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Wundauflagen, Teil 4 - Werner Sellmer

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Pflegel_Wundaufl4 17.07.2008 13:10 Uhr Seite 124<strong>Wundauflagen</strong>, <strong>Teil</strong> 4Pflegelexikon – die Serie zum SammelnWundversorgung – GrundsätzlichesIn diesem vierten <strong>Teil</strong> werden Aktivkohlekompressenund Vlieskompressenmit Superabsorber vorgestellt.AktivkohlekompressenÜbergeordnete Ziele• Optimaler Einsatz des Produktes/dieser Produktgruppe, um Anwendungsfehlerund ggf. daraus resultierendeFolgeschäden zu vermeiden• Anwendergruppen arbeiten nach dengleichen Maßgaben mit den Materialien• Förderung des Wundheilungsprozessesund Gewährleistung des wirtschaftlichenEinsatzes dieser ProdukteAufbau und ZusammensetzungAktivkohlekompressen sind mehrschichtigaufgebaut. Sie enthalten jenach Produkt eine bis mehrere saugstarkeSchichten, was ihnen ermöglichtzusätzlich hohe Exsudatmengenaufnehmen zu können. Alle Aktivkohlekompressenverfügen über einegeruchsbindende Aktivkohleschicht.Je nach Produkt sind ein Ethylen-Methyl-Acrylat-Film, ein Absorptionskissen,ein Wunddistanzgitter ausAcrylfaser, eine Schaumkompresse,eine Alginat-Hydrofaser-Mischung,Cellulose oder eines Außenschicht ausVliesstoff enthalten.Aktuell sind auf dem Markt nochdrei weitere Aktivkohlekompressenerhältlich, deren Aktivkohlegewebezusätzlich mit Silber imprägniert ist.Es erfolgt keine Silberfreisetzung.Produktbeispiele für Aktivkompressenohne Anspruch auf Vollständigkeitsind: Askina Carbosorb (B.Braun), CarboFlex (ConvaTec), Carbonet(Smith&Nephew), InCare (Hollister),Nobacarbon (Noba), Vliwaktiv(Lohmann&Rauscher).124Eine ausführliche und gewissenhafte Patientenanamnese bildet die Grundlage für die Diagnoseund steht einer jeden Wundversorgung voran. Hierbei werden die Wundursache festgestellt,die wundauslösenden Faktoren identifiziert und störende Begleitfaktoren ergründet. DieBehandlung und Behebung der Wundheilungsstörung sind Voraussetzung, um einen Heilungsprozesszu initiieren. Eine dem jeweiligen Heilungsstadium angepasste Wundversorgung kannerst im Anschluss daran erfolgreich sein. Ein Dekubitus entsteht durch Druck, Reibungs- undScherkräfte. Deren Minimierung oder möglichst Ausschaltung steht der Behandlung diesesKrankheitsbildes voran. Im Falle einer chronisch venösen Insuffizienz (CVI) ist eine adäquateKompression für die Heilung eines Ulcus cruris venosum ausschlaggebend (ggf. operative Versorgung).Eine arterielle Durchblutungsstörung ist zunächst durch Revaskularisation wie eineBypass-OP oder Gefäßdilatation zu beheben. Zusätzlich sind systemische und lokale Störfaktorenzu beachten und wenn möglich zu behandeln.Produktbeispiele für Aktivkohlekompressenmit Silber ohne Anspruch aufVollständigkeit sind: Actisorb silver220 (Johnson&Johnson), Vliwaktiv Ag(Lohmann&Rauscher), Nobacarbon ® -Ag (Noba).Eine Übersicht beispielhafterAktivkohlekompressen ist in Abbildung1 dargestellt.ProdukteigenschaftenAktivkohlekompressen• Geruchsbindung• Große SaugkapazitätSystemische StörfaktorenDies sind z. B. Medikamente, Alter, Ernährung, Psyche, Allgemeinzustand, Mobilität, Immunstatus,Durchblutung, InfektionLokale StörfaktorenDies sind z. B. Keimbesiedelung, Fremdkörper in der Wunde bis hin zur Infektion, Hämatom,Ödem, Schorf, Nekrosen, Hypergranulation, Nahtdehiszenz, hypertrophes Narbengewebe,unzureichende Ruhigstellung oder Druck auf die betroffene Region, Austrocknung/Auskühlungder Wunde, vorgeschädigtes Gewebe z. B. durch Bestrahlung. Es ist eine sichere Abgrenzungchronischer Wunden zu dermatologischen Wunden (z. B. Pyoderma gangraenosum, Vaskulitiden,Tumore) sicher zu stellen!Auswahl der WundauflageMaßgeblich für die Auswahl der Wundauflage ist die Identifizierung und Einschätzung verschiedenerKriterien. Zu beachten sind: Wundheilungsstadium und -phase, Exsudatmenge,Infektionsanzeichen bzw. Vorliegen einer Infektion, Wundreinigung, individuelle Patientenbedürfnisse,Hautzustand (z. B. Entscheidung ob mit/ohne Kleberand), Schutz des Wundrandes,die Notwendigkeit Gerüche zu binden, einfache Handhabbarkeit, Akzeptanz durch den Patienten,Wirtschaftlichkeit und Effizienz. Die Verbandintervalle richten sich nach dem jeweiligenWundzustand und den Herstellerangaben.• Eiweißmoleküle und Bakterien werdengebunden, letztere aber nichtabgetötet• Dauer der Anwendung: je nachGeruchsentwicklung und Exsudatmenge1–3 TageZusätzliche Eigenschaften vonAktivkohlekompressen mit Silber:• Keine Bildung von Resistenzen (wiebei Antibiotika, insbes. lokal angewandt)• Breites Wirkspektrum gegen Mikroorganismen(z. B. Staphylococcus


Pflegel_Wundaufl4 17.07.2008 13:10 Uhr Seite 125Pflegelexikon• Die Wundauflage sollte den Wundrandjeweils um 1–2 cm überragen.• Muss je nach Produkt (s. Packungsbeilage)mit einem Sekundärverband,z. B. (Saug-)Kompresse(n)abgedeckt und fixiert, z. B. elastischeMullbinde oder Fixiervlies, werden;keine Verwendung von okklusivenVerbänden zur Fixierung!Abbildung 2Beispielhafte Übersicht Aktivkohlekompressen mitSilber.Foto: K. ProtzVlieskompressen mitSuperabsorberÜbergeordnete ZieleAbbildung 1Beispielhafte Übersicht von Aktivkohlekompressen.Foto: K. Protzaureus, Escherichia coli, Pseudomonas,MRSA, VRE, Pilze)• WundreinigungIndikationen fürAktivkohlekompressen• Übel riechende Wunden, z. B. exulzerierendeTumorwunden oder infizierteWunden mit unangenehmerGeruchsentwicklung (s. Abb. 3).• Akute und chronische Wunden, z. B.nach Entlastung von Abzessen undEiterherden, kanzeröse und gangränöseWunden, Ulcus cruris, DekubitusZusätzliche Indikationen von Aktivkohlekompressenmit Silber:• Infizierte oder infektionsgefährdeteWunde• Je nach Produkt (siehe Beipackzettel)auch zum Tamponieren bei tiefenWunden einsetzbarAbbildung 3Einsatz von Aktivkohlekompressen mit Silber beiZustand nach exulzerierendem Mammakarzinom.Foto: W. <strong>Sellmer</strong>.Kontraindikationen• Eine bekannte Überempfindlichkeit/Allergie gegen Bestandteile derWundauflageRisiken/Komplikationen• Bei eher trockenen Wunden kann derVerband mit dem Wundgrund verkleben.Daraus folgt eine Traumatisierungvon granulierendem Gewebebeim Ablösen des Verbandes; hier istggf. ein kombinierter Einsatz miteinem Hydrogel oder das Tränkender Wundauflage mit steriler Ringer-/NaCl 0,9 %-Lösung zum leichterenEntfernen angeraten.• AllergieAnwendungshinweise• <strong>Wundauflagen</strong> mit Aktivkohle nichtzerschneiden, da sonst Kohlepartikelin die Wunde gelangen können; eskommt dann zur Schwarzfärbung derWunde (= keine Beobachtung mehrmöglich).Abbildung 4Beispielhafte Übersicht Vlieskompressen mit Superabsorbervor und nach der Aufnahme von Flüssigkeit.Foto: K. Protz• Optimaler Einsatz des Produktes/dieser Produktgruppe, um Anwendungsfehlerund ggf. daraus resultierendeFolgeschäden zu vermeiden• Anwendergruppen arbeiten nach dengleichen Maßgaben mit den Materialien• Förderung des Wundheilungsprozessesund Gewährleistung des wirtschaftlichenEinsatzes dieser ProdukteAufbau und ZusammensetzungDiese superabsorbierende Wundauflageist je nach Produkt unterschiedlichzusammengesetzt. Zum <strong>Teil</strong> ist einKern aus Zellulose oder Zellstoff-Flocken enthalten, in den der Superabsorber(Natriumpolyacrylat) oder flüssigkeitsspeicherndePolymere eingebettetsind. Die Umhüllung bestehtaus Vliesstoff. Einige Produkte habenspeziell beschichtete „Wundseiten“,z. B. aus perforierten Polyethylen odereine hydrophobe Vliesaußenseite, umein Verkleben mit dem Wundgrund zuverhindern. Die wundferne Seite verfügtbei einem Produkt noch zusätzlichüber ein Wäscheschutzvlies, um dieKleidung vor dem Durchdringen vonFeuchtigkeit zu schützen.Produktbeispiele für Vlieskompressenmit Superabsorber ohneAnspruch auf Vollständigkeit sind: sorbionsachet S (sorbion AG), Vliawasorb(Lohmann & Rauscher), Zetuvit plus(Hartmann), DryMax (TapMed).Eine Übersicht beispielhafterVlieskompressen mit Superabsorberin trockenem und befüllten Zustand istin Abbildung 4 dargestellt.125


Pflegel_Wundaufl4 17.07.2008 13:10 Uhr Seite 126PflegelexikonAbbildung 5Wundseitige Ansicht einer vollgesogenen Vlieskompressemit Superabsorber.Foto: A. ProbstAbbildung 6Auflegen einer Vlieskompresse mit Superabsorber.Foto: A. BültemannAbbildung 7Eine vollgesogene Vlieskompresse mit Superabsorber,die zuvor mit semipermeabler Tansparentfoliefixiert wurde.Foto: A. BültemannProdukteigenschaftenVlieskompresse mitSuperabsorber• Hohe und schnelle Saugleistungunter Aufrechterhaltung eines feuchtenWundklimas; je nach Kompressengrößekönnen einige hundertMilliliter Flüssigkeit aufgenommenwerden Abb. 5). Daraus folgt eineVolumen- und Gewichtzunahme derWundauflage (aufgrund der Saugleistung,s. auch Abb. 6, 7)• Gewährleistung der Wundruhe undReduktion der Kontaminationsgefahr:Längere Wechselintervalledurch hohe Saugleistung; Bakterienwerden mit dem Wundexsudat aufgenommen• Wundrandschutz (nicht alle Produkte!):Sekrete der Wunde schädigennicht länger die Umgebungshaut• Wundreinigung: ÜberschüssigesWundexsudat, Beläge, Bakterien,Zelltrümmer werden aktiv in dieWundauflage aufgenommen• Dauer der Anwendung: je nach Exsudationund ärztlicher Anordnungein bis mehrere Tage (z. B. maximalvier Tage lt. einem Hersteller)Indikationen• Stark nässende/exsudierende Wundenwie z. B.: Platzbauch, DiabetischerFuß, Dekubitus, Ulcus cruris,sezernierende Verbrennungswunden2. Grades, Drainagen, Fisteln, exulzerierendeKarzinome, auf Gallenblasen-,Pankreas- oder Coecalfisteln,sekundär heilende nässende LaparatomiewundenKontraindikationen• Bekannte Überempfindlichkeitgegenüber dem Produkt oder seinenBestandteilen• Keine Verwendung/Kontakt auf folgendenBereichen: Schleimhäute,Augenbereiche, trockene Wunden,freiliegenden Knochen-, Muskel-/Sehengewebe• Keine Verwendung in tunnelbildendenWundtaschen, da sich das Produktunter Aufnahme von Wundexsudatstark ausdehnen kann• Keine Anwendung auf schwach exsudierendenWunden, da eine Austrocknungsgefahrder Wunde bestehtund Sogschmerzen beim Patientenauftreten könnenRisiken/Komplikationen• Austrocknungsgefahr bei eher mäßigexsudierenden Wunden aufgrund derstarken Sogleistung• Durch die hohe Saugleistung kanndie Wundauflage mehrere 100Gramm wiegen. Ggf. ist dadurch eineDruckbelastung der Wunde/Wundumgebung möglich. Deshalb ist inangemessenen Intervallen die Befüllungder Wundauflage zu überprüfen.Die zulässige Grenze ist je nach Patientindividuell unterschiedlich festzulegen.Anwendungshinweise• Die Wundauflage darf nicht zugeschnitten,zerrissen oder geöffnetwerden• Die Wundauflage sollte nicht gefaltetwerden. Das führt zur Leistungsver-minderung, da die Ausdehnung möglicherweisegehemmt wird• Die Wundauflage sollte nicht in tunnelbildendenWundtaschen verwendetwerden, da sich das Produkt unterAufnahme von Wundexsudat starkausdehnen kann• Die Wundauflage sollte die Wundränderum ca. 1–2 cm überlappen(Wundrandschutz)• Die Wundauflage ist mit geeignetemMaterial zu fixieren, z. B. elastischeMullbinde, FixiervliesDie Beschreibung der Materialien undderen Anwendung sind kurz gehalten,um eine Übersichtlichkeit zu gewährleisten.Maßgeblich sind immer dieAnwendungshinweise des jeweiligenHerstellers.QuellenProtz, K. (2007): Moderne Wundversorgung,4.Aufl., Elsevier Verlag, Münchenwww.wundzentrum-hamburg.de/standards.phpProtz K: Moderne Wundversorgung, 4. Aufl.,Urban & Fischer 2007.Vasel-Biergans A, Probst W: <strong>Wundauflagen</strong>für die Kitteltasche, Wissenschaftliche VerlagsgesellschaftmbH, Stuttgart 2006Wundfibel der Asklepios Kliniken HamburgGmbH (ehem. LBK Hamburg), 4. unveränderteAuflage 2005, Bezug über www.wernersellmer.deWundfibel Universitätsklinikum Essen, Stand2005, Bezug über Frau Falkenau, E-Mail:beatrix.falkenau@uk-essen.deKerstin Protz, Managerin im SozialundGesundheitswesen, examinierteKrankenschwester, Wundexpertin ICW126


Pflegel_Wundaufl4 17.07.2008 13:10 Uhr Seite 127PflegelexikonIMPRIMATURHiermit erkläre ich die anliegenden Druckfahnen, nachAusführung der angegebenen Korrekturen, für druckreif. Mit derVeröffentlichung geht das Copyright auf den mhp-Verlag über. Dasschließt auch die Nutzung der druckfreien pdf-Dateien im Online-Bereich der Zeitschrift „Wundmanagement” einOrt, DatumUnterschriftmhp-verlag GmbHMarktplatz 13, D-65183 WiesbadenTel.: ++49 (0)611 50593-35, Fax.: -11E-Mail: wm@mhp-verlag.de127

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