Zeit zeugen - Diakonie Landshut
Zeit zeugen - Diakonie Landshut
Zeit zeugen - Diakonie Landshut
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
100<br />
JAHRE<br />
<strong>Diakonie</strong><br />
<strong>Landshut</strong><br />
Elisabeth-Maria Bauer<br />
Im Mittelpunkt der Mensch<br />
100 Jahre <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong>
Im Mittelpunkt der Mensch<br />
100 Jahre <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong>
2009<br />
Herausgeber: Diakonisches Werk des Evangelisch-Lutherischen Dekanatsbezirkes <strong>Landshut</strong> e.V.<br />
Gabelsbergerstraße 46, 84034 <strong>Landshut</strong><br />
Autorin: Dr. Elisabeth-Maria Bauer<br />
Lektorat: Gernot Häublein, DAS TEXTBÜRO, Altfraunhofen<br />
Layout: Andreas Niederhuber, freistil grafik&design, München<br />
Druck: Pinsker Druck und Medien, Mainburg
In der vorliegenden Publikation werden 100 Jahre Geschichte lebendig. Facettenreich<br />
und bunt zeichnet die Chronik ein Bild unserer <strong>Landshut</strong>er <strong>Diakonie</strong>, das turbulente<br />
<strong>Zeit</strong>en und Phasen der Hilflosigkeit ebenso darstellt wie <strong>Zeit</strong>en voller Innovationsfreude<br />
und kraftvollen Aufbruchs. Bei Kennern des Diakonischen Werks werden vielfältige<br />
Erinnerungen geweckt – etwa an bekannte Personen, an Begebenheiten oder an einschneidende<br />
Ereignisse. Doch auch für alle, die mit den <strong>Landshut</strong>er<br />
Verhältnissen wenig vertraut sind, ist die Lektüre lohnend. Denn vor<br />
dem Leser breiten sich 100 Jahre Sozialgeschichte aus.<br />
Das 20. Jahrhundert mit seinen beiden Weltkriegen, mit der <strong>Zeit</strong> des<br />
Nationalsozialismus, der Not nach 1945 oder den Sozialreformen in<br />
den Siebzigerjahren bildete den Hintergrund für das diakonische Handeln.<br />
Die Bedürfnisse und die speziellen Fragestellungen der jeweiligen<br />
<strong>Zeit</strong> wurden aufgegriffen und mit geeigneten Taten beantwortet: So<br />
haben beispielsweise die Diakonissen im ersten Evangelischen Altenheim<br />
in den 1930er-Jahren auch Schüler vom Land aufgenommen, um<br />
ihnen den Besuch einer weiterführenden Schule zu ermöglichen. In der<br />
Nachkriegszeit verteilte die Innere Mission – wie die <strong>Diakonie</strong> damals hieß – Lebensmittelspenden,<br />
und sie qualifizierte arbeitslose Jugendliche für einen Beruf. In den nachfolgenden<br />
Jahrzehnten entstand ein wertvolles Netz aus Beratungsstellen und professionalisierten<br />
Fachdiensten.<br />
Immer hat die <strong>Diakonie</strong> Antworten gesucht auf die aktuellen Herausforderungen der<br />
<strong>Zeit</strong>. Es war pragmatische Hilfe, die geleistet wurde. Es wurde wenig theoretisiert und<br />
analysiert, im Vordergrund stand die Tat; doch die war gut durchdacht, solide vorbereitet<br />
und sie wurde sorgfältig ausgeführt. Immer geschah sie aus dem Glauben heraus,<br />
dass uns Gott in den Armen und Hilfsbedürftigen nahe ist.<br />
„Was willst du, dass ich für dich tun soll?“ fragt Jesus im Evangelium einen Blinden,<br />
der zu ihm kommt (Lukas 18, 41). Die <strong>Diakonie</strong> orientiert sich an Jesus. Auch sie sieht<br />
die Nöte der Menschen und fragt nach deren Bedürfnissen. Und sie hilft wie er – ohne<br />
Unterschiede zu machen und ohne Einschränkungen. Ich bin stolz, dass die <strong>Diakonie</strong><br />
durch ihr vielfältiges karitatives Handeln die soziale Landschaft im Dekanat <strong>Landshut</strong><br />
mit geprägt hat. Möge sie sich ihren wachen Blick bewahren und weiterhin mit der richtigen<br />
Hilfe auf die Anforderungen der Zukunft reagieren.<br />
Siegfried Stelzner, Dekan<br />
1. Vorsitzender des Diakonischen Werks <strong>Landshut</strong><br />
Vorwort
Frauen machten den Anfang<br />
Die diakonische Tätigkeit in <strong>Landshut</strong> beginnt mit dem Engagement<br />
einiger tatkräftiger Frauen am Ende des 19. Jahrhunderts. Sie beteiligen<br />
sich am Bau der Christuskirche, helfen Armen und besuchen<br />
Kranke. Wenige Jahre später entsteht der Evangelische Frauenverein<br />
(1909 bis 1912).<br />
12<br />
Seite<br />
Nachkriegszeit: Aufbauarbeit<br />
und Hilfe in der Not<br />
Die <strong>Zeit</strong> nach dem Zweiten Weltkrieg ändert für die <strong>Diakonie</strong> viel:<br />
Das Dekanat <strong>Landshut</strong> wird gegründet und ebenso die Innere<br />
Mission, die die Arbeit des <strong>Diakonie</strong>vereins übernimmt. Die<br />
Landeskirche ruft das Evangelische Hilfswerk ins Leben, um die<br />
zahlreichen Probleme in der Nachkriegsnot zu bewältigen.<br />
2<br />
Die 1960er-Jahre:<br />
Ausbau der Altenhilfe<br />
4<br />
Fürsorge für Arme und Kranke:<br />
Der evangelische <strong>Diakonie</strong>verein<br />
Es ist die Tätigkeit der Diakonissen, die den Evangelischen <strong>Diakonie</strong>verein<br />
(1912 bis 1948) prägt: Mit der Leitung des ersten evangelischen Altersheimes,<br />
der Jugendarbeit, der Fürsorgearbeit für Bedürftige und der ambulanten Pflege<br />
der Kranken sind die Schwestern gefordert und aufgrund von Kriegsnot,<br />
politischer Zwänge und übergroßer Aufgabenfülle nicht selten überfordert.<br />
3<br />
1<br />
8Seite<br />
22<br />
Seite<br />
Der fortschreitende wirtschaftliche Aufschwung in den 1960er-Jahren<br />
bringt für die Wohlfahrtsverbände ein großes Personalproblem mit sich:<br />
Die Arbeitsnehmer wandern in die lukrativere industrielle Produktion ab<br />
und stehen für soziale Tätigkeiten nicht mehr zur Verfügung. Hinzu kommt,<br />
dass die Diakonissen-Mutterhäuser aufgrund rückläufiger Eintritte mit<br />
Schwesternmangel kämpfen. Daher geht in <strong>Landshut</strong> und kurze <strong>Zeit</strong> später<br />
auch in Vilsbiburg die <strong>Zeit</strong> der Diakonissen zu Ende.<br />
36<br />
Seite
45<br />
Seite<br />
In der Zerreißprobe: Investitions-<br />
und Krisenzeit der <strong>Diakonie</strong><br />
In den 1990er-Jahren stehen für das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> umfangreiche<br />
Investitionen an, gleichzeitig gehen die Spendenbeträge zurück und öffentliche<br />
Zuschüsse werden gekürzt, sodass sich notwendige finanzielle Einschränkungen<br />
abzeichnen. Dass allerdings am Ende dieses Jahrzehnts die gesamte <strong>Landshut</strong>er<br />
<strong>Diakonie</strong> eine materielle und immaterielle Krise von existenzbedrohenden<br />
Ausmaßen durchleiden wird, ist zu diesem <strong>Zeit</strong>punkt noch nicht vorstellbar.<br />
Der Aufbruch<br />
7<br />
85Seite<br />
Das Jahr 2003 verspricht spannend zu werden, da mit Siegfried Stelzner<br />
und Holger Peters ein neuer Dekan und ein neuer Geschäftsführer in die<br />
Leitungsebene des Diakonischen Werks wechseln. Um die vorhandenen<br />
Probleme zu bewältigen, bedarf es allerdings erheblicher gemeinsamer<br />
Anstrengungen.<br />
5<br />
Die <strong>Diakonie</strong> auf dem Weg in die Zukunft<br />
96<br />
Seite<br />
Inhalt<br />
Das Diakonische Werk auf Expansionskurs<br />
Die Ausweitung der Sozialgesetzgebung in Deutschland führt dazu, dass<br />
sich die soziale Arbeit immer mehr ausdifferenziert und vielfältige neue<br />
Aufgabenbereiche entstehen. Aus der Inneren Mission <strong>Landshut</strong> wird im<br />
Jahr 1973 das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> mit diversen Fachdiensten,<br />
offenen Gruppenangeboten und einer steigenden Zahl von Beschäftigten.<br />
74<br />
6<br />
Seite<br />
Fit für die Zukunft: Neben den traditionellen diakonischen Aufgaben<br />
wird die <strong>Diakonie</strong> mit neuen Projekten auf neue gesellschaftliche<br />
Bedürfnisse reagieren. Dabei nehmen ökonomische Zwänge in<br />
einem umkämpften Sozialmarkt mit begrenzten Mittelzuweisungen<br />
immer stärker Einfluss auf Entscheidungen.<br />
8
1<br />
Die Christuskirche wird gebaut (1894 bis 1897): Auf und unter dem Baugerüst befanden sich etwa<br />
80 Maurer, Handlanger und Frauen, die auch „Mörtel-Weiber“ genannt wurden. Sie waren meist<br />
freiwillige Helferinnen der evangelischen Gemeinde, die Baumaterial schleppten.<br />
8 Der evangelische Frauenverein 1909-1912
Frauen machten den Anfang<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> präsentiert sich heute als ein in Stadt und Landkreis<br />
etablierter Wohlfahrtsverband, der vielfältige soziale Dienste mit einem breiten Leistungsspektrum<br />
anbietet. Umso bemerkenswerter ist sein Ursprung: Begonnen hat die diakonische<br />
Tätigkeit mit dem Engagement einiger tatkräftiger Frauen am Ende des 19. Jahrhunderts.<br />
Handarbeiten für die Christuskirche<br />
Heutzutage würde sich die Frauengruppe, die sich am<br />
1. Oktober 1895 in der Münch’schen Gastwirtschaft<br />
versammelte, möglicherweise „Förderverein Christuskirche“<br />
nennen. Damals hatte Johanna von Jan, die Ehefrau<br />
des Stadtpfarrers, eingeladen, um mit insgesamt 54<br />
Frauen den Evangelischen Frauenverein <strong>Landshut</strong> zu<br />
gründen. In erster Linie ging es darum, zum Bau der<br />
Christuskirche beizutragen. Zusätzlich waren wohltätige<br />
Zwecke, wie die Unterstützung von Armen und Kranken,<br />
angedacht: „Es werden sich in unserer Gemeinde, besonders<br />
unter den junge Damen und Fräulein, geübte<br />
Stickerinnen finden, welche gerne mit Hand anlegen, um<br />
unserer Gotteshaus würdig schmücken zu helfen. Auch<br />
den Armen und Kranken werden wir Frauen öfter<br />
Gelegenheit finden, tätig und hilfsbereit zu sein, sei es<br />
durch Unterstützung der Bedürftigen mit milden Gaben<br />
oder sei es auch durch Bezeugung unserer fürsorglichen<br />
Teilnahme an dem Ergehen unserer in Not geratenen<br />
Gemeindemitglieder.“ 1<br />
Die evangelische Pfarrgemeinde in <strong>Landshut</strong> umfasste<br />
damals nur 1200 Gläubige. Frauen hatten noch<br />
wenig Gelegenheit, sich aktiv am öffentlichen gesellschaftlichen<br />
Leben zu beteiligen. Dennoch gelang es den<br />
Mitgliedern des Frauenvereins, mit den unterschiedlichsten<br />
Veranstaltungen, wie dem Verkauf von Handarbeiten,<br />
Gelder einzuwerben, so dass zur Kircheneinweihung<br />
vier Paar Leuchter sowie zwei Kanzel- und Altartücher<br />
gespendet werden konnten.<br />
Der evangelische Frauenverein 1909-1912<br />
Als im Oktober 1908 eine Generalversammlung des<br />
Frauenvereins abgehalten wurde, konnte die Vereinsgründerin,<br />
Johanna von Jan, aus gesundheitlichen<br />
Gründen nicht mehr teilnehmen. Maria Seidel, die Frau<br />
des neuen evangelischen Stadtpfarrers Georg Seidel, leitete<br />
die Sitzung und erklärte die Anstellung einer Gemeindeschwester<br />
zum nächsten wichtigen Vereinsziel.<br />
An der Notwendigkeit einer eigenen Diakonisse in der<br />
Diaspora <strong>Landshut</strong> bestand kein Zweifel, zumal es in<br />
anderen nahen Städten wie Straubing bereits seit Jahren<br />
Diakonissen gab, die mit der Gemeindearbeit ausgelastet<br />
waren. Dazu musste jedoch die finanzielle Basis, die<br />
bisher nur aus einem kleinen Fonds in Höhe von 200<br />
Mark und Rücklagen in Höhe von 600 Mark bestand,<br />
erweitert werden.<br />
9<br />
Über die<br />
Erweiterung des<br />
Frauenvereins<br />
wurde auch im<br />
„Kurier von<br />
Niederbayern“<br />
berichtet.
Der evangelische Frauenverein<br />
wird gegründet<br />
Als ersten Schritt veranlasste die neue Vorsitzende Maria<br />
Seidel die Registrierung des seit Jahren bestehenden<br />
Vereins: Am 2. März 1909 wurde beim Königlichen Amtsgericht<br />
<strong>Landshut</strong> die Satzung des Evangelischen Frauenvereins<br />
errichtet. Dieses historische Datum gilt als Gründungstag<br />
des Diakonischen Werks <strong>Landshut</strong>.<br />
In der folgenden <strong>Zeit</strong> versuchten die Frauen beharrlich,<br />
mit Verlosungen, Konzertveranstaltungen, dem Verkauf<br />
von Handarbeiten und ihren Mitgliedsbeiträgen die<br />
Ersparnisse des Vereins zu vergrößern, um ihren Plan<br />
einer eigenen Diakonissenstation umsetzen zu können.<br />
Für die Anstellung einer Gemeindeschwester kalkulierten<br />
sie einen Jahresbetrag von 800 Mark.<br />
Als einige Jahre später die Finanzen für eine Diakonissenstation<br />
immer noch nicht ausreichten, wurde<br />
beschlossen, den Frauenverein zu öffnen. So heißt es im<br />
Protokoll der Mitgliederversammlung vom 29.10.1912:<br />
„Eine wesentliche Änderung besteht darin, dass statt<br />
bisher Frauen und Jungfrauen als Mitglieder des Vereins<br />
nunmehr alle unbescholtenen Gemeindemitglieder Mitglieder<br />
werden können.“ 2 Vor diesem Hintergrund entstand<br />
der Evangelische <strong>Diakonie</strong>verein <strong>Landshut</strong> als ein<br />
Wohltätigkeitsverein. Sein Vorläufer, der Evangelische<br />
Frauenverein, wurde integriert.<br />
Schon ein Jahr später ging der Wunsch der Gemeindemitglieder<br />
in Erfüllung: Im November 1913 kam Schwester<br />
Marie Benker als erste Augsburger Diakonisse nach<br />
<strong>Landshut</strong>. Damit begann ein langer und wichtiger <strong>Zeit</strong>abschnitt,<br />
in dem die Diakonissen den sozialen Dienst in<br />
der Diasporagemeinde <strong>Landshut</strong> übernahmen.<br />
Im Kassenbuch wurden alle Einnahmen und<br />
Ausgaben mit exakter Handschrift festgehalten.<br />
10 Der evangelische Frauenverein 1909-1912<br />
Die kirchliche<br />
Armenpflege und<br />
die Anstellung von<br />
Gemeindediakonissen<br />
waren in der Satzung<br />
festlegt.
Der evangelische Frauenverein 1909-1912<br />
11<br />
Vorstandsmitglieder
2<br />
Gemeindestation und Altenheim standen<br />
unter der Leitung von Augsburger Diakonissen.<br />
Fürsorge für Arme und Kranke:<br />
Der evangelische <strong>Diakonie</strong>verein<br />
<strong>Landshut</strong><br />
Es war die Tätigkeit der Diakonissen, die das Wirken des Evangelischen <strong>Diakonie</strong>vereins<br />
(1912 bis 1948) prägte: Die Leitung des ersten evangelischen Altersheimes, Jugendarbeit,<br />
die Fürsorgearbeit für Bedürftige und die ambulante Pflege der Kranken in der Gemeinde –<br />
in diesen unterschiedlichen sozialen Aufgabenbereichen waren die Schwestern gefordert<br />
und nicht selten überfordert. Kriegsnot, politische Zwänge und die Armut in dieser <strong>Zeit</strong><br />
steigerten die persönliche Belastung für manche Pflegerin ins Unerträgliche. Die Erinnerung<br />
an die aus dem Glauben heraus hilfstätigen Diakonissen ist bei vielen <strong>Landshut</strong>ern bis<br />
heute in positiver Weise erhalten.<br />
12 Der evangelische <strong>Diakonie</strong>verein 1912-1948
Die Gemeindepflegestation entsteht<br />
Nach Verhandlungen mit dem Evangelischen <strong>Diakonie</strong>verein<br />
entsandte das Mutterhaus in Augsburg im Jahr<br />
1913 die erste Diakonisse, Marie Benker, nach <strong>Landshut</strong>.<br />
Hier erwarteten die Schwester die schwierigen Verhältnisse<br />
einer Diasporagemeinde. Da noch kein vereinseigener<br />
Wohnraum zur Verfügung stand, bezog sie zwei<br />
angemietete möblierte Zimmer. 3 Diese Wohnsituation<br />
war für die Schwester unbefriedigend und aufgrund häufig<br />
gestörten Schlafes so belastend, dass sogar ein Neubau<br />
überlegt wurde. Schließlich konnte der <strong>Diakonie</strong>verein<br />
kurz vor Ausbruch des ersten Weltkriegs von den<br />
Eheleuten Schmidtbauer ein Anwesen in der Klötzlmüllerstraße<br />
10 erwerben. Dort entstand nicht nur die ersehnte<br />
Gemeindediakonie-Station, sondern auch das<br />
erste evangelische Altenstift <strong>Landshut</strong>s.<br />
Der erste Weltkrieg stellte den <strong>Diakonie</strong>verein vor<br />
neue und unvorhergesehene Aufgaben. So schrieb die<br />
Vorstandschaft im September 1914: „Zudem hat sich<br />
das Bedürfnis geltend gemacht, unseren nicht schulpflichtigen<br />
evangelischen Kindern ein Heim in Gestalt<br />
einer Kinderbewahranstalt zu schaffen.“ Auch wäre dringend<br />
eine zweite Gemeindeschwester nötig gewesen.<br />
Der evangelische <strong>Diakonie</strong>verein 1912-1948<br />
Es fehlten jedoch die finanziellen Mittel. Kriegsbedingt<br />
war die noch junge Gemeindestation in der Klötzlmüllerstraße<br />
bald verwaist: Schwester Marie Benker wurde<br />
1915 aus <strong>Landshut</strong> abberufen, um Verwundete in den<br />
Lazaretten zu pflegen. In den folgenden vier Jahren blieb<br />
die Station unbesetzt.<br />
Dass schließlich trotz aller Schwierigkeiten nach<br />
Kriegsende eine funktionierende Gemeindestation entstand,<br />
war ein entscheidender Verdienst von Maria<br />
Seidel, der früheren Vorsitzenden des Evangelischen<br />
Frauenvereins. Denn die Vorstandschaft war – angesichts<br />
des jahrelang leer stehenden Gebäudes – entschlossen,<br />
das Anwesen in der Klötzlmüllerstraße zu verkaufen.<br />
Maria Seidel schrieb vor der Mitgliederversammlung im<br />
Jahr 1918 an den Vorstand: „Ich kann es mit meinem<br />
Gewissen nicht vereinbaren, zu diesem dem Vereinszweck<br />
zuwider laufenden Schritt auch nur durch Stillschweigen<br />
meine Zustimmung zu geben und sehe mich<br />
daher zu meinem Bedauern veranlasst, aus der Vorstandschaft<br />
auszuscheiden.“ 4 Das Haus wurde nicht verkauft.<br />
Und als im März 1919 Schwester Marie Spörner<br />
nach <strong>Landshut</strong> kam und ein Jahr später zusätzlich<br />
Margarete Semmer, konnte die Gemeindepflege in der<br />
<strong>Diakonie</strong>station endgültig beginnen.<br />
13<br />
1912 umfasste die<br />
Evangelische Gemeinde<br />
in der Stadt <strong>Landshut</strong><br />
nur 1302 Mitglieder.
Erste Pflegesätze<br />
Den Diakonissen-Mutterhäusern war es ein Anliegen,<br />
dass die Dienste ihrer Gemeindeschwestern unentgeltlich<br />
angeboten wurden und insbesondere den hilfsbedürftigen<br />
und unbemittelten Bürgern zugute kamen. Es<br />
wurde zwar eingeräumt, dass in Diasporagemeinden wie<br />
<strong>Landshut</strong> viel Privatpflege angefragt würde. Private und<br />
längere Einzelpflege in Familien sollte jedoch nur dann<br />
geleistet werden, wenn der allgemeine Dienst der<br />
Schwestern dies zuließe. 5<br />
Da dem Evangelischen <strong>Diakonie</strong>verein die Finanzierung<br />
der Diakonissenstation nicht leicht fiel, geriet die<br />
Entlohnung der Gemeindeschwestern immer wieder zum<br />
Diskussionsthema. Im April 1919 wurden Fragebögen an<br />
verschiedene Pfarrämter (Bamberg, Passau, Eichstätt,<br />
Regensburg, Rosenheim, Straubing) verschickt, bei<br />
denen ähnliche Diasporaverhältnisse vorlagen, um nachzufragen,<br />
wie dort die Pflegedienste der Diakonissen<br />
entschädigt wurden. Man kam zu dem Entschluss, die<br />
Entlohnung der Schwestern den Familien als eine freiwillige<br />
Gabe selbst zu überlassen. Auch aus sozialen<br />
Gründen und moralischer Verpflichtung riet der <strong>Diakonie</strong>vorsitzende<br />
Pfarrer Georg Seidel von festen Pflegesätzen<br />
ab: „Der Dienst einer Gemeindeschwester ist geeignet,<br />
einer kurzsichtigen, lieblosen Welt, die nur rohe materielle<br />
Rücksichten kennt, etwas von einem christlichen<br />
Ideal der Uneigennützigkeit und der helfenden Liebe<br />
merken zu lassen.“ 6<br />
Infolge der Inflation zu Beginn der 1920er-Jahre spitzte<br />
sich die wirtschaftliche Situation im Evangelischen<br />
<strong>Diakonie</strong>verein zu. Es wurde überlegt, mit welcher Art<br />
von Veranstaltungen man zu Einnahmen gelangen könnte,<br />
etwa mit einem Bunten Abend oder doch besser mit<br />
einem Kirchenkonzert? Zudem bat Pfarrer Seidel die<br />
Vereinsmitglieder, ihre Beiträge aufgrund der Geldentwertung<br />
freiwillig zu erhöhen. Schließlich konnten die<br />
Dienste der Diakonissen nicht länger unentgeltlich angeboten<br />
werden. 1921 erließ der <strong>Diakonie</strong>verein Richtlinien<br />
für die Entschädigung: Mitglieder mussten für die Tagespflege<br />
vier Mark, für die Nachtpflege sechs Mark bezahlen.<br />
Nichtmitglieder hatten für die Tagespflege fünf Mark,<br />
für die Nachtpflege sieben Mark zu entrichten. Massage,<br />
Bäder und Wickel kosteten für alle gleichermaßen zwei<br />
Mark, Injektionen eine Mark.<br />
Die galoppierende Inflation während der Währungskrise<br />
brachte große finanzielle Nöte. Waren es ursprüng-<br />
lich 500 Mark jährlich, die der <strong>Diakonie</strong>verein als Entgelt<br />
für eine Schwester an die Diakonissenanstalt in Augsburg<br />
abführen musste, so erhöhte sich der Beitrag rapide:<br />
Im Juli 1922 musste das jährliche Stationsentgelt<br />
bereits von 2000 auf 3600 Mark erhöht werden. Dazu<br />
schrieb Christian Caselmann, Rektor des Diakonissenmutterhauses<br />
in Augsburg: „Nur schweren Herzens und<br />
dem Zwang der Verhältnisse folgend gehen wird daran,<br />
die Stationen um erhöhte Jahresleistung für die Ihnen<br />
überlassenen Diakonissen zu ersuchen. (…) Wir bitten,<br />
diese unliebe Mitteilung als eine aus der Not hervorgegangene<br />
aufnehmen zu wollen.“ 7 Ab Juli 1923 wurden<br />
100 000 Mark monatlich gefordert, am 1. September<br />
waren es schließlich zwei Millionen Mark, die an die<br />
Diakonissenanstalt abgeführt werden sollten. Hinzu<br />
kam, dass auch die Evangelische Gemeinde in den<br />
zurück liegenden Jahren mit den Schulden für den Bau<br />
der Christuskirche belastet war und diese erst 1923<br />
tilgen konnte.<br />
Bereits während des ersten Weltkrieges war die staatliche<br />
Wohlfahrtspflege ausgebaut worden. Infolge der<br />
Nachkriegsnot – es gab viele Kriegswitwen, Waisen und<br />
körperbehinderte Kriegsopfer – wurden in der Weimarer<br />
Republik Fürsorgegesetze erlassen. Ab Mitte der<br />
1920er-Jahre gewährte der Staat den Wohlfahrtsverbänden<br />
zunehmende finanzielle Unterstützung, was eine<br />
Ausdehnung der diakonischen Arbeitsgebiete und einen<br />
Wohlfahrtsboom auslöste. 8<br />
14 Der evangelische <strong>Diakonie</strong>verein 1912-1948<br />
Kassenbericht des<br />
Evangelischen<br />
<strong>Diakonie</strong>vereins
Auch Pfarrer Georg Seidel stellte 1929 für die Pflegetätigkeit<br />
ein Zuschussgesuch an die Reichsversicherungsanstalt<br />
für Angestellte in Berlin. Er schrieb: “(…) allein die<br />
Kosten des Unterhalts der Schwestern und der Aufwand<br />
für die Diakonissenstation und das Altenheim, der die<br />
eingehenden Pflegegelder weit übersteigt, belasten die<br />
kleine Gemeinde sehr schwer, zumal in der jetzigen <strong>Zeit</strong><br />
großer Erwerbslosigkeit nur wenige<br />
Gemeindemitglieder in der Lage sind,<br />
für die Pflege angemessen zu bezahlen.“<br />
9 Von Seiten der Landesversicherungsanstalt<br />
Niederbayern wurden dem<br />
Evangelischen <strong>Diakonie</strong>verein in diesem<br />
Jahr 300 Mark zur Förderung der Krankenfürsorgearbeit<br />
gewährt.<br />
Altenheim und Internat<br />
Älteren hilfsbedürftigen Menschen ein Zuhause<br />
zu geben, wo sie Essen, ein warmes<br />
Zimmer und ein eigenes Bett hatten - das war<br />
der einfache Anspruch der ersten Altenheime.<br />
Damals wurden sie auch als Siechenheime<br />
bezeichnet, obwohl zu dieser <strong>Zeit</strong> die Bewohner<br />
beim Einzug noch sehr rüstig und kaum pflegebedürftig<br />
waren. Das erste evangelische Altenheim<br />
des <strong>Diakonie</strong>vereins in der Klötzlmüllerstraße<br />
10 wurde zwischen den beiden Weltkriegen<br />
eher als eine Art Altenstift geführt. Elf Einzelzimmer<br />
standen in dem von Diakonissen geführten<br />
Heim zur Verfügung, für die mit den Bewohnern<br />
Mietverträge abgeschlossen wurden. Die monatliche<br />
Miete einschließlich der Verpflegung betrug im Jahr<br />
1926 nur 50 Mark. Die Art der Verköstigung war vertraglich<br />
geregelt: Kaffee oder Kakao zum Frühstück,<br />
Suppe, Fleisch oder Mehlspeise zum Mittagessen und<br />
einfaches kaltes bzw. warmes Essen am Abend. Im Fall<br />
einer Erkrankung „erhalten die Heimbewohner die erforderliche<br />
Pflege, soweit sie die Kräfte der Schwestern<br />
nicht übersteigt.“ Heizung und Wäsche waren im Preis<br />
nicht enthalten, auch musste ein Pauschalbetrag von<br />
einer Reichsmark für Licht und ebenso für den Anschluss<br />
eines Radios zusätzlich bezahlt werden. 10<br />
Der evangelische <strong>Diakonie</strong>verein 1912-1948<br />
15<br />
Der Heimvertrag aus<br />
dem Jahr 1926 enthielt<br />
nur wenige Punkte.
Als ein weiterer Aufgabebereich für die Diakonissen kam<br />
die Jugendfürsorge hinzu. Ende der 1920er-Jahre wurde<br />
das Gebäude in der Klötzlmüllerstraße auch als Internat<br />
genutzt. Mädchen ab zehn Jahren und einige Jungen aus<br />
den Umlandgemeinden, die in <strong>Landshut</strong> Schulen besuchten,<br />
bekamen hier Unterkunft. Für 40 bis 65 Mark pro<br />
Monat wurden „volle Verpflegung, Wohnung, Licht, Beheizung<br />
und Bettwäsche“ gewährt. Allerdings gestaltete<br />
sich das generationenübergreifende Zusammenleben<br />
der unterschiedlichen Bewohner der Klötzlmüllerstraße<br />
10 nicht immer konfliktfrei. Pfarrer Seidel und später<br />
auch Pfarrer Wagner hatten gelegentlich die Aufgabe,<br />
Beschwerdebriefe an die Eltern der Pensionsschüler zu<br />
formulieren.<br />
Danben wurden in dem Diakonissenhaus auch<br />
wöchentliche Treffen der Christenlehr-Mädchen und der<br />
Mädchenschar abgehalten, die von den Schwestern<br />
betreut wurden. Am 20. Juli 1930 fuhr Schwester Anni<br />
Henle mit ihrer Mädchenschar zum Jugendtag nach<br />
Augsburg, um im Mutterhaus an einem Lehrgang über<br />
Jugendarbeit teilzunehmen. Zudem wurden im Jahr 1932<br />
Konfirmanden bis zur Konfirmation in der Klötzlmüllerstraße<br />
untergebracht. Hin und wieder durften auch<br />
Gäste dort übernachten, die Angehörige im Heim oder<br />
Verwandte in <strong>Landshut</strong> besuchten.<br />
Brief vom 28.12.1934 von Pfarrer Wagner an die<br />
Eltern der im Heim untergebrachten Schüler<br />
16 Der evangelische <strong>Diakonie</strong>verein 1912-1948<br />
Der 1914 für<br />
Mädchen und junge<br />
Frauen gegründete<br />
Marthaverein wurde<br />
von einer Diakonisse<br />
(Bildmitte hinten)<br />
betreut.
In der <strong>Zeit</strong> des Nationalsozialismus<br />
Ab 1933 war die Arbeit des Evangelischen <strong>Diakonie</strong>vereins<br />
ebenso wie die kirchliche Tätigkeit aufgrund politischer<br />
Repressalien behindert. Nach der Machtergreifung<br />
Hitlers und seiner NSDAP wurden von der Reichsleitung<br />
Kirchenvorstandswahlen mit der Absicht angeordnet,<br />
darin Parteigenossen zu positionieren, um dadurch mehr<br />
Parteieinfluss auf Kirchenbelange zu gewinnen. Im Ergebnis<br />
wurden in der Ev.-Luth. Kirchengemeinde <strong>Landshut</strong><br />
tatsächlich alle sechs neu auf der Liste platzierten nationalsozialistischen<br />
Kandidaten gewählt. Pfarrer Johannes<br />
Wagner bedauerte, dass die bisherigen treuen Kirchenvorsteher<br />
lediglich als Ersatzleute im neuen Vorstand<br />
vertreten waren. 11 In einem Schreiben an das Dekanat<br />
Regensburg berichtete er, dass die Gottesdienstbesuche<br />
beeinträchtig würden; Schüler könnten nicht in die<br />
Der 1927 gegründete Mädchenbibelkreis gehörte zu den Anfängen<br />
evangelischer Jugendarbeit.<br />
Kirche kommen, weil zur gleichen <strong>Zeit</strong> SA-Appelle, HJ-<br />
Appelle und Übungen abgehalten würden. Gemeindeabende<br />
mussten wiederholt verlegt werden, weil die<br />
NSDAP in <strong>Landshut</strong> Massenversammlungen anberaumte.<br />
Der evangelische <strong>Diakonie</strong>verein 1912-1948<br />
1934 wurde die Diakonissenanstalt dem<br />
Landesführer der Inneren Mission unterstellt.<br />
Die Einrichtungen der <strong>Diakonie</strong><br />
waren ebenso wie die<br />
evangelische Kirche von der<br />
Gleichschaltung bedroht. Im<br />
Mai 1933 gab die Innere<br />
Mission Bayerns ihre Selbständigkeit<br />
gegenüber der<br />
Landeskirche auf mit der Begründung,<br />
dass sie dadurch<br />
die Gefahr der Gleichschaltung<br />
abwenden wolle. In Übernahme<br />
des nationalsozialistischen<br />
Führerprinzips unterstellte<br />
sie sich dem berufenen<br />
„Führer“ der Evang.-Luth.<br />
Landeskirche Bayerns, dem<br />
neuen Landesbischof Hans<br />
Meiser. Daraufhin mussten<br />
die diakonischen Einrichtungen<br />
eine Unterstellungserklärung<br />
abgeben, in denen<br />
sie erklärten, „sich dem von<br />
dem Herrn Landesbischof bestellten<br />
Landesführer der<br />
Inneren Mission zu unterstellen und sich zur Einhaltung<br />
der in der Anordnung des Herrn Landesbischofs vom<br />
28. Juni 1934 erlassenen Ordnung der Inneren Mission<br />
in Bayern zu verpflichten.“ 12<br />
17
Dies taten – mit einzelnen Ausnahmen - alle großen und<br />
kleinen diakonischen Einrichtungen in Bayern. Ziel dieser<br />
Aktion war es, einen gewissen Schutz vor Eingriffen<br />
des NS-Regimes zu erlangen und der drohenden Auflösung<br />
zu entkommen.<br />
Dennoch kam es im Vereinswesen und in der Jugendarbeit<br />
zu massiven Einschränkungen, etwa beim evangelischen<br />
Schulwesen und im Bereich der Kindererziehung.<br />
Mit der Hitlerjugend und dem Bund deutscher Mädel<br />
entstanden Konkurrenzbewegungen zu den christlichen<br />
Jugendvereinen.<br />
In <strong>Landshut</strong> wurde die evangelische Jugendarbeit, die<br />
zum Teil von den Diakonissen geleistet wurde 13 , zunehmend<br />
erschwert und ihrer Eigenständigkeit beraubt.<br />
1933 marschierten Mitglieder des Mädchenbibelkreises<br />
aus Protest gegen die nationalsozialistische Gleichschaltung<br />
mit Wimpeln durch die <strong>Landshut</strong>er Altstadt.<br />
Im Februar 1934 klagte Schwester Margarethe Hertle:<br />
“Wie arg, dass unsere evang. Kirche so bedroht ist; Gott<br />
helfe in Gnaden – der Marthaverein ist recht klein geworden,<br />
da viele in den Bund deutscher Mädchen getreten<br />
sind.“ 14 Der Marthaverein, der 1914 zur Pflege der christlichen<br />
Gemeinschaft und zur Teilnahme am Gemeindeleben<br />
für junge evangelische Frauen gegründet worden<br />
war, löste sich im Dezember 1934 auf. Dennoch kamen<br />
Der Mädchenbibelkreis<br />
marschierte 1933 mit Wimpeln<br />
durch die Altstadt.<br />
einmal pro Woche noch abends zwei Mädchen und wurden<br />
von den Diakonissen betreut.<br />
1934 sollte erstmals eine von der Reichsregierung<br />
anerkannte Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege<br />
in Erscheinung treten und für das Hilfswerk<br />
Mutter und Kind eine Sammlung organisieren. Diese<br />
Arbeitsgemeinschaft - bestehend aus den von der Regierung<br />
anerkannten Spitzenverbänden NS-Volkswohlfahrt,<br />
Innere Mission, Caritas und Rotes Kreuz - war dem Amt<br />
für Volkswohlfahrt unterstellt. Die Verteilung der Spendengelder<br />
sollten die Gauamtsleiter zusammen mit den<br />
Gaukassenführern vornehmen. „Eine prozentuale Aufteilung<br />
der Sammelergebnisse an die beteiligten Verbände<br />
hat nicht zu erfolgen.“ 15 Der Landesverein für Innere<br />
Mission befürchtete den Verlust seiner Selbständigkeit<br />
und schrieb an den Evangelischen <strong>Diakonie</strong>verein nach<br />
<strong>Landshut</strong>:“(…) es ist deshalb außerordentlich wichtig,<br />
dass die Zusammensetzung der Arbeitsgemeinschaft<br />
gleich das erste Mal klappt und dass die Innere Mission,<br />
die ja auf dem Boden der Müttererholung und der<br />
Kinderfürsorge kein Neuling ist, nicht an die Wand gedrückt<br />
wird, sondern tätig und vollgültig mit in der Reihe<br />
steht.“ 16<br />
1938 kam auf die Gemeindeschwestern eine zusätzliche<br />
Aufgabe zu. Aufgrund der Rekordernte und des<br />
18 Der evangelische <strong>Diakonie</strong>verein 1912-1948
estehenden Landarbeitermangels ordnete das Amt für<br />
Volkswohlfahrt an, dass die ältere Schuljugend zur<br />
Erntehilfe eingesetzt werden soll. Der Landesverein für<br />
Innere Mission teilte allen Gemeindepflegestationen mit,<br />
dass die gesundheitliche Betreuung der Schüler in den<br />
einzelnen Orten durch die Gemeindeschwestern erfolgen<br />
müsse. Die Diakonissen sollten am Abend die landwirtschaftlichen<br />
Arbeitsstellen der Schüler aufsuchen<br />
und die nötigen medizinischen Behandlungen vornehmen.<br />
17 Dazu hatten die Mutterhäuser in Augsburg und<br />
Neuendettelsau ihr Einverständnis gegeben. Es ist nicht<br />
aktenkundig, wie viele dieser Betreuungseinsätze die<br />
<strong>Landshut</strong>er Diakonissen tatsächlich zu leisten hatten.<br />
Belastung der Diakonissen<br />
Für die Schwestern stellte die Gemeindearbeit vor und<br />
während des zweiten Weltkrieges eine enorme gesundheitliche<br />
und psychische Belastung dar. Es wurde<br />
wiederholt berichtet, dass Schwestern erholungsbedürftig,<br />
„chronisch müde“ waren und nicht weiter arbeiten<br />
konnten. Zum Beispiel war 1936 Schwester Margarethe<br />
Hertle völlig überlastet und kam zur Erholung in das<br />
Mutterhaus. An ihrer Stelle wurde Schwester Anna Dick<br />
für die Gemeindearbeit eingesetzt.<br />
Im Frühjahr 1937 starb überraschend die Leiterin des<br />
Altenheimes, Schwester Kunigunde Wiedmann. Die damalige<br />
Situation im Heim war so schwierig und konfliktträchtig,<br />
dass die Nachfolgerin, Schwester Sophie<br />
Lindner, schon bald nach ihrem Arbeitsantritt um<br />
Versetzung bat. Daraufhin schrieb der <strong>Diakonie</strong>verein an<br />
das Mutterhaus in Augsburg: “Wir bräuchten notwendig<br />
eine Schwester, die sich den Heiminsassen getrost einmal<br />
zur Wehr zu setzen versteht, denn sonst sind ja die<br />
Schwestern allen Launen und Schrullen der Damen<br />
immer mehr ausgesetzt. Eine energische Schwester wird<br />
unser Heim sehr bald wieder in Ordnung haben.“ 18 In seinem<br />
Antwortschreiben machte Pfarrer Heinrich Kern,<br />
Rektor der Diakonissenanstalt Augsburg, deutlich,<br />
dass „die Art der Behandlung, die die Arbeit unserer<br />
Schwestern zur <strong>Zeit</strong> erfährt, unter keinen Umständen<br />
auf die Dauer getragen werden kann, dass also hier eine<br />
völlige Wendung zu erfolgen hat, wenn nicht unsere<br />
Schwestern uns eines Tages erklären sollen, dass sie der<br />
Aufgabe im Diakonissenheim in <strong>Landshut</strong> zur <strong>Zeit</strong> nicht<br />
mehr gewachsen sind.“ 19<br />
Der evangelische <strong>Diakonie</strong>verein 1912-1948<br />
Nicht nur die Tätigkeit im Heim, auch die die<br />
Gemeindepflege überforderte die Schwestern zeitweise.<br />
Diakonisse Mina Edelmann musste 1940 von der<br />
Gemeindearbeit abgezogen werden, weil sie „in eine<br />
erschreckend tiefe Schwermütigkeit geraten“ war. Große<br />
Aufregung gab es 1941, als Diakonisse Lina Kauß und<br />
ihre beiden Schwestern, die zu Besuch waren, schwer<br />
erkrankten. Der Grund dafür war mysteriös, es wurde<br />
eine Gasvergiftung im Diakonissenheim vermutet. Rektor<br />
Kern forderte Stadtpfarrer Wagner auf, die Ursache<br />
durch die städtische Gesundheits- und Feuerpolizei einwandfrei<br />
klären zu lassen. Die entsprechende Untersuchung<br />
zeigte allerdings, dass für die drei Krankheitsfälle<br />
keine äußeren Umstände verantwortlich waren.<br />
Anfang der 1940er-Jahre war das evangelische Altenheim<br />
voll besetzt. Bei Bombenalarmen flüchteten die<br />
Heimbewohner in das benachbarte Pfarrhaus, drei<br />
Bewohner mussten mit Rollstühlen zum Luftschutzkeller<br />
in der Klötzlmüllerstraße 33 gebracht werden. Schwester<br />
Lina Meier schrieb dazu nach Augsburg: „Ein dreiviertel<br />
Jahr betreue ich nun schon die lieben Alten hier;<br />
in unserem Heim will die Angst Platz greifen, besonders<br />
seit dem Angriff am 29. Dezember 1944, da gibt es zu<br />
trösten, beruhigen, zu schlichten und zu ordnen.“ 20<br />
Im April 1945 war <strong>Landshut</strong> dem letzten Großangriff<br />
ausgesetzt. Wie das Evangelische Pfarramt berichtete, 21<br />
hatte die Bevölkerung gehofft, dass die Stadt mit Rücksicht<br />
auf die Lazarette mit insgesamt 4000 Verwundeten<br />
geschont würde. Aber auf Veranlassung eines Kreisleiters<br />
und eines SS-Führers waren angesichts der nahenden<br />
amerikanischen Truppen stärkere Sprengladungen<br />
an der Luitpoldbrücke befestigt worden. Mit dem Auftakt<br />
des Beschusses durch die US-Soldaten traf eine Granate<br />
den ersten Stock des Pfarrhauses und auch das Portal<br />
der Kirche wurde beschädigt. Im Evangelischen Altenheim<br />
gingen einige Fenster zu Bruch. Plünderer schlugen<br />
Türen ein und durchwühlten Schränke und Schubläden.<br />
Dabei wurden 500 Mark und Wäschestücke entwendet.<br />
Viele Heimbewohner wurden krank, weil sie im Keller<br />
ausharren mussten, bis die kaputten Fenster durch Winterfenster<br />
ersetzt waren. 22<br />
19
Auch das Schreiben von Berichten gehörte zum<br />
Aufgabenbereich der Schwestern.<br />
Gründung des Evangelischen Hilfswerks<br />
und der Inneren Mission<br />
Beim Evangelischen <strong>Diakonie</strong>verein waren seit 1935<br />
keine amtlichen Eintragungen mehr erfolgt, deshalb<br />
fragte das Amtgericht <strong>Landshut</strong> im Jahr 1946 nach dessen<br />
Existenz. Pfarrer Johannes Wagner antwortete,<br />
dass der Verein nie aufgehört hat zu bestehen und 200<br />
Mitglieder umfasse.<br />
Um die Nachkriegsnot zu lindern, wurde 1946 das<br />
Evangelische Hilfswerk gegründet. Es hatte die Aufgabe,<br />
„die durch die Kriegs- und Nachkriegsereignisse hilfsbedürftig<br />
gewordenen Glaubensgenossen, insbesondere<br />
der Flüchtlinge geistlich und materiell zu betreuen.“ 23<br />
Die <strong>Zeit</strong> des Nationalsozialismus hatte die Gefahr<br />
deutlich gemacht, dass Institutionen dem Einfluss der<br />
Kirche entzogen und für politische Zwecke instrumentalisiert<br />
werden können. Deshalb verabschiedete die<br />
Evang.-Luth Landeskirche ein Kirchengesetz, das die<br />
Stellung der Inneren Mission und ihr Verhältnis zur<br />
Kirche festmachte. Die Innere Mission wurde als eine<br />
„notwendige Lebensäußerung der Kirche“ definiert. „Als<br />
ihr Werk ist sie darum an ihre Bekenntnis gebunden und<br />
ihrer Leitung verantwortlich. Die Innere Mission hat in<br />
ihren Werken für ihre Einrichtungen innerhalb der kirchlichen<br />
Ordnungen die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendige<br />
Beweglichkeit und Freiheit in Aufbau und Verwaltung.“<br />
24 Dieses Gesetz war ausschlaggebend für den<br />
Beschluss des Kirchenvorstandes der Pfarrgemeinde<br />
<strong>Landshut</strong>, am 1.7.1947 den Verein für Innere Mission<br />
<strong>Landshut</strong> e.V. zu gründen und sich mit den von der<br />
Breslauer Stadtmission übernommenen Altersheimen<br />
Deutenkofen und Vilsbiburg dem Landesverein für<br />
Innere Mission Nürnberg zu unterstellen. Die Tätigkeit<br />
des Evangelischen Hilfswerkes wurde übernommen.<br />
Erster Vorsitzender war Stadtpfarrer Johannes Wagner,<br />
zweiter Vorsitzender Pfarrer Karl Winzler.<br />
20 Der evangelische <strong>Diakonie</strong>verein 1912-1948
Das Arbeitspensum der Schwestern war groß.<br />
Zum hauptberuflichen Geschäftsführer wurde der<br />
Kirchenvorsteher und Betriebskaufmann Willi Ludwig<br />
bestellt. In einer Kanzelabkündigung vom Oktober 1947<br />
wurde dazu erklärt: „Die Altersheime werden fortgeführt;<br />
Einrichtung eines Schülerheims, Kinderheims,<br />
Kindergärten, Nähstube sind in Angriff genommen. Die<br />
tatkräftige Hilfe der ganzen Gemeinde ist im Interesse<br />
der auch in unserer Gemeinde vorhandenen Notstände<br />
dringend erforderlich. Zur Durchführung der Arbeiten<br />
soll ein Freundeskreis für den Verein ins Leben gerufen<br />
werden. Es wird erwartet, dass kein Gemeindemitglied<br />
sich einem an ihn demnächst ergehenden Aufruf für diesen<br />
Freundeskreis entzieht und nicht nur mit seiner<br />
Fürbitte, sondern auch mit seinen Gaben sich zur Verfügung<br />
stellt.“ 25<br />
Der Aufbau des Vereinswesens ging nach dem Krieg<br />
langsam vonstatten, weil als Voraussetzung für die Gründung<br />
eine so genannte Lizensierung, d.h. eine Zulassung<br />
durch die bayerischen Behörden, verlangt wurde. Dazu<br />
musste eine Erklärung beigefügt werden, dass sich der<br />
Der evangelische <strong>Diakonie</strong>verein 1912-1948<br />
Vereinsvorstand verpflichtet, (durch Spruchkammern<br />
wegen ihrer NS-Aktivitäten verurteilte) „Hauptschuldige“,<br />
„Belastete“ und „Minderbelastete“ nicht als Mitglieder<br />
aufzunehmen, dass alle jetzigen und künftigen<br />
Mitglieder politisch vollkommen einwandfrei oder nicht<br />
mehr Mitläufer nach dem Befreiungsgesetz seien und<br />
dass die Tätigkeit des Vereins mit den demokratischen<br />
Zielen der Besatzungsmächte übereinstimme. Da die<br />
Innere Mission als ein kirchlicher Verein galt, wurde ihm<br />
die Lizensierung nach einer Mitteilung des Stadtrates<br />
<strong>Landshut</strong> erlassen. 26<br />
Am 9.5.1948 beschloss die Mitgliederversammlung des<br />
Evangelischen <strong>Diakonie</strong>vereins unter Vorsitz von Pfarrer<br />
Wagner einstimmig, die Arbeiten der Inneren Mission im<br />
Pfarramtsbezirk <strong>Landshut</strong> zu übernehmen. Die beiden<br />
Vereine wurden zu einem einzigen zusammengeführt,<br />
der sich gemäß der neuen Satzung Innere Mission<br />
(Evang. <strong>Diakonie</strong>verein) <strong>Landshut</strong> nannte.<br />
21
3<br />
Nachkriegszeit:<br />
Aufbauarbeit und Hilfe in der Not<br />
Die <strong>Zeit</strong> nach dem Zweiten Weltkrieg änderte für die <strong>Diakonie</strong> viel: Das Dekanat <strong>Landshut</strong><br />
wurde gegründet und ebenso die Innere Mission, die die Arbeit des <strong>Diakonie</strong>vereins übernahm.<br />
Die Landeskirche rief das Evangelische Hilfswerk ins Leben und trug so dazu bei,<br />
dass in großem Umfang diakonische Aufgaben bewältigt werden konnten.<br />
22 Die Innere Mission 1948-1973<br />
Spendenverteilung
Der Aufgabenbereich wächst<br />
Aufgrund der Flüchtlingsströme vergrößerte<br />
sich die evangelische Gemeinde<br />
in Stadt und Umland von<br />
etwa 1 600 Mitglieder im Jahr 1939<br />
auf mehr als 28 000 im Jahr 1947. 27<br />
Für die <strong>Diakonie</strong> bedeutete dies eine<br />
enorme Herausforderung. Pfarrer<br />
Johannes Wagner, damals Vorsitzender<br />
des <strong>Diakonie</strong>vereins, und die beiden<br />
Vikare für Rottenburg und Vilsbiburg<br />
bekamen Unterstützung von<br />
anderen Pfarrern, die mit den Flüchtlingen<br />
nach <strong>Landshut</strong> gekommen<br />
waren.<br />
Einer von ihnen war Pfarrer Karl Winzler aus Breslau.<br />
Er wurde mit der Aufgabe betraut, das ehemalige Lager<br />
Aurolfing (heute Landkreis Rottal-Inn) in ein Flüchtlingsaltersheim<br />
umzugestalten. Auch bekam er das ehemalige<br />
Kinderheim der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt<br />
in Wildenberg bei Rottenburg zugewiesen, um es<br />
als evangelisches Altersheim unter der Leitung von Hensoltshöher<br />
Diakonissen weiterzuführen. In seinem Tätigkeitsbericht<br />
für 1946/47 schrieb Pfarrer Winzler über<br />
die Situation in <strong>Landshut</strong>: „Das Evangelische Hilfswerk<br />
ist mit seinem Büro in dem einen Raum des Evangelischen<br />
Kirchenbüros untergebracht, wegen der ohnehin<br />
schon vorhandenen Enge ein kaum erträglicher Zustand.<br />
Wir sind in das Jahr 1946 mit dem Plan hinein getreten:<br />
Ausreichende Büroräume, ein Kindergarten (<strong>Landshut</strong>-<br />
Stadt hat heute etwa 6000 evangelische Einwohner), ein<br />
Schülerheim, ein Durchgangsheim. Ich habe diese Pläne<br />
dem Herrn Oberbürgermeister vortragen können. Er hat<br />
mir tatkräftige Förderung zugesagt, auch der Verbindungsmann<br />
zwischen Kirchen und Behörden, Stadtrat<br />
Lektor Schwarz, wollte die Pläne bei der Stadtverwaltung<br />
fördern, ein Erfolg war aber bis Jahresende nicht zu<br />
verzeichnen.“ 28 Es vergingen noch einige Jahre, bis diese<br />
Wünsche realisiert werden konnten.<br />
Das Arbeitsgebiet der Inneren Mission erstreckte sich<br />
auf den Gesamtbereich des Evangelisch-Lutherischen<br />
Kirchenbezirks <strong>Landshut</strong>. Die Zwecke des Vereins waren<br />
Armen- und Krankenpflege sowie Kinder-, Jugend- und<br />
Altersfürsorge – beispielsweise die Errichtung von Kinderheimen,<br />
Kindergärten, Schülerheimen und Altersheimen.<br />
Mit der Gründung des Dekanats <strong>Landshut</strong> im Jahr<br />
Die Innere Mission 1948-1973<br />
<strong>Diakonie</strong>vorsitzender Dekan Krauß (links) unterwegs mit<br />
seinem Dienstwagen: Die Sitzschiene im VW Käfer musste<br />
wegen der Körpergröße des Dekans verlängert werden.<br />
1949 wurde Paul Krauß zum ersten Dekan berufen und<br />
in dieser Funktion gleichzeitig erster Vorsitzender der<br />
Inneren Mission.<br />
Die Währungsreform im Juni 1948 bildete die wirtschaftliche<br />
Grundlage für das schwer angeschlagene<br />
Nachkriegsdeutschland. Doch sie forderte auch Opfer:<br />
Für die „Währungsverarmten“ wurde 1949 in Bayern eine<br />
Landessammlung organisiert. Diese erbrachte Geldspenden,<br />
Beträge für den Kauf von Textilien und Freiplätze<br />
für Erholungsaufenthalte. Auf das Evangelische<br />
Hilfswerk im Dekanat <strong>Landshut</strong> entfielen davon 4539,08<br />
DM, die von Dekan Krauß an die Pfarrämter Freising,<br />
Landau, <strong>Landshut</strong> und an die Vikariate Dingolfing, Neufahrn/Ndb.,<br />
Rottenburg und Vilsbiburg weiterverteilt<br />
wurden.<br />
Nach der Währungsreform erfuhren nicht nur die bestehenden<br />
<strong>Landshut</strong>er Betriebe eine Aufwärtsentwicklung,<br />
es siedelten sich auch zahlreiche neue Gewerbebetriebe<br />
an. Etwa zehn Jahre später, am Ende der<br />
1950er–Jahre, herrschte in <strong>Landshut</strong> Vollbeschäftigung,<br />
zum Teil sogar Fachkräftemangel. Doch bis dahin gab es<br />
für Innere Mission und Evangelisches Hilfswerk eine<br />
Menge zu tun.<br />
Das Wirtschaftsjahr 1950 brachte wesentliche Erweiterungen<br />
des Aufgabenbereichs: Zu den bereits vorhandenen<br />
Einrichtungen kamen das Evangelische Altenheim<br />
Vilsbiburg, die Villa Kronwinkl, die Berufung einer Fürsorgerin<br />
und die Einrichtung einer Nähschule hinzu. Die<br />
Geschäftsstelle der Inneren Mission befand sich seit<br />
1948 in angemieteten Räumen am Nahensteig 182.<br />
23
<strong>Zeit</strong><strong>zeugen</strong><br />
Heimatvertriebene in<br />
Niederbayern –<br />
eine Annäherung<br />
Dekan Kirchenrat Paul Krauß, Vorsitzender der Inneren Mission <strong>Landshut</strong><br />
(von 1949 bis 1966), erinnert sich an Begegnungen in der Nachkriegszeit<br />
Kein Wunder, wenn Bürger einer solchen Stadt (<strong>Landshut</strong>) ein starkes Selbstbewusstsein haben<br />
und in ihrer Haltung konservativ sind! Kein Wunder aber auch, wenn die vielen Heimatvertriebenen<br />
aus dem deutschen Osten, die ebenso schöne Städte hatten und mit Recht ein<br />
ebensolches Selbstbewusstsein, zunächst nur schwer zum niederbayerischen Menschen fanden.<br />
Vergessen darf man auch nicht, dass ja in ganz Niederbayern vor 1945 weniger Evangelische<br />
lebten als heute im Bereich des Pfarramts <strong>Landshut</strong> allein. Wir Evangelischen – zumal wer nicht<br />
aus Bayern stammte – waren zunächst ein Fremdkörper im niederbayerischen Raum.<br />
Aber das Bild hat sich inzwischen doch wesentlich gewandelt. Auf der einen Seite waren es die<br />
Landschaft und ihre Städte und Siedlungen, die die Brücke bei den Heimatvertriebenen bauten.<br />
Erst in diesen Tagen sagten mir zwei Schlesier: „Wenn man die Laubengänge sieht oder den<br />
Martinsdom oder die Isar, so ist es doch wie in Breslau oder Jauer.“ Und bei den Einheimischen:<br />
Da war es das gegenseitige Sichkennenlernen, was allmählich die Reserve, die man zunächst<br />
bewahrte, abbaute. Und das galt nicht nur im beruflichen Zusammenleben, sondern auch im<br />
religiösen Gebet. Dass in der evangelischen Kirche das gleiche Glaubensbekenntnis, das gleiche<br />
Vaterunser, sogar Beichte, Tauf- und Altarsakrament zu Hause sind, wussten viele nicht.<br />
Freilich, die Angst vor den „Protestanten“, wie man uns weithin noch nennt, ist bei vielen<br />
Katholiken nicht überwunden. Das gibt einem allerdings immer wieder zu schaffen. Aber das<br />
soll uns nicht irre machen in unserer Haltung. Wir wollen beitragen, was wir können, dass auch<br />
in Niederbayern das gegenseitige Sich-achten-und-verstehen-Wollen der Konfessionen wächst,<br />
damit wir nicht bloß reden von Ökumene, sondern sie zuallererst bei uns im engen Raum zu<br />
praktizieren versuchen.<br />
Aus: Blätter für Innere Mission in Bayern, Heft 11, November 1962, 15. Jg., S. 2 f.<br />
24 Die Innere Mission 1948-1973
Die evangelischen Altersheime<br />
Von der <strong>Diakonie</strong> übernommen wurde auch die Breslauer<br />
Mission, eine Arbeitsgemeinschaft von 20 bezahlten<br />
Kräften. Deren Pfleglinge aus Hoyerswerda waren in<br />
einer Notunterkunft in Deutenkofen untergebracht.<br />
Nach und nach konnten die Vertriebenen, die in Notunterkünften<br />
und Baracken wohnen mussten, in die<br />
Altenheime der Inneren Mission aufgenommen werden.<br />
Als 1950 ein Haus in Kronwinkl gekauft werden konnte,<br />
fanden fast 100 alte und pflegebedürftige Menschen<br />
dort eine neue Unterkunft. Allerdings wurde bald deutlich,<br />
dass das Angebot an Heimplätzen der steigenden<br />
Nachfrage nicht gerecht wurde. So wurde ein weiterer<br />
Bau mit 20 zusätzlichen Heimplätzen erstellt. „Daheim“<br />
und „Abendsonne“ hießen die beiden zusätzlichen freistehenden<br />
Gebäude. Als jedoch der Bauzustand nicht<br />
mehr zufriedenstellend war, die Gegebenheiten den<br />
aktuellen Anforderungen nicht mehr genügten – es fehlten<br />
beispielsweise Einzelzimmer – und weil zudem die<br />
Verkehrsanbindung schlecht war, wurde das Heim in<br />
Kronwinkl nach gründlicher Abwägung 1967 geschlossen.<br />
Ein Jahr später zogen die Bewohner in das neue<br />
Altenheim in Bogen um. 29<br />
Die Innere Mission 1948-1973<br />
Das Alten- und Pflegeheim der Inneren Mission in<br />
Kronwinkl wurde aufgrund der hohen Nachfrage um<br />
zwei Anbauten erweitert.<br />
25<br />
Eier aus Franken<br />
Lese<br />
text<br />
Lebensmittelspenden waren in den<br />
1950er-Jahren eine unverzichtbare Hilfe<br />
in der Not. Um die Innere Mission<br />
<strong>Landshut</strong> zu unterstützen, hatte sich<br />
der fränkische Patenbezirk Thalmässing<br />
eine besondere Art der Hilfe überlegt.<br />
Im Frühjahr baten dort Sammler um<br />
Eierspenden – mit großem Erfolg. Wie<br />
diese Tausende von Eiern unversehrt<br />
nach Niederbayern transportiert und<br />
verteilt wurden, ist nicht dokumentiert.<br />
Allerdings wurde exakt festgehalten,<br />
wie viele Stück welches Heim bekam.<br />
Mehr als 20 Jahre lang wurden immer<br />
im Frühjahr etwa 5000 Eier und im<br />
Herbst jeweils Lebensmittel gesammelt,<br />
die den Altenheimen der Inneren<br />
Mission zugute kamen.
Vom 15. bis 20. Juni 1950 unternahmen vier Vertreter<br />
des Landesverbandes der Inneren Mission eine Informationsreise<br />
durch die Dekanate Passau, <strong>Landshut</strong> und<br />
Regensburg. Aus dem Bereich <strong>Landshut</strong> nahmen Diakon<br />
Rau, Dekan Krauß und Diakon Krocker teil. Besichtigt<br />
wurden die Altenheime in Wildenberg, in Vilsbiburg, in<br />
Kronwinkl und in Aurolfing (das letztere Heim sollte an<br />
das Dekanat Passau gegeben werden), außerdem die<br />
Geschäftsstelle und die Nähstube in <strong>Landshut</strong>. Als<br />
Ergebnis der Reise wurde festgehalten: „Keines dieser<br />
Heime darf jetzt aufgegeben werden. Sie dienen alle<br />
dem unverminderten Notstand. Dies geht vor allem auch<br />
aus der starken Überbelegung hervor. (…) Die Bedrohung<br />
der Heime besteht darin, dass sie nicht auf eigenem<br />
Grund und Boden stehen. Es ist auch das ausgesprochene<br />
und zugegebene Bestreben führender<br />
Männer der kath. Kirche, dass sich die evang. Kirche in<br />
Niederbayern nicht festsetzen soll.<br />
Diese Bedrohung ist beseitigt durch den Ankauf von<br />
Kronwinkl und Vilsbiburg, besteht nicht ernstlich für<br />
Wildenberg (…)“. 30 Als nächste Aufgabe wurde festgelegt,<br />
die Heime zu verbessern, die noch den ursprünglichem<br />
Not- und Barackencharakter hatten. Besonders<br />
das Altersheim in Vilsbiburg, in dem die neu eingesetzten<br />
Hensoltshöher Schwestern tätig waren, bedurfte<br />
einiger Renovierungsarbeiten. Bereits am 1.12.1958<br />
wurde das Altenheim in Wildenberg aufgelöst.<br />
26 Die Innere Mission 1948-1973<br />
Die Bewohner<br />
des Altenheims in<br />
<strong>Landshut</strong> (links)<br />
und in Kronwinkl
Die Bewohner des Altenheims in Wildenberg<br />
Das Ende einer Flucht<br />
Noch heute erinnert ein Gedenkstein in Adlkofen an das Schicksal<br />
von 67 Heimatvertriebenen aus Schlesien. 400 kranke und behinderte<br />
Menschen aus dem Verbandspflegeheim in Tormersdorf (Niederschlesien)<br />
hatten sich am 20. Februar 1945 in einem Sonderzug auf<br />
die Flucht gemacht. Doch bereits nach wenigen Kilometern schlug<br />
eine russische Granate in einen Güterwaggon ein und tötete zehn<br />
Personen. Viele Patienten starben während der langen und beschwerlichen<br />
Reise. In Deutenkofen wurden etwa 100 der zum Teil schwerkranken<br />
Menschen in einer alten Brauerei ohne ausreichende sanitäre<br />
Einrichtungen behelfsmäßig untergebracht. Trotz der Fürsorge eines<br />
Arztes aus Adlkofen und der Nahrungsmittelgaben durch die<br />
Bevölkerung starben viele dieser Menschen innerhalb eines kurzen<br />
<strong>Zeit</strong>raums.<br />
Lese<br />
text<br />
Am Waldrand von Adlkofen wurde ein abgeschiedener Friedhof<br />
angelegt, auf dem die verstorbenen Heimatvertriebenen in den<br />
Jahren von 1945 bis 1949 beerdigt wurden. Der <strong>Landshut</strong>er<br />
Bildhauer Karl Reidel schuf im Jahr 1960 ein Denkmal aus<br />
Muschelkalk, das an die Verstorbenen erinnert. 1979 fand anläßlich<br />
der Renovierung des Steins eine Gedenkfeier statt.<br />
Die Innere Mission 1948-1973<br />
27
Spendenverteilung an Bedürftige<br />
Zur Linderung der materiellen Not nach dem Krieg war<br />
die Innere Mission auch für die Verteilung von Spenden<br />
zuständig. Nach den vorhandenen Aufzeichnungen leistete<br />
sie allein im Jahr 1950 in 4920 Fällen Hilfe, wobei<br />
sie 53 760 kg Lebensmittel und 4370 Kleidungsstücke<br />
verteilte. Sie hatte ihre Geschäftsstelle am Nahensteig,<br />
wo die Spendenübergabe koordiniert wurde. Geschäftsführer<br />
Gerhard Krocker beschrieb die Situation so: 31<br />
Da läutet das Telefon. Ein Lastzug mit Liebesgaben<br />
ist unterwegs nach <strong>Landshut</strong>. Sofortige Entladung ist<br />
erforderlich, da der Transport gleich weiterfahren<br />
muss! Einige Minuten Stille, bis die Überraschung<br />
verdaut war. Die Mittagspause war wieder einmal<br />
hin. So wurde wieder einmal die „Alarmkette“ in<br />
Bewegung gesetzt. Alle Mitarbeiter waren zur Stelle.<br />
Das Entladen konnte beginnen. Zahlreiche Pakete,<br />
Trommeln, Fässer, Ballen und sonstige Verpackungen<br />
kamen zum Vorschein. An neugierigen Zuschauern<br />
fehlte es nie. Schnell war die Nachricht: „Spenden<br />
sind eingetroffen!“ verbreitet. Alles wurde sortiert,<br />
gezählt, geprüft und in Karteien eingetragen.<br />
Ordnung muss sein, denn der Landesverband der<br />
Inneren Mission verlangte Berichte und Nachweise.<br />
Die Spender im Ausland wollten ja genau informiert<br />
werden. Da standen dann Stapel von Fässern mit<br />
Trockenmilch, jedes zwei Zentner schwer, große<br />
Pakete mit Käse und Butter, Fässer mit Fett und<br />
Fleisch, Sirup und Lebertran, Ballen mit Bekleidung,<br />
Säcke mit Schuhen. Alles Zeugen des ungebrochenen<br />
Liebeswillens eines Volkes, das vor nicht allzu langer<br />
<strong>Zeit</strong> noch im Krieg mit uns stand. Nicht vergelten,<br />
sondern „Liebe üben“ stand über dieser weltweiten<br />
Aktion.<br />
Ein Lastwagen brachte gespendete Lebensmittel<br />
und Bekleidung.<br />
Zur Nachkriegsnot kam im Jahr 1954 auch noch ein Isar-<br />
Hochwasser, so dass das Evangelische Hilfswerk hier<br />
ebenfalls Hilfe leistete und etwa 2000 Hochwassergeschädigte<br />
versorgte. Frauen und Kinder aus Mitterwöhr<br />
wurden in der Kirchenbaracke im Niedermayerviertel<br />
untergebracht. Auch die Bewohner von Landau<br />
und Umgebung waren vom Hochwasser betroffen und<br />
wurden mit Lebensmitteln und Kleiderspenden unterstützt.<br />
28 Die Innere Mission 1948-1973<br />
Im Beisein von<br />
Geschäftsführer<br />
Krocker wurden die<br />
Spenden gezählt,<br />
geprüft und notiert.<br />
Für die<br />
Hochwasseropfer<br />
aus dem Jahr 1954<br />
leistete die Innere<br />
Mission Hilfe.
Lebendige Hilfe: Kühe aus Texas<br />
Mit einer ungewöhnlichen Aufgabe wurde das Evangelische Hilfswerk in den 50er Jahren betraut: der<br />
Übergabe von amerikanischen Milchkühen an Flüchtlingsbauern. Die Tiere waren von texanischen Farmern<br />
gespendet worden, um den vertriebenen Landwirten einen Neuanfang in Bayern zu erleichtern.<br />
Einen Monat lang waren die 18 Kühe und 4 Kälber aus Texas unterwegs, bis sie am 3. Oktober 1957 <strong>Landshut</strong><br />
erreichten. Vom Güterbahnhof trotteten die Schwarzbunten zur Viehmarkthalle. Dort warteten nicht nur<br />
Flüchtlingsbauern aus dem südbayerischen Raum, sondern auch Vertreter der Wohlfahrtsverbände, der<br />
Kirchen und Behörden sowie eine Delegation des amerikanischen Heifer-Committee. Diese 1946 in den<br />
Vereinigten Staaten gegründete Organisation sandte im Rahmen des Färsen-Projekts Tausende von Tieren in<br />
die ganze Welt – überall dorthin, wo Not und Nahrungsmittelknappheit herrschten.<br />
Für die Verteilung der Kühe vor Ort waren das Evangelische Hilfswerk und die Innere Mission zuständig.<br />
Dekan Paul Krauß begrüßte die Gäste, Diakon Gerhard Krocker, der die kleine Feier organisiert hatte, führte<br />
die Verlosung der Tiere an die freudestrahlenden neuen Besitzer durch. Drei Landwirte hatten besonders<br />
viel Glück: Ihre Tiere hatten bereits Stierkälbchen bekommen, die die Bauern behalten durften. Eine Auflage<br />
gab es nämlich für die Beschenkten – sie mussten das erstgeborene weibliche Kalb ebenfalls an einen<br />
Heimatvertriebenen spenden und so ihrerseits zum wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes beitragen.<br />
Als ein „Christentum der Tat“ wurde das außergewöhnliche Ereignis damals gepriesen. Tatsächlich handelte<br />
es sich bei dieser Aktion nicht um eine kirchliche oder staatliche Zuwendung, sondern um private Geschenke<br />
amerikanischer Farmer, die aus religiöser Überzeugung heraus Gutes tun wollten. Auch für sie stellte die<br />
Abgabe eines Tiers ein Opfer dar.<br />
Bis 1955 waren bereits mehr als 2000 amerikanische Kühe nach Westdeutschland gespendet worden. Ins Leben<br />
gerufen wurde das Projekt 1938 von dem Amerikaner Dan West, der währen des spanischen Bürgerkrieges in<br />
einem Wohlfahrtsverband Hilfe leistete und dabei auf die Idee kam, mit Kuh-Spenden das vorherrschende<br />
Nahrungsmittelproblem zu lösen. Die Empfänger wurden nach ihrer Bedürftigkeit und ihrer Fähigkeit ausgewählt,<br />
das Spendentier angemessen zu halten. Sie mussten Flüchtlingslandwirte sein, die sich eine neue<br />
landwirtschaftliche Existenz aufbauen wollten und hilfsbedürftig waren.<br />
Die Innere Mission 1948-1973<br />
29<br />
Lese<br />
text
Bibeln und Krimis zum Ausleihen<br />
Neben materiellen Dingen wurden immer wieder – auch<br />
aus dem Ausland – Bibeln gespendet. Dies war einer der<br />
Gründe dafür, dass die Evangelische Buchhandlung in<br />
einem kleinen Laden neben der Geschäftsstelle am<br />
Nahensteig eingerichtet wurde. Sie war fortan bei Bibelwochen,<br />
Seminaren und anderen Gemeindeveranstaltungen<br />
mit einem Büchertisch vertreten. Um die Jugendlichen<br />
„von den Gefahren der in Massen vorhandenen<br />
schlechten Literatur wegzuführen“ 32 , wurde zudem eine<br />
Leihbücherei im Bayerischen Verband evangelischer<br />
Büchereien gegründet. Etwa 650 Bände standen zur<br />
Ausleihe: Bibelwerke, Jugendbücher, Kunstkalender,<br />
auch Aufklärungsliteratur für Buben und Mädchen war<br />
darunter. Als die Innere Mission in das neu erbaute<br />
Gemeindehaus umgezogen war, wurden dort weiterhin<br />
regelmäßige Buchausstellungen veranstaltet und – von<br />
der Kinderbibel bis zum Krimi – Literatur für Jung und Alt<br />
vorgestellt. „Es genüge nicht, (…) nur über schlechte<br />
Bücher zu schimpfen und Schmutz und Schund zu verdammen.<br />
Man müsse den Eltern, jungen Menschen und<br />
Kindern auch zeigen, was es alles an Lesenswertem in<br />
der Welt der Bücher gibt.“ Mit diesen Worten zitierte die<br />
<strong>Landshut</strong>er <strong>Zeit</strong>ung 1966 den Ausstellungsinitiator und<br />
Geschäftsführer Krocker.<br />
30 Die Innere Mission 1948-1973<br />
Die Evangelische<br />
Buchhandlung befand<br />
sich am Nahensteig.
Theoretischer Unterricht gehörte zum Bergbaukurs.<br />
Jugendbildung: Bergbau und<br />
Haushaltsschule<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschten in Bayern ein<br />
eklatanter Lehrstellenmangel, bedrückende Arbeitslosigkeit<br />
und eine anhaltende Wohnungsnot. In den städtischindustriellen<br />
Regionen hingegen wurden Arbeiter händeringend<br />
gesucht. Zu den boomenden Sektoren und<br />
wesentlichen Wirtschaftsstützen der Nachkriegszeit<br />
zählte der Bergbau. Da die Ausweitung der Kohleförderung<br />
in den Zechen aufgrund fehlender zusätzlicher<br />
Arbeitskräfte stagnierte, warben Regierung, Arbeitsämter<br />
und Unternehmen gezielt Arbeiter aus dem Kreis<br />
der Flüchtlinge und Vertriebenen an. Auch in Bayern, das<br />
zu den Flüchtlingsaufnahmeländern gehörte, wurden<br />
Bergleute gesucht.<br />
So kam es, dass sich Anfang der 1950er-Jahre <strong>Landshut</strong>er<br />
Jugendliche für den Bergbau entschieden und ins<br />
Ruhrgebiet zogen. Die Innere Mission <strong>Landshut</strong> hatte<br />
nämlich auf die Jugendarbeitslosigkeit mit einer pragmatischen<br />
Lösung reagiert: Mit Unterstützung durch die<br />
Bergbau AG Consolidation aus Gelsenkirchen wurde ein<br />
Jugendwohnheim auf dem Gelände der ehemaligen<br />
Höhnkaserne in der Podewilsstraße errichtet und damit<br />
die Basis für die Berufsausbildung der Jugendlichen<br />
gelegt. In diesem im Juni 1952 eröffneten Wohn- und<br />
Schulungsheim fanden jeweils dreimonatige Auswahlund<br />
Schulungskurse statt – übrigens die einzigen Bergbaulehrgänge<br />
in Bayern! Die Jungen wurden dort nicht<br />
nur theoretisch auf ihren künftigen anstrengenden Beruf<br />
Die Innere Mission 1948-1973<br />
Die angehenden Bergbaulehrlinge verschönerten<br />
den Herzog-Georg-Platz.<br />
vorbereitet, sondern sie wurden auch zu Aufbauarbeiten<br />
im Stadtgebiet herangezogen, etwa zu Erdbewegungen<br />
in der Schwimmschule oder zu Straßenarbeiten am<br />
Klausenberg. Für diese unentgeltlichen Arbeiten zeigte<br />
sich die Stadt erkenntlich und gab Zuschüsse zu den<br />
Ausflügen der Jugendlichen.<br />
Im September 1953 trafen die ersten 29 Lehrlinge<br />
aus <strong>Landshut</strong> zusammen mit Diakon Gerhard Krocker in<br />
Gelsenkirchen ein, wo sich der Geschäftsführer in der<br />
Zeche informierte und auch eine Grubenfahrt unternahm.<br />
Die Teilnehmer der ersten drei Bergbaukurse wurden<br />
von der Consolidation Bergbau AG in Gelsenkirchen<br />
übernommen, die weiteren gingen zur Dortmunder Bergbau<br />
AG.<br />
31<br />
Diakon Krocker<br />
mit den<br />
Jugendlichen im<br />
Wohnheim an<br />
der Podewilsstraße
Aufgrund der strengen Vorauswahl gab es bei den<br />
<strong>Landshut</strong>er Jugendlichen einen sehr geringen Anteil, der<br />
die Bergbaulehre abbrach, während es bei den übrigen<br />
Lehrlingen 30 Prozent waren. Auch hatte der Ausbildungsleiter<br />
Wilhelm Kraft in <strong>Landshut</strong> großen Wert auf<br />
den Aufbau kameradschaftlicher Beziehungen gelegt. So<br />
wurden gemeinsame Ausflüge unternommen, auch<br />
Musikstücke oder Vorführungen für den abschließenden<br />
Elternnachmittag einstudiert. Die Innere Mission lud die<br />
Eltern der Lehrlinge regelmäßig zu einem Informationsnachmittag<br />
in das Heim ein, wo sie von den Mädchen<br />
des Haushaltungslehrgangs bewirtet wurden. Ansprechpartner<br />
von der Bergbau AG, Dekan Krauß und Diakon<br />
Krocker waren dabei anwesend, um den Eltern Fragen zu<br />
den Ausbildungsinhalten und zu den beruflichen Bedingungen<br />
in der Zeche zu beantworten.<br />
Für die Jugendlichen bedeutete das Ende des Lehrgangs<br />
gleichzeitig, Abschied von Familie und Heimat zu<br />
nehmen. „Obgleich erst am 3. Oktober die Abschiedsstunde<br />
schlägt, ließ der Trennungsschmerz schon beim<br />
Elternnachmittag des siebenten <strong>Landshut</strong>er Kurses der<br />
Dortmunder Bergbau AG manche Mutter Tränen vergießen“,<br />
schrieb die „Isar-Post“. 33 Nicht nur Jugendliche,<br />
auch komplette Familien verließen damals Bayern.<br />
Angetrieben von der Suche nach Arbeitsplätzen setzte<br />
eine Flucht aus den ländlichen Regionen ein, die durch<br />
insgesamt fünf Umsiedlerprogramme des Bundes gesteuert<br />
wurde. Zwischen 1949 und 1956 wurden auf dieser<br />
Basis rund eine Million Menschen in ganz Deutschland<br />
in andere Bundesländer umverteilt. Gewinner war<br />
dabei Nordrhein-Westfalen, vor allem das Ruhrgebiet,<br />
denn der Kohlebergbau versprach den Umsiedlern eine<br />
sichere und attraktive Zukunft.<br />
Zum Jahresende 1955 löste die Innere Mission sowohl<br />
das Wohnheim als auch den Grundausbildungslehrgang<br />
auf. Insgesamt waren etwa 470 Jungen aus dem<br />
<strong>Landshut</strong>er Kurs für die Bergbaulehre vorbereitet worden.<br />
Zuvor war auch schon die Haushaltsschule für die<br />
Mädchen geschlossen und deren Mobiliar dem Ursulinenkloster<br />
überlassen worden. In der Haushalts- und<br />
Nähschule der Inneren Mission in der Baracke Gabelsbergerstraße<br />
10b waren insgesamt 340 Mädchen ausgebildet<br />
worden. Die Nähschule wurde durch den Staat<br />
gefördert und zählte zu den sozialen Maßnahmen des<br />
Bayerischen Jugendwerks zur Linderung der Berufsnot<br />
der Jugend.<br />
In der Haushaltsschule der Inneren Mission lernten<br />
die Mädchen das Kochen.<br />
32 Die Innere Mission 1948-1973<br />
Abschied von <strong>Landshut</strong>: Die Jugendlichen<br />
auf dem Weg in ihre berufliche Zukunft im<br />
Ruhrgebiet.<br />
Auch Diakon Krocker (rechts) machte eine<br />
Grubenfahrt.
In der Nähstube der Inneren Mission <strong>Landshut</strong> fertigten die jungen Frauen Kleidungsstücke und stellten sie aus.<br />
Mehr als nur eine Werkstatt!<br />
Diakon Gerhard Krocker, Geschäftsführer der Inneren Mission <strong>Landshut</strong> (von 1950 bis 1972), berichtet über die Nähstube<br />
Durch den Zustrom von Flüchtlingen aus dem Osten entstand auf dem Arbeitsmarkt eine katastrophale Lage.<br />
Fast 200 000 evangelische Flüchtlinge kamen in die niederbayerische Diaspora. Infolge Übervölkerung dieses<br />
Gebietes gibt es noch heute eine erschreckend große Zahl von Arbeitslosen. Unvorstellbar ist die Berufsnot der<br />
Jugend! Die große Gefahr des sittlichen Abgleitens unserer Jugend infolge Arbeitslosigkeit ist heute noch eine<br />
große Sorge.<br />
Unsere Nähstube ist aus Sorge um die Berufsnot unserer Jugend im Rahmen der sozialen Maßnahmen des<br />
bayerischen Jugendwerkes im Juli 1950 entstanden. Bisher sind 92 Mädchen im Schneidern, Handarbeiten,<br />
Schnittzeichnen, Kochen und fast allen vorkommenden hauswirtschaftlichen Arbeiten gefördert worden.<br />
Auch in unserem Kindergarten im DP-Lager1 wird eine Gruppe unserer Mädels unter Anleitung der<br />
Kindergärtnerin beschäftigt. In diesem Zusammenhang macht der Bastelunterricht, der Fertigkeiten für die<br />
Beschäftigung mit Kindern vermittelt, den Mädels große Freude. Gesang, Volkstanz und Spiel sind beliebte<br />
Beschäftigungen. Auch in Säuglingskunde, Gesundheitslehre und „erste Hilfe bei Unfällen“ werden<br />
Kenntnisse und Fertigkeiten übermittelt. Lichtbildervorträge werden besonders im Winterhalbjahr gehalten.<br />
Sie sollen die Allgemeinbildung fördern und den Unterrichtsstoff veranschaulichen.<br />
Zur <strong>Zeit</strong> ist unsere Nähstube mit 34 Mädels im Alter von 14 bis 16 Jahren belegt. Sie sind fast alle Flüchtlinge<br />
und kommen zum großen Teil aus Familien, die wirtschaftlich und wohnraummäßig in recht kümmerlichen<br />
Verhältnissen leben. Von einem großen Teile sind die Väter arbeitslos oder nur Hilfsarbeiter. Besonders groß<br />
ist die Not in den kinderreichen Familien, die oft durch Arbeitslosigkeit und Wohnraumenge bis an die<br />
Grenze des Ertragbaren geht! Wir wollen die Mädels, die recht lange auf eine Lehrstelle warten müssen, von<br />
den Gefahren der Straße und des Nichtstuns fernhalten und sie für ihren späteren Beruf ertüchtigen. Von den<br />
Mädchen, die bisher unsere Nähstube besuchten, erhielten 75 % Stellen als Hausangestellte und 25 % bekamen<br />
Lehrstellen. Unsere Nähstube soll aber nicht nur eine Werkstatt sein, in der die Mädchen einige Fertigkeiten<br />
erwerben, sondern sie werden auch das gewinnen, was die Kraft zum Leben gibt!<br />
1 DP-Lager waren Einrichtungen zur vorübergehenden Unterbringung so genannter Displaced Persons (DPs) nach dem Ende<br />
des Zweiten Weltkriegs. Unter diesem Begriff wurden zunächst alle Personen verstanden, die sich als ehemalige KZ-Häftlinge<br />
oder Zwangsarbeiter oder als von den Nationalsozialisten angeworbene ausländische Arbeitskräfte in Deutschland befanden.<br />
Die Innere Mission 1948-1973<br />
33<br />
Lese<br />
text
Beginn der Kindergartenarbeit<br />
In einer Baracke am Gutenbergweg eröffnete die Innere<br />
Mission im Januar 1953 den ersten evangelischen<br />
Kindergarten in <strong>Landshut</strong>. Er konnte bis zu 60 Kinder im<br />
Alter von drei bis sechs Jahren aufnehmen. Als zwei<br />
Jahre später das evangelische Gemeindehaus fertiggestellt<br />
war, übersiedelte der Kindergarten dorthin: Dekan<br />
Krauß, Diakon Krocker und Lektor Schwarz waren am<br />
Eröffnungstag gekommen, um die Räume ihrer neuen<br />
Bestimmung zu übergeben. Zwar fehlten noch die Vorhänge,<br />
aber die Zimmer waren wohnlich gestaltet. Durch<br />
die Zentralheizung waren sie warm und – anders als vorher<br />
in der Holzbaracke – durch die großen Fenster auch<br />
hell. Begeisterung erzielte vor allem der neue Waschraum<br />
mit richtigen Waschbecken, denn in der Baracke<br />
mussten sich die Kinder mit Schüsseln behelfen. Auch<br />
gab es ein Klavier, an dem die Erzieherin, Fräulein<br />
Gertrud Mätschke, die Kinder zu rhythmischen Musikspielen<br />
animierte, ebenso einen separaten Schlafraum<br />
mit Liegematten.<br />
1956 wurde ein weiterer Kindergarten der Inneren<br />
Mission im Niedermayerviertel eröffnet – ebenfalls in<br />
einer Baracke der evangelischen Notkirche. Trotz der<br />
Der erste Kindergarten<br />
der Inneren Mission<br />
befand sich in einer<br />
Baracke am<br />
Gutenbergweg.<br />
behelfsmäßigen Einrichtung war der Zuspruch zu diesem<br />
neuen Angebot schon am Eröffnungstag unerwartet<br />
hoch: Es wurden elf Kinder aus evangelischen und neun<br />
aus katholischen Familien angemeldet.<br />
Diese Fürsorgearbeit der Inneren Mission erstreckte<br />
sich allerdings nur über einen vergleichsweise kurzen<br />
<strong>Zeit</strong>raum, denn bereits 1961 wurden beide Kindergärten<br />
in die Trägerschaft der Evangelischen Kirchengemeinde<br />
übergeben.<br />
Kreative Spiele trotz einer behelfsmäßigen Unterbringung:<br />
Der Kindergarten im Niedermayerviertel.<br />
34 Die Innere Mission 1948-1973
Ein neues Haus für die Evangelische<br />
Gemeinde<br />
Mit dem neuen Evangelischen Gemeindehaus ging ein<br />
lang gehegter Wunsch in Erfüllung. Die Evangelische<br />
Gemeinde war stark angewachsen und wünschte sich<br />
eine Begegnungsstätte. Es dauerte einige Jahre, bis auch<br />
die materiellen Möglichkeiten dafür gegeben waren und<br />
der Plan verwirklicht werden konnte. Auf dem Grundstück<br />
am Gutenbergweg wurden die beiden Baracken,<br />
die als Kindergarten und als Nähstube gedient hatten,<br />
abgerissen. Im August 1955 wurde Richtfest gefeiert, im<br />
Dezember fand die feierliche Einweihung durch Oberkirchenrat<br />
Koller statt. Das neue Haus bot im Erdgeschoss<br />
Platz für die Büros der Inneren Mission und des<br />
Evangelischen Hilfswerks. Auch die Evangelische Buchhandlung<br />
zog dorthin um. Besonders stolz war man auf<br />
einen geräumigen Saal und ein Sitzungszimmer. Die<br />
Jugend bekam ebenfalls Räume für ihre Treffen, sogar<br />
einen Ping-Pong-Raum im Keller. Im Obergeschoß und<br />
unter dem Dach waren Wohnungen für Pfarrer, Hausmeister,<br />
Katechetin und Pfarrhelferin vorgesehen.<br />
Die Innere Mission 1948-1973<br />
35<br />
Wo noch Baracken stehen, soll bald das neue Gemeindehaus erbaut<br />
werden.<br />
Wo noch Baracken<br />
stehen, soll bald das<br />
neue Gemeindehaus<br />
erbaut werden.<br />
Bot Platz für die<br />
Bedürfnisse der<br />
Evangelischen Gemeinde<br />
in <strong>Landshut</strong>: das<br />
Gemeindehaus am<br />
Gutenbergweg.
4<br />
Die 1960er-Jahre:<br />
Ausbau der Altenhilfe<br />
Die Leiterin des evangelischen<br />
Altenheims Vilsbiburg, Diakonisse<br />
Anna Maul, mit Frau Krocker<br />
Der fortschreitende wirtschaftliche Aufschwung in den<br />
1960er-Jahren brachte für die Wohlfahrtsverbände ein<br />
großes Personalproblem mit sich: Die Arbeitsnehmer wanderten<br />
in die lukrativere industrielle Produktion ab und<br />
standen daher für soziale Tätigkeiten nicht mehr zur Verfügung.<br />
Hinzu kam, dass die Diakonissen-Mutterhäuser<br />
aufgrund rückläufiger Eintritte mit Schwesternmangel zu<br />
kämpfen hatten. So mussten Diakonissen aus jahrzehntelang<br />
von ihnen verantworteten Aufgabenbereichen in die<br />
Mutterhäuser zurückgerufen werden. Auch konnten keine<br />
Ersatzschwestern geschickt werden. Diese Entwicklung<br />
führte dazu, dass neue Berufsgruppen entstanden, etwa in<br />
der Altenpflege und in der Heilerziehungspflege. Die<br />
Fachkräfte übernahmen die Arbeit der Schwestern. Auch in<br />
<strong>Landshut</strong> und kurze <strong>Zeit</strong> später in Vilsbiburg ging die <strong>Zeit</strong><br />
der Diakonissen zu Ende.<br />
36 Die Innere Mission 1948-1973
Das Ende der Diakonissenära<br />
1969 verließ die letzte Diakonisse <strong>Landshut</strong>: Schwester<br />
Anna Held konnte nach einem Krankheitsurlaub ihren<br />
Dienst nicht mehr aufnehmen. Sie hatte als einzige<br />
Diakonisse in <strong>Landshut</strong> seit 1963 Einsame, Kranke und<br />
Gefährdete betreut. Aufgrund des allgemeinen Schwesternmangels<br />
war das Mutterhaus Augsburg nicht in der<br />
Lage, für sie einen Ersatz zu stellen. Deshalb versuchte<br />
die Innere Mission, die Gemeindepflege mit weltlichen<br />
Kräften fortzuführen, was nicht gelang. Schließlich musste<br />
die Gemeindestation im Jahr 1971 aufgelöst werden.<br />
Erst einige Jahre später lebte die ambulante Pflege mit<br />
der Einrichtung der Sozialstation neu auf.<br />
Im evangelischen Altenheim Vilsbiburg waren Hensoltshöher<br />
Schwestern tätig. Die letzten Diakonissen<br />
wurden 1973 durch das Mutterhaus in Gunzenhausen<br />
abberufen. Schwester Anna Maul hatte in Vilsbiburg<br />
über viele Jahre die Leitung des Altenheims der Inneren<br />
Mission an der Bergstraße innegehabt. Zu ihrem 60.<br />
Die Innere Mission 1948-1973<br />
Das Altenheim Vilsbiburg schloss 1979 seine Pforten.<br />
Geburtstag im Juli 1966 schrieb die Vilsbiburger <strong>Zeit</strong>ung:<br />
„Kein Achtstundentag und kein Tarif sind Gegenstand<br />
ihres Arbeitsvertrages, den sie mit einem hilfstätigen<br />
Werk geschlossen hat. Wo es gilt, für ihre Leute etwas zu<br />
tun, da ist Schwester Anna unermüdlich.“ 34<br />
Herausforderungen im Wirtschaftswunder<br />
Da während des Krieges in <strong>Landshut</strong> viel Wohnraum zerstört<br />
worden war und gleichzeitig infolge des Flüchtlingszustroms<br />
ein hoher zusätzlicher Wohnungsbedarf<br />
entstand, musste gebaut werden. Es standen immer<br />
noch Notbaracken, die soziale Probleme aufwarfen.<br />
1969 beschloss der damalige dritte Bürgermeister, Josef<br />
Deimer, einen Fünf-Jahres-Plan zur Errichtung von 500<br />
Sozialwohnungen und 200 Wohnungen für Pendler, um<br />
der Wohnungsnot entgegenzuwirken. Insbesondere für<br />
ältere Menschen, denen gekündigt worden war, wurden<br />
Wärmestuben eingerichtet. 35<br />
37
Die Fürsorgerin musste mobil sein.<br />
Für den damaligen Geschäftsführer der Inneren Mission,<br />
Gerhard Krocker, stellten sich immer neue Herausforderungen.<br />
Trotz voller Schaufenster und neu erwachtem<br />
Konsumvergnügen der 1960er-Jahre waren Innere Mission<br />
und Evangelisches Hilfswerk weiterhin gefordert,<br />
für Kinder, Flüchtlinge und Spätaussiedler zu sorgen. Im<br />
Flüchtlingslager in Ganacker wurden 1961 83 Familien<br />
mit Kleidung, Schuhen, Geschirr und Lebensmitteln aus<br />
der Friedlandhilfe 36 versorgt. Weitere Aufgaben der<br />
Inneren Mission waren: Erholungsfürsorge für Erwachsene<br />
und Kinder, rund 90 Vormundschaften, Behördenbesuche<br />
und Anträge, Altenheime und Kindergärten,<br />
Auswandererberatung, Nichtsesshaften- und Strafentlassenenfürsorge<br />
und Mütterdienst.<br />
1966 waren für die Innere Mission <strong>Landshut</strong> zwei<br />
Diakone als Geschäftsführer bzw. Heimleiter, zwei Hausmütter,<br />
sechs Diakonissen, zwei Fürsorgerinnen, vier<br />
Bürokräfte und 16 Hausangestellte (in den Altenheimen)<br />
tätig. Dazu kamen zwei Kindergärtnerinnen, die im<br />
Dienst der Gesamtkirchenverwaltung standen.<br />
Prägend für die 1960er-Jahre waren der Bau des<br />
neuen Altenheimes, der Ausbau der offenen Seniorenarbeit<br />
sowie das Angebot altersgerechter Mietwohnungen<br />
für Senioren. Dieses ganzheitliche Konzept zur<br />
Betreuung älterer Menschen in allen Lebenslagen<br />
entstand unter der Federführung des engagierten<br />
Geschäftsführers Gerhard Krocker. Er erhielt für seine<br />
sozialen Verdienste 1978 die goldene Bürgermedaille<br />
der Stadt <strong>Landshut</strong>.<br />
Für den <strong>Diakonie</strong>verein war eine funktionierende Verwaltung<br />
unerlässlich.<br />
38 Die Innere Mission 1948-1973
Das Altenheim am Bettinaweg<br />
Eine deutliche Verbesserung in der Heimunterbringung<br />
brachte der Bau des neuen Altenheims am Bettinaweg,<br />
das als eines der modernsten in Bayern gelobt wurde.<br />
Eine wichtige Neuerung war, dass überwiegend Einzelzimmer<br />
angeboten werden konnten. Ebenso neuartig war<br />
damals auch das Konzept der „Hauseltern“ – Diakonen-<br />
Ehepaare, die das Heim leiteten. Die ersten Hauseltern<br />
waren Ernst und Auguste Schuch,<br />
ab 1972 folgte das Diakonen-Ehepaar<br />
Paul und Gudrun Kornacher, ab<br />
1988 leiteten Arnold und Marianne<br />
Schubert das Altenheim.<br />
Im Volksmund hieß das Altenund<br />
Pflegeheim „Bettinaheim“, obwohl<br />
es nie offiziell so genannt<br />
wurde. Der Grund war einfach: Die<br />
Hausanschrift lautete Bettinaweg<br />
11. Eigentlich lag das Heim aber an<br />
der Sandnerstraße, genau dort, wo<br />
heute seine Nachfolgeeinrichtung –<br />
das Matthäusstift – steht.<br />
Die Stadt <strong>Landshut</strong> hatte bereits<br />
1958 aus ihrem Besitz ein größeres<br />
Baugrundstück an die Innere Mission<br />
<strong>Landshut</strong> verkauft. Nach 14<br />
Monaten Bauzeit wurde das Heim<br />
Gleichzeitig war für das erste evangelische Altenheim an<br />
der Klötzlmüllerstraße die <strong>Zeit</strong> abgelaufen. Es wurde aufgelöst<br />
und an die Evangelische Kirchengemeinde verkauft,<br />
die dort ein Pfarr- und Mesnerhaus baute. Ebenfalls<br />
verkauft wurde das Altenheim in Kronwinkl, dessen<br />
15 taubstumme Bewohner in ein modernes Heim in<br />
Bogen übersiedeln konnten.<br />
am 20. Juli 1962 in Gegenwart von<br />
Vertretern des öffentlichen und<br />
kirchlichen Lebens eingeweiht. Für<br />
rund 1,3 Millionen Mark vom Evangelischen<br />
Siedlungswerk gebaut,<br />
bot es 60 Senioren Platz. Wie damals Dr. Uhlemann, der<br />
Geschäftsführer des Evangelischen Siedlungswerks,<br />
betonte, sollte der Bau des Heims auch ein Beitrag zur<br />
Bekämpfung der Wohnungsnot sein. Im Blick war die<br />
Zielgruppe der älteren Menschen, die in den ersten<br />
Aufbaujahren nach dem Krieg fast vergessen worden<br />
wären. Durch die Geborgenheit im Heim und mit der<br />
Möglichkeit, am städtischen Leben teilzunehmen, wollte<br />
man bei diesen Menschen das Bewusstsein stärken,<br />
dass sie nicht aufgegeben, sondern ein wichtiger Teil der<br />
Gemeinschaft waren. 37 Das Altenheim am Bettinaweg galt als eines der<br />
modernsten Heime in Bayern.<br />
Der Preis für einen Heimplatz Viel Prominenz versammelte sich zur Einweihungsfeier.<br />
betrug 320 Mark monatlich.<br />
Die Innere Mission 1948-1973<br />
39
Das Altenheim am Bettinaweg war sehr gefragt.<br />
1971 erhielt das Altenheim am Bettinaweg einen<br />
Erweiterungsbau mit zusätzlichen 90 Betten. Aufgrund<br />
der zunehmenden Pflegebedürftigkeit der Bewohner<br />
ergab sich im Laufe der <strong>Zeit</strong> die Notwendigkeit eines<br />
separaten Pflegebereichs. Als 1980 nach einjähriger<br />
Bautätigkeit eine neue Pflegestation mit 20 Betten eröffnet<br />
wurde, bedeutete dies eine große Erleichterung für<br />
das Personal.<br />
Bereits 1968 hatte das Evangelische Siedlungswerk in<br />
unmittelbarer Nachbarschaft zum Altenheim ein Appartementhaus<br />
mit Mietwohnungen für 36 Senioren eröffnet.<br />
Diese Anlage, die altersgerechte Wohnungen und<br />
eine umfassende Unterstützung etwa im Sinne von<br />
Betreutem Wohnen anbot, wurde ab 1981 einige Jahre<br />
lang vom Diakonischen Werk verwaltet.<br />
Da die Bewohner dieses Appartementhauses älter<br />
und hilfsbedürftiger geworden waren, richtete die <strong>Diakonie</strong><br />
ab 1984 eine Halbtagsstelle zu deren Betreuung<br />
ein. Dazu gehörten die Hilfe im Haushalt, in Notsituationen,<br />
bei Krankheit, ein Einkaufsdienst sowie medizinische<br />
Versorgung in Zusammenarbeit mit der Sozialstation.<br />
Das „Bettinaheim“ mit den Erweiterungsbauten<br />
in den 1980er-Jahren<br />
40 Die Innere Mission 1948-1973
„Man musste<br />
vielseitig sein“<br />
Das Diakonen-Ehepaar Gudrun und Paul Kornacher<br />
berichtet über die <strong>Zeit</strong> als Hauseltern im Altersheim<br />
am Bettinaweg (1972 bis 1988)<br />
»Als „Hauseltern“ waren wir familiäre Ansprechpartner, das heißt, wir haben jeden<br />
Heimbewohner und auch die Angehörigen persönlich gekannt. Dazu kam, dass wir<br />
auch im Heim gewohnt haben, sodass wir Tag und Nacht ansprechbar waren.<br />
Früher gingen die Menschen ja in einem sehr rüstigen Zustand ins Heim. Viele von ihnen<br />
haben zu Anfang noch Reisen unternommen. Diese Menschen wurden natürlich im Laufe<br />
der Jahre betreuungsbedürftiger. Später kamen dann immer mehr pflegebedürftige<br />
Menschen zu uns ins Heim, so dass der Bau einer eigenen Pflegestation unumgänglich<br />
wurde. Für uns war das eine schwierige <strong>Zeit</strong>: den Bewohnern klarzumachen, dass sie von<br />
einem Einzelzimmer in ein 3-Bett-Zimmer zur Pflege umziehen mussten. Als die Nachfrage<br />
nach Pflegebetten in <strong>Landshut</strong> immer größer wurde, haben wir für die neue<br />
Pflegestation das Personal aufgestockt und Altenpfleger eingestellt.«<br />
Gudrun Kornacher: »Ich erinnere mich noch gut, als die Bewohner aus ihren gewohnten<br />
Zimmern in die neue Pflegestation umziehen mussten, da gab es Tränen. Das machte es<br />
mir noch schwerer, den alten Menschen den Umzug zu erklären.«<br />
Einmal im Monat kamen ehrenamtliche Mitarbeiterinnen, die mit den Bewohnern im Speisesaal<br />
Spiele organisiert oder mit ihnen gesungen haben. Sie nannten sich „Bettina-Club“. Auf die Unterhaltung<br />
der Heimbewohner legte Paul Kornacher großen Wert. Es war geradezu ein Steckenpferd<br />
von ihm, Referenten zu gewinnen. Für Gudrun Kornacher war dies manchmal sogar ein bisschen<br />
zu viel, denn dazu musste am Abend immer der komplette Speisesaal umgeräumt werden.<br />
Paul Kornacher: »Als Heimleiter musste man damals vielseitig sein. Als Seelsorger<br />
habe ich jeden Abend im Heim eine kurze Andacht gehalten oder auf Wunsch mit den<br />
einzelnen Bewohnern gebetet. Als Krankenpfleger half ich auch bei der Pflege mit.<br />
Nur die betriebswirtschaftlichen Kenntnisse haben mir gefehlt, deshalb war ich froh,<br />
dass die Buchhaltung von der Verwaltung des Diakonischen Werks übernommen wurde.<br />
Die Heimleitung des Altenheimes war mein schönster Abschnitt im Berufsleben. Denn<br />
die Tätigkeit war so vielseitig, dass ich mich auch persönlich entfalten konnte. Und das<br />
Arbeitsklima war gut, sogar heute treffen wir uns noch einmal im Monat mit einigen<br />
ehemaligen Mitarbeitern.«<br />
Die Innere Mission 1948-1973<br />
Gespräch mit dem Ehepaar Kornacher am 16.04.2008.<br />
41<br />
<strong>Zeit</strong><strong>zeugen</strong>
Ausbau der offenen Seniorenarbeit<br />
Neben der stationären Altenpflege gewann die offene<br />
Seniorenarbeit an Bedeutung. 1966 wurde Erika Dahl als<br />
zweite Sozialarbeiterin der Inneren Mission angestellt.<br />
Unter ihrer Anleitung wurden in den <strong>Landshut</strong>er Gemeinden<br />
sechs Altenkreise gegründet, die von 300<br />
Gemeindemitgliedern regelmäßig besucht wurden.<br />
29 ehrenamtliche Mitarbeiter leiteten insgesamt 20<br />
Seniorengruppen. Sie boten den älteren Menschen die<br />
Möglichkeit, über einzelne Lebensphasen zu erzählen,<br />
Probleme der Vergangenheit oder die Belastungen der<br />
Gegenwart im Gespräch zu bewältigen. Gedankenaustausch,<br />
Kommunikation, aber auch körperliche und geistige<br />
Aktivierung standen im Vordergrund der Seniorenarbeit.<br />
Ab 1977 bekam die offene Seniorenarbeit Aufschwung,<br />
als die Begegnungsstätte im Gemeindehaus<br />
am Gutenbergweg 16 bezogen werden konnte: Tanzen,<br />
Gymnastik, kreative Arbeit und Gespräche in der Gruppe<br />
wurden dort angeboten. Noch heute gibt es einen<br />
Offenen Altenclub, der sich in der Begegnungsstätte im<br />
Diakonischen Zentrum trifft, ebenso einen Club WUF<br />
(Wir um Fünfzig) und mehrere Gymnastik- und Bewegungsgruppen<br />
für Senioren. Betreut werden diese<br />
ehrenamtlich geleiteten Kurse von der Kirchlichen Allgemeinen<br />
Sozialarbeit des Diakonischen Werks, vielfach<br />
in Zusammenarbeit mit den Kirchengemeinden.<br />
Senioren-Bewegungsgruppe<br />
42 Die Innere Mission 1948-1973<br />
Der „Bettinaclub“:<br />
Auf ehrenamtlicher Basis wurden<br />
für die Senioren Nachmittage im<br />
Altenheim gestaltet.
Heimalltag in den 1980er-Jahren<br />
Die Innere Mission 1948-1973<br />
43
<strong>Zeit</strong><strong>zeugen</strong><br />
Für geistige Anregung und<br />
körperliche Beweglichkeit<br />
Erika Dahl, ehemalige Sozialarbeiterin für Altenarbeit beim Diakonischen Werk,<br />
erinnert sich an die ersten Seniorengruppen<br />
Als ich im Januar 1966 meine Aufgabe beim Diakonischen Werk übernahm, die Arbeit mit<br />
Senioren aufzubauen, gab es – auch auf Bundesebene – außer den Seniorennachmittagen sowie<br />
einem Ausflug keine weiterführenden Angebote, keine Modelle. An meinem vorherigen<br />
Arbeitsplatz hatte ich in der Gefährdetenhilfe erste zaghafte Versuche in der Zusammenarbeit<br />
mit Ehrenamtlichen unternommen. Warum sollten sich nicht auch hier Menschen zur verantwortlichen<br />
Mitarbeit gewinnen lassen?<br />
Durch Befragungen der Besucher der großen Seniorennachmittage stellte sich heraus, daß einige<br />
Ältere sich gerne 8- oder 14-täglich treffen würden. Es gelang, für die daraufhin geplante erste<br />
Gruppe drei ehrenamtliche Mitarbeiterinnen zu finden. Im Laufe der nächsten Jahre entstanden<br />
immer neue Seniorenkreise: Gesprächsgruppen, sog. Hobbykreise für Basteln, Singen, Gymnastik<br />
und Tanz, der Herrentreff, der von einem Mann geleitet wurde. Es wurde von uns eine Zurüstung<br />
für Clubleiterinnen zur Vorbereitung auf ihre Aufgabe angeboten, nach einigen Jahren als einwöchiges<br />
Seminar auf Landesebene. Die bald 20 Mitarbeiterinnen trafen sich 14-täglich zur<br />
Anleitung und Begleitung. Die Ziele ihrer Arbeit legten sie wie folgt fest: Die breit gefächerten<br />
Angebote für die ältere Generation sollen aus der Isolation herausführen bzw. diese verhindern;<br />
das Miteinander in der Gruppe einüben, um es auch im Alltag praktizieren zu können; über<br />
diese Zusammenkünfte hinaus Kontakte halten, geistige Anregung bieten und die körperliche<br />
Beweglichkeit möglichst lange erhalten; Gespräche über Glaubensfragen führen, sich gegenseitig<br />
Mut machen zum Leben und das Selbstvertrauen stärken.<br />
In vielen Gemeinden unseres Dekanats wurde unser langjähriges Angebot, Ehrenamtliche für den<br />
Aufbau von Seniorengruppen auszubilden, gerne angenommen und so entstanden immer mehr<br />
Altenkreise. Unsere Gemeinden werden da lebendig sein, wo vielen Menschen in vielfältiger<br />
Weise geholfen werde kann. Dazu gehört das enge Zusammenwirken von Ehrenamtlichen und<br />
Hauptamtlichen.<br />
Unveröffentlichtes Manuskript des Diakonischen Werks, Dezember 1986, und Interview im Jahr 2008<br />
44 Die Innere Mission 1948-1973
5<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
Das Diakonische<br />
Werk auf<br />
Expansionskurs<br />
Die Ausweitung der Sozialgesetzgebung in<br />
Deutschland führte dazu, dass sich die<br />
soziale Arbeit immer mehr ausdifferenzierte<br />
und vielfältige neue Aufgabenbereiche entstanden.<br />
Aus der „Inneren Mission <strong>Landshut</strong>“<br />
wurde nach einer Satzungsänderung<br />
im Jahr 1973 das „Diakonische Werk<br />
<strong>Landshut</strong>“ mit diversen Fachdiensten,<br />
offenen Gruppenangeboten und einer steigenden<br />
Zahl von Beschäftigten.<br />
Aufgrund dieser Entwicklung wird die<br />
Geschichte der <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong> ab Mitte<br />
der 1970er-Jahre geprägt von der Entstehungshistorie<br />
der einzelnen Fachdienste.<br />
So reichen zum Beispiel die Wurzeln der<br />
Sozialstation, der Erziehungs-, Ehe- und<br />
Lebensberatung, des Sozialpsychiatrischen<br />
Dienstes und der Beruflichen Hilfen in<br />
diese <strong>Zeit</strong> zurück.<br />
45
Der erste Dienstwagen der Sozialstation war ein<br />
gebrauchter VW. Auf dem Bild sind auch die erste<br />
Leiterin Gisela Wasserrab (vorne Mitte) und dahinter<br />
Geschäftsführer Werner Heger zu sehen.<br />
Von der Gemeindediakonie zur<br />
Sozialstation<br />
Als die letzte Diakonisse in <strong>Landshut</strong>, Schwester Anna<br />
Held, aus gesundheitlichen Gründen abberufen worden<br />
war, versuchte die Innere Mission zunächst, den Pflegedienst<br />
mit einer Krankenschwester weiterzuführen: Ab<br />
November 1970 war Schwester Käthe Muck in der Gemeindepflegestation<br />
tätig. Jedoch blieb die Inanspruchnahme<br />
des Pflegedienstes trotz intensiver Öffentlichkeitsarbeit<br />
gering, deshalb musste er schließlich zum<br />
1.8.1971 eingestellt werden.<br />
In dieser Tradition, jedoch unter zeitgemäßen räumlichen<br />
und fachlichen Bedingungen, eröffnete 1978 die<br />
Sozialstation des Diakonischen Werkes als erste ambulante<br />
Pflegeeinrichtung in <strong>Landshut</strong>, anfänglich jedoch<br />
nur probeweise. Initiatoren waren der damalige Geschäftsführer,<br />
Diakon Werner Heger, und die Verwaltungsangestellte<br />
Gisela Wasserrab, die anschließend<br />
20 Jahre lang den ambulanten Pflegedienst des Diakonischen<br />
Werks leitete. Für die Anfangszeit diente ein winziges<br />
Büro am Gutenberg als Anlaufstelle, wenig später<br />
erfolgte ein Umzug in die Arnimstraße.<br />
Die Schwestern der ersten Stunde waren Sieglinde Brunner,<br />
Brigitte Gora, Ingrid Scheugenpflug und Rita Dannenböck<br />
(von links).<br />
Ein Meilenstein war die staatliche Anerkennung der<br />
Sozialstation am 1. Januar 1979. Noch im gleichen Jahr<br />
wurde sie offiziell in der Gabelsbergerstraße 38, in unmittelbarer<br />
Nähe zum Altenheim, eingeweiht und vom<br />
damaligen <strong>Diakonie</strong>-Vorsitzenden, Dekan Reinhard von<br />
Loewenich, gesegnet. Zu dieser <strong>Zeit</strong> entstanden aufgrund<br />
staatlicher Förderung flächendeckend ambulante<br />
Dienste: Die Sozialstation der <strong>Diakonie</strong> war bereits die<br />
zehnte ambulante Pflegestation in Niederbayern.<br />
46 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973
In guten Händen:<br />
Zivildienstleistende arbeiten<br />
in der Sozialstation.<br />
Vor allem aus dem ländlichen Bereich kamen immer<br />
mehr Pflegeanfragen, weil auch dort die früheren Großfamilien<br />
fehlten und immer mehr ältere Menschen vereinsamten.<br />
1978 wurden bereits 2700 Hausbesuche mit<br />
6800 Pflegemaßnahmen durchgeführt. Am Ende ihres<br />
ersten Arbeitsjahres waren für die Sozialstation 14 Fachkräfte<br />
und zwei Haushaltshilfen tätig. Zehn Jahre später<br />
waren es 31 MitarbeiterInnen, die in einem einzigen Jahr<br />
fast 35 000 Hausbesuche machten.<br />
Um die pflegenden Angehörigen zu schulen, wurde 1985<br />
der erste Pflegekurs dieser Art organisiert. 14 Frauen im<br />
Alter von 19 bis 60 Jahren nahmen mit großem Engagement<br />
daran teil. 1990 wurde der „Mobile Soziale Hilfsdienst“<br />
gegründet und es wurden zwei weitere Zivildienststellen<br />
eingerichtet, so dass heute insgesamt vier<br />
Zivis zusätzliche Leistungen für Senioren erbringen können.<br />
Ab 1998 bestand einige Jahre lang ein gemeinsamer<br />
Nachtruf-Bereitschaftsdienst zusammen mit der<br />
Arbeiterwohlfahrt und den ambulanten Pflegediensten<br />
des Caritas-Verbandes und des Roten Kreuzes <strong>Landshut</strong>.<br />
Im Juli 2003 übernahm dann die Sozialstation der<br />
<strong>Diakonie</strong> den Pflegedienst des Caritas-Verbandes <strong>Landshut</strong><br />
mit sechs Schwestern und 30 Patienten.<br />
Heute versorgt die Sozialstation des Diakonischen<br />
Werks mit mehr als 60 Mitarbeitern – Krankenschwestern,<br />
Pfleger, Altenpfleger, Hauswirtschafterinnen und<br />
vier Zivildienstleistende – etwa 300 Menschen. Dabei<br />
beschränkt sich ihr Einsatzgebiet nicht nur auf die Stadt<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
Ambulante Wundversorgung<br />
<strong>Landshut</strong>. Es reicht vielmehr bis in die Gemeinden Adlkofen,<br />
Altdorf, Bruckberg, Eching, Ergolding, Mettenbach,<br />
Kumhausen, Niederaichbach, Tiefenbach, Postau<br />
und Wörth. Finanziert werden die Leistungen über die<br />
Pflege-Entgelte der Krankenkassen und der Patienten,<br />
über Zuschüsse der evangelischen Kirche sowie über<br />
Kostenbeteiligungen der Stadt und des Landkreises<br />
<strong>Landshut</strong>.<br />
Die Sozialstation bietet kranken und pflegebedürftigen<br />
Menschen eine umfassende Pflege und Betreuung in<br />
ihrer vertrauten häuslichen Umgebung – täglich, auch an<br />
Sonn- und Feiertagen, oder in Vertretung für pflegende<br />
Angehörige. Wie wichtig dies ist, beschreibt ein pflegender<br />
Ehemann in einem Brief an die Sozialstation:<br />
»Danke für Ihr großes Engagement, in den verschiedensten<br />
Momenten immer die angemessene Lösung<br />
zu suchen und zu finden. Es gab viele Herausforderungen<br />
gemeinsam zu bewältigen. Auch solche Situationen,<br />
in denen sich das kleine Pflegezimmer hier im<br />
Haus in einen Weltraumbahnhof zu verwandeln<br />
schien, wo die Startrampe bereits aufgebaut war. Für<br />
die Unterstützung in diesen schwierigen Momenten<br />
besonders herzlichen Dank.«<br />
47
Für pflegerische Notfälle ist die Sozialstation in 24-<br />
Stunden-Rufbereitschaft. Zum Wohl der Patienten wird<br />
großer Wert auf eine enge Zusammenarbeit mit deren<br />
Hausärzten und behandelnden Fachärzten gelegt. Die<br />
Leistungen richten sich dabei immer nach dem Pflegeauftrag,<br />
aber auch nach den individuellen Bedürfnissen<br />
des einzelnen Pflegebedürftigen und nach den neuesten<br />
fachlichen Erkenntnissen. Durch eine aktivierende<br />
Pflege wird die weitgehende Selbstständigkeit der<br />
Pflegebedürftigen unterstützt.<br />
Maßnahmen zur Qualitätssicherung – dazu gehören<br />
auch sorgfältige Pflegedokumentation und permanente<br />
fachliche Weiterbildung der Pflegekräfte – sind unverzichtbar.<br />
Erst im Jahr 2008 wurden so genannte Wundexperten<br />
ausgebildet – Fachkräfte, die spezielle Kenntnisse<br />
im Bereich der Wundheilung haben und ihre Kollegen<br />
bei der täglichen Arbeit beratend unterstützen.<br />
Neben der fachlichen Kompetenz bleibt für das Team der<br />
Sozialstation jedoch die menschliche Begegnung besonders<br />
wichtig.<br />
Die Wundexperten der Sozialstation( von links): Carola Schlesier,<br />
Silke Marcinkowski, Marianne Amendinger (Pflegedienstleiterin),<br />
Hubert Triller, Erna Fischer, Roswitha Kronbeck (stellv. Pflegedienstleiterin)<br />
Im Mittelpunkt: die Mitarbeiter<br />
Der 1972 angetretene neue Geschäftsführer, Diakon<br />
Werner Heger, legte von Anfang an großen Wert auf ein<br />
gutes Arbeitsklima. Dazu trugen die von ihm eingeführten<br />
regelmäßigen Dienstbesprechungen mit den Mitarbeitern<br />
und den Heimleitungen bei. In diesen Gesprächen<br />
wurden für alle Angestellten in der Geschäftsstelle<br />
Arbeitsplatzbeschreibungen erstellt, um individuelle<br />
Zuständigkeiten und Entscheidungsbefugnisse klar zu<br />
regeln. Im gleichen Jahr konnte auch die erste eigene<br />
Mitarbeitervertretung im Diakonischen Werk <strong>Landshut</strong><br />
gewählt werden. Wie viel Diakon Heger an gemeinsamer<br />
Meinungsbildung und Entscheidungsfindung gelegen<br />
war, dokumentierte er sogar statistisch: Für das Geschäftsjahr<br />
1975 wies er 31 Besprechungen mit dem<br />
ersten <strong>Diakonie</strong>vorsitzenden, Dekan Ernst Borger, 43<br />
Besprechungen mit den Heimleitungen in <strong>Landshut</strong> und<br />
Vilsbiburg, 28 Dienstbesprechungen<br />
mit den Mitarbeitern der Geschäftsstelle<br />
und 91 Einzelgespräche aus.<br />
Dabei wurden nicht nur Informationen<br />
ausgetauscht, sondern auch Probleme<br />
behandelt und Konflikte besprochen.<br />
Um das gegenseitige Kennenlernen<br />
der Mitarbeiter zu fördern, fanden<br />
regelmäßig Betriebsausflüge und<br />
-feste statt.<br />
Auch die ehrenamtlichen Mitarbeiter<br />
erfuhren Anerkennung: Neben den<br />
seit den 1960er-Jahren etablierten<br />
jährlichen Helfertagen für Ehrenamtliche<br />
– auch „Rüstzeiten“ genannt –<br />
führte Heger „Anleitungstreffen“ der<br />
ehrenamtlichen Mitarbeiter ein, um<br />
sie zu betreuen und auch weiterzubilden.<br />
Als einen Erfolg seiner kooperativen<br />
Personalführung konnte er im<br />
Jahresbericht für 1975 vermelden:<br />
„Kaum Krankheitstage, gegenseitige<br />
Hilfsbereitschaft, kein Misstrauen und<br />
Neid, Übernahme von Verantwortung<br />
und Entscheidung, eine freundliche<br />
Atmosphäre.“<br />
48 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973
Dass dieses Arbeitsklima der <strong>Diakonie</strong> auch von<br />
Besuchern als ungewöhnlich offen empfunden wurde,<br />
zeigen die Erinnerungen von Pfarrer Helmut Dietzfelbinger.<br />
Er war 1983 Teilnehmer eines Intensivkurses für<br />
Spätberufene im Diakonischen Werk <strong>Landshut</strong>:<br />
„Schon vor sechs Jahren spürte ich jedes Mal, wenn<br />
ich die Geschäftsräume des Diakonischen Werks im<br />
Gutenbergweg betrat: „Hier kommt mir eine freundliche<br />
warme Atmosphäre entgegen, hier fühle ich<br />
mich sofort wie zu Hause!“ Damals wusste ich noch<br />
nicht so recht, wie das kam. Ich dachte auch nicht<br />
besonders darüber nach. Aber diesmal wurde mir<br />
klar, was der Grund dafür ist. Die Mitarbeiter des<br />
Diakonischen Werks wissen offenbar, wie viel ihnen<br />
eine gute menschliche Beziehung zueinander wert ist,<br />
denn sie arbeiten intensiv an diesem Punkt.“ 38<br />
Die Mitarbeiter<br />
des Diakonischen Werks<br />
im Jahr 1980.<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
Mit einem offenen Ohr für Anliegen: Geschäftsführer Werner<br />
Heger (rechts) im Gespräch mit einem Seminarteilnehmer<br />
Heute beschäftigt das Diakonische Werk insgesamt 270<br />
MitarbeiterInnen auf 140 Vollzeitstellen. In Arbeitsprojekten<br />
sind weitere 180 Personen tätig. Unverzichtbar ist<br />
die Unterstützung durch ehrenamtlich tätige BürgerhelferInnen,<br />
ohne die die Vielzahl der diakonischen Angebote<br />
nicht aufrechterhalten werden könnte. Ihre<br />
Mitarbeit wird von den einzelnen Fachdiensten, in denen<br />
sie tätig sind, geschätzt und gewürdigt. In manchen<br />
Bereichen werden ihnen auch Möglichkeiten zur Weiterbildung<br />
durch interne Schulungen angeboten.<br />
49
<strong>Zeit</strong><strong>zeugen</strong><br />
„Mit Geld und Gaben<br />
anderen helfen!“<br />
Gespräch mit Diakon Werner Heger,<br />
Geschäftsführer des Diakonischen Werks <strong>Landshut</strong> von 1972 bis 1988<br />
Kurz nach Ihrem Amtsantritt wurde die Innere Mission in „Diakonisches Werk“ umbenannt.<br />
Hat zeitgleich mit der Namensänderung auch eine neue Ära für den Wohlfahrtsverband begonnen?<br />
Als ich Geschäftsführer in <strong>Landshut</strong> wurde, habe ich ein gut bestelltes Haus übernommen.<br />
Mit vielen Fördermitteln konnte der Ausbau auf breiter Basis gelingen und das freut mich<br />
noch heute. Noch immer habe ich hierher persönliche Beziehungen, auch mein Sohn<br />
wohnt da. Es ist viel von meinem Herzblut hier in der Stadt geblieben.<br />
Als evangelischer Diakon in der niederbayerischen Diaspora – das war sicher keine leichte Aufgabe in<br />
den 1970er-Jahren?<br />
Neben einigen Heimleitern war ich zeitweise der einzige evangelische Diakon in ganz<br />
Niederbayern. Bei der jährlichen Straßensammlung stellte ich mich direkt vor das Rathaus.<br />
Die Stadträte gingen zur Stadtratssitzung und von der Regierung kamen die Angestellten.<br />
Es war ein einträgliches Geschäft. Wollte sich jemand vorbeimogeln, den ich kannte, dann<br />
sprach ich ihn an. Meist gab es einen Ruck und der Geldbeutel wurde beschämt gezogen.<br />
Als sich Ministerpräsident Alfons Goppel im Regierungsbezirk Niederbayern verabschiedete,<br />
bekam das Diakonische Werk keine Einladung zum Empfang. Meine telefonische Rückfrage<br />
erbrachte die Auskunft, man wisse nicht, zu welcher Gruppe ich zugeordnet werden sollte.<br />
Meine Nachfrage, ob die Caritasdirektoren eingeladen seien, wurde bejaht. „Da gehöre ich<br />
hin“, war meine Antwort. Seitdem stand ich als Diakon auf den Einladungslisten der<br />
Regierung. Mir war klar, dass ich immer Zweiter sein würde, aber falsche Bescheidenheit<br />
wollte ich auch nicht.<br />
50 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973
Sie haben unter anderem das <strong>Landshut</strong>er Ferienprogramm – als eines der ersten in Bayern – ins Leben<br />
gerufen. Erinnern Sie sich an Ihr Lieblingsprojekt?<br />
Die Idee für unser Ferienprogramm ging damals von den Mitarbeitern der <strong>Diakonie</strong> aus.<br />
Ihre eigenen Kinder mussten ja während der Ferien auch betreut werden. Schon im ersten<br />
Jahr 1976 wurden von Ehrenamtlichen 20 Angebote gemacht, an denen zu unserer Überraschung<br />
über 400 Kinder teilnahmen. Als ich erstmals bei der Stadt <strong>Landshut</strong> einen<br />
Zuschuss beantragte, wurde er mit dem Kommentar abgelehnt: „Das ist ja sozialistische<br />
Ferienverplanung!“ Doch haben sich in den Folgejahren die Volkshochschule und<br />
die städtische Jugendpflege angeschlossen. Heute ist das Ferienprogramm nicht mehr<br />
wegzudenken.<br />
Anlässlich ihrer Verabschiedung wurde Folgendes formuliert: „Ein unbequemer Mann verlässt <strong>Landshut</strong>,<br />
ein Mann, der seinen Beruf, ja seine Berufung so ernst genommen hat, dass er sich dafür stets mit<br />
Vehemenz eingesetzt hat.“ Sind Sie mit dieser Charakterisierung einverstanden?<br />
Es stimmt, dass ich nicht immer konform ging mit der vorherrschenden politischen Meinung.<br />
Ja, ich war auch unbequem, wenn ich um die Finanzierung für ein gutes Vorhaben kämpfen<br />
musste. Als Vorsitzender des Evangelischen Bildungswerkes habe ich schon gelegentlich<br />
unbequeme Referenten eingeladen, beispielsweise anlässlich einer Diskussion über<br />
Atomkraftwerke. Aber ich glaube nicht, dass die Charakterisierung verletzend gemeint war,<br />
denn ich habe immer große Anerkennung gespürt.<br />
Wie beurteilen sie die heutigen Bedingungen für diakonisches Handeln?<br />
Das Bundessozialhilfegesetz von 1962 stellte die Würde des Hilfe- und Ratsuchenden in<br />
den Mittelpunkt. Behörden, Ämter, Verbände suchten meist gemeinsam nach Lösungen.<br />
Man achtete sich gegenseitig. Heute wird der Markt zum Maßstab erklärt. Der Markt kennt<br />
weder Mitleid noch soziale Gerechtigkeit. Die Konkurrenz und der Schwächere werden<br />
weggedrückt. Misstrauen und Kontrolle werden zur Geschäftsgrundlage. Die Ellenbogengesellschaft<br />
wird gefördert, wenn keine soziale Kontrolle dem Markt Einhalt gebietet. Für<br />
mich sind Tafeln und Kleiderkammern ein Armutszeugnis. Wir werden es noch erleben,<br />
dass arme und hungrige Menschen sich brutal holen, was ihnen vorenthalten wird. Die<br />
christliche Botschaft erwartet, sich mit seinem Geld und seinen Gaben für den anderen<br />
einzusetzen.<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
Gespräch mit Werner Heger am 23.04.2008 in <strong>Landshut</strong><br />
51
Geschäftsführer Werner Heger und<br />
Vorsitzender Dekan Reinhard von Loewenich<br />
besuchten den <strong>Diakonie</strong>-Stand auf der<br />
Niederbayernschau (Oktober 1979).<br />
Auch <strong>Landshut</strong>s ehemaliger Oberbürgermeister<br />
Josef Deimer war zu Gast bei der <strong>Diakonie</strong><br />
auf der Niederbayernschau im Jahr 1983.<br />
<strong>Diakonie</strong> und Öffentlichkeit<br />
Ab Herbst 1977 erschien regelmäßig das<br />
Informationsblatt „<strong>Diakonie</strong> aktuell“.<br />
Nicht nur die interne Kommunikation wurde intensiviert,<br />
auch gewann ab Mitte der 1970er-Jahre die Öffentlichkeitsarbeit<br />
zunehmende Bedeutung. Mit Broschüren,<br />
<strong>Zeit</strong>ungsartikeln, Gremientätigkeit und der Teilnahme an<br />
Ausstellungen sollten die neuen Angebote des Diakonischen<br />
Werks bekannt gemacht werden. So präsentierte<br />
sich das Diakonische Werk 1975 zum ersten Mal mit<br />
einem eigenen Stand auf der Niederbayernschau, wo<br />
nicht nur über die Angebote der <strong>Diakonie</strong> informiert,<br />
sondern den Besuchern auch eine Kinderbetreuung angeboten<br />
wurde. Außerdem wurden Bastelarbeiten aus<br />
den Seniorenkreisen verkauft. Jeweils zehn Tage lang<br />
waren ehrenamtliche Mitarbeiter am <strong>Diakonie</strong>-Stand tätig.<br />
Erstmals 1977 wurde ein Prospekt gedruckt, um der<br />
Öffentlichkeit einen Überblick über die Arbeit des Diakonischen<br />
Werks <strong>Landshut</strong> zu geben. Im gleichen Jahr<br />
erschien zum ersten Mal das Nachrichtenblatt „<strong>Diakonie</strong><br />
aktuell“, das im Rhythmus von vier Wochen mit einer<br />
Auflage von 70 Stück an interessierte Personen und Einrichtungen<br />
verteilt wurde. Sowohl die Lokalzeitungen als<br />
auch kirchliche Medien wurden regelmäßig mit Presseinformationen<br />
beliefert. „Gerade in der Diaspora ist es<br />
notwendig, Stellung zu beziehen und evangelisches<br />
Gedankengut einzubringen. Es ist ein Anliegen des Geschäftsführers,<br />
in Ausschüssen zur Meinungsbildung<br />
beizutragen, persönliche Kontakte zu pflegen und die<br />
Öffentlichkeit zu informieren“, schrieb Heger in seinem<br />
Jahresbericht 1976. Immer wieder lud er Politiker, Vertreter<br />
von Behörden und öffentlichen Einrichtungen ein,<br />
um ihnen die diakonische Arbeit vor Ort zu zeigen.<br />
Durch die Vergabe von Praktika an Studenten wurden<br />
die ersten Kontakte zur neu gegründeten Fachhochschule<br />
<strong>Landshut</strong> aufgebaut. Gelegentliche Vorträge und<br />
die Teilnahme von Geschäftsführer und <strong>Diakonie</strong>-Mitarbeitern<br />
in Ausschüssen und Gremien zählten zu den<br />
Anfängen der externen Kommunikation, die heute zum<br />
Tagesgeschäft des Wohlfahrtsverbandes gehört.<br />
52 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973
Unter einem Dach:<br />
Ökumenische<br />
Erziehungsberatung<br />
und Eheberatung<br />
Drei einzelne Hinweisschilder wurden 1975 am Haus<br />
Bismarckplatz 16 angebracht: Eines wies den Weg zur<br />
Ökumenischen Erziehungsberatung, eines führte zur<br />
Evangelischen Eheberatung des Diakonischen Werks<br />
und eines zur Katholischen Eheberatung des Seelsorge-<br />
Amtes der Diözese Regensburg. Eigentlich hatten Diakonisches<br />
Werk und Caritasverband <strong>Landshut</strong> die<br />
Errichtung einer gemeinsamen umfassenden Beratungsstelle<br />
für Ehe-, Erziehungs- und Familienfragen geplant.<br />
Juristische Gründe verhinderten dies jedoch und führten<br />
zu einer strengen räumlichen Trennung der drei inhaltlich<br />
eng verknüpften Beratungsstellen, die dennoch gut<br />
kooperierten, zumal sich in der Praxis die Zusammenhänge<br />
von Ehe- und Erziehungsproblemen oftmals nicht<br />
eindeutig trennen ließen.<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
Spieltherapie und Online-Beratung<br />
Kurz nach der Gründung der Ökumenischen Beratungsstelle<br />
für Erziehungs-, Jugend- und Elternfragen durch<br />
Caritasverband und Diakonisches Werk bestand das<br />
Team aus zwei Psychologinnen, einer Sozialpädagogin<br />
und einer Verwaltungsangestellten. Die Einrichtung wurde<br />
von der Bevölkerung sehr gut angenommen: In den<br />
ersten drei Jahren hatten schon allein aus dem Landkreis<br />
<strong>Landshut</strong> 500 Personen die Möglichkeit genutzt,<br />
sich in Erziehungsfragen – kostenlos und unbürokratisch<br />
– helfen zu lassen.<br />
Bald reichten die fünf kleinen Räume am Bismarckplatz<br />
für die wachsenden Anforderungen nicht mehr aus.<br />
So zogen im Juli 1980 Erziehungsberatung und Eheberatung<br />
gemeinsam in neue Räume am Nahensteig 182.<br />
Diese waren größer und heller, sie boten für die Kinder<br />
Platz zum Spielen, Möglichkeit für andere Therapieformen<br />
sowie Gruppenarbeit und eine insgesamt ruhigere Atmosphäre.<br />
In den Anfangszeiten konzentrierte sich die Arbeit des<br />
Teams auf Krisenintervention durch Kurzberatungen.<br />
Weil die Probleme in den Familien komplexer wurden,<br />
verlagerte man später den Schwerpunkt der Beratungstätigkeit<br />
auf intensivere längere Betreuung, bei der mehrere<br />
Bezugspersonen mit einbezogen wurden. Verursacht<br />
durch schwierige Lebens- und Ausbildungssituationen,<br />
wuchs auch der Anteil der Probleme bei Jugendlichen.<br />
Zusätzlich zur Beratung bot der Fachdienst<br />
spieltherapeutische Gruppen<br />
für Kinder sowie Gesprächsgruppen<br />
für Jugendliche und für Mütter an.<br />
Um auch der Bevölkerung im Umland<br />
wohnortnähere Beratungsmöglichkeiten<br />
zu bieten, wurden in<br />
Rottenburg und Vilsbiburg Außenstellen<br />
eingerichtet.<br />
53<br />
Gruppenarbeit in der Ökumenischen<br />
Erziehungsberatungsstelle mit deren<br />
erster Leiterin, Diplom-Psychologin<br />
Monika Niederberger (zweite von links)
Die Erziehungsberatung feierte ihr fünfjähriges Bestehen.<br />
Seit 2001 befinden sich die <strong>Landshut</strong>er Beratungsräume<br />
in der Freyung. Insgesamt sechs BeraterInnen auf 3,5<br />
Fachstellen sind für die als Jugendhilfeleistung anerkannten<br />
Dienste im Einsatz. Waren es früher neben den<br />
allgemeinen Erziehungsfragen vor allem Probleme im<br />
Leistungsbereich, so kommen seit einiger <strong>Zeit</strong> immer<br />
mehr Schwierigkeiten im Sozialverhalten zum Tragen.<br />
Gruppenangebote für Kinder und Jugendliche sollen diesen<br />
sozialen Störungen entgegenwirken. Zu einem wichtigen<br />
Thema wurden auch die mit Trennung und Scheidung<br />
verbunden Erziehungsprobleme, von denen etwa<br />
ein Drittel aller Klienten betroffen sind. Um speziell die<br />
Kinder in der schwierigen <strong>Zeit</strong> der Elterntrennung zu<br />
unterstützen, werden regelmäßig Gruppen für betroffene<br />
Kinder angeboten.<br />
Auf eine sehr gute Resonanz stieß die im Jahr 2005<br />
eingeführte Online-Beratung, bei der von <strong>Landshut</strong> aus<br />
acht Wochenstunden lang per Internet Unterstützung<br />
geleistet wird. Ein in Zusammenarbeit mit dem <strong>Landshut</strong>er<br />
Netzwerk entwickeltes Gesprächsangebot ist<br />
bereits preisgekrönt: der Elterntalk. Das sind Gesprächsrunden<br />
von geschulten Eltern für interessierte Eltern zu<br />
allen gerade aktuellen und brennenden Erziehungsfragen<br />
wie Computerspiele oder Handy-Nutzung. Elterntalk<br />
ist ein Projekt zur Gewalt- und Suchtprävention.<br />
Beratung für Partner in der Krise<br />
Bevor im Jahr 1975 die Evangelische Ehe- und Familienberatung<br />
gegründete wurde, war diese Art der Beratungstätigkeit<br />
im Rahmen der allgemeinen Sozialarbeit<br />
durchgeführt worden. Brigitta Zimmermann, die erste<br />
Eheberaterin des Diakonischen Werks, verstand unter<br />
Beratung nicht „einen Rat erteilen im Sinne von Rezept<br />
geben“. Vielmehr strebte sie eine partnerschaftliche<br />
Zusammenarbeit mit den Klienten an, um unter Berücksichtigung<br />
der Möglichkeiten gemeinsam nach Auswegen<br />
aus den Schwierigkeiten zu suchen. Beratungsgründe<br />
in den 1970er-Jahren waren vor allem Kommunikationsprobleme<br />
der Paare, Trennungsabsichten, sexuelle<br />
Störungen und auch die Angst vor Einsamkeit.<br />
Brigitta Zimmermann war von 1976 bis 1999 in der Eheberatung<br />
des Diakonischen Werks mit viel Engagement<br />
tätig und erhielt für ihre langjährigen Verdienste das<br />
Goldene Kronenkreuz 39 .<br />
Das heutige Team der Erziehungsberatungsstelle mit dem Leiter<br />
Emmeram Wolf-Ehresmann<br />
In den 1990er-Jahren waren drei Honorarkräfte – neben<br />
Brigitta Zimmermann auch Helmut Leipold und Elke<br />
Brakebusch – mit der Beratungstätigkeit für Paare betraut.<br />
Im Rahmen von vertraulichen, überkonfessionellen<br />
und kostenlosen Gesprächen wurde sowohl zum Fortführen<br />
der Partnerschaft als auch zu Trennungs- und<br />
Scheidungsabsichten Unterstützung angeboten. Auch<br />
„Single-Dasein“ und „Torschlusspanik“ waren jetzt häufige<br />
Gründe von Klienten, das Beratungsteam zu konsultieren.<br />
54 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973
Boten in den 1980er-Jahren Unterstützung bei<br />
Partnerschaftsproblemen an: die Eheberaterinnen<br />
Brigitta Zimmermann und Lore Hähndel.<br />
Sucht gemeinsam mit den Klienten nach einer Lösung:<br />
Die Eheberaterin und Psychologin Martina Schäfer.<br />
Es sind Paare aller Altersgruppen und aus allen sozialen<br />
Schichten, die heute in die Beratungsstunden kommen.<br />
Die Untreue eines Partners, Spannungen aufgrund hoher<br />
Belastungen im Arbeitsleben und auch Konflikte aufgrund<br />
von anhaltender Arbeitslosigkeit eines Partners<br />
zählen derzeit zu den wichtigen Themen. Die Psychologin<br />
Martina Schäfer und die systemische Paar- und<br />
Familienberaterin Anja Lachmann helfen dabei, eingeschliffene<br />
Kommunikationsmuster zu überdenken.<br />
Wesentliches Ziel der Partnerschafts-, Ehe- und Lebensberatung<br />
ist, zusammen mit dem Klienten eine geeignete<br />
Lösung zu finden und dabei – wenn es nötig ist – auch<br />
Mut zur Veränderung der Lebensumstände zu machen.<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
Hilfe in seelischer Not:<br />
sozialpsychiatrische<br />
Betreuung<br />
Lange bevor der „Sozialpsychiatrische Dienst (SpDi)“ als<br />
Beratungsstelle institutionalisiert wurde, begann das<br />
Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> damit, Angebote für psychisch<br />
kranke Menschen aufzubauen. Als in den 1980-er<br />
Jahren auf der Grundlage des ersten Bayerischen Psychiatrieplans<br />
sozialpsychiatrische Dienste ergänzend zu<br />
Bezirkskrankenhäusern und niedergelassenen Fachärzten<br />
konzipiert wurden, übernahm das Diakonische Werk<br />
<strong>Landshut</strong> eine Trägerschaft. Mit Hilfe staatlicher Finanzierung,<br />
überprüfbarer Qualitätsstandards und aufgrund<br />
der vorhandenen Erfahrungen mit Betreuungsangeboten<br />
im Wohlfahrtsverband konnte die Situation psychisch<br />
kranker Menschen deutlich verbessert werden. Heute<br />
sind die Maßnahmen und Hilfen des multiprofessionellen<br />
<strong>Diakonie</strong>-Teams ein wesentlicher Bestandteil der<br />
psychosozialen Versorgung im Raum <strong>Landshut</strong>.<br />
Der Sozialpsychiatrische Dienst entsteht<br />
Zusammen mit dem Psychiater Dr. Franz Brandl entwickelte<br />
die Sozialpädagogin und Supervisorin Erika Dahl<br />
bereits ab 1978 ein Konzept für Gesprächsgruppen mit<br />
psychisch kranken Menschen und bildete dafür ehrenamtliche<br />
Mitarbeiter im Diakonischen Werk aus: Diese<br />
wurden in psychiatrische Krankheitsbilder eingeführt<br />
und mit praktischen Übungen zur Gesprächsführung geschult.<br />
Auch aufgrund der wirtschaftlichen Situation und der<br />
Probleme am Arbeitsmarkt nahm das Ausmaß psychischer<br />
Erkrankungen in der Folgezeit immer weiter zu.<br />
Nach intensiven Verhandlungen mit dem Bayerischen<br />
Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, mit<br />
dem Bezirk und der Regierung von Niederbayern sowie<br />
nach der Zustimmung des <strong>Diakonie</strong>-Kuratoriums konnte<br />
trotz finanzieller Schwierigkeiten ein Sozialpsychiatrischer<br />
Dienst eingerichtet werden.<br />
55
Die Mitarbeiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes im Jahr<br />
1984: Ernst Höfer, Eva-Maria Rau, Dr. Franz Brandl und<br />
Monika Hundemer (von links) in den Räumen in der<br />
Arnimstraße.<br />
Die fachliche Begleitung und Finanzierung der Beratungsstelle<br />
war beim Bezirk angesiedelt, die konkrete<br />
Umsetzung lag in der Verantwortung der <strong>Diakonie</strong>. Am<br />
1.3.1983 nahmen der Psychologe Ernst Höfer und die<br />
Sozialpädagogin Monika Hundemer vorerst halbtags ihre<br />
Tätigkeit auf. Schon wenige Monate später arbeitete das<br />
Fachpersonal ganztags; eine Verwaltungskraft stand für<br />
zehn Stunden pro Woche zur Verfügung und ein Facharzt<br />
führte auf Honorarbasis Supervisionen durch.<br />
Die Beratungsstelle teilte sich in der Anfangsphase<br />
die Räume mit der Eheberatungsstelle am Nahensteig.<br />
Schon im Dezember 1983 bezog der Dienst jedoch eigene<br />
Räumlichkeiten in der Arnimstraße 7 und bekam<br />
einen Dienstwagen. Dieser war auch deshalb nötig, weil<br />
das Versorgungsgebiet sehr groß war: Es erstreckte sich<br />
auf die Stadt <strong>Landshut</strong> und die Landkreise <strong>Landshut</strong>,<br />
Dingolfing-Landau, Rottal/Inn und Kehlheim. Es umfasste<br />
426 000 Einwohner und Fahrstrecken von bis zu<br />
100 km ab <strong>Landshut</strong>. Das nächstgelegene psychiatrische<br />
Krankenhaus war in Mainkofen.<br />
Mehrere Jahre lang existierten Außensprechstellen<br />
des SpDi in Pfarrkirchen und in Dingolfing. Derzeit gibt<br />
es diese Angebote in Vilsbiburg und in Rottenburg, wo<br />
einmal wöchentlich Einzelgespräche und Hausbesuche<br />
stattfinden können. 131 Klienten kamen im Gründungsjahr<br />
1983 in die Beratungsstelle, 2007 haben – trotz<br />
des mittlerweile verkleinerten Einzugsbereiches – 542<br />
Klienten die Beratung des SpDi-Teams in Anspruch genommen.<br />
Das Team des Sozialpsychiatrischen Dienstes in den 1990er-<br />
Jahren: Angelika Popp, P. Weinzierl, Thomas Gustorff, Barbara<br />
Haussmann, Andrea Gessert und Peter Hilbinger (von links).<br />
Anlaufstelle Teestube<br />
Ab Juli 1985 wurde eine Sozialpädagogin halbtags eingestellt,<br />
um eine Begegnungsstätte für psychisch kranke<br />
Menschen – eine so genannte Teestube – einzurichten.<br />
Zielsetzung war, diesen Menschen soziale Kontakte zu<br />
ermöglichen, einen Halt im Alltag zu geben und so<br />
therapiebegleitend in Krisen zu helfen. Zu den wesentlichen<br />
Elementen dieses Konzepts gehört bis heute, dass<br />
die Gesprächstreffen von geschulten Laienhelfern auf<br />
ehrenamtlicher Basis geleitet werden. Diese ehrenamtlichen<br />
MitarbeiterInnen erhalten von den Fachkräften<br />
regelmäßige professionelle Unterstützung in Anleitungstreffen,<br />
wo Anliegen und Probleme aus der Einzelbetreuung<br />
oder aus der Gruppenarbeit besprochen und bearbeitet<br />
werden.<br />
Die erste Teestube wurde 1986 viermal wöchentlich in<br />
angemieteten Räumen in der <strong>Landshut</strong>er Altstadt angeboten.<br />
Derzeit befindet sie sich im Diakonischen<br />
Zentrum in der Gabelsberger Straße. Durch die Tätigkeit<br />
von 15 ehrenamtlichen MitabeiterInnen kann der Sozialpsychiatrische<br />
Dienst vielfältige Angebote machen: eine<br />
Bewegungsgruppe, Frühstücksgruppen, eine Kaffeezeit<br />
oder eine Feierabendrunde. Nicht nur in <strong>Landshut</strong>,<br />
sondern auch in Vilsbiburg und Neufahrn gibt es gut besuchte<br />
Gruppenangebote.<br />
56 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973
Betreuung von Selbsthilfegruppen<br />
In Zusammenarbeit mit der Selbsthilfe-Kontaktstelle und<br />
dem Verein „Hand in Hand“ entstanden in Stadt und<br />
Landkreis <strong>Landshut</strong> seit 2002 Selbsthilfegruppen für<br />
unterschiedliche Problemlagen: für depressive Menschen,<br />
für die Angehörigen psychisch Kranker, für Psychiatrie-<br />
Erfahrene, für Menschen mit Zwangsstörungen, für<br />
Borderline-Patienten und für Menschen mit Angststörungen.<br />
Diesen Gruppen ist gemeinsam, dass sie von<br />
Betroffenen organisiert, vom Sozialpsychiatrischen<br />
Dienst unterstützt und von Supervision begleitet werden.<br />
Indem die Teilnehmer ihre Isolation überwinden<br />
und sich selbst in Gruppen engagieren, können sie die<br />
Lebensqualität für sich und für andere verbessern.<br />
Das Diakonische Werk<br />
betreut<br />
Selbsthilfegruppen, unter<br />
anderem für Menschen<br />
mit Angststörungen.<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
Beratung durch den<br />
Sozialpsychiatrischen Dienst<br />
Heute hält das Team des Sozialpsychiatrischen Dienstes<br />
ein vielfältiges Beratungsangebot bereit: Von der Beratung<br />
für Betroffene und Angehörige über Krisenintervention,<br />
Klinikbesuche bis hin zur Nachsorge nach stationärem<br />
Aufenthalt. Daneben sind die Hilfeplanung und<br />
eine begleitende Weitervermittlung der Klienten an andere<br />
Einrichtungen von Bedeutung. Eine wichtige Rolle<br />
spielt dabei die Zusammenarbeit mit niedergelassenen<br />
Ärzten, Bezirkskrankenhäusern, Fachdiensten und anderen<br />
Einrichtungen der Gemeindepsychiatrie.<br />
Seit 1997 unterhält der SpDi auch eine ambulante<br />
Kontakt- und Beratungsstelle für ältere Menschen mit<br />
psychischen Erkrankungen und für deren Angehörige –<br />
den Gerontopsychiatrischen Fachdienst. Gezielte Beratung<br />
und Begleitung bieten Entlastung für Betroffene<br />
und Angehörige und dienen dem Erhalt von Selbständigkeit<br />
und Lebensqualität der älteren Klienten in ihrem<br />
vertrauten Umfeld.<br />
57<br />
Der erste Teestuben-Raum<br />
befand sich in der Altstadt.
Unterstützung durch Ambulante<br />
Soziotherapie<br />
Die Ambulante Soziotherapie ergänzt seit 2005 das<br />
Beratungsangebot des Sozialpsychiatrischen Dienstes.<br />
Dabei betreut die <strong>Diakonie</strong> auf ärztliche Verordnung im<br />
gesamten Dekanat chronisch an Psychosen und psychosenahen<br />
Zuständen erkrankte Menschen. Die ambulante<br />
Soziotherapie bietet individuelle Unterstützung, wie<br />
Training zum Aufbau positiver Verhaltensweisen, die Anleitung<br />
zur Krankheitswahrnehmung und Motivationsarbeit.<br />
Bei Bedarf werden Familienangehörige und<br />
Freunde miteinbezogen. Ziel ist, Klinikaufenthalte zu vermeiden,<br />
die physische und psychische Gesundheit und<br />
die soziale Integration der Klienten zu fördern und deren<br />
Selbsthilfepotenzial zu aktivieren. Die Abrechnung der<br />
Leistungen erfolgt über die Krankenkassen.<br />
Intensive Betreuung zu Hause durch<br />
Ambulant Betreutes Wohnen<br />
Als weiteren Aufgabenbereich erschloss das Diakonische<br />
Werk <strong>Landshut</strong> 2006 das Ambulant Betreute<br />
Wohnen (ABW) für psychisch kranke Menschen. Mit diesem<br />
aufsuchenden Betreuungsangebot soll die seelische<br />
und körperliche Gesundheit stark beeinträchtigter<br />
Menschen individuell stabilisiert werden. Durch intensive<br />
Einzelbetreuung wird eine selbstständige Lebens-<br />
Das aktuelle Team des Fachdienstes „Ambulant Betreutes<br />
Wohnen (ABW)“: Gerlinde Gaßlhuber, Susanne Pauer, Jutta<br />
Tremmel, Nicole Schweizer, Michèle Staudinger (von links).<br />
führung der Klienten in der eigenen Wohnung ermöglicht.<br />
Die Fachkräfte pflegen dazu einen regelmäßigen<br />
persönlichen und telefonischen Kontakt mit den Betroffenen.<br />
Die Beratung im Umgang mit der Erkrankung, die<br />
Krisenintervention, die Begleitung im gemeindepsychiatrischen<br />
Versorgungssystem, die Förderung von Alltagsstruktur<br />
und Selbstversorgung sowie die Unterstützung<br />
beim Aufbau sozialer Kontakte und beruflicher Tätigkeit<br />
zählen zu den Leistungen des ABW. Neben der Einzelbetreuung<br />
bestehen Gruppenangebote für gemeinsame<br />
Freizeitaktivitäten. Die Kosten der Betreuung übernimmt<br />
in der Regel der Bezirk Niederbayern im Rahmen der Eingliederungshilfe.<br />
Die sozialpsychiatrisch tätigen Fachkräfte der <strong>Diakonie</strong><br />
sehen sich in der Pflicht, auf die sich verändernden<br />
Krankheitsbilder und Hilfebedürfnisse der Betroffenen<br />
auch in Zukunft mit einer bedarfsgerechten Weiterentwicklung<br />
der gemeindepsychiatrischen Versorgung zu<br />
reagieren - im Dienst für den Menschen und als professioneller<br />
Kooperationspartner der Region.<br />
58 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973
Möbel-Recycling und<br />
Mäharbeiten –<br />
berufsbezogene Hilfen<br />
Arbeitslosigkeit mündet nicht selten in Armut. Das ist ein<br />
wesentlicher Grund dafür, dass die <strong>Diakonie</strong> den<br />
Menschen, die im ersten Arbeitsmarkt keinen Platz finden,<br />
berufsbezogene Hilfen anbietet: In den Arbeitsprojekten<br />
des Fachdienstes Connect, in den Gebrauchtwarenhäusern<br />
„Hab & Gut“ und auch in der Mobilen<br />
Ökologiewerkstatt „MÖWE“ bekommen Jugendliche und<br />
Erwachsenen heute eine Chance, mit Hilfe individueller<br />
Betreuung den Weg zurück in das Erwerbsleben zu finden.<br />
Die Ursprünge dieses diakonischen Arbeitsfeldes<br />
reichen bis in die 1950er-Jahre zurück, als Jugendliche<br />
durch Bergbau-Lehrgänge und Hauswirtschaftskurse<br />
qualifiziert wurden. Aus dringender sozialer Notwendigkeit<br />
wurden berufsbezogene Projekte in den 1980er-<br />
Jahren auf breiter Basis aufgelegt.<br />
Projektleiter Jürgen Handschuch im<br />
Gespräch mit arbeitslosen Jugendlichen<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
Arbeit für Jugendliche<br />
Die hohe Jugendarbeitslosigkeit war ab Mitte der<br />
1980er-Jahre ein bewegendes Thema. Vor diesem Hintergrund<br />
rief die <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong> mit Unterstützung<br />
des Arbeitsamtes das „Jugendprojekt Arbeit“ ins Leben.<br />
Dadurch konnten erstmals im August 1986 zwölf junge<br />
Arbeitslose im Diakonischen Werk und in anderen<br />
öffentlichen und sozialen Einrichtungen beschäftigt werden.<br />
Sie arbeiteten in der Hauswirtschaft, in der Gartenpflege<br />
und im handwerklich-technischen Bereich, beispielsweise<br />
im Stadtgartenamt, im Kreiskrankenhaus<br />
Achdorf oder im Kinderheim St. Vincenz, in einem gemeindlichen<br />
Bauhof oder in einer Wäscherei.<br />
Die Kernidee: Mit einem ganzheitlichen Angebot aus<br />
Beschäftigung, Bildung und Beratung sollten die benachteiligten<br />
jungen Menschen beruflich und sozial integriert<br />
werden. Dazu begleitete sie der damals zuständige Projektleiter<br />
Jürgen Handschuch sowohl an ihrem Arbeitsplatz<br />
als auch einmal wöchentlich bei einem Gruppentag<br />
im Diakonischen Werk. Dieses Treffen hatte das Ziel,<br />
persönliche und berufliche Konflikte aufzuarbeiten, die<br />
individuellen Fähigkeiten der Teilnehmer zu fördern und<br />
ihre Persönlichkeit zu stabilisieren.<br />
Zehn Jahre nach Beginn des Projekts hatten 147<br />
Jugendliche zwischen 16 und 25 Jahren das Programm<br />
absolviert und ihr wichtigstes Ziel erreicht: Die meisten<br />
von ihnen konnten eine feste Anstellung<br />
bekommen. Der Erfolg wurde<br />
sogar wissenschaftlich bestätigt. 1998<br />
war dieses diakonische Betreuungsangebot<br />
Gegenstand einer Diplomarbeit<br />
an der Fachhochschule <strong>Landshut</strong>, die<br />
belegte, dass sich das „Jugendprojekt<br />
Arbeit“ als eine bemerkenswert erfolgreiche<br />
Maßnahme der berufsbezogenen<br />
Jugendhilfe etabliert hatte.<br />
59
Die gespendete Ausbildung<br />
Mit fachlicher Unterstützung<br />
kann der Weg zurück ins<br />
Arbeitsleben gelingen.<br />
Eine Pionierleistung vollbrachte <strong>Diakonie</strong>-Geschäftsführer Werner Heger im Jahr 1984:<br />
Auf seine Initiative hin konnte erstmals ein kaufmännischer Ausbildungsplatz im<br />
Diakonischen Werk eingerichtet werden, weil er komplett über Spenden finanziert wurde.<br />
In einer beispiellosen solidarischen Gemeinschaftsaktion setzten sieben Pfarrämter und elf<br />
Privatpersonen ein Zeichen und verpflichteten sich vertraglich, die Kosten der zweijährigen<br />
Ausbildung – insgesamt 800 Mark monatlich – zu übernehmen.<br />
Damals fanden in Bayern jährlich 10 000 bis 15 000 Schulabgänger keine Lehrstelle. Insbesondere<br />
bei den Verwaltungsberufen für Mädchen herrschte ein eklatanter Stellenmangel. „Immer mehr<br />
junge Menschen fragen nach einem Ausbildungsplatz, immer mehr bewerben sich, und das hat<br />
uns bewegt.“ So schilderte Werner Heger die Ausgangssituation für seine außergewöhnliche Idee.<br />
Er schlug geschickt die Werbetrommel, berichtete in der Öffentlichkeit und sogar in den Gottesdiensten<br />
von seinem Plan. Denn er wollte mit seiner Aktion auch zum Nachdenken anregen und<br />
Betroffenheit auslösen.<br />
Als schließlich die Industrie- und Handelskammer ihre Zustimmung gab, konnte Karin Schobel<br />
ab dem 15. September 1984 zur Bürogehilfin ausgebildet werden. Sie wurde 1988 von der<br />
<strong>Diakonie</strong> in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen und arbeitet heute in der Verwaltung des<br />
Matthäusstifts. Sie war der erste „Lehrling“ im Diakonischen Werk überhaupt und vermutlich<br />
auch das erste Mädchen in <strong>Landshut</strong>, dem auf diese unkonventionelle Weise eine Ausbildung<br />
ermöglicht wurde.<br />
60 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
Lese<br />
text
Arbeit für Jugendliche:<br />
sinnvolle Tätigkeiten in<br />
einer Gärtnerei<br />
Arbeit statt Sozialhilfe<br />
An die Zielgruppe erwachsener und schwer vermittelbarer<br />
Langzeitarbeitsloser gerichtet, begann am 1.10.1994<br />
das Projekt „Arbeit statt Sozialhilfe“. Die von Arbeitslosigkeit<br />
betroffenen Bürgerinnen und Bürger des Landkreises<br />
sollten sozialpädagogisch betreut und in das Arbeitsleben<br />
zurückgeführt werden. Sie wurden im öffentlichen<br />
Dienst – also auf Bauhöfen, in Krankenhäusern<br />
und Altenheimen – beschäftigt. Auch hier wurde mit den<br />
Komponenten Beratung, Beschäftigung und Bildung<br />
versucht, Sozialhilfeempfängern, die länger arbeitslos<br />
waren, zu einem Wiedereinstieg in den Beruf zu verhelfen.<br />
Die Erfolgsquote lag bei etwa 50 Prozent.<br />
Im November 2002 beschloss der Kreistag, den Vertrag<br />
mit der <strong>Diakonie</strong> um ein Jahr zu verlängern und<br />
8600 Euro dafür zur Verfügung zu stellen. Der Tenor war<br />
damals: Auch in <strong>Zeit</strong>en wirtschaftlicher Schwäche sollte<br />
unbedingt an dem Projekt festgehalten werden, weil<br />
dadurch Sozialhilfeempfänger wieder in die finanzielle<br />
Selbständigkeit gebracht werden können.<br />
Zum Jahresende 2004 jedoch musste aufgrund des<br />
öffentlichen Sparkurses das Projekt Arbeit statt Sozialhilfe<br />
dennoch eingestellt werden. Die Gründe hierfür lagen<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
in einer rückwirkenden Mittelkürzung und im Wegfall der<br />
gesetzlichen Grundlage (Bundessozialhilfegesetz) im<br />
Zusammenhang mit der Umsetzung von „Hartz IV“.<br />
Wiedereinstieg mit „Connect“<br />
Heute führt das Diakonische Werk diese Art von beruflichen<br />
Hilfen in bedarfsgerechter Form fort. Der Fachdienst<br />
Connect unterstützt schwer vermittelbare Jugendliche<br />
und Erwachsene bei ihrer Rückkehr ins Arbeitsleben.<br />
Mit den Projekten „Arbeit für Jugendliche (AFJ)“<br />
und „Arbeit für Erwachsene (AFE)“ bietet die <strong>Diakonie</strong><br />
Arbeitslosengeld-II-Empfängern eine sinnvolle und nützliche<br />
Beschäftigungsmöglichkeit an. Durch die Kombination<br />
aus Arbeit, sozialpädagogischer Beratung und sozialem<br />
Kompetenztraining ergeben sich für die Teilnehmer<br />
neue Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt.<br />
Die beiden Projekte dienen mit ihren praktischen und<br />
theoretischen Inhalten der Persönlichkeitsbildung der<br />
Jugendlichen und jungen Erwachsenen und helfen ihnen<br />
damit, ihre eigenen Fähigkeiten und Ziele zu entdecken.<br />
Auf diese Weise werden die Grundlagen für einen Erfolg<br />
am Arbeitsmarkt geschaffen.<br />
61
Im Frühling ist das MÖWE-Team um Anleiter Hans Winklmann<br />
(2. von rechts) in Gärten und Parkanlagen im Einsatz.<br />
Doppelt gut: Umweltschutz und<br />
Beschäftigung<br />
Schon mehr als 20 Jahre alt, aber immer noch lebendig<br />
und aktiv ist „MÖWE - die Mobile Ökologiewerkstatt der<br />
<strong>Diakonie</strong>“. Sie entstand als zweite berufsbezogene Hilfe<br />
im August 1987. Hier konnten damals sechs Menschen,<br />
die von der Sozialhilfe lebten, für ein Jahr Arbeit finden<br />
und bekamen dadurch eine Chance, auf dem Arbeitsmarkt<br />
wieder Fuß zu fassen. Dazu mussten die Teilnehmer<br />
allerdings zuerst ein Auswahlverfahren beim<br />
Arbeitsamt und beim Sozialamt geschafft haben.<br />
Danach folgten ein Erstgespräch im Diakonischen Werk<br />
und eine Probezeit.<br />
Bei MÖWE ist körperliche Fitness eine wichtige Voraussetzung,<br />
weil die Arbeitsaufträge der Ökologiewerkstatt<br />
nicht immer leicht zu bewältigen sind: pflanzen,<br />
Wege pflastern, Waldarbeiten durchführen oder Biotope<br />
pflegen. Körperliche Anstrengung ist unvermeidlich,<br />
wenn beispielsweise bei sommerlichen Temperaturen<br />
mehrere Hektar Halbtrockenrasen in einem Naturschutzgebiet<br />
gemäht werden müssen. Im Wesentlichen<br />
sind dies zusätzliche und gemeinnützige Arbeiten, die<br />
nicht an private Unternehmen vergeben würden, so dass<br />
keine Konkurrenz entsteht.<br />
Mit diesem Fahrzeug startete<br />
die Mobile Ökologiewerkstatt.<br />
Während zu Anfangszeiten Aufträge noch mühsam<br />
akquiriert werden mussten, arbeitet die MÖWE mittlerweile<br />
kostendeckend. Als im Jahr 2003 kommunale<br />
Aufträge wegfielen, konnten neue Auftraggeber gefunden<br />
und Einnahmen erzielt werden. Ab April 2007 wurde<br />
in Zusammenarbeit mit der ARGE der Stadt <strong>Landshut</strong><br />
zusätzlich das Projekt MÖWE plus eingerichtet, das<br />
Beschäftigung für bis zu 10 Menschen bietet.<br />
Müllvermeidung im Recyclingzentrum<br />
Als vierte der berufsbezogenen Hilfen entstand das<br />
„<strong>Landshut</strong>er Recyclingzentrum (LRZ)“: In Zusammenarbeit<br />
mit dem Arbeitsamt und der Stadt <strong>Landshut</strong> eröffnete<br />
das Diakonische Werk ab Oktober 1992 am Brauneckweg<br />
eine neue zentrale Sammelstelle für Sperrmüll.<br />
12 Langzeitarbeitslose filterten Wertstoffe aus dem<br />
Sperrmüll und setzten Brauchbares wieder instand.<br />
Unter anderem wurden nicht funktionierende Elektround<br />
elektronische Geräte zerlegt, Rohstoffe – wie Kupfer<br />
oder Aluminium – wurden weiterverkauft.<br />
62 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973
Im <strong>Landshut</strong>er Recyclingzentrum wurde<br />
Elektronikschrott sortiert.<br />
Trotz des Rohstoffverkaufs war das Projekt auf finanzielle<br />
Unterstützung durch Arbeitsamt und Stadt <strong>Landshut</strong><br />
angewiesen. Letztere profitierte dabei auch durch die<br />
erzielte Müllvermeidung.<br />
Ein Jahr lang bekamen in diesem Projekt arbeitslose<br />
Männer die Möglichkeit, 24 Stunden pro Woche zu arbeiten.<br />
Ergänzt wurde diese Tätigkeit durch berufsbezogene<br />
Bildungsmaßnahmen. Sogar eine Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb<br />
erhielt das LRZ: Mit einer TÜV-<br />
Urkunde wurde dem Zentrum 1998 bescheinigt, dass es<br />
eine gesicherte, ordnungsgemäße und umweltverträgliche<br />
Behandlung des Mülls gewährleistet. 40 Zu diesem<br />
<strong>Zeit</strong>punkt waren in der Einrichtung 18 Menschen beschäftigt,<br />
die auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt waren.<br />
Rund ein Drittel der Langzeitarbeitslosen fand nach einem<br />
Jahr bei der <strong>Diakonie</strong> wieder eine feste Arbeitsstelle.<br />
Ende der 1990er-Jahre geriet das Recyclingzentrum<br />
am Brauneckweckweg unverschuldet in die Negativschlagzeilen.<br />
Was war passiert? Unter der damaligen<br />
Geschäftsführung von Diakon Friedrich Schröder waren<br />
Überschüsse des Zentrums umgebucht worden, sodass<br />
buchhalterische Defizite für das LRZ entstanden. Dafür<br />
hatte man zu Unrecht kommunale Zuschüsse in Höhe<br />
von insgesamt 400 000 DM beantragt.<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
Wenngleich dieser beschämende Vorgang auch mit juristischen<br />
Schritten geahndet wurde, so blieb doch das<br />
Verhältnis zwischen der Stadt <strong>Landshut</strong> und dem Diakonischen<br />
Werk eine <strong>Zeit</strong> lang angespannt. Dieser Vorfall<br />
dürfte ein wesentlicher Grund dafür gewesen sein,<br />
dass sich die Stadt aus der Finanzierung des Recyclingzentrums<br />
zurückzog. Die Recyclingtätigkeit musste eingestellt,<br />
das LRZ auf den Gebrauchtmöbelverkauf reduziert<br />
werden. Aus dieser <strong>Zeit</strong> stammt das Gebrauchtwarenhaus<br />
„Hab & Gut“, das heute als ein Vorzeigeprojekt<br />
der <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong> gilt.<br />
Am Brauneckweg befand sich das<br />
Recyclingzentrum der <strong>Diakonie</strong>.<br />
63<br />
So wurde von den Mitarbeitern<br />
Sperrmüll abtransportiert.<br />
Ihre kreativen Fähigkeiten zeigten die<br />
Mitarbeiter des Recyclingzentrums 1995:<br />
Im Rahmen des Projekts „Kunstmeile“<br />
fertigten sie zusammen mit Schülerinnen<br />
des Gymnasiums Seligenthal Windfahnen<br />
aus Schrott.
„Hab & Gut“ – ein Erfolgsmodell<br />
An drei Standorten betreibt das Diakonische Werk<br />
<strong>Landshut</strong> mittlerweile Gebrauchtwarenhäuser: in Altdorf,<br />
in Vilsbiburg und in Rottenburg. Durch die Möglichkeit,<br />
dort Waren günstig einzukaufen, werden<br />
Menschen in problematischen Einkommenssituationen<br />
unterstützt. In dem Beschäftigungsprojekt sind rund 70<br />
behinderte oder auf dem Arbeitsmarkt benachteiligte<br />
Menschen mit sinnvollen Aufgaben betraut. Und es gibt<br />
noch einen dritten positiven Effekt: Durch die Verwertung<br />
gut erhaltener Waren wird das Müllaufkommen<br />
reduziert, Abfall in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt<br />
und dadurch die Umwelt entlastet. Mit ihren Sachspenden<br />
und ihrem Einkauf bei „Hab & Gut“ können Bürger<br />
somit einen Beitrag zum Umweltschutz und zur Verringerung<br />
der Arbeitslosigkeit leisten.<br />
Begonnen hat die Erfolgsgeschichte des Projekts mit<br />
der Eröffnung des ersten Gebrauchtwarenhauses am<br />
Das erste Gebrauchtwarenhaus der <strong>Diakonie</strong> in Altdorf vor der Eröffnung 2001<br />
23. Oktober 2001 auf dem Gelände des städtischen Bauhofs<br />
an der Äußeren Parkstraße in Altdorf. Als das<br />
<strong>Landshut</strong>er Recyclingzentrum wenige Monate zuvor geschlossen<br />
worden war, waren sich <strong>Diakonie</strong>, Arbeitsamt<br />
und Stadt <strong>Landshut</strong> einig, dass auch weiterhin Arbeitsplätze<br />
für Menschen ohne Beschäftigung geschaffen<br />
werden müssten. Die Planungen für einen Umzug des<br />
Gebrauchtmöbelverkaufs gab es bereits seit einigen<br />
Jahren, auch weil die Verkaufsfläche am Brauneckweg zu<br />
klein war. So fanden in Altdorf auf insgesamt 1700<br />
Quadratmetern zunächst zehn Langzeitarbeitslose neue<br />
Arbeit mit vielfältigen Aufgaben – von der Terminplanung<br />
über die Möbelaufbereitung bis hin zur Kundenberatung<br />
und zum Verkauf.<br />
Aktion Rollentausch 2008: Bezirkstagspräsident Manfred<br />
Hölzlein verbrachte einen Tag im Gebrauchtwarenhaus und<br />
informierte sich über die Arbeit der <strong>Diakonie</strong>.<br />
64 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973
In den Anfangszeiten von „Hab & Gut“, das sich in sinnvoller<br />
Nachbarschaft zum Wertstoff- und Entsorgungszentrum<br />
<strong>Landshut</strong> befindet, musste um sein Bestehen<br />
gebangt werden. Noch im Juli 2003 blickte das Gebrauchtwarenhaus<br />
„Hab & Gut“ in eine unsichere Zukunft,<br />
weil die freie Förderung des Arbeitsamts auslief<br />
und eine Verlängerung der ABM-Förderung von Mitarbeitern<br />
ungewiss war. Auch konnte das Diakonische<br />
Werk aufgrund seiner eigenen angespannten Finanzlage<br />
keine weiteren Finanzierungsanteile übernehmen. Jedoch<br />
trugen die gute Lage und die helle, geräumige Halle<br />
dazu bei, dass „Hab & Gut“ von Anfang an bei Kunden<br />
auf positive Resonanz stieß.<br />
Die ABM-Förderung durch die Agentur für Arbeit<br />
wurde verlängert, und auch die Umsätze stiegen weiter.<br />
So arbeitete die Einrichtung im Jahr 2006 bereits kostendeckend.<br />
Pro Jahr wurden allein in Altdorf 180 Tonnen<br />
Waren angeliefert. Für die Vermeidung von Sperrmüll<br />
erhielt „Hab & Gut“ von der Stadt <strong>Landshut</strong> eine Vergütung,<br />
vom Landkreis <strong>Landshut</strong> kam vorübergehend<br />
Viel Aufmerksamkeit bekam der Stand von „Hab & Gut“ auf der <strong>Landshut</strong>er Umweltmesse 2008.<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
ein Zuschuss hinzu. Zum fünfjährigen Bestehen des<br />
Gebrauchtwarenhauses im Jahr 2006 zog der Leiter<br />
Georg Zinkl-Rau Bilanz: 1 500 000 kg Waren waren bis<br />
dahin bereits umgesetzt, 108 000 Kunden betreut und<br />
160 Personen beschäftigt worden.<br />
Im Januar 2006 wurde das zweite Gebrauchtwarenhaus<br />
in Vilsbiburg eröffnet. So entstanden in den Räumen<br />
eines ehemaligen Supermarktes in der Innenstadt weitere<br />
20 Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung und<br />
für Langzeitarbeitslose sowie eine günstige Einkaufsmöglichkeit<br />
für bedürftige Menschen. Anfang des Jahres<br />
2008 öffnete schließlich auf dem ehemaligen Kasernengelände<br />
in Rottenburg das dritte Gebrauchtwarenhaus<br />
der <strong>Diakonie</strong> seine Türen.<br />
Das jüngste Projekt von „Hab & Gut“ in Altdorf ist<br />
„Buntstift“ – ein Schulmaterialladen, in dem bedürftige<br />
Familien mit Kindern preisgünstig Schulsachen einkaufen<br />
können. Die Idee und die Anschubfinanzierung<br />
kamen von der Bürgerstiftung <strong>Landshut</strong>, die ersten Sachspenden<br />
von verschiedenen Firmen und Privatpersonen.<br />
65
Ansprechpartner<br />
für alle: die allgemeine<br />
Sozialarbeit<br />
Erholungsmaßnahmen für Kinder, offene Seniorenarbeit,<br />
Straffälligenhilfe, Schuldnerberatung, Treffpunkt für<br />
Alleinerziehende und Ferienprogramm – mit dieser breiten<br />
Aufgabenpalette waren die Mitarbeiterinnen der allgemeinen<br />
Sozialarbeit in den 1970er- und 1980er-Jahren<br />
konfrontiert.<br />
Heute ist die „Kirchliche Allgemeine Sozialarbeit<br />
(KASA)“ – wie der Dienst nun heißt - oft die erste Anlaufstelle<br />
für Menschen in Armut und Not. Sie ist ein konstitutives<br />
Element der Kirche und ihrer <strong>Diakonie</strong> in den<br />
Bezirksstellen, gleichzeitig gilt sie als der „soziale Grunddienst“<br />
jeder <strong>Diakonie</strong>. Die Aufgaben haben sich seit den<br />
Anfängen verändert, manche wurden aufgegeben, manche<br />
als eigene Dienste verselbständigt – umfangreich ist<br />
der Leistungskatalog der KASA aber nach wie vor. Die<br />
dort tätigen Sozialpädagoginnen unterstützen Hilfesuchende<br />
in unterschiedlichsten Problemsituationen:<br />
Sie beraten in Lebenskrisen aller Art, vermitteln an Fachdienste,<br />
helfen beim Umgang mit Behörden, informieren<br />
über Mutter-Kind-Kuren, organisieren Ferienaktionen<br />
und Aktivitäten im Bereich der Seniorenarbeit. Um die<br />
Belange von Familien und Kindern in der Region <strong>Landshut</strong><br />
zu stärken, ist die KASA im Lokalen Bündnis für<br />
Familien, einem Zusammenschluss von Vereinen, Unternehmen<br />
und sozialen Einrichtungen, vertreten. Darüberhinaus<br />
ist sie Mitbegründerin und Koordinatorin der<br />
<strong>Landshut</strong>er Armutskonferenz – Forum für soziale<br />
Rechte. Dieser „Runde Tisch“ von MitarbeiterInnen und<br />
SozialpädagogInnen aus Beratungsdiensten der regionalen<br />
Wohlfahrtsverbände verfolgt das Ziel, die Lebensverhältnisse<br />
von sozial benachteiligten Menschen in<br />
Stadt und Landkreis <strong>Landshut</strong> zu verbessern.<br />
Jährlich wurden rund 500 bedürftige Familien aus dem Fundus<br />
des Kleiderkellers versorgt.<br />
Beratung für Gefangene und<br />
Haftentlassene<br />
Seit Anfang der 1970er-Jahre wird die Straffälligenhilfe<br />
als ein Teilbereich der Sozialarbeit in den Akten des Diakonischen<br />
Werks erwähnt. Damals ging es vorwiegend<br />
darum, die Entlassung von Gefangenen aus der Justizvollzugsanstalt<br />
vorzubereiten, Kleidung zu beschaffen,<br />
Gepäck auszulösen und Arbeits- und Ausweispapiere zu<br />
beschaffen. Zusammen mit der Caritas wurde damals<br />
auch regelmäßig eine „Weihnachtsbetreuung“ angeboten.<br />
1978 begann die <strong>Diakonie</strong> mit Gruppengesprächen<br />
für Strafentlassene und ihre Familienangehörigen.<br />
In den 1980er-Jahren wurden regelmäßige Besuche in<br />
den Justizvollzugsanstalten Erding und <strong>Landshut</strong> durchgeführt.<br />
Neben den wenigen Beratungsgesprächen mit<br />
Inhaftierten waren damals vor allem fürsorgerische Maßnahmen<br />
die Hauptaufgabe. Im Jahresbericht des Diakonischen<br />
Werks von 1983 heißt es dazu: „Erklärtes Ziel<br />
der Beratung ist, den Gefangenen mit seiner Problematik<br />
zu konfrontieren, aufzuzeigen, dass ein Teil dieser persönlichen<br />
Schwierigkeiten auch in einem abweichenden<br />
Verhalten liegt.“ Soweit möglich, sollten diese Schwierigkeiten<br />
gemeinsam aufgearbeitet werden. In späteren<br />
Jahren war es ein wichtiges Ziel, die Eigenverantwortlichkeit<br />
der Straffälligen zu fördern.<br />
66 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973
Der damalige Sachgebietsleiter für Sozialarbeit,<br />
Hans Scharf, bot Beratungsgespräche in den<br />
Justizvollzugsanstalten <strong>Landshut</strong> und Erding an.<br />
In dieser <strong>Zeit</strong> sah das Diakonische Werk die zusätzliche<br />
Notwendigkeit, Strafentlassenen im Rahmen eines Wohnprojekts<br />
eine Art festen Wohnsitz anzubieten, um so ihre<br />
Chancen auf soziale Reintegration zu verbessern. Weil<br />
die Eingliederung nach der Haftentlassung oft an einer<br />
geeigneten Wohnmöglichkeit scheiterte und daher die<br />
Bedingungen für eine erfolgreiche Resozialisierung besonders<br />
negativ erschienen, mietete die <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong><br />
eine geeignete Wohnung an. Denn nur mit einer festen<br />
Adresse war es für die Betroffenen möglich, z. B.<br />
Leistungen des Arbeitsamts oder der Sozialhilfe zu beziehen<br />
bzw. einer geregelten Arbeit nachzugehen.<br />
Ab 1985 konnten zunächst zwei, später vier Haftentlassene<br />
in einer Wohnung in der Klötzlmüllerstraße<br />
untergebracht werden. Allerdings handelte es sich hier<br />
nicht um die geeignete Klientel – die Prognosen für<br />
deren Resozialisierung waren zu ungünstig. So wurde<br />
das Projekt zum Jahresende 1988 aufgegeben.<br />
Die Wohnung wurde danach Umsiedlern zur Verfügung<br />
gestellt. Heute liegt die Beratung von Gefangenen<br />
in der Verantwortung der Fachdienste des Diakonischen<br />
Werks, etwa der Schuldnerberatung und des Sozialpsychiatrischen<br />
Dienstes. Aufgrund ihrer Spezialisierung<br />
sind sie in der Lage, gezielt auf individuelle Probleme<br />
einzugehen und wirkungsvoll Hilfe zu leisten.<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
Das Ferienprogramm der <strong>Diakonie</strong> 1983<br />
Von Höhlentour bis Zaubercamp:<br />
das Ferienprogramm<br />
Längst nicht alle Kinder konnten Mitte der 1970er-Jahre<br />
mit ihren Eltern in den Urlaub fahren. Für sie entwarf die<br />
<strong>Diakonie</strong> ein Ferienprogramm, das die Kinder anregen<br />
sollte, ihre Ferientage schöpferisch zu gestalten und die<br />
eigene Stadt zu erkunden (siehe auch Interview mit<br />
Werner Heger, Seite 50f.) Ursprünglich aus einer Idee<br />
von <strong>Diakonie</strong>-Mitarbeitern entstanden, entwickelte es<br />
sich zu einem festen Angebot in <strong>Landshut</strong>, das auch nach<br />
mehr als 30 Jahren unvermindert attraktiv und beliebt ist.<br />
Zunächst sammelten die Mitarbeiter der <strong>Diakonie</strong> im<br />
Jahr 1976 ihre Ideen zur Feriengestaltung, dann wurden<br />
Ehrenamtliche gesucht und schließlich konnten die teilnehmenden<br />
Kinder aus einem breit gefächerten Angebot<br />
auswählen: Spaghetti kochen, „Montagsmaler“, Musikinstrumente<br />
basteln, Kuchen backen und vieles mehr,<br />
um ihre Fantasie und ihr Gestaltungspotenzial anzuregen.<br />
Sportliche Angebote wie Radfahren, Wandern und<br />
sogar Bogenschießen sowie informative Ausflüge zu<br />
diversen städtischen Einrichtungen waren schon in den<br />
Anfangsjahren Bestandteil des Ferienprogramms – eines<br />
der ersten dieser Art in Bayern. Ab 1979 beteiligten<br />
sich daran auch das Stadtjugendamt und die Volkshochschule.<br />
67
Aufgrund dieser organisatorischen und finanziellen<br />
Gemeinschaftsaktion kann den <strong>Landshut</strong>er Kindern bis<br />
heute jedes Jahr eine abwechslungsreiche Feriengestaltung<br />
angeboten werden. Das Diakonische Werk trägt<br />
mit fast 40 Veranstaltungen und 600 teilnehmenden<br />
Kindern dazu bei. Den Verantwortlichen der Kirchlichen<br />
Allgemeinen Sozialarbeit ist dabei wichtig, dass die<br />
Kinder ohne Leistungsdruck, Konkurrenzdruck und bewertender<br />
Beurteilung ihre Fähigkeiten entdecken und<br />
ausprobieren können. Bei den Veranstaltungen sollen<br />
soziale Kontakte und Fähigkeiten auf spielerische Weise<br />
eingeübt werden. Ein weiteres Anliegen ist es, den<br />
Kindern mit dem Ferienprogramm ihre Heimat <strong>Landshut</strong><br />
und Umgebung nahezubringen.<br />
Vor allem an berufstätige Eltern richtet sich das<br />
zusätzliche Ferienangebot der <strong>Diakonie</strong> im Gemeindehaus<br />
der Evangelischen Auferstehungskirche. Dort werden<br />
Kinder im Alter von vier bis zehn Jahren wochenweise<br />
von Montag bis Freitag mit einem abwechslungsreichen<br />
Spiel- und Kreativangebot beschäftigt.<br />
Ansprechpartnerinnen<br />
für<br />
Menschen in<br />
Krisensituationen<br />
Eine Aktion auf dem Spielplatz während des Ferienprogramms<br />
von 2007<br />
Alleinerziehende und Patchwork-Familien<br />
Meist prägt die einsam zu tragende Verantwortung für<br />
die Kinder den Alltag alleinerziehender Mütter und Väter.<br />
Nicht selten kommen aufgrund fehlender Kinderbetreuungsmöglichkeiten<br />
Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche,<br />
enge finanzielle Grenzen und eine mangelnde private<br />
Erholungszeit hinzu. Um diese Probleme gemeinsam<br />
besprechen zu können, bietet das Diakonische<br />
Werk seit 1976 einen Treffpunkt für Alleinerziehende an<br />
(siehe auch „Wir sind nicht alleine!“, S. 69).<br />
Einmal im Monat gibt es im Diakonischen Zentrum in<br />
<strong>Landshut</strong> die Gelegenheit, Menschen mit einem ähnlichen<br />
Lebenshintergrund zu treffen und sich mit ihnen<br />
auszutauschen. In dieser <strong>Zeit</strong> betreuen ehrenamtliche<br />
geschulte MitarbeiterInnen die Kinder. Zur Information<br />
und zur Unterstützung der Erziehungsarbeit von Alleinerziehenden<br />
werden immer wieder Fachvorträge angeboten.<br />
Ein ähnliches Ziel hat sich die im Februar 2009<br />
gegründete Selbsthilfegruppe für Patchwork-Familien<br />
gesetzt. Denn gerade in diesen immer häufiger entstehenden,<br />
aus Teilfamilien neu gebildeten Familien gibt es<br />
neuartige Probleme. Der Status einer Patchwork-Familie<br />
ist sowohl für die Kinder als auch für die erwachsenen<br />
Partner eine besondere Herausforderung. Die <strong>Diakonie</strong><br />
will dazu mit ihrem Gruppenangebot nicht nur einen<br />
regelmäßigen Erfahrungsaustausch ermöglichen, sondern<br />
Betroffene auch gezielt informieren, beispielsweise in<br />
rechtlichen oder wirtschaftlichen Fragen.<br />
Unter dem Motto „Mut tut gut“ bastelten die alleinerziehenden<br />
Frauen eine Collage.<br />
68 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973
»Wir sind nicht alleine!«<br />
1976 wurde im Diakonischen Werk <strong>Landshut</strong> der Treffpunkt für Alleinerziehende ins Leben gerufen. Zu den monatlichen<br />
Treffen kamen damals durchschnittlich 25 Mütter. Ihre Kinder wurden während dieser Treffen von Helfern betreut.<br />
Eine Teilnehmerin aus dem Jahr 1979 erzählt:<br />
Im Verborgenen blüht der Treffpunkt schon über zwei Jahre.<br />
Nun ist es an der <strong>Zeit</strong>, ihn einmal vorzustellen. Er ist durchaus<br />
vorzeigbar, steht er doch unter einem wirklich guten Stern.<br />
Das Diakonische Werk rief ihn ins Leben. Es suchte und fand<br />
damals zwei ehrenamtliche Mitarbeiterinnen, selbst Alleinerziehende,<br />
die diesen Kreis mit Schwung vortrefflich leiten,<br />
und stellte auch die geeigneten Räume am Gutenbergweg zur<br />
Verfügung.<br />
Wir sitzen also einmal monatlich bei Kaffee und Kuchen<br />
zusammen und wissen unsere Kinder im benachbarten Raum –<br />
unter Anleitung der Kinderbetreuer spielend – gut aufgehoben.<br />
Weit diffiziler ist es, unsere Zusammenkünfte entsprechend zu<br />
füllen, beschäftigen uns doch die verschiedensten Probleme,<br />
seien sie familiärer oder beruflicher Art. Diese werden ganz<br />
offen und ehrlich mitgeteilt und diskutiert und, wenn<br />
erwünscht, gelegentlich Fachleute von Ämtern, ein Kinderarzt<br />
oder auch, wie demnächst, ein Pfarrer eingeladen.<br />
Weit wichtiger jedoch scheinen mir zwei Dinge zu sein, die<br />
sich immer wieder heraus kristallisieren. Erstens: Es haben<br />
sich nicht nur die zwei Leiterinnen während der zwei Jahre<br />
in gegenseitiger Freundschaft gefunden. Es haben sich auch<br />
viele andere Bindungen ergeben, sogar manchmal über eine<br />
Generation hinweg; das ist so hilfreich und tröstlich in der<br />
heutigen <strong>Zeit</strong>: Wir sind nicht alleine.<br />
Und bei dem Stichpunkt „allein“ kommt auch gleich der zweite Punkt. Fast bei jedem Zusammensein erlebt<br />
jede von uns: Das geht ja nicht nur mir so mit den Schwierigkeiten als alleinstehende Frau, fast alle anderen<br />
habe die gleichen oder ähnliche Probleme und meistern sie auch. Das ist für meine Begriffe das wahrhaft<br />
Starke an diesem Kreis, dass jeder sich mit seinen Problemen, die nun einmal da sind und beileibe nicht in die<br />
Ecke gekehrt werden, nicht alleine weiß. Noch eines wäre erwähnenswert: Es gibt keine soziale Schichtung,<br />
jede, wirklich jede Frau ist herzlich willkommen.(…)<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
69<br />
Aus: <strong>Landshut</strong>er <strong>Zeit</strong>ung vom 6. September 1979<br />
Lese<br />
text
Gespräche, Gymnastik und Besuchsdienst<br />
für Senioren<br />
Die lange Tradition der offenen Seniorenarbeit im Diakonischen<br />
Werk <strong>Landshut</strong> wird von der KASA fortgeführt<br />
(siehe auch Kapitel 4). In Zusammenarbeit mit den evangelischen<br />
Kirchengemeinden im Dekanat <strong>Landshut</strong><br />
werden vielfältige Aktivitäten für Senioren angeboten:<br />
Gesprächskreise, Gymnastik- und Tanzveranstaltungen<br />
wie beispielsweise „WUF – Wir um Fünfzig“ oder der<br />
Offene Altenclub. Die Teilnahme an den Gruppenangeboten<br />
ist jederzeit möglich, nicht an eine konfessionelle<br />
Zugehörigkeit gebunden und wird von erfahrenen ehrenamtlichen<br />
Mitarbeiterinnen geleitet.<br />
„Ohrensessel“ nennt sich der Besuchsdienst, der<br />
ebenfalls von der allgemeinen Sozialarbeit organisiert<br />
wird. Ehrenamtliche Mitarbeiter des „Ohrensessels“ besuchen<br />
ältere Menschen in Seniorenwohnheimen, die<br />
sich allein fühlen und gerne Ansprache hätten. Sie hören<br />
den Senioren zu, lesen ihnen etwas vor, machen Gesellschaftsspiele<br />
oder begleiten sie zum Arzt.<br />
Wenn die Schuldenlast<br />
drückt – die <strong>Diakonie</strong><br />
berät<br />
Viel Erfahrung hat das Team der diakonischen Schuldnerberatung,<br />
die schon seit 1991 als separater Fachdienst<br />
besteht. Vorher war diese Aufgabe Bestandteil<br />
der allgemeinen Sozialarbeit. Die Nachfrage nach dieser<br />
kostenlosen Hilfeleistung war von Anfang an groß.<br />
Bürger aus Stadt und Landkreis <strong>Landshut</strong> hatten damals<br />
mit Wartezeiten von bis zu neun Monaten zu rechnen.<br />
Als 1999 die rechtliche Möglichkeit der Privatinsolvenz<br />
geschaffen wurde, stieg die Zahl der Ratsuchenden noch<br />
zusätzlich an. Erst die Aufstockung der zur Verfügung<br />
stehenden Beraterstellen brachte eine Erleichterung für<br />
die Klienten.<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
Großes Augenmerk lag von jeher auf der Präventionsarbeit.<br />
In diversen Schulen macht das Schuldnerberater-<br />
Team auf Schuldenfallen für Jugendliche, wie beispielsweise<br />
Handy-Verträge, aufmerksam. Die zunehmende<br />
Komplexität des Wirtschaftslebens ist nach den Erkenntnissen<br />
der Schuldnerberater heute eine wesentliche<br />
Ursache für Verschuldung: Die Menschen seien nicht<br />
mehr in der Lage sich ausreichend zu informieren und<br />
machten deshalb Fehler. So sei es nicht weiter verwunderlich,<br />
dass sich seit Anfang der 1990er-Jahre die Zahl<br />
der überschuldeten Haushalte verdoppelt hat. Die Ressourcen<br />
für die Lebensführung seien mittlerweile so<br />
knapp, dass es kaum mehr Einsparpotential gebe. Und<br />
noch etwas hat sich im Laufe der <strong>Zeit</strong> verändert: Die<br />
Gläubiger sind immer weniger zu Vergleichen bereit.<br />
Derzeit werden pro Jahr mehrer hundert Bürger beraten.<br />
Ziel der Beratungsstelle, die von Stadt und Landkreis<br />
gleichermaßen finanziert wird, ist in erster Linie die<br />
Existenzsicherung; das heißt, Klienten sollen ihre Wohnung<br />
und ihren Arbeitsplatz behalten können. Erst an<br />
zweiter Stelle steht die Entschuldung. Zu diesem Zweck<br />
werden Haushalts- und Schuldenbereinigungspläne<br />
erstellt. Wenn nötig, verhandeln die Berater auch mit<br />
den Gläubigern über Vergleiche und Rückzahlungsmodalitäten.<br />
Um einen Teil der Sachkosten finanzieren zu können, hat<br />
das Diakonische Werk 2003 ein Kooperationsabkommen<br />
mit der Bewährungshilfe Südostbayern geschlossen, die<br />
seitdem ebenfalls Klienten nach <strong>Landshut</strong> zur Schuldnerberatung<br />
schickt.<br />
Das Team der Schuldnerberatungsstelle besteht aus<br />
Thomas Beißner, Jürgen Höft, der Leiterin Petra Anneser und<br />
der Verwaltungsmitarbeiterin Angelika Kandler (von links).<br />
71
Integrationsarbeit<br />
bei der<br />
Aussiedlerbetreuung<br />
Die politischen Umwälzungen in den ehemaligen Ostblockstaaten<br />
verursachten vollkommen neue Herausforderungen<br />
für die Wohlfahrtsverbände. Aufgrund der erleichterten<br />
Ausreisemöglichkeiten für Bürger deutscher<br />
Abstammung setzte ab Ende der 1980er-Jahre eine<br />
Zuwanderungswelle ungeahnten Ausmaßes ein: 1988<br />
kamen 174 Aus- und Umsiedlerfamilien in das Dekanat<br />
<strong>Landshut</strong> , 1990 waren es 534 Familien 42 . Dies führte dazu,<br />
dass die vorhandenen Übergangswohnheime bald<br />
völlig überbelegt waren. So mussten viele Menschen –<br />
vor allem aus der ehemaligen UdSSR, aus Rumänien und<br />
Polen sowie aus der vormaligen DDR – bei Verwandten,<br />
Freunden und in Gasthöfen unterkommen 43 , die als Ausweichquartiere<br />
eingerichtet wurden. Die räumliche Beengtheit<br />
in diesen Notquartieren war nicht selten Auslöser<br />
für Spannungen und Auseinandersetzungen.<br />
Begrüßungskaffee, Besuchsdienst<br />
und Beratung<br />
Weil dringender Handlungsbedarf bestand, bot das Diakonische<br />
Werk <strong>Landshut</strong> ab 1988 Beratungen für Aussiedler<br />
an. Eine Sozialpädagogin der <strong>Diakonie</strong> konnte<br />
dafür in der Anfangszeit 10 Stunden, später 20 Stunden<br />
pro Woche einsetzen. Sie wurde unterstützt von zwei<br />
Praktikantinnen der Fachhochschule <strong>Landshut</strong> und von<br />
ehrenamtlichen Mitarbeitern, die Besuchsdienste durchführten<br />
und „Begrüßungskaffees“ organisierten. Materielle<br />
Hilfe kam aus dem Kleiderkeller der <strong>Diakonie</strong>.<br />
Außerdem wurden gebrauchte Möbel und Hausrat vermittelt<br />
sowie Spielsachen für die Aussiedler-Kinder<br />
gesammelt.<br />
Es war das Ziel der diakonischen Arbeit, die Aussiedler<br />
vor Ort sozial und kirchlich zu integrieren. Bei persönlichen<br />
und familiären Problemen konnten sich die Menschen<br />
an die BeraterInnen der <strong>Diakonie</strong> wenden, die<br />
auch über die Zuständigkeiten der Behörden informierten<br />
und sozialrechtliche Ansprüche klärten. Wie aus den<br />
Jahresberichten der Beratungsstelle hervorgeht, war es<br />
den damaligen Mitarbeitern ein besonderes Anliegen, in<br />
der Öffentlichkeit um Verständnis für die Situation der<br />
Aussiedler zu werben, deren Akzeptanz zu fördern und<br />
zur Versachlichung diesbezüglicher – zum Teil sehr emotionsgeladener<br />
– Diskussionen beizutragen.<br />
Im März 1991 wurde der erste Außenstützpunkt des<br />
Diakonischen Werkes in Dingolfing, in der Oberen Stadt<br />
2, in angemieteten Räumen eröffnet. Dieser Standort<br />
wurde deshalb gewählt, weil dort aufgrund der beiden<br />
Übergangswohnheime besonders viele Aussiedler zu betreuten<br />
waren. Zudem gab es das Bestreben, die diakonischen<br />
Angebote im großen Flächendekanat zu dezentralisieren.<br />
Bronze für vorbildliche Integrationsarbeit<br />
Die beiden Sozialpädagoginnen Beatrix Eberl und Petra<br />
Götz berichteten 1993 vor der Presse über ihre schwierige<br />
Arbeit im Dekanat <strong>Landshut</strong>, wo insgesamt 1300<br />
Aussiedler in 18 Wohnheimen und Ausweichquartieren<br />
lebten: Die Voraussetzungen für einen Neustart der Neubürger<br />
hatten sich damals bereits verschlechtert, weil<br />
öffentliche Mittel für Sprachkurse gekürzt worden<br />
waren. Wegen des Wohnungsmangels auf dem freien<br />
kkk<br />
Beatrix Eberl nahm eine<br />
Auszeichnung für die<br />
Aussiedlerberatungsstelle<br />
Dingolfing entgegen.<br />
72 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973
Wohnungsmarkt mussten die Aussiedler-Familien bis zu<br />
drei Jahre in den Übergangsheimen <strong>Landshut</strong> und Dingolfing<br />
bleiben, in die sie aus dem Durchgangslager in<br />
Nürnberg mit Zwischenstation in der „Verteilerstelle“ in<br />
Deggendorf geschickt worden waren.<br />
Trotz dieser restriktiven Bedingungen leisteten die<br />
AussiedlerbetreuerInnen der <strong>Diakonie</strong> hervorragende<br />
Arbeit. Beim „Bundeswettbewerb zur vorbildlichen Integration<br />
von Aussiedlern in der Bundesrepublik Deutschland“<br />
erreichte die Außenstelle Dingolfing im Jahr 1994<br />
den dritten Platz. Beatrix Eberl und Geschäftsführer<br />
Friedrich Schröder bekamen dafür in Köln eine Bronze-<br />
Plakette zusammen mit einer Urkunde verliehen.<br />
Sport, Spiele und Streetwork für<br />
jugendliche Spätaussiedler<br />
Nach einer Vakanzzeit wurde die Beratungsstelle in<br />
Dingolfing 1998 wieder besetzt, um Projektarbeit mit<br />
jugendlichen Spätaussiedlern anzubieten, da in Schulen,<br />
in politischen Gremien und bei der Polizei vermehrt<br />
Probleme mit dieser Teilgruppe bekannt geworden<br />
waren. Aufgrund der Migration traten Sprachhemmnisse<br />
und damit auch schulische Schwierigkeiten in den<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
Hilfe in der Orientierungslosigkeit leistete<br />
die Aussiedlerberatung der <strong>Diakonie</strong>.<br />
Vordergrund, Auffälligkeiten und aggressive Verhaltensweisen<br />
kamen hinzu. Für die Projektarbeit mit den<br />
Jugendlichen beschäftigte die <strong>Diakonie</strong> qualifizierte<br />
Honorarkräfte – überwiegend Lehrerinnen aus den Herkunftsländern.<br />
Sie veranstalteten mit den jungen Teilnehmern<br />
Rollenspiele, Erzählcafés, Bastel- und Spiele-<br />
Nachmittage. So konnten zu den meisten Jugendlichen<br />
positive Beziehungen aufgebaut, ihre Kompetenzen verbessert<br />
und für sie neue Lebensperspektiven eröffnet<br />
werden. In Streetwork-Maßnahmen und in Kooperation<br />
mit den Schulen wurden sie auch nach dem Ende des<br />
Projekts begleitet. Weil die Fördervereinbarung zwischen<br />
dem Diakonischen Werk <strong>Landshut</strong> und dem Landkreis<br />
Dingolfing-Landau nicht verlängert wurde, mussten<br />
die Büroräume in Dingolfing im Jahr 2000 aufgegeben<br />
werden.<br />
In <strong>Landshut</strong> setzte die Aussiedlerberatung verstärkt auf<br />
Sport- und Freizeitangebote für Jugendliche, die zusammen<br />
mit den örtlichen Vereinen und anderen sozialen<br />
Trägern organisiert wurden. Um die jungen Spätaussiedler<br />
im Raum <strong>Landshut</strong> und Altdorf noch besser<br />
betreuen zu können, gründeten <strong>Diakonie</strong>, Katholisches<br />
Jugendsozialwerk, Stadtdiakon und Aussiedlerpfarrer<br />
einen Arbeitskreis. Ende Juni 2002 musste die Aussiedlerberatung<br />
der <strong>Diakonie</strong> aus Gründen der Wirtschaftlichkeit<br />
an allen Standorten eingestellt werden.<br />
73
Oben: Der <strong>Diakonie</strong>-Vorsitzende Dekan Jürgen Wieber nahm im<br />
Oktober 1988 den Spatenstich für das Diakonische Zentrum vor.<br />
Mitte links: An das bereits bestehende Gebäude wurde angebaut.<br />
Unten: Fast alle Fachdienste fanden im Diakonischen Zentrum Platz.<br />
74 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973
In der Zerreißprobe:<br />
Investitions- und Krisenzeit<br />
der <strong>Diakonie</strong><br />
Dass die 1990er-Jahre für das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> nicht leicht werden würden, war<br />
vorauszusehen. Denn es standen einerseits umfangreiche Investitionen an, beispielsweise<br />
der bereits geplante Neubau des Diakonischen Zentrums und die notwendige Sanierung des<br />
Seniorenheims am Bettinaweg. Andererseits gingen die Spendenbeträge zurück und öffentliche<br />
Zuschüsse wurden gekürzt, sodass sich notwendige finanzielle Einschränkungen abzeichneten.<br />
Dass allerdings am Ende dieses Jahrzehnts die gesamte <strong>Landshut</strong>er <strong>Diakonie</strong><br />
eine materielle und immaterielle Krise von existenzbedrohenden Ausmaßen durchleiden<br />
würde, war zu diesem <strong>Zeit</strong>punkt noch nicht vorstellbar.<br />
Der Bau des Diakonischen Zentrums<br />
Die Spezialisierung und Aufgabenerweiterung in den<br />
diversen Fachdiensten der <strong>Diakonie</strong> verlangte nach zusätzlichem<br />
Arbeitsraum. 1986 konnte noch unter der<br />
Geschäftsführung von Werner Heger in unmittelbarer<br />
Nähe zu den bisherigen Diensträumen das „Zech-<br />
Grundstück“ mit einem Gebäude in der Gabelsbergerstraße<br />
46 erworben werden. Wenige Monate nach der<br />
Amtseinführung des neuen Geschäftsführers, Diakon<br />
Friedrich Schröder, und des neuen ersten Vorsitzenden,<br />
Dekan Jürgen Wieber, begannen im Oktober 1988 die<br />
Bauarbeiten für das neue Diakonische Zentrum. Im Beisein<br />
zahlreicher Ehrengäste – darunter der Präsident des<br />
Diakonischen Werks Bayern, Pfarrer Heinz Miederer –<br />
wurde der erste Spatenstich getan. Aufgrund des milden<br />
Wetters machte der auf zwei Millionen Mark veran-<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
schlagte Bau schnelle Fortschritte, sodass bereits im<br />
März des darauffolgenden Jahres Richtfest gefeiert werden<br />
konnte. Mit dem Diakonischen Zentrum ging für die<br />
Mitarbeiter ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung. Denn<br />
in dem neuen, 660 Quadratmeter großen Gebäudekomplex<br />
wurde für fast alle Fachdienste, die teilweise über<br />
die Stadt verteilt waren, Platz geschaffen: Sozialarbeit,<br />
Seniorenbegegnungsstätte, Sozialpsychiatrischer Dienst<br />
(außer der Teestube in der Altstadt), Verwaltung und<br />
Geschäftsführung, Jugendprojekt Arbeit, Eheberatung,<br />
Werkräume, die Mobile Ökologiewerkstatt sowie ein<br />
Kleiderkeller wurden dort untergebracht.<br />
Die Einweihung erfolgte im Mai 1990 mit einem Festgottesdienst<br />
in der Christuskirche, den Regionalbischof<br />
Oberkirchenrat Gotthard Preiser hielt. Anlässlich des Festaktes<br />
wurden im Garten des neuen <strong>Diakonie</strong>-Zentrums<br />
mehr als 400 Gäste bewirtet. Das Haus war zu diesem<br />
<strong>Zeit</strong>punkt bereits mit Mitarbeitern voll belegt.<br />
75<br />
6
Der Erbschaftsstreit und personelle<br />
Konsequenzen<br />
Vermutlich war der hohe Kapitalbedarf der <strong>Diakonie</strong> für<br />
den geplanten Neubau des Seniorenzentrums einer der<br />
Gründe, weshalb sich ein über mehrere Jahre andauernder<br />
Erbschaftsstreit entfachen konnte, der das Ansehen<br />
des Diakonischen Werks <strong>Landshut</strong> gravierend und nachhaltig<br />
beeinträchtigt hat. Der Streitfall begann 1992,<br />
als Geschäftsführer Schröder als Vertreter der <strong>Diakonie</strong><br />
<strong>Landshut</strong> mit den hochbetagten Schwestern Friederike<br />
und Helene Below aus <strong>Landshut</strong> einen Erbschaftsvertrag<br />
schloss.<br />
Die beiden Schwestern, die lange in der evangelischen<br />
Kirchengemeinde aktiv gewesen waren, hatten erwogen,<br />
auf ihrem Grundstück eine Kindertagesstätte zu<br />
errichten, deren Leitung ihre Nichte übernehmen sollte,<br />
und sich diesbezüglich Rat suchend an die <strong>Diakonie</strong><br />
gewandt. Als Friederike Below durch eine Krebserkrankung<br />
in einer sehr schlechten körperlichen und psychischen<br />
Verfassung war, wurde ihr und ihrer Schwester im<br />
Krankenhaus ein von Geschäftsführer Schröder entworfener<br />
Erbschaftsvertrag vorgelegt, den beide Schwestern<br />
unterschrieben. Darin wurde der <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong><br />
das Villengrundstück mit einem geschätzten Wert von<br />
1,5 Millionen Mark vermacht. Als es der kranken Schwester<br />
gerade etwas besser ging (sie starb bald darauf),<br />
bemerkten die beiden, dass die mündlich vereinbarten<br />
Gegenleistungen der <strong>Diakonie</strong> für die Erbschaft nicht<br />
Vertragsgegenstand waren. Beide wollten daraufhin den<br />
Erbvertrag rückgängig machen. Als das Diakonische<br />
Werk nicht darauf einging, wurde von ihnen Klage eingereicht.<br />
Geschäftsführer Schröder geriet nun in den Verdacht,<br />
den Erbvertrag mit unlauteren Methoden bewirkt zu<br />
haben. Außerdem stellte sich heraus, dass der erste<br />
Vorsitzende des Diakonischen Werks, Dekan Wieber, im<br />
Vorfeld nicht über den Vertragsinhalt informiert worden<br />
und auch bei der Vertragsunterzeichnung selbst nicht<br />
anwesend gewesen war. Das Landgericht <strong>Landshut</strong> beantwortete<br />
die Frage nach einer möglichen Sittenwidrig-<br />
keit des Vertrags 1993 zwar mit Nein, jedoch „mit erheblichen<br />
Bedenken“. Nach diesem Urteil blieb das Diakonische<br />
Werk zunächst rechtmäßiger Erbe.<br />
Knapp ein Jahr später, im November 1994, hob das<br />
Oberlandesgericht München das Urteil des Landgerichts<br />
<strong>Landshut</strong> jedoch auf und bemängelte dabei das Missverhältnis<br />
von Leistung und Gegenleistung im Erbvertrag.<br />
Dieser Rechtsauffassung wollte sich allerdings das<br />
Landeskirchenamt nicht anschließen. Es sah in der im<br />
Münchener Urteil enthaltenen Auslegung des Heimgesetzes<br />
einen Präzedenzfall, wollte für alle Heimträger<br />
Revision einlegen und begann daher ein Revisionsverfahren<br />
vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Gleichzeitig<br />
änderte sich auch die Sachlage: Helene Below<br />
adoptierte ihre Nichte, wodurch der Erbvertrag mit der<br />
<strong>Diakonie</strong> nichtig wurde. Schließlich beschloss das Kuratorium<br />
des Diakonischen Werks <strong>Landshut</strong> in Übereinstimmung<br />
mit der Landeskirche, mittels einer förmlichen<br />
Erklärung auf die Erbschaft zu verzichten.<br />
Im Januar 1996 zog der Bundesgerichtshof endgültig<br />
einen Schlussstrich unter den Erbstreit und erklärte die<br />
Anfechtung der Erbschaft durch die Schwestern Below<br />
nach dem Heimgesetz für rechtskräftig. Die Adoption<br />
wäre demnach zur Rückübertragung des Grundstücks<br />
nicht nötig gewesen.<br />
Für das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> blieben als Ergebnis<br />
des Erbschaftsstreits eine schwere Rufschädigung, ein<br />
hoher Fehlbetrag infolge der Prozesskosten, Differenzen<br />
in der Leitungsebene, Unverständnis bei Vereinsmitgliedern<br />
und Mitarbeitern und auch große Sorgen bezüglich<br />
der Finanzierung des geplanten Seniorenzentrums.<br />
Dekan Jürgen Wieber war bereits vor Beginn des ersten<br />
Prozesses von seinem Amt als erster Vorsitzender zurückgetreten.<br />
Er hatte diesen Schritt mit Kompetenzstreitigkeiten<br />
mit Geschäftsführer Schröder und Informationsdefiziten<br />
begründet. Nach dem Bekanntwerden<br />
des Erbschaftsvertrages hatte er die sofortige Rückgabe<br />
des Grundstückes beabsichtigt. Er gab sein Amt schließlich<br />
auch deshalb auf, weil er von Geschäftsführung und<br />
Kuratorium der <strong>Landshut</strong>er <strong>Diakonie</strong> keine Rückendeckung<br />
in dieser Angelegenheit bekommen hatte.<br />
76 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973
Bei der Jahresmitgliederversammlung des Diakonischen<br />
Werks im März 1993 herrschte aufgrund dieser Vorkommnisse<br />
eine gespannte Atmosphäre. Zum neuen Vorsitzenden<br />
ließ sich Pfarrer Werner Fritz von der Erlöserkirche<br />
wählen. Als die Prozesse Jahre später beendet<br />
waren, zeigte sich Pfarrer Fritz, der den Erbschaftsstreit<br />
trotz persönlicher moralischer Bedenken in Übereinstimmung<br />
mit dem Kuratorium mitgetragen hatte, erleichtert<br />
über den Ausgang. Er erklärte in der Mitgliederversammlung<br />
1997: „Das war kein Ruhmesblatt in der Geschichte<br />
der <strong>Diakonie</strong>.“ 44 Für eine Wiederwahl wollte er<br />
sich allerdings – auch aufgrund von Querelen zwischen<br />
ihm und Dekan Jürgen Wieber und damit zwischen der<br />
<strong>Diakonie</strong> und den Pfarrern des Dekanats – nicht mehr<br />
zur Verfügung stellen.<br />
So drehte sich das Personalkarussell zurück: Bei der<br />
Jahreshauptversammlung im Juni 1997 wurde Dekan<br />
Jürgen Wieber als einziger zur Verfügung stehender<br />
Kandidat in geheimer Wahl mit Zweidrittelmehrheit erneut<br />
zum ersten Vorsitzenden des Diakonischen Werks<br />
gewählt. Jedoch verließ er bereits im April des darauffolgenden<br />
Jahres das Dekanat <strong>Landshut</strong>, um eine neue<br />
Dekanstelle in Bad Tölz anzutreten. Beim Abschiedsgottesdienst<br />
in der Christuskirche wurde ihm Dank und<br />
Anerkennung für sein zehnjähriges Wirken im Dekanat<br />
<strong>Landshut</strong> ausgesprochen. In den folgenden Monaten<br />
übernahm der zweite Vereinsvorsitzende der <strong>Diakonie</strong>,<br />
Edgar Walter, allein die Leitungsaufgaben, bis kurz vor<br />
Jahresende der neue <strong>Landshut</strong>er Dekan Helmut Völkel<br />
einstimmig zum ersten Vorsitzenden gewählt wurde.<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
77
Neubau von Johannesstift<br />
und Matthäusstift<br />
Während im Diakonischen Werk Anfang der 1990er-<br />
Jahre noch über die mögliche Sanierung des Altenheims<br />
am Bettinaweg nachgedacht wurde, hatte Geschäftsführer<br />
Schröder bereits eine andere Vision: Er erklärte<br />
den Bau eines modernen Seniorenzentrums zu seinem<br />
Fernziel. Das bestehende Altenheim genügte nicht mehr<br />
den aktuellen Standards und war nicht auf die zunehmende<br />
Pflegebedürftigkeit der Patienten ausgerichtet.<br />
Es war klar, dass dessen Umwandlung in ein zeitgemäßes<br />
Pflegeheim umfangreiche bauliche Veränderungen<br />
fordern würde.<br />
Im April 1992 wurden die Pläne für den Neubau eines<br />
Seniorenwohn- und Pflegeheims veröffentlicht. Der Endausbau<br />
sah 80 bis 90 Pflegebetten sowie 30 bis 40<br />
Heimplätze vor. Veranschlagt waren Baukosten in Höhe<br />
von 25 Millionen Mark, wovon der größte Teil als Zuschuss<br />
von der evangelischen Kirche in Bayern zugesagt<br />
wurde. Zehn Prozent sollte das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong><br />
aus Eigenmitteln finanzieren.<br />
Es dauerte noch drei Jahre, bis die endgültigen Pläne<br />
für das neue Heim – jetzt nicht mehr in <strong>Landshut</strong>, sondern<br />
in Altdorf geplant – öffentlich vorgestellt werden<br />
konnten. Am 8. März 1996 fand dann der erste Spatenstich<br />
für das Johannesstift statt. Im April 1997 zogen die<br />
Heimbewohner vom Bettinaweg nach Altdorf um.<br />
Der Rohbau des Johannesstifts war fertig.<br />
Zu diesem <strong>Zeit</strong>punkt waren die Planungen für den Neubau<br />
eines weiteren Seniorenwohn- und Pflegezentrums,<br />
des Matthäusstifts, bereits in vollem Gange. Zur Realisierung<br />
dieses auf 20 Millionen Mark veranschlagten<br />
Projekts hatte das Kuratorium einen Vertrag geplant, der<br />
vorsah, das <strong>Diakonie</strong>-Grundstück am Bettinaweg auf<br />
dem Weg des Erbbaurechts an eine Wohnbaugesellschaft<br />
zu übertragen. Dieser Investor sollte im Gegenzug<br />
das Heim errichten und die Baukosten tragen, die er<br />
über den Verkauf der Pflegeappartements finanzieren<br />
konnte. Das Diakonische Werk sollte das Seniorenheim<br />
mieten und betreiben. Für dieses gewichtige Vorhaben<br />
war die Zustimmung der <strong>Diakonie</strong>-Mitglieder notwendig,<br />
die sich die Entscheidung darüber nicht leicht machten.<br />
So brachte die im Januar 1997 anberaumte Mitgliederversammlung<br />
trotz großer Beteiligung und hitziger<br />
Debatten kein Ergebnis bezüglich eines Neubaus. Die<br />
<strong>Landshut</strong>er <strong>Zeit</strong>ung formulierte: „Dicke Überraschung<br />
bei Mammutsitzung der <strong>Diakonie</strong>: Altenheim-Neubau gebremst<br />
– Mitglieder klagen über mangelnde Information<br />
– Ohne Jahresrechnung keine Mehrheit für Baupläne“.<br />
78 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973
Weil die Jahresrechnung für 1996 noch nicht vorlag, verweigerten<br />
die <strong>Diakonie</strong>mitglieder dem Kuratorium ihre<br />
Zustimmung, sodass dieses nicht über das Erbbaurecht<br />
am Bettinaweg verhandeln konnte. Nach geheimer Abstimmung<br />
wurde beschlossen, die Entscheidung über<br />
den Neubau bis zum Vorliegen der Jahresrechnung 1996<br />
zu vertagen. 45<br />
Rund 100 Interessierte fanden sich ein, als im Februar<br />
1999 die abgeschlossenen Planungen für das Seniorenzentrum<br />
Matthäusstift vorgestellt wurden. Noch im<br />
gleichen Jahr nahmen Oberbürgermeister Josef Deimer,<br />
Dekan Helmut Völkel und Jürgen Kraus von der Wohnbaugesellschaft<br />
Kraus Grundbesitz AG & Co. Immobilien<br />
KG die Grundsteinlegung vor. Nach einer Bauzeit von eineinhalb<br />
Jahren wurde das Matthäusstift, das 80 Pflegeplätze<br />
und 33 Appartements für Betreutes Wohnen umfasst,<br />
im Mai 2001 feierlich eingeweiht.<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
Das Bauprojekt Matthäusstift im Mai 2000<br />
und im Februar 2001<br />
Mit Unterstützung des<br />
Pflegepersonals und der<br />
Angehörigen zogen die<br />
Bewohner um.<br />
79<br />
Der Pflegebereich<br />
des Seniorenzentrums<br />
Johannesstift in<br />
Altdorf bietet<br />
63 Plätze.
Der Flughafensozialdienst<br />
wurde zusammen mit der<br />
Caritas angeboten.<br />
80 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973
Auf dem Höhepunkt der Krise<br />
Mit der Person Helmut Völkel zeichnete sich von Anfang<br />
an eine ruhigere Zukunft für die <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong> ab.<br />
Der neue Dekan setzte auf direkte Information und enge<br />
Zusammenarbeit mit dem Geschäftsführer. „Brücken,<br />
die bröckeln und teilweise schon schwer begehbar sind,<br />
sollen wieder aufgebaut werden“, sagte Helmut Völkel<br />
bei seinem Amtsantritt im November 1998 gegenüber<br />
der <strong>Landshut</strong>er <strong>Zeit</strong>ung (siehe auch Interview mit Dekan<br />
Völkel, S.83).<br />
Im Dekanat <strong>Landshut</strong> hatte sich inzwischen viel verändert.<br />
Auf Beschluss des Landeskirchenrates waren die<br />
Landkreise Freising und Erding vom Flächendekanat<br />
<strong>Landshut</strong> abgetrennt worden. Ein Grund dafür dürfte der<br />
Neubau des Münchner Flughafens gewesen sein, in dessen<br />
Folge eine schwer zu bewältigende Aufgabenfülle<br />
entstand. Es dauerte nicht lange, bis im neuen Dekanatsbezirk<br />
Freising auch ein eigenes Diakonisches Werk<br />
gegründet wurde. Dadurch musste die <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong>,<br />
deren Zuständigkeitsbereich flächenmäßig um die<br />
Hälfte verkleinert worden war, Aufgaben abgeben (z.B.<br />
den Flughafensozialdienst).<br />
Ein weitere einschneidende Veränderung für die <strong>Diakonie</strong><br />
<strong>Landshut</strong> ergab sich durch eine gravierende Maßnahme,<br />
die vom Dekan vollzogen werden musste und<br />
vom im Juli 1999 neu gewählten Kuratorium mitgetragen<br />
wurde: Die sofortige Trennung von Geschäftsführer<br />
Friedrich Schröder im Oktober 1999. Dies war die notwendige<br />
Konsequenz aus einer Reihe von falschen und<br />
moralisch untragbaren Managemententscheidungen des<br />
Geschäftsführers. Begründet wurde die fristlose Entlassung<br />
mit Fehlbuchungen beim Betrieb des Recyclingzentrums<br />
am Brauneckweg, durch die das Diakonische<br />
Werk übermäßig hohe Zuschüsse von der Stadt <strong>Landshut</strong><br />
erhalten hatte. Die Stadt hatte bei einer Rechnungsprüfung<br />
für die Jahre 1994 bis 1998 diese Fehlbuchungen<br />
des Diakonischen Werks entdeckt: Überschüsse aus<br />
dem Bilanzkreislauf des Recyclingzentrums waren in den<br />
Bilanzkreislauf der <strong>Diakonie</strong> geflossen. Außerdem waren<br />
nicht gerechtfertigte Abschreibungen und überzogene<br />
Personalkostenumlagen aufgeführt worden, sodass die<br />
Stadt <strong>Landshut</strong> über mehrere Jahre zu viele Zuschüsse<br />
bezahlt hatte. Friedrich Schröder hatte sich dadurch<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
zwar nicht persönlich bereichert, durch sein Verhalten<br />
aber dem Diakonischen Werk <strong>Landshut</strong> einen immensen<br />
institutionellen Schaden zugefügt.<br />
Der ehemalige Geschäftsführer wurde später zu<br />
einem Jahr und zehn Monaten Haft, der frühere Buchhalter<br />
der <strong>Diakonie</strong> zu einem Jahr und zwei Monaten Haft<br />
verurteilt – jeweils auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.<br />
Die Wirtschaftsstrafkammer sah es als erwiesen<br />
an, dass beide Beschuldigte mehrfach falsche Angaben<br />
gemacht und dadurch die Stadt <strong>Landshut</strong> um etwa<br />
400 000 Mark und darüber hinaus die evangelische<br />
Landeskirche um Zuschüsse aus dem Arbeitslosenprojekt<br />
„1+1“ in Höhe von 90 000 Mark betrogen hatten.<br />
Die <strong>Diakonie</strong> musste nun zum einen die Rückzahlungsforderung<br />
der Stadt <strong>Landshut</strong> begleichen und zum<br />
anderen das angeschlagene Vertrauensverhältnis wieder<br />
aufbauen, um die weitere Kooperation auf eine solide<br />
gemeinsame Basis zu stellen. Trotz dieser schweren Erblast<br />
widmete sich der Vorsitzende Dekan Helmut Völkel<br />
beharrlich und erfolgreich der Schadensbegrenzung und<br />
der Pflege von Kontakten.<br />
Aufarbeitung der Altlasten<br />
Der Start in das neue Jahrtausend bedeutete für das<br />
Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> eine mühevolle Aufarbeitung<br />
seiner Altlasten. Wie kräftezehrend diese Aufgabe<br />
war, zeigten die folgenden raschen personellen Wechsel<br />
in der Geschäftsleitung. Nachdem der Leiter der Gesamtkirchenverwaltung,<br />
Nikolaus Fendler, von Oktober<br />
1999 bis März 2000 die Geschäfte der <strong>Diakonie</strong> kommissarisch<br />
geführt hatte, trat am 1. April 2000 Sabine<br />
Frey ihr Amt an. Die Diplom-Betriebswirtin und Theologin<br />
galt als Hoffnungsträgerin für einen Neuanfang. Mit<br />
einem Festgottesdienst, den Pfarrer Heimo Liebl, Präsident<br />
des Diakonischen Werks Bayern, zusammen mit<br />
Dekan Völkel hielt, wurde sie offiziell in ihre Tätigkeit eingeführt.<br />
Jedoch kündigte sie bald aufgrund der schwierigen<br />
personellen, finanziellen und strukturellen Gegebenheiten<br />
und verließ das Diakonische Werk bereits<br />
nach vier Monaten wieder.<br />
81
In der folgenden <strong>Zeit</strong> übernahm die Kirchliche Dienstleistungs-<br />
und Beratungsgesellschaft für Soziale Einrichtungen<br />
(KDsE) die Geschäftsführung. Unter der Verantwortung<br />
des Interims-Geschäftsführers Jürgen Meier<br />
wurden die Bilanzen der vergangenen Jahre aufgearbeitet.<br />
Es wurde deutlich, dass zur besseren Steuerung des<br />
Diakonischen Werks klare Kompetenzregelungen, kurze<br />
Informationswege und mehr Handlungsfähigkeit geschaffen<br />
werden mussten. Auch eine Satzungsreform<br />
wurde diskutiert. Auf Anregung von Dekan Völkel und<br />
mit Unterstützung der Mitarbeitervertretung konnte ein<br />
Beschwerde-Management eingeführt werden mit dem<br />
Ziel, die Kritik zu versachlichen. In dieser schwierigen<br />
<strong>Zeit</strong>, die von drohender Insolvenz geprägt war, bangten<br />
viele MitarbeiterInnen um ihre Stellen. Für die Rechnungsjahre<br />
1998 und 1999 wurde das frühere Kuratorium<br />
von der Mitgliederversammlung nicht entlastet.<br />
Als mit der Prüfung der Bilanzen eine externe Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />
beauftragt wurde, stellte<br />
sich nach realistischer Bewertung der Vermögenslage ein<br />
tatsächlicher Verlust von mehr als 1,8 Millionen Mark<br />
heraus. Belastend war vor allem, dass Rücklagen fehlten.<br />
Sie wären nötig gewesen wären, um die Verluste aus<br />
den laufenden Geschäften aufzufangen. Von der Landeskirche<br />
und vom Dachverband der <strong>Diakonie</strong> kamen zwar<br />
finanzielle Hilfen. Andererseits musste die Liquidität weiter<br />
verbessert und notwendige Anschaffungen für den<br />
Fuhrpark und die Verwaltung getätigt werden. So beschloss<br />
die Mitgliederversammlung schließlich im Juli<br />
2001, ihr Anwesen in der Arnimstraße 7 zu verkaufen.<br />
Zu diesem <strong>Zeit</strong>punkt hatte bereits die Betriebswirtin<br />
Katrin Kalkowski als Nachfolgerin von Jürgen Meier die<br />
Geschäftsführung übernommen. Ihr oblag die schwere<br />
Aufgabe, Maßnahmen zur Konsolidierung der Finanzlage<br />
zu ergreifen und das Diakonische Werk umzustrukturieren.<br />
Mit dem Ziel, die wirtschaftliche Zukunft des Werkes<br />
sicherzustellen, wurden defizitäre Bereiche komplett<br />
geschlossen bzw. reduziert. Zu diesen finanziellen<br />
Rettungsaktionen zählten die Schließung des Recyclingzentrums,<br />
der Ausstieg aus dem Jugendprojekt Arbeit<br />
und die Aufgabe der Aussiedlerberatung. Mit einer Konzentration<br />
auf die Kernkompetenzen der <strong>Diakonie</strong> –<br />
ambulante und stationäre Altenhilfe, kirchliche allgemeine<br />
Sozialarbeit und offene Altenarbeit – verfolgte die<br />
Geschäftsführerin einen strengen Sanierungskurs, der<br />
für die MitarbeiterInnnen des Diakonischen Werks eine<br />
weitere harte Belastungsprobe darstellte.<br />
Zur eigenen Misere des Diakonischen Werks kam hinzu,<br />
dass die finanzielle Situation der Stadt <strong>Landshut</strong> aufgrund<br />
hoher Gewerbesteuerausfälle im Jahr 2002 ebenfalls<br />
problematisch war. Es mussten Investitionen gestrichen<br />
und eine Haushaltssperre verhängt werden, sodass<br />
auf mehr kommunale Zuschüsse für die <strong>Diakonie</strong> nicht<br />
zu hoffen war. Im Gegenteil: Wegen ihrer schlechten<br />
Haushaltslage kürzte die Stadt ihren Beitrag zum Ferienprogramm.<br />
Für die Schuldnerberatungsstelle und das<br />
Projekt Arbeit statt Sozialhilfe gab es noch eine Verlängerung,<br />
da zusätzliche öffentliche Mittel befristet bereitgestellt<br />
werden konnten.<br />
„Wir sind krank, aber auf dem Weg der Besserung.“<br />
So beschrieb Katrin Kalkowski die Situation bei der Mitgliederversammlung<br />
im Juli 2002. 46 Mit einem konsequenten<br />
Spar- und Sanierungskurs war es gelungen eine<br />
Insolvenz abzuwenden. Um die Finanzen aufzubessern,<br />
diskutierten die Mitglieder eine Betragserhöhung. Beschlossen<br />
wurde gleichzeitig, die Satzung in Bezug auf<br />
den Haftungsumfang von Vorstand und Kuratorium zu<br />
ändern.<br />
Der als Krisenmanager erfolgreiche <strong>Diakonie</strong>vorsitzende<br />
Dekan Völkel verließ im September 2002 <strong>Landshut</strong>, um<br />
das Amt des Regionalbischofs von Ansbach-Würzburg<br />
anzutreten. Bei der feierlichen Verabschiedung in der<br />
Christuskirche wurden seine Verdienste mit den Worten<br />
gewürdigt: „Es ist Ihnen gelungen, Licht ins Dunkel zu<br />
bringen und die einsturzgefährdete Höhle wieder zu stabilisieren.“<br />
47 Aufgrund seiner Leistungen für das Diakonische<br />
Werk ernannte das Kuratorium Helmut Völkel<br />
zum Ehrenvorsitzenden. Wenige Monate später, Ende<br />
Januar 2003, gab Geschäftsführerin Katrin Kalkowski<br />
ihre Position beim Diakonischen Werk aus persönlichen<br />
und familiären Gründen auf.<br />
82 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973
In der Rolle<br />
des Krisenmanagers<br />
Dekan und <strong>Diakonie</strong>vorsitzender Helmut Völkel berichtet über die Bewältigung<br />
der Krisenzeit des Diakonischen Werks – ein Interview im Jahr 1999<br />
Herr Dekan, ich möchte kurz eingehen auf die jüngsten Probleme innerhalb der <strong>Diakonie</strong>.<br />
Welche Lehren hat man aus den Fehlern gezogen?<br />
Zunächst einmal: Es sind Fehler gemacht worden. Für diese Fehler haben wir uns bei der<br />
Stadt <strong>Landshut</strong> offiziell entschuldigt. Und wir haben das zu Unrecht erhaltene Geld zurück<br />
überwiesen. Besonders gravierend ist, dass hier Vorgänge, die allgemein in der Gesellschaft<br />
ein großes Thema sind, nun in der eigenen Institution, in der <strong>Diakonie</strong> vor Ort, aufgetaucht<br />
sind.<br />
Welche Konsequenzen haben Sie gezogen?<br />
Wir haben uns vom Geschäftsführer getrennt und versuchen, das Prinzip der unmittelbaren<br />
Verantwortung für bestimmte Bereiche ernst zu nehmen. Dort, wo in der Geschäftsführung<br />
und Buchhaltung Dinge passiert sind, die von anderer Stelle nicht wahrgenommen wurden,<br />
müssen nun Veränderungen stattfinden. Aber mit dem Auswechseln von ein, zwei Personen<br />
ist noch keine Reform passiert. Es geht doch in unserer Arbeit um die biblischen Leitideen<br />
vom Dienen und vom Dienst am Mitmenschen. Die müssen wieder hervorgeholt werden,<br />
da müssen wir zu den Ursprüngen zurück. Und hier passiert im Denken der Menschen, die<br />
in der <strong>Diakonie</strong> tätig sind, momentan wahnsinnig viel. Es geht also nicht nur um eine punktuelle<br />
Reform, sondern um eine Reform an Haupt und Gliedern.<br />
Sie treten hier ja weniger als Dekan, sondern vielmehr als Personalmanager auf. Liegt Ihnen diese Rolle?<br />
Ich bin hier in die Rolle des Krisenmanagers gekommen. Das habe ich mir nicht träumen<br />
lassen. Ich erlebe diese Rolle als sehr umfassend, aber es gibt in dieser Erneuerungsphase<br />
auch sehr viele erfreuliche Aspekte, nämlich dass viele gute Seiten und Talente von<br />
Menschen, die bisher nicht nach vorne gekommen sind, ans Tageslicht kommen. Ich meine,<br />
dass in jeder Krise auch die Chance zur Erneuerung steckt. Es ist eine gewisse Aufbruchstimmung<br />
zu spüren, obwohl wir uns derzeit in einer großen finanziellen Belastungsprobe<br />
befinden.<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
Auszug aus einem Interview mit der <strong>Landshut</strong>er <strong>Zeit</strong>ung vom 20.11.1999<br />
83<br />
<strong>Zeit</strong><strong>zeugen</strong>
Treppenhausgestaltung<br />
Der Mensch als inspirierendes Motiv: Schülerinnen und Schüler des Hans-Leinberger-<br />
Gymnasiums gestalteten die Treppenhäuser im Johannesstift und im Matthäusstift.<br />
84 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973
Der Aufbruch<br />
Das Jahr 2003 versprach spannend zu werden, da mit Siegfried Stelzner und Holger Peters<br />
ein neuer Dekan und ein neuer Geschäftsführer in die Leitungsebene des Diakonischen<br />
Werks wechselten. Ebenfalls neu gewählt wurden das Kuratorium und die Mitarbeitervertretung.<br />
Der Tenor der Mitgliederversammlung war: „Die schwierigen <strong>Zeit</strong>en liegen<br />
hinter uns. Wir blicken zuversichtlich in die Zukunft.“<br />
Um die anstehenden Probleme zu bewältigen, bedurfte<br />
es allerdings erheblicher gemeinsamer Anstrengungen.<br />
Die finanzielle Konsolidierung des Wohlfahrtsverbandes<br />
stand weiterhin ganz oben auf der Prioritätenliste. Aus<br />
diesem Grund kennzeichneten ein strenger Sparkurs,<br />
Einkommenseinbußen für die Mitarbeiter und harte Verhandlungen<br />
mit öffentlichen Geldgebern diese Aufbruchsphase<br />
im neuen Jahrtausend. Trotz der Restriktionen<br />
gelang es in den folgenden Jahren, sowohl die<br />
bestehenden Dienste auf hohem Niveau fortzuführen als<br />
auch eine Reihe neuer Angebote ins Leben zu rufen:<br />
beispielsweise die drei Tafeln in <strong>Landshut</strong>, Vilsbiburg<br />
und Rottenburg, die neuen Gebrauchtwarenhäuser in<br />
Vilsbiburg und Rottenburg, das „Ambulant Betreute<br />
Wohnen“, der Ausbau des Angebots im Bereich der<br />
Jugendhilfe, das „Betreute Wohnen Daheim“, das Patenmodell<br />
und - in Kooperation mit anderen Verbänden - die<br />
„Freiwilligenagentur <strong>Landshut</strong>“.<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
85<br />
7<br />
Die neue Leitung:<br />
<strong>Diakonie</strong>vorsitzender Dekan Siegfried Stelzner (rechts) und<br />
der geschäftsführende zweite Vorsitzende Holger Peters.
Auch hier musste wieder aufgebaut werden:<br />
Der Carport des Diakonischen Zentrums<br />
und zwei dort abgestellte Fahrzeuge wurden<br />
bei einem Brand im April 2007 zerstört.<br />
Konsolidierung und Innovation<br />
Resultierend aus negativen Erfahrungen der zurückliegenden<br />
Jahre verabschiedete die Mitgliederversammlung<br />
im Jahr 2004 eine neue Satzung, die eine klare<br />
Trennung zwischen Geschäftsführung und Aufsicht vorsah.<br />
Der Vorstand ist seither ein eigenes Organ und<br />
nicht mehr Teil des Aufsichtsgremiums „Kuratorium“.<br />
Mit der Einbindung des Geschäftsführers in den Vorstand<br />
erfolgte auch eine Zusammenführung von Entscheidung<br />
und Verantwortung. Durch die Bildung eines<br />
Beirats und dessen Einbindung in das Kuratorium ist<br />
man auch dem Ziel, die diakonische Arbeit in den Evangelisch-Lutherischen<br />
Kirchengemeinden des Dekanatsbezirkes<br />
<strong>Landshut</strong> zu fördern, ein Stück näher gekommen.<br />
Zusätzliche Räume für die <strong>Diakonie</strong>:<br />
Im Jahr 2008 wurde das Haus in der<br />
Maistraße 8 gemietet. Dort ist auch<br />
das Evangelische Bildungswerk<br />
untergebracht.<br />
86 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973
Das gemeinsame Malen macht Spaß: Kindergartenkinder und Senioren im Matthäusstift.<br />
Drei Ziele gab der neue Geschäftsführer Holger Peters<br />
für 2004 vor: kostendeckendes Arbeiten, Abbau des<br />
Schuldenberges und dennoch für die Beschäftigten die<br />
Freude an der Arbeit erhalten. Das war kein leichtes<br />
Unterfangen, zumal die Mittel von der Landeskirche und<br />
von der Bayerischen Staatsregierung rückläufig waren.<br />
Wegen der Abhängigkeit von Zuschüssen und Pflegesatzverhandlungen<br />
ließ sich die Zukunft der <strong>Diakonie</strong><br />
<strong>Landshut</strong> schwer abschätzen.<br />
In der <strong>Diakonie</strong> selbst wurde ein Reformkurs eingeschlagen,<br />
der dazu führte, dass interne Arbeitsabläufe stärker<br />
unter die Lupe genommen wurden. Um Kritik zu versachlichen<br />
und gemeinsame konstruktive Lösungen zu<br />
finden, wurde ein Beschwerde-Innovations-Management<br />
unter der Leitung des Unternehmensberaters Fred Becker<br />
eingeführt, dessen Arbeit großen Zuspruch fand.<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
Als eines der Reformergebnisse wurde die Altenhilfe<br />
umstrukturiert, indem ambulante Versorgung, betreutes<br />
Wohnen und die stationären Einrichtungen enger miteinander<br />
verknüpft wurden. Auch bemühte man sich um<br />
eine intensivere Kooperation zwischen <strong>Diakonie</strong> und<br />
Kirchengemeinden. Aus dieser Zielsetzung entwickelte<br />
sich das Gemeinschaftsangebot „Betreutes Wohnen<br />
Daheim“. Die Altenhilfe ist nicht nur das traditionsreichste<br />
Aufgabengebiet der <strong>Diakonie</strong>, sie zählt auch heute<br />
noch zu ihren Kerngeschäftsfeldern. Die drei Bereiche<br />
der stationären, ambulanten und offenen Altenhilfe sind<br />
mit den Seniorenzentren, der Sozialstation, den Angeboten<br />
der Kirchlichen Allgemeinen Sozialarbeit und den<br />
ehrenamtlichen Initiativen gut aufgestellt.<br />
87
Die Seniorenwohn- und Pflegezentren<br />
In den beiden <strong>Diakonie</strong>-Seniorenzentren, dem Matthäusstift<br />
in <strong>Landshut</strong> und dem Johannesstift in Altdorf, mussten<br />
zunächst Einsparpotenziale gefunden werden.<br />
Gleichzeitig wurde viel investiert, um die Pflegeleistungen<br />
zu qualifizieren und die Betreuungsangebote für die<br />
Bewohner zu erweitern. Musiktherapie, Kunsttherapie,<br />
ehrenamtliche Besuchsdienste, Gedächtnistraining sind<br />
einige Schlagworte aus den vielfältigen Angeboten. Mit<br />
den neu eingeführten gerontopsychiatrischen Wohnbereichen<br />
haben die beiden Stifte ein Betreuungssegment<br />
entwickelt, das in der Öffentlichkeit positiv aufgenommen<br />
wurde und zu vermehrten Belegungsanfragen geführt<br />
hat.<br />
So wurde im Matthäusstift Anfang 2008 speziell für<br />
Senioren mit Demenzerkrankung der Wohnbereich<br />
„Residenz“ neu gestaltet: Bilder und Möbel aus früheren<br />
<strong>Zeit</strong>en schaffen nun mehr Behaglichkeit für die Bewohner.<br />
Diese Umgestaltung, die die Lebensqualität für die<br />
Für mehr Lebensqualität: Für die Bewohner des<br />
Matthäusstifts wurde ein Hochbeet angelegt.<br />
Senioren spürbar erhöht, ist Teil des Projekts „Herausforderung<br />
Demenz“, an dem das Pflegezentrum des<br />
Matthäusstifts teilnimmt. Mitarbeiterfortbildungen zum<br />
Umgang mit dementen Menschen gehören ebenso dazu<br />
wie Aktivierungsrunden mit den Betreuten. Dies sind Gesprächskreise,<br />
bei denen durch die Beschäftigung mit<br />
bekannten Gebrauchsgegenständen Erinnerungen wachgerufen<br />
werden.<br />
Derzeit sind in den beiden Seniorenzentren etwa 140<br />
Mitarbeiter beschäftigt. Die Heimleitung liegt seit 2006<br />
bei Manuela Berghäuser.<br />
Betreutes Wohnen Daheim<br />
Im Alter selbständig bleiben, in den eigenen vier Wänden<br />
wohnen und Hilfe bekommen, wenn es nötig ist – so stellen<br />
sich viele Menschen ihren Lebensabend vor. Um<br />
Senioren das Leben in der eigenen Wohnung trotz zu-<br />
88 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973
Ein Aufenthaltsraum im Matthäusstift<br />
nehmender Hilfs- und Pflegebedürftigkeit zu ermöglichen,<br />
hat das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> das Projekt<br />
Betreutes Wohnen Daheim entwickelt. Dieses Angebot<br />
wird in verschiedenen Stadtteilen (im Niedermayerviertel,<br />
im Klötzlmüllerviertel, in der Wolfgangsiedlung sowie<br />
in Altdorf) zusammen mit den evangelischen und katholischen<br />
Kirchengemeinden realisiert.<br />
Nach den persönlichen Wünschen und Bedürfnissen<br />
der älteren Menschen können verschiedene Leistungen<br />
in Anspruch genommen werden, z. B. vielseitige Freizeitangebote<br />
und Möglichkeiten zur Begegnung wie Reisen,<br />
Seniorennachmittage oder ein gemeinsamer Mittagstisch.<br />
Auch Besuchsdienste, soziale Beratung und Unterstützung<br />
bei behördlichen Angelegenheiten werden<br />
angeboten. Zur häuslichen Unterstützung können im Bedarfsfall<br />
verschiedene Haushaltshilfen, Begleit- und<br />
Botendienste sowie kleine handwerkliche Hilfen und<br />
sogar Haustierbetreuung vermittelt werden. Bei Krankheit<br />
leistet die Sozialstation der <strong>Diakonie</strong> Unterstützung.<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
Kunsttherapie gehört zum Angebot der Seniorenzentren.<br />
89
Tierischer Besuch<br />
Jack, Jacobus, Jamie und Jilly – so heißen<br />
die zutraulichen Vierbeiner, die seit<br />
kurzem abwechslungsreiches Leben in<br />
das Matthäus- und das Johannesstift<br />
bringen. An jeweils einem Tag in der<br />
Woche sind die kleinen Hunde zu Gast<br />
bei den Bewohnern der Seniorenzentren<br />
der <strong>Diakonie</strong>.<br />
Tierliebhaberin Jutta Jakob, die zuhause<br />
außerdem Schafe und Pferde betreut,<br />
ist Mitarbeiterin der Sozialstation. Wenn<br />
sie mit ihren vier Hunden in die Heime<br />
geht, erhalten die Bewohner die Möglichkeit,<br />
mit den Tieren zu spielen, sie<br />
zu streicheln oder sie einfach nur zu<br />
bestaunen. Jacobus, ein weißer Spitz,<br />
ist der erklärte Liebling der Senioren:<br />
Er setzt sich auf jeden Schoß und lässt<br />
sich liebkosen.<br />
Da viele der alten Menschen früher<br />
selbst Hunde hatten, ermöglicht dieser<br />
Besuchsdienst wertvolle Biografiearbeit.<br />
Noch Tage später bieten die Tiere Gesprächsstoff<br />
und sowohl die Bewohner<br />
auch das Personal freuen sich auf die<br />
nächste Begegnung.<br />
90 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
Lese<br />
text
Behindertenhilfe:<br />
Der Integrationsfachdienst<br />
Das Team des Integrationsfachdienstes (IFD) berät Behinderte<br />
am Arbeitsplatz, hilft bei der Suche nach einer<br />
Stelle und unterstützt Betriebe in allen Fragen zum<br />
Thema Behinderung und Beschäftigung. Diese Art von<br />
Fachdiensten gibt es flächendeckend in ganz Deutschland.<br />
Träger des IFD Niederbayern sind die gemeinnützige<br />
Stiftungsgesellschaft Johann Peters und das Diakonische<br />
Werk <strong>Landshut</strong>. Die Mitarbeiter des IFD betreuen<br />
behinderte Arbeitnehmer und ihre Arbeitgeber von<br />
<strong>Landshut</strong> aus in Stadt und Landkreis <strong>Landshut</strong> sowie<br />
in den Landkreisen Kelheim, Dingolfing-Landau und<br />
Rottal-Inn. Die Außenstelle des Diakonischen Werks in<br />
Deggendorf ist für die Landkreise Deggendorf, Regen<br />
und Straubing-Bogen sowie für die<br />
Stadt Straubing zuständig.<br />
Der Tätigkeitsbereich einer Berufsbegleitung<br />
von Menschen mit<br />
psychischer Erkrankung war schon<br />
lange vor Entstehung des IFD als<br />
Aufgabe in der <strong>Diakonie</strong> angesiedelt.<br />
Der Berufsbegleitende Dienst<br />
(BBD) hatte sich aus dem Modellprojekt<br />
Arbeitsassistenz entwickelt,<br />
das 1987 eingerichtet wurde und<br />
bis 2002 zum Sozialpsychiatrischen<br />
Dienst gehörte. Als die Aufgaben<br />
des BBD auf alle Behinderungsarten<br />
ausgeweitet wurden,<br />
konnte er als eigenständiger Beratungsdienst<br />
im Diakonischen Werk<br />
eingerichtet werden. Es war ein<br />
Wunsch des BBD-Kostenträgers,<br />
die Berufsbegleitung mit der Vermittlung<br />
(damals beim privaten Berufsförderzentrum<br />
Peters) zu einem<br />
Fachdienst zusammenzuführen.<br />
Unter der Bezeichnung Integrationsfachdienst formierte<br />
er sich deshalb im Jahr 2005 neu, zunächst in den<br />
Räumen des Diakonischen Zentrums. Aus Platzgründen<br />
zogen die MitarbeiterInnen im Jahr 2007 in die <strong>Landshut</strong>er<br />
Freyung um.<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
Das kostenlose Beratungsangebot umfasst alle Fragen<br />
rund um das Schwerbehindertenrecht mit Bezug zum<br />
Arbeitsleben, zum Beispiel: Wie beantragt man einen<br />
Schwerbehindertenausweis und welche Konsequenzen<br />
hat dies? Bei Problemen am Arbeitsplatz und in Fragen<br />
der beruflichen Zukunftsplanung ist das IFD-Team eine<br />
kompetente Anlaufstelle. Um gute Berufsperspektiven<br />
für jeden einzelnen Klienten zu erzielen, werden bei Bedarf<br />
auch Bewerbungsgespräche trainiert. Die Mitarbeiter<br />
sind außerdem Ansprechpartner für Angehörige oder<br />
Ärzte und helfen bei der Antragstellung in Behörden. Als<br />
neutrale Einrichtung berät der Integrationsfachdienst<br />
Arbeitgeber, die Schwerbehinderte einstellen wollen oder<br />
bereits beschäftigen, beispielsweise über finanzielle<br />
Fördermöglichkeiten. Bei Konflikten wird versucht, vor<br />
Ort eine gemeinsame Lösung zu finden. Alle Gespräche<br />
des IFD unterliegen der Schweigepflicht.<br />
Christine Brummer,<br />
Sabine Angermaier,<br />
Renate Ziegler und Iris<br />
Winkler (von links)<br />
helfen behinderten<br />
Menschen in beruflichen<br />
Angelegenheiten.<br />
91
Ausbau der Jugendhilfe<br />
„Erziehung ist erfolgreich“ – unter dieser Prämisse hat<br />
die <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong> im Jahr 2008 begonnen, unterstützende<br />
Konzepte in der Jugendhilfe zu entwickeln<br />
und damit die bereits vorhandenen Angebote (z.B. Erziehungs-<br />
und Familienberatung, Ferienbetreuung) bedarfsgerecht<br />
zu ergänzen. Die Basis dafür wurde durch<br />
eine Kooperation mit der Jugendhilfe Oberbayern geschaffen.<br />
Die Jugendhilfe Oberbayern ist das Dach aller<br />
Einrichtungen der Erziehungshilfen, der Jugendsozialarbeit<br />
und der Einrichtungen zur Eingliederung ins Berufsleben<br />
im Diakonischen Werk Rosenheim.<br />
Das erste Projekt unter der Trägerschaft der <strong>Diakonie</strong><br />
<strong>Landshut</strong> konnte bereits realisiert werden: Die Gemeinde<br />
Buch am Erlbach hat mit staatlicher Bezuschussung<br />
eine offene Ganztagsschule an der Hauptschule eingerichtet.<br />
Die Betreuung, die von einer Sozialpädagogin<br />
des Diakonischen Werks verantwortet wird, beginnt nach<br />
dem Unterricht mit dem gemeinsamen Mittagessen. In<br />
der anschließenden Studierzeit werden unter qualifizierter<br />
Aufsicht gemeinsam Hausaufgaben gemacht und<br />
überwacht. Danach können die SchülerInnen ihre Freizeit<br />
selbst gestalten und dazu aus einem breiten Programm<br />
von Sport-, Musik- oder Spielangeboten wählen.<br />
Junge Menschen in ihren jeweiligen Stärken zu fördern<br />
und sie bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit zu unterstützen,<br />
ist das Ziel diakonischer Jugendsozialarbeit. Im<br />
Blickfeld stehen dabei die Bedürfnisse der Kinder und<br />
Jugendlichen und ihrer Familien. Es ist selbstverständlich,<br />
dass sich die Projektverantwortlichen gleichzeitig<br />
an den Wünschen und Vorstellungen der jeweiligen Leistungsträger<br />
orientieren, damit eine stabile Vernetzung<br />
aller Maßnahmen im sozialen Nahraum gelingen kann.<br />
Gemeinsam essen und dann Hausaufgaben machen:<br />
Schüler der Ganztagsschule in Buch am Erlbach.<br />
92 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973
Anerkennung<br />
und Freude<br />
Therese Skordou, seit 16 Jahren ehrenamtliche Leiterin<br />
einer Frühstücksgruppe des Sozialpsychiatrischen Dienstes,<br />
berichtet über ihre ehrenamtliche Tätigkeit<br />
Angefangen habe ich damals in der Erziehungspause, weil mir der Umgang mit Menschen<br />
gefehlt hat, den ich von meinem Beruf als Krankenschwester gewöhnt war. Der Beginn war<br />
dann schon aufregend. Man macht sich natürlich viele Gedanken. Und ich hatte Angst, etwas<br />
Falsches zu sagen. Wenn jemand beim nächsten Treffen abwesend war, habe ich gleich gegrübelt:<br />
Ob das wohl an mir liegt? Die meisten Besucher sind aber irgendwann wieder gekommen; und<br />
durch die Gespräche mit den Klienten habe ich bald gelernt, dass psychisch kranke Menschen<br />
aufgrund ihrer Krankheit nicht anders behandelt werden möchten. Je natürlicher und authentischer<br />
ich mich gebe, desto lockerer ist die Atmosphäre. (…)<br />
Wir haben viele Klienten, die relativ regelmäßig kommen, und das zeigt, dass sie sich<br />
angenommen und willkommen fühlen. Man merkt, dass die Gruppentreffen Struktur in<br />
ihren Tagesablauf bringen, und das tut ihnen gut. Es ist immer wieder schön, wenn sich<br />
die Klienten auch privat treffen und private Freundschaften entstehen.<br />
Inzwischen besteht in der Gruppe ein fast familiäres Zusammengehörigkeitsgefühl. Wie in<br />
einer Familie gibt es auch bei uns schon mal Unstimmigkeiten. Dafür wird aber ein anderes<br />
Mal gemeinsam über Probleme oder Sorgen gesprochen und nach Lösungen gesucht.<br />
Eine besondere Anerkennung und Freude ist es immer wieder, wenn von den Klienten eine<br />
positive Rückmeldung kommt, z.B. wie froh sie sind, dass es die Teestube gibt. Wie gerne ich<br />
selber in die Gruppe gehe, merke ich besonders in den Sommerferien, wenn ich mich nach<br />
sechs Wochen Pause wieder so richtig auf das gemeinsame Frühstück freue.<br />
Rede von Therese Skordou anlässlich der Jubiläumsfeier des Sozialpsychiatrischen Dienstes am 24.11.2008 in <strong>Landshut</strong><br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
93<br />
Therese Skordou (rechts) und<br />
Irmgard Pannek leiten als<br />
ehrenamtliche Laienhelferinnen<br />
die Montag-Teestube im<br />
Diakonischen Zentrum.<br />
<strong>Zeit</strong><strong>zeugen</strong>
Wertvoll und<br />
unverzichtbar:<br />
ehrenamtliche<br />
Mitarbeiter<br />
Ohne freiwillige und unentgeltliche Arbeit für soziale<br />
Zwecke könnten Vereine und Verbände kaum bestehen.<br />
Vor 100 Jahren waren es evangelische Frauen, die<br />
Kranke in der Pfarrgemeinde <strong>Landshut</strong> besuchten und<br />
mit Handarbeiten Geld für Bedürftige verdienten. Heute<br />
haben die rund 160 ehrenamtlichen Mitarbeiter der<br />
<strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong> vielfältigere und qualifizierte Aufgaben.<br />
Unter dem Dach des Diakonischen Werks, jedoch<br />
vollständig ehrenamtlich organisiert, sind die Tafeln an<br />
den Standorten <strong>Landshut</strong>, Vilsbiburg und Rottenburg,<br />
die Talentbörse und das 2008 gegründete Patenmodell.<br />
Die Seniorenwohnheime und nahezu alle Abteilungen<br />
der <strong>Diakonie</strong> brauchen engagierte Bürgerhelfer: für<br />
offene Seniorenarbeit, Ferienaktionen für Kinder, Gesprächsgruppen<br />
für psychisch Kranke und vieles mehr.<br />
Gerade in den sozialen Einrichtungen, in denen freiwillige<br />
Mitarbeiter schon jetzt unverzichtbar sind, werden<br />
noch mehr motivierte Helfer gebraucht. Gleichzeitig wollen<br />
sich immer mehr Menschen für gemeinnützige, kulturelle<br />
oder sportliche Zwecke engagieren – und dies lieber<br />
in zeitlich begrenzten Projekten als in Vereinen. Aus<br />
diesem Grund wurde im Jahr 2008 die Freiwilligenagentur<br />
<strong>Landshut</strong> (fala) gegründet, die als Bindeglied<br />
zwischen Freiwilligen-Angebot und Helfer-Nachfrage<br />
steht. Getragen wird die Agentur von einem Förderverein,<br />
in dem das Diakonische Werk und weitere soziale<br />
Verbände vertreten sind. Die Freiwilligenagentur hat die<br />
Aufgabe, sowohl Ehrenamtliche zu unterstützen und<br />
neue Kräfte zu gewinnen als auch Organisationen darin<br />
zu beraten, wie Bürgerhelfer optimal eingebunden<br />
werden können.<br />
Die Talentbörse:<br />
mit Tausch zum Glück<br />
Nicht in Euro, sondern in der Währung „Talent“ bezahlen<br />
die Mitglieder der Talent- und Tauschbörse, die unter der<br />
Trägerschaft des Diakonischen Werks steht, für Waren<br />
und Dienstleistungen. Hans Scharf und Susanne Goebel<br />
von der offenen Sozialarbeit der <strong>Diakonie</strong> gaben im<br />
Oktober 1996 den Startschuss für diese ehrenamtliche<br />
Initiative. In erster Linie ging es darum, ein soziales<br />
Netzwerk zu schaffen, Nachbarschaftskontakte zu intensivieren<br />
und auch den Austausch zwischen den Generationen<br />
anzuregen.<br />
Heute hat die Talentbörse 95 Mitglieder, die in einer<br />
Marktzeitung regelmäßig ihre Talente zum Tausch anbieten.<br />
Fenster putzen, Bügeln und Fahrräder reparieren<br />
sind dabei nach den Worten von Dolores Lang, Mitglied<br />
im Börsenbeirat, besonders begehrte Angebote. Im Wesentlichen<br />
geht es um Dienstleistungen – von Renovierungs-<br />
und Gartenarbeiten über Lebens-, Finanz- oder<br />
Computerberatung bis hin zur Kinder- oder Seniorenbetreuung<br />
–, die angeboten werden. Darüber hinaus<br />
tauschen die Mitglieder untereinander auch vielfältige<br />
und sicherlich individuell nützliche Dinge wie Filzhüte,<br />
Blütenstauden oder Apfelkuchen.<br />
Durch diesen Tausch von Dienstleistungen und Waren<br />
wollen die Tausch-Börsianer bewusst einen Kontrapunkt<br />
zur Konsumorientierung in der Gesellschaft setzen. Eine<br />
Arbeitsstunde ist übrigens 10 Talente wert.<br />
Für ausreichend viele Talente<br />
kann man mit Glück auch ein<br />
schönes Bild bekommen.<br />
94 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973
Die Tafeln:<br />
Nahrung für bedürftige Menschen<br />
„Tafeln“ sind Brücken zwischen Arm und Reich, zwischen<br />
Mangel und Überfluss. Es gibt sie mittlerweile flächendeckend<br />
in ganz Deutschland. In <strong>Landshut</strong> wurde die<br />
Tafel im Herbst 2004 auf Anregung der Armutskonferenz<br />
gegründet. Betreut wird sie vom Diakonischen Werk.<br />
Rund 50 ehrenamtliche Helfer sammeln jede Woche in<br />
Supermärkten überzählige Lebensmittel und gespendete<br />
Waren ein und verteilen sie an bedürftige Menschen.<br />
Bezahlt werden muss lediglich ein Euro pro Einkauf, jedoch<br />
wird ein Berechtigungsnachweis bei den Bedürftigen<br />
vorausgesetzt.<br />
Als die <strong>Landshut</strong>er Tafel im Juni 2005 im Tunnelhaus<br />
an der Inneren Münchner Straße ihre Warenausgabe eröffnete,<br />
konnte niemand ahnen, wie sich Akzeptanz und<br />
Nachfrage entwickeln würden. Nur wenige Wochen später<br />
wurde das Team der Tafel sowohl von dem zu leistenden<br />
Arbeitsanfall als auch von dem Ansturm der bedürftigen<br />
Menschen überrollt. Fünf Monate nach der Eröffnung<br />
platzten die Räume aus allen Nähten, denn mehr<br />
als 430 Familien – davon ein Drittel aus dem Landkreis<br />
<strong>Landshut</strong> – hatten sich bereits bei der Tafel angemeldet.<br />
Mittlerweile ist das Team um Brigitte Hochban in allen<br />
Arbeitsabläufen routiniert und immer auf der Suche nach<br />
Spenden – auch um knappe Grundnahrungsmittel zukaufen<br />
zu können.<br />
Heute gibt es im Dekanat <strong>Landshut</strong><br />
drei Tafeln, die Zeugnis weit verbreiteter<br />
Armut ablegen: Unter der<br />
Trägerschaft der <strong>Diakonie</strong> eröffnete<br />
im Jahr 2006 eine Tafel in Vilsbiburg<br />
und 2008 eine Tafel in Rottenburg,<br />
beide in den Räumen der Gebrauchtwarenhäuser<br />
„Hab & Gut“.<br />
Viele helfende Hände werden zum<br />
Einsammeln und Verteilen der<br />
Lebensmittel gebraucht.<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
Das Patenmodell:<br />
Mentoren helfen<br />
Führungskräfte mit guten Kontakten und großer Berufserfahrung<br />
helfen Menschen auf deren Weg zurück ins<br />
Arbeitsleben. Das ist die Kernidee des Patenmodells, das<br />
von der <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong> im Jahr 2008 realisiert<br />
wurde. Die Jobpaten arbeiten ehrenamtlich, daher ist die<br />
Betreuung für Arbeit suchende Klienten kostenlos. Ihre<br />
Aufgabe ist, das Selbstwertgefühl der Klienten aufzubauen,<br />
sie für die Bewerbungsphase zu motivieren und<br />
ihnen Tipps für die Stellensuche zu geben. Diese Betreuungsform<br />
hat den Vorteil, dass auf die Stärken und<br />
Schwächen jedes Einzelnen individuell eingegangen werden<br />
kann. Die Jobpaten sind nicht dazu da, eine neue<br />
Arbeitsstelle anzubieten, aber sie aktivieren ihre eigenen<br />
Netzwerke und stellen Kontakte für ihre Klienten her. Auf<br />
diese Weise kann der Pate im Einzelfall durchaus zum<br />
„Türöffner“ in den begehrten Beruf werden.<br />
Von der Patentätigkeit profitieren jedoch nicht nur die<br />
Klienten. Sie kann auch für die Jobpaten selbst gesellschaftliche<br />
Anerkennung, persönliche Zufriedenheit und<br />
ein Plus an sozialer Kompetenz bringen. Der Koordinator<br />
für den Raum Niederbayern, Bernhard Huber, freut sich<br />
über jeden Neuzugang: „Wir wünschen uns noch mehr<br />
ehrenamtliche Kräfte mit Führungserfahrung, damit wir<br />
möglichst viele Arbeitslose betreuen können.“<br />
95
8<br />
Die <strong>Diakonie</strong> auf dem Weg<br />
in die Zukunft: soziales und<br />
wirtschaftliches Handeln<br />
Holger Peters,<br />
Geschäftsführer des<br />
Diakonischen<br />
Werks <strong>Landshut</strong><br />
Vor 100 Jahren war die Unterstützung armer, alter und kranker<br />
Menschen das dringlichste Anliegen des <strong>Diakonie</strong>vereins in der<br />
Diaspora <strong>Landshut</strong>. Heute zählt der Bereich Altenhilfe – mit den<br />
beiden Wohn- und Pflegeheimen, der Sozialstation und der offenen<br />
Seniorenarbeit – zu den Kerngeschäftsfeldern der <strong>Diakonie</strong>, die<br />
nicht nur auf einem hohen Qualitätsstandard gesichert, sondern<br />
auch beständig ausgebaut werden. Kirchliche Sozialarbeit, Betreuung<br />
von psychisch Kranken und Behinderten, Beschäftigungsmaßnahmen<br />
sowie vielfältige Beratungsdienste sind seit langem unverzichtbare<br />
Dienstleistungsangebote der <strong>Diakonie</strong>. Neben diesen<br />
traditionellen Aufgaben wird es künftig darum gehen, mit innovativen<br />
Projekten auf neue gesellschaftliche Bedürfnisse zu reagieren.<br />
Dabei werden ökonomische Zwänge in einem umkämpften<br />
Sozialmarkt mit begrenzten Mittelzuweisungen immer stärkeren<br />
Einfluss auf Entscheidungen nehmen.<br />
96 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973
Wie kann die <strong>Diakonie</strong> der Zukunft aussehen?<br />
Fragen an Holger Peters, Geschäftsführer des<br />
Diakonischen Werks <strong>Landshut</strong>:<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> entstand ursprünglich<br />
aus einer Hilfsaktion für den Bau der Christuskirche.<br />
Sie haben sich in den letzten Jahren persönlich für eine<br />
engere Anbindung der <strong>Diakonie</strong> an die evangelischen<br />
Kirchengemeinden eingesetzt. Wo sehen Sie die wichtigsten<br />
Berührungspunkte im Dekanat <strong>Landshut</strong>?<br />
Die stetige Professionalisierung sozialer Arbeit<br />
hat zu einer Verlagerung von Hilfs- und Beratungsangeboten<br />
aus den Kirchengemeinden in die<br />
Diakonischen Werke geführt. Mit dieser Aufgabenteilung<br />
– der Verkündung durch die Kirchengemeinden,<br />
der tätigen Hilfe durch die <strong>Diakonie</strong> –<br />
ging eine gegenseitige Entfremdung einher.<br />
Dieser begegnen wir in vielfältiger Weise.<br />
Dem Kuratorium und dem Vorstand ist ein Beirat<br />
mit den <strong>Diakonie</strong>-Beauftragten der Kirchenge-<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
97<br />
Im Sommer 2010 wird in<br />
Adlkofen das Wohn- und<br />
Pflegeheim „Elisabethstift“<br />
mit 49 Pflegeplätzen und<br />
44 Pflegeapartements eröffnet.<br />
Unter der Trägerschaft der<br />
<strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong> entstehen<br />
dort 30 bis 40 neue<br />
Arbeitsplätze.<br />
meinden beigeordnet. In diesem Gremium erfolgt<br />
ein regelmäßiger Austausch über die Aktivitäten<br />
in den jeweiligen Bereichen und es werden Unterstützungsmöglichkeiten<br />
des Diakonischen Werkes<br />
für neue Angebote in den Kirchengemeinden abgestimmt.<br />
Ein gelungenes Beispiel für ein gemeinsames<br />
Wirken von <strong>Diakonie</strong> und Kirchengemeinden stellt<br />
das Betreute Wohnen im <strong>Landshut</strong>er Niedermayer-Viertel<br />
dar. Im Zuge der Entwicklung dieses<br />
Angebotes entstehen mit dem Mittagstisch und<br />
einer aufsuchenden Seniorenberatung eigene<br />
diakonische Angebote der Erlöserkirche <strong>Landshut</strong>.<br />
Mit der Ausweitung dieses Angebotes auf<br />
weitere Kirchengemeinden verzeichnen wir auch<br />
hier vergleichbare Entwicklungen.<br />
Weitere Belege für unsere Bestrebungen, diakonische<br />
Arbeit außerhalb <strong>Landshut</strong>s in enger Vernetzung<br />
mit den Kirchengemeinden zu verankern,<br />
sind die Gebrauchtwarenhäuser und Tafeln in<br />
Rottenburg und Vilsbiburg.
Die Geschichte des Diakonischen Werks zeigt deutlich,<br />
dass es in der Vergangenheit stets darum ging, mit<br />
schnellen und pragmatischen Lösungen auf immer neue<br />
soziale Notlagen zu reagieren. Gibt es diese Art von<br />
„evangelischer Liebestätigkeit“ heute noch?<br />
Die Tafeln unter dem Dach der <strong>Diakonie</strong> sind<br />
Ausdruck dieser Liebestätigkeit. Hier finden sich<br />
Bürgerinnen und Bürger zusammen, um Menschen<br />
zu helfen. In unzähligen Stunden ehrenamtlichen<br />
Engagements tragen sie unverbrauchte Lebensmittel<br />
zusammen, um sie an bedürftige Familien<br />
auszugeben.<br />
Darüber hinaus verfügt das Diakonische Werk<br />
über ein durch Spenden gespeistes Budget, aus<br />
dem unbürokratisch und schnell finanzielle Hilfe<br />
als Zuschuss oder Darlehen in besonderen Notlagen<br />
geleistet werden kann.<br />
Armut und Arbeitslosigkeit sind derzeit die größten<br />
sozialen Probleme. Die <strong>Diakonie</strong> hält diverse Angebote<br />
und Beschäftigungsprojekte vor, um betroffenen Menschen<br />
zu helfen. Kann diese Arbeit im Sinne einer Kompensation<br />
auf Dauer gelingen?<br />
Eine Kompensation wäre eine Überforderung<br />
unserer Angebote. Wir schaffen zwar in der stetigen<br />
Ausweitung unserer Beschäftigungsprojekte<br />
auch jeweils Dauerarbeitsplätze, im Fordergrund<br />
stehen jedoch das Arbeitstraining und der Erwerb<br />
von Sozialkompetenz. Mit dem Herausarbeiten<br />
von individuellen Fähigkeiten und dem Einsatz an<br />
speziell zugeschnittenen Arbeitsplätzen stärken<br />
wir das Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein<br />
der Menschen. Hiermit versetzen wir die Projektteilnehmer<br />
in die Lage, sich mit verbesserten<br />
Chancen am ersten Arbeitsmarkt zu bewerben.<br />
Insofern verbessern wir für einen Teil der von sozialen<br />
Problemen betroffenen Menschen die persönlichen<br />
Lebensumstände. Zu einer grundsätzlichen<br />
Vermeidung von Armut und Arbeitslosigkeit<br />
sind diese Maßnahmen aber nicht geeignet.<br />
Wie politisch soll oder darf ein Wohlfahrtsverband sein?<br />
Die verbandliche <strong>Diakonie</strong> versteht sich auch als<br />
anwaltschaftliche <strong>Diakonie</strong> für die von ihr beratenen<br />
und betreuten Menschen. Durch die Nähe zu<br />
den von sozialen Problemen betroffenen Menschen<br />
gewinnen wir eine vertiefte Kenntnis von<br />
Nöten und Bedürfnissen dieser Menschen. Wir<br />
sehen es als unsere Verpflichtung an, hieraus<br />
Lösungen zu entwickeln und diese als politische<br />
Forderungen zu formulieren. Diese Aufgabe gilt<br />
es auch weiterhin in verstärktem Maße wahrzunehmen.<br />
In den kommenden Jahren wird auf Landesebene das<br />
Thema <strong>Diakonie</strong> und Wirtschaft in den Fokus gerückt.<br />
Welche Chancen sehen Sie für das Diakonische Werk<br />
zwischen seiner anwaltschaftlichen, klientenbezogenen<br />
Aufgabe einerseits und einem immer wichtiger werdenden<br />
ökonomischen Handeln andererseits?<br />
Nur eine wirtschaftlich gesunde <strong>Diakonie</strong> ist in<br />
der Lage, die Aufgabe der anwaltschaftlichen<br />
<strong>Diakonie</strong> umfänglich auszufüllen. Durch ökonomisches<br />
Handeln können wir die notwendigen<br />
Eigenmittel für die Entwicklung und Durchführung<br />
innovativer Konzepte erwirtschaften. Unser Vorteil<br />
als gemeinnütziger Träger ist es, dass wir<br />
jeden Ertrag ohne Abzug von Dividenden hierzu<br />
verwenden können.<br />
Als eine weitere Herausforderung sehen wir es,<br />
Unternehmen der Privatwirtschaft als Partner für<br />
soziale Projekte und Aufgabenfelder zu gewinnen.<br />
Durch die Werbung von Spendengeldern, die für<br />
notleidende Familien oder Einzelprojekte bereitgestellt<br />
werden, besteht bereits eine eingeübte<br />
Zusammenarbeit. Diese Partner über einen längeren<br />
<strong>Zeit</strong>raum in die Finanzierung einer Einrichtung<br />
oder in die Bereitstellung eines Beratungsangebots<br />
einzubinden, ist eine noch zu lösenden<br />
Aufgabe.<br />
98 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973
In welchen Bereichen wird sich die <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong><br />
in der Zukunft engagieren? Gibt es dazu Ideen bzw. konkrete<br />
Projekte?<br />
Neben der Stärkung der vorhandenen Geschäftsbereiche,<br />
wie zum Beispiel in der Altenhilfe mit<br />
dem Bau des Elisabethstifts in Adlkofen bzw. mit<br />
einem Gärtnereiprojekt zur Beschäftigung seelisch<br />
erkrankter Menschen, wenden wir uns auch<br />
neuen Aufgabenbereichen zu. In Kooperation mit<br />
dem Diakonischen Werk Rosenheim entwickeln<br />
wir Angebote in der Jugendhilfe. Die ebenfalls gemeinsame<br />
Projektierung eines Übergangswohnheims<br />
für Strafentlassene greift ein Tätigkeitsfeld<br />
auf, in dem die <strong>Diakonie</strong> in <strong>Landshut</strong> früher schon<br />
aktiv war.<br />
Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />
99<br />
Diese Verbreiterung unseres Hilfeangebots hat<br />
einerseits das Ziel, die wirtschaftliche Abhängigkeit<br />
des Diakonischen Werks <strong>Landshut</strong> von einzelnen<br />
Aufgabenbereichen zu verringern. Im Mittelpunkt<br />
unserer Aktivitäten stehen jedoch auch in<br />
Zukunft weiterhin die Menschen mit ihren individuellen<br />
Bedürfnissen. Sie bestimmen die Maxime<br />
unseres Handelns gemäß unserem Leitmotiv:<br />
Was willst du, dass ich für dich tun soll?<br />
Lukas 18, 41<br />
Ihr Wohl ist unser Auftrag!<br />
Holger Peters plant ideenreich<br />
die Zukunft des Diakonischen<br />
Werks.
„Regenbogen”<br />
Selbsthilfegruppe<br />
für Menschen mit<br />
Angststörungen<br />
und ihrer<br />
Angehörigen<br />
Ferienbetreuung<br />
Ferienprogramm<br />
Alleinerziehende<br />
Angehörige<br />
psychisch kranker<br />
Menschen im<br />
Raum <strong>Landshut</strong><br />
Offene Jugendund<br />
Familienhilfen<br />
Kontaktkreis<br />
Selbsthilfegruppe<br />
für depressive<br />
Menschen in<br />
Vilsbiburg<br />
Mutter-/ Vater-<br />
Kind-Kuren<br />
Schuldnerberatung<br />
Seniorengymnastik<br />
Empfang<br />
Tanzen im Sitzen<br />
Selbsthilfegruppe<br />
für depressive<br />
Menschen in<br />
<strong>Landshut</strong><br />
Ehe-, Familien- und<br />
Lebensberatung<br />
Betreutes Wohnen<br />
Altdorf<br />
Gärtnerei<br />
(in Planung)<br />
Netzwerk Autismus<br />
Niederbayern/<br />
Oberpfalz gGmbH<br />
(Beteiligung)<br />
Familienhilfen<br />
Fuhrpark<br />
Versicherungen<br />
Betreutes Wohnen<br />
Wolfgangsiedlung<br />
Schulmaterialladen<br />
„Buntstift“<br />
Autistenzentrum<br />
Reut (in Planung)<br />
Behinderte und<br />
ihre Freunde<br />
Selbsthilfegruppen<br />
Schulverweigerer -<br />
2. Chance<br />
Buchhaltung<br />
Betreutes Wohnen<br />
Klötzlmüllerviertel<br />
Geselliger<br />
Kreis<br />
Teestube<br />
Mobile<br />
Ökologiewerkstatt<br />
Plus<br />
Arbeitsvermittlung<br />
Integrationsfachdienst<br />
für Niederbayern<br />
Projektmitarbeiter<br />
Betreutes Wohnen<br />
Niedermayerviertel<br />
Nachmittagsbetreuung<br />
Buch am Erlbach<br />
Soziales<br />
Kompetenztraining<br />
Seniorennachmittag<br />
Offene<br />
Psychiatrische<br />
Hilfen<br />
Mobile<br />
Ökologiewerkstatt<br />
Personalabteilung<br />
Stammpersonal<br />
Betreutes Wohnen<br />
Daheim<br />
Schulsozialarbeit<br />
Arbeit für<br />
Jugendliche<br />
Plus<br />
Behindertenhilfe<br />
Offener<br />
Altenclub<br />
Ambulante<br />
Soziotherapie<br />
Gebrauchtwarenhaus<br />
Rottenburg<br />
100<br />
Verwaltungsleitung<br />
(in Planung)<br />
Matthäusstift<br />
<strong>Landshut</strong><br />
Wir um Fünfzig<br />
Elisabethstift<br />
Adlkofen<br />
(in Planung)<br />
Ökumenische<br />
Erziehungsberatung<br />
Arbeit für<br />
Jugendliche<br />
Patenmodell für<br />
Arbeitssuchende<br />
Verwaltung<br />
Beratungsbüro<br />
Niederaichbach<br />
Johannesstift<br />
Altdorf<br />
Sozialpsychiatrischer<br />
Dienst<br />
Angebote zur<br />
Kinderbetreuung<br />
Gebrauchtwarenhaus<br />
Vilsbiburg<br />
Seniorengruppen<br />
Matthäusstift<br />
<strong>Landshut</strong><br />
Arbeit für<br />
Erwachsene<br />
Plus<br />
Rottenburger Tafel<br />
Seniorenreisen<br />
<strong>Diakonie</strong>-<br />
Sozialstation<br />
<strong>Landshut</strong><br />
Betreutes<br />
Wohnen<br />
im Alter<br />
Johannesstift<br />
Altdorf<br />
Ambulant<br />
Betreutes<br />
Einzelwohnen<br />
Sozialpädagogische<br />
Familienhilfen<br />
(in Planung)<br />
Gebrauchtwarenhaus<br />
<strong>Landshut</strong><br />
Arbeit für<br />
Erwachsene<br />
Vilsbiburger Tafel<br />
Kirchliche<br />
Allgemeine<br />
Sozialarbeit<br />
Offene<br />
Altenhilfe<br />
Ambulante<br />
Altenhilfe<br />
Stationäre<br />
Altenhilfe<br />
Koordination<br />
Gemeindepsychiatrie<br />
Jugendhilfe<br />
<strong>Landshut</strong><br />
<strong>Landshut</strong>er Tafel<br />
Arbeitsprojekte<br />
<strong>Diakonie</strong> für Arbeit<br />
Connect<br />
Bezirksstelle<br />
Gremienarbeit<br />
Talentbörse<br />
Übergangswohnheim<br />
Haus <strong>Landshut</strong><br />
(in Planung)<br />
Bezirksstelle<br />
Altenhilfe<br />
Psychiatrische<br />
Hilfen<br />
Jugend- und<br />
Familienhilfen<br />
Berufliche<br />
Hilfen<br />
Ehrenamtliche<br />
Initiativen<br />
Straffälligenhilfe<br />
Stabsstelle,<br />
Controlling,<br />
Benchmarking<br />
Geschäftsführung<br />
Assistenz der<br />
Geschäftsführung<br />
Datenverarbeitung<br />
Sekretariat der<br />
Geschäftsführung<br />
Telekommunikation<br />
Spendenwesen<br />
Vorstand<br />
Kuratorium<br />
(Aufsichtsrat)<br />
Diakonisches Werk <strong>Landshut</strong> e. V.<br />
Mitgliederversammlung
Auf einen Blick: 100 Jahre <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong><br />
1909<br />
1912<br />
1913<br />
1914<br />
1946<br />
1948<br />
1952<br />
1953<br />
1955<br />
1962<br />
1973<br />
1975<br />
1976<br />
1978<br />
1983<br />
1985<br />
1986<br />
1987<br />
1988<br />
1991<br />
1992<br />
1994<br />
1997<br />
2001<br />
2005<br />
2006<br />
2008<br />
2009<br />
1947<br />
1949<br />
1972<br />
1988<br />
1999<br />
2000<br />
2000<br />
2001<br />
2003<br />
Evangelischer Frauenverein wird im Vereinsregister eingetragen<br />
Evangelischer <strong>Diakonie</strong>verein wird gegründet<br />
Erste Augsburger Diakonisse kommt nach <strong>Landshut</strong><br />
Gemeindestation in der Klötzlmüllerstraße 10 entsteht<br />
Evangelisches Hilfswerk wird gegründet<br />
Evangelischer <strong>Diakonie</strong>verein und Innere Mission werden zu einem Verein zusammengeführt<br />
Die Innere Mission unterhält Altersheime in <strong>Landshut</strong>, Vilsbiburg, Kronwinkl und Wildenberg,<br />
eine Gemeindepflege-Station, eine Haushalts- und Nähschule und ein Jugendwohnheim.<br />
Beginn der Kindergartenarbeit in einer Baracke am Gutenbergweg<br />
Umzug der Inneren Mission in das Gemeindehaus am Gutenbergweg<br />
Altersheim am Bettinaweg 11 wird eröffnet<br />
Aus der Inneren Mission wird nach Satzungsänderung das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> e.V.<br />
Ökumenische Erziehungsberatung sowie Ehe- und Lebensberatung werden gegründet<br />
Ferienprogramm der <strong>Diakonie</strong> startet, Treffpunkt für Alleinerziehende wird eröffnet<br />
Eröffnung der Sozialstation<br />
Sozialpsychiatrischer Dienst wird eingerichtet<br />
Wohnprojekt für Haftentlassene, erster Kurs für pflegende Angehörige<br />
Beginn des Jugendprojekts Arbeit, erste Teestube des SpDi für psychisch kranke Menschen<br />
Gründung der Mobilen Ökologiewerkstatt MÖWE<br />
Aussiedlerberatung in <strong>Landshut</strong> und ab 1991 in Dingolfing<br />
Schuldnerberatung wird ein selbständiger Fachdienst<br />
<strong>Landshut</strong>er Recyclingzentrum eröffnet<br />
Arbeit statt Sozialhilfe startet<br />
Eröffnung des Johannesstifts in Altdorf<br />
Einweihung des Matthäusstifts, Hab&Gut in Altdorf wird eröffnet<br />
Ambulante Soziotherapie startet<br />
Eröffnung von Hab&Gut in Vilsbiburg, Einrichtung des Fachdienstes Ambulant Betreutes Wohnen<br />
Hab&Gut in Rottenburg, die Rottenburger Tafel und der Schulmaterialladen Buntstift in <strong>Landshut</strong><br />
werden eröffnet, Ausbau der Jugendhilfe und Einrichtung einer Ganztagsbetreuung an der<br />
Hauptschule Buch am Erlbach<br />
Spatenstich für das Elisabethstift in Adlkofen<br />
Die Geschäftsführer der <strong>Diakonie</strong><br />
Willi Ludwig<br />
Diakon Gerhard Krocker<br />
Diakon Werner Heger<br />
Diakon Friedrich Schröder<br />
Nikolaus Fendler (kommissarisch)<br />
Sabine Frey<br />
Jürgen Meier<br />
Katrin Kalkowski<br />
Holger Peters<br />
(als geschäftsführender 2. Vorsitzender)<br />
101<br />
Die Vorsitzenden der <strong>Diakonie</strong><br />
Johanna von Jan (ab 1895)<br />
Maria Seidel (ab 1909)<br />
Pfarrer Georg Seidel (ab 1912)<br />
Pfarrer Johannes Wagner (ab 1933)<br />
Dekan Paul Krauß (ab 1950)<br />
Dekan Ernst Borger (ab 1966)<br />
Dekan Reinhard von Loewenich (ab 1978)<br />
Dekan Jürgen Wieber (ab 1988)<br />
Pfarrer Werner Fritz (ab 1993)<br />
Dekan Jürgen Wieber (ab 1997)<br />
Edgar Walter (kommissarisch 1998)<br />
Dekan Helmut Völkel (ab 1998)<br />
Dekan Siegfried Stelzner (seit 2003)
Literatur<br />
Blätter für Innere Mission in Bayern, 15. Jahrgang, Heft 11, November 1962<br />
Dannheimer, Erika / Knoch, Hans-Dieter (Hrsg.): 30 Jahre Evang.-Luth.<br />
Dekanat <strong>Landshut</strong> 1949-1979, <strong>Landshut</strong> 1979<br />
Ebermeier, Werner: <strong>Landshut</strong>, die 50er und 60er Jahre. Deutschland auf dem Weg zum<br />
Wirtschaftswunder, Horb am Neckar, 2006<br />
Evang.-Luth. Dekanat <strong>Landshut</strong> (Hrsg.): Pflügen auf Hoffnung. Ein Streifzug durch das<br />
Evangelische Dekanat <strong>Landshut</strong>, <strong>Landshut</strong> 1999<br />
Flierl, Hans: Ein Jahrhundert <strong>Diakonie</strong> in Bayern: Werk der Kirche und Wohlfahrtsverband,<br />
Claudius-Verlag, München 1988<br />
Flothow, Matthias: Evangelisch in <strong>Landshut</strong>, in: Stadt <strong>Landshut</strong> (2004), S. 405-431<br />
Heger, Werner: Diakonisch predigen. Predigten aus vier Jahrzehnten, Hersbruck 1996<br />
Honold, Matthias: Der unbekannte Riese _ Geschichte der <strong>Diakonie</strong> in Bayern,<br />
Hefte zur Bayerischen Geschichte und Kultur, Band 31, Augsburg 2004<br />
Kirchenvorstand der Christuskirche <strong>Landshut</strong> (Hrsg.): 100 Jahre Christuskirche <strong>Landshut</strong>,<br />
<strong>Landshut</strong> 1997<br />
Kowalsky, Susanne / Jell, Andreas (Hrsg.): Frauen im Licht – Frauen im Schatten.<br />
Eine <strong>Landshut</strong>er Frauengeschichte, <strong>Landshut</strong> 2005<br />
Kubatschka, Ute: Diakonissen in <strong>Landshut</strong>, in: Kowalsky, Susanne / Jell, Andreas (2005),<br />
S. 201-209<br />
Schäfer, Gerhard K. / Herrmann, Volker: Geschichtliche Entwicklungen der <strong>Diakonie</strong>, in: Ruddat,<br />
Günter / Schäfer, Gerhard K. (Hrsg.), Diakonisches Kompendium, Göttingen 2005, 36-67.<br />
Spitzlberger, Georg: <strong>Landshut</strong>er Stadtchronik 1970 – 1990, Band III, <strong>Landshut</strong> 1998<br />
Stadt <strong>Landshut</strong> (Hrsg.): „Weitberühmt und vornehm …“. <strong>Landshut</strong> 1204 – 2004, Beiträge zu 800<br />
Jahren Stadtgeschichte, <strong>Landshut</strong> 2004<br />
Tausche, Gerhard (2004): Zwischen den Weltkriegen, in: Stadt <strong>Landshut</strong> (2004), S. 475-484<br />
102
Anmerkungen<br />
1 Protokoll der Gründungsversammlung 1895 (Archiv des DW <strong>Landshut</strong>)<br />
2 Archiv des DW <strong>Landshut</strong><br />
3 Vgl. zur Situation der Diakonissen im folgenden Kubatschka (2005), S. 201 ff.<br />
4 Schreiben von Maria Seidel an den Ev. <strong>Diakonie</strong>vereins im Jahr 1918(Archiv Dekanat <strong>Landshut</strong>)<br />
5 Schreiben der Ev. Diakonissenanstalt Augsburg vom 13.11.1917 (Archiv des DW <strong>Landshut</strong>)<br />
6 Schreiben von Pfarrer Georg Seidel vom 3.6.1919 (Archiv des DW <strong>Landshut</strong>)<br />
7 Schreiben der Ev. Diakonissenanstalt Augsburg vom 26.7.1922 (Archiv des DW <strong>Landshut</strong>)<br />
8 Vgl. Honold (2004), S. 36 f.<br />
9 Kubatschka (2005), S. 205, Archiv der Diakonissenanstalt Augsburg Stationsheft <strong>Landshut</strong><br />
10 Vgl. Mietverträge mit dem Evangelischen <strong>Diakonie</strong>verein (Archiv des DW <strong>Landshut</strong>)<br />
11 Vgl. Flothow (2004), S. 197 f.<br />
12 Honold (2004), S. 40 ff.<br />
13 Der Martha-Verein wurde von den Augsburger Diakonissen betreut, der Mädchenbibelkreis<br />
vom Stadtvikar; vgl. Kirchenvorstand der Christuskirche <strong>Landshut</strong> (1997), S. 84 f.<br />
14 Kubatschka (2005), S. 206<br />
15 Schreiben des Amtes für Volkswohlfahrt vom 13. Juni 1934 (Akte Nr. 251,<br />
Archiv der Christuskirche <strong>Landshut</strong>)<br />
16 Schreiben des Landesvereins für Innere Mission von 7. Mai 1934<br />
(Akte Nr. 251, Archiv der Christuskirche <strong>Landshut</strong>)<br />
17 Schreiben des Landesvereins für Innere Mission vom 9.8.1938 (Akte Nr. 251,<br />
Archiv der Christuskirche <strong>Landshut</strong>)<br />
18 Schreiben von Pfarrer Wagner vom 17. April 1937 (Archiv des DW <strong>Landshut</strong>)<br />
19 Schreiben der Ev. Diakonissenanstalt Augsburg vom 28.4.1937 (Archiv des DW <strong>Landshut</strong>)<br />
20 Kubatschka (2005), S. 206<br />
21 Archiv der Christuskirche <strong>Landshut</strong><br />
22 Vgl. Kubatschka (2005), S. 207<br />
23 Richtlinien für das Evangelische Hilfswerk (Archiv des DW <strong>Landshut</strong>)<br />
24 Amtsblatt vom 6. Juni 1947 (Archiv Christuskirche <strong>Landshut</strong>)<br />
25 Archiv Christuskirche <strong>Landshut</strong><br />
26 Schreiben vom 19. Mai 1948 (Archiv des DW <strong>Landshut</strong>)<br />
27 Vgl. Flothow (2004), S. 425<br />
28 Akte D4/44 1949–1962 (Archiv des Dekanats <strong>Landshut</strong>)<br />
29 Vgl. Dannheimer/Knoch (1979), S. 68<br />
30 Akte D4/44 1949-1962 (Archiv des Dekanats <strong>Landshut</strong>)<br />
31 Vgl. Dannheimer/Knoch (1979), S. 66<br />
32 Dannheimer/Knoch (1979), S. 67, Zitat Diakon Gerhard Krocker<br />
33 Isarpost vom 8.6.1954<br />
34 Vilsbiburger <strong>Zeit</strong>ung vom 15. Juli 1966, S. 11<br />
35 Vgl. Ebermeier (2006)<br />
36 Die Friedlandhilfe wurde 1957 gegründet, um die Arbeit der Wohlfahrtsverbände in den<br />
Flüchtlings- und Vertriebenenlagern Deutschlands mit ausreichenden Finanzmitteln aus<br />
privaten Spenden zu versorgen.<br />
37 Vgl. <strong>Landshut</strong>er <strong>Zeit</strong>ung vom 21. Juli 1962<br />
38 Vgl. Heger (1996), S. 239 ff.<br />
39 Das goldene Kronenkreuz kann nach mindestens 15jähriger haupt-, neben- oder<br />
ehrenamtlicher Tätigkeit im Diakonischen Bereich als besondere Ehrung verliehen werden.<br />
40 Vgl. <strong>Landshut</strong>er <strong>Zeit</strong>ung vom 19.9.1998<br />
41 Das Dekanat <strong>Landshut</strong> umfasste damals Stadt und Landkreis <strong>Landshut</strong> und die Landkreise<br />
Dingolfing-Landau, Freising und Erding.<br />
42 Vgl. jeweilige Jahresberichte der Aussiedlerberatung (Archiv des DW <strong>Landshut</strong>)<br />
43 In den drei großen Übergangswohnheimen in Dingolfing und <strong>Landshut</strong> standen insgesamt<br />
1000 Plätze zur Verfügung, weitere 650 Unterkunftsplätze gab es in Ausweichquartieren.<br />
44 <strong>Landshut</strong>er <strong>Zeit</strong>ung vom 19.3.1997<br />
45 Vgl. <strong>Landshut</strong>er <strong>Zeit</strong>ung vom 15.3.1997<br />
46 <strong>Landshut</strong>er <strong>Zeit</strong>ung vom 25.7.2002<br />
47 <strong>Landshut</strong>er <strong>Zeit</strong>ung vom 23.9.2002<br />
103
Bildnachweis<br />
Archiv Christuskirche:<br />
Archiv <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong>:<br />
Bauer, Elisabeth-Maria:<br />
Fronauer, Edeltraud:<br />
Hackl, Raimund:<br />
Kraus Immobilien:<br />
Litvai, Peter:<br />
Ritterbusch, Manfred:<br />
Skordou, Therese:<br />
wob Immobilien:<br />
Aus: 100 Jahre Christuskirche<br />
<strong>Landshut</strong> (1997):<br />
104<br />
8, 12, 16, 24, 26 oben, 83<br />
40 unten, 46, 47, 48, 49, 52, 54, 55 unten,<br />
56 links, 57, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 67<br />
rechts, 68, 70, 71, 72, 74, 78, 79 3. und<br />
4. Bild von oben, 84, 86 oben, 87, 88, 89,<br />
90, 91, 92, 96<br />
27, 41, 44, 50, 86 unten<br />
2, 20, 21, 22, 23, 25, 26 Mitte, 27 oben, 28,<br />
29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39,<br />
42, 43, 53, 55 oben, 56 rechts,<br />
63 oben links, 66, 67 links, 69, 73, 80<br />
79 1. und 2. Bild von oben,<br />
Titelbild, 5, 45, 58, 77, 85, 95, 99, 105<br />
94<br />
93<br />
97<br />
17, 18
Dank<br />
Eine Chronik zu schreiben, ist wie ein Puzzle zu legen: Selten findet man die richtigen<br />
Teile sofort. Manchmal findet man Teile, nach denen man gar nicht gesucht hat. Überraschenderweise<br />
passen sie doch und bringen neue Informationen. Manche Teilstücke<br />
und Bildsegmente hingegen bleiben trotz intensiven Suchens unauffindbar.<br />
Am Ende dieser Puzzle-Arbeit steht eine bunte, wenn auch sicher unvollständige und<br />
zwangsläufig subjektive historische Darstellung. Möglich wurde sie nur durch die vielfältige<br />
Hilfe vieler Personen.<br />
An dieser Stelle möchte ich meinen Interviewpartnern in und außerhalb der <strong>Diakonie</strong><br />
<strong>Landshut</strong> für die <strong>Zeit</strong> danken, die sie mir zur Verfügung gestellt haben. Ebenso herzlich<br />
bedanke ich mich bei den zuvorkommenden Mitarbeitern des Stadtarchivs <strong>Landshut</strong> um<br />
Herrn Gerhard Tausche, bei allen ehemaligen und aktuellen Beschäftigten des Diakonischen<br />
Werks für ihre freundliche Unterstützung, bei Frau Ludwina Klankermeier und<br />
Herrn Eduard Ringlstetter für die Nachhilfe in Sütterlin, bei Barbara Priehäußer (<strong>Diakonie</strong>),<br />
Susanna Schneider (Dekanat <strong>Landshut</strong>) und Roswita Reimann (Christuskirche<br />
<strong>Landshut</strong>) für ihre Hilfe in Archivfragen sowie bei Frau Edeltraud Fronauer für die schönen<br />
historischen Fotos.<br />
Mein besonderer Dank gilt meinem Lektor, Herrn Gernot Häublein, für seine fürsorgliche<br />
Betreuung und seine professionellen Ratschläge in allen Problemlagen. Nicht zuletzt<br />
bedanke ich mich bei meiner Familie für ihre geduldige Rücksichtnahme und bei<br />
allen anderen Menschen, die mich beim Suchen der Puzzle-Teile unterstützt haben.<br />
Dr. Elisabeth-Maria Bauer<br />
105
www.diakonie-landshut.de<br />
„Im Mittelpunkt der Mensch“ beschreibt bilder- und detailreich die Entstehungsetappen<br />
des Diakonischen Werks <strong>Landshut</strong> – vom Evangelischen<br />
Frauenverein bis heute. Am Beispiel des Wohlfahrtsverbandes wird die<br />
Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts in Dokumenten, <strong>Zeit</strong><strong>zeugen</strong>berichten<br />
und Lesetexten lebendig: Weltwirtschaftskrise, Repressalien während des<br />
NSDAP-Regimes, Nachkriegsnot, Flüchtlings- und Vertriebenenströme und<br />
Arbeitslosigkeit stellten den <strong>Diakonie</strong>verein immer vor neue Herausforderungen.<br />
Christliche Nächstenliebe und Pragmatismus prägten dessen Hilfeleistungen.<br />
Aufgrund der veränderten sozialpolitischen Rahmenbedingungen<br />
weiteten sich die Aufgabenbereiche der <strong>Diakonie</strong> schließlich aus, die Dienste<br />
spezialisierten sich.<br />
Mit einem breiten professionellen Leistungsspektrum stellt sich das Diakonische<br />
Werk heute den aktuellen gesellschaftlichen Nöten und begegnet<br />
ihnen mit geeigneten neuen Projekten. Der Blick auf ein Jahrhundert wohltätiger<br />
Arbeit zeigt: Im Mittelpunkt diakonischer Tätigkeit stehen die individuellen<br />
Bedürfnisse des einzelnen Menschen.<br />
100<br />
JAHRE<br />
<strong>Diakonie</strong><br />
<strong>Landshut</strong>