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Zeitschrift des Schweizerischen <strong>Burgenverein</strong>s12. Jahrgang – 2007/3


RedaktionskommissionUrs Clavadetscher, lic. phil.Archäologischer DienstGraubündenLoëstrasse 257001 ChurDr. Elisabeth Crettaz, Le Forum3961 Zinal VSDr. Hans RutishauserDenkmalpflege GraubündenLoëstrasse 14, 7001 ChurRedaktion und Geschäftsstelle<strong>Schweizerischer</strong> <strong>Burgenverein</strong>Thomas BitterliBlochmonterstrasse 22, 4054 BaselTelefon 061 361 24 44Fax 061 363 94 05E-Mail info@burgenverein.chwww.burgenverein.chPostkonto 40-23087-6Erscheint vierteljährlichISSN 1420-6994Zeitschrift des Schweizerischen <strong>Burgenverein</strong>sRevue de l’Association Suisse Châteaux fortsRivista dell’Associazione Svizzera dei CastelliRevista da l’Associaziun Svizra da Chastels12. Jahrgang, 2007/3, Oktober 2007Inhalt73 Armand Baeriswyl, Zum Verhältnis von Stadtund Burg im Südwesten des Alten Reiches –Überlegungen und Thesen an Beispielen ausder Schweiz89 Christian Coradi, Der Unterhof in Diessenhofen– die moderne Rezeptionsgeschichteeiner mittelalterlichen Burg104 Kurzmitteilungen106 VeranstaltungenDruckSchwabe AG, Basel,Verlag und Druckerei107 Publikationen111 VereinsmitteilungenUmschlagbild: Das hoch über der Stadt thronende SchlossThun. Flugaufnahme, Blick nach Süden. Am oberenBildrand der Rathausplatz und das Rathaus, darüber dieAare. (Foto: Patrick Nagy, Kantonsarchäologie Zürich)


Zum Verhältnis von Stadt und Burg im Südwesten des Alten Reiches –Überlegungen und Thesen an Beispielen aus der Schweizvon Armand BaeriswylEinleitungDas Verhältnis von Burg und Stadt war bislang kaumGegenstand übergreifender Synthese. 1 Es wurde und wirdgrossenteils von Historikern wie von Archäologen undBauforschern immer noch entweder allein unter demBlickwinkel der Stadtgeschichtsforschung 2 oder unterdem der Burgenforschung 3 betrachtet, darüber hinausmeistens nur von lokalgeschichtlicher Warte aus. Immerhinsind in den letzten Jahren vor allem im französischsprachigenRaum einige Publikationen erschienen, diedieses Bild etwas korrigieren 4 , und die Arbeit der Residenzenkommissionder Akademie der Wissenschaften zuGöttingen berührt das Thema zumindest für das Spätmittelalterund die frühe Neuzeit mehr als nur am Rande. 5In der Schweiz ist das Verhältnis von Burg und Stadtimmer noch kein Thema. 6 Das liegt nicht zuletzt daran,dass die schweizerische Geschichtswissenschaft in derTradition der spätmittelalterlichen Chronistik lange Zeitadelsfeindlich war. In der eidgenössischen Befreiungstraditionist kein Platz für einen aktiven Adel, auch nichtin den Städten. 7 Burgen wurden vor allem unter demBlickwinkel des legendären Burgenbruchs nach Tells Tatgesehen, als Stätten blutsaugerischer Unterdrücker, vondenen sich das freiheitsliebende Schweizervolk mit Feuerund Schwert befreite. 8Trotzdem finden sich in der stadtgeschichtlichen wie inder burgenkundlichen Literatur der Schweiz immer wiederAussagen über das Verhältnis von Burg und Stadt, diefeststehende Vorstellungen vom Verhältnis beider transportieren.Etwas pointiert lassen sich folgende Aussagendestillieren:1. So sollen Burgen im Normalfall älter als die zugehörigenStädte sein, in deren Schatten und zu deren Füssendiese entstanden seien. 91Dieser Aufsatz ist die überarbeitete Fassung eines Vortrages, der ander Jahrestagung 2006 der Wartburg-Gesellschaft zur Erforschungvon Burgen und Schlössern e. V. in Marburg D gehalten wurde. SeineForm wurde weitgehend beibehalten.2Cord Meckseper, Kleine Kunstgeschichte der deutschen Stadt im<strong>Mittel</strong>alter (Darmstadt 2 1991) 89f.; Günther P. Fehring, Stadtarchäologiein Deutschland. Archäologie in Deutschland, Sonderheft(Stuttgart 1996) 63. Als Beispiel eine Untersuchung zu Zähringerstädten:Armand Baeriswyl, Stadt, Vorstadt und Stadterweiterung im<strong>Mittel</strong>alter. Archäologische und historische Studien zum Wachstumder drei Zähringerstädte Burgdorf, Bern und Freiburg im Breisgau.Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des <strong>Mittel</strong>alters30 (Basel 2003).3Dieter, Kerber, Die Burg als Herrschaftszentrum. In: Horst WolfgangBöhme (Hrsg.), Burgen in <strong>Mittel</strong>europa. Ein Handbuch, Bd.2 (Stuttgart 1999) 82–89, 83f.; Alfons Zettler, Zähringerburgen.Versuch einer landesgeschichtlichen und burgenkundlichen Beschreibungder wichtigsten Monumente in Deutschland und in der Schweiz.In: Karl Schmid (Hrsg.), Die Zähringer. Schweizer Vorträge und neueForschungen. Veröffentlichungen zur Zähringer-Ausstellung 3 (Sigmaringen1990) 95–176.4Thomas Zotz, In den Mauern, vor den Mauern: Der Sitz des Herrn.In: Institut für Denkmalpflege an der ETH Zürich (Hrsg.), Stadt- undLandmauern, Bd. 3: Abgrenzungen – Ausgrenzungen in der Stadtund um die Stadt. Veröffentlichungen des Instituts für Denkmalpflegean der ETH Zürich 15 (Zürich 1999) 63–70; Gilles Blieck /Philippe Contamine / Nicolas Faucherre u. a. (Hrsg.), Le château etla ville. Conjonction, opposition, juxtaposition (XI e –XVIII e siècle).125 e congrès des sociétés historiques et scientifiques, à Lille, 2000.Comité des travaux historiques et scientifiques (Paris 2002). Anne-Marie Coclua / Michel Combet (Hrsg.), Château et ville. Actes desRencontres d’Archéologie et d’Histoire en Périgord les 28, 29 et30 septembre 2001. Ausonius – Scripta Varia 6 (Bordeaux 2002).Patrick Boucheron / Jacques Chiffoleau (Hrsg.), Les Palais dans laville. Espaces urbains et lieux de la puissance publique dans la Méditerranéemédiévale. Collection d’histoire et d’archéologie médiévales13 (Lyon 2004).5Vgl. http://resikom.adw-goettingen.gwdg.de/.6Sogar so vorbildhafte Publikationen wie die Reihe des Schweizerischen<strong>Burgenverein</strong>s (Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte undArchäologie des <strong>Mittel</strong>alters 1974ff.) oder die Aufsätze zu den StadtundLandmauern in der Schweiz (Institut für Denkmalpflege an derETH Zürich (Hrsg.), Stadt- und Landmauern, 3 Bde. Veröffentlichungendes Instituts für Denkmalpflege an der ETH Zürich 15 (Zürich1995–1999) gehen nur marginal auf das Thema ein.7Roger Sablonier, Rittertum, Adel und Kriegswesen im Spätmittelalter.In: Josef Fleckenstein (Hrsg.), Das ritterliche Turnier im <strong>Mittel</strong>alter.Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte80 (Göttingen 1985); Guy P. Marchal, Die «Alten Eidgenossen» imWandel der Zeiten. In: Historischer Verein der Fünf Orte (Hrsg.),Innerschweiz und frühe Eidgenossenschaft, Bd. 2 (1990) 309–403.8Werner Meyer, Burgenbau und Burgenbruch in den Waldstätten.In: Werner Meyer / Jakob Obrecht / Hugo Schneider (Hrsg.), Diebösen Türnli. Archäologische Beiträge zur Burgenforschung in derUrschweiz. Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologiedes <strong>Mittel</strong>alters 11 (Basel 1984) 181–198; Werner Meyer, Die Eidgenossenals Burgenbrecher, in: Der Geschichtsfreund 145 1992, 5–95.9In diesem Sinne beispielsweise Paul Hofer / Hans Jakob Meyer, Die BurgNydegg. Forschungen zur frühen Geschichte von Bern. Schriften der Historisch-AntiquarischenKommission der Stadt Bern 5 (Bern 1991) 13.<strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3 73


Armand Baeriswyl – Zum Verhältnis von Stadt und Burg im Südwesten des Alten Reiches2. Burg und Stadt werden als Gegensatzpaar aufgefasst.Die Burg als «Kristallisationszentrum des Territorialisierungsprozesses»10 sei im Lauf des Hochmittelalters in dieserFunktion von der Stadt abgelöst worden. Aus diesemGrund mache die Stadt die Burg als Bauform überflüssig.Deshalb hätten viele Städte gar nie eine Stadtburg besessen.3. Die Burgen hätten somit auch nach dem Entstehen derzugehörigen Stadt primär dazu gedient, diese zu beherrschen.Ihre Zerstörung durch die Bürgerschaft sei dementsprechendals politische Befreiungsaktion gegen dieverhasste Herrschaft zu verstehen.Im Folgenden soll eine Reihe von Burgen und Städten aufdem Gebiet der heutigen Schweiz auf diese Vorstellungenhin befragt werden.Stadtburgen, die gleichzeitig mit der zugehörigenStadt entstehenEs zeigt sich schnell, dass die Vorstellung, Burgen seiennormalerweise älter als die zugehörige Stadt, so nicht zuhalten ist. Sie hat ihren Ursprung unter anderem darin,dass Burgen bis vor kurzem meist falsch – sprich: vielzu alt – datiert wurden. Dank der Untersuchungen derArchäologie des <strong>Mittel</strong>alters und der historischen Bauforschungsind inzwischen wesentlich präzisere Datierungenmöglich. Dies gilt nota bene nicht nur für die Frage derEntstehung der Burgen, sondern auch für diejenige derzugehörigen Städte.Erste These: Viele Stadtburgen waren nicht älter als diezugehörigen Städte, sondern entstanden zusammen mitdiesen. Diese Gleichzeitigkeit scheint sogar ein typischesPhänomen der Stadtgründungswelle vom 12. bis ins14. Jh. zu sein.1: Bern, Burg Nydegg.Rekonstruktionszeichnungder Burg, des Burgbezirksund der ersten Aare brückeum 1250/60 (digitaleRekonstruktion).74 <strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3


Armand Baeriswyl – Zum Verhältnis von Stadt und Burg im Südwesten des Alten Reiches585 500585 400585 300221 300221 200221 100221 0002: Biel, Grundriss der historischenAltstadt mit derBurg, der Gründungsstadtund den Stadterweiterungen.Forschungsstand 2006.220 900Das zeigt etwa das Beispiel der Stadt Bern, die um 1200gegründet wurde, wahrscheinlich unter Verlegung einesalten Verkehrsweges mit Flussübergang von einer Aareschleifein die nächste, rund 3 km weiter südlich gelegene.11 Die Stadtburg Nydegg an der Spitze der Flussschleifeist nicht älter als die Stadt, obwohl das die spätmittelalterlichenStadtchroniken behaupten, sondern entstand,wie archäologische Untersuchungen nachweisen konnten,gleichzeitig mit der Stadtgründung (Abb. 1).Auch in Diessenhofen TG gehören Stadt und Burg zeitlichzusammen. 12 Als das seit dem Frühmittelalter fassbareDorf 1178 von den Grafen von Kiburg zur Stadt erhoben10Werner Meyer, Der Burgenbau im kyburgischen Machtbereich. In:Die Grafen von Kyburg. Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte undArchäologie des <strong>Mittel</strong>alters 8 (Olten 198) 69–87, hier 81.11Baeriswyl 2003 (wie Anm. 2).12Armand Baeriswyl / Marina Junkes, Der Unterhof in Diessenhofen.Von der Adelsburg zum Ausbildungszentrum. Archäologie im Thurgau3 (Frauenfeld 1995).<strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 375


Armand Baeriswyl – Zum Verhältnis von Stadt und Burg im Südwesten des Alten Reicheswurde, entstanden nicht nur die Stadtbefestigung und diePfarrkirche neu, sondern auch die Stadtburg Unterhof(Bergfried 1186d).Weitere Beispiele sind Stadt und Burg Moudon VD, diegleichzeitig, um 1190, von den Zähringern erbaut wurden13 ; Stadt und Burg Rapperswil SG, die um 1200 unterden Grafen von Rapperswil entstanden 14 ; Stadt und BurgBiel BE 15 , welche vom Bischof von Basel um 1220 / 30 ander Stelle eines Pfarrdorfes gegründet wurden (Abb. 2),sowie Stadt und Burg Klingnau AG 16 , die 1239 von denFreiherren von Klingen auf grüner Wiese an der Aareerrichtet wurden.Komplexer ist das Beispiel Aarau. Die Stadt ist eine Neugründungder Grafen von Kiburg um 1240 neben einemalten Pfarrdorf in der Au, an einem seit römischer Zeitbestehenden Aareübergang. Aarau besitzt gleich zweiStadtburgen, die beide mehr oder weniger gleichzeitigund zusammen mit der Stadt entstanden. Zum einen istdie ausserhalb des Stadtgrabens gelegene Burg «Schlössli»zu nennen 17 , deren Hauptturm um 1237(d) errichtetwurde, und zum zweiten gab es die Burg «Rore» mitRingmauer und Graben, welche in den Nordabschnittder städtischen Ringmauer einbezogen war 18 (Abb. 3).Warum gibt es in Aarau gleichzeitig zwei Burgen, die darüberhinaus beide offensichtlich von den Stadtgründern,den Kiburgern, errichtet wurden?Die Suche nach einer Antwort zeigt: Es genügt nicht, alleinnach dem Alter von Burg und Stadt zu fragen. Es stelltsich darüber hinaus die Frage nach der Funktion, derLage und der Architektur der jeweiligen Anlage in Bezugzur Stadt. So lag die Burg «Schlössli» zwar unmittelbar3: Aarau im 17. Jahrhundert. Vedute von Hans Ulrich Fisch II um 1665, mit Blick nach Süden. Linker Kreis: das ausserhalbder Stadt gelegene «Schlössli». Rechter Kreis: der in der Stadtbefestigung integrierte Turm «Rore»; er diente zum Zeitpunkt derEntstehung der Abbildung bereits als Rathaus.76 <strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3


Armand Baeriswyl – Zum Verhältnis von Stadt und Burg im Südwesten des Alten Reichesbei der Stadt, gegen Westen schloss aber das genanntePfarrdorf in der Au an, welches auch nach der Stadtgründungweiter existierte. Die Burg gehörte zum Dorf undder 1237 fassbare Neubau ist als bauliche Erneuerung desbestehenden dörflichen Herrschaftssitzes zu verstehen.Die Burg hatte also gar nichts mit der Stadt zu tun, sonderndiente weiterhin als Sitz des Dorfherrn oder seinesStellvertreters. Da das Dorf sowie die neu entstehendeStadt im Besitz der Kiburger waren, mag die Errichtungder Stadt von ihnen als Gelegenheit betrachtet wordensein, die alte Burg 19 auch gleich zu erneuern.Die Burg «Rore» hingegen, wenig mehr als ein Turm mitRingmauer und Graben, gehörte eindeutig zum Gefügeder Stadt, war sie doch in die Stadtbefestigung integriert.Trotz dieser Randlage war ihr Standort zentral.Der Gassenmarkt der Gründungsstadt führte genau aufdie Burg zu, so dass der Markt in ihrem Blickfeld war.Rechtlich war die Burg von der Stadt geschieden, da sieals Freihof ein Sonderrechtsbezirk im Stadtinnern war.Mit diesen Merkmalen ist sie als Wohn- und Amtssitzdes lokalen Vertreters des Stadtherrn zu interpretieren.Aus dem Beispiel Aarau möchte ich die folgende Theseableiten.Zweite These: Burgen, die gleichzeitig mit der Stadtentstanden, sind als geplante Elemente der städtischenIn frastruktur zu verstehen. Den engen Bezug zur Stadtzeigt bereits ihre Lage. Sie war so gewählt, dass sie zumeinen die Kontrolle des die Stadt betretenden bzw. verlassendenVerkehrs ermöglichte (Zollerhebung), zumzweiten den innerstädtischen Markt im Blick hatte undzum dritten einen zentralen Bestandteil der städtischenVerteidigung darstellte. Ihr besonderer Status als Ort derStadtherrschaft wurde durch die rechtliche Sonderstellungunterstrichen. Im Kontrast dazu steht die architektonischeErscheinungsform dieser Burgen, denen zwar durchausauch repräsentative Funktionen zukommen sollten, dieaber nicht als Residenz des Stadtherrn dienten, sondernnur als Amtssitz seines lokalen bzw. regionalen Vertreters.Diese Merkmale zeigt beispielsweise die bereits erwähnteBerner Stadtburg Nydegg. Sie war Amtssitz des zähringischenVogtes, später des Reichslandvogts. Ihre Lageam Fluss bildete den Ostabschluss der Stadtbefestigung;sie ermöglichte den Schutz, aber auch die Kontrolle desFlussübergangs und des Hafens. Nicht nur die Burgselbst, sondern auch das ganze umgebende Quartier warursprünglich ein Sonderrechtsbezirk. Nach den Ausgrabungenvon Paul Hofer 20 bestand die Anlage mit einemDurchmesser von knapp 40 m (ohne Graben) im Wesentlichenaus einem Wohnturm mit Ringmauer und Graben(Abb. 3).Ähnliches ist für den ebenfalls erwähnten Unterhof inDiessenhofen festzustellen: Die als Freihof rechtlich vonder Stadt geschiedene Burg diente als Sitz des Stadtvogtesund ist für die Stadtgründungszeit um 1190 als Turm mitumgebender Ringmauer zu rekonstruieren. Der Durchmesserdieser Anlage betrug etwa 45 m. Durch ihre Lagekontrollierte sie die Schifflände am Rhein und das daraufzuführende Stadttor. Ihre Position am Westende der Stadtmachte sie ausserdem zu einem wesentlichen Element derStadtbefestigung.Ein weiteres Beispiel ist die Burg von Biel, ein mit zweiTürmen versehener Mauerring mit einem Durchmesservon knapp 50 m. Die Anlage, deren Innenbebauung nichtbekannt ist, war in die westseitige Stadtbefestigung integriert.Sie lag neben dem westlichen Stadttor und dienteals Sitz des bischöflichen Meiers. 2113Monique Fontannaz, Les monuments d’art et d’histoire du cantonde Vaud, Bd. 6, La ville de Moudon (Basel 2006).14Bernhard Anderes, Die Kunstdenkmäler des Kantons St. Gallen,Bd. 4, Der Seebezirk (Basel 1966) 177–477.15Paul Bloesch (Bearb.), Die Rechtsquellen des Kantons Bern. ErsterTeil: Stadtrechte, Bd. 13: Die Rechtsquellen der Stadt Biel. Sammlung<strong>Schweizerischer</strong> Rechtsquellen II. Abteilung (Basel 2003); MargritWick-Werder, Spuren einer Stadt. Altstadt Biel – archäologischerRundgang (Biel 2000).16Peter Frey, Kanton Aargau. In: Institut für Denkmalpflege an derETH Zürich (Hrsg.), Stadt- und Landmauern, Bd. 2: Stadtmauernin der Schweiz. Kataloge, Darstellungen. Veröffentlichungen desInstituts für Denkmalpflege an der ETH Zürich 15 (Zürich 1996)9–26, 20.17Daniel Reicke, «von starken und grossen flüejen». Eine Untersuchungzu Megalith- und Buckelquader-Mauerwerk an Burgtürmenim Gebiet zwischen Alpen und Rhein. Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichteund Archäologie des <strong>Mittel</strong>alters 22 (Basel 1995) 76f.18Walter Merz, Der Turm Rore in Aarau. Basler Zeitschrift fürGeschichte und Altertumskunde I, 1901, Heft 2, 248–260.19Wobei nicht gesagt ist, dass sich der Vorgänger an derselben Stellebefand; vorstellbar ist auch ein im Dorf gelegener Herrenhof.20Hofer / Meyer 1991(wie Anm. 9).21Bloesch 2003 (wie Anm. 15), Wick-Werder 2000 (wie Anm. 15).<strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 377


Armand Baeriswyl – Zum Verhältnis von Stadt und Burg im Südwesten des Alten Reiches4: Schloss und Städtchen Laupen um 1764. Vedute von Niklaus Sprüngli.Diese Burgen sind im Vergleich zu gleichzeitigen Hochadels-bzw. landesherrlichen Residenzburgen viel kleinflächigerund einfacher. Das Beispiel Thun BE zeigt abereindrücklich, dass das keinesfalls zulasten der repräsentativenFunktionen gehen musste. Auch diese Burg warum 1200 gleichzeitig mit der Stadt entstanden und dientedem lokalen Vertreter des Stadtherrn als Sitz – das massiveBauwerk beeindruckt noch heute als weithin sichtbaresMachtsymbol (Umschlagbild).Burgen, die älter als die zugehörigen Städte sindViele Burgen sind tatsächlich älter als die zugehörigenStädte, die sich denn oft auch aus deren Vorburgsiedlungenheraus entwickelt haben. 22 Solche Burgen unterscheidensich aber von der Lage, der Architektur und dennachweisbaren Besitzern her ganz dezidiert von den obengenannten Stadtburgen.Dritte These: Burgen, die älter als die zugehörigen Städtesind, waren meist im Besitz von Grafen, Herzögen oderdem König. Sie hatten oft den Charakter von Residenzburgen.Sie entwickelten sich unabhängig von den Städtenund waren von ihrer Lage her oft auch auf Distanzzu diesen. Im Laufe des Spätmittelalters und der frühenNeuzeit entwickelten sie sich zu landesherrlichen Verwaltungszentren.Drei Beispiele sollen dies erläutern. Die burgundischeKönigsburg Laupen 23 erscheint erstmals 1033 in denSchriftquellen, während die im Laufe des 13. Jh. ausder Vorburg hervorgegangene Stadt 1275 von KönigRudolf I. von Habsburg ein Stadtrecht nach Berner Vorbilderhielt (Abb. 4). Die Burg ist damit viel älter alsdie Stadt. Sie erhebt sich hoch über der Stadt, die sichnur äusserst bescheiden und in einer gewissen Distanz zujener entwickelte. Die Burg diente immer als Festung undResidenz der Oberherrschaft, vom frühmittelalterlichenburgundischen König bis zum neuzeitlichen bernischenLandvogt, ja, sie ist bis heute ein Herrschaftszentrumgeblieben: In der Burg amten ein kantonales Obergerichtund der Regierungsstatthalter des heutigen bernischenAmtes Laupen.Ähnliches gilt für Neuenburg NE. 24 Die Burg wurde 1011als novum castellum und regalissima sedes des burgundischenKönigs Rudolf III. erwähnt. Um 1180 erhielt dieBurg ein Chorherrenstift. Vor den Toren der Burg entstandein burgus, der um 1150 ummauert wurde undzusammen mit einer ersten Stadterweiterung 1214 vonden Grafen von Neuenburg ein Stadtrecht nach demVorbild von Besançon erhielt. Die Stadt entwickelte sichim Gegensatz zu Laupen prächtig und es entstand eineStadtgemeinde mit wichtigen Freiheiten. Die Burg blieb –wie Laupen – ein Herrschaftszentrum bis zum heutigenTag, tagen doch die Regierung und das Parlament desKantons Neuenburg (Neuchâtel) an diesem Ort. Wiederhaben wir hier die Distanz von Burg und Stadt und dieerhöhte, beherrschende Lage.78 <strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3


Armand Baeriswyl – Zum Verhältnis von Stadt und Burg im Südwesten des Alten Reiches5: Das vieltürmige SchlossBurgdorf über der Stadtim 17. Jahrhundert. Vedutevon Matthäus Merian.Auch Burgdorf 25 gehört in diese Reihe. Die Burg ist im11. Jh. erstmals fassbar. Sie war damals ein Stützpunktdes Gegenkönigs Rudolf von Rheinfelden. 1090 wurdesie Teil des Allodialguts der Herzöge von Zähringen. ZuFüssen dieser Burg wurde um 1200 eine Stadt gegründet.Burgdorf diente den hochadligen Nachfolgern der Zähringerals Residenz, und nach dem Übergang an Bernwurde es zum Landvogteisitz. Heute ist die Burg wie LaupenSitz der Verwaltung eines kantonalen Amts mit einemRegierungsstatthalteramt und einem Obergericht samtRegionalgefängnis 26 (Abb. 5). Burgdorf ist aber auch einsehr anschauliches Beispiel für die nächste, mit der vorangegangenenverbundenen These.Vierte These: Manchmal entstehen Burgen, die älter sindals die zugehörigen Städte, im Zusammenhang mit derStadtwerdung neu. Das kann sich mit einer Funktionsänderunghin zur Residenzburg verbinden.Weder die Burg Burgdorf der Herren von Rheinfeldennoch die damalige Burgsiedlung können sehr bedeutendgewesen sein, da eine zugehörige Pfarrkirche fehlt. Imspäten 12. Jh. bauten die Zähringer ihre Macht in Burgunddurch die Gründung bzw. Erhebung von Städtenund den Bau von Burgen aus. Auch in Burgdorf wurdeum 1200 eine völlig neue Burganlage erbaut, die aufgrundihrer Form und Grösse – grosses Donjon-artigesSaalgeschosshaus, Halle, zwei Burgkapellen – als Residenzburgbezeichnet werden kann. Gleichzeitig entstandneben der bestehenden Vorburgsiedlung eine neue Stadt.Auch hier finden sich wieder die erhöhte, beherrschendeLage und die Distanz von Burg und Stadt, die hier durchdie abgerückte Platzierung der Stadt von Burg und Vorburgsiedlungnoch zusätzlich betont wurde.Diese Vorgänge werden von der Forschung als Schaffungeines zentralen Orts des zähringischen Burgund interpretiert.Zentrum war die neue Burg, die von ihrem architektonischenAnspruch und von ihrer Grösse und Aus-22Bloesch 2003 (wie Anm.15) 242f.23Hermann Rennefahrt (Bearb.), Die Rechtsquellen des Kantons Bern.Zweiter Teil: Landrechte, Bd. 5: Das Recht des Amtsbezirks Laupen.Sammlung <strong>Schweizerischer</strong> Rechtsquellen II. Abteilung (Aarau1995); Anne-Marie Dubler, Laupen (BE). In: Historisches Lexikonder Schweiz [elektronische Publikation HLS], Version vom 14.9.2005(Bern 2005).24Die folgenden Angaben beruhen hauptsächlich auf mündlichen Auskünftenvon Christian de Reynier (Service de la protection des monumentset des sites du Canton de Neuchâtel), der an einer Dissertationüber das Schloss Neuenburg arbeitet.25Baeriswyl 2003 (wie Anm. 2).26Eine am 24. September 2006 vom bernischen Volk angenommeneVolksabstimmung über eine Verwaltungsreform wird die Anzahlder Amtsbezirke massiv reduzieren. Das wird dazu führen, dass dasSchloss Burgdorf nach über 800-jähriger Tradition diesen Statusverliert. Die Konsequenzen für Burgdorf und die übrigen knapp 20historischen Anlagen, die bis heute als Amtssitze der Regierungsstatthalterund der Obergerichte dienen, sind noch nicht klar.<strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 379


Armand Baeriswyl – Zum Verhältnis von Stadt und Burg im Südwesten des Alten Reiches6: Die Stadt Murten. Blicknach Südosten. Im Vordergrunddie savoyische Stadtburg,diagnonal dahinterdie französische Kirche.stattung her dazu geeignet war, einen herzoglichen Hofaufzunehmen. Der Vergleich der Anlage von Burgdorfmit der gleichzeitig und vom selben Zähringer errichtetenStadtburg Nydegg zu Bern – 30 km weiter westlich – istsehr aufschlussreich. Gleichzeitig mit der Burg wurde dieStadt Burgdorf angelegt, die zwar nicht gross war, beiBedarf aber die Infrastruktur für den Hof liefern konnte.In dieser Stadt entstand dazu eine grosszügige Stadtkirche,deren Dimensionen klar beweisen, dass sie nicht fürdie Bedürfnisse einer kleinen Gründungsstadt, sondernfür diejenigen der herzoglichen Burg konzipiert war.Ein weiteres Beispiel für derartige Vorgänge ist die Burgvon Yverdon. 1235 errichtete Graf Amadeus von Montfaucon-Montbéliardnahe des alten Pfarrdorfes Yverdon 27eine Turmburg an der Zihl, um den wichtigen Wasserwegentlang des Jurasüdfusses zu kontrollieren. NachdemGraf Peter von Savoyen im Zug seiner Ostexpansion undHerrschaftsintensivierung um 1250 die Herrschaft erworbenhatte, baute er Yverdon zu einem zentralen Ort aus.Dafür wurde die Turmburg abgebrochen und an ihrerStelle ab 1259 die heutige Kastellburg errichtet. Sie warvon ihrem architektonischen Anspruch und ihrer Ausstattungher als Residenz konzipiert und besass eine grosseHalle (Aula) mit zugehöriger Küche, eine repräsentativeKapelle, eine camera domini mit beheizbarer Stube(stupha) und eigener herrschaftlicher Küche. Weitereherrschaftliche Räume lagen im Rundturm in der südöstlichenEcke. Gleichzeitig mit dem Burgenbau gründeteder Graf von Savoyen die gleichnamige Stadt; das altePfarrdorf fiel wüst.Stadtburgen, die erst nachträglich in bestehendeStädte hinein gesetzt wurdenGibt es Städte, in denen die Burgen erst nachträglich entstanden?Auf den ersten Blick scheint die Frage eindeutigbejaht werden zu können. Alle mir bekannten Beispielezeigen aber, dass diese neu errichteten Burgen nur Nachfolgervon Vorgängeranlagen waren, die anderswo inoder bei der Stadt gelegen hatten und im Zusammenhangmit der Erbauung der neuen Burgen aus dem Stadtbildverschwanden.80 <strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3


Armand Baeriswyl – Zum Verhältnis von Stadt und Burg im Südwesten des Alten ReichesFünfte These: Stadtburgen, die jünger als die zugehörigenStädte sind, ersetzten ältere Burgen einer anderen Herrschaft.Diese älteren Burgen lagen an anderen Standortenin der Stadt und verschwanden.Das einzige schweizerische Beispiel für diese These istMurten FR. 28 Die zähringische Gründungsstadt 29 , ab1218 staufische Königsstadt, stellte sich nach dem Endeder Staufer 1255 unter den Schutz der Savoyer, die inebendieser Zeit aktiv versuchten, eine Herrschaftspositionin Burgund aufzubauen, und sich von der Übernahmevon derartigen Protektoraten – Murten war nicht daseinzige – offenbar etwas versprachen. In diesen Zusammenhanggehört der Neubau der Stadtburg, die ab 1255in der Nordwestecke der Stadt entstand (Abb. 6). EineUrkunde überliefert, dass Graf Peter von Savoyen imJuli 1255, unmittelbar nach der Machtübernahme, dasdamals unbebaute Gelände neben dem westseitigen Stadttorvon einem Stadtbürger kaufte. Spuren einer älterenBurg fehlen. Sie wird von der Forschung in der Ecke derStadt vermutet, die der Savoyer Burg diagonal gegenüberliegt.An dieser Stelle steht heute eine wohl im späten14. Jh. gestiftete Kapelle, die sog. deutsche Kirche, derenChorturm in die Stadtmauer eingebunden ist und auch alsBefestigungsturm diente. Er gilt in der lokalen Überlieferungals Rest eines zähringischen Bergfrieds. Überprüfenlässt sich das heute nicht mehr, da der Turm 1681–83a fundamento neu errichtet wurde. 30 Da es nicht einzusehenist, warum die Zähringer ausgerechnet Murten alseinzige ihrer Städte nicht mit einer Stadtburg ausgestattethaben sollen, ist eine ältere Burg wahrscheinlich. Vielleichtam vermuteten Ort. Der Grund für die Verlegungder Burg durch die Savoyer ist nicht bekannt. Vielleichtwollten sie bewusst nicht an das Symbol der zähringischenStadtherrschaft anknüpfen, sondern neue Zeichensetzen? Oder es gab eine andere, wie auch immer gearteteNotwendigkeit für die Verlegung?Städte ohne Stadtburgen?Gab es Städte ohne Stadtburgen? In der Literatur wirddas jedenfalls behauptet. Spätestens jetzt stellt sich dieFrage nach der Definition der Stadtburg. Ausgehend vonden bisherigen Ausführungen schlage ich eine Definitionvor, die bauliche, funktionale, topografische und rechtlicheAspekte aufweist. Ausserdem plädiere ich zum jetzigenZeitpunkt, an dem die Forschung erst am Beginn dereingehenden Beschäftigung mit dem Thema steht, für einemöglichst umfassende und offene Definition.Definition: Eine Stadtburg ist ein architektonisch ausgezeichneterund mehr oder weniger stark separat befestigterGebäudekomplex, der als Sitz des Stadtherrnoder seines Stellvertreters dient. Dementsprechend sinddie stadtherrlichen Rechte an die Burg gebunden. DasAreal ist darüber hinaus auch ein Sonderrechtsbezirk.Die Stadtburg liegt nicht notwendigerweise in der Stadtselbst oder an ihrem Rand, sondern unter Umständenauch in einiger Distanz zu ihr.Ausgehend von dieser Definition können wir uns nunwieder der Frage nach dem angeblichen Fehlen von Stadtburgenzuwenden. Es zeigt sich rasch, dass bei der Suchenach einer Antwort zwischen drei verschiedenen Gruppenvon Städten unterschieden werden muss.Erstens gibt es Städte, die aufgrund von schriftlichenNennungen zwar eine Stadtburg besassen, wo diese aberso radikal aus dem Stadtbild getilgt worden ist, dass mannichts mehr über ihre Anlage weiss, ja nicht einmal mehrihren Standort kennt. So ist die kiburgische Stadtburg vonWinterthur spurlos verschwunden. 31 Sie wurde wohl bei27Daniel de Raemy, Châteaux, donjons et grandes tours dans les Etatsde Savoie (1230–1330). Un modèle: le château d’Yverdon, 2 Bde.Cahiers d’archéologie romande 98 / 99 (Lausanne 2004).28Als weitere Beispiele im Alten Reich wären Wien zu nennen (IngeborgGaisbauer / Paul Mitchell / Doris Schön, Forschungen zummittel alterlichen Wien. Neuansätze und Verpflichtungen zum Weiterdenken.In: Österreichische Gesellschaft für <strong>Mittel</strong>alterarchäologie[Hrsg.], Beiträge zur Historischen Archäologie. Festschrift für SabineFelgenhauer-Schmiedt. Beiträge zur <strong>Mittel</strong>alterarchäologie in Österreich,Beiheft 6 [Wien 2003] 125–140; Paul Mitchell, Vienna’s lostcastle – Topography and lordship in the early city. In: Guido Helmig /Barbara Scholkmann / Matthias Untermann (Hrsg.), Centre – Region –Periphery. Medieval Europe, Basel 2002, Bd. 2. 3. InternationalerKongress der Archäologie des <strong>Mittel</strong>alters und der Neuzeit. PreprintedPapers [Hertingen 2002] 200–205) oder Straubing in Bayern, vgl.Karl Bosl (Hrsg.), Straubing. Das neue und das alte Gesicht einerStadt im altbayerischen Kernland (Straubing 1968).29Hermann Schöpfer, Die Kunstdenkmäler des Kantons Freiburg,Land, Bd. 5, Der Seebezirk II (Basel 2000).30Die Bauuntersuchung hat diese Aussage aus den Schriftquellen bestätigt.31Freundliche Mitteilung Peter Niederhäuser, Winterthur.<strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 381


Armand Baeriswyl – Zum Verhältnis von Stadt und Burg im Südwesten des Alten Reichesder Machtübernahme der Habsburger abgebrochen. Dielokale Tradition, die den Standort mit einem über derStadt gelegenen Chorherrenstift Heiligberg, das nach derReformation verschwand, gleichsetzt, ist ohne Belege.Auch der Standort der Stadtburg von Schaffhausen, die1098 als Sitz des Vogtes erwähnt wird, ist nicht mehrbekannt. Die Vermutung, sie sei beim Obertor zu finden,stützt sich auf die Tatsache, dass dort der höchste Punktder erste Stadtanlage war und früh mit Ziegeln gedeckteSteinbauten standen. 32 Der Standort der Stadtburg vonSursee LU wurde bisher in der Nordwestecke der Stadt,im Bereich des ehemaligen St.-Urban-Hofes, vermutet.Dort kürzlich erfolgte Ausgrabungen haben nun abergezeigt, dass die Stadtburg an einem anderen Ort gesuchtwerden muss 33 , vielleicht doch an der Stelle des neben derKirche gelegenen Murihofes. 34Die zweite Gruppe umfasst die Städte mit geistlichemOberhaupt. Deren Herren, Äbte oder Bischöfe, lebten inentsprechenden Residenzbauten in ihren Klöstern undDomburgen (sic!). Diese waren meist separat befestigtund können so durchaus als Stadtburgen im Sinne derDefinition verstanden werden. Stadtburgen im herkömmlichenSinne fehlen aber. So weisen weder St. Gallen undLuzern (Benediktinerabteien) noch Chur und Lausanne(Bischofssitze) eine typische Stadtburg auf, und auch dieangebliche Stadtburg Tanneck von Basel scheint eine Sageohne historischen Kern zu sein, wie die archäologischenUntersuchungen im Bereich des vermuteten Standortes«Lohnhof» gezeigt haben. 35 Stattdessen gab es in diesenStädten wehrhafte, mit Mauern und Türmen umgebene,topografisch günstig gelegene Domburgen bzw. Klosterbezirke.Allerdings gibt es Beispiele dafür, dass ein Bischof, dersich in seinem Kathedralbezirk nicht mehr sicher genugfühlte, nachträglich eine «richtige» Stadtburg errichtete.So gab es in Sitten und in Genf ursprünglich nur ummauerteKathedralbezirke. Im Lauf des 13. Jh. entstanden mitder Burg Tourbillon in Sitten 36 und dem château de l’Ilein Genf 37 nachträglich bischöfliche Stadtburgen.Ferner konnte beim Übergang einer geistlich beherrschtenStadt in die Hände eines weltlichen Stadtherrn eine Stadtburgneu entstehen. So in der Stadt Solothurn 38 , einemspätrömischen Kastell an einer Aarebrücke, das seit dem480.00476.00müM480.00476.00müM3SüdfassadeUK TuffOstfassadeHinterstädtliNUK Tuff7: Wiedlisbach. Ansicht der Süd- und der Ostfassade mit denBiforen und dem knapp 10 m über dem Stadtinnenniveaugelegenen Hocheingang.82 <strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3


Armand Baeriswyl – Zum Verhältnis von Stadt und Burg im Südwesten des Alten ReichesFrühmittelalter ein Stützpunkt der burgundischen Königewar. Diese errichteten vor 870 im römischen Gräberfeldan der Ausfallstrasse ein Chorherrenstift und unterstelltendie werdende Stadt dem Propst. Beim Übergang desregnum Burgund ans Reich wurde Solothurn 1032 deutscherKönigsbesitz. Seit 1127 verwalteten die Herzögevon Zähringen dieses regnum im Auftrag des deutschenKönigs. Als Herzog Bertold V. im späten 12. Jh. seineHerrschaft in Burgund auszudehnen begann, bedienteer sich ungeniert an Königsrechten und Königsgut. Erbaute Solothurn zum zähringischen Stützpunkt aus underrichtete am höchsten Punkt des Geländes um 1200 eineTurmburg nach Art der spätzähringischen Donjons 39 . Eshandelt sich um die erste Stadtburg in Solothurn. Zuvorwar das ummauerte Stift der Ort der Herrschaft gewesen,und es ist anzunehmen, dass der König, wenn er in derStadt zu Besuch war, ein Gästehaus im Stiftsareal zurVerfügung hatte. 40Die dritte Gruppe von Städten, die scheinbar ohne Stadtburgsind, besteht aus Fällen, in denen alle Hinweise darauffehlen, dass es überhaupt je eine Stadtburg gegebenhätte. Fast immer sind es Kleinst- oder Minderstädte. 41Aber auch dort gab es lokale Vertreter des Stadtherrn.Verschiedene archäologische Untersuchungen lassenannehmen, dass sie in einem Festen Haus sassen, dessenarchitektonische Auszeichnung oft nur darin bestand,dass es sich um das grösste Haus des Städtchens handelteoder dass es das einzige war, welches aus Stein bestand.Ausserdem hob es sich durch seine topografische Positionneben dem Haupttor sowie durch seine Befestigung hervor,die sich aber auf eine einfache Palisade oder gar nureinen schlichten Hocheingang beschränken konnte.So fällt in Wiedlisbach BE, einer um 1240 entstandenenkleinen Gründungsstadt der Grafen von Froburg, dergründungszeitliche nordwestliche Eckturm der Stadtbefestigung– der einzige übrigens neben den beiden Tortürmen– durch seine Form auf: Es handelt sich um einenWohnturm mit Hocheingang und Biforenbefensterung. 42Vermutlich war es der Sitz des Stadtvogts (Abb. 7). Wenigerklar ist die Lage in Unterseen BE, einer Stadtgründungder Freiherren von Eschenbach aus dem Jahr 1279. Dortfanden sich bei archäologischen Untersuchungen sowohldirekt neben dem süd- sowie neben dem nordseitigen Torje ein Steinhaus, welches aufgrund seiner Dimensionen,die weit über die aller anderen gründungszeitlichen Bautender Stadt hinausgingen, als mutmasslicher Sitz desStadtvogts in Frage käme. 43 Im Städtchens Wangen an der32Markus Höneisen (Hrsg.), Geschichten aus dem Boden. SchaffhauserArchäologie des <strong>Mittel</strong>alters. Katalog der Ausstellung im Museum zuAllerheiligen Schaffhausen (Schaffhausen 2002) 63.33Freundliche Auskünfte der Ausgräber Fabian Küng und Jürg Manser,Kantonsarchäologie Luzern.34So etwa Stefan Röllin in: Uta Bergmann / Stefan Röllin, Sursee.Schweizerische Kunstführer 593–595 (Bern 1996).35Christoph Ph. Matt, Rund um den Lohnhof. Die ArchäologischenInformationsstellen Lohnhof, Leonhardskirchturm, Teufelhof, Leonhardsgraben43. Archäologische Denkmäler in Basel 2 (Basel 2002)2–3.36Robert Walpen, Der Kanton Wallis. In: Institut für Denkmalpflegean der ETH Zürich (Hrsg.), Stadt- und Landmauern, Bd. 2: Stadtmauernin der Schweiz. Kataloge, Darstellungen. Veröffentlichungendes Instituts für Denkmalpflege an der ETH Zürich 15 (Zürich 1996)319–336, hier 323.37Charles Bonnet / Philippe Broillet / Jacques Bujard u. a., Le Cantonde Genève. In: Institut für Denkmalpflege an der ETH Zürich (Hrsg.),Stadt- und Landmauern, Bd. 2: Stadtmauern in der Schweiz. Kataloge,Darstellungen. Veröffentlichungen des Instituts für Denkmalpflegean der ETH Zürich 15 (Zürich 1996) 127–147, hier 131.38Benno Schubiger, Die Kunstdenkmäler des Kantons Solothurn, DieStadt Solothurn, Bd. 1, Stadtbefestigung (Basel 1994); Institut fürDenkmalpflege an der ETH Zürich (Hrsg.), Solothurn. Beiträge zurEntwicklung der Stadt im <strong>Mittel</strong>alter. Veröffentlichungen des Institutsfür Denkmalpflege an der ETH Zürich 9 (Zürich 1990).39Zettler 1990 (wie Anm. 3).40Eine sog. Klosterpfalz. Vgl. dazu Suse Baeriswyl, Studien zum Hausdes Königs im Kloster. Das palatium regale in Säckingen, unpubl.Magisterarbeit Universität Freiburg i. Br. 1999; Michaël Wyss, DieKlosterpfalz Saint-Denis im Licht der neuen Ausgrabungen. In: LutzFenske (Hrsg.), Deutsche Königspfalzen. Beiträge zu ihrer historischenund archäologischen Erforschung, Bd. 5: Splendor palatii.Neue Forschungen zu Paderborn und anderen Pfalzen der Karolingerzeit.Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte11, 5 (Göttingen 2001) 175–192.41Edith Ennen, Die sog. «Minderstädte» im mittelalterlichen Europa.In: Edith Ennen, Gesammelte Abhandlungen zum europäischenStädtewesen und zur rheinischen Geschichte, Bd. 2 (Bonn 1987)70–85; Heinz Stoob, Minderstädte. Formen der Stadtentstehung imSpätmittelalter. In: Heinz Stoob, Forschungen zum Städtewesen inEuropa, Eine Aufsatzfolge, Bd. 1: Räume, Formen und Schichten dermitteleuropäischen Städte (Köln/ Wien 1970) 226–245. Es gibt sicherauch Beispiele von grösseren Städten. Zu nennen wäre hier etwa dieDoppelstadt Berlin-Cöln: Adriaan von Müller, Die Archäologie Berlins(Bergisch Gladbach 1986); Goerd Peschken, Berlin, Eine Residenzwird errichtet, Berlin bis 1800. Berliner Topografien 1(Berlin 1987).42Adriano Boschetti-Maradi / Martin Portmann, Das Städtchen Wiedlisbach.Bericht über die archäologischen Untersuchungen bis ins Jahr2000. Schriftenreihe der Erziehungsdirektion des Kantons Bern (Bern2004) 25–27.43Daniel Gutscher / Barbara Studer, Gegner am Rande: Kleinstadtgründungen.In: Rainer C. Schwinges (Hrsg.), Berns mutige Zeit,Das 13. und 14. Jahrhundert neu entdeckt (Bern 2003) 186–194,hier 191–194.<strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 383


Armand Baeriswyl – Zum Verhältnis von Stadt und Burg im Südwesten des Alten ReichesAare, das in der ersten Hälfte des 13. Jh. von den Grafenvon Kiburg gegründet worden ist, steht ein vergleichbaresSteinhaus noch heute neben dem zur Aarebrücke führendenHaupttor 44 (Abb. 8). Es ist im Gegensatz zu den Bautenvon Wiedlisbach und Unterseen in den Schriftquellenals Vogteisitz belegt. Weitere solcher Festen Häuser alsSitz des Vogtes finden sich etwa in den Kleinstädten Alt-Eschenbach LU 45 , Neunkirch SH 46 und Laufen BL 47 .Damit soll die Antwort auf die Frage nach den Städtenohne Stadtburg in Form einer These gegeben werden:bestand architektonisch oder befestigungstechnisch sowenig abheben, dass sie nicht als solche erkannt werden(können).Kontinuität und Diskontinuität bei StadtburgenSo wendungsreich wie die Geschichte jeder Stadt – mitwechselnden Herrschaften im Laufe der Jahrhunderte –war auch die Geschichte der dazugehörigen Stadtburg:von der materiellen und funktionalen Kontinuität bis hinzum – wir haben es erwähnt – spurlosen Abgang.Sechste These: Grundsätzlich muss davon ausgegangenwerden, dass eine mittelalterliche Stadt immer eine Stadtburgbesass. Wenn eine solche nicht bekannt ist, so ist sieso früh abgegangen, dass man nichts mehr von ihr weissund auch die Archäologen noch nicht zufällig darübergestolpert sind. Möglich ist aber auch, dass es sich umderart einfache Bauten handelt, die sich im heutigen Bau-8: Wangen an der Aare. Vedute von S. Ougspurger von 1751.Blick nach Süden. Eingekreist das Vogteischloss.Siebte These: Das Fortbestehen von Stadtburgen hängtin erster Linie davon ab, inwieweit die Durchsetzung derHerrschaft an den Ort der Stadtburg gebunden ist, wie esalso um die jeweilige Kontinuität des Ortes und allenfallsauch der Architektur bestellt ist.Viele Stadtburgen dienten über Jahrhunderte hinweg alsSymbol und Sitz des Stadtherrn oder seines Stellvertreters,obwohl die Inhaber der Herrschaftsrechte durchauswechselten: Der neue Stadtherr oder sein Stellvertreterzog in die bestehende Burg ein. Teilweise besteht eineKontinuität bis zum heutigen Tage, so in Laupen undBurgdorf oder in Neuenburg. Diese Kontinuität als dasalthergebrachte Symbol und der Sitz der Herrschaft istder Normalfall für die Architekturform Stadtburg.Entscheidend dabei ist aber die symbolische Kontinuität,die Verbindung von Ort und Herrschaft. Burgen oderTeile davon wurden als Folge neuer Wohn-, Lebens- undRepräsentationsformen oder geänderter Funktionen vonihren neuen Besitzern nicht nur hemmungslos umgebautund erweitert, sondern auch oft abgebrochen, die neuenBauten entstanden aber am selben Ort.Manchmal allerdings wünschte die neue Herrschaftoffenbar keine Kontinuität. Die alte Burg verschwandund die neue Burg entstand an einem anderen Ort neu, sowie beschrieben in Murten. Eine neue Herrschaft löschtebewusst das Symbol der alten Herrschaft aus und setztearchitektonisch wie topografisch neue Zeichen.Für die heutige Schweiz ist zu beobachten, dass in einemGrossteil aller Städte die Burg früher oder später in dieHände der Bürgerschaft überging. Allerdings darf nichtjede Übernahme der Stadtburg durch einen städtischen84 <strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3


Armand Baeriswyl – Zum Verhältnis von Stadt und Burg im Südwesten des Alten Reiches9. Solothurn. Veduteder Stadt Aus JohannesStumpfs SchweizerChronik von 1549.Der Donjon der ehemalszähringischenStadtburg, späternordöstlicher Eckturmder Stadtbefestigung.Eine Explosion desdort untergebrachtenPulvermagazins imJahr 1546 zerstörteden Turm vollständig.Rat als Akt der Befreiung vom Stadtherrn verstandenwerden. Ziel der Kommune war es meistens, in den Besitzder an der Burg hängenden Herrschaftsrechte zu kommenund den Geltungsbereich des Stadtrechts über zurBurg gehörende Sonderrechtsbezirke, wie BurgmannenoderGewerbesiedlungen, auszudehnen. Darüber hinausmag im Einzelfall der Wunsch, den Sitz des Herrn nichtmehr intra muros zu haben, ebenfalls eine Rolle gespielthaben. 48Es gibt Beispiele von gewaltsamen Zerstörungen durchdie Bürgerschaft – ein Abbruch schaffte auch damalsschon Fakten –, meistens aber gelangte die Stadtburgdurch Kauf in die Hände der Kommune, oft als dinglichesZubehör zur Stadtvogtei oder anderen Herrschaftsrechten,dem eigentlichen Objekt des Interesses.Da das Rathaus das architektonische Zeichen der Macht,der Herrschaft und des Reichtums der Bürger war, störtedie Burg mit ihrer anders konnotierten Architektur. Lagder Bürgerschaft an der Kontinuität des Ortes, wurdedas Rathaus an der Stelle der abgebrochenen Stadtburgoder unter Verwendung von Teilen dieser Burg errichtet,so in Freiburg FR 49 , Aarau, Biel oder Sempach LU 50 .In diesen Zusammenhang gehört auch der Lindenhof in44Daniel Gutscher / Martin Portmann, Archäologische Beobachtungenim Städtli Wangen an der Aare: Jahrbuch des Oberaargaus, 2000,47–70.45Jürg Manser, Kanton Luzern. In: Institut für Denkmalpflege an derETH Zürich (Hrsg.), Stadt- und Landmauern, Bd. 2, Stadtmauernin der Schweiz. Kataloge, Darstellungen. Veröffentlichungen desInstituts für Denkmalpflege an der ETH Zürich 15 (Zürich 1996)167–185, hier 168; Judith Rickenbach, Alt-Eschenbach. Eine spätmittelalterlicheStadtwüstung. Archäologische Schriften Luzern 3(Luzern 1995).46Martina Stercken (Bearb.), Neunkirch. Historischer Städteatlas derSchweiz 2 (Zürich 1997).47Jochem Pfrommer / Daniel Gutscher, Laufen Rathausplatz. Einehölzerne Häuserzeile in einer mittelalterlichen Kleinstadt. Hausbau,Sachkultur und Alltag. Schriftenreihe der Erziehungsdirektion desKantons Bern (Bern 1999).48Zotz 1999 (wie Anm. 4) 64; Baeriswyl 2003 (wie Anm. 2) 209–211.49Gilles Bourgarel, Le Canton de Fribourg. In: Institut für Denkmalpflegean der ETH Zürich (Hrsg.), Stadt- und Landmauern, Bd. 2:Stadtmauern in der Schweiz. Kataloge, Darstellungen. Veröffentlichungendes Instituts für Denkmalpflege an der ETH Zürich 15(Zürich 1996) 101–126; Gilles Bourgarel, Fribourg, Le Bourg defondation sous la loupe des archéologues. Archéologie fribourgeoise –Freiburger Archäologie 13 (Freiburg / Ü. 1998).50Adolf Reinle, Die Kunstdenkmäler des Kantons Luzern, Bd. 4 (Basel1963, 367).<strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 385


Armand Baeriswyl – Zum Verhältnis von Stadt und Burg im Südwesten des Alten ReichesZürich 51 , wo der Platz der ehemaligen Stadtburg nachihrem Abbruch bewusst frei gehalten wurde. Die Stadtbürgerdemonstrierten durch die Übernahme bzw. Freihaltungdes symbolischen Ortes des Stadtherrn, wer nunInhaber der Stadtrechte war.In der Mehrzahl aller Fälle lag das neue Machtzentrum,das Rathaus, an einer anderen Stelle 52 , und die mit derStadtburg verbundenen Herrschaftsrechte wurden aufdas Rathaus oder, so etwa in Aarau, auf den Kirchhofübertragen. Was blieb, war eine Gebäudehülle, derenweiteres Schicksal sehr unterschiedlich war. Manchmalwurde sie ersatzlos abgebrochen, manchmal wurde sievon der Stadt weiter genutzt, meistens als Teil der Stadtbefestigung,so der Turm des Unterhofs in Diessenhofen,die Stadtburg Nidegg von Solothurn 53 , dort noch in Kombinationmit einer Nutzung als städtisches Pulverlager(Abb. 9). Manchmal wurden die Gebäude, durch denAbbruch der Ringmauern und das Zuschütten der Gräbenihrer potenziell gegen die Stadt gerichteten Wehrhaftigkeitentkleidet, an Private verkauft, die sie, so etwa inDiessenhofen, als Wohnbauten benutzen.AusblickBereits eine kursorische Durchsicht der verschiedenenmittelalterlichen Städte der Schweiz unter dem Blickwinkeldes Verhältnisses von Stadt und Stadtburg machteiniges klar.1. Zwar ist die Burg oft älter als die zugehörige Stadt,es gibt aber genug Beispiele für die gleichzeitige Entstehungvon Burg und Stadt, so dass dies nicht als selteneAusnahme, sondern auch als Regelfall in Frage kommenkann.2. Die Stadt machte die Burg als Bauform nicht überflüssig;deswegen ist das auch keine Erklärung für das –scheinbare – Fehlen einer Stadtburg.3. Es kann im Gegenteil davon ausgegangen werden,dass eine Stadt im Normalfall eine Stadtburg besass,und zwar im Sinn eines architektonisch ausgezeichnetenund separat befestigten Sitzes des Stadtherrn oder seinesStellvertreters, sei dies eine «klassische» Burg, eine Domburg,ein ummauerter Klosterbezirk oder – vor allem inKlein- und Kleinststädten – ein mehr oder weniger starkbefestigtes Festes Haus.4. Mit der Stadtgründungswelle des 12.–14. Jh. scheintein Typ von Burg entstanden zu sein, der als Teil derstädtischen Infrastruktur zu verstehen ist.5. Ein Herrschaftswechsel führte meistens dazu, dass derneue Stadtherr die Burg übernahm. Er konnte aber auchzu einem Bruch führen: Eine neue Burg entstand an einemanderen Ort der Stadt, während die alte Burg abgebrochenwurde und verschwand.6. Die Dynamik der wachsenden und politisch erstarkendenStadt führte oft zur Entstehung einer starken Kommune,die zum Konkurrenten des Stadtherrn wurde. AmEnde konnte die friedliche oder gewaltsame Übernahmeder Burg stehen. Diese Übernahme darf nicht als Akt derBefreiung vom Stadtherrn verstanden werden. Meist ginges dem Rat dabei darum, in den Besitz der entsprechendenHerrschaftsrechte zu kommen und / oder den Geltungsbereichdes Stadtrechts auszudehnen. In der Folge wurde dieBurg als Gebäude weiter benutzt oder durch ein Rathausan ihrer Stelle ersetzt. Öfter aber entstand das Rathauswoanders neu. Die Burg wurde dann nach der Ablösungder daran haftenden Rechte entweder abgebrochen, odersie fand je nach Eignung neue Verwendungszwecke alsWohnbau, Teil der Stadtbefestigung oder Lagerraum.Diese Zeilen sind nicht mehr als eine erste flüchtigeSkizze. Eine umfassende Beschäftigung mit dem PhänomenStadt und Burg müsste nicht nur mehr in dieTiefe, sondern auch in die Breite gehen. Die Fragen nachden Burgmannensiedlungen und den Vorburgarealensollten dabei genauso gestellt werden wie die nach derBurgwirtschaft (Höfe, Allmenden, Mühlen etc.). Fernerwären die Adelshöfe in den Städten und ihre Abgrenzungzur Stadtburg zu thematisieren. Auch das Themades Verhältnisses von Burg- und Stadtbefestigung wurdenur gestreift. Überhaupt müsste die Frage der topografischenLage von Burg und Stadt zueinander ausführlicherbehandelt werden.RésuméRien qu’un rapide examen des différentes villes médiévales deSuisse sous l’angle du rapport entre ville et citadelle met enlumière certains aspects.1. Le château est certes souvent plus ancien que la ville attenante.Il existe pourtant assez d’exemples de fondations conjointes86 <strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3


Armand Baeriswyl – Zum Verhältnis von Stadt und Burg im Südwesten des Alten Reichesd’un château et d’une ville, pour qu’elles ne restent pas de raresexceptions, mais puissent aussi être considérées comme casordinaire.2. La ville ne rendait pas le château superflu dans son apparenced’ensemble, ainsi cela ne peut pas être une explication pourl’ – apparente – absence d’une citadelle.3. Au contraire, on peut partir du principe qu’une ville possédaitnormalement une citadelle et ceci dans l’esprit d’un siègepour le seigneur de ville, ou son représentant, distinctif au niveauarchitectonique et fortifié séparément, qu’il s’agisse d’unchâteau «classique», d’une cathédrale fortifiée, d’un domainemonastique emmuré ou – notamment dans les villes de petitetaille – d’une maison forte plus ou moins fortifiée.4. Avec la vague de fondation urbaine des XII e –XIV e siècles, untype de château semble être apparu, qui est à concevoir commepartie intégrante de l’infrastructure de la ville.5. Le changement de souverain impliquait en principe que lenouveau seigneur de ville reprenne le château. Mais il pouvaitégalement conduire à une rupture: un nouveau château étaitconstruit à un autre endroit de la ville, tandis que l’ancien châteauétait démoli et disparaissait.6. La dynamique d’une municipalité croissante et politiquementfortifiée conduisait souvent à la naissance d’une forte communautéurbaine, qui faisait concurrence au seigneur de ville. Ilpouvait finalement en découler la remise du château, paisibleou violente. Cette remise ne doit pas être considérée commeun acte de libération de la dominance du seigneur de ville. Laplupart du temps, le Conseil cherchait ainsi à acquérir les droitsde souveraineté correspondants et/ou à élargir le champ d’applicationdu droit de cité. Par la suite le château continuait àêtre utilisé comme bâtiment ou il était remplacé par un hôtelde ville. Souvent pourtant, l’hôtel de ville était construit à unlieu différent. Dans tel cas le château était, après la reprise desdroits y relatifs, soit détruit ou utilisé selon ses caractéristiquescomme bâtiment d’habitation, partie de la fortification de laville ou entrepôt.Sandrine Wasem (Thoune)RiassuntoUna verifica superficiale delle varie città medievali della Svizzera,che si basa sul rapporto tra città e castello, permette di farluce su alcuni aspetti importanti.1. Spesso il castello è più antico del tessuto urbano in cui èinserito. Tuttavia vi sono anche molti esempi in cui il castelloè sorto contemporaneamente alla città. Tale fenomeno non èraro, ma può venir considerato anche come una prassi abbastanzadiffusa.2. La città nel suo insieme non faceva apparire il castello comeuna costruzione superflua. Pertanto l’assenza di un castello neltessuto urbano non può essere ricondotta all’idea di superfluità.3. Si può invece affermare che solitamente nella città esistevaun castello. Si trattava di una residenza fortificata separata dalresto della città, caratterizzata da elementi architettonici eccellenti.In queste residenze, che potevano essere un castello insenso «classico», una cattedrale fortificata, un convento cintoda mura, oppure nelle città minori anche solo una casaforte,risiedeva un balivo o un suo ministeriale.4. Tra il XII e il XIV secolo, con la crescente fondazione di nuovecittà, sembrerebbe essere esistito anche un tipo di castello,che è da interpretare come parte integrante dell’infrastrutturaurbana.5. Con il passaggio di una città nelle mani di un nuovo signore,spesso il castello preesistente veniva scelto come sede daquest’ultimo. In certi casi però il signore locale faceva erigere unnuovo castello, in un altro angolo della città, mentre il fortiliziopiù antico, già esistente, veniva smantellato completamente.6. La crescente espansione e il conseguente rafforzamento politicodelle città contribuirono spesso alla nascita di potenticomuni, che entrarono in concorrenza con gli interessi delsignore locale. Accadeva anche che il comune prendesse il castellocon la forza, soprattutto quando il signore locale nonvoleva cedere il suo fortilizio alla città. Il passaggio del castellonelle mani del comune non deve essere tuttavia considerato unatto di liberazione dal dominio di un signore locale. Spesso ilconsiglio cittadino mirava ad appropiarsi dei diritti legati allasignoria oppure di estendere il campo di applicazione del dirittomunicipale. Di conseguenza il castello trovò un nuovo utilizzooppure veniva sostituito da un palazzo comunale. Moltospesso però il municipio veniva costruito in un altro quartieredella città. Il castello, privato dei diritti feudali legati ad esso,veniva demolito, o a seconda delle esigenze trasformato in unacomune abitazione, in magazzino, oppure integrato nelle operedi difesa urbane.Christian Saladin (Basilea)ResumaziunGia in’examinaziun superfiziala da la relaziun tranter la citade la citadella en las differentas citads medievalas da la Svizra faresortir in pèr aspects impurtants.1. Il chastè-fortezza è savens pli vegl che la citad appartegnenta.Ma i dat era avunda exempels per la construcziun simultana dalchastè-fortezza e da la citad. Quai n’è damai betg in’excepziunrara, mabain vegn schizunt en dumonda en numerus cas.2. La citad n’ha betg rendì nunnecessari il chastè-fortezza scofurma da construcziun. Quai n’explitgescha damai era betg lamancanza apparenta d’ina citadella.3. Il cuntrari: ins po partir dal fatg ch’ina citad possedeva en ilcas normal ina citadella, ina sedia fortifitgada separada ed architectonicamainmagnifica, che appartegneva al suveran da lacitad ubain a ses substitut. Quai pudeva esser in chastè-fortezza51Margrit Balmer / Andreas Motschi / Dölf Wild, Archäologie aufdem Zürcher Lindenhof. Archäologie der Schweiz 27, 2004, Heft 1,16–25; Reinhold Kaiser, Castrum und Pfalz in Zürich: ein Widerstreitdes archäologischen Befundes und der schriftlichen Überlieferung?.In: Lutz Fenske (Hrsg.), Pfalzen – Reichsgut – Königshöfe.Deutsche Königspfalzen 4 (Göttingen 1996) 84–109; Emil Vogt, DerLindenhof in Zürich. Zwölf Jahrhunderte Stadtgeschichte auf Grundder Ausgrabungen 1937 / 38 (Zürich 1948).52Armand Baeriswyl, Die Topografie des städtischen Markts im <strong>Mittel</strong>alterund der Frühen Neuzeit am Beispiel süddeutscher und schweizerischerStädte. Zeitschrift für Archäologie des <strong>Mittel</strong>alters 34, 2006,193–210.53Schubiger 1994 (wie Anm. 38); Solothurn 1990 (wie Anm. 38).<strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 387


Armand Baeriswyl – Zum Verhältnis von Stadt und Burg im Südwesten des Alten Reiches«classic», ina catedrala fortifitgada, in convent circumdà d’inmir u – surtut en citads pitschnas e fitg pitschnas – ina chasafortifitgada.4. Cun l’unda da fundaziuns da citads il 12avel fin 14aveltschientaner para d’esser sa sviluppà in tip da chastè-fortezzach’è da considerar sco part da l’infrastructura urbana.5. A chaschun da midadas da la pussanza surpigliava savens ilnov suveran da la citad il chastè-fortezza. Questas midadas pudevandentant era avair consequenzas radicalas: in nov chastèfortezzavegniva construì en in auter lieu da la citad, entant ch’ilvegl vegniva disfatg cumplettamain.6. La dinamica da la citad, ch’è vegnida adina pli gronda epoliticamain ferma, ha manà en blers lieus al svilup d’ina fermacommuna, ch’è daventada la concurrenta dal suveran dala citad. A la fin dal cumbat vegniva il chastè-fortezza savenssurpiglià a moda paschaivla u violenta. Questa surpigliada nadastg’ins dentant betg interpretar sco act da liberaziun dal suveranda la citad. Per il solit vuleva il cussegl citadin vegnir enpossess dals dretgs feudals correspundents e/u extender il champd’applicaziun dal dretg da citad. Il chastè-fortezza vegniva utilisàvinavant sco bajetg u remplazzà tras ina chasa-cumin. Plisavens è la chasa-cumin dentant vegnida erigida da nov en inauter lieu. Suenter l’aboliziun dals dretgs feudals correspundentsvegniva il chastè-fortezza disfatg u utilisà tut tenor scochasa d’abitar, part da la fortezza citadina u deposit.Lia Rumantscha (Cuira)Abbildungsnachweise:1: Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Max Stöckli2: Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Katharina Ruckstuhl3: aus Frey 1996 (wie Anm. 16, 13)5: Kunstmuseum Bern, Nr. A35946: aus Baeriswyl 2003 (wie Anm. 3, 35)7: aus Schöpfer 2000 (wie Anm. 29, 13)8: Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Eliane Schranz9: Staatsarchiv Bern, AA IV, Wangen 110: aus Schubiger 1994 (wie Anm. 38, 72)Adresse des Autors:Dr. Armand BaeriswylArchäologischer Dienst des Kantons BernPostfach 52333001 Bernarmand.baeriswyl@erz.be.ch88 <strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3


Der Unterhof in Diessenhofen – die moderne Rezeptionsgeschichteeiner mittelalterlichen Burgvon Christian CoradiEinführungWer den Rhein zwischen Schaffhausen und Unterseebefährt, kommt an einem malerischen Städtchen vorbei.Nach Kilometern wenig bebauter Uferlandschaft erhebtsich auf halber Strecke am thurgauischen Südufer Diessenhofen,dessen Kern sich auf einer zwanzig Meter höhergelegenen Schotterterrasse befindet. Eine eindrucksvollegedeckte Holzbrücke aus dem frühen 18. Jh. verbindetdie schweizerische mit der deutschen Seite. 1Man stellt mühelos fest, dass Diessenhofen eine weitzurückreichende Vergangenheit hat. Vom Rhein ausgesehen fallen die dicht aneinandergebauten, zum Teilwuchtigen Häuser ebenso auf wie ein wehrturmartigerBau am östlichen Stadtrand unmittelbar am Fluss (Hänkiturm).Die Burg Unterhof mit ihrem markanten Turm, dieden nordwestlichen Abschluss der Altstadt bildet, lässtschliesslich erahnen, dass der Ort mindestens mittelalterlichenUrsprungs ist (Abb. 1).Wie der aufmerksame Beobachter anhand der unterschiedlichenBaustile der einzelnen Gebäudeteile erkennt,wurde die einstige Stadtburg im Laufe der Jahrhundertemehrmals verändert. Dennoch hat der Wehrbau erstaunlichviel von seiner <strong>Mittel</strong>alterlichkeit bewahrt. Bei eingehenderBetrachtung des gut unterhaltenen Anwesenskönnte es sein, dass die Anlage auf manch einen etwassonderbar, vielleicht auch unausgewogen wirkt. DieserEindruck verweist auf die jüngste Geschichte derBurg. Noch vor zwanzig Jahren wäre der Unterhof denPassagieren eines Rheinschiffs kaum aufgefallen. DerKomplex war von Bäumen und Büschen zugewachsen,war heruntergekommen und es fehlte der oberer Teil desTurms sowie der auffällige Obergaden des Nordwesttraktes(Abb. 2). So wie sich der Unterhof gegenwärtigpräsentiert, gibt es ihn erst seit 1992.1Der folgende Text basiert auf der Lizenziatsarbeit des Autors, dieer im Dezember 2004 bei Hans-Jörg Gilomen, Professor für Wirtschafts-und Sozialgeschichte an der Universität Zürich eingereichthat: Christian Markus Coradi, Der Unterhof in Diessenhofen. Rezeptioneiner mittelalterlichen Burg 1956–2003 (Zürich 2004).1: Blick von Norden auf denUnterhof in seiner heutigenGestalt.<strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3 89


Christian Coradi – Der Unterhof in Diessenhofen – die moderne Rezeptionsgeschichte einer mittelalterlichen Burg2: Blick von Norden auf denUnterhof kurz vor Beginnder Umbauarbeiten 1988.Der Weg von der verwahrlosten Stadtburg zum herausgeputztenWahrzeichen soll im Folgenden behandeltwerden. Es geht um die Wahrnehmung, die Bedeutungund den Umgang – also um die Rezeption – mit einemmittelalterlichen Baudenkmal von 1956 bis in die heutigeZeit. Im Zentrum stehen nicht die archäologischenUntersuchungen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse,sondern das Verhältnis eines Städtchens, der alten undneuen Burgherren, der Behörden, Architekten sowie derFachleute zu einem wichtigen historischen Bauzeugen.Gegenstand dieser Ausführungen sind ebenso die Hintergründe,welche zum historisierenden Umbau der Burgzwischen 1990 und 1992 geführt haben.Das MachtzentrumAls Festungswerk und Machtzentrum spielte der Unterhofeine wichtige Rolle in der Stadtgeschichte. 2 Um 1186,acht Jahre nach der Stadtgründung, wurde der Turm samtRingmauer errichtet. Vermutlich waren es die von denKyburgern in der Stadt eingesetzten Ministerialbeamten,die sog. Truchsessen, die den Unterhof als ihren Verwaltungs-und Stammsitz erbauten. Als die Stadt an dieHabsburger ging, vermochten die Truchsessen die Gunstder neuen Herren zu gewinnen und blieben als Vögteund Schultheissen auf dem Unterhof. Bis 1399 wurdedie Burg durch den zweiteiligen Ostflügel (Nordost- undSüdosttrakt) und den Palas ergänzt sowie mit einer neuenWehrmauer verstärkt (Abb. 3 A–D). Mit der Übernahmedes Städtchens durch die Eidgenossen endete 1460 dasVerwaltungsmandat der Truchsessen: der Unterhof hatteseine Funktion als Sitz der Obrigkeit verloren.Das Wohnhaus mit WehrfunktionDer letzte Truchsess, Hans Heinrich von Diessenhofen,musste die Burg aus finanziellen Gründen an die Bürgerschaftdes Städtchens veräussern, die den Unterhofbereits 1474 wieder verkaufte. Nach fünf weiterenHand änderungen übernahm Diessenhofen 1725 erneutden Wehrbau und richtete darin Mietwohnungen ein.Zehn Jahre später ging die Burg abermals an eine Privatpersonüber. Indes blieb der Turm als Teil der Stadtbefestigungbis 1801 im Besitz der Stadt. Zwischen 1410und 1735 wurden ausser Reparaturen keine grösserenbaulichen Veränderungen vorgenommen. In den Dreissigerjahrendes 18. Jh. befand sich das Gebäude in einemderart schlechten Zustand, dass umfangreiche Renovationsarbeitennötig wurden. Während die 1735 erfolgteSanierung des Oberbaus am Südostgebäude äusserlich90 <strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3


Christian Coradi – Der Unterhof in Diessenhofen – die moderne Rezeptionsgeschichte einer mittelalterlichen Burg3: Die Bauphasen des Unterhofsseit seiner Errichtung.A Zustand um 1186: Turmburgmit RingmauerB Zustand um 1278: Turmburgmit zweiteiligem Ostflügelund Hofgebäude; Wehrmauervon 1186 abgebrochenC Zustand nach 1278 mitneuer RingmauerD Zustand um 1400 mit Palasvon 1315–1318 und aufgestocktemSüdostgebäudeE Zustand kurz vor 1790 nachAbbruch des Palasobergadens(1759) und Neubaudes Turmobergadens (1735);Hofgebäude vermutlichim 17. Jahrhundert abgebrochenF Zustand vor dem Umbauvon 1989 mit gekapptemTurm (1801)wenig sichtbar blieb, veränderten die späteren Eingriffedas Erscheinungsbild der ehemaligen Truchsessenburgmassiv (Abb. 3 E). Noch im selben Jahr ersetzte manden Turmobergaden durch einen Fachwerkaufbau ohneAuskragung. 1759 wurde auch der Obergaden des Palasentfernt und an seiner Stelle ein neues Dach, ebenfallsohne Auskragung, errichtet. Mit diesen beiden Umgestaltungenfielen die Grosszügigkeit und der herrschaftlicheCharakter der Anlage teilweise weg. Im Jahr 1783 ersteigerteder Schaffhauser Postsekretär Johann Brunner diebereits wieder baufällige Burganlage. Der neue Besitzerliess zu Beginn der 1790er Jahre Teile der Fassade sowiedie Raumaufteilung neu gestalten. Nach dem Erwerb desTurmes liess er diesen 1801 bis auf die Höhe des grossenEinheitsdachs des Ostflügels abtragen (Abb. 3 F). Damitging der Burgcharakter der Anlage für fast zweihundertJahre verloren. Um 1840 richtete der Arzt JohannBrunner, ein Nachfahre des Postsekretärs, im Unterhofeine private «Augenklinik» ein, die als konventionelleArztpraxis bis um 1920 von seinen Nachfahren weitergeführtwurde. Bis 1989 erfuhr der Unterhof nur nochgeringfügige Veränderungen. Nach Umbauten von 1904,die ausschliesslich die Innenräume betrafen, wurden nurnoch die dringendsten Unterhaltsarbeiten ausgeführt.Beginnender VerfallNach dem Ersten Weltkrieg folgten Jahrzehnte des baulichenVerfalls. Die Schliessung der Arztpraxis um 1920markierte den beginnenden Niedergang. Fortan bewohnteeine Tochter des verstorbenen Arztes das Anwesen. Da ihrdie <strong>Mittel</strong> für den Unterhalt der grossen Anlage fehlten,verschlechterte sich der Gebäudezustand zusehends. HermineBrunner war sich aber der Bedeutung ihres Familiensitzesdurchaus bewusst. 1929 bat sie den Bund (EidgenössischeKommission für historische Kunstdenkmäler) umfinan zielle Hilfe für die Restaurierung eines aussenseitigenFreskos aus dem 18. Jh. Da sich die eidgenöss. Kommissionfür nicht zuständig erklärte, übernahm die Gemeindedie Kosten. Diese Episode ist insofern bedeutend, als essich um die erste denkmalpflegerische Massnahme handelteund beim Bund (heute Eidg. Archiv für Denkmalpflege)für den Unterhof eine Akte angelegt wurde. In den folgendenJahrzehnten finanzierte die nicht sehr wohlhabendeGemeinde noch zweimal bauliche Massnahmen mit demVerweis auf den historischen Wert der Gebäulichkeiten.2Zur Geschichte Diessenhofens und des Unterhofs: Alfons Raimann,Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau, Bd. 5: Der Bezirk Diessenhofen.Hrsg. von der Gesellschaft für schweizerische Kunstgeschichte(Basel 1992).<strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3 91


Christian Coradi – Der Unterhof in Diessenhofen – die moderne Rezeptionsgeschichte einer mittelalterlichen BurgVon Bedeutung war die erneute Restaurierung des Freskengemäldesvon 1950. Dieses Mal beteiligten sich auchder Bund und der Kanton an den Kosten. In der Folgewurde das Fresko 1953 unter Bundesschutz gestellt. 3Trotz aller Massnahmen und Bemühungen konnte langekeine Lösung gefunden werden. Die andauernde Blockierunghätte beinahe zum Verlust des Baudenkmals geführt.Dass es so weit kommen konnte, erstaunt, denn niemandzweifelte am geschichtlichen Wert des Unterhofs; letztlichwollten alle die Burg erhalten. Das historische Bewusstseinhat in Diessen hofen Tradition.Ein mittelalterliches StädtchenDiessenhofen verstand sich spätestens seit dem ZweitenWeltkrieg als mittelalterliches Landstädtchen. Man hatteerkannt, dass – im Zuge der vermehrten Rückbesinnungauf die Vergangenheit und die Ländlichkeit – das ausgebliebeneWachstum der Ortschaft eine Qualität darstellte.Das «mittelalterliche Ambiente» war identitätsstiftendesMoment gegen innen und zugleich attraktivitätsfördernderFaktor gegen aussen. Dieses Bekenntnis manifestiertsich bis heute bei der Selbstdarstellung in Publikationenund Werbematerialien, bei Jubiläen und festlichen Anlässen,aber auch im Umgang mit der alten Bausubstanz.Mit der aufwändigen Renovation des Siegelturms und seinerUnterschutzstellung durch den Bund 1944 bekanntesich die Gemeinde zur historischen Verantwortung gegenüberihrer Altstadt und deren integralem Schutz. Auchdie kleineren Beiträge für Reparaturen am Unterhof sindAusdruck davon. Sowohl die kostspielige Schaffung einesGrüngürtels rund um die Stadtmauer seit den 1940erJahren als auch die aufwändige Feier zum 1200-Jahr-Jubiläum der Ersterwähnung des Ortes von 1957 unddas Baureglement mit Zonenplan von 1958 belegen daswachsende Bekenntnis zum Erhalt des mittelalterlichenSiedlungskerns. Seit 1973 hat die Diessenhofer Altstadtden Status eines Ortsbildes von nationaler Bedeutung.Schwierige LösungssucheEs war denn auch die Sorge um die Zukunft des Unterhofs,welche die lokalen Behörden in den frühen 1960erJahren veranlasste, die Familie Brunner für eine Restaurierungzu gewinnen. Doch zeigten die damaligen Besitzerkein Interesse. 1966 übernahm ein jüngerer Nachkommeder Familie die Führung innerhalb der Erbengemeinschaft,wodurch allmählich Bewegung in die Angelegenheitkam. Der Arzt Hans Brunner hatte das nötige historischeBewusstsein und suchte sofort den Kontakt mit derGemeinde und mit Albert Knoepfli, dem Begründer unddamaligen Leiter der Thurgauer Denkmalpflege. Brunnerwollte umgehend eine Renovation in die Wege leiten,wozu er staatliche Beiträge beantragte. Die Hoffnung aufeine rasche Lösung zerschlug sich indes schnell.Die Möglichkeiten der Gemeinde waren in finanziellerund rechtlicher Hinsicht beschränkt. Haushaltsdefiziteund hohe Verschuldung verunmöglichten, dass man sichAusgaben solchen Ausmasses aufbürdete. Deshalb lehntedie Gemeinde zunächst jegliche finanzielle Beteiligung ab,und später konnte sie den geforderten Kaufpreis nichtzahlen. Auch rechtlich waren ihr die Hände gebunden,denn der Unterhof befand sich in Privatbesitz, und esfehlte die gesetzliche Grundlage für Zwangsmassnahmen.Beim Kanton Thurgau sah die Lage vergleichbar aus.Zudem war die Denkmalpflege personell unterdotiert.Knoepfli betrachtete den Fall als nicht dringend genugund liess Brunner abblitzen. Erst als die Denkmalpflegeab den 1970er Jahren ausgebaut wurde, begann sie sichverstärkt zu engagieren.Die Besitzerfamilie selbst trug das Ihre bei, dass keineEinigung zu erzielen war. Wie Gemeinde und Kanton warsie weder willens noch in der Lage, die finanziellen <strong>Mittel</strong>für die Renovation aufzubringen. Ansonsten herrschteaber innerhalb der Familie Uneinigkeit über die Zukunftihres Stammsitzes: Einmal wollte sie sich nicht davontrennen, ein andermal hatte sie unrealistische Vorstellungenhinsichtlich des Verkaufspreises, oder man strittüber die Details eines Umbauprojektes. In Anbetracht desenormen Investitionsbedarfs gelangte die Erbengemeinschaftzwar allmählich zur Einsicht, dass die Gebäulichkeitenselbst keinen Wert aufwiesen, doch forderte sie ab1971 eine Entschädigung für die weitläufige Burgwiese,die längst der Grünzone zugewiesen worden war. Dazuwar die Gemeinde nicht bereit. In der Folge verzögertensich die Verhandlungen um Jahre.Immerhin wurde dank Hans Brunners Aufgeschlossenheitnun über das künftige Schicksal des Unterhofs diskutiert.92 <strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3


Christian Coradi – Der Unterhof in Diessenhofen – die moderne Rezeptionsgeschichte einer mittelalterlichen Burg4: Der Rittersaal mit notdürftigabgestützter Decke1978.Brunner öffnete die Burg für Rundgänge und Untersuchungen,er stand in Verbindung mit Fachleuten, nahman etlichen Sitzungen von privaten Projektgruppen teilund lancierte ein eigenes Umbauvorhaben für einenHotel- und Restaurantbetrieb, das jedoch nicht über diePlanungsphase hinauskam.Ein Schandfleck von nationaler BedeutungDer desolate Zustand des Unterhofs wurde erst relativspät öffentlich thematisiert. Dies erstaunt, denn die Problematikund die Anstrengungen der Gemeinde warenbekannt. 1972 forderte der Präsident der lokalen Heimatvereinigunganlässlich des Jubiläums des 25-jährigenBestehens des Vereins Massnahmen zur Rettung derbedrohten Stadtburg. Die Lokalzeitung «Anzeiger amRhein» erwähnte in den folgenden Jahren nur sporadischden problematischen Zustand des Unterhofs, und kritischeBemerkungen fanden sich lediglich in Nebensätzen.Möglicherweise lässt sich die anfängliche Zurückhaltungmit dem historisch bedingten Status der Familie im Städtchenerklären.Die Zeit für eine Lösung drängte immer mehr. Der baulicheZustand des seit Mitte der 1970er Jahren leer stehendenKomplexes verschlechterte sich rasch. Während rundum das Anwesen ein eigentlicher Urwald heranwuchs,wurde das Dach undicht und die Decke des ehemaligenRittersaals drohte einzustürzen (Abb. 4 u. 5). Zurgleichen Zeit wurde der Bund aufgeboten. Die Expertenerhoben den Unterhof samt Umschwung als Teil derAltstadt zu einem Objekt von nationaler Bedeutung undsicherten im Falle einer Renovation namhafte Beiträge zu.Die verwahrloste Burg stand im krassen Gegensatz zurgepflegten Altstadt. Dem «Kyburgerstädtchen», so einehäufig verwendete Eigenbezeichnung, drohte ein unersetzlichesWahrzeichen abhanden zu kommen. Kein Wunder,entwickelte sich die Causa Unterhof in den zwanzigJahren bis zum Verkauf zu einem Politikum, das nichtnur die lokalen Gemüter erhitzte.Lokale InitiativenDas trotz zahlreicher Schwierigkeiten offenere Gesprächsklimabewirkte, dass ein gewisser Aktivismus im Städtchenzu Gunsten der Burg entstehen konnte. Verschiedenegeschichtsbewusste Bürger wollten mit eigenen Vorstössendieses wichtige Baudenkmal retten.So versuchte die 1418 gegründete lokale Zunft «Zumgrimmen Löwen» in der ersten Hälfte der 1970er Jahredas Anwesen zu kaufen. Neben der Sorge um das bedrohteWahrzeichen war da auch die Idee, in der Burg das3Der Bundesschutz wurde erst 1993 nach Abschluss des Umbaus aufdie gesamte Anlage ausgedehnt.<strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3 93


Christian Coradi – Der Unterhof in Diessenhofen – die moderne Rezeptionsgeschichte einer mittelalterlichen Burgsollen. Die Familie Brunner hätte anstelle von Geld eineWohnung in der Burg erhalten. Im Sommer 1987 schiendie Lösung in greifbarer Nähe.Kurz vor Vertragsunterzeichnung traten jedoch die WinterthurVersicherungen als Interessentin auf. Das internationaltätige Unternehmen suchte einen repräsentativenStandort, an dem es die Ausbildung ihres Kaders konzentrierenkonnte. Der Unterhof in Diessenhofen erfülltedie Anforderungen am besten. Die Erbengemeinschaftzögerte nicht lange und gab der Firma den Zuschlag. Esfiel der Familie zwar schwer, sich von ihrem Stammhauszu trennen, doch war man müde von all den Verhandlungen,die sich mit der Stiftungslösung auch künftig dahingezogenhätten. Zudem bot der Konzern einen Preis, derweit über dem Wert einer renovierten Wohnung in derBurg lag. Im Sommer 1988 wurde der Verkaufsvertragunterzeichnet.5: Der völlig zugewachsene Unterhof von Osten her gesehen,kurz vor Beginn der Umbauarbeiten 1988.Zunftlokal einzurichten, weil der Gründer der Vereinigung,Truchsess Molliwar, einst in der Burg hauste. DieInitiative scheiterte an den Preisvorstellungen der Besitzer.Einige Jahre später formierte sich eine weitere Gruppe,die den Unterhof erwerben wollte. Auch sie musste ausden gleichen Gründen aufgeben.Zwischendurch trat die Gemeinde selbst als Kaufinteressentinauf. An etlichen Sitzungen wurden verschiedensteVerträge und Umbauprojekte ausgearbeitet. Immer wiederscheiterten die Verhandlungen entweder am Kaufpreisbzw. an der Entschädigung für den umgezontenUmschwung oder bei gemeinsamen Projekten an Vertragsmodalitäten.Als Ultima Ratio erwogen die Behördengar, ein Enteignungsverfahren einzuleiten.Eine breit abgestützte Gruppe, die sich 1980 formierthatte, kam fast zum Ziel. Sie bestand aus Vertretern derGemeinde, der Thurgauer Denkmalpflege und der Erbengemeinschaftsowie aus zwei Diessenhofer Bürgern undzwei Architekten. In zähen Verhandlungen kam manüberein, eine Stiftung zu gründen. Diese Institution hätteden Unterhof übernehmen und schrittweise renovierenRettung aus WinterthurMit der Übernahme des Unterhofs durch den Versicherungskonzernwar das lange gefährdete Baudenkmal endlichgerettet. Damit beginnt rezeptionsgeschichtlich eineneue Phase.In Diessenhofen war die Erleichterung gross. Mit dieserLösung war nicht nur die Stadtburg gerettet, sondern eswurde obendrein ein grosser Investor in die Stadt geholt.Man durfte mit neuen Arbeitsplätzen und Aufträgen fürdas lokale Gewerbe rechnen, aber auch mit einer grösserenAttraktivität und Bekanntheit des Ortes und dendamit verbundenen ökonomischen Vorteilen.In der Zeit von der Bekanntgabe des Verkaufs im Juni1988 bis zur Einweihung im Juni 1992 war der Unterhofeines der wichtigen Gesprächsthemen in der Gemeinde.Die lokalen und regionalen Medien berichteten regelmässigüber das Unterhof-Projekt; punktuell berichteten auchnationale Medien.Der Verkauf der Burg war der Anfang einer intensivenZusammenarbeit zwischen der Bauherrschaft, den Architekten,der Archäologie und der Denkmalpflege. Bevordie Umbauarbeiten begannen, erhielt die Archäologieüber ein Jahr Zeit, die Burganlage gründlich zu untersuchen.4 Während der Renovations- und Umbauphase kamdann v.a. die Denkmalpflege zum Einsatz.94 <strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3


Christian Coradi – Der Unterhof in Diessenhofen – die moderne Rezeptionsgeschichte einer mittelalterlichen Burg6: Der Unterhof auf dem Merianplan von 1643/1654.Die Suche nach einem AusbildungszentrumDass die Winterthur Versicherungen eine Burg kauften,war nicht ganz zufällig. Bereits einige Jahre zuvorhatten andere Schweizer Konzerne historische Anlagenin der Ostschweiz erworben und zu Ausbildungsstättenumfunktioniert. So suchte auch die «Winterthur»eine Örtlichkeit mit «Charakter» – vorzugsweise einegeschichtsträchtige. Der Unterhof erfüllte diese Anforderungen.Der Umstand, dass es sich bei diesem Bauwerkum eine Burg mit mittelalterlichem Kern handelte, warsekundär, wurde aber später als Vorteil erkannt, entsprechendbetont und eingesetzt.Als die «Winterthur» die Diessenhofer Stadtburg erwarb,hatte der Bau seinen Burgcharakter bereits seit fast zweiJahrhunderten eingebüsst. Nur gerade an der Südwestseiteliess sich dank erhaltener Teile der Wehrmauererkennen, dass der Unterhof einst militärische Funktio -nen hatte. Ansonsten glich der Komplex eher einemwuchtigen Bürgerhaus. Der Umbau zum Ausbildungszentrumveränderte den Bau aussen wie innen radikal.Bestimmend für diese Eingriffe waren im Wesentlichendie folgenden Faktoren:– «technische» Anforderungen des Ausbildungsbetriebs– ästhetische Wünsche der Bauherrschaft– denkmalpflegerische AuflagenModerne Erfordernisse und BurgcharakterNachdem sich die Geschäftsleitung für den Erwerb desUnterhofs entschieden hatte, verfasste die betriebseigeneBauabteilung ein «Pflichtenheft für das bauliche Konzept».Darin wurde u.a. aufgezeigt, wie man die räumlichenund infrastrukturellen Anforderungen eines zeitgemässenAusbildungsbetriebes innerhalb der historischenMauern umzusetzen gedachte. Knackpunkt bildete dasbereits vor dem Kauf festgelegte Raumprogramm. Eszeigte sich, dass die Liegenschaft nicht über die erforderlicheFläche für Schulungsräume verfügte. Hier wollteman keine Kompromisse machen. Als Ausweg nanntendie Autoren des Pflichtenhefts diskrete Neubauten unddie Wiederherstellung abgegangener Gebäudeteile. DieIdee für Rekon struktionen entstand, weil aufgrund alterBilddokumente (Abb. 6) bekannt war, dass die Kubaturfrüher grösser gewesen sein muss. Eine weitere Richtgrössewar der Burgcharakter. Veränderungen an derGebäudestruktur durften den Charakter der Burganlagenicht beeinträchtigen.Noch vor Abschluss der archäologischen Untersuchungenbegannen im Winter 1990 die Umbauarbeiten. Die Burgwurde partiell ausgehöhlt. Dies war unumgänglich, umdie aufwändige Infrastruktur einbauen und die Räumemodernisieren zu können. Dabei erwies sich die Rückführungauf den mittelalterlichen Zustand oftmals als idealeLösung. Der sog. ursprüngliche Zustand war allerdingsnur dort gefragt, wo er der neuen Zweckbestimmungentgegenkam.Neben dem <strong>Mittel</strong>alter – dies war eine Forderung derDenkmalpflege – wurde anderen bauhistorischen Phasengleichermassen Anrecht auf Präsenz eingeräumt. Sobehielten einige Zimmer die Prägung aus der Zeit ihrer4Zu den archäologischen Untersuchungen: Armand Baeriswyl / MarinaJunkes, Der Unterhof in Diessenhofen: Von der Adelsburg zumAusbildungszentrum. Hrsg. vom Departement für Erziehung undKultur des Kantons Thurgau. Reihe Archäologie im Thurgau 3.Veröffentlichung des Amtes für Archäologie des Kantons Thurgau(Frauenfeld 1995).<strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3 95


Christian Coradi – Der Unterhof in Diessenhofen – die moderne Rezeptionsgeschichte einer mittelalterlichen Burg7: Versuch der wissenschaftlichenRekonstruktiondes nordseitigen Palasobergadens.letzten Umgestaltung: Gotik, Klassizismus, Biedermeierund Historismus.Palasobergaden: mehr Platz und LichtDas mit dem Umbau beauftragte Architekturbüro plante,zur Gewinnung zusätzlicher Nutzfläche den Obergadendes Palastraktes wieder aufzubauen. Gleichzeitig seieine ausserhalb des Burgareals stehende Remise aus dem19. Jh. abzureissen und an ihrer Stelle ein unterirdischesAuditorium zu errichten.Mit der Wiederherstellung des im 14. Jh. errichtetenund 1759 abgerissenen Obergadens wurden zusätzlicheUnterrichtszimmer geschaffen, die im Raumprogrammvorgesehen waren. Aufgrund zeitgenössischer Abbildungenund der bauhistorischen Untersuchung am demontiertenDachstuhl kannte man die ungefähren Ausmasse.8: Die Nordseite des rekonstruiertenPalasobergadens.96 <strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3


Christian Coradi – Der Unterhof in Diessenhofen – die moderne Rezeptionsgeschichte einer mittelalterlichen BurgVon der Riegelwand und der Fenstereinteilung fehltendagegen detaillierte Befunde. Der von einem Spezialistenausgearbeitete Rekonstruktionsversuch, der sich auf nocherhaltene Obergaden anderer Gebäude abstützte, wurdenicht umgesetzt, denn die Gesamtfensterfläche erwiessich wegen der ungenügenden Illumination als zu klein(Abb. 7). Die Lösung fand man in einer Riegelkonstruktionim Stil des 19. Jh. Mit dem Verweis auf die Bauweisedieser Epoche konnten mehr und grössere Fensteröffnungengeschaffen werden (Abb. 8).Truchsessenstube: mehr HöheIm ersten Stock des Nordwestflügels war die sog. «Augenklinik»eingerichtet. Die ursprünglich zwei Räume wurdenim Laufe der Jahrhunderte in neun kleinere Zimmerunterteilt. Dieser Grundriss eignete sich freilich nicht fürUnterrichtszwecke. Man entfernte deshalb den gesamtenInnenausbau des frühen 19. Jh., um die mittelalter licheAufteilung wiederherzustellen. Der entstandene grosseSeminarraum erhielt den Namen «Truchsessenstube», daanzunehmen war, dass es sich um die einstige Wohnstubehandelte, wo sich die Familie der Truchsessen aufzuhaltenpflegte. Die bei den Abbrucharbeiten entdeckteOriginalsubstanz wurde stellenweise konserviert undsichtbar belassen. Bei der Decke gab man den gegenwärtigenAnforderungen den Vorzug. Aufgrund von Resteneiner gewölbten Balkendecke wäre eine Rekonstruktionmöglich gewesen. Doch empfand die Bauherrschaft diegeringe Raumhöhe als ungeeignet, weswegen der Hohlraumbis unter die Deckenbalken offen blieb.Rittersaal: zu lautUnter der Truchsessenstube liegt der Rittersaal. Seineeinstige Funktion war längst bekannt, blieben doch Restevon Wandmalereien sichtbar. Schon Johann Rudolf Rahn,der Begründer der Schweizer Denkmalpflege und Kunstforschung,hatte die Fresken 1899 beschrieben. 5 Allerdingswurde der Raum im 18. Jh. unterteilt. Es wurdeschnell klar, dass der «mittelalterlichste» aller Räume inseinen ursprünglichen Ausmassen wiederhergerichtet undfür den Restaurantbetrieb genutzt werden sollte. Nachdemdie Kellereinbauten abgebrochen worden waren,stiess man auf den ursprünglichen Mörtelboden. Was die9: Die «schallsanierte» Decke im Rittersaal.Archäologen und Denkmalpfleger begeisterte, stiess beider Bauherrschaft auf wenig Interesse. Für eine moderneGaststätte war der unebene und schwer zu reinigendeBelag undenkbar, weswegen alte Tonplatten aus Baselverlegt wurden. Weil darunter zahlreiche Leitungen zuverlegen waren, wurde der Mörtelboden vollständig zerstört.Die originale Bretterdecke fand sich zwar noch vor Ort,doch war sie grossteils verfault und drohte einzustürzen.Einige Quadratmeter alter Bretter konnten konserviertund wieder eingebaut werden. Die anderen wurden mitneuem Holz rekonstruiert. Kurz nach Eröffnung des Restaurantszeigte sich, dass bei voller Belegung des Saals einsehr hoher Lärmpegel entstand. Die kahlen Wände undder tönerne Boden warfen den Schall unerwartet starkzurück. Als verschiedene Massnahmen (u.a. Filze unterStühlen und Tischen, Wandteppiche) keine Verbesserunggebrachten hatten, empfahl ein eigens angeheuerter Akustiker,die Decke mit Löchern zu versehen. So wurden alleneuen Bretter in Abständen von etwa 2 cm durchbohrt(Abb. 9) und mit Isolationsmaterial hinterlegt – das unangenehmeEcho blieb freilich.Abortturm: andere NutzungFür den Ausbildungs- und Restaurantbetrieb musste eineUnmenge von Leitungen für Elektrizität, Kommunika tion,5Johann Rudolf Rahn, Die mittelalterlichen Architektur- und Kunstdenkmälerdes Cantons Thurgau. Im Auftrage der EidgenössischenLandesmuseums-Commission (Frauenfeld o.J. [1899]).<strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3 97


Christian Coradi – Der Unterhof in Diessenhofen – die moderne Rezeptionsgeschichte einer mittelalterlichen BurgNasszellen, Belüftung und Heizung verlegt werden. Währenddie horizontale Erschliessung in den Böden zwischenden Balken geschah (Abb. 10), bereitete die Vertikalerschliessungmehr Schwierigkeiten. Im Osttrakt wurdehierfür der Liftschacht genutzt, welcher auf Kosten derTreppe aus dem 18. Jh. eingebaut wurde. Im Nordflügelhingegen fehlte diese Möglichkeit. Einmal mehr lag derAusweg beim mittelalterlichen Zustand: dem Abortturm.Obwohl es dafür keine bauhistorischen Befunde gab,konnte er auf der Grundlage von Bildern vor 1800 rekonstruiertwerden. Hinter der heutigen Bretterverschalungverlaufen nun dicke Leitungsstränge. Dank dieser Lösungkonnten weitere Substanzverluste vermieden werden.10: Durch eine Decke geführte Leitungsstränge während desUmbaus 1991.Turm: zu kurzWenngleich die Wiedererrichtung der Turmspitze für denAusbildungsbetrieb nicht nötig war, bestand innerhalbder Bauherrschaft und des Architektenteams von Anfangan die Absicht, den Turm in seiner ganzen Grösse wiederauferstehenzu lassen. Die Gründe waren rein ästhetischerNatur. Es war klar, dass, wenn der Palasobergaden rekonstruiertwürde, auch der Bergfried wieder stehen musste;ansonsten hätte die Burganlage unausgeglichen gewirkt,zumal man das ungefähre Erscheinungsbild des ursprünglichenBaus (und anderer Burgen) kannte und wohl auch11: Um Kosten zu sparen,entwarfen die Architektengünstigere Turmvarianten,die jedoch schnell wiederverworfen wurden.Hier die «Variante 4».98 <strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3


Christian Coradi – Der Unterhof in Diessenhofen – die moderne Rezeptionsgeschichte einer mittelalterlichen Burg12: Übergang vom originalen zum ergänzten Mauerwerkam Turm.immer vor Augen hatte. Hinzu kam noch eine rechtePortion moderner Burgenromantik, was sich an vielenÄusserungen seitens der Bauherrschaft ablesen lässt. Zuberücksichtigen gilt ferner, dass man sich mitten in einerZeit des <strong>Mittel</strong>alter-Revivals befand – man denke etwa anden Erfolg von Umberto Ecos Roman «Name der Rose»und dessen spätere Verfilmung.Vom oberen fehlenden Turmbereich gab es keine Befundeam Bau, und die zeitgenössischen Darstellungen warenäusserst ungenau. Die Form des 1835 umgestaltetenTurms war hingegen besser dokumentiert. Dennochentschied man sich für die «ursprüngliche» Version mitSchindelschirm, und zwar aus bautechnischen Gründen:Eine Riegelkonstruktion sei weniger dauerhaft und daherteurer im Unterhalt.Wie beim Palasobergaden zeichnete eine Fachpersonaufgrund authentischer Beispiele und alter Abbildungenanderer Burgen einen Entwurf, der schliesslich fast ohneAbweichungen ausgeführt wurde. Völlig frei erfundene13: «Historische Räumlichkeiten der Burg aus dem 12. Jahrhundertund modernes Design harmonieren in überwältigendemKontrast!» (Internetseite von 2003). Die neue Treppeim alten Bereich des Turms. Am linken oberen und am rechtenBildrand sind die abgesägten Balken von 1186 d) in derMauer zu erkennen.Türme mit Zeltdach und Zinnen (Abb. 11) blieben glücklicherweiseebenso in der Schublade der Architekten wiedie Idee einer postmodernen Interpretation. Einzig bei derTurmhöhe machte man einen Kompromiss: Sie war dasResultat der Einsprache eines Nachbarn, der übermässigenSchattenwurf befürchtete. Um Verzögerungen undMehrkosten zu vermeiden, willigte die Bauherrschaft ein,die Höhe um 60 cm zu reduzieren. Der gekürzte Turmkam nun aber weniger zur Geltung, weil der Dachfirstdes Nordosttraktes den unteren Bereich des Obergadensverdeckte. Ein Kunstgriff war nötig, um die erwünschteWirkung des Turms wieder zu erzielen: Man schnitt kurzerhandden obersten Teil des Firsts ab.Während der Turmobergaden möglichst «originalgetreu»(mit alten Dachziegeln) erstellt wurde, ist beim Turmschaftdie neue Zutat ablesbar. Das noch vorhandeneMegalithmauerwerk wurde mit Backsteinen ergänzt,sodass der Übergang wenigstens von Süden her erkennbarbleibt (Abb. 12). Ob der Durchschnittsbetrachter daraus<strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3 99


Christian Coradi – Der Unterhof in Diessenhofen – die moderne Rezeptionsgeschichte einer mittelalterlichen Burgoriginaler Bausubstanz und die Rekonstruktionen amUnterhof übersteigen das Ausmass dessen, was in dermodernen Denkmalpflege gemeinhin als akzeptabel gilt.In der Tat beklagte die kantonale Denkmalpflege den Verlustan Originalsubstanz, und sie begrüsste auch nicht denWiederaufbau des Palasobergadens und des Turms. Dasssie dem Umbauprojekt dennoch zustimmte, war eine Entscheidung,bei der es letztlich um die Existenz der Burgging: ohne diese Konzessionen hätte die «Winterthur» ihrProjekt zurückgezogen. Und ob die zu gründende Stiftungin der Lage gewesen wäre, die Renovation schnell genugan die Hand zu nehmen, war keineswegs gewiss. WeitereVerzögerungen hätten ebenso zu Substanzverlustengeführt. Der kantonale Denkmalpfleger versuchte Substanzzerstörungenzu begrenzen und forderte möglichst«authentische» Rekonstruktionen, wo sie unumgänglichwaren. Mit ihrer kritischen Haltung blieb die Denkmalpflegeaber weitgehend allein.14: Abbildung aus einem Faltprospekt des Seminarhotels2003.die richtigen Schlüsse zieht, ist fraglich, denn inzwischenweist der erst 15-jährige Turm bereits Alterungspatinaauf.Der Turm ist aber nicht nur zur Verzierung da. Nachdemdie alte Treppe im Osttrakt dem Lift weichen musste,wurde der Turm zum neuen Treppenhaus umfunktioniert.Hierzu wurden die originalen, siebenhundert Jahrealten Eichenbalken eines Zwischenbodens herausgesägt;die Stummel beliess man im Mauerwerk. Eine moderneStahltreppe verbindet nun die Stockwerke und führt indie Turmspitze, wo sich ein Aufenthaltsraum befindet(Abb. 13).Die DenkmalpflegeIn Anbetracht der vielen Eingriffe stellt sich die Fragenach der Position der Denkmalpflege. Die ZerstörungKultur und mittelalterliches AmbienteDie Winterthur Versicherungen legten grossen Wert aufeine stilvolle Atmosphäre für die Ausbildungsstätte.Von der Suche nach einer geeigneten Lokalität bis zumBetriebskonzept des fertigen Zentrums war das ansprechendeAmbiente ein Leitgedanke. Man ging davon aus,dass eine charaktervolle Umgebung – gemeint war eineMischung aus Kultur und Natur – sich positiv auf dasLernverhalten auswirke (Abb. 14). Dem eigenen Kadersollte nur das Beste geboten werden. Zudem wollte derKonzern mit dem Projekt sein kulturelles und wirtschaftlichesEngagement für die Region Ostschweiz demonstrieren.Der Unterhof war hierfür das ideale Objekt. SeinWert gründete für die «Winterthur» zunächst auf demUmstand, dass es sich um einen geschichtsträchtigenBau handelte. Doch der Unterhof war mehr: eine richtigemittelalterliche Burg. Was schwärmerisch klingt, gibtdie Stimmung der Bauherren und Betreiber des Ausbildungszentrumsangemessen wieder.Die offizielle Selbstdarstellung des Zentrums war undist hingegen weniger auf <strong>Mittel</strong>alterliches fokussiert. Esdominieren eher das Geschichtsträchtige und der ländlicheCharakter der Umgebung. Gleichwohl haben dieAspekte <strong>Mittel</strong>alter und Burg einen besonderen Stellen-100 <strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3


Christian Coradi – Der Unterhof in Diessenhofen – die moderne Rezeptionsgeschichte einer mittelalterlichen Burg16: Seit 1999 verwendeterWerbepoststempel vonDiessenhofen. Das alte Sujetzeigte den Siegelturm undTeile der «Haupt-Strasse».15: Eintrittsportal der offiziellen Internetseite der Gemeinde Diessenhofen 2003.wert: Sie verleihen der Lokalität Einmaligkeit und Individualität.Das <strong>Mittel</strong>alter des Ausbildungszentrums bzw.des heutigen «Seminarhotels Unterhof» 6 wird weder billignoch populär propagiert, sondern kultiviert-hochstehendsuggeriert. Es sind Hinweise auf die lang zurückliegendeVergangenheit, diskret gestreute Klischees, und es istvorab die authentische Substanz mit ihrer Aura.Das Städtchen und die Öffentlichkeit:das neu-alte WahrzeichenIm Juni 1992 wurde der Unterhof mit einem zweitägigenFestanlass eingeweiht. Eingeladen waren Prominenz ausPolitik und Wirtschaft sowie am zweiten Tag die Bevölkerung.Die Winterthur Versicherungen feierten ihr neuesAusbildungszentrum und die Diessenhofer ihr wiederauferstandeneshistorisches Wahrzeichen, zu dem sie sounverhofft gekommen waren.Zwischen der Bekanntgabe des Verkaufsgeschäftes undder Betriebseröffnung stand die ehemalige Stadtburghäufig im Zentrum des lokalen Interesses. 7 In dieser Zeitberichteten die Lokal- und Regionalmedien regelmässigüber den Unterhof. Zunächst gab man sich erleichtertüber die Rettung des bedrohten Baudenkmals und erfreutüber die verheissungsvollen Pläne der neuen Besitzer.Während der archäologischen Grabungen lieferten dieUntersuchungsergebnisse Gesprächsstoff. Je weiter dieBauarbeiten voranschritten, desto offensichtlicher wurdendie Auswirkungen auf das Stadtbild: Die wiederhergestellteBurggestalt betonte den mittelalterlichen Charakterder Altstadt. Die Reaktionen waren durchwegspositiv, ja begeistert. Höhepunkt bildete schliesslich dieEinweihungsfeier, die Tausende von Besuchern anlockteund zu einem Volksfest wurde.Die Bevölkerung akzeptierte den umgebauten Unterhofschnell und empfand ihn als Bereicherung für den Ort.Positiv wahrgenommen wurde seine optische Wirkungals neues Wahrzeichen. Der Siegelturm als traditionellesWahrzeichen bekam Konkurrenz. Die Perspektive vonNordwesten mit Rhein und Unterhof avancierte zumbeliebten Sujet. Das Bild findet sich prominent platziertauf Prospekten, Broschüren ebenso wie auf der offiziellenHomepage (Abb. 15) und seit 1999 auf dem Poststempel(Abb. 16).Um den aus schriftlichen und bildlichen Quellen gewonnenenEindruck zu überprüfen, führte der Autor 2003 / 0462001 übernahm die Credit Suisse Group die Winterthur Versicherungen.Die Burg gelangte in den Gesamtbesitz der Bank. Seitherwird der Betrieb als «Seminarhotel Unterhof» ohne ausdrücklicheAnbindung an eine Firma betrieben und ist für alle Benutzer offen.7Der Schreibende hat systematisch Zeitungsartikel, Broschüren undProspekte gesammelt und analysiert.<strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3 101


Christian Coradi – Der Unterhof in Diessenhofen – die moderne Rezeptionsgeschichte einer mittelalterlichen Burgeine kleine Umfrage unter Diessenhoferinnen und Diessenhoferndurch. 8 In der Tat ist der Unterhof zu einembeliebten Wahrzeichen geworden. Der Umbau und dieRekonstruktionen wurden fast einhellig als geglückt eingestuft.Man hat sich inzwischen so sehr an die neue Gestaltdes Unterhofs gewöhnt, dass ein Drittel der Befragten denPalasobergaden und den Turm nicht spontan nannte, alssie die wichtigsten Renovationsarbeiten aufzählen sollten.Es überrascht wenig, dass jüngere Personen, die denVorzustand nicht mehr aus eigener Erinnerung kennen,glaubten, der Turm sei tatsächlich alt.Historisch wertvoll, aber schwierigDas Beispiel des Unterhofs in Diessenhofen zeigt, wieproblematisch der Umgang mit einem mittelalterlichenBaudenkmal sein kann: Die historische Bedeutung unddie Einmaligkeit weckten Besitzerstolz und Besitzansprüche,verhinderten dadurch aber Lösungen; später wecktenKlischees von Ritterburgen Wünsche und führten zufragwürdigen Eingriffen.Auf der einen Seite finden wir den «uralten» historischenBauzeugen, dessen Bedeutung und Fortbestand allgemeinanerkannt wird. Auf der anderen Seite stehen die Bindungder Besitzerfamilie zu ihrem Stammhaus, die Unantastbarkeitdes Privatbesitzes und hohe Kosten, die niemandtragen will. Durch die unnachgiebige Haltung wurde derVerlust des Bauwerks in Kauf genommen. Die Taktik hatsich letztlich gelohnt: Die Burg wurde gerettet, die Besitzererzielten einen hohen Verkaufspreis und die Gemeindekam ohne Kosten zu einem neuen Wahrzeichen.Modernes <strong>Mittel</strong>alterDie am Umbauprojekt beteiligten Personen von Seitender Bauherrschaft entwickelten eine besondere Vorliebeund einen grossen Eifer für dieses aussergewöhnlicheUnterfangen. Ihre Begeisterung ist ganz wesentlich demUmstand zuzuschreiben, dass es sich beim Unterhof umdas Faszinosum der mittelalterlichen Burg handelt. DerEnthusiasmus für die «Ritterburg» führte aber zu zweifelhaftenResultaten. Der Wunsch nach <strong>Mittel</strong>alterlichkeitbzw. nach «Ambiente» und «Charakter» hatte dort seineGrenzen, wo die moderne Zweckbestimmung allzu sehreingeschränkt wurde: Authentische Substanz wurde zerstörtund die «originalgetreue» Kopie benutzerfreundlichgemacht. Zu viel <strong>Mittel</strong>alter ist unpraktisch.Wenn Diessenhofen dank der Rekonstruktionen wieder«mittelalterlicher» geworden ist, wurde das Städtchen imGrunde moderner; das Gleiche gilt für den Unterhof. Inder Vorliebe für den älteren Zustand manifestiert sich dieWertschätzung der Werke unserer Vorfahren, die Faszinationfür das Andersartige, das Sagenumwobene einerin dunkler Vergangenheit zurückliegenden Epoche undgewiss auch die Sehnsucht nach einem beschaulicheren,ruhigeren, einfacheren und naturnaheren Leben. Ein solchermassengeprägtes Umfeld erhöht die Lebensqualitätund den Lernerfolg.Es bleibt eine Tatsache, dass der Unterhof, so wie ersich seit 1992 präsentiert, vorher nie existiert hat. DasSonderbare oder Unausgewogene ist das Ergebnis derinkonsequenten Rückführung auf einen vermeintlich historischenVorzustand. Was wir heute vor uns haben, isteine Schöpfung unserer Zeit. Bereicherung, Geschichtsklitterungoder gelungener Kompromiss? Wie man dazusteht, ist letztlich eine Glaubensfrage.RésuméDans la bourgade thurgovienne de Diessenhofen se situe lechâteau d’Unterhof, datant du XII e siècle. Ancien centre depouvoir, il est l’un des plus vieux bâtiments de la localité, cequi confère à ce château la qualité de monument de premierordre. Depuis les années 1920 pourtant, l’aménagement sedégradait continuellement pour en devenir honteux. Après20 ans de tentatives infructueuses pour trouver une solutionpour ce bâtiment menacé, la compagnie d’assurances Winterthura finalement acheté le château en 1988. L’assureur a transforméUnterhof en centre de formation pour ses propres usages.Le complexe s’est ainsi vu doté d’une toute nouvelle apparence:les parties supérieures en bois de la tour et du palas, éliminées auXVIII e siècle, ont été reconstruites. Les maîtres d’ouvrage ontjustifié ces mesures par un important besoin d’espace et unemeilleure esthétique. La reconstruction d’éléments typiquesconstituant un château et la forte acceptation des interventionsrenvoient aux effets des clichés des châteaux et du moyen-âge.Considéré dans son ensemble, Unterhof est le résultat découlantdes exigences techniques d’exploitation, du romantisme castralmoderne et des obligations liées à l’entretien des monuments.Sandrine Wasem (Thoune)8Es wurden 17 Personen interviewt.102 <strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3


Christian Coradi – Der Unterhof in Diessenhofen – die moderne Rezeptionsgeschichte einer mittelalterlichen BurgRiassuntoIl castello di Unterhof, eretto nel XII secolo, sorge nella cittadinadi Diessenhofen in Turgovia. Il castello, uno degli edificipiù antichi della città, e un tempo il centro di potere del luogo,è un monumento degno di essere conservato. A partire daglianni Venti del XX secolo cominciò il graduale decadimentodell’edificio, tanto che diventò una elemento di disturbo per lacittadina. Dopo aver cercato invano per oltre vent’anni di trovareuna soluzione adeguata per l’edificio minacciato, nel 1988il castello fu acquistato dalle assicurazioni Winterthur. L’assicurazionetrasformò l’Unterhof in un centro di formazione peri propri dipendenti. Il fabbricato subì notevoli trasformazioni:le parti superiori in legno della torre e del palazzo signorile, cheerano state eliminate già nel XVIII secolo, furono ricostruite. Imotivi che portarono a queste ricostruzioni lignee erano legatisoprattuto a questioni di estetica e di spazio. La ricostruzionedi questi tipici elementi, propri dei castelli, e l’enorme consensonei confronti di questi interventi rispecchiano un modelloconvenzionale dei castelli e del medioevo. In generale si puòaffermare che gli interventi effettuati all’Unterhof sono il risultatodi un’esigenza tecnico-aziendale volti a sottolineare unromanticismo castellano in senso moderno ed una condizioneinevitabile per il restauro del monumento.Christian Saladin (Basilea)ResumaziunEn la pitschna citad rurala da Diessenhofen (TG) sa chatta ilchastè-fortezza d’Unterhof dal 12avel tschientaner. Sco anteriurcenter da pussanza ed in dals pli vegls edifizis dal lieu, è il chastè-fortezzain monument d’emprim rang. Dapi ils onns 1920 èil stabiliment dentant ì pli e pli en decadenza ed è daventà inaruina. Suenter ch’ins ha empruvà passa ventg onns invanamainda chattar ina soluziun per l’edifizi periclità, al han las AssicuranzasWinterthur cumprà il 1988. L’interpresa ha transfurmàil chastè-fortezza en in center da scolaziun per la firma. Uschiaha il cumplex survegnì in aspect cumplettamain nov: las partssuperiuras en lain da la tur e dal palazi signuril, allontanadas enil 18avel tschientaner, èn vegnidas reconstruidas. Ils patruns daconstrucziun han motivà questas mesiras cun in basegn da spaziaugmentà e l’estetica optimada. La reconstrucziun da questselements tipics d’in chastè-fortezza e l’auta acceptanza da lasintervenziuns, èn d’attribuir a la forza dals clischés da chastelse dal temp medieval. Tut en tut è il chastè-fortezza d’Unterhofil resultat da las pretensiuns tecnicas dal manaschi, da la romanticada chastels moderna e da las prescripziuns da la tgirada monuments.Lia Rumantscha (Cuira)Abbildungsnachweise:1, 8, 9, 12: Christian Coradi2: Coradi (wie Anm. 1) 154.3: Raimann 1985 (wie Anm. 2) 88–89.4, 10, 13: Fotoarchiv des Amtes für Denkmalpflege des KantonsThurgau.5: Coradi (wie Anm. 1) 147.6: Matthäus Merian [der Ältere]. Topographia Helvetiae, Rhaetiaeet Valesiae: das ist Beschreibung und eygentliche Abbildung der vornehmstenStätte und Plätze in der hochlöblichen Eydgenossenschafft,Graubündten, Wallis und etlicher zugewandten Orthen: In dieser andernEdition mit sonderm Fleiss durchgegangen, und von vorigen Fehlerncorriegirt, vermehrt und gebessert. [Ausgabe Frankfurt a.M. von 1654]Neue Ausgabe. Hg. Lucas Heinrich Wüthrich. (Kassel 1960) 60.7: Baeriswyl / Junkes 1995 (wie Anm. 3) 112.11: Coradi (wie Anm. 1) 154.14: Coradi (wie Anm. 1) 158.15, 16: Coradi (wie Anm. 1) 161.Adresse des Autors:Amt für DenkmalpflegeChristian Coradi, lic.phil.InventarisationRingstr. 168510 Frauenfeldchristian.coradi@tg.ch<strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3 103


KurzmitteilungenKurzmitteilungenBurgruine Belfort,Brienz / Brinzauls GRBurgruine Belfort an GemeindeübergebenMit einer Einweihungsfeier für die Gönnerund Sponsoren der Burgrestaurierungist die Ruine Belfort am 24.8.2007 wiederder Gemeinde übergeben worden.Daniel Rizzi, Präsident der Stiftung ProRuine Belfort, hat die sanierte Burgruinein einem symbolischen Akt offiziell andie Eigentümerin übergeben. Zusammenmit Gemeindepräsident Rico Liesch undmit Schwerthilfe enthüllte er im Beiseinvon Regierungsrat Stefan Engler, Gönnernund Sponsoren der abgeschlossenenRestaurierung, assistiert von Burgwachendes Bündner <strong>Burgenverein</strong>s, eine Tafelmit den Daten der Sanierung.Zu den Rednern an der Einweihungsfeierzählte Johann Mürner, Sektionschef Heimatschutzund Denkmalpflege im Bundesamtfür Kultur; er stellte die Burg undihre Einmaligkeit im nationalen Kontextdar, während der Bündner DenkmalpflegerHans Rutishauser – mit einem Augenzwinkern– ihre Bedeutung für Graubündenhervorhob: «Wäre der Freiherr vonVaz im Jahr 1338 nicht ohne männlicheNachkommen gestorben, hätten sichdiese vielleicht zu den Herren Graubündensaufgeschwungen» – und Belfortwäre heute Residenz des Landesherrn.Das Zeug dazu hätte Belfort gehabt, wieRutishauser schildert: Die nach 1229 inEtappen gebaute Turmburg – damals imZentrum einer ausgedehnten Territorialherrschaftgelegen – sei ein Machtsymbolgewesen, eine «Imponier- und Drohgebärde»der Erbauer. Doch diese Zeitensind längst vorbei, spätestens seit derSchleifung der Burg vor 508 Jahren. Inden vergangenen Jahren ist sie aus ihremDornröschenschlaf geweckt und für insgesamt3 Millionen Franken gesichertund restauriert worden – «das grössteund teuerste je realisierte Erhaltungsprojektfür eine Burgruine im Graubünden»,wie Rizzi sagte. «Heute erstrahltBelfort wieder so, wie die Anlage es verdienthat, nämlich als eine der schönstenBurgruinen der Schweiz.» Rizzi danktallen, die ihren Teil an die Restaurierungbeigetragen haben, unter anderem demvon Regierungsrat Engler präsidiertenPatronatskomitee und den Planern, aberauch den freiwilligen Helfern, Gönnern,Sponsoren und der öffentlichen Hand.Bevor die Sanierung definitiv abgeschlossensei, werde nun noch diesen Herbsteine Beleuchtung installiert. Geplant seizudem, die Anlage wieder – historischkorrekt – von Osten her zugänglich zumachen, dafür würden aber noch 50 000Franken fehlen.«Niemandem soll der Zugang zu Belfortvewehrt werden», betont GemeindepräsidentLiesch in seiner Ansprache. «Jeder,der will, soll diesen gewaltigen Anblickgeniessen dürfen, soll die Möglichkeithaben, in diesem imposanten Gemäuereigene Eindrücke zu sammeln – und genaudieses Ziel haben wir nun erreicht.»Seitens der Gemeinde habe man verschiedeneIdeen, was auf der Burg alles veranstaltetwerden könnte; Näheres wolle eraber nicht verraten.Am Samstag, 25.8.2007 geht in und umBelfort ein grosses <strong>Mittel</strong>alterfest überdie Bühne. Für einen Tag kehrt das Treibenvon einst in die Burganlage zurück,mit Schwertkampfszenen, Wurfaxt-Vorführungen, Einblicken in das Lebeneiner Handelsfamilie, mittelalterlichemEssen und Schalmeienklängen, altemHandwerk, historisch kostümiertenHolzertrupps oder Demonstrationen derKalkmörtelherstellung und des Bruchsteinmauerns.(Jano Felice Pajarola,Die Südostschweiz, 25.8.2007)Ruine Homberg, Läufelfingen BL2,87 Millionen für die Rettungder Ruine HombergWinter für Winter sprengt der Frost alteBurgmauern. Nun will die BaselbieterRegierung die gefährdetsten Ruinensanieren lassen. Sie hat am 28.8.2007eine Kreditvorlage an den Landrat verabschiedet.Das Baselbiet ist eine derburgenreichsten Regionen Europas. 60Burgstellen habe er in seiner Datei, sagtMichael Schmaedecke, Archäologe undBurgspezialist beim Kanton Baselland.Viele der Stellen seien allerdings kaummehr als ein Steinhaufen im Wald. Damitdie restlichen 20 bis 30 Burgen nicht genausoenden, müssen sie saniert werden,einige davon dringend. Allen voran dieeinsturzgefährdete Ruine Homberg.Die Baselbieter Regierung will dafür2,87 Millionen Franken, verteilt aufzwei Jahre, bereitstellen. «Der Kantonist verpflichtet, für den Unterhalt dieseswertvollen Erbes zu sorgen», schreibt dieRegierung. Priorität haben vorerst dieHomburg bei Läufelfingen, Schloss Pfeffingensowie die Römervilla Munzach beiLiestal und die Farnsburg bei Ormalingen,für die der Kanton eine vertraglicheUnterhaltspflicht hat.<strong>Mittel</strong>fristig rechnet die Regierung miteinem Aufwand von 7 bis 11 MillionenFranken für den Erhalt von Burgen undRuinen. «Wir wollen nur das, was jetztsteht, so weit schützen, dass nichts weiterkaputtgeht», sagt Schmaedecke.Am meisten setzt den dachlosen Ruinenund Burgen die Feuchtigkeit zu, wie derstellvertretende Kantonsarchäologe RetoMarti erklärt. Wenn im Winter Wasser indas Mauerwerk eindringt und gefriert,sprengt das die Steinbrocken. In den 30erJahren wurde schon einmal saniert. Dashätte man laut Marti lieber bleiben lassensollen: Der benutzte Mörtel ist zu fest,das Wasser fliesst nun schlechter ab.Bis der Kredit abgesegnet wird, dürfe esnoch eine Weile dauern. Doch der nächsteWinter naht. Es droht eine weiträumigeAbsperrung der Homburg aus Sicherheitsgründen.(Susanna Petrin, Basler Zeitung,29.8.2007)Burgruine Hünenberg,Hünenberg ZGÜberraschende EntdeckungenDie Untersuchungen der KantonsarchäologieZug auf der Burgruine Hünenbergbringen Licht ins Dunkel der Geschichte.Jetzt stellt sich heraus, dass die Anlagevor rund 900 Jahren ein ausserordentlich104 <strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3


Kurzmitteilungenprächtiger Adelssitz war. Als die Burg späterzum Teil zerfiel, liessen sie die Herrenvon Hünenberg wieder aufbauen und miteinem mächtigen Bergfried bewehren. Einezusätzliche Überraschung ist der Fundeines römischen Münzschatzes im Vorgeländeder Burg.Die archäologischen Untersuchungenhaben gezeigt, dass die Burg spätestensim 12. Jh. errichtet wurde. Davon habensich die Reste der Umfassungsmauer,des grossen Torturmes und eines überraschendprächtigen Wohnbaus (Palas)erhalten. Die Gebäude sind so sorgfältiggemauert wie nur auf ganz wenigen anderenBurgen jener frühen Zeit. Zum Baugehören auch romanische Bauskulpturen,u.a. ein Würfelkapitell und ein Löwenrelief.An Funden liegen ferner u.a. zahlreicheKeramikscherben und eine Schachfigurvor. Wahrscheinlich über hundertJahre später wurde die teilweise eingestürzteBurg massiv umgebaut. Anstelleder alten Gebäude an der Hangkanteerrichteten die Herren von Hünenbergim aufgeschütteten ehemaligen Innenhofdie neuen Wohnbauten. Dazu liessen sieStützmauern entlang der älteren Mauernbauen. Der mächtige Wehrturm mit seinemeindrücklichen, 3 m dicken Megalithmauerwerkwurde gemäss Radiokarbondatierungenum 1250 errichtet. Ausdieser neu erbauten Burg des 13. / 14. Jh.stammen Funde von Ofenkacheln, Waffenund Münzen.Da aus der Gründungszeit der Burg historischeNachrichten fehlen, ist unbekannt,wer sie erbauen liess. Die Herren von Hünenbergtraten erstmals im späten 12. Jh.in den Schriftquellen auf und waren um1300 die bedeutendste Kleinadelsfamiliein der Zentralschweiz. Gegen Ende des<strong>Mittel</strong>alters verliessen sie ihren Sitz undsiedelten sich in den Städten an, wo dasLeben als angenehmer und komfortablerempfunden wurde. Sie verkauften ihre alteBurg 1414 an einheimische Bauern. Inder Folge zerfiel die Anlage langsam.Unterhalb des Burghügels entdeckte einMitarbeiter der Kantonsarchäologie Zugim Jahre 2006 einen römischen Münzschatz.Damit die Fachleute vor Ortungestört Ausgrabungen vornehmenkonnten, wurde die Entdeckung bishergeheim gehalten. Die 68 Münzen lagennahe beieinander im Waldboden. Siedatieren in die Zeit von ca. 150 v. Chr.bis 270 n. Chr. Der Schatzfund bestehthauptsächlich aus wenig wertvollen Kupfermünzen,24 Stücke sind sogar halbiert.Nur zwei Münzen sind aus Silber. Derehemalige Geldwert des Fundes dürfteetwa dem Wochenlohn eines Legionärsentsprochen haben. Die spezifische Zusammensetzungdes Münzfundes (langeLaufzeit, «billige» und halbierte Münzen)deutet darauf hin, dass es sich beim Fundnicht um einen klassischen Verwahrfundhandelt, mit dem man Geld versteckenwollte. Zudem liegt die Fundstelle aneinem topographisch markanten Ort mitguter Aussicht. Andernorts konnten vergleichbareFunde und ähnlich gelegeneFundstellen als Heiligtümer identifiziertwerden, wo u.a. Münzen den Göttern alsVotivgabe dargebracht wurden. SolcheHeiligtümer standen häufig an Durchgangsstrassen.Der Schatz bestätigt dieeinstige Bedeutung des Platzes, steht aberin keinem direkten Zusammenhang mitder mittelalterlichen Burg.1944 erwarb die Korporation Hünenbergden Burghügel. Unter der Leitungdes archäologiebegeisterten Landwirtsund Kantonsrichters Emil Villiger legtenFreiwillige, Feuerwehr, Turnverein undSchüler die Anlage bis 1951 frei. Seit derletzten Sanierung 1961 / 62 sind über 40Jahre vergangen.Die Burgruine Hünenberg – ein beliebtesAusflugsziel – ist teilweise einsturzgefährdet.Zum Schutz der Besuchendenund des Kulturdenkmals selbst wird dieAnlage in diesem und im nächsten Jahrkonserviert. Die Konservierungsarbeitenunter der Leitung von Gabriela Güntertund Lukas Högl werden durch die ARGEFirma Max Zuckschwerdt AG (Staufen)und die Firma Reggiori AG (Cham)ausgeführt. Parallel dazu führt die KantonsarchäologieZug in Zusammenarbeitmit dem Lehrstuhl für Archäologiedes <strong>Mittel</strong>alters der Universität Züricharchäo logische Untersuchungen durch.(Kantonsarchäologie Zug,Pressemitteilung 23.8.2007)Schloss Peffingen, Pfeffingen BLZerfallsprozess bei Pfeffinger RuinegestopptDie Ruine ob Pfeffingen ist nicht nurmalerisch gelegen, sondern wirkt ausserdemwie die Vorstellung einer bizarrenBurgenwelt aus der Hochromantik. DieVerklärung des anhaltenden Zerfallsprozessesder Ruine könnte jedoch auch unschöneFolgen haben – dann etwa, wennMauerreste Schaden nehmen, auseinanderbersten,ihre Stabilität verlieren undniemand etwas dagegen täte. Um die Besucherinnenund Besucher etwa vor herabfallendenSteinen zu schützen, müssendie Mauern beziehungsweise Teile davonimmer wieder mal saniert werden.Im Oktober / November 2006 wurde eineMauer des grossen Zwingers renoviert,nachdem im vergangenen Winter einegrössere Partie davon abgebrochen war.Für die notwendigen Arbeiten an derRui ne Pfeffingen, die im Besitz des Kantonsist, hat der Regierungsrat 125 000Franken gesprochen.Die Burg wurde Mitte des 18. Jahrhundertsaufgegeben und danach als Steinbruchverkauft. Sie verfiel daraufhinimmer mehr. Erst in den 1930er Jahrenhabe man, so der Archäologe MichaelSchmaedecke, im Rahmen der grossenBurgenbegeisterung die Burg saniert undeinige Mauern wiederaufgebaut. Darunterauch die jetzt wieder instand gestellteehemalige Aussenmauer. Es mussten jedochimmer wieder Reparaturen durchgeführtwerden, zumal früher nicht dierichtigen Materialien verwendet wordensind. Dem wurde nun Rechnung getragen:Der für die Sanierungsarbeiten benutzteStein ist frostresistent. Ausserdemwurde eine spezielle Mörtelmischung entwickelt,mit der auch bei anderen Burgsanierungengute Erfahrungen gemachtwurden. Und: «Wir haben», so Schmaedecke,«Wert darauf gelegt, dass man dieRuine auch als solche erkennt.» Die jetzigeMauer entspreche den historischenGegebenheiten, ausser, dass sie noch vielhöher war: «Wir sind mit dem Ergebnissehr zufrieden.»Im Baselbiet gibt es um die achtzig Burgruinen.Für den Kantonsarchäologen JürgTauber verfügen die Ruinen über touristischesPotenzial, das bis heute zu wenigausgeschöpft werde. Zur Erhaltung derRuinen soll mittelfristig ein Konzept erarbeitetwerden, das den Erhalt der Ruinenregelt. Nur wenige Burgen, darunter dieRuine Pfeffingen und die Ruine Homburg,gehören dem Kanton. Die meistensind im Besitz von Gemeinden, Bürger-<strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3 105


Kurzmitteilungen / Veranstaltungengemeinden und Privaten. Bei Letzterenwirkt der Kanton unterstützend, mitKnow-how und Arbeitsleistungen, aberauch finanziell, sofern das Budget es zulässt.Nun soll der Erhalt dieser Burgenauf eine bessere Basis gestellt werden, soTauber. «Wir suche derzeit nach Wegen,wie die Burgen, die nicht in Privatbesitzsind, gefördert werden können. Sonstwerden die Ruinen nach und nach ausder Landschaft verschwinden.» Der Kantonsarchäologehofft auf eine entsprechendeLandratsvorlage.(Christian Fink, Basler Zeitung,11.11.2006)Burgruine Riom, Riom GRFestival Origen soll auf Burg RiombleibenGiovanni Netzer kann seine Drohung,mit Origen aus der Spielstätte in Riomausziehen zu müssen, zurücknehmen:Der Kreisrat stellt sich hinter seine Ausbauplänefür die Burg. Der Kreisrat botam 23.8.2007 Hand für die Erarbeitungeines langjährigen Baurechtsvertragsfür die Burg Riom zwischen dem KreisSurses und der noch zu gründendenStiftung Origen. Der Vertrag, der am25. November 2007 vor das SursetterStimmvolk gelangen soll, würde es derStiftung ermöglichen, den historischenBau gemäss ihren Plänen für mehrereMillionen Franken komfortabler zu machenund um zusätzliche Gebäudeteilezu erweitern.Das Kulturfestival Origen könnte damitweiterhin in der Burg Riom beherbergtwerden. Eine finanzielle Beteiligung amBauprojekt werde vom Kreis nicht erwartet.Eventuell überdenken müssenwird Origen-Intendant und Reinhart-Ring-Träger Giovanni Netzer bisherigeVorstellungen für den Umbau der Burg –zumindest aus der Sicht der BündnerDenkmalpflege. Eine historisierendeRekonstruktion, wie sie aus einer erstenVisualisierung der Origen-Macherersichtlich sei, würde nicht begrüsst, betonteMarcus Casutt, operativer Leiterder Denkmalpflege.(Jano Felice Pajarola,Die Südostschweiz, 25.8.2007)VeranstaltungenDer umkämpfte Ort – von derAntike zum <strong>Mittel</strong>alter3. Internationale wissenschaftlicheTagung in Oberfell an der Mosel9.–11.11.2007 Tagungsleitung:Dipl.-Rpfl. Olaf WagenerFreitag, 09.11.200714.00 Begrüssung durch den Vorsitzendendes Freundeskreises Bleidenberg e.V.,Werner Langen, MdEP, den Landrat desKreises Mayen-Koblenz, Albert Berg-Winters, den Ortsbürgermeister der GemeindeOberfell, Gottfried Thelen, undEinleitung von Olaf Wagener, Vorsitzenderder Wissenschaftlichen Kommissiondes Freundeskreises Bleidenberg e.V.14.30 Günther Stanzl, Mainz: AntikeTurmburgen und befestigte Siedlungenin Lykien15.10 Kaffeepause15.30 Timm Radt, Stuttgart:Die Rolle der Artillerie im Verteidigungskonzeptder hellenistischen Festungauf dem Berg Karasis (Provinz Adana,Türkei)16.10 Stephan Berrens, Siegen:Belagerung von befestigten Orten imRömischen Reich in der Spätantike (Arbeitstitel)16.50 Kaffeepause17.10 Olaf Wagener, Kreuztal:Belagerungskriegführung zwischen Antikeund <strong>Mittel</strong>alter – ein Vergleich imHinblick auf Organisation und Logistik(Arbeitstitel)17.50 Malte Prietzel, Berlin:Kleine Kämpfe im grossen Krieg. Scharmützelund Zweikämpfe bei Belagerungen18.30 Abendessen im Moselgasthaus«Zur Krone» mit anschliessender Möglichkeitzur WeinprobeSamstag, 10.11.20079.10 Thomas Küntzel, Göttingen:Zwischen Vegetius und Konrad Kyeser:Römische Theorie und zeitgenössischePraxis beim Bau von Schanzen im hohenund späten <strong>Mittel</strong>alter9.45 Kaffeepause10.00 Achim Schmidt, Koblenz:Relikte spätantiker Befestigungen imRhein-Mosel-Gebiet unter besondererBerücksichtigung des Fundplatzes Burgbergbei Polch – Ruitsch10.35 Erik Beck, Freiburg: Burgen aufantiken Vorgängeranlagen – BewusstesAnknüpfen oder pragmatische Wiederbesiedlung?11.10 Gertrud Blaschitz, Krems an derDonau, Österreich:Zur Kontinuität antiker Strassen in dermittelhochdeutschen Literatur11.45 Susanne Knaeble, Bayreuth:Die Eroberung von Herrschaftsräumenals strukturstiftendes Moment von WolframsParzival12.30 Mittagessen im Moselgasthaus«Zur Krone»14.00 Silvan Wagner, Bayreuth:Krieg als Ritterschaft, Turnierfest undlistiger Kampf ums Ehebett. FiktionaleTopik und Parodie gewalthafter Auseinandersetzungim «Mauricius von Craûn»14.35 Michael Herdick, Mainz:Militärische Macht und wirtschaftlichePotenz. Elemente elitärer Siedlungskulturvon der Spätantike bis zum <strong>Mittel</strong>alter(Arbeitstitel)15.10 Thomas Schütz, Stuttgart:Castra, ribāt und Kastellburg / Gab es eineVermittlung antiker Bauformen überden islamischen Kulturraum?15.45 Kaffeepause16.00 Carolin Wirtz, Bonn:Die Anfänge der Republik Venedig – VomExarchat von Ravenna bis zur Republikdes Heiligen Markus16.35 Isik Aydemir, Istanbul, Türkei:Die Stadtbefestigung von Konstantinopel106 <strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3


Veranstaltungen / Publikationen17.10 Udo Liessem, Koblenz:Die Stadtbefestigung von Koblenz18.00 Abendessen im Moselgasthaus«Zur Krone» und ab19.30 Öffentliche Jahreshauptversammlungdes Freundeskreises Bleidenberg e.V.mit anschliessendem UmtrunkSonntag, 11.11.20079.15 Stefan Frankewitz, Geldern:Über den Aufwand, eine Burg zu zerstören.Anmerkungen zu Zerstörungen vonBurgen im 14. Jahrhundert im Rheinland9.50 Gerrit Himmelsbach, Aschaffenburg:Burgen am «Nassen Limes» – Kastelle,Höhenburgen und Kontinuitäten entlangdes Bayerischen Untermains von der Römerzeitbis ins frühe <strong>Mittel</strong>alter10.25 Kaffeepause10.40 Antonia Glauben, Martin Grünewald,Lutz Grunwald, Mayen:Mayen am Übergang von Spätantike zufrühem <strong>Mittel</strong>alter11.15 Günter Brücken, Koblenz:Der Bleidenberg bei Oberfell – von derUrgeschichte bis zur Thurandter Fehde(Arbeitstitel)11.50 Tanja Potthoff, Bonn:Vom Burgus zur Burg? – Das BeispielGodesberg12.30 SchlussdiskussionAnschliessend Möglichkeit zum gemeinsamenMittagessenDie Tagungskosten betragen 30.– Euro,und Tageskarten sind für 15.– Eurozu erwerben. Um Anmeldung wird gebetendurch Überweisung des Tagungsbeitragesauf das Konto der OrtsgemeindeOberfell, Konto-Nr. 16 000 200, BLZ570 501 20 bei der Sparkasse Koblenz –bitte unbedingt als Verwendungszweckangeben «Burgensymposion 2007, Vorname/ Nachname / Wohnort»! Unterkünftestehen zur Verfügung im Tagungshotel«Zur Krone», E-Mail: info@kroneoberfell.de,Telefonnummer 02605 / 665,und weitere Unterkünfte können bei derOrtsgemeinde Oberfell erfragt werden,E-Mail: gemeinde.oberfell@t-online.de,Telefonnummer 02605 / 4484 (Öffnungszeitenvon 15.00 Uhr bis 17.30 Uhr).Bei weiteren Fragen können Sie sich gernean die Ortsgemeinde Oberfell (s.o.) oderan Olaf Wagener, E-Mail: olaf.wagener@gmx.de, Telefonnummer 0174 / 499 7895, wenden.PublikationenOlaf Wagener (Hrsg.)Die Burgen an der MoselAkten der 2. Internationalen WissenschaftlichenTagung in Oberfell an derMosel 2006, Koblenz: Goerres 2007.224 S., 103 s / w-Abb., 2 19,80.ISBN 978-3-935690-59-1Der vorliegende Band beinhaltet dieSchriftfassung der auf der Tagung gehaltenenVorträge und darüber hinausnoch weitere Studien, die von interessiertenKollegen beigesteuert wurden.Die Beiträge behandeln einzelne Burgenwie die Ehrenburg bei Brodenbach, dieBurg in Kastellaun oder Burg Schöneckam Hunsrück, aber sie beschäftigen sichauch mit einzelnen Phänomenen desBurgenbaues wie den an der Mosel gelegenenWohntürmen und den Geschehnissenrund um Burgen wie beispielsweiseder Fehdepolitik des Trierer ErzbischofsBalduins von Luxemburg. Es handelt sichum Beiträge aus möglichst vielen Fachbereichen,so dass neben Historikern,Kunsthistorikern und Archäologen auchArchitekten und Bauforscher ihre Ergebnissevorstellen.Das Buch soll dem burgeninteressiertenLeser einen Zugang zu den vielgestaltigenMöglichkeiten der Burgenforschung geben,es soll aber auch den Fachkollegendie neuesten Erkenntnisse interdisziplinärerBurgenforschung im Bereich derMosel vorstellen. Nicht zuletzt aber solldieses Buch auf die vielgestaltige Burgenlandschaftentlang der Mosel und in denihr benachbarten Gebieten von Hunsrückund Eifel aufmerksam machen, die derBurgenforschung noch manch interessantesObjekt zu bieten hat.InhaltsverzeichnisUdo Liessem: Notizen zur Niederburg inKobern; Hartmut Georg Urban: Bemerkungenzu bewohnbaren Wehrtürmenund Wohntürmen an der Mosel; HeikoLass / Maja Schmidt: Formen der Herrschaftsrepräsentationin der ersten Hälftedes 13. Jahrhunderts an der Mosel – DieWohntürme in Ediger-Lehmen, Senheimund Karden; Alexander Thon: ZwischenReich, rheinischer Pfalzgrafschaft undErzbistum Trier – Neue Erkenntnissezur hochmittelalterlichen Geschichte derBurgen Cochem, Klotten und Bischofstein;Michael Losse: «Des ErzbischofsWeihnachtsgeschenk» – Burg Arras unddie bürgerliche Burgen-Aneignung an derMosel im 19. und frühen 20. Jahrhundert;Achim H. Schmidt: Die Befestigung «aufdem Scharen» bei Alken – Spuren mittelalterlicherBefestigungstechnik? OlafWagener: Die Belagerungsanlage auf demBleidenberg und Burg Thurant; Jens Friedhoff:Schloss Schöneck, Reichsministerialensitz– Molkenkuranstalt – Forsthaus;Achim Wendt: Wenn zwei sich streiten …geht der Dritte beten? – Der Konflikt umdie Ehrenburg von 1161 und die (nicht?)gebauten Folgen; Hubert Leifeld: BurgKastellaun – Neue Forschungen zu einersponheimischen Burg im Hunsrück; JuliaEulenstein: Umkämpftes «Land» – DieFehdeführung Balduins von Trier (1307–1354) entlang der Mosel; Olaf Wagener:Belagerungen im Moselraum im Hochmittelaltervon 1000 bis 1200 anhand derGesta Treve rorum.Alexander Thon / Stefan Ulrich«Von den Schauern der Vorweltumweht …» – Burgen und Schlösseran der MoselRegensburg: Schnell & Steiner 2007.180 S., 103 Farb-, 19 s / w-Abbildungen,30 Grundrisse, 1 Übersichtskarte, 2 12,90.ISBN 978-3-7954-1926-4Im Gegensatz zu den Burgen am Rheinhaben die Burgen an der Mosel seit ih-<strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3 107


Publikationenrer Entdeckung durch die Romantik im19. Jahrhundert stets eine nachgeordneteBeachtung in Öffentlichkeit und Forschungerfahren. «Von den Schauern derVorwelt umweht …» bietet nun erstmalseinen aktuellen und fundierten Überblicküber die mittelalterlichen Befestigungsanlagenvon Trier bis Koblenz.In einprägsamen Einzelporträts werden30 ausgewählte Anlagen an und naheder Mosel präsentiert. Auf der Grundlageneuer Forschungsergebnisse beschreibendie Autoren Geschichte und baulicheEntwicklung im Zusammenspiel mit hervorragendenLuft- und Bodenaufnahmen,Grundrissen sowie historischen Abbildungen.Für den Kulturreisenden dieneneine Bibliographie, aktuelle touristischeHinweise und eine Übersichtskarte zurumfassenden Orientierung und Reisevorbereitung.Behandelt wird die ganze Vielfalt vonBurgentypen an der Mosel wie die weltbekannteBurg Eltz mit der Belagerungsburg«Trutz»-Eltz, die wiederaufgebauteReichsburg Cochem, die Stadtburg in Koblenz,Kobern mit seinen beiden Burgenund der imposanten Matthiaskapelle, dieWasserburg Baldenau, die zur Festungausgebaute Grevenburg, die eher alsbefestigtes Kloster anzusprechende Marienburgund die in ihrer Ursprünglichkeitund Anlage höchst beeindruckendeWinneburg.Das Panorama der ausgewählten Objektedokumentiert nachhaltig die Bedeutungund Schönheit der Burgen an der Mosel,die ihren Nachbarn am Rhein in nichtsnachstehen.InhaltsverzeichnisEinleitung; Burg Arras; Burg Baldenau;Burg Beilstein («Metternich»); Burg Bernkastel(«Landshut»); Burg Bischofstein;Burg und Schloss Cochem; Ehrenburg;Burg Eltz; Burg und Schloss Föhren; Burgund Schloss von der Leyen («Oberburg»)Gondorf; Burg und Festung Grevenburg;Burg Klotten («Coraidelstein»); NiederburgKobern; Oberburg (Altenburg)Kobern; Burg und Schloss («Alte Burg»)Koblenz; «Burg» und Kloster Marienburg;Pfalz und Burg Pfalzel; Burg undSchloss Pyrmont; Burg Ramstein; Rauschenburg;Burg und Schloss Schöneck;Burg Sommerau; Burg Thurandt; BurgTreis; Pfalz, Burg und Schloss Trier;Burg «Trutz-Eltz» (Balden- oder Neu-Eltz); Burg Veldenz; Burg und SchlossWaldeck; Wildburg (Wildenburg); Winneburg;Glossar; Touristische Hinweise;Literaturhinweise.Die Laimburg – Il castellodi LaimburgGeschichte • Archäologie •Restaurierung – Storia • archeologia• restauroHrsg. von / a cura di Waltraud Kofler Englund / e Gustav Pfeifer; Abteilung Denkmalpflege,Amt für Bau und Kunstdenkmäler/ Ripartizione beni culturali, ufficiobeni architettonici e artistici. Forschungenzur Denkmalpflege in Südtirol, Band2 / Beni culturali in Alto Adige – Studi ericerche, volume 2. Verlagsanstalt AthesiaBozen 2006 – 123 Seiten, mit zahlreichenFarb- und s/w-Abbildungen und13 Faltplänen im Anhang. 22 ¥ 30,5 cm,gebundenISBN 88-8266-398-1Inhalt:Einführung / introduzione. Gustav Pfeifer:Leienburgum–Laienburch. Überlegungenzur mittelalterlichen Geschichteder Laimburg. Christian Terzer: DieLaimburg – Bestandsaufnahme und archäologischeUntersuchung. WaltraudKofler Engl: Die frühgotischen Wandmalereifragmenteder ehemaligen Burgkapelle.Gabriella Stabile Re: Breverelazione sui risultati delle ricerche diemergenza nei pressi del castelli di Laimburg– comune di Vadena (BZ). LorenzoDal Ri / Catrin Marzoli: Un sigillo degliScaligeri dalla rovina di Castel Laimburg.Walter Angonese: Stein um Stein.Zur Ruinensicherung der Laimburg – EinEssay in Stichworten.Peter FreyDas Stammhaus der Herrenvon HallwylDie archäologischen Untersuchungen aufdem Wasserschloss Hallwyl 1995–2003.Mit Beiträgen von Marlu Kühn, HeidemarieHüster Plogmann, Marquita undSerge Volken. Hier + jetzt, Verlag fürKultur und Geschichte, Baden 2007 –380 Seiten, 164 Abb., zahlreiche Tafelnund Tabellen. 23 ¥ 30 cm, gebunden.Fr. 68.– / 2 42.80ISBN 978-3-03919-049-290 Jahre nach der wegweisenden Untersuchungund Restaurierung von Hallwylunter der Leitung des schwedischen ArchäologenNils Litberg ist das eindrücklicheWasserschloss ein weiteres Mal imDetail unter die Lupe genommen worden.Die beiden Untersuchungen habeneine für die Schweiz einzigartige Vielfaltan Erkenntnissen zur Entwicklung derSchlossanlage und zum Alltagsleben aufder Burg über die Zeit von sieben Jahrhundertenhervorgebracht.Ausgewertet wurden nicht nur baulicheZeugnisse und andere materielle Artefakte.Auch die Überreste des Speisezettelsder Burgbewohnerinnen und -bewohner,ja selbst ihre Abfallgruben waren Gegenstandder Untersuchung. Damit entstehtein anschauliches Bild des Lebens auf derWasserburg Hallwyl, die nach und nachzum repräsentativen Wohnschloss umgebautworden ist.Inhalt:Einleitung – Der Untersuchungsbefund(Grabenzone, Bauten der VorderenSchlossinsel, Bauten der HinterenSchlossinsel, Bauten ausserhab des Burgberings)– Die Funde (Kleinfunde, Tierreste,Pflanzenreste) – Die Familie vonHallwyl – Grabungsergebnisse (Bau- undSiedlungsgeschichte, architektonischeElemente, burgenkundliche Aspekte,wirtschafts- und sozialgeschichtliche Erkenntnisse)– Zusammenfassung – Katalogeund Tabelle.Burgen MostviertelMit Beiträgen von Marina Kaltenegger,Thomas Kühetreiber, Gerhard Reichhalter,Patrick Schicht und Herwig Weigl.Hrsg. von Falk Daim in Zusammenarbeitmit der Abteilung Kultur und Wissenschaftdes Amtes der NiederösterreichischenLandesregierung, dem Vereinfür Landeskunde von Niederösterreich,dem Institut für Realienkunde des <strong>Mittel</strong>altersund der frühen Neuzeit derÖsterreichischen Akademie der Wissenschaften,der Interdisziplinären For-108 <strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3


Publikationenschungsplattform Archäologie (VIAS) derUniversität Wien und dem Magistrat derStadt Wien, MA 7, Referat Stadtarchäologie.Freytag & Berndt 2007 – 464 Seiten,mit zahlreichen Farb- und s/w-Abb.und Grundrissplänen, 13,5 ¥ 25 cm, gebunden.ISBN 978-3-7079-1041-4In der Reihe des Burgenführers Niederösterreichist nach dem Waldviertel(2001) und dem Weinviertel (2005) dasProjekt im Mostviertel angekommen,einer Region, deren Kunstschätze nochviel zu wenig bekannt sind, ja zu einemguten Teil sogar noch der wissenschaftlichenBearbeitung harren. Mit dem vorliegendenBand erhalten die Interessierteneinen spannenden Führer zur Hand, derihnen ein weitgehend unbekanntes Gebieterschliesst – die Burgenlandschaft zwischenEnns und dem Dunkelsteiner Wald.Der Spezialist erhält hingegen das ersteInventar, eine vollständige Erfassung derbekannten mittelalterlichen Wehrbautenin diesem Gebiet.Insgesamt 500 Anlagen wurden begangenund aufgenommen, die verstreute Literaturgesammelt, die schriftlichen Quellenausgewertet, Pläne und Bilder angefertigt.Die inhaltliche Abgrenzung des Begriffs«Burg» als mittelalterlicher Adelssitzwurde bereits im ersten Band (Waldviertel2001) entsprechend dargelegt, so dasssich die Ausführungen im vorliegendenBand auf das Notwendigste beschränken.Als «Adelssitz» werden überwiegendkleinräumige, meist mit Befestigungsanlagenversehene Siedlungsbauten verstanden,die aufgrund urkundlicher Überlieferungund / oder charakteristischer BauelementeAngehörigen des Adelsstandeszugeordnet werden können. Da aber dieCharakterisierung als Wohn- und Wirtschaftsobjekteines Adeligen im Vordergrundsteht, wurden reine Befestigungssystemewie Stadtmauern, Landwehrenoder Strassensperren nicht oder nur amRande berücksichtigt; Gleiches gilt auchfür die Wehrkirchen.Wie aus den einleitenden Aufsätzen vonHerwig Weigl und Gerhard Reichhalterersichtlich, ist die zeitliche Eingrenzungder aufgenommenen Objekte auf denZeitraum zwischen 1000 und 1550 sowohlaus herrschaftsgeschichtlicher alsauch aus burgenkundlicher Sicht gerechtfertigt.Dass dennoch viele neuzeitlicheSchlösser in diesem Band berücksichtigtwurden, liegt weniger in ihrer bis heutelandschaftsprägenden Präsenz begründet,sondern vielmehr in ihrer Bedeutung alsNachfolger mittelalterlicher Adelssitze,sei es durch Integration älterer Teile, seies durch topographische Bezugnahme aufden mittelalterlichen Wehrbau.Um ein schnelles Auffinden der Burgenim Buch sowie im Gelände zu ermöglichen,sind diese im Text unter denalphabetisch geordneten Orts-, MarktoderStadtgemeinden zu finden. Unterdem Burgnamen im Text findet sich dieBlattnummer, die auf den Kartenteil imMassstab 1:100 000 im hinteren Teildes Bandes Bezug nimmt. Für die Kartenlegendewurden 11 verschiedene Signaturenverwendet (Burg, Burgruine,Burg-Schloss, Burg stark umgebaut,Schloss, Schloss stark umgebaut, Schlossruine,Ansitz / Dorfturm / Turmhof, Ansitz/ Dorfturm / Turmhof stark umgebaut,Ansitz / Dorfturm / Turmhof ruinösund Hausberg / Burgstall / Erdwerk). ImText kategorisiert (aber in der Karte nichtdargestellt) sind im Weiteren nicht mehrerhaltene Wehranlagen / Adelssitze / Burgstellen,nicht lokalisierbare Sitze undfragliche Sitze.Die Beschreibung der einzelnen Objektebeginnt mit den Absätzen «Zufahrt»,«touristische Infrastruktur», «Einkehrmöglichkeiten»und «weitere Infos». DieHauptinformation ist in den Absätzen«Geschichte» sowie «Lage / Baubeschreibung»enthalten und schliesst mit den«Literaturangaben». Der übersichtlichund reich bebilderte Band weist einengestalterischen Wermutstropen auf: DieTextspalte ist zu nahe am Bund platziert,und im Kartenteil sind die randabfallendenKarten im Bund nur schwer lesbar.Burgenrenaissance imHistorismus und Burgenforschungin <strong>Mittel</strong>deutschlandHrsg. von der Wartburg-Gesellschaft zurErforschung von Burgen und Schlössernin Verbindung mit dem GermanischenNationalmuseum. Forschungen zu Burgenund Schlössern, Band 10. DeutscherKunstverlag München / Berlin 2007 –260 Seiten, zahlreiche s/w-Abbildungenund Grundrisspläne, 20 ¥ 26,5 cm, gebunden.ISBN 978-3-422-08718-9Inhalt:Elisabeth Crettaz-Stürzel: Adel undWissenschaft – die europäische Burgenrenaissanceum 1900. Grit Jacobs: CarlAlexander, Hugo von Ritgen, Bernhardvon Arnswald – das Verhältnis von Bauherr,Architekt und Kommandant imersten Jahrzehnt der Wiederherstellungder Wartburg. Stefanie Lieb: Der Rezeptionsprozessromanischer Formen beider «Wiederherstellung» der Wartburgim 19. Jahrhundert. Jutta Krauss / ElisabethCrettaz-Stürzel: Der Wappensaalim Wartburghotel von Bodo Ebhardt undLéo Schnug. Monique Fuchs: Helden,Heilige und Haudegen auf der Hohkönigsburg.Eine neue Sicht auf die Bedeutungder Ausstattung. Michael Losse:Das Scheffelschlössle auf der Mettnaubei Radolfszell, eine «Dichterburg» des19. Jahrhunderts am Bodensee. TomaszTorbus: Das Schloss von Kamenzin Schlesien (Kamieniec Zabkowicki) –ein vergessenes Spätwerk Karl FriedrichSchinkels. Petr Chotébor: NeugotischeBauwerke auf der Prager Burg. G. UlrichGrossmann: Die Pläne Bodo Ebhardtszur Restaurierung der Hohkönigsburg.Sigrid Gensichen: Der Denkmalstreitum das Heidelberger Schloss revisited:Die Bauaufnahme von Julius Koch undFritz Seitz un das Wiederherstellungsmodell.Joachim Kleinmanns: Schloss Neu-Eberstein bei Baden-Baden. Zum denkmalpflegerischenUmgang mit Burgenim 19. und 20. Jahrhundert. DankwartLeistikow: Von der «Geschichte der Militär-Architektur»zur Burgenforschung:Festpunkte der Burgenkunde in Baden im19. Jahrhundert. Rudolf Knappe: GeorgLandau (1807–1865). Sein Leben undWirken.Thomas Bienert: Zur Baugeschichteder Sachsenburgen an der ThüringerPforte. Udo Hopf: Die Burg Gleichen.Neue Erkenntnisse zur Bau- und Nutzungsgeschichte.Gerd Strickhausen: DieThüringer Grafenfehde und die BurgenGraf Günters XXI. von Schwarzenberg(1326–1349). Jörg Möser: Schloss Weesenstein– Baugeschichtliche Beobach-<strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3 109


Publikationen / Vereinsmitteilungentungen zur frühneuzeitlichen Erweiterungder mittelalterlichen Burg. Benjamin Rudolph:Die Arnsburg – Werden, Vergehenund Wiederentdeckung einer unscheinbarenBurganlage auf der Hainleite.Annelies Hüssy, Christoph Reding,Jürg A. Bossardt, Manfred A. Frey,Hans P. NeuenschwanderDie Burg und Festung AarburgSchweizerische Kunstführer GSK, Serie82, Nr. 819, Bern 2007 – 60 Seiten, zahlreichefarbige Abbildungen und Pläne.ISBN 978-3-85782-819-5Der Kunstfüher Burg und Festung Aarburgwidmet sich einem Baudenkmalvon nationaler Bedeutung. Die Grafenvon Frohburg hatten die strategische Lageauf dem Felsgrat an der Aare schonfrüh erkannt und dort um 1100 eineBurg gegründet. Im 13. Jh. errichtetensie den Kern der Anlage aus Hauptturmund Palas. nach der Eroberung des Aargausdurch Bern 1415 wurde die BurgLandvogteisitz. Trotz der vielen nachfolgendenbaulichen Eingriffe sind die ursprünglichenRaumstrukturen bis heutenachvollziehbar geblieben. Die grössteVeränderung erlebte die Aarburg von1659 bis 1673, als Bern die Burg zur Sicherungihres Untertanengebiets und desreformierten Glaubens zu einer Artilleriefestungausbaute. Mit einer Gesamtlängevon 400 m ist die Anlage ein einzigartigesZeugnis barocker Fortifikationsbaukunstin der Schweiz. Seit mehr als 100 Jahrenbeherbergt sie ein Jugendheim für jungeMänner.Nützlicher Hinweis:Die Festung kann nicht frei besichtigtwerden (geschlossener und halboffenerMassnahmevollzug). Von April bis Oktoberwird jeweils am Samstag um 14.00Uhr eine Führung angeboten (Treffpunktim Vorhof). Weitere Infos beim KantonalenJugendheim Aarburg, Postfach4663 Aarburg, Tel. +41 (0)62 787 01 01,E-Mail: jugendheim@ag.ch.Eidgenössische Kommissionfür Denkmalpflege (Hrsg.)Leitsätze zur Denkmalpflegein der Schweizvdf Hochschulverlag an der ETH Zürich2007, 104 Seiten, Format 17 ¥ 24 cm,broschiert. CHF 28.– / 2 19.– (D)ISBN 978-3-7281-3089-1Die «Leitsätze zur Denkmalpflege in derSchweiz» enthalten die Grundsätze zumUmgang mit dem baulichen Erbe, welchedie Eidgenössische Kommission fürDenkmalpflege vertritt und ihren Gutachtenund Stellungnahmen zugrundelegt. Die Kommission wendet sich mitder Publikation sowohl an Fachleute alsauch an Bauherren, Architektinnen, Politikerinnenund interessierte Laien. Siefördert das Verständnis für das Wesenvon Denkmälern und historischen Stättenund stellt die geeigneten Massnahmenfür deren langfristige Erhaltung vor. DieTexte sind in Deutsch, Französisch, Italienischund Englisch publiziert, um damitauch interna tional wahrgenommenzu werden.Rolf LeglerDas Geheimnis von Castel delMonte. Kunst und Politik im Spiegeleiner staufischen «Burg» –10 Jahre WeltkulturerbePrivatedition München 2007. Format15,3 ¥ 21,6 cm, ca. 300 Seiten mit225 Abbildungen, überwiegend farbig.Auflage 500 Ex. nummeriert und handsigniert.Diese exklusive Privateditionist zunächst nicht im Buchhandel erhältlich.Preis: 2 26.90 inkl. VersandspesenNach Jahren der unfreiwilligen Verzögerungerscheint nun doch nochrechtzeitig zum 10-Jahres-Jubiläumvon Castel del Monte als Weltkulturerbedie in langer Zeit erarbeitete undinterdisziplinär angelegte Studie überdie berühmteste «Burg» Italiens. Nichtnur die weitläufig angelegte und docherfreulich detaillierte Betrachtungsweiseverdient Beachtung, ein besonderes Verdienstkommt dem Autor deshalb zu,weil er als erster Castel-Monograph diereichhaltig erhaltene Skulptur von Casteldel Monte mit fast einem Drittel desTextumfangs miteinbezieht. Das warin der umfangreichen Castel-Literaturein längst überfälliges Desiderat. Auchwerden gängige Interpretationsmusterwie Wehrbau, Jagdschloss, ländlicheResidenz (Kaiservilla), Observatorium,Mausoleum, Zentrale der Landesverteidigungetc. als seriöse Deutung verabschiedet.Originell und zukunftsweisendsind die digitalen Modelle von Eger alsVorstellungshilfen (nicht als verbindlicheRekonstruktionen) für den ursprünglichgeplanten Bau, der mit allerzitierfähiger Wahrscheinlichkeit nie eineBurg, vielmehr ein veritabler Sakralbauim staatspolitischen Programm des Kaiserswar.Besonders verdienstvoll ist die ausführlicheBibliographie auch unter dem Aspektder Skulpturenforschung und derwieder strittigen Frage des Porträts im<strong>Mittel</strong>alter. Nicht alle Neuheiten undMeriten des nebenbei auch wunderschönenBuches können hier notiert werden.Legler legt die erste inhaltlich seriös begründeteund faktisch nachvollziehbareDeutung zur ursprünglichen bzw. wohlgeplanten Form/Funktion dieses spektakulären,aber nie vollendeten Kaiserbausvor.Ob man allen seinen Erläuterungen undRückschlüssen beipflichtet oder diesengegenüber reserviert bleibt, eines istallemal gewiss: Das Buch ist in seinerArt ein bemerkenswerter Beitrag zurBurgenforschung und wird wohl inZukunft als Standardwerk zum Themazitiert werden müssen.Aus dem Inhalt:1. Architektur einer Krone – SteinernesGeheimnis und «Ärgernis der Wisssenschaft»:Ein Schlüssel zum Ärgernis –Kritische Kurzvisite – Lage-<strong>Mittel</strong>punkt-Achsen – Den Experten ein Problem,Anmerkungen zur Baugestalt – VonMönchen und Chimären – Vorbilder,Vorläufer oder Geschwister? – Der Kaiser:Bauherr oder Architekt? – Versteinerungeiner Idee – Noch ein Streit um110 <strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3


Publikationen / Vereinsmitteilungendes Kaisers Bart: Wann genau wurdeCastel del Monte errichtet? – Zurückzum Eingang: das Portal.2. Das Bild des Kaisers oder die Skulpturvon Castel del Monte: Italiens berühmtesteBurg – Das Bild des Kaisers –Die Meisterfrage.3. Dem Geheimnis auf der Spur: VonÄrgernissen, Krücken und Gehversuchen– Spurensuche: Architektur allgemein– Architektur als Bedeutungsträger– Erster Schlüssel: Auftauchen zurAchtheit durch Eintauchen. Ein Tempelwird Stadt und eine Stadt wird Tempel –Zweiter Schlüssel: Pfaff oder Kaiser?Der vermeintliche Gegensatz von Sakraloder Profan im <strong>Mittel</strong>alter – DritterSchlüssel: Das Motiv – Baupolitik undBildsprache des Gegners – Die Sprachedes Kaisers – Castel del Monte.Bestellungen sind zu richtenan den Autor:Dr. Rolf LeglerWestendstr. 93ADE-80339 MünchenFax: +49 (0)89 502 42 90E-Mail: legler.kukurei@t-online.deVereinsmitteilungenVorstand für das Jahr 2007Präsidentin:Dr. Renata WindlerKantonsarchäologieStettbachstr. 7,8600 DübendorfTel. 043 343 45 20renata.windler@bd.zh.chVizepräsidenten:Urs Clavadetscher, lic. phil.Archäologischer DienstKanton GraubündenLoëstr. 26, 7001 ChurTel. 081 254 16 62urs.clavadetscher@adg.gr.chHansjörg FrommeltLandesarchäologie LiechtensteinPostfach 417, FL-9495 TriesenTel. 00423 236 75 31hansjoerg.frommelt@fa.llv.liQuästor:Dr. Martin BaumgartnerTreuhandgesellschaft BK+PBalderngasse 9, Postfach 21008022 ZürichTel. 044 213 69 69m.baumgartner@bkpzh.chWeitere Vorstandsmitglieder:Dr. Elisabeth CrettazLe Forum, 3961 ZinalTel. 027 475 20 28elisabeth.crettaz@bluewin.chDr. Armand BaeriswylArchäologischer Dienst desKantons BernPostfach 5233, 3001 BernTel. 031 633 55 22armand.baeriswyl@erz.be.chDr. Martin PestalozziStadtmuseum AarauSchlossplatz 23, 5000 Aaraumartin.pestalozzi@aarau.chDr. Hans Rutishauser-LöhrerDenkmalpflege GraubündenLoëstr. 14, 7001 ChurTel. 081 257 27 92hans.rutishauser@dpg.gr.chDr. Jürg SchneiderCarl-Spitteler-Str. 71, 8053 ZürichTel. 01 422 25 22jeschneider@bluewin.ch80. Jahresversammlung desSchweizerischen <strong>Burgenverein</strong>sLocarno und ausgewählte Ruinen imMendrisiotto und Sottoceneri warendas Ziel der 80. Jahresversammlungdes Schweizerischen <strong>Burgenverein</strong>s vom1. und 2. September 2007. Im Heft2/2007 sind verschiedene Aspekte der<strong>Mittel</strong>alterarchäologie im Tessin undeinzelne Exkursionsziele zuvor schonvorgestellt worden.Die Jahresversammlung in der SalaSopraceneriana in Locarno besuchten29 Mitglieder. Neben den alljährlich wiederkehrendenTraktanden waren diesmalauch die Ergänzungswahl in den Vorstandund die Erhöhung des Jahresbeitrages zubehandeln. Nach dem Rücktritt von DanielGutscher wurde auf Vorschlag desVorstandes Armand Baeriswyl (ArchäologischerDienst Bern) mit Akklamationgewählt.Ohne Diskussion wurde von den anwesendenMitgliedern der Vorschlag desVorstandes zur Erhöhung des Jahresbeitragesangenommen (siehe separateMitteilung).Am Samstagnachmittag stand der Besuchvon Castello Visconteo und Rivellinoauf dem Programm. Zunächst begrüssteRiccardo Carazzetti, der Leiter des Museums,die Anwesenden und stellte miteinigen Dias die Entwicklung der Burg<strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3 111


Vereinsmitteilungenvon Locarno dar. Bei der anschliessendenFührung durch das Gebäude wies erbesonders auf die sehr respektvolleSanierung der Burgruine in den Jahren1921–28 hin. Anschliessend stellte MarinoViganò seine Forschungen zumRivellino vor, einem fortifikatorischenTeil der Burg von Locarno. Wie derabschliessende Augenschein dieses injüngster Zeit vieldiskutierten Bauteileszeigt, handelt es sich um eine wenig auffälligePartie der Burg, die vollständigvon Wohnbauten umgeben ist; das Besonderedieses Rivellino liegt darin, dasser möglicherweise der einzige erhalteneBaukörper ist, der nach Plänen von Leonardoda Vinci gebaut wurde.Das nächste Ziel der Exkursion war dieCà di Ferro in Minusio. Der private Besitzererlaubte uns freundlicherweise,Teile des Gebäudes und den Turm voninnen zu besichtigen. Bemerkenswert istdie Tatsache, dass das in mittelalterlicherManier wehrhaft wirkende Gebäude rund60 Jahre nach dem für damalige Begriffehochmodernen Rivellino errichtet wurde.Es war aber nicht ein Nostalgiker, der die -ses baute, sondern ein schlauer Fuchs, dereine wehrhafte Anlage mit einer Palazzofassadetarnte; denn im 16. Jahrhundertgalt das Tessin als entmilitarisierte Zone,in der keine Wehrbauten mehr errichtetwerden durften. Massive Fenstergitterund Schlitzscharten deuten auf die Wehrhaftigkeithin. Die innere Organisationder Vierflügelanlage war so konzipiert,dass in einem Flügel die Söldnerkaserneuntergebracht war, in zwei Seitenflügelndie Lagerräume und im seeseitigen Flügeldie Residenz des Söldnerführers. JederFlügel war hermetisch gegen die anderenabgeschlossen. Verblüffend ist die Feststellung,dass der freistehende massiveTurm neben dem Palazzo nur über eineFallbrücke im zweiten Obergeschoss desResidenzflügels zugänglich war. Hierkonnte sich der Söldnerführer im Falle einerRevolte seiner Söldner verschanzen.Am Sonntag versammelten sich 20 Mitgliederzur Exkursion ins Mendrisiotto,wo als erstes Ziel Tremona-Castelloangesteuert wurde. Mit anschaulichenWorten erklärte der Foschungsleiter derGrabungen, Alfio Martinelli, die Befunde.Der Siedlungsplatz wurde vomNeolithikum bis ins Hochmittelalter immerwieder benutzt. Die jetzt sichtbarenStrukturen stammen von einer Siedlungaus dem 8–13. Jh. Zwei parallele Häuserzeilenund zwei Einzelreihen sind voneiner Ringmauer umschlossen, in der dasTor zweimal den Standort wechselte. Wiedie Befunde zeigen, scheint die Anlage inder Mitte des 13. Jh. durch Brand zerstörtworden zu sein. Das lässt sich aucham reichhaltigen Fundgut ablesen – eineausführliche Darstellung wird in unsereZeitschrift in Heft 3/2007 folgen.Auch der Burghügel von Castel San Pietro,das nächste Ziel, ist schon seit prähistorischenZeiten besiedelt worden. Die1171 erstmals erwähnte Burg weist eineweitläufige Ringmauer auf und wurdeum 1340 nochmals umgebaut; in dieserZeit entstanden die heute noch bestehendeChiesa Rossa und ein Palas, von demnur noch geringe Mauerspuren sichtbarsind. Ein Rundgang durchs Geländezeigt, dass die Burgruine weiter zerfallenwird, wenn nicht rasch etwas dagegenunternommen wird.Nach dem Mittagessen im Grotto Loverciano(Castel San Pietro) führte die Reisewieder Richtung Norden nach Vaglio.Mitten im lockeren Buchenwald erhebtsich die Turmruine von Redde, der einzigsichtbare Rest einer ausgedehnten Siedlungaus dem 11.–15. Jh., die nur nochschwach im Waldboden erkennbar ist.Da die Exkursionsteilnehmenden vonden bisherigen Eindrücken derart gesättigtwaren, verzichteten wir auf denabschliessenden Besuch der BurgstelleS. Ambrogio bei Mezzovico-Vira undfuhren direkt nach Bellinzona zurück.Thomas Bitterli, ExkursionsleitungProgramm 20085.4.2008: Exkursion nach Rapperswil SG17.5.2008: Frühjahrsexkursion nachWartau und Magletsch5./6.7.2008: Burgfest Ringgenberg BE30.8.2008: Generalversammlung inBischofszell31.8.2008: Exkursion im Raum Thurgau26.–29.9.2008: AostatalWichtige Mitteilungan alle MitgliederNach 10 Jahren mit gleichbleibendemMitgliederbeitrag stimmten die anwesendenMitglieder an der Jahresversammlungin Locarno vom 1.9.2007der vom Vorstand vorgeschlagenenErhöhung des Mitgliederbeitrages zu.Ab 1.1.2008 gelten folgendeBeitragssätze:Einzelmitglied Fr. 90.–Paarmitglieder Fr. 140.–Kollektivmitglieder Fr. 200.–Jugendmitglieder Fr. 40.–112 <strong>Mittel</strong>alter 12, 2007 / 3


PUBLIKATIONEN DES SCHWEIZERISCHEN BURGENVEREINSSchweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des <strong>Mittel</strong>alters (SBKAM)Band 1, 1974Werner Meyer. Alt-Wartburg im Kanton Aargau.Band 2, 1975 (vergriffen)Jürg Ewald (u.a). Die Burgruine Scheidegg bei GelterkindenBand 3, 1976 (vergriffen)Werner Meyer (u.a.). Das Castel Grande in BellinzonaBand 4, 1977 (vergriffen)Maria-Letizia Boscardin/Werner Meyer, Burgenforschung inGraubünden, Die Grottenburg Fracstein und ihre Ritzzeichnungen.Die Ausgrabungen der Burg SchiedbergBand 5, 1978 (vergriffen)Burgen aus Holz und Stein, Burgenkundliches KolloquiumBasel 1977 – 50 Jahre <strong>Schweizerischer</strong> <strong>Burgenverein</strong>.Beiträge von Walter Janssen, Werner Meyer, Olaf Olsen,Jacques Renaud, Hugo Schneider, Karl W. StruweBand 6, 1979 (vergriffen)Hugo Schneider. Die Burgruine Alt-Regensberg im KantonZürichBand 7, 1980 (vergriffen)Jürg Tauber. Herd und Ofen im <strong>Mittel</strong>alterUntersuchungen zur Kulturgeschichte am archäologischenMaterial vornehmlich der Nordwestschweiz (9.–14. Jahrhundert)Band 8, 1981 (vergriffen)Die Grafen von Kyburg. Kyburger Tagung 1980 in Winterthur.Band 9–10, 1982Jürg Schneider (u.a.). Der Münsterhof in Zürich. Bericht überdie vom städtischen Büro für Archäologie durchgeführtenStadtkernforschungen 1977/78Band 11, 1984Werner Meyer (u.a.). Die bösen Türnli. ArchäologischeBeiträge zur Burgenforschung in der UrschweizBand 12, 1986 (vergriffen)Lukas Högl et al., Burgen im Fels. Eine Untersuchung dermittelalterlichen Höhlen-, Grotten- und Balmburgen in derSchweizBand 13, 1987Dorothee Rippmann (u.a.). Basel Barfüsserkirche. Grabungen1975–1977.Band 14-15, 1988Peter Degen (u.a.). Die Grottenburg Riedfluh Eptingen BL.Band 16, 1989 (vergriffen)Werner Meyer et al., Die Frohburg. Ausgrabungen1973–1977Band 17, 1991Pfostenbau und Grubenhaus – Zwei frühe Burgplätze in derSchweiz. Hugo Schneider: Stammheimerberg ZH. Berichtüber die Forschungen 1974–1977. Werner Meyer: SalbüelLU. Bericht über die Forschungen von 1982Band 18–19, 1992Jürg Manser (u.a.). Richtstätte und Wasenplatz in Emmenbrücke(16.–19. Jahrhundert). Archäologische und historischeUntersuchungen zur Geschichte von Strafrechtspflege undTierhaltung in LuzernBand 20–21, 1995Georges Descoeudres (u.a.). Sterben in Schwyz. Berharrungund Wandel im Totenbrauchtum einer ländlichen Siedlungvom Spätmittelalter bis in die Neuzeit. Geschichte – Archäologie– AnthropologieBand 22, 1995Daniel Reicke. «von starken und grossen flüejen». EineUntersuchung zu Megalith- und Buckelquader-Mauerwerkan Burgtürmen im Gebiet zwischen Alpen und RheinBand 23/24, 1996/97Werner Meyer et al. Heidenhüttli - 25 Jahre archäologischeWüstungsforschung im schweizerischen AlpenraumBand 25, l998Christian Bader, Burgruine Wulp bei Küsnacht ZHBand 26, 1999Bernd Zimmermann, <strong>Mittel</strong>alterliche Geschossspitzen.Typologie – Chronologie – MetallurgieBand 27, 2000Thomas Bitterli / Daniel Grütter, Burg Alt-Wädenswil –vom Freiherrenturm zur OrdensburgBand 28, 2001Burg Zug. Archäologie – Baugeschichte – RestaurierungBand 29, 2002Wider das «finstere <strong>Mittel</strong>alter» – Festschrift Werner Meyerzum 65. GeburtstagBand 30, 2003Armand Baeriswyl. Stadt, Vorstadt und Stadterweiterungim <strong>Mittel</strong>alter. Archäologische und historische Studien zumWachstum der drei Zähringerstädte Burgdorf, Bern undFreiburg im BreisgauBand 31, 2004Gesicherte Ruine oder ruinierte Burg?Erhalten – Instandstellen – NutzenBand 32, 2005Jakob Obrecht, Christoph Reding, Achilles Weishaupt et al.Burgen in Appenzell. Ein historischer Überblick und Berichtezu den archäologischen Ausgrabungen auf Schönenbühl undClanxBand 33, 2006Reto Dubler, Christine Keller, Markus Stromer, RenataWindler et al. Vom Dübelstein zur Waldmannsburg – Adelssitz,Gedächtnisort und ForschungsprojektBand 34, 2007 (neu)Georges Descoeudres. Herrenhäuser aus Holz – eine mittelalterlicheWohnbaugruppe in der Innerschweiz


<strong>Mittel</strong>alter · Moyen Age ·Medioevo · Temp medieval,die Zeitschrift des Schweizerischen<strong>Burgenverein</strong>s,veröffentlicht Ergebnisseaktueller Forschungen zurKulturgeschichte undArchäologie des <strong>Mittel</strong>altersin der Schweiz. Schwerpunktebilden die Burgenforschung,Siedlungsarchäologiesowie Untersuchungenzur mittelalterlichen Sachkultur.<strong>Mittel</strong>alter · Moyen Age ·Medioevo · Temp medieval.La revue de l’AssociationSuisse Châteaux fortspublie les résultats d’étudesmenées en Suisse dansle domaine de l’archéologieet de l’histoire médiévales.Les travaux de castellologieet d’archéologie des habitats,ainsi que les études relativesà la culture matérielle,constituent ses principauxdomaines d’intérêt.<strong>Mittel</strong>alter · Moyen Age ·Medioevo · Temp medieval,la rivista dell’AssociazioneSvizzera dei Castelli, pubblicai risultati delle ricercheattuali in Svizzera nel campodella storia della cultura edell’archeologia del medioevo.I punti focali sono laricerca concernente i castelli,le indagini archeologichedegli insediamenti comeanche lo studio della culturamedioevale.<strong>Mittel</strong>alter · Moyen Age ·Medioevo · Temp medieval,la revista da l’AssociaziunSvizra da Chastels, publitgeschails resultats daperscrutaziuns actualasdavart l’istorgia culturala el’archeologia dal tempmedieval en Svizra. Ilsaccents da la revista èn laperscrutaziun da chastels,l’archeologia d’abitadise las retschertgas davart lacultura materiala dal tempmedieval.ISSN 1420-6994<strong>Schweizerischer</strong>Association SuisseAssociazione SvizzeraAssociaziun Svizra<strong>Burgenverein</strong>Châteaux fortsdei Castellida Chastels

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