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Zeit zeugen - Diakonie Landshut

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100<br />

JAHRE<br />

<strong>Diakonie</strong><br />

<strong>Landshut</strong><br />

Elisabeth-Maria Bauer<br />

Im Mittelpunkt der Mensch<br />

100 Jahre <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong>


Im Mittelpunkt der Mensch<br />

100 Jahre <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong>


2009<br />

Herausgeber: Diakonisches Werk des Evangelisch-Lutherischen Dekanatsbezirkes <strong>Landshut</strong> e.V.<br />

Gabelsbergerstraße 46, 84034 <strong>Landshut</strong><br />

Autorin: Dr. Elisabeth-Maria Bauer<br />

Lektorat: Gernot Häublein, DAS TEXTBÜRO, Altfraunhofen<br />

Layout: Andreas Niederhuber, freistil grafik&design, München<br />

Druck: Pinsker Druck und Medien, Mainburg


In der vorliegenden Publikation werden 100 Jahre Geschichte lebendig. Facettenreich<br />

und bunt zeichnet die Chronik ein Bild unserer <strong>Landshut</strong>er <strong>Diakonie</strong>, das turbulente<br />

<strong>Zeit</strong>en und Phasen der Hilflosigkeit ebenso darstellt wie <strong>Zeit</strong>en voller Innovationsfreude<br />

und kraftvollen Aufbruchs. Bei Kennern des Diakonischen Werks werden vielfältige<br />

Erinnerungen geweckt – etwa an bekannte Personen, an Begebenheiten oder an einschneidende<br />

Ereignisse. Doch auch für alle, die mit den <strong>Landshut</strong>er<br />

Verhältnissen wenig vertraut sind, ist die Lektüre lohnend. Denn vor<br />

dem Leser breiten sich 100 Jahre Sozialgeschichte aus.<br />

Das 20. Jahrhundert mit seinen beiden Weltkriegen, mit der <strong>Zeit</strong> des<br />

Nationalsozialismus, der Not nach 1945 oder den Sozialreformen in<br />

den Siebzigerjahren bildete den Hintergrund für das diakonische Handeln.<br />

Die Bedürfnisse und die speziellen Fragestellungen der jeweiligen<br />

<strong>Zeit</strong> wurden aufgegriffen und mit geeigneten Taten beantwortet: So<br />

haben beispielsweise die Diakonissen im ersten Evangelischen Altenheim<br />

in den 1930er-Jahren auch Schüler vom Land aufgenommen, um<br />

ihnen den Besuch einer weiterführenden Schule zu ermöglichen. In der<br />

Nachkriegszeit verteilte die Innere Mission – wie die <strong>Diakonie</strong> damals hieß – Lebensmittelspenden,<br />

und sie qualifizierte arbeitslose Jugendliche für einen Beruf. In den nachfolgenden<br />

Jahrzehnten entstand ein wertvolles Netz aus Beratungsstellen und professionalisierten<br />

Fachdiensten.<br />

Immer hat die <strong>Diakonie</strong> Antworten gesucht auf die aktuellen Herausforderungen der<br />

<strong>Zeit</strong>. Es war pragmatische Hilfe, die geleistet wurde. Es wurde wenig theoretisiert und<br />

analysiert, im Vordergrund stand die Tat; doch die war gut durchdacht, solide vorbereitet<br />

und sie wurde sorgfältig ausgeführt. Immer geschah sie aus dem Glauben heraus,<br />

dass uns Gott in den Armen und Hilfsbedürftigen nahe ist.<br />

„Was willst du, dass ich für dich tun soll?“ fragt Jesus im Evangelium einen Blinden,<br />

der zu ihm kommt (Lukas 18, 41). Die <strong>Diakonie</strong> orientiert sich an Jesus. Auch sie sieht<br />

die Nöte der Menschen und fragt nach deren Bedürfnissen. Und sie hilft wie er – ohne<br />

Unterschiede zu machen und ohne Einschränkungen. Ich bin stolz, dass die <strong>Diakonie</strong><br />

durch ihr vielfältiges karitatives Handeln die soziale Landschaft im Dekanat <strong>Landshut</strong><br />

mit geprägt hat. Möge sie sich ihren wachen Blick bewahren und weiterhin mit der richtigen<br />

Hilfe auf die Anforderungen der Zukunft reagieren.<br />

Siegfried Stelzner, Dekan<br />

1. Vorsitzender des Diakonischen Werks <strong>Landshut</strong><br />

Vorwort


Frauen machten den Anfang<br />

Die diakonische Tätigkeit in <strong>Landshut</strong> beginnt mit dem Engagement<br />

einiger tatkräftiger Frauen am Ende des 19. Jahrhunderts. Sie beteiligen<br />

sich am Bau der Christuskirche, helfen Armen und besuchen<br />

Kranke. Wenige Jahre später entsteht der Evangelische Frauenverein<br />

(1909 bis 1912).<br />

12<br />

Seite<br />

Nachkriegszeit: Aufbauarbeit<br />

und Hilfe in der Not<br />

Die <strong>Zeit</strong> nach dem Zweiten Weltkrieg ändert für die <strong>Diakonie</strong> viel:<br />

Das Dekanat <strong>Landshut</strong> wird gegründet und ebenso die Innere<br />

Mission, die die Arbeit des <strong>Diakonie</strong>vereins übernimmt. Die<br />

Landeskirche ruft das Evangelische Hilfswerk ins Leben, um die<br />

zahlreichen Probleme in der Nachkriegsnot zu bewältigen.<br />

2<br />

Die 1960er-Jahre:<br />

Ausbau der Altenhilfe<br />

4<br />

Fürsorge für Arme und Kranke:<br />

Der evangelische <strong>Diakonie</strong>verein<br />

Es ist die Tätigkeit der Diakonissen, die den Evangelischen <strong>Diakonie</strong>verein<br />

(1912 bis 1948) prägt: Mit der Leitung des ersten evangelischen Altersheimes,<br />

der Jugendarbeit, der Fürsorgearbeit für Bedürftige und der ambulanten Pflege<br />

der Kranken sind die Schwestern gefordert und aufgrund von Kriegsnot,<br />

politischer Zwänge und übergroßer Aufgabenfülle nicht selten überfordert.<br />

3<br />

1<br />

8Seite<br />

22<br />

Seite<br />

Der fortschreitende wirtschaftliche Aufschwung in den 1960er-Jahren<br />

bringt für die Wohlfahrtsverbände ein großes Personalproblem mit sich:<br />

Die Arbeitsnehmer wandern in die lukrativere industrielle Produktion ab<br />

und stehen für soziale Tätigkeiten nicht mehr zur Verfügung. Hinzu kommt,<br />

dass die Diakonissen-Mutterhäuser aufgrund rückläufiger Eintritte mit<br />

Schwesternmangel kämpfen. Daher geht in <strong>Landshut</strong> und kurze <strong>Zeit</strong> später<br />

auch in Vilsbiburg die <strong>Zeit</strong> der Diakonissen zu Ende.<br />

36<br />

Seite


45<br />

Seite<br />

In der Zerreißprobe: Investitions-<br />

und Krisenzeit der <strong>Diakonie</strong><br />

In den 1990er-Jahren stehen für das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> umfangreiche<br />

Investitionen an, gleichzeitig gehen die Spendenbeträge zurück und öffentliche<br />

Zuschüsse werden gekürzt, sodass sich notwendige finanzielle Einschränkungen<br />

abzeichnen. Dass allerdings am Ende dieses Jahrzehnts die gesamte <strong>Landshut</strong>er<br />

<strong>Diakonie</strong> eine materielle und immaterielle Krise von existenzbedrohenden<br />

Ausmaßen durchleiden wird, ist zu diesem <strong>Zeit</strong>punkt noch nicht vorstellbar.<br />

Der Aufbruch<br />

7<br />

85Seite<br />

Das Jahr 2003 verspricht spannend zu werden, da mit Siegfried Stelzner<br />

und Holger Peters ein neuer Dekan und ein neuer Geschäftsführer in die<br />

Leitungsebene des Diakonischen Werks wechseln. Um die vorhandenen<br />

Probleme zu bewältigen, bedarf es allerdings erheblicher gemeinsamer<br />

Anstrengungen.<br />

5<br />

Die <strong>Diakonie</strong> auf dem Weg in die Zukunft<br />

96<br />

Seite<br />

Inhalt<br />

Das Diakonische Werk auf Expansionskurs<br />

Die Ausweitung der Sozialgesetzgebung in Deutschland führt dazu, dass<br />

sich die soziale Arbeit immer mehr ausdifferenziert und vielfältige neue<br />

Aufgabenbereiche entstehen. Aus der Inneren Mission <strong>Landshut</strong> wird im<br />

Jahr 1973 das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> mit diversen Fachdiensten,<br />

offenen Gruppenangeboten und einer steigenden Zahl von Beschäftigten.<br />

74<br />

6<br />

Seite<br />

Fit für die Zukunft: Neben den traditionellen diakonischen Aufgaben<br />

wird die <strong>Diakonie</strong> mit neuen Projekten auf neue gesellschaftliche<br />

Bedürfnisse reagieren. Dabei nehmen ökonomische Zwänge in<br />

einem umkämpften Sozialmarkt mit begrenzten Mittelzuweisungen<br />

immer stärker Einfluss auf Entscheidungen.<br />

8


1<br />

Die Christuskirche wird gebaut (1894 bis 1897): Auf und unter dem Baugerüst befanden sich etwa<br />

80 Maurer, Handlanger und Frauen, die auch „Mörtel-Weiber“ genannt wurden. Sie waren meist<br />

freiwillige Helferinnen der evangelischen Gemeinde, die Baumaterial schleppten.<br />

8 Der evangelische Frauenverein 1909-1912


Frauen machten den Anfang<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> präsentiert sich heute als ein in Stadt und Landkreis<br />

etablierter Wohlfahrtsverband, der vielfältige soziale Dienste mit einem breiten Leistungsspektrum<br />

anbietet. Umso bemerkenswerter ist sein Ursprung: Begonnen hat die diakonische<br />

Tätigkeit mit dem Engagement einiger tatkräftiger Frauen am Ende des 19. Jahrhunderts.<br />

Handarbeiten für die Christuskirche<br />

Heutzutage würde sich die Frauengruppe, die sich am<br />

1. Oktober 1895 in der Münch’schen Gastwirtschaft<br />

versammelte, möglicherweise „Förderverein Christuskirche“<br />

nennen. Damals hatte Johanna von Jan, die Ehefrau<br />

des Stadtpfarrers, eingeladen, um mit insgesamt 54<br />

Frauen den Evangelischen Frauenverein <strong>Landshut</strong> zu<br />

gründen. In erster Linie ging es darum, zum Bau der<br />

Christuskirche beizutragen. Zusätzlich waren wohltätige<br />

Zwecke, wie die Unterstützung von Armen und Kranken,<br />

angedacht: „Es werden sich in unserer Gemeinde, besonders<br />

unter den junge Damen und Fräulein, geübte<br />

Stickerinnen finden, welche gerne mit Hand anlegen, um<br />

unserer Gotteshaus würdig schmücken zu helfen. Auch<br />

den Armen und Kranken werden wir Frauen öfter<br />

Gelegenheit finden, tätig und hilfsbereit zu sein, sei es<br />

durch Unterstützung der Bedürftigen mit milden Gaben<br />

oder sei es auch durch Bezeugung unserer fürsorglichen<br />

Teilnahme an dem Ergehen unserer in Not geratenen<br />

Gemeindemitglieder.“ 1<br />

Die evangelische Pfarrgemeinde in <strong>Landshut</strong> umfasste<br />

damals nur 1200 Gläubige. Frauen hatten noch<br />

wenig Gelegenheit, sich aktiv am öffentlichen gesellschaftlichen<br />

Leben zu beteiligen. Dennoch gelang es den<br />

Mitgliedern des Frauenvereins, mit den unterschiedlichsten<br />

Veranstaltungen, wie dem Verkauf von Handarbeiten,<br />

Gelder einzuwerben, so dass zur Kircheneinweihung<br />

vier Paar Leuchter sowie zwei Kanzel- und Altartücher<br />

gespendet werden konnten.<br />

Der evangelische Frauenverein 1909-1912<br />

Als im Oktober 1908 eine Generalversammlung des<br />

Frauenvereins abgehalten wurde, konnte die Vereinsgründerin,<br />

Johanna von Jan, aus gesundheitlichen<br />

Gründen nicht mehr teilnehmen. Maria Seidel, die Frau<br />

des neuen evangelischen Stadtpfarrers Georg Seidel, leitete<br />

die Sitzung und erklärte die Anstellung einer Gemeindeschwester<br />

zum nächsten wichtigen Vereinsziel.<br />

An der Notwendigkeit einer eigenen Diakonisse in der<br />

Diaspora <strong>Landshut</strong> bestand kein Zweifel, zumal es in<br />

anderen nahen Städten wie Straubing bereits seit Jahren<br />

Diakonissen gab, die mit der Gemeindearbeit ausgelastet<br />

waren. Dazu musste jedoch die finanzielle Basis, die<br />

bisher nur aus einem kleinen Fonds in Höhe von 200<br />

Mark und Rücklagen in Höhe von 600 Mark bestand,<br />

erweitert werden.<br />

9<br />

Über die<br />

Erweiterung des<br />

Frauenvereins<br />

wurde auch im<br />

„Kurier von<br />

Niederbayern“<br />

berichtet.


Der evangelische Frauenverein<br />

wird gegründet<br />

Als ersten Schritt veranlasste die neue Vorsitzende Maria<br />

Seidel die Registrierung des seit Jahren bestehenden<br />

Vereins: Am 2. März 1909 wurde beim Königlichen Amtsgericht<br />

<strong>Landshut</strong> die Satzung des Evangelischen Frauenvereins<br />

errichtet. Dieses historische Datum gilt als Gründungstag<br />

des Diakonischen Werks <strong>Landshut</strong>.<br />

In der folgenden <strong>Zeit</strong> versuchten die Frauen beharrlich,<br />

mit Verlosungen, Konzertveranstaltungen, dem Verkauf<br />

von Handarbeiten und ihren Mitgliedsbeiträgen die<br />

Ersparnisse des Vereins zu vergrößern, um ihren Plan<br />

einer eigenen Diakonissenstation umsetzen zu können.<br />

Für die Anstellung einer Gemeindeschwester kalkulierten<br />

sie einen Jahresbetrag von 800 Mark.<br />

Als einige Jahre später die Finanzen für eine Diakonissenstation<br />

immer noch nicht ausreichten, wurde<br />

beschlossen, den Frauenverein zu öffnen. So heißt es im<br />

Protokoll der Mitgliederversammlung vom 29.10.1912:<br />

„Eine wesentliche Änderung besteht darin, dass statt<br />

bisher Frauen und Jungfrauen als Mitglieder des Vereins<br />

nunmehr alle unbescholtenen Gemeindemitglieder Mitglieder<br />

werden können.“ 2 Vor diesem Hintergrund entstand<br />

der Evangelische <strong>Diakonie</strong>verein <strong>Landshut</strong> als ein<br />

Wohltätigkeitsverein. Sein Vorläufer, der Evangelische<br />

Frauenverein, wurde integriert.<br />

Schon ein Jahr später ging der Wunsch der Gemeindemitglieder<br />

in Erfüllung: Im November 1913 kam Schwester<br />

Marie Benker als erste Augsburger Diakonisse nach<br />

<strong>Landshut</strong>. Damit begann ein langer und wichtiger <strong>Zeit</strong>abschnitt,<br />

in dem die Diakonissen den sozialen Dienst in<br />

der Diasporagemeinde <strong>Landshut</strong> übernahmen.<br />

Im Kassenbuch wurden alle Einnahmen und<br />

Ausgaben mit exakter Handschrift festgehalten.<br />

10 Der evangelische Frauenverein 1909-1912<br />

Die kirchliche<br />

Armenpflege und<br />

die Anstellung von<br />

Gemeindediakonissen<br />

waren in der Satzung<br />

festlegt.


Der evangelische Frauenverein 1909-1912<br />

11<br />

Vorstandsmitglieder


2<br />

Gemeindestation und Altenheim standen<br />

unter der Leitung von Augsburger Diakonissen.<br />

Fürsorge für Arme und Kranke:<br />

Der evangelische <strong>Diakonie</strong>verein<br />

<strong>Landshut</strong><br />

Es war die Tätigkeit der Diakonissen, die das Wirken des Evangelischen <strong>Diakonie</strong>vereins<br />

(1912 bis 1948) prägte: Die Leitung des ersten evangelischen Altersheimes, Jugendarbeit,<br />

die Fürsorgearbeit für Bedürftige und die ambulante Pflege der Kranken in der Gemeinde –<br />

in diesen unterschiedlichen sozialen Aufgabenbereichen waren die Schwestern gefordert<br />

und nicht selten überfordert. Kriegsnot, politische Zwänge und die Armut in dieser <strong>Zeit</strong><br />

steigerten die persönliche Belastung für manche Pflegerin ins Unerträgliche. Die Erinnerung<br />

an die aus dem Glauben heraus hilfstätigen Diakonissen ist bei vielen <strong>Landshut</strong>ern bis<br />

heute in positiver Weise erhalten.<br />

12 Der evangelische <strong>Diakonie</strong>verein 1912-1948


Die Gemeindepflegestation entsteht<br />

Nach Verhandlungen mit dem Evangelischen <strong>Diakonie</strong>verein<br />

entsandte das Mutterhaus in Augsburg im Jahr<br />

1913 die erste Diakonisse, Marie Benker, nach <strong>Landshut</strong>.<br />

Hier erwarteten die Schwester die schwierigen Verhältnisse<br />

einer Diasporagemeinde. Da noch kein vereinseigener<br />

Wohnraum zur Verfügung stand, bezog sie zwei<br />

angemietete möblierte Zimmer. 3 Diese Wohnsituation<br />

war für die Schwester unbefriedigend und aufgrund häufig<br />

gestörten Schlafes so belastend, dass sogar ein Neubau<br />

überlegt wurde. Schließlich konnte der <strong>Diakonie</strong>verein<br />

kurz vor Ausbruch des ersten Weltkriegs von den<br />

Eheleuten Schmidtbauer ein Anwesen in der Klötzlmüllerstraße<br />

10 erwerben. Dort entstand nicht nur die ersehnte<br />

Gemeindediakonie-Station, sondern auch das<br />

erste evangelische Altenstift <strong>Landshut</strong>s.<br />

Der erste Weltkrieg stellte den <strong>Diakonie</strong>verein vor<br />

neue und unvorhergesehene Aufgaben. So schrieb die<br />

Vorstandschaft im September 1914: „Zudem hat sich<br />

das Bedürfnis geltend gemacht, unseren nicht schulpflichtigen<br />

evangelischen Kindern ein Heim in Gestalt<br />

einer Kinderbewahranstalt zu schaffen.“ Auch wäre dringend<br />

eine zweite Gemeindeschwester nötig gewesen.<br />

Der evangelische <strong>Diakonie</strong>verein 1912-1948<br />

Es fehlten jedoch die finanziellen Mittel. Kriegsbedingt<br />

war die noch junge Gemeindestation in der Klötzlmüllerstraße<br />

bald verwaist: Schwester Marie Benker wurde<br />

1915 aus <strong>Landshut</strong> abberufen, um Verwundete in den<br />

Lazaretten zu pflegen. In den folgenden vier Jahren blieb<br />

die Station unbesetzt.<br />

Dass schließlich trotz aller Schwierigkeiten nach<br />

Kriegsende eine funktionierende Gemeindestation entstand,<br />

war ein entscheidender Verdienst von Maria<br />

Seidel, der früheren Vorsitzenden des Evangelischen<br />

Frauenvereins. Denn die Vorstandschaft war – angesichts<br />

des jahrelang leer stehenden Gebäudes – entschlossen,<br />

das Anwesen in der Klötzlmüllerstraße zu verkaufen.<br />

Maria Seidel schrieb vor der Mitgliederversammlung im<br />

Jahr 1918 an den Vorstand: „Ich kann es mit meinem<br />

Gewissen nicht vereinbaren, zu diesem dem Vereinszweck<br />

zuwider laufenden Schritt auch nur durch Stillschweigen<br />

meine Zustimmung zu geben und sehe mich<br />

daher zu meinem Bedauern veranlasst, aus der Vorstandschaft<br />

auszuscheiden.“ 4 Das Haus wurde nicht verkauft.<br />

Und als im März 1919 Schwester Marie Spörner<br />

nach <strong>Landshut</strong> kam und ein Jahr später zusätzlich<br />

Margarete Semmer, konnte die Gemeindepflege in der<br />

<strong>Diakonie</strong>station endgültig beginnen.<br />

13<br />

1912 umfasste die<br />

Evangelische Gemeinde<br />

in der Stadt <strong>Landshut</strong><br />

nur 1302 Mitglieder.


Erste Pflegesätze<br />

Den Diakonissen-Mutterhäusern war es ein Anliegen,<br />

dass die Dienste ihrer Gemeindeschwestern unentgeltlich<br />

angeboten wurden und insbesondere den hilfsbedürftigen<br />

und unbemittelten Bürgern zugute kamen. Es<br />

wurde zwar eingeräumt, dass in Diasporagemeinden wie<br />

<strong>Landshut</strong> viel Privatpflege angefragt würde. Private und<br />

längere Einzelpflege in Familien sollte jedoch nur dann<br />

geleistet werden, wenn der allgemeine Dienst der<br />

Schwestern dies zuließe. 5<br />

Da dem Evangelischen <strong>Diakonie</strong>verein die Finanzierung<br />

der Diakonissenstation nicht leicht fiel, geriet die<br />

Entlohnung der Gemeindeschwestern immer wieder zum<br />

Diskussionsthema. Im April 1919 wurden Fragebögen an<br />

verschiedene Pfarrämter (Bamberg, Passau, Eichstätt,<br />

Regensburg, Rosenheim, Straubing) verschickt, bei<br />

denen ähnliche Diasporaverhältnisse vorlagen, um nachzufragen,<br />

wie dort die Pflegedienste der Diakonissen<br />

entschädigt wurden. Man kam zu dem Entschluss, die<br />

Entlohnung der Schwestern den Familien als eine freiwillige<br />

Gabe selbst zu überlassen. Auch aus sozialen<br />

Gründen und moralischer Verpflichtung riet der <strong>Diakonie</strong>vorsitzende<br />

Pfarrer Georg Seidel von festen Pflegesätzen<br />

ab: „Der Dienst einer Gemeindeschwester ist geeignet,<br />

einer kurzsichtigen, lieblosen Welt, die nur rohe materielle<br />

Rücksichten kennt, etwas von einem christlichen<br />

Ideal der Uneigennützigkeit und der helfenden Liebe<br />

merken zu lassen.“ 6<br />

Infolge der Inflation zu Beginn der 1920er-Jahre spitzte<br />

sich die wirtschaftliche Situation im Evangelischen<br />

<strong>Diakonie</strong>verein zu. Es wurde überlegt, mit welcher Art<br />

von Veranstaltungen man zu Einnahmen gelangen könnte,<br />

etwa mit einem Bunten Abend oder doch besser mit<br />

einem Kirchenkonzert? Zudem bat Pfarrer Seidel die<br />

Vereinsmitglieder, ihre Beiträge aufgrund der Geldentwertung<br />

freiwillig zu erhöhen. Schließlich konnten die<br />

Dienste der Diakonissen nicht länger unentgeltlich angeboten<br />

werden. 1921 erließ der <strong>Diakonie</strong>verein Richtlinien<br />

für die Entschädigung: Mitglieder mussten für die Tagespflege<br />

vier Mark, für die Nachtpflege sechs Mark bezahlen.<br />

Nichtmitglieder hatten für die Tagespflege fünf Mark,<br />

für die Nachtpflege sieben Mark zu entrichten. Massage,<br />

Bäder und Wickel kosteten für alle gleichermaßen zwei<br />

Mark, Injektionen eine Mark.<br />

Die galoppierende Inflation während der Währungskrise<br />

brachte große finanzielle Nöte. Waren es ursprüng-<br />

lich 500 Mark jährlich, die der <strong>Diakonie</strong>verein als Entgelt<br />

für eine Schwester an die Diakonissenanstalt in Augsburg<br />

abführen musste, so erhöhte sich der Beitrag rapide:<br />

Im Juli 1922 musste das jährliche Stationsentgelt<br />

bereits von 2000 auf 3600 Mark erhöht werden. Dazu<br />

schrieb Christian Caselmann, Rektor des Diakonissenmutterhauses<br />

in Augsburg: „Nur schweren Herzens und<br />

dem Zwang der Verhältnisse folgend gehen wird daran,<br />

die Stationen um erhöhte Jahresleistung für die Ihnen<br />

überlassenen Diakonissen zu ersuchen. (…) Wir bitten,<br />

diese unliebe Mitteilung als eine aus der Not hervorgegangene<br />

aufnehmen zu wollen.“ 7 Ab Juli 1923 wurden<br />

100 000 Mark monatlich gefordert, am 1. September<br />

waren es schließlich zwei Millionen Mark, die an die<br />

Diakonissenanstalt abgeführt werden sollten. Hinzu<br />

kam, dass auch die Evangelische Gemeinde in den<br />

zurück liegenden Jahren mit den Schulden für den Bau<br />

der Christuskirche belastet war und diese erst 1923<br />

tilgen konnte.<br />

Bereits während des ersten Weltkrieges war die staatliche<br />

Wohlfahrtspflege ausgebaut worden. Infolge der<br />

Nachkriegsnot – es gab viele Kriegswitwen, Waisen und<br />

körperbehinderte Kriegsopfer – wurden in der Weimarer<br />

Republik Fürsorgegesetze erlassen. Ab Mitte der<br />

1920er-Jahre gewährte der Staat den Wohlfahrtsverbänden<br />

zunehmende finanzielle Unterstützung, was eine<br />

Ausdehnung der diakonischen Arbeitsgebiete und einen<br />

Wohlfahrtsboom auslöste. 8<br />

14 Der evangelische <strong>Diakonie</strong>verein 1912-1948<br />

Kassenbericht des<br />

Evangelischen<br />

<strong>Diakonie</strong>vereins


Auch Pfarrer Georg Seidel stellte 1929 für die Pflegetätigkeit<br />

ein Zuschussgesuch an die Reichsversicherungsanstalt<br />

für Angestellte in Berlin. Er schrieb: “(…) allein die<br />

Kosten des Unterhalts der Schwestern und der Aufwand<br />

für die Diakonissenstation und das Altenheim, der die<br />

eingehenden Pflegegelder weit übersteigt, belasten die<br />

kleine Gemeinde sehr schwer, zumal in der jetzigen <strong>Zeit</strong><br />

großer Erwerbslosigkeit nur wenige<br />

Gemeindemitglieder in der Lage sind,<br />

für die Pflege angemessen zu bezahlen.“<br />

9 Von Seiten der Landesversicherungsanstalt<br />

Niederbayern wurden dem<br />

Evangelischen <strong>Diakonie</strong>verein in diesem<br />

Jahr 300 Mark zur Förderung der Krankenfürsorgearbeit<br />

gewährt.<br />

Altenheim und Internat<br />

Älteren hilfsbedürftigen Menschen ein Zuhause<br />

zu geben, wo sie Essen, ein warmes<br />

Zimmer und ein eigenes Bett hatten - das war<br />

der einfache Anspruch der ersten Altenheime.<br />

Damals wurden sie auch als Siechenheime<br />

bezeichnet, obwohl zu dieser <strong>Zeit</strong> die Bewohner<br />

beim Einzug noch sehr rüstig und kaum pflegebedürftig<br />

waren. Das erste evangelische Altenheim<br />

des <strong>Diakonie</strong>vereins in der Klötzlmüllerstraße<br />

10 wurde zwischen den beiden Weltkriegen<br />

eher als eine Art Altenstift geführt. Elf Einzelzimmer<br />

standen in dem von Diakonissen geführten<br />

Heim zur Verfügung, für die mit den Bewohnern<br />

Mietverträge abgeschlossen wurden. Die monatliche<br />

Miete einschließlich der Verpflegung betrug im Jahr<br />

1926 nur 50 Mark. Die Art der Verköstigung war vertraglich<br />

geregelt: Kaffee oder Kakao zum Frühstück,<br />

Suppe, Fleisch oder Mehlspeise zum Mittagessen und<br />

einfaches kaltes bzw. warmes Essen am Abend. Im Fall<br />

einer Erkrankung „erhalten die Heimbewohner die erforderliche<br />

Pflege, soweit sie die Kräfte der Schwestern<br />

nicht übersteigt.“ Heizung und Wäsche waren im Preis<br />

nicht enthalten, auch musste ein Pauschalbetrag von<br />

einer Reichsmark für Licht und ebenso für den Anschluss<br />

eines Radios zusätzlich bezahlt werden. 10<br />

Der evangelische <strong>Diakonie</strong>verein 1912-1948<br />

15<br />

Der Heimvertrag aus<br />

dem Jahr 1926 enthielt<br />

nur wenige Punkte.


Als ein weiterer Aufgabebereich für die Diakonissen kam<br />

die Jugendfürsorge hinzu. Ende der 1920er-Jahre wurde<br />

das Gebäude in der Klötzlmüllerstraße auch als Internat<br />

genutzt. Mädchen ab zehn Jahren und einige Jungen aus<br />

den Umlandgemeinden, die in <strong>Landshut</strong> Schulen besuchten,<br />

bekamen hier Unterkunft. Für 40 bis 65 Mark pro<br />

Monat wurden „volle Verpflegung, Wohnung, Licht, Beheizung<br />

und Bettwäsche“ gewährt. Allerdings gestaltete<br />

sich das generationenübergreifende Zusammenleben<br />

der unterschiedlichen Bewohner der Klötzlmüllerstraße<br />

10 nicht immer konfliktfrei. Pfarrer Seidel und später<br />

auch Pfarrer Wagner hatten gelegentlich die Aufgabe,<br />

Beschwerdebriefe an die Eltern der Pensionsschüler zu<br />

formulieren.<br />

Danben wurden in dem Diakonissenhaus auch<br />

wöchentliche Treffen der Christenlehr-Mädchen und der<br />

Mädchenschar abgehalten, die von den Schwestern<br />

betreut wurden. Am 20. Juli 1930 fuhr Schwester Anni<br />

Henle mit ihrer Mädchenschar zum Jugendtag nach<br />

Augsburg, um im Mutterhaus an einem Lehrgang über<br />

Jugendarbeit teilzunehmen. Zudem wurden im Jahr 1932<br />

Konfirmanden bis zur Konfirmation in der Klötzlmüllerstraße<br />

untergebracht. Hin und wieder durften auch<br />

Gäste dort übernachten, die Angehörige im Heim oder<br />

Verwandte in <strong>Landshut</strong> besuchten.<br />

Brief vom 28.12.1934 von Pfarrer Wagner an die<br />

Eltern der im Heim untergebrachten Schüler<br />

16 Der evangelische <strong>Diakonie</strong>verein 1912-1948<br />

Der 1914 für<br />

Mädchen und junge<br />

Frauen gegründete<br />

Marthaverein wurde<br />

von einer Diakonisse<br />

(Bildmitte hinten)<br />

betreut.


In der <strong>Zeit</strong> des Nationalsozialismus<br />

Ab 1933 war die Arbeit des Evangelischen <strong>Diakonie</strong>vereins<br />

ebenso wie die kirchliche Tätigkeit aufgrund politischer<br />

Repressalien behindert. Nach der Machtergreifung<br />

Hitlers und seiner NSDAP wurden von der Reichsleitung<br />

Kirchenvorstandswahlen mit der Absicht angeordnet,<br />

darin Parteigenossen zu positionieren, um dadurch mehr<br />

Parteieinfluss auf Kirchenbelange zu gewinnen. Im Ergebnis<br />

wurden in der Ev.-Luth. Kirchengemeinde <strong>Landshut</strong><br />

tatsächlich alle sechs neu auf der Liste platzierten nationalsozialistischen<br />

Kandidaten gewählt. Pfarrer Johannes<br />

Wagner bedauerte, dass die bisherigen treuen Kirchenvorsteher<br />

lediglich als Ersatzleute im neuen Vorstand<br />

vertreten waren. 11 In einem Schreiben an das Dekanat<br />

Regensburg berichtete er, dass die Gottesdienstbesuche<br />

beeinträchtig würden; Schüler könnten nicht in die<br />

Der 1927 gegründete Mädchenbibelkreis gehörte zu den Anfängen<br />

evangelischer Jugendarbeit.<br />

Kirche kommen, weil zur gleichen <strong>Zeit</strong> SA-Appelle, HJ-<br />

Appelle und Übungen abgehalten würden. Gemeindeabende<br />

mussten wiederholt verlegt werden, weil die<br />

NSDAP in <strong>Landshut</strong> Massenversammlungen anberaumte.<br />

Der evangelische <strong>Diakonie</strong>verein 1912-1948<br />

1934 wurde die Diakonissenanstalt dem<br />

Landesführer der Inneren Mission unterstellt.<br />

Die Einrichtungen der <strong>Diakonie</strong><br />

waren ebenso wie die<br />

evangelische Kirche von der<br />

Gleichschaltung bedroht. Im<br />

Mai 1933 gab die Innere<br />

Mission Bayerns ihre Selbständigkeit<br />

gegenüber der<br />

Landeskirche auf mit der Begründung,<br />

dass sie dadurch<br />

die Gefahr der Gleichschaltung<br />

abwenden wolle. In Übernahme<br />

des nationalsozialistischen<br />

Führerprinzips unterstellte<br />

sie sich dem berufenen<br />

„Führer“ der Evang.-Luth.<br />

Landeskirche Bayerns, dem<br />

neuen Landesbischof Hans<br />

Meiser. Daraufhin mussten<br />

die diakonischen Einrichtungen<br />

eine Unterstellungserklärung<br />

abgeben, in denen<br />

sie erklärten, „sich dem von<br />

dem Herrn Landesbischof bestellten<br />

Landesführer der<br />

Inneren Mission zu unterstellen und sich zur Einhaltung<br />

der in der Anordnung des Herrn Landesbischofs vom<br />

28. Juni 1934 erlassenen Ordnung der Inneren Mission<br />

in Bayern zu verpflichten.“ 12<br />

17


Dies taten – mit einzelnen Ausnahmen - alle großen und<br />

kleinen diakonischen Einrichtungen in Bayern. Ziel dieser<br />

Aktion war es, einen gewissen Schutz vor Eingriffen<br />

des NS-Regimes zu erlangen und der drohenden Auflösung<br />

zu entkommen.<br />

Dennoch kam es im Vereinswesen und in der Jugendarbeit<br />

zu massiven Einschränkungen, etwa beim evangelischen<br />

Schulwesen und im Bereich der Kindererziehung.<br />

Mit der Hitlerjugend und dem Bund deutscher Mädel<br />

entstanden Konkurrenzbewegungen zu den christlichen<br />

Jugendvereinen.<br />

In <strong>Landshut</strong> wurde die evangelische Jugendarbeit, die<br />

zum Teil von den Diakonissen geleistet wurde 13 , zunehmend<br />

erschwert und ihrer Eigenständigkeit beraubt.<br />

1933 marschierten Mitglieder des Mädchenbibelkreises<br />

aus Protest gegen die nationalsozialistische Gleichschaltung<br />

mit Wimpeln durch die <strong>Landshut</strong>er Altstadt.<br />

Im Februar 1934 klagte Schwester Margarethe Hertle:<br />

“Wie arg, dass unsere evang. Kirche so bedroht ist; Gott<br />

helfe in Gnaden – der Marthaverein ist recht klein geworden,<br />

da viele in den Bund deutscher Mädchen getreten<br />

sind.“ 14 Der Marthaverein, der 1914 zur Pflege der christlichen<br />

Gemeinschaft und zur Teilnahme am Gemeindeleben<br />

für junge evangelische Frauen gegründet worden<br />

war, löste sich im Dezember 1934 auf. Dennoch kamen<br />

Der Mädchenbibelkreis<br />

marschierte 1933 mit Wimpeln<br />

durch die Altstadt.<br />

einmal pro Woche noch abends zwei Mädchen und wurden<br />

von den Diakonissen betreut.<br />

1934 sollte erstmals eine von der Reichsregierung<br />

anerkannte Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege<br />

in Erscheinung treten und für das Hilfswerk<br />

Mutter und Kind eine Sammlung organisieren. Diese<br />

Arbeitsgemeinschaft - bestehend aus den von der Regierung<br />

anerkannten Spitzenverbänden NS-Volkswohlfahrt,<br />

Innere Mission, Caritas und Rotes Kreuz - war dem Amt<br />

für Volkswohlfahrt unterstellt. Die Verteilung der Spendengelder<br />

sollten die Gauamtsleiter zusammen mit den<br />

Gaukassenführern vornehmen. „Eine prozentuale Aufteilung<br />

der Sammelergebnisse an die beteiligten Verbände<br />

hat nicht zu erfolgen.“ 15 Der Landesverein für Innere<br />

Mission befürchtete den Verlust seiner Selbständigkeit<br />

und schrieb an den Evangelischen <strong>Diakonie</strong>verein nach<br />

<strong>Landshut</strong>:“(…) es ist deshalb außerordentlich wichtig,<br />

dass die Zusammensetzung der Arbeitsgemeinschaft<br />

gleich das erste Mal klappt und dass die Innere Mission,<br />

die ja auf dem Boden der Müttererholung und der<br />

Kinderfürsorge kein Neuling ist, nicht an die Wand gedrückt<br />

wird, sondern tätig und vollgültig mit in der Reihe<br />

steht.“ 16<br />

1938 kam auf die Gemeindeschwestern eine zusätzliche<br />

Aufgabe zu. Aufgrund der Rekordernte und des<br />

18 Der evangelische <strong>Diakonie</strong>verein 1912-1948


estehenden Landarbeitermangels ordnete das Amt für<br />

Volkswohlfahrt an, dass die ältere Schuljugend zur<br />

Erntehilfe eingesetzt werden soll. Der Landesverein für<br />

Innere Mission teilte allen Gemeindepflegestationen mit,<br />

dass die gesundheitliche Betreuung der Schüler in den<br />

einzelnen Orten durch die Gemeindeschwestern erfolgen<br />

müsse. Die Diakonissen sollten am Abend die landwirtschaftlichen<br />

Arbeitsstellen der Schüler aufsuchen<br />

und die nötigen medizinischen Behandlungen vornehmen.<br />

17 Dazu hatten die Mutterhäuser in Augsburg und<br />

Neuendettelsau ihr Einverständnis gegeben. Es ist nicht<br />

aktenkundig, wie viele dieser Betreuungseinsätze die<br />

<strong>Landshut</strong>er Diakonissen tatsächlich zu leisten hatten.<br />

Belastung der Diakonissen<br />

Für die Schwestern stellte die Gemeindearbeit vor und<br />

während des zweiten Weltkrieges eine enorme gesundheitliche<br />

und psychische Belastung dar. Es wurde<br />

wiederholt berichtet, dass Schwestern erholungsbedürftig,<br />

„chronisch müde“ waren und nicht weiter arbeiten<br />

konnten. Zum Beispiel war 1936 Schwester Margarethe<br />

Hertle völlig überlastet und kam zur Erholung in das<br />

Mutterhaus. An ihrer Stelle wurde Schwester Anna Dick<br />

für die Gemeindearbeit eingesetzt.<br />

Im Frühjahr 1937 starb überraschend die Leiterin des<br />

Altenheimes, Schwester Kunigunde Wiedmann. Die damalige<br />

Situation im Heim war so schwierig und konfliktträchtig,<br />

dass die Nachfolgerin, Schwester Sophie<br />

Lindner, schon bald nach ihrem Arbeitsantritt um<br />

Versetzung bat. Daraufhin schrieb der <strong>Diakonie</strong>verein an<br />

das Mutterhaus in Augsburg: “Wir bräuchten notwendig<br />

eine Schwester, die sich den Heiminsassen getrost einmal<br />

zur Wehr zu setzen versteht, denn sonst sind ja die<br />

Schwestern allen Launen und Schrullen der Damen<br />

immer mehr ausgesetzt. Eine energische Schwester wird<br />

unser Heim sehr bald wieder in Ordnung haben.“ 18 In seinem<br />

Antwortschreiben machte Pfarrer Heinrich Kern,<br />

Rektor der Diakonissenanstalt Augsburg, deutlich,<br />

dass „die Art der Behandlung, die die Arbeit unserer<br />

Schwestern zur <strong>Zeit</strong> erfährt, unter keinen Umständen<br />

auf die Dauer getragen werden kann, dass also hier eine<br />

völlige Wendung zu erfolgen hat, wenn nicht unsere<br />

Schwestern uns eines Tages erklären sollen, dass sie der<br />

Aufgabe im Diakonissenheim in <strong>Landshut</strong> zur <strong>Zeit</strong> nicht<br />

mehr gewachsen sind.“ 19<br />

Der evangelische <strong>Diakonie</strong>verein 1912-1948<br />

Nicht nur die Tätigkeit im Heim, auch die die<br />

Gemeindepflege überforderte die Schwestern zeitweise.<br />

Diakonisse Mina Edelmann musste 1940 von der<br />

Gemeindearbeit abgezogen werden, weil sie „in eine<br />

erschreckend tiefe Schwermütigkeit geraten“ war. Große<br />

Aufregung gab es 1941, als Diakonisse Lina Kauß und<br />

ihre beiden Schwestern, die zu Besuch waren, schwer<br />

erkrankten. Der Grund dafür war mysteriös, es wurde<br />

eine Gasvergiftung im Diakonissenheim vermutet. Rektor<br />

Kern forderte Stadtpfarrer Wagner auf, die Ursache<br />

durch die städtische Gesundheits- und Feuerpolizei einwandfrei<br />

klären zu lassen. Die entsprechende Untersuchung<br />

zeigte allerdings, dass für die drei Krankheitsfälle<br />

keine äußeren Umstände verantwortlich waren.<br />

Anfang der 1940er-Jahre war das evangelische Altenheim<br />

voll besetzt. Bei Bombenalarmen flüchteten die<br />

Heimbewohner in das benachbarte Pfarrhaus, drei<br />

Bewohner mussten mit Rollstühlen zum Luftschutzkeller<br />

in der Klötzlmüllerstraße 33 gebracht werden. Schwester<br />

Lina Meier schrieb dazu nach Augsburg: „Ein dreiviertel<br />

Jahr betreue ich nun schon die lieben Alten hier;<br />

in unserem Heim will die Angst Platz greifen, besonders<br />

seit dem Angriff am 29. Dezember 1944, da gibt es zu<br />

trösten, beruhigen, zu schlichten und zu ordnen.“ 20<br />

Im April 1945 war <strong>Landshut</strong> dem letzten Großangriff<br />

ausgesetzt. Wie das Evangelische Pfarramt berichtete, 21<br />

hatte die Bevölkerung gehofft, dass die Stadt mit Rücksicht<br />

auf die Lazarette mit insgesamt 4000 Verwundeten<br />

geschont würde. Aber auf Veranlassung eines Kreisleiters<br />

und eines SS-Führers waren angesichts der nahenden<br />

amerikanischen Truppen stärkere Sprengladungen<br />

an der Luitpoldbrücke befestigt worden. Mit dem Auftakt<br />

des Beschusses durch die US-Soldaten traf eine Granate<br />

den ersten Stock des Pfarrhauses und auch das Portal<br />

der Kirche wurde beschädigt. Im Evangelischen Altenheim<br />

gingen einige Fenster zu Bruch. Plünderer schlugen<br />

Türen ein und durchwühlten Schränke und Schubläden.<br />

Dabei wurden 500 Mark und Wäschestücke entwendet.<br />

Viele Heimbewohner wurden krank, weil sie im Keller<br />

ausharren mussten, bis die kaputten Fenster durch Winterfenster<br />

ersetzt waren. 22<br />

19


Auch das Schreiben von Berichten gehörte zum<br />

Aufgabenbereich der Schwestern.<br />

Gründung des Evangelischen Hilfswerks<br />

und der Inneren Mission<br />

Beim Evangelischen <strong>Diakonie</strong>verein waren seit 1935<br />

keine amtlichen Eintragungen mehr erfolgt, deshalb<br />

fragte das Amtgericht <strong>Landshut</strong> im Jahr 1946 nach dessen<br />

Existenz. Pfarrer Johannes Wagner antwortete,<br />

dass der Verein nie aufgehört hat zu bestehen und 200<br />

Mitglieder umfasse.<br />

Um die Nachkriegsnot zu lindern, wurde 1946 das<br />

Evangelische Hilfswerk gegründet. Es hatte die Aufgabe,<br />

„die durch die Kriegs- und Nachkriegsereignisse hilfsbedürftig<br />

gewordenen Glaubensgenossen, insbesondere<br />

der Flüchtlinge geistlich und materiell zu betreuen.“ 23<br />

Die <strong>Zeit</strong> des Nationalsozialismus hatte die Gefahr<br />

deutlich gemacht, dass Institutionen dem Einfluss der<br />

Kirche entzogen und für politische Zwecke instrumentalisiert<br />

werden können. Deshalb verabschiedete die<br />

Evang.-Luth Landeskirche ein Kirchengesetz, das die<br />

Stellung der Inneren Mission und ihr Verhältnis zur<br />

Kirche festmachte. Die Innere Mission wurde als eine<br />

„notwendige Lebensäußerung der Kirche“ definiert. „Als<br />

ihr Werk ist sie darum an ihre Bekenntnis gebunden und<br />

ihrer Leitung verantwortlich. Die Innere Mission hat in<br />

ihren Werken für ihre Einrichtungen innerhalb der kirchlichen<br />

Ordnungen die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendige<br />

Beweglichkeit und Freiheit in Aufbau und Verwaltung.“<br />

24 Dieses Gesetz war ausschlaggebend für den<br />

Beschluss des Kirchenvorstandes der Pfarrgemeinde<br />

<strong>Landshut</strong>, am 1.7.1947 den Verein für Innere Mission<br />

<strong>Landshut</strong> e.V. zu gründen und sich mit den von der<br />

Breslauer Stadtmission übernommenen Altersheimen<br />

Deutenkofen und Vilsbiburg dem Landesverein für<br />

Innere Mission Nürnberg zu unterstellen. Die Tätigkeit<br />

des Evangelischen Hilfswerkes wurde übernommen.<br />

Erster Vorsitzender war Stadtpfarrer Johannes Wagner,<br />

zweiter Vorsitzender Pfarrer Karl Winzler.<br />

20 Der evangelische <strong>Diakonie</strong>verein 1912-1948


Das Arbeitspensum der Schwestern war groß.<br />

Zum hauptberuflichen Geschäftsführer wurde der<br />

Kirchenvorsteher und Betriebskaufmann Willi Ludwig<br />

bestellt. In einer Kanzelabkündigung vom Oktober 1947<br />

wurde dazu erklärt: „Die Altersheime werden fortgeführt;<br />

Einrichtung eines Schülerheims, Kinderheims,<br />

Kindergärten, Nähstube sind in Angriff genommen. Die<br />

tatkräftige Hilfe der ganzen Gemeinde ist im Interesse<br />

der auch in unserer Gemeinde vorhandenen Notstände<br />

dringend erforderlich. Zur Durchführung der Arbeiten<br />

soll ein Freundeskreis für den Verein ins Leben gerufen<br />

werden. Es wird erwartet, dass kein Gemeindemitglied<br />

sich einem an ihn demnächst ergehenden Aufruf für diesen<br />

Freundeskreis entzieht und nicht nur mit seiner<br />

Fürbitte, sondern auch mit seinen Gaben sich zur Verfügung<br />

stellt.“ 25<br />

Der Aufbau des Vereinswesens ging nach dem Krieg<br />

langsam vonstatten, weil als Voraussetzung für die Gründung<br />

eine so genannte Lizensierung, d.h. eine Zulassung<br />

durch die bayerischen Behörden, verlangt wurde. Dazu<br />

musste eine Erklärung beigefügt werden, dass sich der<br />

Der evangelische <strong>Diakonie</strong>verein 1912-1948<br />

Vereinsvorstand verpflichtet, (durch Spruchkammern<br />

wegen ihrer NS-Aktivitäten verurteilte) „Hauptschuldige“,<br />

„Belastete“ und „Minderbelastete“ nicht als Mitglieder<br />

aufzunehmen, dass alle jetzigen und künftigen<br />

Mitglieder politisch vollkommen einwandfrei oder nicht<br />

mehr Mitläufer nach dem Befreiungsgesetz seien und<br />

dass die Tätigkeit des Vereins mit den demokratischen<br />

Zielen der Besatzungsmächte übereinstimme. Da die<br />

Innere Mission als ein kirchlicher Verein galt, wurde ihm<br />

die Lizensierung nach einer Mitteilung des Stadtrates<br />

<strong>Landshut</strong> erlassen. 26<br />

Am 9.5.1948 beschloss die Mitgliederversammlung des<br />

Evangelischen <strong>Diakonie</strong>vereins unter Vorsitz von Pfarrer<br />

Wagner einstimmig, die Arbeiten der Inneren Mission im<br />

Pfarramtsbezirk <strong>Landshut</strong> zu übernehmen. Die beiden<br />

Vereine wurden zu einem einzigen zusammengeführt,<br />

der sich gemäß der neuen Satzung Innere Mission<br />

(Evang. <strong>Diakonie</strong>verein) <strong>Landshut</strong> nannte.<br />

21


3<br />

Nachkriegszeit:<br />

Aufbauarbeit und Hilfe in der Not<br />

Die <strong>Zeit</strong> nach dem Zweiten Weltkrieg änderte für die <strong>Diakonie</strong> viel: Das Dekanat <strong>Landshut</strong><br />

wurde gegründet und ebenso die Innere Mission, die die Arbeit des <strong>Diakonie</strong>vereins übernahm.<br />

Die Landeskirche rief das Evangelische Hilfswerk ins Leben und trug so dazu bei,<br />

dass in großem Umfang diakonische Aufgaben bewältigt werden konnten.<br />

22 Die Innere Mission 1948-1973<br />

Spendenverteilung


Der Aufgabenbereich wächst<br />

Aufgrund der Flüchtlingsströme vergrößerte<br />

sich die evangelische Gemeinde<br />

in Stadt und Umland von<br />

etwa 1 600 Mitglieder im Jahr 1939<br />

auf mehr als 28 000 im Jahr 1947. 27<br />

Für die <strong>Diakonie</strong> bedeutete dies eine<br />

enorme Herausforderung. Pfarrer<br />

Johannes Wagner, damals Vorsitzender<br />

des <strong>Diakonie</strong>vereins, und die beiden<br />

Vikare für Rottenburg und Vilsbiburg<br />

bekamen Unterstützung von<br />

anderen Pfarrern, die mit den Flüchtlingen<br />

nach <strong>Landshut</strong> gekommen<br />

waren.<br />

Einer von ihnen war Pfarrer Karl Winzler aus Breslau.<br />

Er wurde mit der Aufgabe betraut, das ehemalige Lager<br />

Aurolfing (heute Landkreis Rottal-Inn) in ein Flüchtlingsaltersheim<br />

umzugestalten. Auch bekam er das ehemalige<br />

Kinderheim der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt<br />

in Wildenberg bei Rottenburg zugewiesen, um es<br />

als evangelisches Altersheim unter der Leitung von Hensoltshöher<br />

Diakonissen weiterzuführen. In seinem Tätigkeitsbericht<br />

für 1946/47 schrieb Pfarrer Winzler über<br />

die Situation in <strong>Landshut</strong>: „Das Evangelische Hilfswerk<br />

ist mit seinem Büro in dem einen Raum des Evangelischen<br />

Kirchenbüros untergebracht, wegen der ohnehin<br />

schon vorhandenen Enge ein kaum erträglicher Zustand.<br />

Wir sind in das Jahr 1946 mit dem Plan hinein getreten:<br />

Ausreichende Büroräume, ein Kindergarten (<strong>Landshut</strong>-<br />

Stadt hat heute etwa 6000 evangelische Einwohner), ein<br />

Schülerheim, ein Durchgangsheim. Ich habe diese Pläne<br />

dem Herrn Oberbürgermeister vortragen können. Er hat<br />

mir tatkräftige Förderung zugesagt, auch der Verbindungsmann<br />

zwischen Kirchen und Behörden, Stadtrat<br />

Lektor Schwarz, wollte die Pläne bei der Stadtverwaltung<br />

fördern, ein Erfolg war aber bis Jahresende nicht zu<br />

verzeichnen.“ 28 Es vergingen noch einige Jahre, bis diese<br />

Wünsche realisiert werden konnten.<br />

Das Arbeitsgebiet der Inneren Mission erstreckte sich<br />

auf den Gesamtbereich des Evangelisch-Lutherischen<br />

Kirchenbezirks <strong>Landshut</strong>. Die Zwecke des Vereins waren<br />

Armen- und Krankenpflege sowie Kinder-, Jugend- und<br />

Altersfürsorge – beispielsweise die Errichtung von Kinderheimen,<br />

Kindergärten, Schülerheimen und Altersheimen.<br />

Mit der Gründung des Dekanats <strong>Landshut</strong> im Jahr<br />

Die Innere Mission 1948-1973<br />

<strong>Diakonie</strong>vorsitzender Dekan Krauß (links) unterwegs mit<br />

seinem Dienstwagen: Die Sitzschiene im VW Käfer musste<br />

wegen der Körpergröße des Dekans verlängert werden.<br />

1949 wurde Paul Krauß zum ersten Dekan berufen und<br />

in dieser Funktion gleichzeitig erster Vorsitzender der<br />

Inneren Mission.<br />

Die Währungsreform im Juni 1948 bildete die wirtschaftliche<br />

Grundlage für das schwer angeschlagene<br />

Nachkriegsdeutschland. Doch sie forderte auch Opfer:<br />

Für die „Währungsverarmten“ wurde 1949 in Bayern eine<br />

Landessammlung organisiert. Diese erbrachte Geldspenden,<br />

Beträge für den Kauf von Textilien und Freiplätze<br />

für Erholungsaufenthalte. Auf das Evangelische<br />

Hilfswerk im Dekanat <strong>Landshut</strong> entfielen davon 4539,08<br />

DM, die von Dekan Krauß an die Pfarrämter Freising,<br />

Landau, <strong>Landshut</strong> und an die Vikariate Dingolfing, Neufahrn/Ndb.,<br />

Rottenburg und Vilsbiburg weiterverteilt<br />

wurden.<br />

Nach der Währungsreform erfuhren nicht nur die bestehenden<br />

<strong>Landshut</strong>er Betriebe eine Aufwärtsentwicklung,<br />

es siedelten sich auch zahlreiche neue Gewerbebetriebe<br />

an. Etwa zehn Jahre später, am Ende der<br />

1950er–Jahre, herrschte in <strong>Landshut</strong> Vollbeschäftigung,<br />

zum Teil sogar Fachkräftemangel. Doch bis dahin gab es<br />

für Innere Mission und Evangelisches Hilfswerk eine<br />

Menge zu tun.<br />

Das Wirtschaftsjahr 1950 brachte wesentliche Erweiterungen<br />

des Aufgabenbereichs: Zu den bereits vorhandenen<br />

Einrichtungen kamen das Evangelische Altenheim<br />

Vilsbiburg, die Villa Kronwinkl, die Berufung einer Fürsorgerin<br />

und die Einrichtung einer Nähschule hinzu. Die<br />

Geschäftsstelle der Inneren Mission befand sich seit<br />

1948 in angemieteten Räumen am Nahensteig 182.<br />

23


<strong>Zeit</strong><strong>zeugen</strong><br />

Heimatvertriebene in<br />

Niederbayern –<br />

eine Annäherung<br />

Dekan Kirchenrat Paul Krauß, Vorsitzender der Inneren Mission <strong>Landshut</strong><br />

(von 1949 bis 1966), erinnert sich an Begegnungen in der Nachkriegszeit<br />

Kein Wunder, wenn Bürger einer solchen Stadt (<strong>Landshut</strong>) ein starkes Selbstbewusstsein haben<br />

und in ihrer Haltung konservativ sind! Kein Wunder aber auch, wenn die vielen Heimatvertriebenen<br />

aus dem deutschen Osten, die ebenso schöne Städte hatten und mit Recht ein<br />

ebensolches Selbstbewusstsein, zunächst nur schwer zum niederbayerischen Menschen fanden.<br />

Vergessen darf man auch nicht, dass ja in ganz Niederbayern vor 1945 weniger Evangelische<br />

lebten als heute im Bereich des Pfarramts <strong>Landshut</strong> allein. Wir Evangelischen – zumal wer nicht<br />

aus Bayern stammte – waren zunächst ein Fremdkörper im niederbayerischen Raum.<br />

Aber das Bild hat sich inzwischen doch wesentlich gewandelt. Auf der einen Seite waren es die<br />

Landschaft und ihre Städte und Siedlungen, die die Brücke bei den Heimatvertriebenen bauten.<br />

Erst in diesen Tagen sagten mir zwei Schlesier: „Wenn man die Laubengänge sieht oder den<br />

Martinsdom oder die Isar, so ist es doch wie in Breslau oder Jauer.“ Und bei den Einheimischen:<br />

Da war es das gegenseitige Sichkennenlernen, was allmählich die Reserve, die man zunächst<br />

bewahrte, abbaute. Und das galt nicht nur im beruflichen Zusammenleben, sondern auch im<br />

religiösen Gebet. Dass in der evangelischen Kirche das gleiche Glaubensbekenntnis, das gleiche<br />

Vaterunser, sogar Beichte, Tauf- und Altarsakrament zu Hause sind, wussten viele nicht.<br />

Freilich, die Angst vor den „Protestanten“, wie man uns weithin noch nennt, ist bei vielen<br />

Katholiken nicht überwunden. Das gibt einem allerdings immer wieder zu schaffen. Aber das<br />

soll uns nicht irre machen in unserer Haltung. Wir wollen beitragen, was wir können, dass auch<br />

in Niederbayern das gegenseitige Sich-achten-und-verstehen-Wollen der Konfessionen wächst,<br />

damit wir nicht bloß reden von Ökumene, sondern sie zuallererst bei uns im engen Raum zu<br />

praktizieren versuchen.<br />

Aus: Blätter für Innere Mission in Bayern, Heft 11, November 1962, 15. Jg., S. 2 f.<br />

24 Die Innere Mission 1948-1973


Die evangelischen Altersheime<br />

Von der <strong>Diakonie</strong> übernommen wurde auch die Breslauer<br />

Mission, eine Arbeitsgemeinschaft von 20 bezahlten<br />

Kräften. Deren Pfleglinge aus Hoyerswerda waren in<br />

einer Notunterkunft in Deutenkofen untergebracht.<br />

Nach und nach konnten die Vertriebenen, die in Notunterkünften<br />

und Baracken wohnen mussten, in die<br />

Altenheime der Inneren Mission aufgenommen werden.<br />

Als 1950 ein Haus in Kronwinkl gekauft werden konnte,<br />

fanden fast 100 alte und pflegebedürftige Menschen<br />

dort eine neue Unterkunft. Allerdings wurde bald deutlich,<br />

dass das Angebot an Heimplätzen der steigenden<br />

Nachfrage nicht gerecht wurde. So wurde ein weiterer<br />

Bau mit 20 zusätzlichen Heimplätzen erstellt. „Daheim“<br />

und „Abendsonne“ hießen die beiden zusätzlichen freistehenden<br />

Gebäude. Als jedoch der Bauzustand nicht<br />

mehr zufriedenstellend war, die Gegebenheiten den<br />

aktuellen Anforderungen nicht mehr genügten – es fehlten<br />

beispielsweise Einzelzimmer – und weil zudem die<br />

Verkehrsanbindung schlecht war, wurde das Heim in<br />

Kronwinkl nach gründlicher Abwägung 1967 geschlossen.<br />

Ein Jahr später zogen die Bewohner in das neue<br />

Altenheim in Bogen um. 29<br />

Die Innere Mission 1948-1973<br />

Das Alten- und Pflegeheim der Inneren Mission in<br />

Kronwinkl wurde aufgrund der hohen Nachfrage um<br />

zwei Anbauten erweitert.<br />

25<br />

Eier aus Franken<br />

Lese<br />

text<br />

Lebensmittelspenden waren in den<br />

1950er-Jahren eine unverzichtbare Hilfe<br />

in der Not. Um die Innere Mission<br />

<strong>Landshut</strong> zu unterstützen, hatte sich<br />

der fränkische Patenbezirk Thalmässing<br />

eine besondere Art der Hilfe überlegt.<br />

Im Frühjahr baten dort Sammler um<br />

Eierspenden – mit großem Erfolg. Wie<br />

diese Tausende von Eiern unversehrt<br />

nach Niederbayern transportiert und<br />

verteilt wurden, ist nicht dokumentiert.<br />

Allerdings wurde exakt festgehalten,<br />

wie viele Stück welches Heim bekam.<br />

Mehr als 20 Jahre lang wurden immer<br />

im Frühjahr etwa 5000 Eier und im<br />

Herbst jeweils Lebensmittel gesammelt,<br />

die den Altenheimen der Inneren<br />

Mission zugute kamen.


Vom 15. bis 20. Juni 1950 unternahmen vier Vertreter<br />

des Landesverbandes der Inneren Mission eine Informationsreise<br />

durch die Dekanate Passau, <strong>Landshut</strong> und<br />

Regensburg. Aus dem Bereich <strong>Landshut</strong> nahmen Diakon<br />

Rau, Dekan Krauß und Diakon Krocker teil. Besichtigt<br />

wurden die Altenheime in Wildenberg, in Vilsbiburg, in<br />

Kronwinkl und in Aurolfing (das letztere Heim sollte an<br />

das Dekanat Passau gegeben werden), außerdem die<br />

Geschäftsstelle und die Nähstube in <strong>Landshut</strong>. Als<br />

Ergebnis der Reise wurde festgehalten: „Keines dieser<br />

Heime darf jetzt aufgegeben werden. Sie dienen alle<br />

dem unverminderten Notstand. Dies geht vor allem auch<br />

aus der starken Überbelegung hervor. (…) Die Bedrohung<br />

der Heime besteht darin, dass sie nicht auf eigenem<br />

Grund und Boden stehen. Es ist auch das ausgesprochene<br />

und zugegebene Bestreben führender<br />

Männer der kath. Kirche, dass sich die evang. Kirche in<br />

Niederbayern nicht festsetzen soll.<br />

Diese Bedrohung ist beseitigt durch den Ankauf von<br />

Kronwinkl und Vilsbiburg, besteht nicht ernstlich für<br />

Wildenberg (…)“. 30 Als nächste Aufgabe wurde festgelegt,<br />

die Heime zu verbessern, die noch den ursprünglichem<br />

Not- und Barackencharakter hatten. Besonders<br />

das Altersheim in Vilsbiburg, in dem die neu eingesetzten<br />

Hensoltshöher Schwestern tätig waren, bedurfte<br />

einiger Renovierungsarbeiten. Bereits am 1.12.1958<br />

wurde das Altenheim in Wildenberg aufgelöst.<br />

26 Die Innere Mission 1948-1973<br />

Die Bewohner<br />

des Altenheims in<br />

<strong>Landshut</strong> (links)<br />

und in Kronwinkl


Die Bewohner des Altenheims in Wildenberg<br />

Das Ende einer Flucht<br />

Noch heute erinnert ein Gedenkstein in Adlkofen an das Schicksal<br />

von 67 Heimatvertriebenen aus Schlesien. 400 kranke und behinderte<br />

Menschen aus dem Verbandspflegeheim in Tormersdorf (Niederschlesien)<br />

hatten sich am 20. Februar 1945 in einem Sonderzug auf<br />

die Flucht gemacht. Doch bereits nach wenigen Kilometern schlug<br />

eine russische Granate in einen Güterwaggon ein und tötete zehn<br />

Personen. Viele Patienten starben während der langen und beschwerlichen<br />

Reise. In Deutenkofen wurden etwa 100 der zum Teil schwerkranken<br />

Menschen in einer alten Brauerei ohne ausreichende sanitäre<br />

Einrichtungen behelfsmäßig untergebracht. Trotz der Fürsorge eines<br />

Arztes aus Adlkofen und der Nahrungsmittelgaben durch die<br />

Bevölkerung starben viele dieser Menschen innerhalb eines kurzen<br />

<strong>Zeit</strong>raums.<br />

Lese<br />

text<br />

Am Waldrand von Adlkofen wurde ein abgeschiedener Friedhof<br />

angelegt, auf dem die verstorbenen Heimatvertriebenen in den<br />

Jahren von 1945 bis 1949 beerdigt wurden. Der <strong>Landshut</strong>er<br />

Bildhauer Karl Reidel schuf im Jahr 1960 ein Denkmal aus<br />

Muschelkalk, das an die Verstorbenen erinnert. 1979 fand anläßlich<br />

der Renovierung des Steins eine Gedenkfeier statt.<br />

Die Innere Mission 1948-1973<br />

27


Spendenverteilung an Bedürftige<br />

Zur Linderung der materiellen Not nach dem Krieg war<br />

die Innere Mission auch für die Verteilung von Spenden<br />

zuständig. Nach den vorhandenen Aufzeichnungen leistete<br />

sie allein im Jahr 1950 in 4920 Fällen Hilfe, wobei<br />

sie 53 760 kg Lebensmittel und 4370 Kleidungsstücke<br />

verteilte. Sie hatte ihre Geschäftsstelle am Nahensteig,<br />

wo die Spendenübergabe koordiniert wurde. Geschäftsführer<br />

Gerhard Krocker beschrieb die Situation so: 31<br />

Da läutet das Telefon. Ein Lastzug mit Liebesgaben<br />

ist unterwegs nach <strong>Landshut</strong>. Sofortige Entladung ist<br />

erforderlich, da der Transport gleich weiterfahren<br />

muss! Einige Minuten Stille, bis die Überraschung<br />

verdaut war. Die Mittagspause war wieder einmal<br />

hin. So wurde wieder einmal die „Alarmkette“ in<br />

Bewegung gesetzt. Alle Mitarbeiter waren zur Stelle.<br />

Das Entladen konnte beginnen. Zahlreiche Pakete,<br />

Trommeln, Fässer, Ballen und sonstige Verpackungen<br />

kamen zum Vorschein. An neugierigen Zuschauern<br />

fehlte es nie. Schnell war die Nachricht: „Spenden<br />

sind eingetroffen!“ verbreitet. Alles wurde sortiert,<br />

gezählt, geprüft und in Karteien eingetragen.<br />

Ordnung muss sein, denn der Landesverband der<br />

Inneren Mission verlangte Berichte und Nachweise.<br />

Die Spender im Ausland wollten ja genau informiert<br />

werden. Da standen dann Stapel von Fässern mit<br />

Trockenmilch, jedes zwei Zentner schwer, große<br />

Pakete mit Käse und Butter, Fässer mit Fett und<br />

Fleisch, Sirup und Lebertran, Ballen mit Bekleidung,<br />

Säcke mit Schuhen. Alles Zeugen des ungebrochenen<br />

Liebeswillens eines Volkes, das vor nicht allzu langer<br />

<strong>Zeit</strong> noch im Krieg mit uns stand. Nicht vergelten,<br />

sondern „Liebe üben“ stand über dieser weltweiten<br />

Aktion.<br />

Ein Lastwagen brachte gespendete Lebensmittel<br />

und Bekleidung.<br />

Zur Nachkriegsnot kam im Jahr 1954 auch noch ein Isar-<br />

Hochwasser, so dass das Evangelische Hilfswerk hier<br />

ebenfalls Hilfe leistete und etwa 2000 Hochwassergeschädigte<br />

versorgte. Frauen und Kinder aus Mitterwöhr<br />

wurden in der Kirchenbaracke im Niedermayerviertel<br />

untergebracht. Auch die Bewohner von Landau<br />

und Umgebung waren vom Hochwasser betroffen und<br />

wurden mit Lebensmitteln und Kleiderspenden unterstützt.<br />

28 Die Innere Mission 1948-1973<br />

Im Beisein von<br />

Geschäftsführer<br />

Krocker wurden die<br />

Spenden gezählt,<br />

geprüft und notiert.<br />

Für die<br />

Hochwasseropfer<br />

aus dem Jahr 1954<br />

leistete die Innere<br />

Mission Hilfe.


Lebendige Hilfe: Kühe aus Texas<br />

Mit einer ungewöhnlichen Aufgabe wurde das Evangelische Hilfswerk in den 50er Jahren betraut: der<br />

Übergabe von amerikanischen Milchkühen an Flüchtlingsbauern. Die Tiere waren von texanischen Farmern<br />

gespendet worden, um den vertriebenen Landwirten einen Neuanfang in Bayern zu erleichtern.<br />

Einen Monat lang waren die 18 Kühe und 4 Kälber aus Texas unterwegs, bis sie am 3. Oktober 1957 <strong>Landshut</strong><br />

erreichten. Vom Güterbahnhof trotteten die Schwarzbunten zur Viehmarkthalle. Dort warteten nicht nur<br />

Flüchtlingsbauern aus dem südbayerischen Raum, sondern auch Vertreter der Wohlfahrtsverbände, der<br />

Kirchen und Behörden sowie eine Delegation des amerikanischen Heifer-Committee. Diese 1946 in den<br />

Vereinigten Staaten gegründete Organisation sandte im Rahmen des Färsen-Projekts Tausende von Tieren in<br />

die ganze Welt – überall dorthin, wo Not und Nahrungsmittelknappheit herrschten.<br />

Für die Verteilung der Kühe vor Ort waren das Evangelische Hilfswerk und die Innere Mission zuständig.<br />

Dekan Paul Krauß begrüßte die Gäste, Diakon Gerhard Krocker, der die kleine Feier organisiert hatte, führte<br />

die Verlosung der Tiere an die freudestrahlenden neuen Besitzer durch. Drei Landwirte hatten besonders<br />

viel Glück: Ihre Tiere hatten bereits Stierkälbchen bekommen, die die Bauern behalten durften. Eine Auflage<br />

gab es nämlich für die Beschenkten – sie mussten das erstgeborene weibliche Kalb ebenfalls an einen<br />

Heimatvertriebenen spenden und so ihrerseits zum wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes beitragen.<br />

Als ein „Christentum der Tat“ wurde das außergewöhnliche Ereignis damals gepriesen. Tatsächlich handelte<br />

es sich bei dieser Aktion nicht um eine kirchliche oder staatliche Zuwendung, sondern um private Geschenke<br />

amerikanischer Farmer, die aus religiöser Überzeugung heraus Gutes tun wollten. Auch für sie stellte die<br />

Abgabe eines Tiers ein Opfer dar.<br />

Bis 1955 waren bereits mehr als 2000 amerikanische Kühe nach Westdeutschland gespendet worden. Ins Leben<br />

gerufen wurde das Projekt 1938 von dem Amerikaner Dan West, der währen des spanischen Bürgerkrieges in<br />

einem Wohlfahrtsverband Hilfe leistete und dabei auf die Idee kam, mit Kuh-Spenden das vorherrschende<br />

Nahrungsmittelproblem zu lösen. Die Empfänger wurden nach ihrer Bedürftigkeit und ihrer Fähigkeit ausgewählt,<br />

das Spendentier angemessen zu halten. Sie mussten Flüchtlingslandwirte sein, die sich eine neue<br />

landwirtschaftliche Existenz aufbauen wollten und hilfsbedürftig waren.<br />

Die Innere Mission 1948-1973<br />

29<br />

Lese<br />

text


Bibeln und Krimis zum Ausleihen<br />

Neben materiellen Dingen wurden immer wieder – auch<br />

aus dem Ausland – Bibeln gespendet. Dies war einer der<br />

Gründe dafür, dass die Evangelische Buchhandlung in<br />

einem kleinen Laden neben der Geschäftsstelle am<br />

Nahensteig eingerichtet wurde. Sie war fortan bei Bibelwochen,<br />

Seminaren und anderen Gemeindeveranstaltungen<br />

mit einem Büchertisch vertreten. Um die Jugendlichen<br />

„von den Gefahren der in Massen vorhandenen<br />

schlechten Literatur wegzuführen“ 32 , wurde zudem eine<br />

Leihbücherei im Bayerischen Verband evangelischer<br />

Büchereien gegründet. Etwa 650 Bände standen zur<br />

Ausleihe: Bibelwerke, Jugendbücher, Kunstkalender,<br />

auch Aufklärungsliteratur für Buben und Mädchen war<br />

darunter. Als die Innere Mission in das neu erbaute<br />

Gemeindehaus umgezogen war, wurden dort weiterhin<br />

regelmäßige Buchausstellungen veranstaltet und – von<br />

der Kinderbibel bis zum Krimi – Literatur für Jung und Alt<br />

vorgestellt. „Es genüge nicht, (…) nur über schlechte<br />

Bücher zu schimpfen und Schmutz und Schund zu verdammen.<br />

Man müsse den Eltern, jungen Menschen und<br />

Kindern auch zeigen, was es alles an Lesenswertem in<br />

der Welt der Bücher gibt.“ Mit diesen Worten zitierte die<br />

<strong>Landshut</strong>er <strong>Zeit</strong>ung 1966 den Ausstellungsinitiator und<br />

Geschäftsführer Krocker.<br />

30 Die Innere Mission 1948-1973<br />

Die Evangelische<br />

Buchhandlung befand<br />

sich am Nahensteig.


Theoretischer Unterricht gehörte zum Bergbaukurs.<br />

Jugendbildung: Bergbau und<br />

Haushaltsschule<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschten in Bayern ein<br />

eklatanter Lehrstellenmangel, bedrückende Arbeitslosigkeit<br />

und eine anhaltende Wohnungsnot. In den städtischindustriellen<br />

Regionen hingegen wurden Arbeiter händeringend<br />

gesucht. Zu den boomenden Sektoren und<br />

wesentlichen Wirtschaftsstützen der Nachkriegszeit<br />

zählte der Bergbau. Da die Ausweitung der Kohleförderung<br />

in den Zechen aufgrund fehlender zusätzlicher<br />

Arbeitskräfte stagnierte, warben Regierung, Arbeitsämter<br />

und Unternehmen gezielt Arbeiter aus dem Kreis<br />

der Flüchtlinge und Vertriebenen an. Auch in Bayern, das<br />

zu den Flüchtlingsaufnahmeländern gehörte, wurden<br />

Bergleute gesucht.<br />

So kam es, dass sich Anfang der 1950er-Jahre <strong>Landshut</strong>er<br />

Jugendliche für den Bergbau entschieden und ins<br />

Ruhrgebiet zogen. Die Innere Mission <strong>Landshut</strong> hatte<br />

nämlich auf die Jugendarbeitslosigkeit mit einer pragmatischen<br />

Lösung reagiert: Mit Unterstützung durch die<br />

Bergbau AG Consolidation aus Gelsenkirchen wurde ein<br />

Jugendwohnheim auf dem Gelände der ehemaligen<br />

Höhnkaserne in der Podewilsstraße errichtet und damit<br />

die Basis für die Berufsausbildung der Jugendlichen<br />

gelegt. In diesem im Juni 1952 eröffneten Wohn- und<br />

Schulungsheim fanden jeweils dreimonatige Auswahlund<br />

Schulungskurse statt – übrigens die einzigen Bergbaulehrgänge<br />

in Bayern! Die Jungen wurden dort nicht<br />

nur theoretisch auf ihren künftigen anstrengenden Beruf<br />

Die Innere Mission 1948-1973<br />

Die angehenden Bergbaulehrlinge verschönerten<br />

den Herzog-Georg-Platz.<br />

vorbereitet, sondern sie wurden auch zu Aufbauarbeiten<br />

im Stadtgebiet herangezogen, etwa zu Erdbewegungen<br />

in der Schwimmschule oder zu Straßenarbeiten am<br />

Klausenberg. Für diese unentgeltlichen Arbeiten zeigte<br />

sich die Stadt erkenntlich und gab Zuschüsse zu den<br />

Ausflügen der Jugendlichen.<br />

Im September 1953 trafen die ersten 29 Lehrlinge<br />

aus <strong>Landshut</strong> zusammen mit Diakon Gerhard Krocker in<br />

Gelsenkirchen ein, wo sich der Geschäftsführer in der<br />

Zeche informierte und auch eine Grubenfahrt unternahm.<br />

Die Teilnehmer der ersten drei Bergbaukurse wurden<br />

von der Consolidation Bergbau AG in Gelsenkirchen<br />

übernommen, die weiteren gingen zur Dortmunder Bergbau<br />

AG.<br />

31<br />

Diakon Krocker<br />

mit den<br />

Jugendlichen im<br />

Wohnheim an<br />

der Podewilsstraße


Aufgrund der strengen Vorauswahl gab es bei den<br />

<strong>Landshut</strong>er Jugendlichen einen sehr geringen Anteil, der<br />

die Bergbaulehre abbrach, während es bei den übrigen<br />

Lehrlingen 30 Prozent waren. Auch hatte der Ausbildungsleiter<br />

Wilhelm Kraft in <strong>Landshut</strong> großen Wert auf<br />

den Aufbau kameradschaftlicher Beziehungen gelegt. So<br />

wurden gemeinsame Ausflüge unternommen, auch<br />

Musikstücke oder Vorführungen für den abschließenden<br />

Elternnachmittag einstudiert. Die Innere Mission lud die<br />

Eltern der Lehrlinge regelmäßig zu einem Informationsnachmittag<br />

in das Heim ein, wo sie von den Mädchen<br />

des Haushaltungslehrgangs bewirtet wurden. Ansprechpartner<br />

von der Bergbau AG, Dekan Krauß und Diakon<br />

Krocker waren dabei anwesend, um den Eltern Fragen zu<br />

den Ausbildungsinhalten und zu den beruflichen Bedingungen<br />

in der Zeche zu beantworten.<br />

Für die Jugendlichen bedeutete das Ende des Lehrgangs<br />

gleichzeitig, Abschied von Familie und Heimat zu<br />

nehmen. „Obgleich erst am 3. Oktober die Abschiedsstunde<br />

schlägt, ließ der Trennungsschmerz schon beim<br />

Elternnachmittag des siebenten <strong>Landshut</strong>er Kurses der<br />

Dortmunder Bergbau AG manche Mutter Tränen vergießen“,<br />

schrieb die „Isar-Post“. 33 Nicht nur Jugendliche,<br />

auch komplette Familien verließen damals Bayern.<br />

Angetrieben von der Suche nach Arbeitsplätzen setzte<br />

eine Flucht aus den ländlichen Regionen ein, die durch<br />

insgesamt fünf Umsiedlerprogramme des Bundes gesteuert<br />

wurde. Zwischen 1949 und 1956 wurden auf dieser<br />

Basis rund eine Million Menschen in ganz Deutschland<br />

in andere Bundesländer umverteilt. Gewinner war<br />

dabei Nordrhein-Westfalen, vor allem das Ruhrgebiet,<br />

denn der Kohlebergbau versprach den Umsiedlern eine<br />

sichere und attraktive Zukunft.<br />

Zum Jahresende 1955 löste die Innere Mission sowohl<br />

das Wohnheim als auch den Grundausbildungslehrgang<br />

auf. Insgesamt waren etwa 470 Jungen aus dem<br />

<strong>Landshut</strong>er Kurs für die Bergbaulehre vorbereitet worden.<br />

Zuvor war auch schon die Haushaltsschule für die<br />

Mädchen geschlossen und deren Mobiliar dem Ursulinenkloster<br />

überlassen worden. In der Haushalts- und<br />

Nähschule der Inneren Mission in der Baracke Gabelsbergerstraße<br />

10b waren insgesamt 340 Mädchen ausgebildet<br />

worden. Die Nähschule wurde durch den Staat<br />

gefördert und zählte zu den sozialen Maßnahmen des<br />

Bayerischen Jugendwerks zur Linderung der Berufsnot<br />

der Jugend.<br />

In der Haushaltsschule der Inneren Mission lernten<br />

die Mädchen das Kochen.<br />

32 Die Innere Mission 1948-1973<br />

Abschied von <strong>Landshut</strong>: Die Jugendlichen<br />

auf dem Weg in ihre berufliche Zukunft im<br />

Ruhrgebiet.<br />

Auch Diakon Krocker (rechts) machte eine<br />

Grubenfahrt.


In der Nähstube der Inneren Mission <strong>Landshut</strong> fertigten die jungen Frauen Kleidungsstücke und stellten sie aus.<br />

Mehr als nur eine Werkstatt!<br />

Diakon Gerhard Krocker, Geschäftsführer der Inneren Mission <strong>Landshut</strong> (von 1950 bis 1972), berichtet über die Nähstube<br />

Durch den Zustrom von Flüchtlingen aus dem Osten entstand auf dem Arbeitsmarkt eine katastrophale Lage.<br />

Fast 200 000 evangelische Flüchtlinge kamen in die niederbayerische Diaspora. Infolge Übervölkerung dieses<br />

Gebietes gibt es noch heute eine erschreckend große Zahl von Arbeitslosen. Unvorstellbar ist die Berufsnot der<br />

Jugend! Die große Gefahr des sittlichen Abgleitens unserer Jugend infolge Arbeitslosigkeit ist heute noch eine<br />

große Sorge.<br />

Unsere Nähstube ist aus Sorge um die Berufsnot unserer Jugend im Rahmen der sozialen Maßnahmen des<br />

bayerischen Jugendwerkes im Juli 1950 entstanden. Bisher sind 92 Mädchen im Schneidern, Handarbeiten,<br />

Schnittzeichnen, Kochen und fast allen vorkommenden hauswirtschaftlichen Arbeiten gefördert worden.<br />

Auch in unserem Kindergarten im DP-Lager1 wird eine Gruppe unserer Mädels unter Anleitung der<br />

Kindergärtnerin beschäftigt. In diesem Zusammenhang macht der Bastelunterricht, der Fertigkeiten für die<br />

Beschäftigung mit Kindern vermittelt, den Mädels große Freude. Gesang, Volkstanz und Spiel sind beliebte<br />

Beschäftigungen. Auch in Säuglingskunde, Gesundheitslehre und „erste Hilfe bei Unfällen“ werden<br />

Kenntnisse und Fertigkeiten übermittelt. Lichtbildervorträge werden besonders im Winterhalbjahr gehalten.<br />

Sie sollen die Allgemeinbildung fördern und den Unterrichtsstoff veranschaulichen.<br />

Zur <strong>Zeit</strong> ist unsere Nähstube mit 34 Mädels im Alter von 14 bis 16 Jahren belegt. Sie sind fast alle Flüchtlinge<br />

und kommen zum großen Teil aus Familien, die wirtschaftlich und wohnraummäßig in recht kümmerlichen<br />

Verhältnissen leben. Von einem großen Teile sind die Väter arbeitslos oder nur Hilfsarbeiter. Besonders groß<br />

ist die Not in den kinderreichen Familien, die oft durch Arbeitslosigkeit und Wohnraumenge bis an die<br />

Grenze des Ertragbaren geht! Wir wollen die Mädels, die recht lange auf eine Lehrstelle warten müssen, von<br />

den Gefahren der Straße und des Nichtstuns fernhalten und sie für ihren späteren Beruf ertüchtigen. Von den<br />

Mädchen, die bisher unsere Nähstube besuchten, erhielten 75 % Stellen als Hausangestellte und 25 % bekamen<br />

Lehrstellen. Unsere Nähstube soll aber nicht nur eine Werkstatt sein, in der die Mädchen einige Fertigkeiten<br />

erwerben, sondern sie werden auch das gewinnen, was die Kraft zum Leben gibt!<br />

1 DP-Lager waren Einrichtungen zur vorübergehenden Unterbringung so genannter Displaced Persons (DPs) nach dem Ende<br />

des Zweiten Weltkriegs. Unter diesem Begriff wurden zunächst alle Personen verstanden, die sich als ehemalige KZ-Häftlinge<br />

oder Zwangsarbeiter oder als von den Nationalsozialisten angeworbene ausländische Arbeitskräfte in Deutschland befanden.<br />

Die Innere Mission 1948-1973<br />

33<br />

Lese<br />

text


Beginn der Kindergartenarbeit<br />

In einer Baracke am Gutenbergweg eröffnete die Innere<br />

Mission im Januar 1953 den ersten evangelischen<br />

Kindergarten in <strong>Landshut</strong>. Er konnte bis zu 60 Kinder im<br />

Alter von drei bis sechs Jahren aufnehmen. Als zwei<br />

Jahre später das evangelische Gemeindehaus fertiggestellt<br />

war, übersiedelte der Kindergarten dorthin: Dekan<br />

Krauß, Diakon Krocker und Lektor Schwarz waren am<br />

Eröffnungstag gekommen, um die Räume ihrer neuen<br />

Bestimmung zu übergeben. Zwar fehlten noch die Vorhänge,<br />

aber die Zimmer waren wohnlich gestaltet. Durch<br />

die Zentralheizung waren sie warm und – anders als vorher<br />

in der Holzbaracke – durch die großen Fenster auch<br />

hell. Begeisterung erzielte vor allem der neue Waschraum<br />

mit richtigen Waschbecken, denn in der Baracke<br />

mussten sich die Kinder mit Schüsseln behelfen. Auch<br />

gab es ein Klavier, an dem die Erzieherin, Fräulein<br />

Gertrud Mätschke, die Kinder zu rhythmischen Musikspielen<br />

animierte, ebenso einen separaten Schlafraum<br />

mit Liegematten.<br />

1956 wurde ein weiterer Kindergarten der Inneren<br />

Mission im Niedermayerviertel eröffnet – ebenfalls in<br />

einer Baracke der evangelischen Notkirche. Trotz der<br />

Der erste Kindergarten<br />

der Inneren Mission<br />

befand sich in einer<br />

Baracke am<br />

Gutenbergweg.<br />

behelfsmäßigen Einrichtung war der Zuspruch zu diesem<br />

neuen Angebot schon am Eröffnungstag unerwartet<br />

hoch: Es wurden elf Kinder aus evangelischen und neun<br />

aus katholischen Familien angemeldet.<br />

Diese Fürsorgearbeit der Inneren Mission erstreckte<br />

sich allerdings nur über einen vergleichsweise kurzen<br />

<strong>Zeit</strong>raum, denn bereits 1961 wurden beide Kindergärten<br />

in die Trägerschaft der Evangelischen Kirchengemeinde<br />

übergeben.<br />

Kreative Spiele trotz einer behelfsmäßigen Unterbringung:<br />

Der Kindergarten im Niedermayerviertel.<br />

34 Die Innere Mission 1948-1973


Ein neues Haus für die Evangelische<br />

Gemeinde<br />

Mit dem neuen Evangelischen Gemeindehaus ging ein<br />

lang gehegter Wunsch in Erfüllung. Die Evangelische<br />

Gemeinde war stark angewachsen und wünschte sich<br />

eine Begegnungsstätte. Es dauerte einige Jahre, bis auch<br />

die materiellen Möglichkeiten dafür gegeben waren und<br />

der Plan verwirklicht werden konnte. Auf dem Grundstück<br />

am Gutenbergweg wurden die beiden Baracken,<br />

die als Kindergarten und als Nähstube gedient hatten,<br />

abgerissen. Im August 1955 wurde Richtfest gefeiert, im<br />

Dezember fand die feierliche Einweihung durch Oberkirchenrat<br />

Koller statt. Das neue Haus bot im Erdgeschoss<br />

Platz für die Büros der Inneren Mission und des<br />

Evangelischen Hilfswerks. Auch die Evangelische Buchhandlung<br />

zog dorthin um. Besonders stolz war man auf<br />

einen geräumigen Saal und ein Sitzungszimmer. Die<br />

Jugend bekam ebenfalls Räume für ihre Treffen, sogar<br />

einen Ping-Pong-Raum im Keller. Im Obergeschoß und<br />

unter dem Dach waren Wohnungen für Pfarrer, Hausmeister,<br />

Katechetin und Pfarrhelferin vorgesehen.<br />

Die Innere Mission 1948-1973<br />

35<br />

Wo noch Baracken stehen, soll bald das neue Gemeindehaus erbaut<br />

werden.<br />

Wo noch Baracken<br />

stehen, soll bald das<br />

neue Gemeindehaus<br />

erbaut werden.<br />

Bot Platz für die<br />

Bedürfnisse der<br />

Evangelischen Gemeinde<br />

in <strong>Landshut</strong>: das<br />

Gemeindehaus am<br />

Gutenbergweg.


4<br />

Die 1960er-Jahre:<br />

Ausbau der Altenhilfe<br />

Die Leiterin des evangelischen<br />

Altenheims Vilsbiburg, Diakonisse<br />

Anna Maul, mit Frau Krocker<br />

Der fortschreitende wirtschaftliche Aufschwung in den<br />

1960er-Jahren brachte für die Wohlfahrtsverbände ein<br />

großes Personalproblem mit sich: Die Arbeitsnehmer wanderten<br />

in die lukrativere industrielle Produktion ab und<br />

standen daher für soziale Tätigkeiten nicht mehr zur Verfügung.<br />

Hinzu kam, dass die Diakonissen-Mutterhäuser<br />

aufgrund rückläufiger Eintritte mit Schwesternmangel zu<br />

kämpfen hatten. So mussten Diakonissen aus jahrzehntelang<br />

von ihnen verantworteten Aufgabenbereichen in die<br />

Mutterhäuser zurückgerufen werden. Auch konnten keine<br />

Ersatzschwestern geschickt werden. Diese Entwicklung<br />

führte dazu, dass neue Berufsgruppen entstanden, etwa in<br />

der Altenpflege und in der Heilerziehungspflege. Die<br />

Fachkräfte übernahmen die Arbeit der Schwestern. Auch in<br />

<strong>Landshut</strong> und kurze <strong>Zeit</strong> später in Vilsbiburg ging die <strong>Zeit</strong><br />

der Diakonissen zu Ende.<br />

36 Die Innere Mission 1948-1973


Das Ende der Diakonissenära<br />

1969 verließ die letzte Diakonisse <strong>Landshut</strong>: Schwester<br />

Anna Held konnte nach einem Krankheitsurlaub ihren<br />

Dienst nicht mehr aufnehmen. Sie hatte als einzige<br />

Diakonisse in <strong>Landshut</strong> seit 1963 Einsame, Kranke und<br />

Gefährdete betreut. Aufgrund des allgemeinen Schwesternmangels<br />

war das Mutterhaus Augsburg nicht in der<br />

Lage, für sie einen Ersatz zu stellen. Deshalb versuchte<br />

die Innere Mission, die Gemeindepflege mit weltlichen<br />

Kräften fortzuführen, was nicht gelang. Schließlich musste<br />

die Gemeindestation im Jahr 1971 aufgelöst werden.<br />

Erst einige Jahre später lebte die ambulante Pflege mit<br />

der Einrichtung der Sozialstation neu auf.<br />

Im evangelischen Altenheim Vilsbiburg waren Hensoltshöher<br />

Schwestern tätig. Die letzten Diakonissen<br />

wurden 1973 durch das Mutterhaus in Gunzenhausen<br />

abberufen. Schwester Anna Maul hatte in Vilsbiburg<br />

über viele Jahre die Leitung des Altenheims der Inneren<br />

Mission an der Bergstraße innegehabt. Zu ihrem 60.<br />

Die Innere Mission 1948-1973<br />

Das Altenheim Vilsbiburg schloss 1979 seine Pforten.<br />

Geburtstag im Juli 1966 schrieb die Vilsbiburger <strong>Zeit</strong>ung:<br />

„Kein Achtstundentag und kein Tarif sind Gegenstand<br />

ihres Arbeitsvertrages, den sie mit einem hilfstätigen<br />

Werk geschlossen hat. Wo es gilt, für ihre Leute etwas zu<br />

tun, da ist Schwester Anna unermüdlich.“ 34<br />

Herausforderungen im Wirtschaftswunder<br />

Da während des Krieges in <strong>Landshut</strong> viel Wohnraum zerstört<br />

worden war und gleichzeitig infolge des Flüchtlingszustroms<br />

ein hoher zusätzlicher Wohnungsbedarf<br />

entstand, musste gebaut werden. Es standen immer<br />

noch Notbaracken, die soziale Probleme aufwarfen.<br />

1969 beschloss der damalige dritte Bürgermeister, Josef<br />

Deimer, einen Fünf-Jahres-Plan zur Errichtung von 500<br />

Sozialwohnungen und 200 Wohnungen für Pendler, um<br />

der Wohnungsnot entgegenzuwirken. Insbesondere für<br />

ältere Menschen, denen gekündigt worden war, wurden<br />

Wärmestuben eingerichtet. 35<br />

37


Die Fürsorgerin musste mobil sein.<br />

Für den damaligen Geschäftsführer der Inneren Mission,<br />

Gerhard Krocker, stellten sich immer neue Herausforderungen.<br />

Trotz voller Schaufenster und neu erwachtem<br />

Konsumvergnügen der 1960er-Jahre waren Innere Mission<br />

und Evangelisches Hilfswerk weiterhin gefordert,<br />

für Kinder, Flüchtlinge und Spätaussiedler zu sorgen. Im<br />

Flüchtlingslager in Ganacker wurden 1961 83 Familien<br />

mit Kleidung, Schuhen, Geschirr und Lebensmitteln aus<br />

der Friedlandhilfe 36 versorgt. Weitere Aufgaben der<br />

Inneren Mission waren: Erholungsfürsorge für Erwachsene<br />

und Kinder, rund 90 Vormundschaften, Behördenbesuche<br />

und Anträge, Altenheime und Kindergärten,<br />

Auswandererberatung, Nichtsesshaften- und Strafentlassenenfürsorge<br />

und Mütterdienst.<br />

1966 waren für die Innere Mission <strong>Landshut</strong> zwei<br />

Diakone als Geschäftsführer bzw. Heimleiter, zwei Hausmütter,<br />

sechs Diakonissen, zwei Fürsorgerinnen, vier<br />

Bürokräfte und 16 Hausangestellte (in den Altenheimen)<br />

tätig. Dazu kamen zwei Kindergärtnerinnen, die im<br />

Dienst der Gesamtkirchenverwaltung standen.<br />

Prägend für die 1960er-Jahre waren der Bau des<br />

neuen Altenheimes, der Ausbau der offenen Seniorenarbeit<br />

sowie das Angebot altersgerechter Mietwohnungen<br />

für Senioren. Dieses ganzheitliche Konzept zur<br />

Betreuung älterer Menschen in allen Lebenslagen<br />

entstand unter der Federführung des engagierten<br />

Geschäftsführers Gerhard Krocker. Er erhielt für seine<br />

sozialen Verdienste 1978 die goldene Bürgermedaille<br />

der Stadt <strong>Landshut</strong>.<br />

Für den <strong>Diakonie</strong>verein war eine funktionierende Verwaltung<br />

unerlässlich.<br />

38 Die Innere Mission 1948-1973


Das Altenheim am Bettinaweg<br />

Eine deutliche Verbesserung in der Heimunterbringung<br />

brachte der Bau des neuen Altenheims am Bettinaweg,<br />

das als eines der modernsten in Bayern gelobt wurde.<br />

Eine wichtige Neuerung war, dass überwiegend Einzelzimmer<br />

angeboten werden konnten. Ebenso neuartig war<br />

damals auch das Konzept der „Hauseltern“ – Diakonen-<br />

Ehepaare, die das Heim leiteten. Die ersten Hauseltern<br />

waren Ernst und Auguste Schuch,<br />

ab 1972 folgte das Diakonen-Ehepaar<br />

Paul und Gudrun Kornacher, ab<br />

1988 leiteten Arnold und Marianne<br />

Schubert das Altenheim.<br />

Im Volksmund hieß das Altenund<br />

Pflegeheim „Bettinaheim“, obwohl<br />

es nie offiziell so genannt<br />

wurde. Der Grund war einfach: Die<br />

Hausanschrift lautete Bettinaweg<br />

11. Eigentlich lag das Heim aber an<br />

der Sandnerstraße, genau dort, wo<br />

heute seine Nachfolgeeinrichtung –<br />

das Matthäusstift – steht.<br />

Die Stadt <strong>Landshut</strong> hatte bereits<br />

1958 aus ihrem Besitz ein größeres<br />

Baugrundstück an die Innere Mission<br />

<strong>Landshut</strong> verkauft. Nach 14<br />

Monaten Bauzeit wurde das Heim<br />

Gleichzeitig war für das erste evangelische Altenheim an<br />

der Klötzlmüllerstraße die <strong>Zeit</strong> abgelaufen. Es wurde aufgelöst<br />

und an die Evangelische Kirchengemeinde verkauft,<br />

die dort ein Pfarr- und Mesnerhaus baute. Ebenfalls<br />

verkauft wurde das Altenheim in Kronwinkl, dessen<br />

15 taubstumme Bewohner in ein modernes Heim in<br />

Bogen übersiedeln konnten.<br />

am 20. Juli 1962 in Gegenwart von<br />

Vertretern des öffentlichen und<br />

kirchlichen Lebens eingeweiht. Für<br />

rund 1,3 Millionen Mark vom Evangelischen<br />

Siedlungswerk gebaut,<br />

bot es 60 Senioren Platz. Wie damals Dr. Uhlemann, der<br />

Geschäftsführer des Evangelischen Siedlungswerks,<br />

betonte, sollte der Bau des Heims auch ein Beitrag zur<br />

Bekämpfung der Wohnungsnot sein. Im Blick war die<br />

Zielgruppe der älteren Menschen, die in den ersten<br />

Aufbaujahren nach dem Krieg fast vergessen worden<br />

wären. Durch die Geborgenheit im Heim und mit der<br />

Möglichkeit, am städtischen Leben teilzunehmen, wollte<br />

man bei diesen Menschen das Bewusstsein stärken,<br />

dass sie nicht aufgegeben, sondern ein wichtiger Teil der<br />

Gemeinschaft waren. 37 Das Altenheim am Bettinaweg galt als eines der<br />

modernsten Heime in Bayern.<br />

Der Preis für einen Heimplatz Viel Prominenz versammelte sich zur Einweihungsfeier.<br />

betrug 320 Mark monatlich.<br />

Die Innere Mission 1948-1973<br />

39


Das Altenheim am Bettinaweg war sehr gefragt.<br />

1971 erhielt das Altenheim am Bettinaweg einen<br />

Erweiterungsbau mit zusätzlichen 90 Betten. Aufgrund<br />

der zunehmenden Pflegebedürftigkeit der Bewohner<br />

ergab sich im Laufe der <strong>Zeit</strong> die Notwendigkeit eines<br />

separaten Pflegebereichs. Als 1980 nach einjähriger<br />

Bautätigkeit eine neue Pflegestation mit 20 Betten eröffnet<br />

wurde, bedeutete dies eine große Erleichterung für<br />

das Personal.<br />

Bereits 1968 hatte das Evangelische Siedlungswerk in<br />

unmittelbarer Nachbarschaft zum Altenheim ein Appartementhaus<br />

mit Mietwohnungen für 36 Senioren eröffnet.<br />

Diese Anlage, die altersgerechte Wohnungen und<br />

eine umfassende Unterstützung etwa im Sinne von<br />

Betreutem Wohnen anbot, wurde ab 1981 einige Jahre<br />

lang vom Diakonischen Werk verwaltet.<br />

Da die Bewohner dieses Appartementhauses älter<br />

und hilfsbedürftiger geworden waren, richtete die <strong>Diakonie</strong><br />

ab 1984 eine Halbtagsstelle zu deren Betreuung<br />

ein. Dazu gehörten die Hilfe im Haushalt, in Notsituationen,<br />

bei Krankheit, ein Einkaufsdienst sowie medizinische<br />

Versorgung in Zusammenarbeit mit der Sozialstation.<br />

Das „Bettinaheim“ mit den Erweiterungsbauten<br />

in den 1980er-Jahren<br />

40 Die Innere Mission 1948-1973


„Man musste<br />

vielseitig sein“<br />

Das Diakonen-Ehepaar Gudrun und Paul Kornacher<br />

berichtet über die <strong>Zeit</strong> als Hauseltern im Altersheim<br />

am Bettinaweg (1972 bis 1988)<br />

»Als „Hauseltern“ waren wir familiäre Ansprechpartner, das heißt, wir haben jeden<br />

Heimbewohner und auch die Angehörigen persönlich gekannt. Dazu kam, dass wir<br />

auch im Heim gewohnt haben, sodass wir Tag und Nacht ansprechbar waren.<br />

Früher gingen die Menschen ja in einem sehr rüstigen Zustand ins Heim. Viele von ihnen<br />

haben zu Anfang noch Reisen unternommen. Diese Menschen wurden natürlich im Laufe<br />

der Jahre betreuungsbedürftiger. Später kamen dann immer mehr pflegebedürftige<br />

Menschen zu uns ins Heim, so dass der Bau einer eigenen Pflegestation unumgänglich<br />

wurde. Für uns war das eine schwierige <strong>Zeit</strong>: den Bewohnern klarzumachen, dass sie von<br />

einem Einzelzimmer in ein 3-Bett-Zimmer zur Pflege umziehen mussten. Als die Nachfrage<br />

nach Pflegebetten in <strong>Landshut</strong> immer größer wurde, haben wir für die neue<br />

Pflegestation das Personal aufgestockt und Altenpfleger eingestellt.«<br />

Gudrun Kornacher: »Ich erinnere mich noch gut, als die Bewohner aus ihren gewohnten<br />

Zimmern in die neue Pflegestation umziehen mussten, da gab es Tränen. Das machte es<br />

mir noch schwerer, den alten Menschen den Umzug zu erklären.«<br />

Einmal im Monat kamen ehrenamtliche Mitarbeiterinnen, die mit den Bewohnern im Speisesaal<br />

Spiele organisiert oder mit ihnen gesungen haben. Sie nannten sich „Bettina-Club“. Auf die Unterhaltung<br />

der Heimbewohner legte Paul Kornacher großen Wert. Es war geradezu ein Steckenpferd<br />

von ihm, Referenten zu gewinnen. Für Gudrun Kornacher war dies manchmal sogar ein bisschen<br />

zu viel, denn dazu musste am Abend immer der komplette Speisesaal umgeräumt werden.<br />

Paul Kornacher: »Als Heimleiter musste man damals vielseitig sein. Als Seelsorger<br />

habe ich jeden Abend im Heim eine kurze Andacht gehalten oder auf Wunsch mit den<br />

einzelnen Bewohnern gebetet. Als Krankenpfleger half ich auch bei der Pflege mit.<br />

Nur die betriebswirtschaftlichen Kenntnisse haben mir gefehlt, deshalb war ich froh,<br />

dass die Buchhaltung von der Verwaltung des Diakonischen Werks übernommen wurde.<br />

Die Heimleitung des Altenheimes war mein schönster Abschnitt im Berufsleben. Denn<br />

die Tätigkeit war so vielseitig, dass ich mich auch persönlich entfalten konnte. Und das<br />

Arbeitsklima war gut, sogar heute treffen wir uns noch einmal im Monat mit einigen<br />

ehemaligen Mitarbeitern.«<br />

Die Innere Mission 1948-1973<br />

Gespräch mit dem Ehepaar Kornacher am 16.04.2008.<br />

41<br />

<strong>Zeit</strong><strong>zeugen</strong>


Ausbau der offenen Seniorenarbeit<br />

Neben der stationären Altenpflege gewann die offene<br />

Seniorenarbeit an Bedeutung. 1966 wurde Erika Dahl als<br />

zweite Sozialarbeiterin der Inneren Mission angestellt.<br />

Unter ihrer Anleitung wurden in den <strong>Landshut</strong>er Gemeinden<br />

sechs Altenkreise gegründet, die von 300<br />

Gemeindemitgliedern regelmäßig besucht wurden.<br />

29 ehrenamtliche Mitarbeiter leiteten insgesamt 20<br />

Seniorengruppen. Sie boten den älteren Menschen die<br />

Möglichkeit, über einzelne Lebensphasen zu erzählen,<br />

Probleme der Vergangenheit oder die Belastungen der<br />

Gegenwart im Gespräch zu bewältigen. Gedankenaustausch,<br />

Kommunikation, aber auch körperliche und geistige<br />

Aktivierung standen im Vordergrund der Seniorenarbeit.<br />

Ab 1977 bekam die offene Seniorenarbeit Aufschwung,<br />

als die Begegnungsstätte im Gemeindehaus<br />

am Gutenbergweg 16 bezogen werden konnte: Tanzen,<br />

Gymnastik, kreative Arbeit und Gespräche in der Gruppe<br />

wurden dort angeboten. Noch heute gibt es einen<br />

Offenen Altenclub, der sich in der Begegnungsstätte im<br />

Diakonischen Zentrum trifft, ebenso einen Club WUF<br />

(Wir um Fünfzig) und mehrere Gymnastik- und Bewegungsgruppen<br />

für Senioren. Betreut werden diese<br />

ehrenamtlich geleiteten Kurse von der Kirchlichen Allgemeinen<br />

Sozialarbeit des Diakonischen Werks, vielfach<br />

in Zusammenarbeit mit den Kirchengemeinden.<br />

Senioren-Bewegungsgruppe<br />

42 Die Innere Mission 1948-1973<br />

Der „Bettinaclub“:<br />

Auf ehrenamtlicher Basis wurden<br />

für die Senioren Nachmittage im<br />

Altenheim gestaltet.


Heimalltag in den 1980er-Jahren<br />

Die Innere Mission 1948-1973<br />

43


<strong>Zeit</strong><strong>zeugen</strong><br />

Für geistige Anregung und<br />

körperliche Beweglichkeit<br />

Erika Dahl, ehemalige Sozialarbeiterin für Altenarbeit beim Diakonischen Werk,<br />

erinnert sich an die ersten Seniorengruppen<br />

Als ich im Januar 1966 meine Aufgabe beim Diakonischen Werk übernahm, die Arbeit mit<br />

Senioren aufzubauen, gab es – auch auf Bundesebene – außer den Seniorennachmittagen sowie<br />

einem Ausflug keine weiterführenden Angebote, keine Modelle. An meinem vorherigen<br />

Arbeitsplatz hatte ich in der Gefährdetenhilfe erste zaghafte Versuche in der Zusammenarbeit<br />

mit Ehrenamtlichen unternommen. Warum sollten sich nicht auch hier Menschen zur verantwortlichen<br />

Mitarbeit gewinnen lassen?<br />

Durch Befragungen der Besucher der großen Seniorennachmittage stellte sich heraus, daß einige<br />

Ältere sich gerne 8- oder 14-täglich treffen würden. Es gelang, für die daraufhin geplante erste<br />

Gruppe drei ehrenamtliche Mitarbeiterinnen zu finden. Im Laufe der nächsten Jahre entstanden<br />

immer neue Seniorenkreise: Gesprächsgruppen, sog. Hobbykreise für Basteln, Singen, Gymnastik<br />

und Tanz, der Herrentreff, der von einem Mann geleitet wurde. Es wurde von uns eine Zurüstung<br />

für Clubleiterinnen zur Vorbereitung auf ihre Aufgabe angeboten, nach einigen Jahren als einwöchiges<br />

Seminar auf Landesebene. Die bald 20 Mitarbeiterinnen trafen sich 14-täglich zur<br />

Anleitung und Begleitung. Die Ziele ihrer Arbeit legten sie wie folgt fest: Die breit gefächerten<br />

Angebote für die ältere Generation sollen aus der Isolation herausführen bzw. diese verhindern;<br />

das Miteinander in der Gruppe einüben, um es auch im Alltag praktizieren zu können; über<br />

diese Zusammenkünfte hinaus Kontakte halten, geistige Anregung bieten und die körperliche<br />

Beweglichkeit möglichst lange erhalten; Gespräche über Glaubensfragen führen, sich gegenseitig<br />

Mut machen zum Leben und das Selbstvertrauen stärken.<br />

In vielen Gemeinden unseres Dekanats wurde unser langjähriges Angebot, Ehrenamtliche für den<br />

Aufbau von Seniorengruppen auszubilden, gerne angenommen und so entstanden immer mehr<br />

Altenkreise. Unsere Gemeinden werden da lebendig sein, wo vielen Menschen in vielfältiger<br />

Weise geholfen werde kann. Dazu gehört das enge Zusammenwirken von Ehrenamtlichen und<br />

Hauptamtlichen.<br />

Unveröffentlichtes Manuskript des Diakonischen Werks, Dezember 1986, und Interview im Jahr 2008<br />

44 Die Innere Mission 1948-1973


5<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

Das Diakonische<br />

Werk auf<br />

Expansionskurs<br />

Die Ausweitung der Sozialgesetzgebung in<br />

Deutschland führte dazu, dass sich die<br />

soziale Arbeit immer mehr ausdifferenzierte<br />

und vielfältige neue Aufgabenbereiche entstanden.<br />

Aus der „Inneren Mission <strong>Landshut</strong>“<br />

wurde nach einer Satzungsänderung<br />

im Jahr 1973 das „Diakonische Werk<br />

<strong>Landshut</strong>“ mit diversen Fachdiensten,<br />

offenen Gruppenangeboten und einer steigenden<br />

Zahl von Beschäftigten.<br />

Aufgrund dieser Entwicklung wird die<br />

Geschichte der <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong> ab Mitte<br />

der 1970er-Jahre geprägt von der Entstehungshistorie<br />

der einzelnen Fachdienste.<br />

So reichen zum Beispiel die Wurzeln der<br />

Sozialstation, der Erziehungs-, Ehe- und<br />

Lebensberatung, des Sozialpsychiatrischen<br />

Dienstes und der Beruflichen Hilfen in<br />

diese <strong>Zeit</strong> zurück.<br />

45


Der erste Dienstwagen der Sozialstation war ein<br />

gebrauchter VW. Auf dem Bild sind auch die erste<br />

Leiterin Gisela Wasserrab (vorne Mitte) und dahinter<br />

Geschäftsführer Werner Heger zu sehen.<br />

Von der Gemeindediakonie zur<br />

Sozialstation<br />

Als die letzte Diakonisse in <strong>Landshut</strong>, Schwester Anna<br />

Held, aus gesundheitlichen Gründen abberufen worden<br />

war, versuchte die Innere Mission zunächst, den Pflegedienst<br />

mit einer Krankenschwester weiterzuführen: Ab<br />

November 1970 war Schwester Käthe Muck in der Gemeindepflegestation<br />

tätig. Jedoch blieb die Inanspruchnahme<br />

des Pflegedienstes trotz intensiver Öffentlichkeitsarbeit<br />

gering, deshalb musste er schließlich zum<br />

1.8.1971 eingestellt werden.<br />

In dieser Tradition, jedoch unter zeitgemäßen räumlichen<br />

und fachlichen Bedingungen, eröffnete 1978 die<br />

Sozialstation des Diakonischen Werkes als erste ambulante<br />

Pflegeeinrichtung in <strong>Landshut</strong>, anfänglich jedoch<br />

nur probeweise. Initiatoren waren der damalige Geschäftsführer,<br />

Diakon Werner Heger, und die Verwaltungsangestellte<br />

Gisela Wasserrab, die anschließend<br />

20 Jahre lang den ambulanten Pflegedienst des Diakonischen<br />

Werks leitete. Für die Anfangszeit diente ein winziges<br />

Büro am Gutenberg als Anlaufstelle, wenig später<br />

erfolgte ein Umzug in die Arnimstraße.<br />

Die Schwestern der ersten Stunde waren Sieglinde Brunner,<br />

Brigitte Gora, Ingrid Scheugenpflug und Rita Dannenböck<br />

(von links).<br />

Ein Meilenstein war die staatliche Anerkennung der<br />

Sozialstation am 1. Januar 1979. Noch im gleichen Jahr<br />

wurde sie offiziell in der Gabelsbergerstraße 38, in unmittelbarer<br />

Nähe zum Altenheim, eingeweiht und vom<br />

damaligen <strong>Diakonie</strong>-Vorsitzenden, Dekan Reinhard von<br />

Loewenich, gesegnet. Zu dieser <strong>Zeit</strong> entstanden aufgrund<br />

staatlicher Förderung flächendeckend ambulante<br />

Dienste: Die Sozialstation der <strong>Diakonie</strong> war bereits die<br />

zehnte ambulante Pflegestation in Niederbayern.<br />

46 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973


In guten Händen:<br />

Zivildienstleistende arbeiten<br />

in der Sozialstation.<br />

Vor allem aus dem ländlichen Bereich kamen immer<br />

mehr Pflegeanfragen, weil auch dort die früheren Großfamilien<br />

fehlten und immer mehr ältere Menschen vereinsamten.<br />

1978 wurden bereits 2700 Hausbesuche mit<br />

6800 Pflegemaßnahmen durchgeführt. Am Ende ihres<br />

ersten Arbeitsjahres waren für die Sozialstation 14 Fachkräfte<br />

und zwei Haushaltshilfen tätig. Zehn Jahre später<br />

waren es 31 MitarbeiterInnen, die in einem einzigen Jahr<br />

fast 35 000 Hausbesuche machten.<br />

Um die pflegenden Angehörigen zu schulen, wurde 1985<br />

der erste Pflegekurs dieser Art organisiert. 14 Frauen im<br />

Alter von 19 bis 60 Jahren nahmen mit großem Engagement<br />

daran teil. 1990 wurde der „Mobile Soziale Hilfsdienst“<br />

gegründet und es wurden zwei weitere Zivildienststellen<br />

eingerichtet, so dass heute insgesamt vier<br />

Zivis zusätzliche Leistungen für Senioren erbringen können.<br />

Ab 1998 bestand einige Jahre lang ein gemeinsamer<br />

Nachtruf-Bereitschaftsdienst zusammen mit der<br />

Arbeiterwohlfahrt und den ambulanten Pflegediensten<br />

des Caritas-Verbandes und des Roten Kreuzes <strong>Landshut</strong>.<br />

Im Juli 2003 übernahm dann die Sozialstation der<br />

<strong>Diakonie</strong> den Pflegedienst des Caritas-Verbandes <strong>Landshut</strong><br />

mit sechs Schwestern und 30 Patienten.<br />

Heute versorgt die Sozialstation des Diakonischen<br />

Werks mit mehr als 60 Mitarbeitern – Krankenschwestern,<br />

Pfleger, Altenpfleger, Hauswirtschafterinnen und<br />

vier Zivildienstleistende – etwa 300 Menschen. Dabei<br />

beschränkt sich ihr Einsatzgebiet nicht nur auf die Stadt<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

Ambulante Wundversorgung<br />

<strong>Landshut</strong>. Es reicht vielmehr bis in die Gemeinden Adlkofen,<br />

Altdorf, Bruckberg, Eching, Ergolding, Mettenbach,<br />

Kumhausen, Niederaichbach, Tiefenbach, Postau<br />

und Wörth. Finanziert werden die Leistungen über die<br />

Pflege-Entgelte der Krankenkassen und der Patienten,<br />

über Zuschüsse der evangelischen Kirche sowie über<br />

Kostenbeteiligungen der Stadt und des Landkreises<br />

<strong>Landshut</strong>.<br />

Die Sozialstation bietet kranken und pflegebedürftigen<br />

Menschen eine umfassende Pflege und Betreuung in<br />

ihrer vertrauten häuslichen Umgebung – täglich, auch an<br />

Sonn- und Feiertagen, oder in Vertretung für pflegende<br />

Angehörige. Wie wichtig dies ist, beschreibt ein pflegender<br />

Ehemann in einem Brief an die Sozialstation:<br />

»Danke für Ihr großes Engagement, in den verschiedensten<br />

Momenten immer die angemessene Lösung<br />

zu suchen und zu finden. Es gab viele Herausforderungen<br />

gemeinsam zu bewältigen. Auch solche Situationen,<br />

in denen sich das kleine Pflegezimmer hier im<br />

Haus in einen Weltraumbahnhof zu verwandeln<br />

schien, wo die Startrampe bereits aufgebaut war. Für<br />

die Unterstützung in diesen schwierigen Momenten<br />

besonders herzlichen Dank.«<br />

47


Für pflegerische Notfälle ist die Sozialstation in 24-<br />

Stunden-Rufbereitschaft. Zum Wohl der Patienten wird<br />

großer Wert auf eine enge Zusammenarbeit mit deren<br />

Hausärzten und behandelnden Fachärzten gelegt. Die<br />

Leistungen richten sich dabei immer nach dem Pflegeauftrag,<br />

aber auch nach den individuellen Bedürfnissen<br />

des einzelnen Pflegebedürftigen und nach den neuesten<br />

fachlichen Erkenntnissen. Durch eine aktivierende<br />

Pflege wird die weitgehende Selbstständigkeit der<br />

Pflegebedürftigen unterstützt.<br />

Maßnahmen zur Qualitätssicherung – dazu gehören<br />

auch sorgfältige Pflegedokumentation und permanente<br />

fachliche Weiterbildung der Pflegekräfte – sind unverzichtbar.<br />

Erst im Jahr 2008 wurden so genannte Wundexperten<br />

ausgebildet – Fachkräfte, die spezielle Kenntnisse<br />

im Bereich der Wundheilung haben und ihre Kollegen<br />

bei der täglichen Arbeit beratend unterstützen.<br />

Neben der fachlichen Kompetenz bleibt für das Team der<br />

Sozialstation jedoch die menschliche Begegnung besonders<br />

wichtig.<br />

Die Wundexperten der Sozialstation( von links): Carola Schlesier,<br />

Silke Marcinkowski, Marianne Amendinger (Pflegedienstleiterin),<br />

Hubert Triller, Erna Fischer, Roswitha Kronbeck (stellv. Pflegedienstleiterin)<br />

Im Mittelpunkt: die Mitarbeiter<br />

Der 1972 angetretene neue Geschäftsführer, Diakon<br />

Werner Heger, legte von Anfang an großen Wert auf ein<br />

gutes Arbeitsklima. Dazu trugen die von ihm eingeführten<br />

regelmäßigen Dienstbesprechungen mit den Mitarbeitern<br />

und den Heimleitungen bei. In diesen Gesprächen<br />

wurden für alle Angestellten in der Geschäftsstelle<br />

Arbeitsplatzbeschreibungen erstellt, um individuelle<br />

Zuständigkeiten und Entscheidungsbefugnisse klar zu<br />

regeln. Im gleichen Jahr konnte auch die erste eigene<br />

Mitarbeitervertretung im Diakonischen Werk <strong>Landshut</strong><br />

gewählt werden. Wie viel Diakon Heger an gemeinsamer<br />

Meinungsbildung und Entscheidungsfindung gelegen<br />

war, dokumentierte er sogar statistisch: Für das Geschäftsjahr<br />

1975 wies er 31 Besprechungen mit dem<br />

ersten <strong>Diakonie</strong>vorsitzenden, Dekan Ernst Borger, 43<br />

Besprechungen mit den Heimleitungen in <strong>Landshut</strong> und<br />

Vilsbiburg, 28 Dienstbesprechungen<br />

mit den Mitarbeitern der Geschäftsstelle<br />

und 91 Einzelgespräche aus.<br />

Dabei wurden nicht nur Informationen<br />

ausgetauscht, sondern auch Probleme<br />

behandelt und Konflikte besprochen.<br />

Um das gegenseitige Kennenlernen<br />

der Mitarbeiter zu fördern, fanden<br />

regelmäßig Betriebsausflüge und<br />

-feste statt.<br />

Auch die ehrenamtlichen Mitarbeiter<br />

erfuhren Anerkennung: Neben den<br />

seit den 1960er-Jahren etablierten<br />

jährlichen Helfertagen für Ehrenamtliche<br />

– auch „Rüstzeiten“ genannt –<br />

führte Heger „Anleitungstreffen“ der<br />

ehrenamtlichen Mitarbeiter ein, um<br />

sie zu betreuen und auch weiterzubilden.<br />

Als einen Erfolg seiner kooperativen<br />

Personalführung konnte er im<br />

Jahresbericht für 1975 vermelden:<br />

„Kaum Krankheitstage, gegenseitige<br />

Hilfsbereitschaft, kein Misstrauen und<br />

Neid, Übernahme von Verantwortung<br />

und Entscheidung, eine freundliche<br />

Atmosphäre.“<br />

48 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973


Dass dieses Arbeitsklima der <strong>Diakonie</strong> auch von<br />

Besuchern als ungewöhnlich offen empfunden wurde,<br />

zeigen die Erinnerungen von Pfarrer Helmut Dietzfelbinger.<br />

Er war 1983 Teilnehmer eines Intensivkurses für<br />

Spätberufene im Diakonischen Werk <strong>Landshut</strong>:<br />

„Schon vor sechs Jahren spürte ich jedes Mal, wenn<br />

ich die Geschäftsräume des Diakonischen Werks im<br />

Gutenbergweg betrat: „Hier kommt mir eine freundliche<br />

warme Atmosphäre entgegen, hier fühle ich<br />

mich sofort wie zu Hause!“ Damals wusste ich noch<br />

nicht so recht, wie das kam. Ich dachte auch nicht<br />

besonders darüber nach. Aber diesmal wurde mir<br />

klar, was der Grund dafür ist. Die Mitarbeiter des<br />

Diakonischen Werks wissen offenbar, wie viel ihnen<br />

eine gute menschliche Beziehung zueinander wert ist,<br />

denn sie arbeiten intensiv an diesem Punkt.“ 38<br />

Die Mitarbeiter<br />

des Diakonischen Werks<br />

im Jahr 1980.<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

Mit einem offenen Ohr für Anliegen: Geschäftsführer Werner<br />

Heger (rechts) im Gespräch mit einem Seminarteilnehmer<br />

Heute beschäftigt das Diakonische Werk insgesamt 270<br />

MitarbeiterInnen auf 140 Vollzeitstellen. In Arbeitsprojekten<br />

sind weitere 180 Personen tätig. Unverzichtbar ist<br />

die Unterstützung durch ehrenamtlich tätige BürgerhelferInnen,<br />

ohne die die Vielzahl der diakonischen Angebote<br />

nicht aufrechterhalten werden könnte. Ihre<br />

Mitarbeit wird von den einzelnen Fachdiensten, in denen<br />

sie tätig sind, geschätzt und gewürdigt. In manchen<br />

Bereichen werden ihnen auch Möglichkeiten zur Weiterbildung<br />

durch interne Schulungen angeboten.<br />

49


<strong>Zeit</strong><strong>zeugen</strong><br />

„Mit Geld und Gaben<br />

anderen helfen!“<br />

Gespräch mit Diakon Werner Heger,<br />

Geschäftsführer des Diakonischen Werks <strong>Landshut</strong> von 1972 bis 1988<br />

Kurz nach Ihrem Amtsantritt wurde die Innere Mission in „Diakonisches Werk“ umbenannt.<br />

Hat zeitgleich mit der Namensänderung auch eine neue Ära für den Wohlfahrtsverband begonnen?<br />

Als ich Geschäftsführer in <strong>Landshut</strong> wurde, habe ich ein gut bestelltes Haus übernommen.<br />

Mit vielen Fördermitteln konnte der Ausbau auf breiter Basis gelingen und das freut mich<br />

noch heute. Noch immer habe ich hierher persönliche Beziehungen, auch mein Sohn<br />

wohnt da. Es ist viel von meinem Herzblut hier in der Stadt geblieben.<br />

Als evangelischer Diakon in der niederbayerischen Diaspora – das war sicher keine leichte Aufgabe in<br />

den 1970er-Jahren?<br />

Neben einigen Heimleitern war ich zeitweise der einzige evangelische Diakon in ganz<br />

Niederbayern. Bei der jährlichen Straßensammlung stellte ich mich direkt vor das Rathaus.<br />

Die Stadträte gingen zur Stadtratssitzung und von der Regierung kamen die Angestellten.<br />

Es war ein einträgliches Geschäft. Wollte sich jemand vorbeimogeln, den ich kannte, dann<br />

sprach ich ihn an. Meist gab es einen Ruck und der Geldbeutel wurde beschämt gezogen.<br />

Als sich Ministerpräsident Alfons Goppel im Regierungsbezirk Niederbayern verabschiedete,<br />

bekam das Diakonische Werk keine Einladung zum Empfang. Meine telefonische Rückfrage<br />

erbrachte die Auskunft, man wisse nicht, zu welcher Gruppe ich zugeordnet werden sollte.<br />

Meine Nachfrage, ob die Caritasdirektoren eingeladen seien, wurde bejaht. „Da gehöre ich<br />

hin“, war meine Antwort. Seitdem stand ich als Diakon auf den Einladungslisten der<br />

Regierung. Mir war klar, dass ich immer Zweiter sein würde, aber falsche Bescheidenheit<br />

wollte ich auch nicht.<br />

50 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973


Sie haben unter anderem das <strong>Landshut</strong>er Ferienprogramm – als eines der ersten in Bayern – ins Leben<br />

gerufen. Erinnern Sie sich an Ihr Lieblingsprojekt?<br />

Die Idee für unser Ferienprogramm ging damals von den Mitarbeitern der <strong>Diakonie</strong> aus.<br />

Ihre eigenen Kinder mussten ja während der Ferien auch betreut werden. Schon im ersten<br />

Jahr 1976 wurden von Ehrenamtlichen 20 Angebote gemacht, an denen zu unserer Überraschung<br />

über 400 Kinder teilnahmen. Als ich erstmals bei der Stadt <strong>Landshut</strong> einen<br />

Zuschuss beantragte, wurde er mit dem Kommentar abgelehnt: „Das ist ja sozialistische<br />

Ferienverplanung!“ Doch haben sich in den Folgejahren die Volkshochschule und<br />

die städtische Jugendpflege angeschlossen. Heute ist das Ferienprogramm nicht mehr<br />

wegzudenken.<br />

Anlässlich ihrer Verabschiedung wurde Folgendes formuliert: „Ein unbequemer Mann verlässt <strong>Landshut</strong>,<br />

ein Mann, der seinen Beruf, ja seine Berufung so ernst genommen hat, dass er sich dafür stets mit<br />

Vehemenz eingesetzt hat.“ Sind Sie mit dieser Charakterisierung einverstanden?<br />

Es stimmt, dass ich nicht immer konform ging mit der vorherrschenden politischen Meinung.<br />

Ja, ich war auch unbequem, wenn ich um die Finanzierung für ein gutes Vorhaben kämpfen<br />

musste. Als Vorsitzender des Evangelischen Bildungswerkes habe ich schon gelegentlich<br />

unbequeme Referenten eingeladen, beispielsweise anlässlich einer Diskussion über<br />

Atomkraftwerke. Aber ich glaube nicht, dass die Charakterisierung verletzend gemeint war,<br />

denn ich habe immer große Anerkennung gespürt.<br />

Wie beurteilen sie die heutigen Bedingungen für diakonisches Handeln?<br />

Das Bundessozialhilfegesetz von 1962 stellte die Würde des Hilfe- und Ratsuchenden in<br />

den Mittelpunkt. Behörden, Ämter, Verbände suchten meist gemeinsam nach Lösungen.<br />

Man achtete sich gegenseitig. Heute wird der Markt zum Maßstab erklärt. Der Markt kennt<br />

weder Mitleid noch soziale Gerechtigkeit. Die Konkurrenz und der Schwächere werden<br />

weggedrückt. Misstrauen und Kontrolle werden zur Geschäftsgrundlage. Die Ellenbogengesellschaft<br />

wird gefördert, wenn keine soziale Kontrolle dem Markt Einhalt gebietet. Für<br />

mich sind Tafeln und Kleiderkammern ein Armutszeugnis. Wir werden es noch erleben,<br />

dass arme und hungrige Menschen sich brutal holen, was ihnen vorenthalten wird. Die<br />

christliche Botschaft erwartet, sich mit seinem Geld und seinen Gaben für den anderen<br />

einzusetzen.<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

Gespräch mit Werner Heger am 23.04.2008 in <strong>Landshut</strong><br />

51


Geschäftsführer Werner Heger und<br />

Vorsitzender Dekan Reinhard von Loewenich<br />

besuchten den <strong>Diakonie</strong>-Stand auf der<br />

Niederbayernschau (Oktober 1979).<br />

Auch <strong>Landshut</strong>s ehemaliger Oberbürgermeister<br />

Josef Deimer war zu Gast bei der <strong>Diakonie</strong><br />

auf der Niederbayernschau im Jahr 1983.<br />

<strong>Diakonie</strong> und Öffentlichkeit<br />

Ab Herbst 1977 erschien regelmäßig das<br />

Informationsblatt „<strong>Diakonie</strong> aktuell“.<br />

Nicht nur die interne Kommunikation wurde intensiviert,<br />

auch gewann ab Mitte der 1970er-Jahre die Öffentlichkeitsarbeit<br />

zunehmende Bedeutung. Mit Broschüren,<br />

<strong>Zeit</strong>ungsartikeln, Gremientätigkeit und der Teilnahme an<br />

Ausstellungen sollten die neuen Angebote des Diakonischen<br />

Werks bekannt gemacht werden. So präsentierte<br />

sich das Diakonische Werk 1975 zum ersten Mal mit<br />

einem eigenen Stand auf der Niederbayernschau, wo<br />

nicht nur über die Angebote der <strong>Diakonie</strong> informiert,<br />

sondern den Besuchern auch eine Kinderbetreuung angeboten<br />

wurde. Außerdem wurden Bastelarbeiten aus<br />

den Seniorenkreisen verkauft. Jeweils zehn Tage lang<br />

waren ehrenamtliche Mitarbeiter am <strong>Diakonie</strong>-Stand tätig.<br />

Erstmals 1977 wurde ein Prospekt gedruckt, um der<br />

Öffentlichkeit einen Überblick über die Arbeit des Diakonischen<br />

Werks <strong>Landshut</strong> zu geben. Im gleichen Jahr<br />

erschien zum ersten Mal das Nachrichtenblatt „<strong>Diakonie</strong><br />

aktuell“, das im Rhythmus von vier Wochen mit einer<br />

Auflage von 70 Stück an interessierte Personen und Einrichtungen<br />

verteilt wurde. Sowohl die Lokalzeitungen als<br />

auch kirchliche Medien wurden regelmäßig mit Presseinformationen<br />

beliefert. „Gerade in der Diaspora ist es<br />

notwendig, Stellung zu beziehen und evangelisches<br />

Gedankengut einzubringen. Es ist ein Anliegen des Geschäftsführers,<br />

in Ausschüssen zur Meinungsbildung<br />

beizutragen, persönliche Kontakte zu pflegen und die<br />

Öffentlichkeit zu informieren“, schrieb Heger in seinem<br />

Jahresbericht 1976. Immer wieder lud er Politiker, Vertreter<br />

von Behörden und öffentlichen Einrichtungen ein,<br />

um ihnen die diakonische Arbeit vor Ort zu zeigen.<br />

Durch die Vergabe von Praktika an Studenten wurden<br />

die ersten Kontakte zur neu gegründeten Fachhochschule<br />

<strong>Landshut</strong> aufgebaut. Gelegentliche Vorträge und<br />

die Teilnahme von Geschäftsführer und <strong>Diakonie</strong>-Mitarbeitern<br />

in Ausschüssen und Gremien zählten zu den<br />

Anfängen der externen Kommunikation, die heute zum<br />

Tagesgeschäft des Wohlfahrtsverbandes gehört.<br />

52 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973


Unter einem Dach:<br />

Ökumenische<br />

Erziehungsberatung<br />

und Eheberatung<br />

Drei einzelne Hinweisschilder wurden 1975 am Haus<br />

Bismarckplatz 16 angebracht: Eines wies den Weg zur<br />

Ökumenischen Erziehungsberatung, eines führte zur<br />

Evangelischen Eheberatung des Diakonischen Werks<br />

und eines zur Katholischen Eheberatung des Seelsorge-<br />

Amtes der Diözese Regensburg. Eigentlich hatten Diakonisches<br />

Werk und Caritasverband <strong>Landshut</strong> die<br />

Errichtung einer gemeinsamen umfassenden Beratungsstelle<br />

für Ehe-, Erziehungs- und Familienfragen geplant.<br />

Juristische Gründe verhinderten dies jedoch und führten<br />

zu einer strengen räumlichen Trennung der drei inhaltlich<br />

eng verknüpften Beratungsstellen, die dennoch gut<br />

kooperierten, zumal sich in der Praxis die Zusammenhänge<br />

von Ehe- und Erziehungsproblemen oftmals nicht<br />

eindeutig trennen ließen.<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

Spieltherapie und Online-Beratung<br />

Kurz nach der Gründung der Ökumenischen Beratungsstelle<br />

für Erziehungs-, Jugend- und Elternfragen durch<br />

Caritasverband und Diakonisches Werk bestand das<br />

Team aus zwei Psychologinnen, einer Sozialpädagogin<br />

und einer Verwaltungsangestellten. Die Einrichtung wurde<br />

von der Bevölkerung sehr gut angenommen: In den<br />

ersten drei Jahren hatten schon allein aus dem Landkreis<br />

<strong>Landshut</strong> 500 Personen die Möglichkeit genutzt,<br />

sich in Erziehungsfragen – kostenlos und unbürokratisch<br />

– helfen zu lassen.<br />

Bald reichten die fünf kleinen Räume am Bismarckplatz<br />

für die wachsenden Anforderungen nicht mehr aus.<br />

So zogen im Juli 1980 Erziehungsberatung und Eheberatung<br />

gemeinsam in neue Räume am Nahensteig 182.<br />

Diese waren größer und heller, sie boten für die Kinder<br />

Platz zum Spielen, Möglichkeit für andere Therapieformen<br />

sowie Gruppenarbeit und eine insgesamt ruhigere Atmosphäre.<br />

In den Anfangszeiten konzentrierte sich die Arbeit des<br />

Teams auf Krisenintervention durch Kurzberatungen.<br />

Weil die Probleme in den Familien komplexer wurden,<br />

verlagerte man später den Schwerpunkt der Beratungstätigkeit<br />

auf intensivere längere Betreuung, bei der mehrere<br />

Bezugspersonen mit einbezogen wurden. Verursacht<br />

durch schwierige Lebens- und Ausbildungssituationen,<br />

wuchs auch der Anteil der Probleme bei Jugendlichen.<br />

Zusätzlich zur Beratung bot der Fachdienst<br />

spieltherapeutische Gruppen<br />

für Kinder sowie Gesprächsgruppen<br />

für Jugendliche und für Mütter an.<br />

Um auch der Bevölkerung im Umland<br />

wohnortnähere Beratungsmöglichkeiten<br />

zu bieten, wurden in<br />

Rottenburg und Vilsbiburg Außenstellen<br />

eingerichtet.<br />

53<br />

Gruppenarbeit in der Ökumenischen<br />

Erziehungsberatungsstelle mit deren<br />

erster Leiterin, Diplom-Psychologin<br />

Monika Niederberger (zweite von links)


Die Erziehungsberatung feierte ihr fünfjähriges Bestehen.<br />

Seit 2001 befinden sich die <strong>Landshut</strong>er Beratungsräume<br />

in der Freyung. Insgesamt sechs BeraterInnen auf 3,5<br />

Fachstellen sind für die als Jugendhilfeleistung anerkannten<br />

Dienste im Einsatz. Waren es früher neben den<br />

allgemeinen Erziehungsfragen vor allem Probleme im<br />

Leistungsbereich, so kommen seit einiger <strong>Zeit</strong> immer<br />

mehr Schwierigkeiten im Sozialverhalten zum Tragen.<br />

Gruppenangebote für Kinder und Jugendliche sollen diesen<br />

sozialen Störungen entgegenwirken. Zu einem wichtigen<br />

Thema wurden auch die mit Trennung und Scheidung<br />

verbunden Erziehungsprobleme, von denen etwa<br />

ein Drittel aller Klienten betroffen sind. Um speziell die<br />

Kinder in der schwierigen <strong>Zeit</strong> der Elterntrennung zu<br />

unterstützen, werden regelmäßig Gruppen für betroffene<br />

Kinder angeboten.<br />

Auf eine sehr gute Resonanz stieß die im Jahr 2005<br />

eingeführte Online-Beratung, bei der von <strong>Landshut</strong> aus<br />

acht Wochenstunden lang per Internet Unterstützung<br />

geleistet wird. Ein in Zusammenarbeit mit dem <strong>Landshut</strong>er<br />

Netzwerk entwickeltes Gesprächsangebot ist<br />

bereits preisgekrönt: der Elterntalk. Das sind Gesprächsrunden<br />

von geschulten Eltern für interessierte Eltern zu<br />

allen gerade aktuellen und brennenden Erziehungsfragen<br />

wie Computerspiele oder Handy-Nutzung. Elterntalk<br />

ist ein Projekt zur Gewalt- und Suchtprävention.<br />

Beratung für Partner in der Krise<br />

Bevor im Jahr 1975 die Evangelische Ehe- und Familienberatung<br />

gegründete wurde, war diese Art der Beratungstätigkeit<br />

im Rahmen der allgemeinen Sozialarbeit<br />

durchgeführt worden. Brigitta Zimmermann, die erste<br />

Eheberaterin des Diakonischen Werks, verstand unter<br />

Beratung nicht „einen Rat erteilen im Sinne von Rezept<br />

geben“. Vielmehr strebte sie eine partnerschaftliche<br />

Zusammenarbeit mit den Klienten an, um unter Berücksichtigung<br />

der Möglichkeiten gemeinsam nach Auswegen<br />

aus den Schwierigkeiten zu suchen. Beratungsgründe<br />

in den 1970er-Jahren waren vor allem Kommunikationsprobleme<br />

der Paare, Trennungsabsichten, sexuelle<br />

Störungen und auch die Angst vor Einsamkeit.<br />

Brigitta Zimmermann war von 1976 bis 1999 in der Eheberatung<br />

des Diakonischen Werks mit viel Engagement<br />

tätig und erhielt für ihre langjährigen Verdienste das<br />

Goldene Kronenkreuz 39 .<br />

Das heutige Team der Erziehungsberatungsstelle mit dem Leiter<br />

Emmeram Wolf-Ehresmann<br />

In den 1990er-Jahren waren drei Honorarkräfte – neben<br />

Brigitta Zimmermann auch Helmut Leipold und Elke<br />

Brakebusch – mit der Beratungstätigkeit für Paare betraut.<br />

Im Rahmen von vertraulichen, überkonfessionellen<br />

und kostenlosen Gesprächen wurde sowohl zum Fortführen<br />

der Partnerschaft als auch zu Trennungs- und<br />

Scheidungsabsichten Unterstützung angeboten. Auch<br />

„Single-Dasein“ und „Torschlusspanik“ waren jetzt häufige<br />

Gründe von Klienten, das Beratungsteam zu konsultieren.<br />

54 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973


Boten in den 1980er-Jahren Unterstützung bei<br />

Partnerschaftsproblemen an: die Eheberaterinnen<br />

Brigitta Zimmermann und Lore Hähndel.<br />

Sucht gemeinsam mit den Klienten nach einer Lösung:<br />

Die Eheberaterin und Psychologin Martina Schäfer.<br />

Es sind Paare aller Altersgruppen und aus allen sozialen<br />

Schichten, die heute in die Beratungsstunden kommen.<br />

Die Untreue eines Partners, Spannungen aufgrund hoher<br />

Belastungen im Arbeitsleben und auch Konflikte aufgrund<br />

von anhaltender Arbeitslosigkeit eines Partners<br />

zählen derzeit zu den wichtigen Themen. Die Psychologin<br />

Martina Schäfer und die systemische Paar- und<br />

Familienberaterin Anja Lachmann helfen dabei, eingeschliffene<br />

Kommunikationsmuster zu überdenken.<br />

Wesentliches Ziel der Partnerschafts-, Ehe- und Lebensberatung<br />

ist, zusammen mit dem Klienten eine geeignete<br />

Lösung zu finden und dabei – wenn es nötig ist – auch<br />

Mut zur Veränderung der Lebensumstände zu machen.<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

Hilfe in seelischer Not:<br />

sozialpsychiatrische<br />

Betreuung<br />

Lange bevor der „Sozialpsychiatrische Dienst (SpDi)“ als<br />

Beratungsstelle institutionalisiert wurde, begann das<br />

Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> damit, Angebote für psychisch<br />

kranke Menschen aufzubauen. Als in den 1980-er<br />

Jahren auf der Grundlage des ersten Bayerischen Psychiatrieplans<br />

sozialpsychiatrische Dienste ergänzend zu<br />

Bezirkskrankenhäusern und niedergelassenen Fachärzten<br />

konzipiert wurden, übernahm das Diakonische Werk<br />

<strong>Landshut</strong> eine Trägerschaft. Mit Hilfe staatlicher Finanzierung,<br />

überprüfbarer Qualitätsstandards und aufgrund<br />

der vorhandenen Erfahrungen mit Betreuungsangeboten<br />

im Wohlfahrtsverband konnte die Situation psychisch<br />

kranker Menschen deutlich verbessert werden. Heute<br />

sind die Maßnahmen und Hilfen des multiprofessionellen<br />

<strong>Diakonie</strong>-Teams ein wesentlicher Bestandteil der<br />

psychosozialen Versorgung im Raum <strong>Landshut</strong>.<br />

Der Sozialpsychiatrische Dienst entsteht<br />

Zusammen mit dem Psychiater Dr. Franz Brandl entwickelte<br />

die Sozialpädagogin und Supervisorin Erika Dahl<br />

bereits ab 1978 ein Konzept für Gesprächsgruppen mit<br />

psychisch kranken Menschen und bildete dafür ehrenamtliche<br />

Mitarbeiter im Diakonischen Werk aus: Diese<br />

wurden in psychiatrische Krankheitsbilder eingeführt<br />

und mit praktischen Übungen zur Gesprächsführung geschult.<br />

Auch aufgrund der wirtschaftlichen Situation und der<br />

Probleme am Arbeitsmarkt nahm das Ausmaß psychischer<br />

Erkrankungen in der Folgezeit immer weiter zu.<br />

Nach intensiven Verhandlungen mit dem Bayerischen<br />

Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, mit<br />

dem Bezirk und der Regierung von Niederbayern sowie<br />

nach der Zustimmung des <strong>Diakonie</strong>-Kuratoriums konnte<br />

trotz finanzieller Schwierigkeiten ein Sozialpsychiatrischer<br />

Dienst eingerichtet werden.<br />

55


Die Mitarbeiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes im Jahr<br />

1984: Ernst Höfer, Eva-Maria Rau, Dr. Franz Brandl und<br />

Monika Hundemer (von links) in den Räumen in der<br />

Arnimstraße.<br />

Die fachliche Begleitung und Finanzierung der Beratungsstelle<br />

war beim Bezirk angesiedelt, die konkrete<br />

Umsetzung lag in der Verantwortung der <strong>Diakonie</strong>. Am<br />

1.3.1983 nahmen der Psychologe Ernst Höfer und die<br />

Sozialpädagogin Monika Hundemer vorerst halbtags ihre<br />

Tätigkeit auf. Schon wenige Monate später arbeitete das<br />

Fachpersonal ganztags; eine Verwaltungskraft stand für<br />

zehn Stunden pro Woche zur Verfügung und ein Facharzt<br />

führte auf Honorarbasis Supervisionen durch.<br />

Die Beratungsstelle teilte sich in der Anfangsphase<br />

die Räume mit der Eheberatungsstelle am Nahensteig.<br />

Schon im Dezember 1983 bezog der Dienst jedoch eigene<br />

Räumlichkeiten in der Arnimstraße 7 und bekam<br />

einen Dienstwagen. Dieser war auch deshalb nötig, weil<br />

das Versorgungsgebiet sehr groß war: Es erstreckte sich<br />

auf die Stadt <strong>Landshut</strong> und die Landkreise <strong>Landshut</strong>,<br />

Dingolfing-Landau, Rottal/Inn und Kehlheim. Es umfasste<br />

426 000 Einwohner und Fahrstrecken von bis zu<br />

100 km ab <strong>Landshut</strong>. Das nächstgelegene psychiatrische<br />

Krankenhaus war in Mainkofen.<br />

Mehrere Jahre lang existierten Außensprechstellen<br />

des SpDi in Pfarrkirchen und in Dingolfing. Derzeit gibt<br />

es diese Angebote in Vilsbiburg und in Rottenburg, wo<br />

einmal wöchentlich Einzelgespräche und Hausbesuche<br />

stattfinden können. 131 Klienten kamen im Gründungsjahr<br />

1983 in die Beratungsstelle, 2007 haben – trotz<br />

des mittlerweile verkleinerten Einzugsbereiches – 542<br />

Klienten die Beratung des SpDi-Teams in Anspruch genommen.<br />

Das Team des Sozialpsychiatrischen Dienstes in den 1990er-<br />

Jahren: Angelika Popp, P. Weinzierl, Thomas Gustorff, Barbara<br />

Haussmann, Andrea Gessert und Peter Hilbinger (von links).<br />

Anlaufstelle Teestube<br />

Ab Juli 1985 wurde eine Sozialpädagogin halbtags eingestellt,<br />

um eine Begegnungsstätte für psychisch kranke<br />

Menschen – eine so genannte Teestube – einzurichten.<br />

Zielsetzung war, diesen Menschen soziale Kontakte zu<br />

ermöglichen, einen Halt im Alltag zu geben und so<br />

therapiebegleitend in Krisen zu helfen. Zu den wesentlichen<br />

Elementen dieses Konzepts gehört bis heute, dass<br />

die Gesprächstreffen von geschulten Laienhelfern auf<br />

ehrenamtlicher Basis geleitet werden. Diese ehrenamtlichen<br />

MitarbeiterInnen erhalten von den Fachkräften<br />

regelmäßige professionelle Unterstützung in Anleitungstreffen,<br />

wo Anliegen und Probleme aus der Einzelbetreuung<br />

oder aus der Gruppenarbeit besprochen und bearbeitet<br />

werden.<br />

Die erste Teestube wurde 1986 viermal wöchentlich in<br />

angemieteten Räumen in der <strong>Landshut</strong>er Altstadt angeboten.<br />

Derzeit befindet sie sich im Diakonischen<br />

Zentrum in der Gabelsberger Straße. Durch die Tätigkeit<br />

von 15 ehrenamtlichen MitabeiterInnen kann der Sozialpsychiatrische<br />

Dienst vielfältige Angebote machen: eine<br />

Bewegungsgruppe, Frühstücksgruppen, eine Kaffeezeit<br />

oder eine Feierabendrunde. Nicht nur in <strong>Landshut</strong>,<br />

sondern auch in Vilsbiburg und Neufahrn gibt es gut besuchte<br />

Gruppenangebote.<br />

56 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973


Betreuung von Selbsthilfegruppen<br />

In Zusammenarbeit mit der Selbsthilfe-Kontaktstelle und<br />

dem Verein „Hand in Hand“ entstanden in Stadt und<br />

Landkreis <strong>Landshut</strong> seit 2002 Selbsthilfegruppen für<br />

unterschiedliche Problemlagen: für depressive Menschen,<br />

für die Angehörigen psychisch Kranker, für Psychiatrie-<br />

Erfahrene, für Menschen mit Zwangsstörungen, für<br />

Borderline-Patienten und für Menschen mit Angststörungen.<br />

Diesen Gruppen ist gemeinsam, dass sie von<br />

Betroffenen organisiert, vom Sozialpsychiatrischen<br />

Dienst unterstützt und von Supervision begleitet werden.<br />

Indem die Teilnehmer ihre Isolation überwinden<br />

und sich selbst in Gruppen engagieren, können sie die<br />

Lebensqualität für sich und für andere verbessern.<br />

Das Diakonische Werk<br />

betreut<br />

Selbsthilfegruppen, unter<br />

anderem für Menschen<br />

mit Angststörungen.<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

Beratung durch den<br />

Sozialpsychiatrischen Dienst<br />

Heute hält das Team des Sozialpsychiatrischen Dienstes<br />

ein vielfältiges Beratungsangebot bereit: Von der Beratung<br />

für Betroffene und Angehörige über Krisenintervention,<br />

Klinikbesuche bis hin zur Nachsorge nach stationärem<br />

Aufenthalt. Daneben sind die Hilfeplanung und<br />

eine begleitende Weitervermittlung der Klienten an andere<br />

Einrichtungen von Bedeutung. Eine wichtige Rolle<br />

spielt dabei die Zusammenarbeit mit niedergelassenen<br />

Ärzten, Bezirkskrankenhäusern, Fachdiensten und anderen<br />

Einrichtungen der Gemeindepsychiatrie.<br />

Seit 1997 unterhält der SpDi auch eine ambulante<br />

Kontakt- und Beratungsstelle für ältere Menschen mit<br />

psychischen Erkrankungen und für deren Angehörige –<br />

den Gerontopsychiatrischen Fachdienst. Gezielte Beratung<br />

und Begleitung bieten Entlastung für Betroffene<br />

und Angehörige und dienen dem Erhalt von Selbständigkeit<br />

und Lebensqualität der älteren Klienten in ihrem<br />

vertrauten Umfeld.<br />

57<br />

Der erste Teestuben-Raum<br />

befand sich in der Altstadt.


Unterstützung durch Ambulante<br />

Soziotherapie<br />

Die Ambulante Soziotherapie ergänzt seit 2005 das<br />

Beratungsangebot des Sozialpsychiatrischen Dienstes.<br />

Dabei betreut die <strong>Diakonie</strong> auf ärztliche Verordnung im<br />

gesamten Dekanat chronisch an Psychosen und psychosenahen<br />

Zuständen erkrankte Menschen. Die ambulante<br />

Soziotherapie bietet individuelle Unterstützung, wie<br />

Training zum Aufbau positiver Verhaltensweisen, die Anleitung<br />

zur Krankheitswahrnehmung und Motivationsarbeit.<br />

Bei Bedarf werden Familienangehörige und<br />

Freunde miteinbezogen. Ziel ist, Klinikaufenthalte zu vermeiden,<br />

die physische und psychische Gesundheit und<br />

die soziale Integration der Klienten zu fördern und deren<br />

Selbsthilfepotenzial zu aktivieren. Die Abrechnung der<br />

Leistungen erfolgt über die Krankenkassen.<br />

Intensive Betreuung zu Hause durch<br />

Ambulant Betreutes Wohnen<br />

Als weiteren Aufgabenbereich erschloss das Diakonische<br />

Werk <strong>Landshut</strong> 2006 das Ambulant Betreute<br />

Wohnen (ABW) für psychisch kranke Menschen. Mit diesem<br />

aufsuchenden Betreuungsangebot soll die seelische<br />

und körperliche Gesundheit stark beeinträchtigter<br />

Menschen individuell stabilisiert werden. Durch intensive<br />

Einzelbetreuung wird eine selbstständige Lebens-<br />

Das aktuelle Team des Fachdienstes „Ambulant Betreutes<br />

Wohnen (ABW)“: Gerlinde Gaßlhuber, Susanne Pauer, Jutta<br />

Tremmel, Nicole Schweizer, Michèle Staudinger (von links).<br />

führung der Klienten in der eigenen Wohnung ermöglicht.<br />

Die Fachkräfte pflegen dazu einen regelmäßigen<br />

persönlichen und telefonischen Kontakt mit den Betroffenen.<br />

Die Beratung im Umgang mit der Erkrankung, die<br />

Krisenintervention, die Begleitung im gemeindepsychiatrischen<br />

Versorgungssystem, die Förderung von Alltagsstruktur<br />

und Selbstversorgung sowie die Unterstützung<br />

beim Aufbau sozialer Kontakte und beruflicher Tätigkeit<br />

zählen zu den Leistungen des ABW. Neben der Einzelbetreuung<br />

bestehen Gruppenangebote für gemeinsame<br />

Freizeitaktivitäten. Die Kosten der Betreuung übernimmt<br />

in der Regel der Bezirk Niederbayern im Rahmen der Eingliederungshilfe.<br />

Die sozialpsychiatrisch tätigen Fachkräfte der <strong>Diakonie</strong><br />

sehen sich in der Pflicht, auf die sich verändernden<br />

Krankheitsbilder und Hilfebedürfnisse der Betroffenen<br />

auch in Zukunft mit einer bedarfsgerechten Weiterentwicklung<br />

der gemeindepsychiatrischen Versorgung zu<br />

reagieren - im Dienst für den Menschen und als professioneller<br />

Kooperationspartner der Region.<br />

58 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973


Möbel-Recycling und<br />

Mäharbeiten –<br />

berufsbezogene Hilfen<br />

Arbeitslosigkeit mündet nicht selten in Armut. Das ist ein<br />

wesentlicher Grund dafür, dass die <strong>Diakonie</strong> den<br />

Menschen, die im ersten Arbeitsmarkt keinen Platz finden,<br />

berufsbezogene Hilfen anbietet: In den Arbeitsprojekten<br />

des Fachdienstes Connect, in den Gebrauchtwarenhäusern<br />

„Hab & Gut“ und auch in der Mobilen<br />

Ökologiewerkstatt „MÖWE“ bekommen Jugendliche und<br />

Erwachsenen heute eine Chance, mit Hilfe individueller<br />

Betreuung den Weg zurück in das Erwerbsleben zu finden.<br />

Die Ursprünge dieses diakonischen Arbeitsfeldes<br />

reichen bis in die 1950er-Jahre zurück, als Jugendliche<br />

durch Bergbau-Lehrgänge und Hauswirtschaftskurse<br />

qualifiziert wurden. Aus dringender sozialer Notwendigkeit<br />

wurden berufsbezogene Projekte in den 1980er-<br />

Jahren auf breiter Basis aufgelegt.<br />

Projektleiter Jürgen Handschuch im<br />

Gespräch mit arbeitslosen Jugendlichen<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

Arbeit für Jugendliche<br />

Die hohe Jugendarbeitslosigkeit war ab Mitte der<br />

1980er-Jahre ein bewegendes Thema. Vor diesem Hintergrund<br />

rief die <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong> mit Unterstützung<br />

des Arbeitsamtes das „Jugendprojekt Arbeit“ ins Leben.<br />

Dadurch konnten erstmals im August 1986 zwölf junge<br />

Arbeitslose im Diakonischen Werk und in anderen<br />

öffentlichen und sozialen Einrichtungen beschäftigt werden.<br />

Sie arbeiteten in der Hauswirtschaft, in der Gartenpflege<br />

und im handwerklich-technischen Bereich, beispielsweise<br />

im Stadtgartenamt, im Kreiskrankenhaus<br />

Achdorf oder im Kinderheim St. Vincenz, in einem gemeindlichen<br />

Bauhof oder in einer Wäscherei.<br />

Die Kernidee: Mit einem ganzheitlichen Angebot aus<br />

Beschäftigung, Bildung und Beratung sollten die benachteiligten<br />

jungen Menschen beruflich und sozial integriert<br />

werden. Dazu begleitete sie der damals zuständige Projektleiter<br />

Jürgen Handschuch sowohl an ihrem Arbeitsplatz<br />

als auch einmal wöchentlich bei einem Gruppentag<br />

im Diakonischen Werk. Dieses Treffen hatte das Ziel,<br />

persönliche und berufliche Konflikte aufzuarbeiten, die<br />

individuellen Fähigkeiten der Teilnehmer zu fördern und<br />

ihre Persönlichkeit zu stabilisieren.<br />

Zehn Jahre nach Beginn des Projekts hatten 147<br />

Jugendliche zwischen 16 und 25 Jahren das Programm<br />

absolviert und ihr wichtigstes Ziel erreicht: Die meisten<br />

von ihnen konnten eine feste Anstellung<br />

bekommen. Der Erfolg wurde<br />

sogar wissenschaftlich bestätigt. 1998<br />

war dieses diakonische Betreuungsangebot<br />

Gegenstand einer Diplomarbeit<br />

an der Fachhochschule <strong>Landshut</strong>, die<br />

belegte, dass sich das „Jugendprojekt<br />

Arbeit“ als eine bemerkenswert erfolgreiche<br />

Maßnahme der berufsbezogenen<br />

Jugendhilfe etabliert hatte.<br />

59


Die gespendete Ausbildung<br />

Mit fachlicher Unterstützung<br />

kann der Weg zurück ins<br />

Arbeitsleben gelingen.<br />

Eine Pionierleistung vollbrachte <strong>Diakonie</strong>-Geschäftsführer Werner Heger im Jahr 1984:<br />

Auf seine Initiative hin konnte erstmals ein kaufmännischer Ausbildungsplatz im<br />

Diakonischen Werk eingerichtet werden, weil er komplett über Spenden finanziert wurde.<br />

In einer beispiellosen solidarischen Gemeinschaftsaktion setzten sieben Pfarrämter und elf<br />

Privatpersonen ein Zeichen und verpflichteten sich vertraglich, die Kosten der zweijährigen<br />

Ausbildung – insgesamt 800 Mark monatlich – zu übernehmen.<br />

Damals fanden in Bayern jährlich 10 000 bis 15 000 Schulabgänger keine Lehrstelle. Insbesondere<br />

bei den Verwaltungsberufen für Mädchen herrschte ein eklatanter Stellenmangel. „Immer mehr<br />

junge Menschen fragen nach einem Ausbildungsplatz, immer mehr bewerben sich, und das hat<br />

uns bewegt.“ So schilderte Werner Heger die Ausgangssituation für seine außergewöhnliche Idee.<br />

Er schlug geschickt die Werbetrommel, berichtete in der Öffentlichkeit und sogar in den Gottesdiensten<br />

von seinem Plan. Denn er wollte mit seiner Aktion auch zum Nachdenken anregen und<br />

Betroffenheit auslösen.<br />

Als schließlich die Industrie- und Handelskammer ihre Zustimmung gab, konnte Karin Schobel<br />

ab dem 15. September 1984 zur Bürogehilfin ausgebildet werden. Sie wurde 1988 von der<br />

<strong>Diakonie</strong> in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen und arbeitet heute in der Verwaltung des<br />

Matthäusstifts. Sie war der erste „Lehrling“ im Diakonischen Werk überhaupt und vermutlich<br />

auch das erste Mädchen in <strong>Landshut</strong>, dem auf diese unkonventionelle Weise eine Ausbildung<br />

ermöglicht wurde.<br />

60 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

Lese<br />

text


Arbeit für Jugendliche:<br />

sinnvolle Tätigkeiten in<br />

einer Gärtnerei<br />

Arbeit statt Sozialhilfe<br />

An die Zielgruppe erwachsener und schwer vermittelbarer<br />

Langzeitarbeitsloser gerichtet, begann am 1.10.1994<br />

das Projekt „Arbeit statt Sozialhilfe“. Die von Arbeitslosigkeit<br />

betroffenen Bürgerinnen und Bürger des Landkreises<br />

sollten sozialpädagogisch betreut und in das Arbeitsleben<br />

zurückgeführt werden. Sie wurden im öffentlichen<br />

Dienst – also auf Bauhöfen, in Krankenhäusern<br />

und Altenheimen – beschäftigt. Auch hier wurde mit den<br />

Komponenten Beratung, Beschäftigung und Bildung<br />

versucht, Sozialhilfeempfängern, die länger arbeitslos<br />

waren, zu einem Wiedereinstieg in den Beruf zu verhelfen.<br />

Die Erfolgsquote lag bei etwa 50 Prozent.<br />

Im November 2002 beschloss der Kreistag, den Vertrag<br />

mit der <strong>Diakonie</strong> um ein Jahr zu verlängern und<br />

8600 Euro dafür zur Verfügung zu stellen. Der Tenor war<br />

damals: Auch in <strong>Zeit</strong>en wirtschaftlicher Schwäche sollte<br />

unbedingt an dem Projekt festgehalten werden, weil<br />

dadurch Sozialhilfeempfänger wieder in die finanzielle<br />

Selbständigkeit gebracht werden können.<br />

Zum Jahresende 2004 jedoch musste aufgrund des<br />

öffentlichen Sparkurses das Projekt Arbeit statt Sozialhilfe<br />

dennoch eingestellt werden. Die Gründe hierfür lagen<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

in einer rückwirkenden Mittelkürzung und im Wegfall der<br />

gesetzlichen Grundlage (Bundessozialhilfegesetz) im<br />

Zusammenhang mit der Umsetzung von „Hartz IV“.<br />

Wiedereinstieg mit „Connect“<br />

Heute führt das Diakonische Werk diese Art von beruflichen<br />

Hilfen in bedarfsgerechter Form fort. Der Fachdienst<br />

Connect unterstützt schwer vermittelbare Jugendliche<br />

und Erwachsene bei ihrer Rückkehr ins Arbeitsleben.<br />

Mit den Projekten „Arbeit für Jugendliche (AFJ)“<br />

und „Arbeit für Erwachsene (AFE)“ bietet die <strong>Diakonie</strong><br />

Arbeitslosengeld-II-Empfängern eine sinnvolle und nützliche<br />

Beschäftigungsmöglichkeit an. Durch die Kombination<br />

aus Arbeit, sozialpädagogischer Beratung und sozialem<br />

Kompetenztraining ergeben sich für die Teilnehmer<br />

neue Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt.<br />

Die beiden Projekte dienen mit ihren praktischen und<br />

theoretischen Inhalten der Persönlichkeitsbildung der<br />

Jugendlichen und jungen Erwachsenen und helfen ihnen<br />

damit, ihre eigenen Fähigkeiten und Ziele zu entdecken.<br />

Auf diese Weise werden die Grundlagen für einen Erfolg<br />

am Arbeitsmarkt geschaffen.<br />

61


Im Frühling ist das MÖWE-Team um Anleiter Hans Winklmann<br />

(2. von rechts) in Gärten und Parkanlagen im Einsatz.<br />

Doppelt gut: Umweltschutz und<br />

Beschäftigung<br />

Schon mehr als 20 Jahre alt, aber immer noch lebendig<br />

und aktiv ist „MÖWE - die Mobile Ökologiewerkstatt der<br />

<strong>Diakonie</strong>“. Sie entstand als zweite berufsbezogene Hilfe<br />

im August 1987. Hier konnten damals sechs Menschen,<br />

die von der Sozialhilfe lebten, für ein Jahr Arbeit finden<br />

und bekamen dadurch eine Chance, auf dem Arbeitsmarkt<br />

wieder Fuß zu fassen. Dazu mussten die Teilnehmer<br />

allerdings zuerst ein Auswahlverfahren beim<br />

Arbeitsamt und beim Sozialamt geschafft haben.<br />

Danach folgten ein Erstgespräch im Diakonischen Werk<br />

und eine Probezeit.<br />

Bei MÖWE ist körperliche Fitness eine wichtige Voraussetzung,<br />

weil die Arbeitsaufträge der Ökologiewerkstatt<br />

nicht immer leicht zu bewältigen sind: pflanzen,<br />

Wege pflastern, Waldarbeiten durchführen oder Biotope<br />

pflegen. Körperliche Anstrengung ist unvermeidlich,<br />

wenn beispielsweise bei sommerlichen Temperaturen<br />

mehrere Hektar Halbtrockenrasen in einem Naturschutzgebiet<br />

gemäht werden müssen. Im Wesentlichen<br />

sind dies zusätzliche und gemeinnützige Arbeiten, die<br />

nicht an private Unternehmen vergeben würden, so dass<br />

keine Konkurrenz entsteht.<br />

Mit diesem Fahrzeug startete<br />

die Mobile Ökologiewerkstatt.<br />

Während zu Anfangszeiten Aufträge noch mühsam<br />

akquiriert werden mussten, arbeitet die MÖWE mittlerweile<br />

kostendeckend. Als im Jahr 2003 kommunale<br />

Aufträge wegfielen, konnten neue Auftraggeber gefunden<br />

und Einnahmen erzielt werden. Ab April 2007 wurde<br />

in Zusammenarbeit mit der ARGE der Stadt <strong>Landshut</strong><br />

zusätzlich das Projekt MÖWE plus eingerichtet, das<br />

Beschäftigung für bis zu 10 Menschen bietet.<br />

Müllvermeidung im Recyclingzentrum<br />

Als vierte der berufsbezogenen Hilfen entstand das<br />

„<strong>Landshut</strong>er Recyclingzentrum (LRZ)“: In Zusammenarbeit<br />

mit dem Arbeitsamt und der Stadt <strong>Landshut</strong> eröffnete<br />

das Diakonische Werk ab Oktober 1992 am Brauneckweg<br />

eine neue zentrale Sammelstelle für Sperrmüll.<br />

12 Langzeitarbeitslose filterten Wertstoffe aus dem<br />

Sperrmüll und setzten Brauchbares wieder instand.<br />

Unter anderem wurden nicht funktionierende Elektround<br />

elektronische Geräte zerlegt, Rohstoffe – wie Kupfer<br />

oder Aluminium – wurden weiterverkauft.<br />

62 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973


Im <strong>Landshut</strong>er Recyclingzentrum wurde<br />

Elektronikschrott sortiert.<br />

Trotz des Rohstoffverkaufs war das Projekt auf finanzielle<br />

Unterstützung durch Arbeitsamt und Stadt <strong>Landshut</strong><br />

angewiesen. Letztere profitierte dabei auch durch die<br />

erzielte Müllvermeidung.<br />

Ein Jahr lang bekamen in diesem Projekt arbeitslose<br />

Männer die Möglichkeit, 24 Stunden pro Woche zu arbeiten.<br />

Ergänzt wurde diese Tätigkeit durch berufsbezogene<br />

Bildungsmaßnahmen. Sogar eine Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb<br />

erhielt das LRZ: Mit einer TÜV-<br />

Urkunde wurde dem Zentrum 1998 bescheinigt, dass es<br />

eine gesicherte, ordnungsgemäße und umweltverträgliche<br />

Behandlung des Mülls gewährleistet. 40 Zu diesem<br />

<strong>Zeit</strong>punkt waren in der Einrichtung 18 Menschen beschäftigt,<br />

die auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt waren.<br />

Rund ein Drittel der Langzeitarbeitslosen fand nach einem<br />

Jahr bei der <strong>Diakonie</strong> wieder eine feste Arbeitsstelle.<br />

Ende der 1990er-Jahre geriet das Recyclingzentrum<br />

am Brauneckweckweg unverschuldet in die Negativschlagzeilen.<br />

Was war passiert? Unter der damaligen<br />

Geschäftsführung von Diakon Friedrich Schröder waren<br />

Überschüsse des Zentrums umgebucht worden, sodass<br />

buchhalterische Defizite für das LRZ entstanden. Dafür<br />

hatte man zu Unrecht kommunale Zuschüsse in Höhe<br />

von insgesamt 400 000 DM beantragt.<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

Wenngleich dieser beschämende Vorgang auch mit juristischen<br />

Schritten geahndet wurde, so blieb doch das<br />

Verhältnis zwischen der Stadt <strong>Landshut</strong> und dem Diakonischen<br />

Werk eine <strong>Zeit</strong> lang angespannt. Dieser Vorfall<br />

dürfte ein wesentlicher Grund dafür gewesen sein,<br />

dass sich die Stadt aus der Finanzierung des Recyclingzentrums<br />

zurückzog. Die Recyclingtätigkeit musste eingestellt,<br />

das LRZ auf den Gebrauchtmöbelverkauf reduziert<br />

werden. Aus dieser <strong>Zeit</strong> stammt das Gebrauchtwarenhaus<br />

„Hab & Gut“, das heute als ein Vorzeigeprojekt<br />

der <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong> gilt.<br />

Am Brauneckweg befand sich das<br />

Recyclingzentrum der <strong>Diakonie</strong>.<br />

63<br />

So wurde von den Mitarbeitern<br />

Sperrmüll abtransportiert.<br />

Ihre kreativen Fähigkeiten zeigten die<br />

Mitarbeiter des Recyclingzentrums 1995:<br />

Im Rahmen des Projekts „Kunstmeile“<br />

fertigten sie zusammen mit Schülerinnen<br />

des Gymnasiums Seligenthal Windfahnen<br />

aus Schrott.


„Hab & Gut“ – ein Erfolgsmodell<br />

An drei Standorten betreibt das Diakonische Werk<br />

<strong>Landshut</strong> mittlerweile Gebrauchtwarenhäuser: in Altdorf,<br />

in Vilsbiburg und in Rottenburg. Durch die Möglichkeit,<br />

dort Waren günstig einzukaufen, werden<br />

Menschen in problematischen Einkommenssituationen<br />

unterstützt. In dem Beschäftigungsprojekt sind rund 70<br />

behinderte oder auf dem Arbeitsmarkt benachteiligte<br />

Menschen mit sinnvollen Aufgaben betraut. Und es gibt<br />

noch einen dritten positiven Effekt: Durch die Verwertung<br />

gut erhaltener Waren wird das Müllaufkommen<br />

reduziert, Abfall in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt<br />

und dadurch die Umwelt entlastet. Mit ihren Sachspenden<br />

und ihrem Einkauf bei „Hab & Gut“ können Bürger<br />

somit einen Beitrag zum Umweltschutz und zur Verringerung<br />

der Arbeitslosigkeit leisten.<br />

Begonnen hat die Erfolgsgeschichte des Projekts mit<br />

der Eröffnung des ersten Gebrauchtwarenhauses am<br />

Das erste Gebrauchtwarenhaus der <strong>Diakonie</strong> in Altdorf vor der Eröffnung 2001<br />

23. Oktober 2001 auf dem Gelände des städtischen Bauhofs<br />

an der Äußeren Parkstraße in Altdorf. Als das<br />

<strong>Landshut</strong>er Recyclingzentrum wenige Monate zuvor geschlossen<br />

worden war, waren sich <strong>Diakonie</strong>, Arbeitsamt<br />

und Stadt <strong>Landshut</strong> einig, dass auch weiterhin Arbeitsplätze<br />

für Menschen ohne Beschäftigung geschaffen<br />

werden müssten. Die Planungen für einen Umzug des<br />

Gebrauchtmöbelverkaufs gab es bereits seit einigen<br />

Jahren, auch weil die Verkaufsfläche am Brauneckweg zu<br />

klein war. So fanden in Altdorf auf insgesamt 1700<br />

Quadratmetern zunächst zehn Langzeitarbeitslose neue<br />

Arbeit mit vielfältigen Aufgaben – von der Terminplanung<br />

über die Möbelaufbereitung bis hin zur Kundenberatung<br />

und zum Verkauf.<br />

Aktion Rollentausch 2008: Bezirkstagspräsident Manfred<br />

Hölzlein verbrachte einen Tag im Gebrauchtwarenhaus und<br />

informierte sich über die Arbeit der <strong>Diakonie</strong>.<br />

64 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973


In den Anfangszeiten von „Hab & Gut“, das sich in sinnvoller<br />

Nachbarschaft zum Wertstoff- und Entsorgungszentrum<br />

<strong>Landshut</strong> befindet, musste um sein Bestehen<br />

gebangt werden. Noch im Juli 2003 blickte das Gebrauchtwarenhaus<br />

„Hab & Gut“ in eine unsichere Zukunft,<br />

weil die freie Förderung des Arbeitsamts auslief<br />

und eine Verlängerung der ABM-Förderung von Mitarbeitern<br />

ungewiss war. Auch konnte das Diakonische<br />

Werk aufgrund seiner eigenen angespannten Finanzlage<br />

keine weiteren Finanzierungsanteile übernehmen. Jedoch<br />

trugen die gute Lage und die helle, geräumige Halle<br />

dazu bei, dass „Hab & Gut“ von Anfang an bei Kunden<br />

auf positive Resonanz stieß.<br />

Die ABM-Förderung durch die Agentur für Arbeit<br />

wurde verlängert, und auch die Umsätze stiegen weiter.<br />

So arbeitete die Einrichtung im Jahr 2006 bereits kostendeckend.<br />

Pro Jahr wurden allein in Altdorf 180 Tonnen<br />

Waren angeliefert. Für die Vermeidung von Sperrmüll<br />

erhielt „Hab & Gut“ von der Stadt <strong>Landshut</strong> eine Vergütung,<br />

vom Landkreis <strong>Landshut</strong> kam vorübergehend<br />

Viel Aufmerksamkeit bekam der Stand von „Hab & Gut“ auf der <strong>Landshut</strong>er Umweltmesse 2008.<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

ein Zuschuss hinzu. Zum fünfjährigen Bestehen des<br />

Gebrauchtwarenhauses im Jahr 2006 zog der Leiter<br />

Georg Zinkl-Rau Bilanz: 1 500 000 kg Waren waren bis<br />

dahin bereits umgesetzt, 108 000 Kunden betreut und<br />

160 Personen beschäftigt worden.<br />

Im Januar 2006 wurde das zweite Gebrauchtwarenhaus<br />

in Vilsbiburg eröffnet. So entstanden in den Räumen<br />

eines ehemaligen Supermarktes in der Innenstadt weitere<br />

20 Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung und<br />

für Langzeitarbeitslose sowie eine günstige Einkaufsmöglichkeit<br />

für bedürftige Menschen. Anfang des Jahres<br />

2008 öffnete schließlich auf dem ehemaligen Kasernengelände<br />

in Rottenburg das dritte Gebrauchtwarenhaus<br />

der <strong>Diakonie</strong> seine Türen.<br />

Das jüngste Projekt von „Hab & Gut“ in Altdorf ist<br />

„Buntstift“ – ein Schulmaterialladen, in dem bedürftige<br />

Familien mit Kindern preisgünstig Schulsachen einkaufen<br />

können. Die Idee und die Anschubfinanzierung<br />

kamen von der Bürgerstiftung <strong>Landshut</strong>, die ersten Sachspenden<br />

von verschiedenen Firmen und Privatpersonen.<br />

65


Ansprechpartner<br />

für alle: die allgemeine<br />

Sozialarbeit<br />

Erholungsmaßnahmen für Kinder, offene Seniorenarbeit,<br />

Straffälligenhilfe, Schuldnerberatung, Treffpunkt für<br />

Alleinerziehende und Ferienprogramm – mit dieser breiten<br />

Aufgabenpalette waren die Mitarbeiterinnen der allgemeinen<br />

Sozialarbeit in den 1970er- und 1980er-Jahren<br />

konfrontiert.<br />

Heute ist die „Kirchliche Allgemeine Sozialarbeit<br />

(KASA)“ – wie der Dienst nun heißt - oft die erste Anlaufstelle<br />

für Menschen in Armut und Not. Sie ist ein konstitutives<br />

Element der Kirche und ihrer <strong>Diakonie</strong> in den<br />

Bezirksstellen, gleichzeitig gilt sie als der „soziale Grunddienst“<br />

jeder <strong>Diakonie</strong>. Die Aufgaben haben sich seit den<br />

Anfängen verändert, manche wurden aufgegeben, manche<br />

als eigene Dienste verselbständigt – umfangreich ist<br />

der Leistungskatalog der KASA aber nach wie vor. Die<br />

dort tätigen Sozialpädagoginnen unterstützen Hilfesuchende<br />

in unterschiedlichsten Problemsituationen:<br />

Sie beraten in Lebenskrisen aller Art, vermitteln an Fachdienste,<br />

helfen beim Umgang mit Behörden, informieren<br />

über Mutter-Kind-Kuren, organisieren Ferienaktionen<br />

und Aktivitäten im Bereich der Seniorenarbeit. Um die<br />

Belange von Familien und Kindern in der Region <strong>Landshut</strong><br />

zu stärken, ist die KASA im Lokalen Bündnis für<br />

Familien, einem Zusammenschluss von Vereinen, Unternehmen<br />

und sozialen Einrichtungen, vertreten. Darüberhinaus<br />

ist sie Mitbegründerin und Koordinatorin der<br />

<strong>Landshut</strong>er Armutskonferenz – Forum für soziale<br />

Rechte. Dieser „Runde Tisch“ von MitarbeiterInnen und<br />

SozialpädagogInnen aus Beratungsdiensten der regionalen<br />

Wohlfahrtsverbände verfolgt das Ziel, die Lebensverhältnisse<br />

von sozial benachteiligten Menschen in<br />

Stadt und Landkreis <strong>Landshut</strong> zu verbessern.<br />

Jährlich wurden rund 500 bedürftige Familien aus dem Fundus<br />

des Kleiderkellers versorgt.<br />

Beratung für Gefangene und<br />

Haftentlassene<br />

Seit Anfang der 1970er-Jahre wird die Straffälligenhilfe<br />

als ein Teilbereich der Sozialarbeit in den Akten des Diakonischen<br />

Werks erwähnt. Damals ging es vorwiegend<br />

darum, die Entlassung von Gefangenen aus der Justizvollzugsanstalt<br />

vorzubereiten, Kleidung zu beschaffen,<br />

Gepäck auszulösen und Arbeits- und Ausweispapiere zu<br />

beschaffen. Zusammen mit der Caritas wurde damals<br />

auch regelmäßig eine „Weihnachtsbetreuung“ angeboten.<br />

1978 begann die <strong>Diakonie</strong> mit Gruppengesprächen<br />

für Strafentlassene und ihre Familienangehörigen.<br />

In den 1980er-Jahren wurden regelmäßige Besuche in<br />

den Justizvollzugsanstalten Erding und <strong>Landshut</strong> durchgeführt.<br />

Neben den wenigen Beratungsgesprächen mit<br />

Inhaftierten waren damals vor allem fürsorgerische Maßnahmen<br />

die Hauptaufgabe. Im Jahresbericht des Diakonischen<br />

Werks von 1983 heißt es dazu: „Erklärtes Ziel<br />

der Beratung ist, den Gefangenen mit seiner Problematik<br />

zu konfrontieren, aufzuzeigen, dass ein Teil dieser persönlichen<br />

Schwierigkeiten auch in einem abweichenden<br />

Verhalten liegt.“ Soweit möglich, sollten diese Schwierigkeiten<br />

gemeinsam aufgearbeitet werden. In späteren<br />

Jahren war es ein wichtiges Ziel, die Eigenverantwortlichkeit<br />

der Straffälligen zu fördern.<br />

66 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973


Der damalige Sachgebietsleiter für Sozialarbeit,<br />

Hans Scharf, bot Beratungsgespräche in den<br />

Justizvollzugsanstalten <strong>Landshut</strong> und Erding an.<br />

In dieser <strong>Zeit</strong> sah das Diakonische Werk die zusätzliche<br />

Notwendigkeit, Strafentlassenen im Rahmen eines Wohnprojekts<br />

eine Art festen Wohnsitz anzubieten, um so ihre<br />

Chancen auf soziale Reintegration zu verbessern. Weil<br />

die Eingliederung nach der Haftentlassung oft an einer<br />

geeigneten Wohnmöglichkeit scheiterte und daher die<br />

Bedingungen für eine erfolgreiche Resozialisierung besonders<br />

negativ erschienen, mietete die <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong><br />

eine geeignete Wohnung an. Denn nur mit einer festen<br />

Adresse war es für die Betroffenen möglich, z. B.<br />

Leistungen des Arbeitsamts oder der Sozialhilfe zu beziehen<br />

bzw. einer geregelten Arbeit nachzugehen.<br />

Ab 1985 konnten zunächst zwei, später vier Haftentlassene<br />

in einer Wohnung in der Klötzlmüllerstraße<br />

untergebracht werden. Allerdings handelte es sich hier<br />

nicht um die geeignete Klientel – die Prognosen für<br />

deren Resozialisierung waren zu ungünstig. So wurde<br />

das Projekt zum Jahresende 1988 aufgegeben.<br />

Die Wohnung wurde danach Umsiedlern zur Verfügung<br />

gestellt. Heute liegt die Beratung von Gefangenen<br />

in der Verantwortung der Fachdienste des Diakonischen<br />

Werks, etwa der Schuldnerberatung und des Sozialpsychiatrischen<br />

Dienstes. Aufgrund ihrer Spezialisierung<br />

sind sie in der Lage, gezielt auf individuelle Probleme<br />

einzugehen und wirkungsvoll Hilfe zu leisten.<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

Das Ferienprogramm der <strong>Diakonie</strong> 1983<br />

Von Höhlentour bis Zaubercamp:<br />

das Ferienprogramm<br />

Längst nicht alle Kinder konnten Mitte der 1970er-Jahre<br />

mit ihren Eltern in den Urlaub fahren. Für sie entwarf die<br />

<strong>Diakonie</strong> ein Ferienprogramm, das die Kinder anregen<br />

sollte, ihre Ferientage schöpferisch zu gestalten und die<br />

eigene Stadt zu erkunden (siehe auch Interview mit<br />

Werner Heger, Seite 50f.) Ursprünglich aus einer Idee<br />

von <strong>Diakonie</strong>-Mitarbeitern entstanden, entwickelte es<br />

sich zu einem festen Angebot in <strong>Landshut</strong>, das auch nach<br />

mehr als 30 Jahren unvermindert attraktiv und beliebt ist.<br />

Zunächst sammelten die Mitarbeiter der <strong>Diakonie</strong> im<br />

Jahr 1976 ihre Ideen zur Feriengestaltung, dann wurden<br />

Ehrenamtliche gesucht und schließlich konnten die teilnehmenden<br />

Kinder aus einem breit gefächerten Angebot<br />

auswählen: Spaghetti kochen, „Montagsmaler“, Musikinstrumente<br />

basteln, Kuchen backen und vieles mehr,<br />

um ihre Fantasie und ihr Gestaltungspotenzial anzuregen.<br />

Sportliche Angebote wie Radfahren, Wandern und<br />

sogar Bogenschießen sowie informative Ausflüge zu<br />

diversen städtischen Einrichtungen waren schon in den<br />

Anfangsjahren Bestandteil des Ferienprogramms – eines<br />

der ersten dieser Art in Bayern. Ab 1979 beteiligten<br />

sich daran auch das Stadtjugendamt und die Volkshochschule.<br />

67


Aufgrund dieser organisatorischen und finanziellen<br />

Gemeinschaftsaktion kann den <strong>Landshut</strong>er Kindern bis<br />

heute jedes Jahr eine abwechslungsreiche Feriengestaltung<br />

angeboten werden. Das Diakonische Werk trägt<br />

mit fast 40 Veranstaltungen und 600 teilnehmenden<br />

Kindern dazu bei. Den Verantwortlichen der Kirchlichen<br />

Allgemeinen Sozialarbeit ist dabei wichtig, dass die<br />

Kinder ohne Leistungsdruck, Konkurrenzdruck und bewertender<br />

Beurteilung ihre Fähigkeiten entdecken und<br />

ausprobieren können. Bei den Veranstaltungen sollen<br />

soziale Kontakte und Fähigkeiten auf spielerische Weise<br />

eingeübt werden. Ein weiteres Anliegen ist es, den<br />

Kindern mit dem Ferienprogramm ihre Heimat <strong>Landshut</strong><br />

und Umgebung nahezubringen.<br />

Vor allem an berufstätige Eltern richtet sich das<br />

zusätzliche Ferienangebot der <strong>Diakonie</strong> im Gemeindehaus<br />

der Evangelischen Auferstehungskirche. Dort werden<br />

Kinder im Alter von vier bis zehn Jahren wochenweise<br />

von Montag bis Freitag mit einem abwechslungsreichen<br />

Spiel- und Kreativangebot beschäftigt.<br />

Ansprechpartnerinnen<br />

für<br />

Menschen in<br />

Krisensituationen<br />

Eine Aktion auf dem Spielplatz während des Ferienprogramms<br />

von 2007<br />

Alleinerziehende und Patchwork-Familien<br />

Meist prägt die einsam zu tragende Verantwortung für<br />

die Kinder den Alltag alleinerziehender Mütter und Väter.<br />

Nicht selten kommen aufgrund fehlender Kinderbetreuungsmöglichkeiten<br />

Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche,<br />

enge finanzielle Grenzen und eine mangelnde private<br />

Erholungszeit hinzu. Um diese Probleme gemeinsam<br />

besprechen zu können, bietet das Diakonische<br />

Werk seit 1976 einen Treffpunkt für Alleinerziehende an<br />

(siehe auch „Wir sind nicht alleine!“, S. 69).<br />

Einmal im Monat gibt es im Diakonischen Zentrum in<br />

<strong>Landshut</strong> die Gelegenheit, Menschen mit einem ähnlichen<br />

Lebenshintergrund zu treffen und sich mit ihnen<br />

auszutauschen. In dieser <strong>Zeit</strong> betreuen ehrenamtliche<br />

geschulte MitarbeiterInnen die Kinder. Zur Information<br />

und zur Unterstützung der Erziehungsarbeit von Alleinerziehenden<br />

werden immer wieder Fachvorträge angeboten.<br />

Ein ähnliches Ziel hat sich die im Februar 2009<br />

gegründete Selbsthilfegruppe für Patchwork-Familien<br />

gesetzt. Denn gerade in diesen immer häufiger entstehenden,<br />

aus Teilfamilien neu gebildeten Familien gibt es<br />

neuartige Probleme. Der Status einer Patchwork-Familie<br />

ist sowohl für die Kinder als auch für die erwachsenen<br />

Partner eine besondere Herausforderung. Die <strong>Diakonie</strong><br />

will dazu mit ihrem Gruppenangebot nicht nur einen<br />

regelmäßigen Erfahrungsaustausch ermöglichen, sondern<br />

Betroffene auch gezielt informieren, beispielsweise in<br />

rechtlichen oder wirtschaftlichen Fragen.<br />

Unter dem Motto „Mut tut gut“ bastelten die alleinerziehenden<br />

Frauen eine Collage.<br />

68 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973


»Wir sind nicht alleine!«<br />

1976 wurde im Diakonischen Werk <strong>Landshut</strong> der Treffpunkt für Alleinerziehende ins Leben gerufen. Zu den monatlichen<br />

Treffen kamen damals durchschnittlich 25 Mütter. Ihre Kinder wurden während dieser Treffen von Helfern betreut.<br />

Eine Teilnehmerin aus dem Jahr 1979 erzählt:<br />

Im Verborgenen blüht der Treffpunkt schon über zwei Jahre.<br />

Nun ist es an der <strong>Zeit</strong>, ihn einmal vorzustellen. Er ist durchaus<br />

vorzeigbar, steht er doch unter einem wirklich guten Stern.<br />

Das Diakonische Werk rief ihn ins Leben. Es suchte und fand<br />

damals zwei ehrenamtliche Mitarbeiterinnen, selbst Alleinerziehende,<br />

die diesen Kreis mit Schwung vortrefflich leiten,<br />

und stellte auch die geeigneten Räume am Gutenbergweg zur<br />

Verfügung.<br />

Wir sitzen also einmal monatlich bei Kaffee und Kuchen<br />

zusammen und wissen unsere Kinder im benachbarten Raum –<br />

unter Anleitung der Kinderbetreuer spielend – gut aufgehoben.<br />

Weit diffiziler ist es, unsere Zusammenkünfte entsprechend zu<br />

füllen, beschäftigen uns doch die verschiedensten Probleme,<br />

seien sie familiärer oder beruflicher Art. Diese werden ganz<br />

offen und ehrlich mitgeteilt und diskutiert und, wenn<br />

erwünscht, gelegentlich Fachleute von Ämtern, ein Kinderarzt<br />

oder auch, wie demnächst, ein Pfarrer eingeladen.<br />

Weit wichtiger jedoch scheinen mir zwei Dinge zu sein, die<br />

sich immer wieder heraus kristallisieren. Erstens: Es haben<br />

sich nicht nur die zwei Leiterinnen während der zwei Jahre<br />

in gegenseitiger Freundschaft gefunden. Es haben sich auch<br />

viele andere Bindungen ergeben, sogar manchmal über eine<br />

Generation hinweg; das ist so hilfreich und tröstlich in der<br />

heutigen <strong>Zeit</strong>: Wir sind nicht alleine.<br />

Und bei dem Stichpunkt „allein“ kommt auch gleich der zweite Punkt. Fast bei jedem Zusammensein erlebt<br />

jede von uns: Das geht ja nicht nur mir so mit den Schwierigkeiten als alleinstehende Frau, fast alle anderen<br />

habe die gleichen oder ähnliche Probleme und meistern sie auch. Das ist für meine Begriffe das wahrhaft<br />

Starke an diesem Kreis, dass jeder sich mit seinen Problemen, die nun einmal da sind und beileibe nicht in die<br />

Ecke gekehrt werden, nicht alleine weiß. Noch eines wäre erwähnenswert: Es gibt keine soziale Schichtung,<br />

jede, wirklich jede Frau ist herzlich willkommen.(…)<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

69<br />

Aus: <strong>Landshut</strong>er <strong>Zeit</strong>ung vom 6. September 1979<br />

Lese<br />

text


Gespräche, Gymnastik und Besuchsdienst<br />

für Senioren<br />

Die lange Tradition der offenen Seniorenarbeit im Diakonischen<br />

Werk <strong>Landshut</strong> wird von der KASA fortgeführt<br />

(siehe auch Kapitel 4). In Zusammenarbeit mit den evangelischen<br />

Kirchengemeinden im Dekanat <strong>Landshut</strong><br />

werden vielfältige Aktivitäten für Senioren angeboten:<br />

Gesprächskreise, Gymnastik- und Tanzveranstaltungen<br />

wie beispielsweise „WUF – Wir um Fünfzig“ oder der<br />

Offene Altenclub. Die Teilnahme an den Gruppenangeboten<br />

ist jederzeit möglich, nicht an eine konfessionelle<br />

Zugehörigkeit gebunden und wird von erfahrenen ehrenamtlichen<br />

Mitarbeiterinnen geleitet.<br />

„Ohrensessel“ nennt sich der Besuchsdienst, der<br />

ebenfalls von der allgemeinen Sozialarbeit organisiert<br />

wird. Ehrenamtliche Mitarbeiter des „Ohrensessels“ besuchen<br />

ältere Menschen in Seniorenwohnheimen, die<br />

sich allein fühlen und gerne Ansprache hätten. Sie hören<br />

den Senioren zu, lesen ihnen etwas vor, machen Gesellschaftsspiele<br />

oder begleiten sie zum Arzt.<br />

Wenn die Schuldenlast<br />

drückt – die <strong>Diakonie</strong><br />

berät<br />

Viel Erfahrung hat das Team der diakonischen Schuldnerberatung,<br />

die schon seit 1991 als separater Fachdienst<br />

besteht. Vorher war diese Aufgabe Bestandteil<br />

der allgemeinen Sozialarbeit. Die Nachfrage nach dieser<br />

kostenlosen Hilfeleistung war von Anfang an groß.<br />

Bürger aus Stadt und Landkreis <strong>Landshut</strong> hatten damals<br />

mit Wartezeiten von bis zu neun Monaten zu rechnen.<br />

Als 1999 die rechtliche Möglichkeit der Privatinsolvenz<br />

geschaffen wurde, stieg die Zahl der Ratsuchenden noch<br />

zusätzlich an. Erst die Aufstockung der zur Verfügung<br />

stehenden Beraterstellen brachte eine Erleichterung für<br />

die Klienten.<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

Großes Augenmerk lag von jeher auf der Präventionsarbeit.<br />

In diversen Schulen macht das Schuldnerberater-<br />

Team auf Schuldenfallen für Jugendliche, wie beispielsweise<br />

Handy-Verträge, aufmerksam. Die zunehmende<br />

Komplexität des Wirtschaftslebens ist nach den Erkenntnissen<br />

der Schuldnerberater heute eine wesentliche<br />

Ursache für Verschuldung: Die Menschen seien nicht<br />

mehr in der Lage sich ausreichend zu informieren und<br />

machten deshalb Fehler. So sei es nicht weiter verwunderlich,<br />

dass sich seit Anfang der 1990er-Jahre die Zahl<br />

der überschuldeten Haushalte verdoppelt hat. Die Ressourcen<br />

für die Lebensführung seien mittlerweile so<br />

knapp, dass es kaum mehr Einsparpotential gebe. Und<br />

noch etwas hat sich im Laufe der <strong>Zeit</strong> verändert: Die<br />

Gläubiger sind immer weniger zu Vergleichen bereit.<br />

Derzeit werden pro Jahr mehrer hundert Bürger beraten.<br />

Ziel der Beratungsstelle, die von Stadt und Landkreis<br />

gleichermaßen finanziert wird, ist in erster Linie die<br />

Existenzsicherung; das heißt, Klienten sollen ihre Wohnung<br />

und ihren Arbeitsplatz behalten können. Erst an<br />

zweiter Stelle steht die Entschuldung. Zu diesem Zweck<br />

werden Haushalts- und Schuldenbereinigungspläne<br />

erstellt. Wenn nötig, verhandeln die Berater auch mit<br />

den Gläubigern über Vergleiche und Rückzahlungsmodalitäten.<br />

Um einen Teil der Sachkosten finanzieren zu können, hat<br />

das Diakonische Werk 2003 ein Kooperationsabkommen<br />

mit der Bewährungshilfe Südostbayern geschlossen, die<br />

seitdem ebenfalls Klienten nach <strong>Landshut</strong> zur Schuldnerberatung<br />

schickt.<br />

Das Team der Schuldnerberatungsstelle besteht aus<br />

Thomas Beißner, Jürgen Höft, der Leiterin Petra Anneser und<br />

der Verwaltungsmitarbeiterin Angelika Kandler (von links).<br />

71


Integrationsarbeit<br />

bei der<br />

Aussiedlerbetreuung<br />

Die politischen Umwälzungen in den ehemaligen Ostblockstaaten<br />

verursachten vollkommen neue Herausforderungen<br />

für die Wohlfahrtsverbände. Aufgrund der erleichterten<br />

Ausreisemöglichkeiten für Bürger deutscher<br />

Abstammung setzte ab Ende der 1980er-Jahre eine<br />

Zuwanderungswelle ungeahnten Ausmaßes ein: 1988<br />

kamen 174 Aus- und Umsiedlerfamilien in das Dekanat<br />

<strong>Landshut</strong> , 1990 waren es 534 Familien 42 . Dies führte dazu,<br />

dass die vorhandenen Übergangswohnheime bald<br />

völlig überbelegt waren. So mussten viele Menschen –<br />

vor allem aus der ehemaligen UdSSR, aus Rumänien und<br />

Polen sowie aus der vormaligen DDR – bei Verwandten,<br />

Freunden und in Gasthöfen unterkommen 43 , die als Ausweichquartiere<br />

eingerichtet wurden. Die räumliche Beengtheit<br />

in diesen Notquartieren war nicht selten Auslöser<br />

für Spannungen und Auseinandersetzungen.<br />

Begrüßungskaffee, Besuchsdienst<br />

und Beratung<br />

Weil dringender Handlungsbedarf bestand, bot das Diakonische<br />

Werk <strong>Landshut</strong> ab 1988 Beratungen für Aussiedler<br />

an. Eine Sozialpädagogin der <strong>Diakonie</strong> konnte<br />

dafür in der Anfangszeit 10 Stunden, später 20 Stunden<br />

pro Woche einsetzen. Sie wurde unterstützt von zwei<br />

Praktikantinnen der Fachhochschule <strong>Landshut</strong> und von<br />

ehrenamtlichen Mitarbeitern, die Besuchsdienste durchführten<br />

und „Begrüßungskaffees“ organisierten. Materielle<br />

Hilfe kam aus dem Kleiderkeller der <strong>Diakonie</strong>.<br />

Außerdem wurden gebrauchte Möbel und Hausrat vermittelt<br />

sowie Spielsachen für die Aussiedler-Kinder<br />

gesammelt.<br />

Es war das Ziel der diakonischen Arbeit, die Aussiedler<br />

vor Ort sozial und kirchlich zu integrieren. Bei persönlichen<br />

und familiären Problemen konnten sich die Menschen<br />

an die BeraterInnen der <strong>Diakonie</strong> wenden, die<br />

auch über die Zuständigkeiten der Behörden informierten<br />

und sozialrechtliche Ansprüche klärten. Wie aus den<br />

Jahresberichten der Beratungsstelle hervorgeht, war es<br />

den damaligen Mitarbeitern ein besonderes Anliegen, in<br />

der Öffentlichkeit um Verständnis für die Situation der<br />

Aussiedler zu werben, deren Akzeptanz zu fördern und<br />

zur Versachlichung diesbezüglicher – zum Teil sehr emotionsgeladener<br />

– Diskussionen beizutragen.<br />

Im März 1991 wurde der erste Außenstützpunkt des<br />

Diakonischen Werkes in Dingolfing, in der Oberen Stadt<br />

2, in angemieteten Räumen eröffnet. Dieser Standort<br />

wurde deshalb gewählt, weil dort aufgrund der beiden<br />

Übergangswohnheime besonders viele Aussiedler zu betreuten<br />

waren. Zudem gab es das Bestreben, die diakonischen<br />

Angebote im großen Flächendekanat zu dezentralisieren.<br />

Bronze für vorbildliche Integrationsarbeit<br />

Die beiden Sozialpädagoginnen Beatrix Eberl und Petra<br />

Götz berichteten 1993 vor der Presse über ihre schwierige<br />

Arbeit im Dekanat <strong>Landshut</strong>, wo insgesamt 1300<br />

Aussiedler in 18 Wohnheimen und Ausweichquartieren<br />

lebten: Die Voraussetzungen für einen Neustart der Neubürger<br />

hatten sich damals bereits verschlechtert, weil<br />

öffentliche Mittel für Sprachkurse gekürzt worden<br />

waren. Wegen des Wohnungsmangels auf dem freien<br />

kkk<br />

Beatrix Eberl nahm eine<br />

Auszeichnung für die<br />

Aussiedlerberatungsstelle<br />

Dingolfing entgegen.<br />

72 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973


Wohnungsmarkt mussten die Aussiedler-Familien bis zu<br />

drei Jahre in den Übergangsheimen <strong>Landshut</strong> und Dingolfing<br />

bleiben, in die sie aus dem Durchgangslager in<br />

Nürnberg mit Zwischenstation in der „Verteilerstelle“ in<br />

Deggendorf geschickt worden waren.<br />

Trotz dieser restriktiven Bedingungen leisteten die<br />

AussiedlerbetreuerInnen der <strong>Diakonie</strong> hervorragende<br />

Arbeit. Beim „Bundeswettbewerb zur vorbildlichen Integration<br />

von Aussiedlern in der Bundesrepublik Deutschland“<br />

erreichte die Außenstelle Dingolfing im Jahr 1994<br />

den dritten Platz. Beatrix Eberl und Geschäftsführer<br />

Friedrich Schröder bekamen dafür in Köln eine Bronze-<br />

Plakette zusammen mit einer Urkunde verliehen.<br />

Sport, Spiele und Streetwork für<br />

jugendliche Spätaussiedler<br />

Nach einer Vakanzzeit wurde die Beratungsstelle in<br />

Dingolfing 1998 wieder besetzt, um Projektarbeit mit<br />

jugendlichen Spätaussiedlern anzubieten, da in Schulen,<br />

in politischen Gremien und bei der Polizei vermehrt<br />

Probleme mit dieser Teilgruppe bekannt geworden<br />

waren. Aufgrund der Migration traten Sprachhemmnisse<br />

und damit auch schulische Schwierigkeiten in den<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

Hilfe in der Orientierungslosigkeit leistete<br />

die Aussiedlerberatung der <strong>Diakonie</strong>.<br />

Vordergrund, Auffälligkeiten und aggressive Verhaltensweisen<br />

kamen hinzu. Für die Projektarbeit mit den<br />

Jugendlichen beschäftigte die <strong>Diakonie</strong> qualifizierte<br />

Honorarkräfte – überwiegend Lehrerinnen aus den Herkunftsländern.<br />

Sie veranstalteten mit den jungen Teilnehmern<br />

Rollenspiele, Erzählcafés, Bastel- und Spiele-<br />

Nachmittage. So konnten zu den meisten Jugendlichen<br />

positive Beziehungen aufgebaut, ihre Kompetenzen verbessert<br />

und für sie neue Lebensperspektiven eröffnet<br />

werden. In Streetwork-Maßnahmen und in Kooperation<br />

mit den Schulen wurden sie auch nach dem Ende des<br />

Projekts begleitet. Weil die Fördervereinbarung zwischen<br />

dem Diakonischen Werk <strong>Landshut</strong> und dem Landkreis<br />

Dingolfing-Landau nicht verlängert wurde, mussten<br />

die Büroräume in Dingolfing im Jahr 2000 aufgegeben<br />

werden.<br />

In <strong>Landshut</strong> setzte die Aussiedlerberatung verstärkt auf<br />

Sport- und Freizeitangebote für Jugendliche, die zusammen<br />

mit den örtlichen Vereinen und anderen sozialen<br />

Trägern organisiert wurden. Um die jungen Spätaussiedler<br />

im Raum <strong>Landshut</strong> und Altdorf noch besser<br />

betreuen zu können, gründeten <strong>Diakonie</strong>, Katholisches<br />

Jugendsozialwerk, Stadtdiakon und Aussiedlerpfarrer<br />

einen Arbeitskreis. Ende Juni 2002 musste die Aussiedlerberatung<br />

der <strong>Diakonie</strong> aus Gründen der Wirtschaftlichkeit<br />

an allen Standorten eingestellt werden.<br />

73


Oben: Der <strong>Diakonie</strong>-Vorsitzende Dekan Jürgen Wieber nahm im<br />

Oktober 1988 den Spatenstich für das Diakonische Zentrum vor.<br />

Mitte links: An das bereits bestehende Gebäude wurde angebaut.<br />

Unten: Fast alle Fachdienste fanden im Diakonischen Zentrum Platz.<br />

74 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973


In der Zerreißprobe:<br />

Investitions- und Krisenzeit<br />

der <strong>Diakonie</strong><br />

Dass die 1990er-Jahre für das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> nicht leicht werden würden, war<br />

vorauszusehen. Denn es standen einerseits umfangreiche Investitionen an, beispielsweise<br />

der bereits geplante Neubau des Diakonischen Zentrums und die notwendige Sanierung des<br />

Seniorenheims am Bettinaweg. Andererseits gingen die Spendenbeträge zurück und öffentliche<br />

Zuschüsse wurden gekürzt, sodass sich notwendige finanzielle Einschränkungen abzeichneten.<br />

Dass allerdings am Ende dieses Jahrzehnts die gesamte <strong>Landshut</strong>er <strong>Diakonie</strong><br />

eine materielle und immaterielle Krise von existenzbedrohenden Ausmaßen durchleiden<br />

würde, war zu diesem <strong>Zeit</strong>punkt noch nicht vorstellbar.<br />

Der Bau des Diakonischen Zentrums<br />

Die Spezialisierung und Aufgabenerweiterung in den<br />

diversen Fachdiensten der <strong>Diakonie</strong> verlangte nach zusätzlichem<br />

Arbeitsraum. 1986 konnte noch unter der<br />

Geschäftsführung von Werner Heger in unmittelbarer<br />

Nähe zu den bisherigen Diensträumen das „Zech-<br />

Grundstück“ mit einem Gebäude in der Gabelsbergerstraße<br />

46 erworben werden. Wenige Monate nach der<br />

Amtseinführung des neuen Geschäftsführers, Diakon<br />

Friedrich Schröder, und des neuen ersten Vorsitzenden,<br />

Dekan Jürgen Wieber, begannen im Oktober 1988 die<br />

Bauarbeiten für das neue Diakonische Zentrum. Im Beisein<br />

zahlreicher Ehrengäste – darunter der Präsident des<br />

Diakonischen Werks Bayern, Pfarrer Heinz Miederer –<br />

wurde der erste Spatenstich getan. Aufgrund des milden<br />

Wetters machte der auf zwei Millionen Mark veran-<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

schlagte Bau schnelle Fortschritte, sodass bereits im<br />

März des darauffolgenden Jahres Richtfest gefeiert werden<br />

konnte. Mit dem Diakonischen Zentrum ging für die<br />

Mitarbeiter ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung. Denn<br />

in dem neuen, 660 Quadratmeter großen Gebäudekomplex<br />

wurde für fast alle Fachdienste, die teilweise über<br />

die Stadt verteilt waren, Platz geschaffen: Sozialarbeit,<br />

Seniorenbegegnungsstätte, Sozialpsychiatrischer Dienst<br />

(außer der Teestube in der Altstadt), Verwaltung und<br />

Geschäftsführung, Jugendprojekt Arbeit, Eheberatung,<br />

Werkräume, die Mobile Ökologiewerkstatt sowie ein<br />

Kleiderkeller wurden dort untergebracht.<br />

Die Einweihung erfolgte im Mai 1990 mit einem Festgottesdienst<br />

in der Christuskirche, den Regionalbischof<br />

Oberkirchenrat Gotthard Preiser hielt. Anlässlich des Festaktes<br />

wurden im Garten des neuen <strong>Diakonie</strong>-Zentrums<br />

mehr als 400 Gäste bewirtet. Das Haus war zu diesem<br />

<strong>Zeit</strong>punkt bereits mit Mitarbeitern voll belegt.<br />

75<br />

6


Der Erbschaftsstreit und personelle<br />

Konsequenzen<br />

Vermutlich war der hohe Kapitalbedarf der <strong>Diakonie</strong> für<br />

den geplanten Neubau des Seniorenzentrums einer der<br />

Gründe, weshalb sich ein über mehrere Jahre andauernder<br />

Erbschaftsstreit entfachen konnte, der das Ansehen<br />

des Diakonischen Werks <strong>Landshut</strong> gravierend und nachhaltig<br />

beeinträchtigt hat. Der Streitfall begann 1992,<br />

als Geschäftsführer Schröder als Vertreter der <strong>Diakonie</strong><br />

<strong>Landshut</strong> mit den hochbetagten Schwestern Friederike<br />

und Helene Below aus <strong>Landshut</strong> einen Erbschaftsvertrag<br />

schloss.<br />

Die beiden Schwestern, die lange in der evangelischen<br />

Kirchengemeinde aktiv gewesen waren, hatten erwogen,<br />

auf ihrem Grundstück eine Kindertagesstätte zu<br />

errichten, deren Leitung ihre Nichte übernehmen sollte,<br />

und sich diesbezüglich Rat suchend an die <strong>Diakonie</strong><br />

gewandt. Als Friederike Below durch eine Krebserkrankung<br />

in einer sehr schlechten körperlichen und psychischen<br />

Verfassung war, wurde ihr und ihrer Schwester im<br />

Krankenhaus ein von Geschäftsführer Schröder entworfener<br />

Erbschaftsvertrag vorgelegt, den beide Schwestern<br />

unterschrieben. Darin wurde der <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong><br />

das Villengrundstück mit einem geschätzten Wert von<br />

1,5 Millionen Mark vermacht. Als es der kranken Schwester<br />

gerade etwas besser ging (sie starb bald darauf),<br />

bemerkten die beiden, dass die mündlich vereinbarten<br />

Gegenleistungen der <strong>Diakonie</strong> für die Erbschaft nicht<br />

Vertragsgegenstand waren. Beide wollten daraufhin den<br />

Erbvertrag rückgängig machen. Als das Diakonische<br />

Werk nicht darauf einging, wurde von ihnen Klage eingereicht.<br />

Geschäftsführer Schröder geriet nun in den Verdacht,<br />

den Erbvertrag mit unlauteren Methoden bewirkt zu<br />

haben. Außerdem stellte sich heraus, dass der erste<br />

Vorsitzende des Diakonischen Werks, Dekan Wieber, im<br />

Vorfeld nicht über den Vertragsinhalt informiert worden<br />

und auch bei der Vertragsunterzeichnung selbst nicht<br />

anwesend gewesen war. Das Landgericht <strong>Landshut</strong> beantwortete<br />

die Frage nach einer möglichen Sittenwidrig-<br />

keit des Vertrags 1993 zwar mit Nein, jedoch „mit erheblichen<br />

Bedenken“. Nach diesem Urteil blieb das Diakonische<br />

Werk zunächst rechtmäßiger Erbe.<br />

Knapp ein Jahr später, im November 1994, hob das<br />

Oberlandesgericht München das Urteil des Landgerichts<br />

<strong>Landshut</strong> jedoch auf und bemängelte dabei das Missverhältnis<br />

von Leistung und Gegenleistung im Erbvertrag.<br />

Dieser Rechtsauffassung wollte sich allerdings das<br />

Landeskirchenamt nicht anschließen. Es sah in der im<br />

Münchener Urteil enthaltenen Auslegung des Heimgesetzes<br />

einen Präzedenzfall, wollte für alle Heimträger<br />

Revision einlegen und begann daher ein Revisionsverfahren<br />

vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Gleichzeitig<br />

änderte sich auch die Sachlage: Helene Below<br />

adoptierte ihre Nichte, wodurch der Erbvertrag mit der<br />

<strong>Diakonie</strong> nichtig wurde. Schließlich beschloss das Kuratorium<br />

des Diakonischen Werks <strong>Landshut</strong> in Übereinstimmung<br />

mit der Landeskirche, mittels einer förmlichen<br />

Erklärung auf die Erbschaft zu verzichten.<br />

Im Januar 1996 zog der Bundesgerichtshof endgültig<br />

einen Schlussstrich unter den Erbstreit und erklärte die<br />

Anfechtung der Erbschaft durch die Schwestern Below<br />

nach dem Heimgesetz für rechtskräftig. Die Adoption<br />

wäre demnach zur Rückübertragung des Grundstücks<br />

nicht nötig gewesen.<br />

Für das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> blieben als Ergebnis<br />

des Erbschaftsstreits eine schwere Rufschädigung, ein<br />

hoher Fehlbetrag infolge der Prozesskosten, Differenzen<br />

in der Leitungsebene, Unverständnis bei Vereinsmitgliedern<br />

und Mitarbeitern und auch große Sorgen bezüglich<br />

der Finanzierung des geplanten Seniorenzentrums.<br />

Dekan Jürgen Wieber war bereits vor Beginn des ersten<br />

Prozesses von seinem Amt als erster Vorsitzender zurückgetreten.<br />

Er hatte diesen Schritt mit Kompetenzstreitigkeiten<br />

mit Geschäftsführer Schröder und Informationsdefiziten<br />

begründet. Nach dem Bekanntwerden<br />

des Erbschaftsvertrages hatte er die sofortige Rückgabe<br />

des Grundstückes beabsichtigt. Er gab sein Amt schließlich<br />

auch deshalb auf, weil er von Geschäftsführung und<br />

Kuratorium der <strong>Landshut</strong>er <strong>Diakonie</strong> keine Rückendeckung<br />

in dieser Angelegenheit bekommen hatte.<br />

76 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973


Bei der Jahresmitgliederversammlung des Diakonischen<br />

Werks im März 1993 herrschte aufgrund dieser Vorkommnisse<br />

eine gespannte Atmosphäre. Zum neuen Vorsitzenden<br />

ließ sich Pfarrer Werner Fritz von der Erlöserkirche<br />

wählen. Als die Prozesse Jahre später beendet<br />

waren, zeigte sich Pfarrer Fritz, der den Erbschaftsstreit<br />

trotz persönlicher moralischer Bedenken in Übereinstimmung<br />

mit dem Kuratorium mitgetragen hatte, erleichtert<br />

über den Ausgang. Er erklärte in der Mitgliederversammlung<br />

1997: „Das war kein Ruhmesblatt in der Geschichte<br />

der <strong>Diakonie</strong>.“ 44 Für eine Wiederwahl wollte er<br />

sich allerdings – auch aufgrund von Querelen zwischen<br />

ihm und Dekan Jürgen Wieber und damit zwischen der<br />

<strong>Diakonie</strong> und den Pfarrern des Dekanats – nicht mehr<br />

zur Verfügung stellen.<br />

So drehte sich das Personalkarussell zurück: Bei der<br />

Jahreshauptversammlung im Juni 1997 wurde Dekan<br />

Jürgen Wieber als einziger zur Verfügung stehender<br />

Kandidat in geheimer Wahl mit Zweidrittelmehrheit erneut<br />

zum ersten Vorsitzenden des Diakonischen Werks<br />

gewählt. Jedoch verließ er bereits im April des darauffolgenden<br />

Jahres das Dekanat <strong>Landshut</strong>, um eine neue<br />

Dekanstelle in Bad Tölz anzutreten. Beim Abschiedsgottesdienst<br />

in der Christuskirche wurde ihm Dank und<br />

Anerkennung für sein zehnjähriges Wirken im Dekanat<br />

<strong>Landshut</strong> ausgesprochen. In den folgenden Monaten<br />

übernahm der zweite Vereinsvorsitzende der <strong>Diakonie</strong>,<br />

Edgar Walter, allein die Leitungsaufgaben, bis kurz vor<br />

Jahresende der neue <strong>Landshut</strong>er Dekan Helmut Völkel<br />

einstimmig zum ersten Vorsitzenden gewählt wurde.<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

77


Neubau von Johannesstift<br />

und Matthäusstift<br />

Während im Diakonischen Werk Anfang der 1990er-<br />

Jahre noch über die mögliche Sanierung des Altenheims<br />

am Bettinaweg nachgedacht wurde, hatte Geschäftsführer<br />

Schröder bereits eine andere Vision: Er erklärte<br />

den Bau eines modernen Seniorenzentrums zu seinem<br />

Fernziel. Das bestehende Altenheim genügte nicht mehr<br />

den aktuellen Standards und war nicht auf die zunehmende<br />

Pflegebedürftigkeit der Patienten ausgerichtet.<br />

Es war klar, dass dessen Umwandlung in ein zeitgemäßes<br />

Pflegeheim umfangreiche bauliche Veränderungen<br />

fordern würde.<br />

Im April 1992 wurden die Pläne für den Neubau eines<br />

Seniorenwohn- und Pflegeheims veröffentlicht. Der Endausbau<br />

sah 80 bis 90 Pflegebetten sowie 30 bis 40<br />

Heimplätze vor. Veranschlagt waren Baukosten in Höhe<br />

von 25 Millionen Mark, wovon der größte Teil als Zuschuss<br />

von der evangelischen Kirche in Bayern zugesagt<br />

wurde. Zehn Prozent sollte das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong><br />

aus Eigenmitteln finanzieren.<br />

Es dauerte noch drei Jahre, bis die endgültigen Pläne<br />

für das neue Heim – jetzt nicht mehr in <strong>Landshut</strong>, sondern<br />

in Altdorf geplant – öffentlich vorgestellt werden<br />

konnten. Am 8. März 1996 fand dann der erste Spatenstich<br />

für das Johannesstift statt. Im April 1997 zogen die<br />

Heimbewohner vom Bettinaweg nach Altdorf um.<br />

Der Rohbau des Johannesstifts war fertig.<br />

Zu diesem <strong>Zeit</strong>punkt waren die Planungen für den Neubau<br />

eines weiteren Seniorenwohn- und Pflegezentrums,<br />

des Matthäusstifts, bereits in vollem Gange. Zur Realisierung<br />

dieses auf 20 Millionen Mark veranschlagten<br />

Projekts hatte das Kuratorium einen Vertrag geplant, der<br />

vorsah, das <strong>Diakonie</strong>-Grundstück am Bettinaweg auf<br />

dem Weg des Erbbaurechts an eine Wohnbaugesellschaft<br />

zu übertragen. Dieser Investor sollte im Gegenzug<br />

das Heim errichten und die Baukosten tragen, die er<br />

über den Verkauf der Pflegeappartements finanzieren<br />

konnte. Das Diakonische Werk sollte das Seniorenheim<br />

mieten und betreiben. Für dieses gewichtige Vorhaben<br />

war die Zustimmung der <strong>Diakonie</strong>-Mitglieder notwendig,<br />

die sich die Entscheidung darüber nicht leicht machten.<br />

So brachte die im Januar 1997 anberaumte Mitgliederversammlung<br />

trotz großer Beteiligung und hitziger<br />

Debatten kein Ergebnis bezüglich eines Neubaus. Die<br />

<strong>Landshut</strong>er <strong>Zeit</strong>ung formulierte: „Dicke Überraschung<br />

bei Mammutsitzung der <strong>Diakonie</strong>: Altenheim-Neubau gebremst<br />

– Mitglieder klagen über mangelnde Information<br />

– Ohne Jahresrechnung keine Mehrheit für Baupläne“.<br />

78 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973


Weil die Jahresrechnung für 1996 noch nicht vorlag, verweigerten<br />

die <strong>Diakonie</strong>mitglieder dem Kuratorium ihre<br />

Zustimmung, sodass dieses nicht über das Erbbaurecht<br />

am Bettinaweg verhandeln konnte. Nach geheimer Abstimmung<br />

wurde beschlossen, die Entscheidung über<br />

den Neubau bis zum Vorliegen der Jahresrechnung 1996<br />

zu vertagen. 45<br />

Rund 100 Interessierte fanden sich ein, als im Februar<br />

1999 die abgeschlossenen Planungen für das Seniorenzentrum<br />

Matthäusstift vorgestellt wurden. Noch im<br />

gleichen Jahr nahmen Oberbürgermeister Josef Deimer,<br />

Dekan Helmut Völkel und Jürgen Kraus von der Wohnbaugesellschaft<br />

Kraus Grundbesitz AG & Co. Immobilien<br />

KG die Grundsteinlegung vor. Nach einer Bauzeit von eineinhalb<br />

Jahren wurde das Matthäusstift, das 80 Pflegeplätze<br />

und 33 Appartements für Betreutes Wohnen umfasst,<br />

im Mai 2001 feierlich eingeweiht.<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

Das Bauprojekt Matthäusstift im Mai 2000<br />

und im Februar 2001<br />

Mit Unterstützung des<br />

Pflegepersonals und der<br />

Angehörigen zogen die<br />

Bewohner um.<br />

79<br />

Der Pflegebereich<br />

des Seniorenzentrums<br />

Johannesstift in<br />

Altdorf bietet<br />

63 Plätze.


Der Flughafensozialdienst<br />

wurde zusammen mit der<br />

Caritas angeboten.<br />

80 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973


Auf dem Höhepunkt der Krise<br />

Mit der Person Helmut Völkel zeichnete sich von Anfang<br />

an eine ruhigere Zukunft für die <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong> ab.<br />

Der neue Dekan setzte auf direkte Information und enge<br />

Zusammenarbeit mit dem Geschäftsführer. „Brücken,<br />

die bröckeln und teilweise schon schwer begehbar sind,<br />

sollen wieder aufgebaut werden“, sagte Helmut Völkel<br />

bei seinem Amtsantritt im November 1998 gegenüber<br />

der <strong>Landshut</strong>er <strong>Zeit</strong>ung (siehe auch Interview mit Dekan<br />

Völkel, S.83).<br />

Im Dekanat <strong>Landshut</strong> hatte sich inzwischen viel verändert.<br />

Auf Beschluss des Landeskirchenrates waren die<br />

Landkreise Freising und Erding vom Flächendekanat<br />

<strong>Landshut</strong> abgetrennt worden. Ein Grund dafür dürfte der<br />

Neubau des Münchner Flughafens gewesen sein, in dessen<br />

Folge eine schwer zu bewältigende Aufgabenfülle<br />

entstand. Es dauerte nicht lange, bis im neuen Dekanatsbezirk<br />

Freising auch ein eigenes Diakonisches Werk<br />

gegründet wurde. Dadurch musste die <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong>,<br />

deren Zuständigkeitsbereich flächenmäßig um die<br />

Hälfte verkleinert worden war, Aufgaben abgeben (z.B.<br />

den Flughafensozialdienst).<br />

Ein weitere einschneidende Veränderung für die <strong>Diakonie</strong><br />

<strong>Landshut</strong> ergab sich durch eine gravierende Maßnahme,<br />

die vom Dekan vollzogen werden musste und<br />

vom im Juli 1999 neu gewählten Kuratorium mitgetragen<br />

wurde: Die sofortige Trennung von Geschäftsführer<br />

Friedrich Schröder im Oktober 1999. Dies war die notwendige<br />

Konsequenz aus einer Reihe von falschen und<br />

moralisch untragbaren Managemententscheidungen des<br />

Geschäftsführers. Begründet wurde die fristlose Entlassung<br />

mit Fehlbuchungen beim Betrieb des Recyclingzentrums<br />

am Brauneckweg, durch die das Diakonische<br />

Werk übermäßig hohe Zuschüsse von der Stadt <strong>Landshut</strong><br />

erhalten hatte. Die Stadt hatte bei einer Rechnungsprüfung<br />

für die Jahre 1994 bis 1998 diese Fehlbuchungen<br />

des Diakonischen Werks entdeckt: Überschüsse aus<br />

dem Bilanzkreislauf des Recyclingzentrums waren in den<br />

Bilanzkreislauf der <strong>Diakonie</strong> geflossen. Außerdem waren<br />

nicht gerechtfertigte Abschreibungen und überzogene<br />

Personalkostenumlagen aufgeführt worden, sodass die<br />

Stadt <strong>Landshut</strong> über mehrere Jahre zu viele Zuschüsse<br />

bezahlt hatte. Friedrich Schröder hatte sich dadurch<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

zwar nicht persönlich bereichert, durch sein Verhalten<br />

aber dem Diakonischen Werk <strong>Landshut</strong> einen immensen<br />

institutionellen Schaden zugefügt.<br />

Der ehemalige Geschäftsführer wurde später zu<br />

einem Jahr und zehn Monaten Haft, der frühere Buchhalter<br />

der <strong>Diakonie</strong> zu einem Jahr und zwei Monaten Haft<br />

verurteilt – jeweils auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.<br />

Die Wirtschaftsstrafkammer sah es als erwiesen<br />

an, dass beide Beschuldigte mehrfach falsche Angaben<br />

gemacht und dadurch die Stadt <strong>Landshut</strong> um etwa<br />

400 000 Mark und darüber hinaus die evangelische<br />

Landeskirche um Zuschüsse aus dem Arbeitslosenprojekt<br />

„1+1“ in Höhe von 90 000 Mark betrogen hatten.<br />

Die <strong>Diakonie</strong> musste nun zum einen die Rückzahlungsforderung<br />

der Stadt <strong>Landshut</strong> begleichen und zum<br />

anderen das angeschlagene Vertrauensverhältnis wieder<br />

aufbauen, um die weitere Kooperation auf eine solide<br />

gemeinsame Basis zu stellen. Trotz dieser schweren Erblast<br />

widmete sich der Vorsitzende Dekan Helmut Völkel<br />

beharrlich und erfolgreich der Schadensbegrenzung und<br />

der Pflege von Kontakten.<br />

Aufarbeitung der Altlasten<br />

Der Start in das neue Jahrtausend bedeutete für das<br />

Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> eine mühevolle Aufarbeitung<br />

seiner Altlasten. Wie kräftezehrend diese Aufgabe<br />

war, zeigten die folgenden raschen personellen Wechsel<br />

in der Geschäftsleitung. Nachdem der Leiter der Gesamtkirchenverwaltung,<br />

Nikolaus Fendler, von Oktober<br />

1999 bis März 2000 die Geschäfte der <strong>Diakonie</strong> kommissarisch<br />

geführt hatte, trat am 1. April 2000 Sabine<br />

Frey ihr Amt an. Die Diplom-Betriebswirtin und Theologin<br />

galt als Hoffnungsträgerin für einen Neuanfang. Mit<br />

einem Festgottesdienst, den Pfarrer Heimo Liebl, Präsident<br />

des Diakonischen Werks Bayern, zusammen mit<br />

Dekan Völkel hielt, wurde sie offiziell in ihre Tätigkeit eingeführt.<br />

Jedoch kündigte sie bald aufgrund der schwierigen<br />

personellen, finanziellen und strukturellen Gegebenheiten<br />

und verließ das Diakonische Werk bereits<br />

nach vier Monaten wieder.<br />

81


In der folgenden <strong>Zeit</strong> übernahm die Kirchliche Dienstleistungs-<br />

und Beratungsgesellschaft für Soziale Einrichtungen<br />

(KDsE) die Geschäftsführung. Unter der Verantwortung<br />

des Interims-Geschäftsführers Jürgen Meier<br />

wurden die Bilanzen der vergangenen Jahre aufgearbeitet.<br />

Es wurde deutlich, dass zur besseren Steuerung des<br />

Diakonischen Werks klare Kompetenzregelungen, kurze<br />

Informationswege und mehr Handlungsfähigkeit geschaffen<br />

werden mussten. Auch eine Satzungsreform<br />

wurde diskutiert. Auf Anregung von Dekan Völkel und<br />

mit Unterstützung der Mitarbeitervertretung konnte ein<br />

Beschwerde-Management eingeführt werden mit dem<br />

Ziel, die Kritik zu versachlichen. In dieser schwierigen<br />

<strong>Zeit</strong>, die von drohender Insolvenz geprägt war, bangten<br />

viele MitarbeiterInnen um ihre Stellen. Für die Rechnungsjahre<br />

1998 und 1999 wurde das frühere Kuratorium<br />

von der Mitgliederversammlung nicht entlastet.<br />

Als mit der Prüfung der Bilanzen eine externe Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />

beauftragt wurde, stellte<br />

sich nach realistischer Bewertung der Vermögenslage ein<br />

tatsächlicher Verlust von mehr als 1,8 Millionen Mark<br />

heraus. Belastend war vor allem, dass Rücklagen fehlten.<br />

Sie wären nötig gewesen wären, um die Verluste aus<br />

den laufenden Geschäften aufzufangen. Von der Landeskirche<br />

und vom Dachverband der <strong>Diakonie</strong> kamen zwar<br />

finanzielle Hilfen. Andererseits musste die Liquidität weiter<br />

verbessert und notwendige Anschaffungen für den<br />

Fuhrpark und die Verwaltung getätigt werden. So beschloss<br />

die Mitgliederversammlung schließlich im Juli<br />

2001, ihr Anwesen in der Arnimstraße 7 zu verkaufen.<br />

Zu diesem <strong>Zeit</strong>punkt hatte bereits die Betriebswirtin<br />

Katrin Kalkowski als Nachfolgerin von Jürgen Meier die<br />

Geschäftsführung übernommen. Ihr oblag die schwere<br />

Aufgabe, Maßnahmen zur Konsolidierung der Finanzlage<br />

zu ergreifen und das Diakonische Werk umzustrukturieren.<br />

Mit dem Ziel, die wirtschaftliche Zukunft des Werkes<br />

sicherzustellen, wurden defizitäre Bereiche komplett<br />

geschlossen bzw. reduziert. Zu diesen finanziellen<br />

Rettungsaktionen zählten die Schließung des Recyclingzentrums,<br />

der Ausstieg aus dem Jugendprojekt Arbeit<br />

und die Aufgabe der Aussiedlerberatung. Mit einer Konzentration<br />

auf die Kernkompetenzen der <strong>Diakonie</strong> –<br />

ambulante und stationäre Altenhilfe, kirchliche allgemeine<br />

Sozialarbeit und offene Altenarbeit – verfolgte die<br />

Geschäftsführerin einen strengen Sanierungskurs, der<br />

für die MitarbeiterInnnen des Diakonischen Werks eine<br />

weitere harte Belastungsprobe darstellte.<br />

Zur eigenen Misere des Diakonischen Werks kam hinzu,<br />

dass die finanzielle Situation der Stadt <strong>Landshut</strong> aufgrund<br />

hoher Gewerbesteuerausfälle im Jahr 2002 ebenfalls<br />

problematisch war. Es mussten Investitionen gestrichen<br />

und eine Haushaltssperre verhängt werden, sodass<br />

auf mehr kommunale Zuschüsse für die <strong>Diakonie</strong> nicht<br />

zu hoffen war. Im Gegenteil: Wegen ihrer schlechten<br />

Haushaltslage kürzte die Stadt ihren Beitrag zum Ferienprogramm.<br />

Für die Schuldnerberatungsstelle und das<br />

Projekt Arbeit statt Sozialhilfe gab es noch eine Verlängerung,<br />

da zusätzliche öffentliche Mittel befristet bereitgestellt<br />

werden konnten.<br />

„Wir sind krank, aber auf dem Weg der Besserung.“<br />

So beschrieb Katrin Kalkowski die Situation bei der Mitgliederversammlung<br />

im Juli 2002. 46 Mit einem konsequenten<br />

Spar- und Sanierungskurs war es gelungen eine<br />

Insolvenz abzuwenden. Um die Finanzen aufzubessern,<br />

diskutierten die Mitglieder eine Betragserhöhung. Beschlossen<br />

wurde gleichzeitig, die Satzung in Bezug auf<br />

den Haftungsumfang von Vorstand und Kuratorium zu<br />

ändern.<br />

Der als Krisenmanager erfolgreiche <strong>Diakonie</strong>vorsitzende<br />

Dekan Völkel verließ im September 2002 <strong>Landshut</strong>, um<br />

das Amt des Regionalbischofs von Ansbach-Würzburg<br />

anzutreten. Bei der feierlichen Verabschiedung in der<br />

Christuskirche wurden seine Verdienste mit den Worten<br />

gewürdigt: „Es ist Ihnen gelungen, Licht ins Dunkel zu<br />

bringen und die einsturzgefährdete Höhle wieder zu stabilisieren.“<br />

47 Aufgrund seiner Leistungen für das Diakonische<br />

Werk ernannte das Kuratorium Helmut Völkel<br />

zum Ehrenvorsitzenden. Wenige Monate später, Ende<br />

Januar 2003, gab Geschäftsführerin Katrin Kalkowski<br />

ihre Position beim Diakonischen Werk aus persönlichen<br />

und familiären Gründen auf.<br />

82 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973


In der Rolle<br />

des Krisenmanagers<br />

Dekan und <strong>Diakonie</strong>vorsitzender Helmut Völkel berichtet über die Bewältigung<br />

der Krisenzeit des Diakonischen Werks – ein Interview im Jahr 1999<br />

Herr Dekan, ich möchte kurz eingehen auf die jüngsten Probleme innerhalb der <strong>Diakonie</strong>.<br />

Welche Lehren hat man aus den Fehlern gezogen?<br />

Zunächst einmal: Es sind Fehler gemacht worden. Für diese Fehler haben wir uns bei der<br />

Stadt <strong>Landshut</strong> offiziell entschuldigt. Und wir haben das zu Unrecht erhaltene Geld zurück<br />

überwiesen. Besonders gravierend ist, dass hier Vorgänge, die allgemein in der Gesellschaft<br />

ein großes Thema sind, nun in der eigenen Institution, in der <strong>Diakonie</strong> vor Ort, aufgetaucht<br />

sind.<br />

Welche Konsequenzen haben Sie gezogen?<br />

Wir haben uns vom Geschäftsführer getrennt und versuchen, das Prinzip der unmittelbaren<br />

Verantwortung für bestimmte Bereiche ernst zu nehmen. Dort, wo in der Geschäftsführung<br />

und Buchhaltung Dinge passiert sind, die von anderer Stelle nicht wahrgenommen wurden,<br />

müssen nun Veränderungen stattfinden. Aber mit dem Auswechseln von ein, zwei Personen<br />

ist noch keine Reform passiert. Es geht doch in unserer Arbeit um die biblischen Leitideen<br />

vom Dienen und vom Dienst am Mitmenschen. Die müssen wieder hervorgeholt werden,<br />

da müssen wir zu den Ursprüngen zurück. Und hier passiert im Denken der Menschen, die<br />

in der <strong>Diakonie</strong> tätig sind, momentan wahnsinnig viel. Es geht also nicht nur um eine punktuelle<br />

Reform, sondern um eine Reform an Haupt und Gliedern.<br />

Sie treten hier ja weniger als Dekan, sondern vielmehr als Personalmanager auf. Liegt Ihnen diese Rolle?<br />

Ich bin hier in die Rolle des Krisenmanagers gekommen. Das habe ich mir nicht träumen<br />

lassen. Ich erlebe diese Rolle als sehr umfassend, aber es gibt in dieser Erneuerungsphase<br />

auch sehr viele erfreuliche Aspekte, nämlich dass viele gute Seiten und Talente von<br />

Menschen, die bisher nicht nach vorne gekommen sind, ans Tageslicht kommen. Ich meine,<br />

dass in jeder Krise auch die Chance zur Erneuerung steckt. Es ist eine gewisse Aufbruchstimmung<br />

zu spüren, obwohl wir uns derzeit in einer großen finanziellen Belastungsprobe<br />

befinden.<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

Auszug aus einem Interview mit der <strong>Landshut</strong>er <strong>Zeit</strong>ung vom 20.11.1999<br />

83<br />

<strong>Zeit</strong><strong>zeugen</strong>


Treppenhausgestaltung<br />

Der Mensch als inspirierendes Motiv: Schülerinnen und Schüler des Hans-Leinberger-<br />

Gymnasiums gestalteten die Treppenhäuser im Johannesstift und im Matthäusstift.<br />

84 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973


Der Aufbruch<br />

Das Jahr 2003 versprach spannend zu werden, da mit Siegfried Stelzner und Holger Peters<br />

ein neuer Dekan und ein neuer Geschäftsführer in die Leitungsebene des Diakonischen<br />

Werks wechselten. Ebenfalls neu gewählt wurden das Kuratorium und die Mitarbeitervertretung.<br />

Der Tenor der Mitgliederversammlung war: „Die schwierigen <strong>Zeit</strong>en liegen<br />

hinter uns. Wir blicken zuversichtlich in die Zukunft.“<br />

Um die anstehenden Probleme zu bewältigen, bedurfte<br />

es allerdings erheblicher gemeinsamer Anstrengungen.<br />

Die finanzielle Konsolidierung des Wohlfahrtsverbandes<br />

stand weiterhin ganz oben auf der Prioritätenliste. Aus<br />

diesem Grund kennzeichneten ein strenger Sparkurs,<br />

Einkommenseinbußen für die Mitarbeiter und harte Verhandlungen<br />

mit öffentlichen Geldgebern diese Aufbruchsphase<br />

im neuen Jahrtausend. Trotz der Restriktionen<br />

gelang es in den folgenden Jahren, sowohl die<br />

bestehenden Dienste auf hohem Niveau fortzuführen als<br />

auch eine Reihe neuer Angebote ins Leben zu rufen:<br />

beispielsweise die drei Tafeln in <strong>Landshut</strong>, Vilsbiburg<br />

und Rottenburg, die neuen Gebrauchtwarenhäuser in<br />

Vilsbiburg und Rottenburg, das „Ambulant Betreute<br />

Wohnen“, der Ausbau des Angebots im Bereich der<br />

Jugendhilfe, das „Betreute Wohnen Daheim“, das Patenmodell<br />

und - in Kooperation mit anderen Verbänden - die<br />

„Freiwilligenagentur <strong>Landshut</strong>“.<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

85<br />

7<br />

Die neue Leitung:<br />

<strong>Diakonie</strong>vorsitzender Dekan Siegfried Stelzner (rechts) und<br />

der geschäftsführende zweite Vorsitzende Holger Peters.


Auch hier musste wieder aufgebaut werden:<br />

Der Carport des Diakonischen Zentrums<br />

und zwei dort abgestellte Fahrzeuge wurden<br />

bei einem Brand im April 2007 zerstört.<br />

Konsolidierung und Innovation<br />

Resultierend aus negativen Erfahrungen der zurückliegenden<br />

Jahre verabschiedete die Mitgliederversammlung<br />

im Jahr 2004 eine neue Satzung, die eine klare<br />

Trennung zwischen Geschäftsführung und Aufsicht vorsah.<br />

Der Vorstand ist seither ein eigenes Organ und<br />

nicht mehr Teil des Aufsichtsgremiums „Kuratorium“.<br />

Mit der Einbindung des Geschäftsführers in den Vorstand<br />

erfolgte auch eine Zusammenführung von Entscheidung<br />

und Verantwortung. Durch die Bildung eines<br />

Beirats und dessen Einbindung in das Kuratorium ist<br />

man auch dem Ziel, die diakonische Arbeit in den Evangelisch-Lutherischen<br />

Kirchengemeinden des Dekanatsbezirkes<br />

<strong>Landshut</strong> zu fördern, ein Stück näher gekommen.<br />

Zusätzliche Räume für die <strong>Diakonie</strong>:<br />

Im Jahr 2008 wurde das Haus in der<br />

Maistraße 8 gemietet. Dort ist auch<br />

das Evangelische Bildungswerk<br />

untergebracht.<br />

86 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973


Das gemeinsame Malen macht Spaß: Kindergartenkinder und Senioren im Matthäusstift.<br />

Drei Ziele gab der neue Geschäftsführer Holger Peters<br />

für 2004 vor: kostendeckendes Arbeiten, Abbau des<br />

Schuldenberges und dennoch für die Beschäftigten die<br />

Freude an der Arbeit erhalten. Das war kein leichtes<br />

Unterfangen, zumal die Mittel von der Landeskirche und<br />

von der Bayerischen Staatsregierung rückläufig waren.<br />

Wegen der Abhängigkeit von Zuschüssen und Pflegesatzverhandlungen<br />

ließ sich die Zukunft der <strong>Diakonie</strong><br />

<strong>Landshut</strong> schwer abschätzen.<br />

In der <strong>Diakonie</strong> selbst wurde ein Reformkurs eingeschlagen,<br />

der dazu führte, dass interne Arbeitsabläufe stärker<br />

unter die Lupe genommen wurden. Um Kritik zu versachlichen<br />

und gemeinsame konstruktive Lösungen zu<br />

finden, wurde ein Beschwerde-Innovations-Management<br />

unter der Leitung des Unternehmensberaters Fred Becker<br />

eingeführt, dessen Arbeit großen Zuspruch fand.<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

Als eines der Reformergebnisse wurde die Altenhilfe<br />

umstrukturiert, indem ambulante Versorgung, betreutes<br />

Wohnen und die stationären Einrichtungen enger miteinander<br />

verknüpft wurden. Auch bemühte man sich um<br />

eine intensivere Kooperation zwischen <strong>Diakonie</strong> und<br />

Kirchengemeinden. Aus dieser Zielsetzung entwickelte<br />

sich das Gemeinschaftsangebot „Betreutes Wohnen<br />

Daheim“. Die Altenhilfe ist nicht nur das traditionsreichste<br />

Aufgabengebiet der <strong>Diakonie</strong>, sie zählt auch heute<br />

noch zu ihren Kerngeschäftsfeldern. Die drei Bereiche<br />

der stationären, ambulanten und offenen Altenhilfe sind<br />

mit den Seniorenzentren, der Sozialstation, den Angeboten<br />

der Kirchlichen Allgemeinen Sozialarbeit und den<br />

ehrenamtlichen Initiativen gut aufgestellt.<br />

87


Die Seniorenwohn- und Pflegezentren<br />

In den beiden <strong>Diakonie</strong>-Seniorenzentren, dem Matthäusstift<br />

in <strong>Landshut</strong> und dem Johannesstift in Altdorf, mussten<br />

zunächst Einsparpotenziale gefunden werden.<br />

Gleichzeitig wurde viel investiert, um die Pflegeleistungen<br />

zu qualifizieren und die Betreuungsangebote für die<br />

Bewohner zu erweitern. Musiktherapie, Kunsttherapie,<br />

ehrenamtliche Besuchsdienste, Gedächtnistraining sind<br />

einige Schlagworte aus den vielfältigen Angeboten. Mit<br />

den neu eingeführten gerontopsychiatrischen Wohnbereichen<br />

haben die beiden Stifte ein Betreuungssegment<br />

entwickelt, das in der Öffentlichkeit positiv aufgenommen<br />

wurde und zu vermehrten Belegungsanfragen geführt<br />

hat.<br />

So wurde im Matthäusstift Anfang 2008 speziell für<br />

Senioren mit Demenzerkrankung der Wohnbereich<br />

„Residenz“ neu gestaltet: Bilder und Möbel aus früheren<br />

<strong>Zeit</strong>en schaffen nun mehr Behaglichkeit für die Bewohner.<br />

Diese Umgestaltung, die die Lebensqualität für die<br />

Für mehr Lebensqualität: Für die Bewohner des<br />

Matthäusstifts wurde ein Hochbeet angelegt.<br />

Senioren spürbar erhöht, ist Teil des Projekts „Herausforderung<br />

Demenz“, an dem das Pflegezentrum des<br />

Matthäusstifts teilnimmt. Mitarbeiterfortbildungen zum<br />

Umgang mit dementen Menschen gehören ebenso dazu<br />

wie Aktivierungsrunden mit den Betreuten. Dies sind Gesprächskreise,<br />

bei denen durch die Beschäftigung mit<br />

bekannten Gebrauchsgegenständen Erinnerungen wachgerufen<br />

werden.<br />

Derzeit sind in den beiden Seniorenzentren etwa 140<br />

Mitarbeiter beschäftigt. Die Heimleitung liegt seit 2006<br />

bei Manuela Berghäuser.<br />

Betreutes Wohnen Daheim<br />

Im Alter selbständig bleiben, in den eigenen vier Wänden<br />

wohnen und Hilfe bekommen, wenn es nötig ist – so stellen<br />

sich viele Menschen ihren Lebensabend vor. Um<br />

Senioren das Leben in der eigenen Wohnung trotz zu-<br />

88 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973


Ein Aufenthaltsraum im Matthäusstift<br />

nehmender Hilfs- und Pflegebedürftigkeit zu ermöglichen,<br />

hat das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> das Projekt<br />

Betreutes Wohnen Daheim entwickelt. Dieses Angebot<br />

wird in verschiedenen Stadtteilen (im Niedermayerviertel,<br />

im Klötzlmüllerviertel, in der Wolfgangsiedlung sowie<br />

in Altdorf) zusammen mit den evangelischen und katholischen<br />

Kirchengemeinden realisiert.<br />

Nach den persönlichen Wünschen und Bedürfnissen<br />

der älteren Menschen können verschiedene Leistungen<br />

in Anspruch genommen werden, z. B. vielseitige Freizeitangebote<br />

und Möglichkeiten zur Begegnung wie Reisen,<br />

Seniorennachmittage oder ein gemeinsamer Mittagstisch.<br />

Auch Besuchsdienste, soziale Beratung und Unterstützung<br />

bei behördlichen Angelegenheiten werden<br />

angeboten. Zur häuslichen Unterstützung können im Bedarfsfall<br />

verschiedene Haushaltshilfen, Begleit- und<br />

Botendienste sowie kleine handwerkliche Hilfen und<br />

sogar Haustierbetreuung vermittelt werden. Bei Krankheit<br />

leistet die Sozialstation der <strong>Diakonie</strong> Unterstützung.<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

Kunsttherapie gehört zum Angebot der Seniorenzentren.<br />

89


Tierischer Besuch<br />

Jack, Jacobus, Jamie und Jilly – so heißen<br />

die zutraulichen Vierbeiner, die seit<br />

kurzem abwechslungsreiches Leben in<br />

das Matthäus- und das Johannesstift<br />

bringen. An jeweils einem Tag in der<br />

Woche sind die kleinen Hunde zu Gast<br />

bei den Bewohnern der Seniorenzentren<br />

der <strong>Diakonie</strong>.<br />

Tierliebhaberin Jutta Jakob, die zuhause<br />

außerdem Schafe und Pferde betreut,<br />

ist Mitarbeiterin der Sozialstation. Wenn<br />

sie mit ihren vier Hunden in die Heime<br />

geht, erhalten die Bewohner die Möglichkeit,<br />

mit den Tieren zu spielen, sie<br />

zu streicheln oder sie einfach nur zu<br />

bestaunen. Jacobus, ein weißer Spitz,<br />

ist der erklärte Liebling der Senioren:<br />

Er setzt sich auf jeden Schoß und lässt<br />

sich liebkosen.<br />

Da viele der alten Menschen früher<br />

selbst Hunde hatten, ermöglicht dieser<br />

Besuchsdienst wertvolle Biografiearbeit.<br />

Noch Tage später bieten die Tiere Gesprächsstoff<br />

und sowohl die Bewohner<br />

auch das Personal freuen sich auf die<br />

nächste Begegnung.<br />

90 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

Lese<br />

text


Behindertenhilfe:<br />

Der Integrationsfachdienst<br />

Das Team des Integrationsfachdienstes (IFD) berät Behinderte<br />

am Arbeitsplatz, hilft bei der Suche nach einer<br />

Stelle und unterstützt Betriebe in allen Fragen zum<br />

Thema Behinderung und Beschäftigung. Diese Art von<br />

Fachdiensten gibt es flächendeckend in ganz Deutschland.<br />

Träger des IFD Niederbayern sind die gemeinnützige<br />

Stiftungsgesellschaft Johann Peters und das Diakonische<br />

Werk <strong>Landshut</strong>. Die Mitarbeiter des IFD betreuen<br />

behinderte Arbeitnehmer und ihre Arbeitgeber von<br />

<strong>Landshut</strong> aus in Stadt und Landkreis <strong>Landshut</strong> sowie<br />

in den Landkreisen Kelheim, Dingolfing-Landau und<br />

Rottal-Inn. Die Außenstelle des Diakonischen Werks in<br />

Deggendorf ist für die Landkreise Deggendorf, Regen<br />

und Straubing-Bogen sowie für die<br />

Stadt Straubing zuständig.<br />

Der Tätigkeitsbereich einer Berufsbegleitung<br />

von Menschen mit<br />

psychischer Erkrankung war schon<br />

lange vor Entstehung des IFD als<br />

Aufgabe in der <strong>Diakonie</strong> angesiedelt.<br />

Der Berufsbegleitende Dienst<br />

(BBD) hatte sich aus dem Modellprojekt<br />

Arbeitsassistenz entwickelt,<br />

das 1987 eingerichtet wurde und<br />

bis 2002 zum Sozialpsychiatrischen<br />

Dienst gehörte. Als die Aufgaben<br />

des BBD auf alle Behinderungsarten<br />

ausgeweitet wurden,<br />

konnte er als eigenständiger Beratungsdienst<br />

im Diakonischen Werk<br />

eingerichtet werden. Es war ein<br />

Wunsch des BBD-Kostenträgers,<br />

die Berufsbegleitung mit der Vermittlung<br />

(damals beim privaten Berufsförderzentrum<br />

Peters) zu einem<br />

Fachdienst zusammenzuführen.<br />

Unter der Bezeichnung Integrationsfachdienst formierte<br />

er sich deshalb im Jahr 2005 neu, zunächst in den<br />

Räumen des Diakonischen Zentrums. Aus Platzgründen<br />

zogen die MitarbeiterInnen im Jahr 2007 in die <strong>Landshut</strong>er<br />

Freyung um.<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

Das kostenlose Beratungsangebot umfasst alle Fragen<br />

rund um das Schwerbehindertenrecht mit Bezug zum<br />

Arbeitsleben, zum Beispiel: Wie beantragt man einen<br />

Schwerbehindertenausweis und welche Konsequenzen<br />

hat dies? Bei Problemen am Arbeitsplatz und in Fragen<br />

der beruflichen Zukunftsplanung ist das IFD-Team eine<br />

kompetente Anlaufstelle. Um gute Berufsperspektiven<br />

für jeden einzelnen Klienten zu erzielen, werden bei Bedarf<br />

auch Bewerbungsgespräche trainiert. Die Mitarbeiter<br />

sind außerdem Ansprechpartner für Angehörige oder<br />

Ärzte und helfen bei der Antragstellung in Behörden. Als<br />

neutrale Einrichtung berät der Integrationsfachdienst<br />

Arbeitgeber, die Schwerbehinderte einstellen wollen oder<br />

bereits beschäftigen, beispielsweise über finanzielle<br />

Fördermöglichkeiten. Bei Konflikten wird versucht, vor<br />

Ort eine gemeinsame Lösung zu finden. Alle Gespräche<br />

des IFD unterliegen der Schweigepflicht.<br />

Christine Brummer,<br />

Sabine Angermaier,<br />

Renate Ziegler und Iris<br />

Winkler (von links)<br />

helfen behinderten<br />

Menschen in beruflichen<br />

Angelegenheiten.<br />

91


Ausbau der Jugendhilfe<br />

„Erziehung ist erfolgreich“ – unter dieser Prämisse hat<br />

die <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong> im Jahr 2008 begonnen, unterstützende<br />

Konzepte in der Jugendhilfe zu entwickeln<br />

und damit die bereits vorhandenen Angebote (z.B. Erziehungs-<br />

und Familienberatung, Ferienbetreuung) bedarfsgerecht<br />

zu ergänzen. Die Basis dafür wurde durch<br />

eine Kooperation mit der Jugendhilfe Oberbayern geschaffen.<br />

Die Jugendhilfe Oberbayern ist das Dach aller<br />

Einrichtungen der Erziehungshilfen, der Jugendsozialarbeit<br />

und der Einrichtungen zur Eingliederung ins Berufsleben<br />

im Diakonischen Werk Rosenheim.<br />

Das erste Projekt unter der Trägerschaft der <strong>Diakonie</strong><br />

<strong>Landshut</strong> konnte bereits realisiert werden: Die Gemeinde<br />

Buch am Erlbach hat mit staatlicher Bezuschussung<br />

eine offene Ganztagsschule an der Hauptschule eingerichtet.<br />

Die Betreuung, die von einer Sozialpädagogin<br />

des Diakonischen Werks verantwortet wird, beginnt nach<br />

dem Unterricht mit dem gemeinsamen Mittagessen. In<br />

der anschließenden Studierzeit werden unter qualifizierter<br />

Aufsicht gemeinsam Hausaufgaben gemacht und<br />

überwacht. Danach können die SchülerInnen ihre Freizeit<br />

selbst gestalten und dazu aus einem breiten Programm<br />

von Sport-, Musik- oder Spielangeboten wählen.<br />

Junge Menschen in ihren jeweiligen Stärken zu fördern<br />

und sie bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit zu unterstützen,<br />

ist das Ziel diakonischer Jugendsozialarbeit. Im<br />

Blickfeld stehen dabei die Bedürfnisse der Kinder und<br />

Jugendlichen und ihrer Familien. Es ist selbstverständlich,<br />

dass sich die Projektverantwortlichen gleichzeitig<br />

an den Wünschen und Vorstellungen der jeweiligen Leistungsträger<br />

orientieren, damit eine stabile Vernetzung<br />

aller Maßnahmen im sozialen Nahraum gelingen kann.<br />

Gemeinsam essen und dann Hausaufgaben machen:<br />

Schüler der Ganztagsschule in Buch am Erlbach.<br />

92 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973


Anerkennung<br />

und Freude<br />

Therese Skordou, seit 16 Jahren ehrenamtliche Leiterin<br />

einer Frühstücksgruppe des Sozialpsychiatrischen Dienstes,<br />

berichtet über ihre ehrenamtliche Tätigkeit<br />

Angefangen habe ich damals in der Erziehungspause, weil mir der Umgang mit Menschen<br />

gefehlt hat, den ich von meinem Beruf als Krankenschwester gewöhnt war. Der Beginn war<br />

dann schon aufregend. Man macht sich natürlich viele Gedanken. Und ich hatte Angst, etwas<br />

Falsches zu sagen. Wenn jemand beim nächsten Treffen abwesend war, habe ich gleich gegrübelt:<br />

Ob das wohl an mir liegt? Die meisten Besucher sind aber irgendwann wieder gekommen; und<br />

durch die Gespräche mit den Klienten habe ich bald gelernt, dass psychisch kranke Menschen<br />

aufgrund ihrer Krankheit nicht anders behandelt werden möchten. Je natürlicher und authentischer<br />

ich mich gebe, desto lockerer ist die Atmosphäre. (…)<br />

Wir haben viele Klienten, die relativ regelmäßig kommen, und das zeigt, dass sie sich<br />

angenommen und willkommen fühlen. Man merkt, dass die Gruppentreffen Struktur in<br />

ihren Tagesablauf bringen, und das tut ihnen gut. Es ist immer wieder schön, wenn sich<br />

die Klienten auch privat treffen und private Freundschaften entstehen.<br />

Inzwischen besteht in der Gruppe ein fast familiäres Zusammengehörigkeitsgefühl. Wie in<br />

einer Familie gibt es auch bei uns schon mal Unstimmigkeiten. Dafür wird aber ein anderes<br />

Mal gemeinsam über Probleme oder Sorgen gesprochen und nach Lösungen gesucht.<br />

Eine besondere Anerkennung und Freude ist es immer wieder, wenn von den Klienten eine<br />

positive Rückmeldung kommt, z.B. wie froh sie sind, dass es die Teestube gibt. Wie gerne ich<br />

selber in die Gruppe gehe, merke ich besonders in den Sommerferien, wenn ich mich nach<br />

sechs Wochen Pause wieder so richtig auf das gemeinsame Frühstück freue.<br />

Rede von Therese Skordou anlässlich der Jubiläumsfeier des Sozialpsychiatrischen Dienstes am 24.11.2008 in <strong>Landshut</strong><br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

93<br />

Therese Skordou (rechts) und<br />

Irmgard Pannek leiten als<br />

ehrenamtliche Laienhelferinnen<br />

die Montag-Teestube im<br />

Diakonischen Zentrum.<br />

<strong>Zeit</strong><strong>zeugen</strong>


Wertvoll und<br />

unverzichtbar:<br />

ehrenamtliche<br />

Mitarbeiter<br />

Ohne freiwillige und unentgeltliche Arbeit für soziale<br />

Zwecke könnten Vereine und Verbände kaum bestehen.<br />

Vor 100 Jahren waren es evangelische Frauen, die<br />

Kranke in der Pfarrgemeinde <strong>Landshut</strong> besuchten und<br />

mit Handarbeiten Geld für Bedürftige verdienten. Heute<br />

haben die rund 160 ehrenamtlichen Mitarbeiter der<br />

<strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong> vielfältigere und qualifizierte Aufgaben.<br />

Unter dem Dach des Diakonischen Werks, jedoch<br />

vollständig ehrenamtlich organisiert, sind die Tafeln an<br />

den Standorten <strong>Landshut</strong>, Vilsbiburg und Rottenburg,<br />

die Talentbörse und das 2008 gegründete Patenmodell.<br />

Die Seniorenwohnheime und nahezu alle Abteilungen<br />

der <strong>Diakonie</strong> brauchen engagierte Bürgerhelfer: für<br />

offene Seniorenarbeit, Ferienaktionen für Kinder, Gesprächsgruppen<br />

für psychisch Kranke und vieles mehr.<br />

Gerade in den sozialen Einrichtungen, in denen freiwillige<br />

Mitarbeiter schon jetzt unverzichtbar sind, werden<br />

noch mehr motivierte Helfer gebraucht. Gleichzeitig wollen<br />

sich immer mehr Menschen für gemeinnützige, kulturelle<br />

oder sportliche Zwecke engagieren – und dies lieber<br />

in zeitlich begrenzten Projekten als in Vereinen. Aus<br />

diesem Grund wurde im Jahr 2008 die Freiwilligenagentur<br />

<strong>Landshut</strong> (fala) gegründet, die als Bindeglied<br />

zwischen Freiwilligen-Angebot und Helfer-Nachfrage<br />

steht. Getragen wird die Agentur von einem Förderverein,<br />

in dem das Diakonische Werk und weitere soziale<br />

Verbände vertreten sind. Die Freiwilligenagentur hat die<br />

Aufgabe, sowohl Ehrenamtliche zu unterstützen und<br />

neue Kräfte zu gewinnen als auch Organisationen darin<br />

zu beraten, wie Bürgerhelfer optimal eingebunden<br />

werden können.<br />

Die Talentbörse:<br />

mit Tausch zum Glück<br />

Nicht in Euro, sondern in der Währung „Talent“ bezahlen<br />

die Mitglieder der Talent- und Tauschbörse, die unter der<br />

Trägerschaft des Diakonischen Werks steht, für Waren<br />

und Dienstleistungen. Hans Scharf und Susanne Goebel<br />

von der offenen Sozialarbeit der <strong>Diakonie</strong> gaben im<br />

Oktober 1996 den Startschuss für diese ehrenamtliche<br />

Initiative. In erster Linie ging es darum, ein soziales<br />

Netzwerk zu schaffen, Nachbarschaftskontakte zu intensivieren<br />

und auch den Austausch zwischen den Generationen<br />

anzuregen.<br />

Heute hat die Talentbörse 95 Mitglieder, die in einer<br />

Marktzeitung regelmäßig ihre Talente zum Tausch anbieten.<br />

Fenster putzen, Bügeln und Fahrräder reparieren<br />

sind dabei nach den Worten von Dolores Lang, Mitglied<br />

im Börsenbeirat, besonders begehrte Angebote. Im Wesentlichen<br />

geht es um Dienstleistungen – von Renovierungs-<br />

und Gartenarbeiten über Lebens-, Finanz- oder<br />

Computerberatung bis hin zur Kinder- oder Seniorenbetreuung<br />

–, die angeboten werden. Darüber hinaus<br />

tauschen die Mitglieder untereinander auch vielfältige<br />

und sicherlich individuell nützliche Dinge wie Filzhüte,<br />

Blütenstauden oder Apfelkuchen.<br />

Durch diesen Tausch von Dienstleistungen und Waren<br />

wollen die Tausch-Börsianer bewusst einen Kontrapunkt<br />

zur Konsumorientierung in der Gesellschaft setzen. Eine<br />

Arbeitsstunde ist übrigens 10 Talente wert.<br />

Für ausreichend viele Talente<br />

kann man mit Glück auch ein<br />

schönes Bild bekommen.<br />

94 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973


Die Tafeln:<br />

Nahrung für bedürftige Menschen<br />

„Tafeln“ sind Brücken zwischen Arm und Reich, zwischen<br />

Mangel und Überfluss. Es gibt sie mittlerweile flächendeckend<br />

in ganz Deutschland. In <strong>Landshut</strong> wurde die<br />

Tafel im Herbst 2004 auf Anregung der Armutskonferenz<br />

gegründet. Betreut wird sie vom Diakonischen Werk.<br />

Rund 50 ehrenamtliche Helfer sammeln jede Woche in<br />

Supermärkten überzählige Lebensmittel und gespendete<br />

Waren ein und verteilen sie an bedürftige Menschen.<br />

Bezahlt werden muss lediglich ein Euro pro Einkauf, jedoch<br />

wird ein Berechtigungsnachweis bei den Bedürftigen<br />

vorausgesetzt.<br />

Als die <strong>Landshut</strong>er Tafel im Juni 2005 im Tunnelhaus<br />

an der Inneren Münchner Straße ihre Warenausgabe eröffnete,<br />

konnte niemand ahnen, wie sich Akzeptanz und<br />

Nachfrage entwickeln würden. Nur wenige Wochen später<br />

wurde das Team der Tafel sowohl von dem zu leistenden<br />

Arbeitsanfall als auch von dem Ansturm der bedürftigen<br />

Menschen überrollt. Fünf Monate nach der Eröffnung<br />

platzten die Räume aus allen Nähten, denn mehr<br />

als 430 Familien – davon ein Drittel aus dem Landkreis<br />

<strong>Landshut</strong> – hatten sich bereits bei der Tafel angemeldet.<br />

Mittlerweile ist das Team um Brigitte Hochban in allen<br />

Arbeitsabläufen routiniert und immer auf der Suche nach<br />

Spenden – auch um knappe Grundnahrungsmittel zukaufen<br />

zu können.<br />

Heute gibt es im Dekanat <strong>Landshut</strong><br />

drei Tafeln, die Zeugnis weit verbreiteter<br />

Armut ablegen: Unter der<br />

Trägerschaft der <strong>Diakonie</strong> eröffnete<br />

im Jahr 2006 eine Tafel in Vilsbiburg<br />

und 2008 eine Tafel in Rottenburg,<br />

beide in den Räumen der Gebrauchtwarenhäuser<br />

„Hab & Gut“.<br />

Viele helfende Hände werden zum<br />

Einsammeln und Verteilen der<br />

Lebensmittel gebraucht.<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

Das Patenmodell:<br />

Mentoren helfen<br />

Führungskräfte mit guten Kontakten und großer Berufserfahrung<br />

helfen Menschen auf deren Weg zurück ins<br />

Arbeitsleben. Das ist die Kernidee des Patenmodells, das<br />

von der <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong> im Jahr 2008 realisiert<br />

wurde. Die Jobpaten arbeiten ehrenamtlich, daher ist die<br />

Betreuung für Arbeit suchende Klienten kostenlos. Ihre<br />

Aufgabe ist, das Selbstwertgefühl der Klienten aufzubauen,<br />

sie für die Bewerbungsphase zu motivieren und<br />

ihnen Tipps für die Stellensuche zu geben. Diese Betreuungsform<br />

hat den Vorteil, dass auf die Stärken und<br />

Schwächen jedes Einzelnen individuell eingegangen werden<br />

kann. Die Jobpaten sind nicht dazu da, eine neue<br />

Arbeitsstelle anzubieten, aber sie aktivieren ihre eigenen<br />

Netzwerke und stellen Kontakte für ihre Klienten her. Auf<br />

diese Weise kann der Pate im Einzelfall durchaus zum<br />

„Türöffner“ in den begehrten Beruf werden.<br />

Von der Patentätigkeit profitieren jedoch nicht nur die<br />

Klienten. Sie kann auch für die Jobpaten selbst gesellschaftliche<br />

Anerkennung, persönliche Zufriedenheit und<br />

ein Plus an sozialer Kompetenz bringen. Der Koordinator<br />

für den Raum Niederbayern, Bernhard Huber, freut sich<br />

über jeden Neuzugang: „Wir wünschen uns noch mehr<br />

ehrenamtliche Kräfte mit Führungserfahrung, damit wir<br />

möglichst viele Arbeitslose betreuen können.“<br />

95


8<br />

Die <strong>Diakonie</strong> auf dem Weg<br />

in die Zukunft: soziales und<br />

wirtschaftliches Handeln<br />

Holger Peters,<br />

Geschäftsführer des<br />

Diakonischen<br />

Werks <strong>Landshut</strong><br />

Vor 100 Jahren war die Unterstützung armer, alter und kranker<br />

Menschen das dringlichste Anliegen des <strong>Diakonie</strong>vereins in der<br />

Diaspora <strong>Landshut</strong>. Heute zählt der Bereich Altenhilfe – mit den<br />

beiden Wohn- und Pflegeheimen, der Sozialstation und der offenen<br />

Seniorenarbeit – zu den Kerngeschäftsfeldern der <strong>Diakonie</strong>, die<br />

nicht nur auf einem hohen Qualitätsstandard gesichert, sondern<br />

auch beständig ausgebaut werden. Kirchliche Sozialarbeit, Betreuung<br />

von psychisch Kranken und Behinderten, Beschäftigungsmaßnahmen<br />

sowie vielfältige Beratungsdienste sind seit langem unverzichtbare<br />

Dienstleistungsangebote der <strong>Diakonie</strong>. Neben diesen<br />

traditionellen Aufgaben wird es künftig darum gehen, mit innovativen<br />

Projekten auf neue gesellschaftliche Bedürfnisse zu reagieren.<br />

Dabei werden ökonomische Zwänge in einem umkämpften<br />

Sozialmarkt mit begrenzten Mittelzuweisungen immer stärkeren<br />

Einfluss auf Entscheidungen nehmen.<br />

96 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973


Wie kann die <strong>Diakonie</strong> der Zukunft aussehen?<br />

Fragen an Holger Peters, Geschäftsführer des<br />

Diakonischen Werks <strong>Landshut</strong>:<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> entstand ursprünglich<br />

aus einer Hilfsaktion für den Bau der Christuskirche.<br />

Sie haben sich in den letzten Jahren persönlich für eine<br />

engere Anbindung der <strong>Diakonie</strong> an die evangelischen<br />

Kirchengemeinden eingesetzt. Wo sehen Sie die wichtigsten<br />

Berührungspunkte im Dekanat <strong>Landshut</strong>?<br />

Die stetige Professionalisierung sozialer Arbeit<br />

hat zu einer Verlagerung von Hilfs- und Beratungsangeboten<br />

aus den Kirchengemeinden in die<br />

Diakonischen Werke geführt. Mit dieser Aufgabenteilung<br />

– der Verkündung durch die Kirchengemeinden,<br />

der tätigen Hilfe durch die <strong>Diakonie</strong> –<br />

ging eine gegenseitige Entfremdung einher.<br />

Dieser begegnen wir in vielfältiger Weise.<br />

Dem Kuratorium und dem Vorstand ist ein Beirat<br />

mit den <strong>Diakonie</strong>-Beauftragten der Kirchenge-<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

97<br />

Im Sommer 2010 wird in<br />

Adlkofen das Wohn- und<br />

Pflegeheim „Elisabethstift“<br />

mit 49 Pflegeplätzen und<br />

44 Pflegeapartements eröffnet.<br />

Unter der Trägerschaft der<br />

<strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong> entstehen<br />

dort 30 bis 40 neue<br />

Arbeitsplätze.<br />

meinden beigeordnet. In diesem Gremium erfolgt<br />

ein regelmäßiger Austausch über die Aktivitäten<br />

in den jeweiligen Bereichen und es werden Unterstützungsmöglichkeiten<br />

des Diakonischen Werkes<br />

für neue Angebote in den Kirchengemeinden abgestimmt.<br />

Ein gelungenes Beispiel für ein gemeinsames<br />

Wirken von <strong>Diakonie</strong> und Kirchengemeinden stellt<br />

das Betreute Wohnen im <strong>Landshut</strong>er Niedermayer-Viertel<br />

dar. Im Zuge der Entwicklung dieses<br />

Angebotes entstehen mit dem Mittagstisch und<br />

einer aufsuchenden Seniorenberatung eigene<br />

diakonische Angebote der Erlöserkirche <strong>Landshut</strong>.<br />

Mit der Ausweitung dieses Angebotes auf<br />

weitere Kirchengemeinden verzeichnen wir auch<br />

hier vergleichbare Entwicklungen.<br />

Weitere Belege für unsere Bestrebungen, diakonische<br />

Arbeit außerhalb <strong>Landshut</strong>s in enger Vernetzung<br />

mit den Kirchengemeinden zu verankern,<br />

sind die Gebrauchtwarenhäuser und Tafeln in<br />

Rottenburg und Vilsbiburg.


Die Geschichte des Diakonischen Werks zeigt deutlich,<br />

dass es in der Vergangenheit stets darum ging, mit<br />

schnellen und pragmatischen Lösungen auf immer neue<br />

soziale Notlagen zu reagieren. Gibt es diese Art von<br />

„evangelischer Liebestätigkeit“ heute noch?<br />

Die Tafeln unter dem Dach der <strong>Diakonie</strong> sind<br />

Ausdruck dieser Liebestätigkeit. Hier finden sich<br />

Bürgerinnen und Bürger zusammen, um Menschen<br />

zu helfen. In unzähligen Stunden ehrenamtlichen<br />

Engagements tragen sie unverbrauchte Lebensmittel<br />

zusammen, um sie an bedürftige Familien<br />

auszugeben.<br />

Darüber hinaus verfügt das Diakonische Werk<br />

über ein durch Spenden gespeistes Budget, aus<br />

dem unbürokratisch und schnell finanzielle Hilfe<br />

als Zuschuss oder Darlehen in besonderen Notlagen<br />

geleistet werden kann.<br />

Armut und Arbeitslosigkeit sind derzeit die größten<br />

sozialen Probleme. Die <strong>Diakonie</strong> hält diverse Angebote<br />

und Beschäftigungsprojekte vor, um betroffenen Menschen<br />

zu helfen. Kann diese Arbeit im Sinne einer Kompensation<br />

auf Dauer gelingen?<br />

Eine Kompensation wäre eine Überforderung<br />

unserer Angebote. Wir schaffen zwar in der stetigen<br />

Ausweitung unserer Beschäftigungsprojekte<br />

auch jeweils Dauerarbeitsplätze, im Fordergrund<br />

stehen jedoch das Arbeitstraining und der Erwerb<br />

von Sozialkompetenz. Mit dem Herausarbeiten<br />

von individuellen Fähigkeiten und dem Einsatz an<br />

speziell zugeschnittenen Arbeitsplätzen stärken<br />

wir das Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein<br />

der Menschen. Hiermit versetzen wir die Projektteilnehmer<br />

in die Lage, sich mit verbesserten<br />

Chancen am ersten Arbeitsmarkt zu bewerben.<br />

Insofern verbessern wir für einen Teil der von sozialen<br />

Problemen betroffenen Menschen die persönlichen<br />

Lebensumstände. Zu einer grundsätzlichen<br />

Vermeidung von Armut und Arbeitslosigkeit<br />

sind diese Maßnahmen aber nicht geeignet.<br />

Wie politisch soll oder darf ein Wohlfahrtsverband sein?<br />

Die verbandliche <strong>Diakonie</strong> versteht sich auch als<br />

anwaltschaftliche <strong>Diakonie</strong> für die von ihr beratenen<br />

und betreuten Menschen. Durch die Nähe zu<br />

den von sozialen Problemen betroffenen Menschen<br />

gewinnen wir eine vertiefte Kenntnis von<br />

Nöten und Bedürfnissen dieser Menschen. Wir<br />

sehen es als unsere Verpflichtung an, hieraus<br />

Lösungen zu entwickeln und diese als politische<br />

Forderungen zu formulieren. Diese Aufgabe gilt<br />

es auch weiterhin in verstärktem Maße wahrzunehmen.<br />

In den kommenden Jahren wird auf Landesebene das<br />

Thema <strong>Diakonie</strong> und Wirtschaft in den Fokus gerückt.<br />

Welche Chancen sehen Sie für das Diakonische Werk<br />

zwischen seiner anwaltschaftlichen, klientenbezogenen<br />

Aufgabe einerseits und einem immer wichtiger werdenden<br />

ökonomischen Handeln andererseits?<br />

Nur eine wirtschaftlich gesunde <strong>Diakonie</strong> ist in<br />

der Lage, die Aufgabe der anwaltschaftlichen<br />

<strong>Diakonie</strong> umfänglich auszufüllen. Durch ökonomisches<br />

Handeln können wir die notwendigen<br />

Eigenmittel für die Entwicklung und Durchführung<br />

innovativer Konzepte erwirtschaften. Unser Vorteil<br />

als gemeinnütziger Träger ist es, dass wir<br />

jeden Ertrag ohne Abzug von Dividenden hierzu<br />

verwenden können.<br />

Als eine weitere Herausforderung sehen wir es,<br />

Unternehmen der Privatwirtschaft als Partner für<br />

soziale Projekte und Aufgabenfelder zu gewinnen.<br />

Durch die Werbung von Spendengeldern, die für<br />

notleidende Familien oder Einzelprojekte bereitgestellt<br />

werden, besteht bereits eine eingeübte<br />

Zusammenarbeit. Diese Partner über einen längeren<br />

<strong>Zeit</strong>raum in die Finanzierung einer Einrichtung<br />

oder in die Bereitstellung eines Beratungsangebots<br />

einzubinden, ist eine noch zu lösenden<br />

Aufgabe.<br />

98 Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973


In welchen Bereichen wird sich die <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong><br />

in der Zukunft engagieren? Gibt es dazu Ideen bzw. konkrete<br />

Projekte?<br />

Neben der Stärkung der vorhandenen Geschäftsbereiche,<br />

wie zum Beispiel in der Altenhilfe mit<br />

dem Bau des Elisabethstifts in Adlkofen bzw. mit<br />

einem Gärtnereiprojekt zur Beschäftigung seelisch<br />

erkrankter Menschen, wenden wir uns auch<br />

neuen Aufgabenbereichen zu. In Kooperation mit<br />

dem Diakonischen Werk Rosenheim entwickeln<br />

wir Angebote in der Jugendhilfe. Die ebenfalls gemeinsame<br />

Projektierung eines Übergangswohnheims<br />

für Strafentlassene greift ein Tätigkeitsfeld<br />

auf, in dem die <strong>Diakonie</strong> in <strong>Landshut</strong> früher schon<br />

aktiv war.<br />

Das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> seit 1973<br />

99<br />

Diese Verbreiterung unseres Hilfeangebots hat<br />

einerseits das Ziel, die wirtschaftliche Abhängigkeit<br />

des Diakonischen Werks <strong>Landshut</strong> von einzelnen<br />

Aufgabenbereichen zu verringern. Im Mittelpunkt<br />

unserer Aktivitäten stehen jedoch auch in<br />

Zukunft weiterhin die Menschen mit ihren individuellen<br />

Bedürfnissen. Sie bestimmen die Maxime<br />

unseres Handelns gemäß unserem Leitmotiv:<br />

Was willst du, dass ich für dich tun soll?<br />

Lukas 18, 41<br />

Ihr Wohl ist unser Auftrag!<br />

Holger Peters plant ideenreich<br />

die Zukunft des Diakonischen<br />

Werks.


„Regenbogen”<br />

Selbsthilfegruppe<br />

für Menschen mit<br />

Angststörungen<br />

und ihrer<br />

Angehörigen<br />

Ferienbetreuung<br />

Ferienprogramm<br />

Alleinerziehende<br />

Angehörige<br />

psychisch kranker<br />

Menschen im<br />

Raum <strong>Landshut</strong><br />

Offene Jugendund<br />

Familienhilfen<br />

Kontaktkreis<br />

Selbsthilfegruppe<br />

für depressive<br />

Menschen in<br />

Vilsbiburg<br />

Mutter-/ Vater-<br />

Kind-Kuren<br />

Schuldnerberatung<br />

Seniorengymnastik<br />

Empfang<br />

Tanzen im Sitzen<br />

Selbsthilfegruppe<br />

für depressive<br />

Menschen in<br />

<strong>Landshut</strong><br />

Ehe-, Familien- und<br />

Lebensberatung<br />

Betreutes Wohnen<br />

Altdorf<br />

Gärtnerei<br />

(in Planung)<br />

Netzwerk Autismus<br />

Niederbayern/<br />

Oberpfalz gGmbH<br />

(Beteiligung)<br />

Familienhilfen<br />

Fuhrpark<br />

Versicherungen<br />

Betreutes Wohnen<br />

Wolfgangsiedlung<br />

Schulmaterialladen<br />

„Buntstift“<br />

Autistenzentrum<br />

Reut (in Planung)<br />

Behinderte und<br />

ihre Freunde<br />

Selbsthilfegruppen<br />

Schulverweigerer -<br />

2. Chance<br />

Buchhaltung<br />

Betreutes Wohnen<br />

Klötzlmüllerviertel<br />

Geselliger<br />

Kreis<br />

Teestube<br />

Mobile<br />

Ökologiewerkstatt<br />

Plus<br />

Arbeitsvermittlung<br />

Integrationsfachdienst<br />

für Niederbayern<br />

Projektmitarbeiter<br />

Betreutes Wohnen<br />

Niedermayerviertel<br />

Nachmittagsbetreuung<br />

Buch am Erlbach<br />

Soziales<br />

Kompetenztraining<br />

Seniorennachmittag<br />

Offene<br />

Psychiatrische<br />

Hilfen<br />

Mobile<br />

Ökologiewerkstatt<br />

Personalabteilung<br />

Stammpersonal<br />

Betreutes Wohnen<br />

Daheim<br />

Schulsozialarbeit<br />

Arbeit für<br />

Jugendliche<br />

Plus<br />

Behindertenhilfe<br />

Offener<br />

Altenclub<br />

Ambulante<br />

Soziotherapie<br />

Gebrauchtwarenhaus<br />

Rottenburg<br />

100<br />

Verwaltungsleitung<br />

(in Planung)<br />

Matthäusstift<br />

<strong>Landshut</strong><br />

Wir um Fünfzig<br />

Elisabethstift<br />

Adlkofen<br />

(in Planung)<br />

Ökumenische<br />

Erziehungsberatung<br />

Arbeit für<br />

Jugendliche<br />

Patenmodell für<br />

Arbeitssuchende<br />

Verwaltung<br />

Beratungsbüro<br />

Niederaichbach<br />

Johannesstift<br />

Altdorf<br />

Sozialpsychiatrischer<br />

Dienst<br />

Angebote zur<br />

Kinderbetreuung<br />

Gebrauchtwarenhaus<br />

Vilsbiburg<br />

Seniorengruppen<br />

Matthäusstift<br />

<strong>Landshut</strong><br />

Arbeit für<br />

Erwachsene<br />

Plus<br />

Rottenburger Tafel<br />

Seniorenreisen<br />

<strong>Diakonie</strong>-<br />

Sozialstation<br />

<strong>Landshut</strong><br />

Betreutes<br />

Wohnen<br />

im Alter<br />

Johannesstift<br />

Altdorf<br />

Ambulant<br />

Betreutes<br />

Einzelwohnen<br />

Sozialpädagogische<br />

Familienhilfen<br />

(in Planung)<br />

Gebrauchtwarenhaus<br />

<strong>Landshut</strong><br />

Arbeit für<br />

Erwachsene<br />

Vilsbiburger Tafel<br />

Kirchliche<br />

Allgemeine<br />

Sozialarbeit<br />

Offene<br />

Altenhilfe<br />

Ambulante<br />

Altenhilfe<br />

Stationäre<br />

Altenhilfe<br />

Koordination<br />

Gemeindepsychiatrie<br />

Jugendhilfe<br />

<strong>Landshut</strong><br />

<strong>Landshut</strong>er Tafel<br />

Arbeitsprojekte<br />

<strong>Diakonie</strong> für Arbeit<br />

Connect<br />

Bezirksstelle<br />

Gremienarbeit<br />

Talentbörse<br />

Übergangswohnheim<br />

Haus <strong>Landshut</strong><br />

(in Planung)<br />

Bezirksstelle<br />

Altenhilfe<br />

Psychiatrische<br />

Hilfen<br />

Jugend- und<br />

Familienhilfen<br />

Berufliche<br />

Hilfen<br />

Ehrenamtliche<br />

Initiativen<br />

Straffälligenhilfe<br />

Stabsstelle,<br />

Controlling,<br />

Benchmarking<br />

Geschäftsführung<br />

Assistenz der<br />

Geschäftsführung<br />

Datenverarbeitung<br />

Sekretariat der<br />

Geschäftsführung<br />

Telekommunikation<br />

Spendenwesen<br />

Vorstand<br />

Kuratorium<br />

(Aufsichtsrat)<br />

Diakonisches Werk <strong>Landshut</strong> e. V.<br />

Mitgliederversammlung


Auf einen Blick: 100 Jahre <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong><br />

1909<br />

1912<br />

1913<br />

1914<br />

1946<br />

1948<br />

1952<br />

1953<br />

1955<br />

1962<br />

1973<br />

1975<br />

1976<br />

1978<br />

1983<br />

1985<br />

1986<br />

1987<br />

1988<br />

1991<br />

1992<br />

1994<br />

1997<br />

2001<br />

2005<br />

2006<br />

2008<br />

2009<br />

1947<br />

1949<br />

1972<br />

1988<br />

1999<br />

2000<br />

2000<br />

2001<br />

2003<br />

Evangelischer Frauenverein wird im Vereinsregister eingetragen<br />

Evangelischer <strong>Diakonie</strong>verein wird gegründet<br />

Erste Augsburger Diakonisse kommt nach <strong>Landshut</strong><br />

Gemeindestation in der Klötzlmüllerstraße 10 entsteht<br />

Evangelisches Hilfswerk wird gegründet<br />

Evangelischer <strong>Diakonie</strong>verein und Innere Mission werden zu einem Verein zusammengeführt<br />

Die Innere Mission unterhält Altersheime in <strong>Landshut</strong>, Vilsbiburg, Kronwinkl und Wildenberg,<br />

eine Gemeindepflege-Station, eine Haushalts- und Nähschule und ein Jugendwohnheim.<br />

Beginn der Kindergartenarbeit in einer Baracke am Gutenbergweg<br />

Umzug der Inneren Mission in das Gemeindehaus am Gutenbergweg<br />

Altersheim am Bettinaweg 11 wird eröffnet<br />

Aus der Inneren Mission wird nach Satzungsänderung das Diakonische Werk <strong>Landshut</strong> e.V.<br />

Ökumenische Erziehungsberatung sowie Ehe- und Lebensberatung werden gegründet<br />

Ferienprogramm der <strong>Diakonie</strong> startet, Treffpunkt für Alleinerziehende wird eröffnet<br />

Eröffnung der Sozialstation<br />

Sozialpsychiatrischer Dienst wird eingerichtet<br />

Wohnprojekt für Haftentlassene, erster Kurs für pflegende Angehörige<br />

Beginn des Jugendprojekts Arbeit, erste Teestube des SpDi für psychisch kranke Menschen<br />

Gründung der Mobilen Ökologiewerkstatt MÖWE<br />

Aussiedlerberatung in <strong>Landshut</strong> und ab 1991 in Dingolfing<br />

Schuldnerberatung wird ein selbständiger Fachdienst<br />

<strong>Landshut</strong>er Recyclingzentrum eröffnet<br />

Arbeit statt Sozialhilfe startet<br />

Eröffnung des Johannesstifts in Altdorf<br />

Einweihung des Matthäusstifts, Hab&Gut in Altdorf wird eröffnet<br />

Ambulante Soziotherapie startet<br />

Eröffnung von Hab&Gut in Vilsbiburg, Einrichtung des Fachdienstes Ambulant Betreutes Wohnen<br />

Hab&Gut in Rottenburg, die Rottenburger Tafel und der Schulmaterialladen Buntstift in <strong>Landshut</strong><br />

werden eröffnet, Ausbau der Jugendhilfe und Einrichtung einer Ganztagsbetreuung an der<br />

Hauptschule Buch am Erlbach<br />

Spatenstich für das Elisabethstift in Adlkofen<br />

Die Geschäftsführer der <strong>Diakonie</strong><br />

Willi Ludwig<br />

Diakon Gerhard Krocker<br />

Diakon Werner Heger<br />

Diakon Friedrich Schröder<br />

Nikolaus Fendler (kommissarisch)<br />

Sabine Frey<br />

Jürgen Meier<br />

Katrin Kalkowski<br />

Holger Peters<br />

(als geschäftsführender 2. Vorsitzender)<br />

101<br />

Die Vorsitzenden der <strong>Diakonie</strong><br />

Johanna von Jan (ab 1895)<br />

Maria Seidel (ab 1909)<br />

Pfarrer Georg Seidel (ab 1912)<br />

Pfarrer Johannes Wagner (ab 1933)<br />

Dekan Paul Krauß (ab 1950)<br />

Dekan Ernst Borger (ab 1966)<br />

Dekan Reinhard von Loewenich (ab 1978)<br />

Dekan Jürgen Wieber (ab 1988)<br />

Pfarrer Werner Fritz (ab 1993)<br />

Dekan Jürgen Wieber (ab 1997)<br />

Edgar Walter (kommissarisch 1998)<br />

Dekan Helmut Völkel (ab 1998)<br />

Dekan Siegfried Stelzner (seit 2003)


Literatur<br />

Blätter für Innere Mission in Bayern, 15. Jahrgang, Heft 11, November 1962<br />

Dannheimer, Erika / Knoch, Hans-Dieter (Hrsg.): 30 Jahre Evang.-Luth.<br />

Dekanat <strong>Landshut</strong> 1949-1979, <strong>Landshut</strong> 1979<br />

Ebermeier, Werner: <strong>Landshut</strong>, die 50er und 60er Jahre. Deutschland auf dem Weg zum<br />

Wirtschaftswunder, Horb am Neckar, 2006<br />

Evang.-Luth. Dekanat <strong>Landshut</strong> (Hrsg.): Pflügen auf Hoffnung. Ein Streifzug durch das<br />

Evangelische Dekanat <strong>Landshut</strong>, <strong>Landshut</strong> 1999<br />

Flierl, Hans: Ein Jahrhundert <strong>Diakonie</strong> in Bayern: Werk der Kirche und Wohlfahrtsverband,<br />

Claudius-Verlag, München 1988<br />

Flothow, Matthias: Evangelisch in <strong>Landshut</strong>, in: Stadt <strong>Landshut</strong> (2004), S. 405-431<br />

Heger, Werner: Diakonisch predigen. Predigten aus vier Jahrzehnten, Hersbruck 1996<br />

Honold, Matthias: Der unbekannte Riese _ Geschichte der <strong>Diakonie</strong> in Bayern,<br />

Hefte zur Bayerischen Geschichte und Kultur, Band 31, Augsburg 2004<br />

Kirchenvorstand der Christuskirche <strong>Landshut</strong> (Hrsg.): 100 Jahre Christuskirche <strong>Landshut</strong>,<br />

<strong>Landshut</strong> 1997<br />

Kowalsky, Susanne / Jell, Andreas (Hrsg.): Frauen im Licht – Frauen im Schatten.<br />

Eine <strong>Landshut</strong>er Frauengeschichte, <strong>Landshut</strong> 2005<br />

Kubatschka, Ute: Diakonissen in <strong>Landshut</strong>, in: Kowalsky, Susanne / Jell, Andreas (2005),<br />

S. 201-209<br />

Schäfer, Gerhard K. / Herrmann, Volker: Geschichtliche Entwicklungen der <strong>Diakonie</strong>, in: Ruddat,<br />

Günter / Schäfer, Gerhard K. (Hrsg.), Diakonisches Kompendium, Göttingen 2005, 36-67.<br />

Spitzlberger, Georg: <strong>Landshut</strong>er Stadtchronik 1970 – 1990, Band III, <strong>Landshut</strong> 1998<br />

Stadt <strong>Landshut</strong> (Hrsg.): „Weitberühmt und vornehm …“. <strong>Landshut</strong> 1204 – 2004, Beiträge zu 800<br />

Jahren Stadtgeschichte, <strong>Landshut</strong> 2004<br />

Tausche, Gerhard (2004): Zwischen den Weltkriegen, in: Stadt <strong>Landshut</strong> (2004), S. 475-484<br />

102


Anmerkungen<br />

1 Protokoll der Gründungsversammlung 1895 (Archiv des DW <strong>Landshut</strong>)<br />

2 Archiv des DW <strong>Landshut</strong><br />

3 Vgl. zur Situation der Diakonissen im folgenden Kubatschka (2005), S. 201 ff.<br />

4 Schreiben von Maria Seidel an den Ev. <strong>Diakonie</strong>vereins im Jahr 1918(Archiv Dekanat <strong>Landshut</strong>)<br />

5 Schreiben der Ev. Diakonissenanstalt Augsburg vom 13.11.1917 (Archiv des DW <strong>Landshut</strong>)<br />

6 Schreiben von Pfarrer Georg Seidel vom 3.6.1919 (Archiv des DW <strong>Landshut</strong>)<br />

7 Schreiben der Ev. Diakonissenanstalt Augsburg vom 26.7.1922 (Archiv des DW <strong>Landshut</strong>)<br />

8 Vgl. Honold (2004), S. 36 f.<br />

9 Kubatschka (2005), S. 205, Archiv der Diakonissenanstalt Augsburg Stationsheft <strong>Landshut</strong><br />

10 Vgl. Mietverträge mit dem Evangelischen <strong>Diakonie</strong>verein (Archiv des DW <strong>Landshut</strong>)<br />

11 Vgl. Flothow (2004), S. 197 f.<br />

12 Honold (2004), S. 40 ff.<br />

13 Der Martha-Verein wurde von den Augsburger Diakonissen betreut, der Mädchenbibelkreis<br />

vom Stadtvikar; vgl. Kirchenvorstand der Christuskirche <strong>Landshut</strong> (1997), S. 84 f.<br />

14 Kubatschka (2005), S. 206<br />

15 Schreiben des Amtes für Volkswohlfahrt vom 13. Juni 1934 (Akte Nr. 251,<br />

Archiv der Christuskirche <strong>Landshut</strong>)<br />

16 Schreiben des Landesvereins für Innere Mission von 7. Mai 1934<br />

(Akte Nr. 251, Archiv der Christuskirche <strong>Landshut</strong>)<br />

17 Schreiben des Landesvereins für Innere Mission vom 9.8.1938 (Akte Nr. 251,<br />

Archiv der Christuskirche <strong>Landshut</strong>)<br />

18 Schreiben von Pfarrer Wagner vom 17. April 1937 (Archiv des DW <strong>Landshut</strong>)<br />

19 Schreiben der Ev. Diakonissenanstalt Augsburg vom 28.4.1937 (Archiv des DW <strong>Landshut</strong>)<br />

20 Kubatschka (2005), S. 206<br />

21 Archiv der Christuskirche <strong>Landshut</strong><br />

22 Vgl. Kubatschka (2005), S. 207<br />

23 Richtlinien für das Evangelische Hilfswerk (Archiv des DW <strong>Landshut</strong>)<br />

24 Amtsblatt vom 6. Juni 1947 (Archiv Christuskirche <strong>Landshut</strong>)<br />

25 Archiv Christuskirche <strong>Landshut</strong><br />

26 Schreiben vom 19. Mai 1948 (Archiv des DW <strong>Landshut</strong>)<br />

27 Vgl. Flothow (2004), S. 425<br />

28 Akte D4/44 1949–1962 (Archiv des Dekanats <strong>Landshut</strong>)<br />

29 Vgl. Dannheimer/Knoch (1979), S. 68<br />

30 Akte D4/44 1949-1962 (Archiv des Dekanats <strong>Landshut</strong>)<br />

31 Vgl. Dannheimer/Knoch (1979), S. 66<br />

32 Dannheimer/Knoch (1979), S. 67, Zitat Diakon Gerhard Krocker<br />

33 Isarpost vom 8.6.1954<br />

34 Vilsbiburger <strong>Zeit</strong>ung vom 15. Juli 1966, S. 11<br />

35 Vgl. Ebermeier (2006)<br />

36 Die Friedlandhilfe wurde 1957 gegründet, um die Arbeit der Wohlfahrtsverbände in den<br />

Flüchtlings- und Vertriebenenlagern Deutschlands mit ausreichenden Finanzmitteln aus<br />

privaten Spenden zu versorgen.<br />

37 Vgl. <strong>Landshut</strong>er <strong>Zeit</strong>ung vom 21. Juli 1962<br />

38 Vgl. Heger (1996), S. 239 ff.<br />

39 Das goldene Kronenkreuz kann nach mindestens 15jähriger haupt-, neben- oder<br />

ehrenamtlicher Tätigkeit im Diakonischen Bereich als besondere Ehrung verliehen werden.<br />

40 Vgl. <strong>Landshut</strong>er <strong>Zeit</strong>ung vom 19.9.1998<br />

41 Das Dekanat <strong>Landshut</strong> umfasste damals Stadt und Landkreis <strong>Landshut</strong> und die Landkreise<br />

Dingolfing-Landau, Freising und Erding.<br />

42 Vgl. jeweilige Jahresberichte der Aussiedlerberatung (Archiv des DW <strong>Landshut</strong>)<br />

43 In den drei großen Übergangswohnheimen in Dingolfing und <strong>Landshut</strong> standen insgesamt<br />

1000 Plätze zur Verfügung, weitere 650 Unterkunftsplätze gab es in Ausweichquartieren.<br />

44 <strong>Landshut</strong>er <strong>Zeit</strong>ung vom 19.3.1997<br />

45 Vgl. <strong>Landshut</strong>er <strong>Zeit</strong>ung vom 15.3.1997<br />

46 <strong>Landshut</strong>er <strong>Zeit</strong>ung vom 25.7.2002<br />

47 <strong>Landshut</strong>er <strong>Zeit</strong>ung vom 23.9.2002<br />

103


Bildnachweis<br />

Archiv Christuskirche:<br />

Archiv <strong>Diakonie</strong> <strong>Landshut</strong>:<br />

Bauer, Elisabeth-Maria:<br />

Fronauer, Edeltraud:<br />

Hackl, Raimund:<br />

Kraus Immobilien:<br />

Litvai, Peter:<br />

Ritterbusch, Manfred:<br />

Skordou, Therese:<br />

wob Immobilien:<br />

Aus: 100 Jahre Christuskirche<br />

<strong>Landshut</strong> (1997):<br />

104<br />

8, 12, 16, 24, 26 oben, 83<br />

40 unten, 46, 47, 48, 49, 52, 54, 55 unten,<br />

56 links, 57, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 67<br />

rechts, 68, 70, 71, 72, 74, 78, 79 3. und<br />

4. Bild von oben, 84, 86 oben, 87, 88, 89,<br />

90, 91, 92, 96<br />

27, 41, 44, 50, 86 unten<br />

2, 20, 21, 22, 23, 25, 26 Mitte, 27 oben, 28,<br />

29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39,<br />

42, 43, 53, 55 oben, 56 rechts,<br />

63 oben links, 66, 67 links, 69, 73, 80<br />

79 1. und 2. Bild von oben,<br />

Titelbild, 5, 45, 58, 77, 85, 95, 99, 105<br />

94<br />

93<br />

97<br />

17, 18


Dank<br />

Eine Chronik zu schreiben, ist wie ein Puzzle zu legen: Selten findet man die richtigen<br />

Teile sofort. Manchmal findet man Teile, nach denen man gar nicht gesucht hat. Überraschenderweise<br />

passen sie doch und bringen neue Informationen. Manche Teilstücke<br />

und Bildsegmente hingegen bleiben trotz intensiven Suchens unauffindbar.<br />

Am Ende dieser Puzzle-Arbeit steht eine bunte, wenn auch sicher unvollständige und<br />

zwangsläufig subjektive historische Darstellung. Möglich wurde sie nur durch die vielfältige<br />

Hilfe vieler Personen.<br />

An dieser Stelle möchte ich meinen Interviewpartnern in und außerhalb der <strong>Diakonie</strong><br />

<strong>Landshut</strong> für die <strong>Zeit</strong> danken, die sie mir zur Verfügung gestellt haben. Ebenso herzlich<br />

bedanke ich mich bei den zuvorkommenden Mitarbeitern des Stadtarchivs <strong>Landshut</strong> um<br />

Herrn Gerhard Tausche, bei allen ehemaligen und aktuellen Beschäftigten des Diakonischen<br />

Werks für ihre freundliche Unterstützung, bei Frau Ludwina Klankermeier und<br />

Herrn Eduard Ringlstetter für die Nachhilfe in Sütterlin, bei Barbara Priehäußer (<strong>Diakonie</strong>),<br />

Susanna Schneider (Dekanat <strong>Landshut</strong>) und Roswita Reimann (Christuskirche<br />

<strong>Landshut</strong>) für ihre Hilfe in Archivfragen sowie bei Frau Edeltraud Fronauer für die schönen<br />

historischen Fotos.<br />

Mein besonderer Dank gilt meinem Lektor, Herrn Gernot Häublein, für seine fürsorgliche<br />

Betreuung und seine professionellen Ratschläge in allen Problemlagen. Nicht zuletzt<br />

bedanke ich mich bei meiner Familie für ihre geduldige Rücksichtnahme und bei<br />

allen anderen Menschen, die mich beim Suchen der Puzzle-Teile unterstützt haben.<br />

Dr. Elisabeth-Maria Bauer<br />

105


www.diakonie-landshut.de<br />

„Im Mittelpunkt der Mensch“ beschreibt bilder- und detailreich die Entstehungsetappen<br />

des Diakonischen Werks <strong>Landshut</strong> – vom Evangelischen<br />

Frauenverein bis heute. Am Beispiel des Wohlfahrtsverbandes wird die<br />

Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts in Dokumenten, <strong>Zeit</strong><strong>zeugen</strong>berichten<br />

und Lesetexten lebendig: Weltwirtschaftskrise, Repressalien während des<br />

NSDAP-Regimes, Nachkriegsnot, Flüchtlings- und Vertriebenenströme und<br />

Arbeitslosigkeit stellten den <strong>Diakonie</strong>verein immer vor neue Herausforderungen.<br />

Christliche Nächstenliebe und Pragmatismus prägten dessen Hilfeleistungen.<br />

Aufgrund der veränderten sozialpolitischen Rahmenbedingungen<br />

weiteten sich die Aufgabenbereiche der <strong>Diakonie</strong> schließlich aus, die Dienste<br />

spezialisierten sich.<br />

Mit einem breiten professionellen Leistungsspektrum stellt sich das Diakonische<br />

Werk heute den aktuellen gesellschaftlichen Nöten und begegnet<br />

ihnen mit geeigneten neuen Projekten. Der Blick auf ein Jahrhundert wohltätiger<br />

Arbeit zeigt: Im Mittelpunkt diakonischer Tätigkeit stehen die individuellen<br />

Bedürfnisse des einzelnen Menschen.<br />

100<br />

JAHRE<br />

<strong>Diakonie</strong><br />

<strong>Landshut</strong>

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