Rainer: Glanz der Macht. Leseprobe - Folio Verlag
Rainer: Glanz der Macht. Leseprobe - Folio Verlag
Rainer: Glanz der Macht. Leseprobe - Folio Verlag
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
historische dimensionen<br />
Vor allem ab dem 17. Jahrhun<strong>der</strong>t und im Beson<strong>der</strong>en seit <strong>der</strong> Regierungszeit Kaiser<br />
Ferdinands II. werden in <strong>der</strong> künstlerischen Propaganda <strong>der</strong>artige Versuche einer historischen<br />
Einbettung deutlich erkennbar. Über ihren materiellen und künstlerischen Wert<br />
hinaus sollten die Kunstwerke <strong>der</strong> Schatzkammer um eine historische Dimension bereichert<br />
werden und so auf die lange Geschichte und die allein schon in <strong>der</strong> Historie begründete<br />
Bedeutung <strong>der</strong> Dynastie des Erzhauses verweisen. In einem solchen Kontext<br />
sind auch die Stücke <strong>der</strong> Erinnerung an Mitglie<strong>der</strong> des Kaiserhauses zu verstehen. Die<br />
eigentümliche Korngarbe, die in ihrem Inneren Instrumente zur körperlichen Hygiene<br />
enthält (Kat.-Nr. 49), wurde von Maria Theresia selbst am 9. Februar 1768 in die Schatzkammer<br />
gegeben, ebenso wie die goldene Dose für Schönheitsutensilien (Kat.-Nr. 50).<br />
Das „goldene nachtzeig von weiland ihro kais. königl. apostolischen maj. <strong>der</strong> kaiserinkönigin“<br />
(Abb. 9) wurde nach dem Tod <strong>der</strong> Monarchin im Andenken an sie und ihren<br />
Gemahl Franz Stephan Bestandteil <strong>der</strong> Schatzkammer.<br />
Zum „weiland seiner Römisch kais maj. Francisco Imo höchstseeliger gedächtnüs“ wurde<br />
Ende 1765 eine Fülle an Objekten aus dem Nachlass von Franz I. Stephan in die<br />
Schatzkammer gegeben – unter ihnen die Kameen von Louis Siries (Kat.-Nrn. 14–18),<br />
<strong>der</strong> Kameo mit dem Brustbild eines „Mohren“ (Kat.-Nr. 37), das Achatköpfchen (Kat.-<br />
Nr. 22), die prachtvolle Goldfiligrankassette (Kat.-Nr. 38) und <strong>der</strong> Cofanetto mit Parfümfläschchen<br />
aus dem Nachlass <strong>der</strong> letzten Medici – Anna Maria Luisa, Kurfürstin von<br />
<strong>der</strong> Pfalz (Kat.-Nr. 45). Das herzförmige Medaillon mit einem Geflecht aus Haaren Maria<br />
Theresias (Kat.-Nr. 27) wurde erst in <strong>der</strong> Regierungszeit Kaiser Franz Josephs Teil des<br />
Schatzkammerbestandes und belegt somit, dass dieser bis ins frühe 20. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
hinein noch einen ausgeprägten Memoria-Charakter hatte. Auch in diesem Sinne sind<br />
die teilweise kleinformatigen und oft nicht einmal vor<strong>der</strong>gründig repräsentativ wirkenden<br />
Pretiosen <strong>der</strong> Schatzkammer als Denkmäler zu verstehen, sie sind als Kunstwerke zu<br />
interpretieren, die das Angedenken an die Mitglie<strong>der</strong> des Kaiserhauses erhalten und an<br />
die Nachwelt weitervermitteln sollten. und dieses Ziel war mit Schatzkammerstücken<br />
wohl besser zu erreichen als mit an<strong>der</strong>en Kunstwerken.<br />
Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist, dass man im Jahr 1730 „vor Besehung<br />
<strong>der</strong> Schatz=Cammer […] 25. K fl. und vor die Bil<strong>der</strong>=Gallerie 12 K fl. zahlen“ 17 musste.<br />
Für die Besichtigung <strong>der</strong> kaiserlichen Gemäldegalerie, die immerhin in zehn Räumen<br />
Aufstellung gefunden hatte und „welche wegen Vielheit <strong>der</strong> schönen und raren Schil<strong>der</strong>eyen<br />
und Gemählden, des prächtigen Arrangements und magnifiqven Zimmern,<br />
alle an<strong>der</strong>e, so nirgends gefunden werden, entwe<strong>der</strong> übertrifft, o<strong>der</strong> solchen zum wenigsten<br />
gleich kommt“ 18 , musste man also nur knapp die Hälfte des Preises entrichten,<br />
<strong>der</strong> für die Besichtigung <strong>der</strong> Schatzkammer zu bezahlen war. Hierin ist sicher auch die<br />
höhere Wertschätzung abzulesen, die man Schatz- und Kunstkammerwerken im Ver-<br />
( 51 )