Verleger zu »unerwünschten Personen« – ein Rückfall ins Mittelalter?
Verleger zu »unerwünschten Personen« – ein Rückfall ins Mittelalter?
Verleger zu »unerwünschten Personen« – ein Rückfall ins Mittelalter?
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Institution verlasse, bringe er mit<br />
»Euch armen Irren (sei) wirklich<br />
nicht mehr <strong>zu</strong> helfen« <strong>zu</strong>m Ausdruck,<br />
daß s<strong>ein</strong>er M<strong>ein</strong>ung nach<br />
nicht nur der Inhalt des Stadtratbeschlusses,<br />
sondern auch s<strong>ein</strong>e<br />
tatsächliche Grundlage nicht nur<br />
höchst fragwürdig, sondern unter<br />
rechtsstaatlichen Gesichtspunkten<br />
nicht akzeptabel sei. Dies sei<br />
<strong>ein</strong>e sachbezogene Kritik und damit<br />
k<strong>ein</strong>e Formalbeleidigung, k<strong>ein</strong><br />
Angriff auf die Menschenwürde<br />
und auch k<strong>ein</strong>e Schmähkritik, die<br />
all<strong>ein</strong>e der persönlichen Diffamierung<br />
der Person und nicht mehr der<br />
Aus<strong>ein</strong>anderset<strong>zu</strong>ng um der Sache<br />
willen diene. Auch die Überspit<strong>zu</strong>ng<br />
mit dem Ausdruck »Lakaien«<br />
sei sachbezogen <strong>zu</strong> sehen und<br />
nicht auf <strong>ein</strong>e bloße persönliche<br />
Herabset<strong>zu</strong>ng gerichtet. In dem<br />
Vorwurf stecke darum auch k<strong>ein</strong>e<br />
durch Art. 5 Abs. 1 GG mehr gedeckte<br />
Schmähkritik.<br />
□ Das Recht des Bürgers, Maßnahmen<br />
der öffentlichen Gewalt<br />
(im weiteren Sinne) ohne Furcht<br />
vor staatlichen Sanktionen <strong>zu</strong> kritisieren,<br />
zähle <strong>zu</strong>m Kernbereich des<br />
Grundrechts auf freie M<strong>ein</strong>ungsäußerung.<br />
Dies gelte um so mehr,<br />
wenn sich das Werturteil auf staatliche<br />
oder kommunale Einrichtungen,<br />
deren Bedienstete oder Organe<br />
und deren Handeln beziehe.<br />
Abschließende<br />
Zusammenfassung<br />
des OLG:<br />
»Unter diesen Umständen durfte<br />
der Angeklagte s<strong>ein</strong>e lediglich<br />
gegenüber den Mitgliedern des<br />
Stadtrates, d. h. nicht öffentlich<br />
geäußerte Kritik auch durch den<br />
Gebrauch durchaus scharfer und<br />
abwertend-polemischer Äußerungen<br />
kundtun, ohne daß es darauf<br />
ankäme, ob s<strong>ein</strong>e M<strong>ein</strong>ung von<br />
den Betroffenen selbst oder Dritten<br />
für berechtigt gehalten wird oder<br />
nicht. Demgegenüber hat <strong>ein</strong>e allenfalls<br />
als weniger schwerwiegend<br />
<strong>zu</strong> beurteilende Be<strong>ein</strong>trächtigung<br />
der Ehre der Antragsteller<br />
als Mitglieder des Stadtrates <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>treten.«<br />
VORSICHT <strong>–</strong> FALLE!<br />
Beleidigungen sind nach § 185<br />
StGB strafbar. Sie können aber<br />
gerechtfertigt und damit straflos<br />
s<strong>ein</strong>, wenn der Rechtfertigungsgrund<br />
des Wahrheitsbeweises<br />
gemäß § 192 StGB oder der<br />
Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung<br />
berechtigter Interessen<br />
gemäß § 193 in Verbindung mit<br />
Artikel 5 Abs. 1 GG vorliegen<br />
und k<strong>ein</strong>e r<strong>ein</strong>e »Schmähkritik«<br />
geübt wird.<br />
Vor Gericht kommt es in jedem<br />
Einzelfall darauf an, ob<br />
das Grundrecht der freien M<strong>ein</strong>ungsäußerung<br />
als höherwertig<br />
angesehen wird als der Ehrenschutz<br />
des Beleidigten, wobei es<br />
auf den Inhalt, die Wirkung und<br />
auf den Anlaß des Angriffes ankommt.<br />
Die Rechtsprechung hat z.B.<br />
<strong>ein</strong>e Schmähkritik bejaht bei<br />
der Bezeichnung <strong>ein</strong>es Politikers<br />
als »Schw<strong>ein</strong>« (BVerfG,<br />
NJW 1987, 2661), als »Verräter«<br />
(OLG Hamburg, Az. 7 U 97/96),<br />
als »Faschist« (BayObLG, NStZ<br />
1983, 265 f.), bei der Bezeichnung<br />
<strong>ein</strong>es Polizisten als »Wegelagerer«<br />
(AG Gießen, Az. 54<br />
Cs 14 Js 22689.2/91) und <strong>ein</strong>es<br />
Urteils als »Terrorurteil« (BGH,<br />
MDR 1955, 396).<br />
Das Vorliegen <strong>ein</strong>er Schmähkritik<br />
wurde dagegen vern<strong>ein</strong>t bei der<br />
Bezeichnung <strong>ein</strong>er Zeitung als<br />
Prof. Dr.-Ing. Hans-<br />
Joachim Selenz, der<br />
in den vergangenen<br />
Jahren versucht hat,<br />
in Nordrh<strong>ein</strong>-Westfalen<br />
und Niedersachsen<br />
mögliche<br />
Verstrickungen von<br />
Politikern in kriminelleMachenschaften<br />
gründlich <strong>zu</strong> recherchieren,<br />
beklagt bei der Justiz <strong>ein</strong>e Mauer<br />
des Schweigens. Diese sei deswegen<br />
nicht <strong>zu</strong> durchbrechen,<br />
weil die deutschen Staatsan-<br />
»Gangsterjournalismus« (OLG<br />
München, AfP 1977, 282 ff.),<br />
<strong>ein</strong>es Politikers als »Zwangsdemokraten«<br />
(BVerfG, NJW 1991,<br />
95 ff.), bei dem Vorwurf, <strong>ein</strong>e<br />
Behörde handele pflichtwidrig<br />
(VGH Kassel, NJW 1990, 1005<br />
f.), bei der Bezeichnung <strong>ein</strong>es<br />
Ver<strong>ein</strong>s oder <strong>ein</strong>er Partei als<br />
»undemokratisch« (BVerfG, AfP<br />
1991, 387 ff. und BVerfG, NJW<br />
1992, 1439 ff.) oder der Bezeichnung<br />
der Republikaner (REP) als<br />
»faktische Sympathisanten des<br />
Möllner Brandanschlages auf<br />
Ausländer im Jahre 1992« (LG<br />
Stuttgart, Az. 17 O 600/92).<br />
Man erkennt aus diesen Beispielen,<br />
daß manche Urteile sehr<br />
abhängig sind vom politischen<br />
Hintergrund, von der E<strong>ins</strong>tellung<br />
der Richter und dem Einfluß der<br />
politischen Korrektheit.<br />
Wenn es in dem hier geschilderten<br />
Verfahren (OLG Bamberg,<br />
3 Ss 86/2006) in der dritten Instanz<br />
nach mehr als <strong>ein</strong><strong>ein</strong>halb<br />
Jahren erfreulicherweise auch<br />
<strong>zu</strong> <strong>ein</strong>em Freispruch kam, raten<br />
wir dringend an, bei Protestund<br />
Leserbriefen Ausdrücke <strong>zu</strong><br />
vermeiden, die <strong>zu</strong> <strong>ein</strong>er solchen<br />
Prozeßdauer, <strong>zu</strong> hohen Strafen<br />
und unabsehbaren Kosten führen<br />
können.<br />
Solches Geld wäre für die Unterstüt<strong>zu</strong>ng<br />
des Deutschen<br />
Rechtsschutzkreises DRsK e.V.<br />
besser angelegt!<br />
»Regierungskriminalität« in der BRD?<br />
wälte nicht unabhängig,<br />
sondern<br />
an die Weisungen<br />
ihres <strong>zu</strong>ständigen<br />
Ministers gebunden<br />
sind.<br />
Die Minister können<br />
also dafür sorgen,<br />
daß Ermittlungsverfahren<br />
gegen polit-prominente Personen<br />
<strong>ein</strong>gestellt werden und gar nicht<br />
vor Gericht kommen. Deutsche<br />
Richter würden deshalb <strong>zu</strong>r besseren<br />
Aufklärung von <strong>–</strong> so wörtlich <strong>–</strong><br />
3