptomatik vor.• 80% <strong>der</strong> an Suizid verstorbenen Personen waren <strong>in</strong> denletzten 3 Monaten vor ihrem Suizid <strong>in</strong> ärztlicher Behandlung.• 18% <strong>der</strong> Patienten hatten am Tag des Suizids noch ihren Arztaufgesucht.


Depression und Suizidalität (II)• Erkennung depressiver Symptome und suizidaler Gedankendurch den Arzt / die Therapeut<strong>in</strong> / den Seelsorger hat e<strong>in</strong>egrosse Bedeutung für die Prävention von Suiziden.• Depressive Zustände werden nach wie vor häufig nichterkannt und depressive Patienten erhalten oft ke<strong>in</strong>e o<strong>der</strong>ungenügende Unterstützung (z.B. antidepressive Medikation).• Depressive Zustände dürfen, ja müssen oft gezielt exploriertwerden.


Risiko<strong>ps</strong>ychopathologie bei Depression• Tiefe depressive Herabgestimmtheit (mental pa<strong>in</strong>)• Zum Suizid auffor<strong>der</strong>nde Halluz<strong>in</strong>ationen (imperative, massiv entwertendeStimmen)• Tiefe Hoffnungslosigkeit• Aktuelle und für die Zukunft quälende Angstzustände• Pseudoaltruistische Ideen („Familie ist besser dran ohne mich“)• Zustand nach Suizidversuch, ohne froh zu se<strong>in</strong>, überlebt zu haben• (wahnhafte) Befürchtungen von elendem Sterben, Verarmen, Untergang,existentieller Bedrohtheit• Quälende <strong>in</strong>nere und äussere Unruhe• Ausgeprägte Schlafstörungen über längere Zeit


Wann ist e<strong>in</strong>e Hospitalisation angezeigt?Akute Suizidalität-Impulsiv-ke<strong>in</strong>e DistanzPsychotischesErlebenSoziale IsolierungHospitalisationangezeigtFehlende Offenheitim Kontakt überSuizidalität zu sprechenSchwere Depression<strong>mit</strong> Hoffnungslosigkeitund Schuldgefühlen


Regensburger Bündnis gegen Depression(ab 2002)• 4 Ebenen1. Kooperation <strong>mit</strong> Hausärzten2. Aufklärung <strong>der</strong> Öffentlichkeit3. E<strong>in</strong>beziehen von Multiplikatoren (Lehrer,Apotheker, Polizei etc.)4. Angebote für Betroffene und Angehörige


Regensburger Bündnis gegen Depression• Resultate 2006– Signifikanter Rückgang <strong>der</strong> Suizidrate <strong>in</strong>Regensburg (m<strong>in</strong>us 50%; ke<strong>in</strong> Rückgang <strong>in</strong>Kontrollregionen)– Signifikanter Rückgang <strong>der</strong> Suizidrate bei Männern(m<strong>in</strong>us 57%)


Beziehungsaufnahme• „Darum ist Rettung, wenn Kommunikationgel<strong>in</strong>gt.“ (Karl Jaspers, 1932)K. Jaspers, Philosophie,Bd.II,1932


BELLA-Interventionskonzept bei akutenKrisensituationen• Beziehung aufbauen• Erfassen <strong>der</strong> Situation• L<strong>in</strong><strong>der</strong>ung von Symptomen• Leute e<strong>in</strong>beziehen, die unterstützen• Ansätze zur ProblembewältigungSonneck, 2000


Beziehung aufbauen• Habe ich genügend Zeit?• Kann ich das suizidale Verhalten als Notsignalakzeptieren?• B<strong>in</strong> ich bereit, <strong>der</strong> Geschichte vorurteilsfreizuzuhören?• Beziehungs<strong>in</strong>dikatoren:– Ist <strong>der</strong> Patient kooperativ o<strong>der</strong> fe<strong>in</strong>dselig-abweisend?– Bagatellisiert <strong>der</strong> Patient die Ernsthaftigkeit se<strong>in</strong>erSuizidalität?


BELLA-Interventionskonzept bei akutenKrisensituationen• Beziehung aufbauen• Erfassen <strong>der</strong> Situation• L<strong>in</strong><strong>der</strong>ung von Symptomen• Leute e<strong>in</strong>beziehen, die unterstützen• Ansätze zur ProblembewältigungSonneck, 2000


Erfassen <strong>der</strong> SituationSuizidalitätErhöhtes RisikoAkuter HandlungsdruckIm Leben haltende FaktorenZukunftsperspektivenentwickelbar?Todes-/RuhewünscheSuizidideen ohne / <strong>mit</strong> PlänenSuizidgedanken (drängend?)Frühere suizidale Krisen, Suizidversuche ?Psychopathologie ( e<strong>in</strong>geschränkte Kognition,Aufmerksamkeit Kontaktfähigkeit, Affektivität,Eigensteuerung)Fantasien zum nächsten Tag? Woche? etc.B<strong>in</strong>dungen ( Familie, Partner, K<strong>in</strong><strong>der</strong>, Freunde, Glaube,Hoffnung ) o<strong>der</strong> Resignation und RückzugEntlastung durch Gespräch? Weitere Planung möglich?Zusage bei Verschlechterung möglich ( Absprache) ?


Fragen zur Abschätzung <strong>der</strong> Suizidalität(Haenel/Pöld<strong>in</strong>ger 1986)• Haben Sie <strong>in</strong> letzter Zeit daran denken müssen, sich das Leben zu nehmen? – Häufig?• Haben Sie daran denken müssen ohne es zu wollen? Haben sich Ihnen diese Gedankenaufgedrängt?• Haben Sie konkrete Ideen, wie sie es machen?• Haben Sie Vorbereitungen getroffen?• Haben Sie <strong>mit</strong> jemandem über Ihre Gedanken gesprochen?• Haben Sie schon mal e<strong>in</strong>en SV unternommen?• Hat sich <strong>in</strong> Ihrer Familie (o<strong>der</strong>.Freundeskreis) jemand das Leben genommen?• Halten Sie Ihre Situation für aussichts- bzw. hoffnungslos?• Fällt es Ihnen schwer an etwas an<strong>der</strong>es als an Ihre Probleme zu denken?• Haben Sie noch Interesse, was <strong>in</strong> Ihrer Umgebung vorgeht?• Haben Sie jemandem, <strong>mit</strong> dem Sie offen über Ihre Probleme reden könnten?• Wohnen Sie alle<strong>in</strong>e ?• Fühlen Sie sich unter starken beruflichen o<strong>der</strong> familiären Verpflichtungen stehend?• S<strong>in</strong>d Sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er religiösen o<strong>der</strong> weltanschaulichen Geme<strong>in</strong>schaft verwurzelt?


BELLA-Interventionskonzept bei akutenKrisensituationen• Beziehung aufbauen• Erfassen <strong>der</strong> Situation• L<strong>in</strong><strong>der</strong>ung von Symptomen• Leute e<strong>in</strong>beziehen, die unterstützen• Ansätze zur ProblembewältigungSonneck, 2000


Interventionskonzept bei suizidalenKrisenBEL-Aufbau e<strong>in</strong>er tragfähigen BeziehungAkzeptieren des suizidalen Verhaltens als Notsignal und Verstehen <strong>der</strong>Bedeutung und subjektiven Notwendigkeit dieses Notsignals- Erfassen <strong>der</strong> Situation-Klienten über den aktuellen Konflikt/Krise und die Gefühle sprechen lassen-Balance zwischen Stützen und Strukturieren, Hilfe zum E<strong>in</strong>ordnen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>verstehbares Ganzes für den Patienten-Bearbeiten <strong>der</strong> gescheiterten Bewältigungsversuche.L -Wie<strong>der</strong>herstellen <strong>der</strong> wichtigsten Beziehungen ( Ermutigung zu . .)A-geme<strong>in</strong>same Entwicklung alternativer Problemlösungen undBewältigungsstrategien (Cop<strong>in</strong>g) auch für künftige Krisen;Nach Sonneck, 1985


Häufige Fehler im <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong>Suizidalität• Latente Signale e<strong>in</strong>er Suizidalität übersehen• Direkte Fragen nach Suizidalität vermeiden• Bagatellisierungen des Patienten <strong>mit</strong>machen• Bewerten und Verurteilen <strong>der</strong> Suizidalität• Zu rasches Ansprechen <strong>der</strong> Aggression (Schuldzuweisung)• Ke<strong>in</strong> o<strong>der</strong> aber zu frühes Ansprechen von negativer Übertragung• Provokationen persönlich nehmen ( Agieren von Ablehnung)• Übernahme von zu viel Verantwortung• Mangelnde Exploration <strong>der</strong> jetzigen und ggf früherer Umstände, die zurSuizidalität geführt haben• Zu rasche Suche nach positiven Verän<strong>der</strong>ungen• statt Reflexion des Beziehungsaspekts und <strong>der</strong> GÜ wird die Suizidalität nur„gemanagt“,• Internalisierte Klassifikation von Suizidversuchen anwenden.• Verlustängste übersehen (Urlaube,etc.)• Als Helfer se<strong>in</strong>e Grenzen nicht respektierenNach Reimer, 1992


Suizidalität als ethische Herausfor<strong>der</strong>ung• Häufiger <strong>in</strong>nerer Konflikt <strong>in</strong> Therapie und Seelsorge:– E<strong>in</strong>erseits s<strong>in</strong>d wir <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em Dienst für das Lebenbeauftragt („Norm“: Suizid darf nicht se<strong>in</strong>)– An<strong>der</strong>erseits ist <strong>der</strong> suizidale Mensch gerade auf dieseNorm nicht ansprechbar. In se<strong>in</strong>er Situation s<strong>in</strong>d solcheNormen zumeist nicht mehr handlungsleitend. DasInsistieren darauf könnte kontraproduktiv se<strong>in</strong>.


Suizidalität als ethische Herausfor<strong>der</strong>ung„Se<strong>in</strong> Leben von ihm zu nehmen ist Sachedessen, <strong>der</strong> es den Menschen gegeben hat,nicht se<strong>in</strong>e eigene Sache. Wer hier nimmt,was ihm nicht gehört – <strong>in</strong> diesem Fall, um eswegzuwerfen – <strong>der</strong> tötet nicht nur, <strong>der</strong>mordet.“.Barth Karl, Kirchliche Dogmatik, III/4, 1957, S. 481


Suizidalität als ethische Herausfor<strong>der</strong>ung• Der Tod ist <strong>in</strong> den seltensten Fällen das Ziel desSuizids.• Er ist eher e<strong>in</strong> verzweifeltes Mittel, um etwas Neues,Besseres als das gegenwärtig unerträgliche Leben zuerreichen.• Der suizidale Mensch will nicht eigentlich das Lebenantasten, er scheitert vielmehr am Leben un<strong>der</strong>strebt durch die suizidale Handlung e<strong>in</strong> neues,an<strong>der</strong>es Leben.


Suizidalität als ethische Herausfor<strong>der</strong>ung„Wer aber wollte sagen, dass Gottes Gnadenicht auch das Versagen unter dieserhärtesten Anfechtung zu umfassen und zutragen vermöchte?“Bonhoeffer Dietrich, Ethik, 3. Aufl., 2010, S.199


Literatur• Bronisch T: Suizidalität. In: Möller J, Laux G, Kapfhammer HP: Psychiatrie undPsychotherapie. Band 2. Spr<strong>in</strong>ger, 3. Aufl., 2008, S. 1281-1306.• Dörrmann W: Suizid. Therapeutische Interventionen beiSelbsttötungsabsichten. Klett-Cotta, 5. Aufl., 2006• E<strong>in</strong>k M, Haltenhof H: Basiswissen: <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> suizidgefährdeten Menschen.Psychiatrie-Verlag, 2006• Henseler H: Narzisstische Krisen. Zur Psychodynamik des Selbstmordes.Westdeutscher Verlag, 4. Aufl., 2000.• K<strong>in</strong>d: Suizidal – die Psychoökonomie e<strong>in</strong>er Suche. Vandenhoeck & Ruprecht,4.Aufl., 2005• Wolfersdorf Manfred, Etzersdorfer Elmar: Suizid und Suizidprävention,Kohlhammer Verlag, 2011• Ziemer Jürgen: Seelsorgelehre. Vandenhoeck & Ruprecht, 2000

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