Liebe Leserinnen und Leser!Vor vierhundert Jahren war es bei weitemnicht so selbstverständlich wie heute, dassdie Selbstliebe zur Nächstenliebe dazugehört:„Du sollst deinen Nächsten lieben wie dichselbst“ (Mt 22,39). Das „wie dich selbst“ fielmeist strenger Askese und Bußübungen zum Opfer.Filme über das „finstere Mittelalter“ zeigenuns immer wieder – natürlich in überzeichneterForm – sich kasteiende Nonnen und Mönche inBüßerhemden, die sich selbst geißelten. Diedahinterstehende Haltung aber war durchausgang und gäbe: Das eigene Fleisch muss ebenstrenger Zucht unterworfen werden, um es denAnfechtungen des Teufels zu entreißen.Umso mehr erstaunt es, dass der heilige<strong>Franz</strong> von <strong>Sales</strong> in seiner Philothea, derAnleitung zum frommen Leben, ein eigenes Kapiteldem Nachdenken darüber widmet, wie ichmich gegenüber <strong>mir</strong> selbst verhalte (5. Teil, 5.Kapitel). Und die Fragen, die er in diesem Kapitelstellt, können gar nicht moderner sein:● Wie liebst du dich selbst?● Hältst du gute Ordnung in der Liebe zu dirselbst?● Wie liebst du dein eigenes Herz?● Wofür hältst du dich vor Gott?● Wie verhält sich deine Zunge …, wenn du vondir sprichst?Offenbar war sich <strong>Franz</strong> von <strong>Sales</strong> sehr wohl bewusst,dass eigentlich nur die- oder derjenigeGott und den Nächsten wirklich lieben kann, dieoder der sich auch selbst zu lieben vermag. Wervon sich selbst nichts hält, im dauernden Überdrusslebt oder nicht bereit ist, sich selbst aucheinmal etwas Gutes zu tun, der hat mit all demauch Probleme in seiner Liebe zu Gott und inseiner Liebe zum Nächsten.Natürlich weiß auch <strong>Franz</strong> von <strong>Sales</strong>, dasseine reine „Nabelschau“ auch zu denFehlformen des Narzissmus,der Eigenliebe oder des Egoismusführen kann. Plötzlichliebe ich nur mich und sonstniemanden, plötzlich bin ichder Mittelpunkt der ganzenWelt und alle anderen haben für mich dazusein.Es bedarf also auch die Selbstliebe, genauso wiedie Gottes- und Nächstenliebe einer „guten Ordnung“,um nicht in das falsche Extrem auszuufern.Deshalb ist es wichtig, sich mit seinemSelbst zu beschäftigen und zu prüfen, ob hierzuviel oder zuwenig des Guten geschieht.n dieser LICHT-Ausgabe wollen wir unsIdaher mit genau diesen salesianischen Fragender guten Selbstliebe beschäftigen: Wie geht’s <strong>mir</strong>mit <strong>mir</strong> selbst? Wie gehe ich mit <strong>mir</strong> um? Wieliebe ich mich? Ich hoffe, dass wir wiederum einpaar Impulse für sie bereit haben, die Ihnen helfen,in Ihrem Leben einige Schritte weiterzukommen.Es grüßt Sie herzlichP. Herbert Winklehner OSFSInhalt4 … wie dich selbstP. Alois Bachinger OSFS6 Muss ich ein „Superstar“ sein?P. Thomas Günther OSFS10 Selbstversuch: „Ich-WG“Thomas Schmeckpeper12 Spieglein, Spieglein an der Wand …Katharina Grabner-Hayden14 Vorbereitung auf den HimmelP. Peter Lüftenegger OSFS16 MeditationUte Weiner18 Die letzten Lebensjahre100. Todestag Louis Brisson20 Die Straßenkinder von MantaLicht-Aktion 2008 – Ecuador22 Nachrichten aus der salesianischen Welt31 Bücher2 Licht 5/2008
„Demütigen Sinnes sein“ heißt,sich genau auf den Platz versetzen,der uns in Wahrheit zukommt;heißt, uns recht erkennenund richtig einschätzen.Louis BrissonLicht 5/20083