Rainer: Glanz der Macht. Leseprobe - Folio Verlag
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Die Rolle des Herrschers als För<strong>der</strong>er <strong>der</strong> Künste, die seiner fürstlichen Tugend <strong>der</strong><br />
Magnificentia (Großartigkeit) Ausdruck verleihen sollte, ist hier gleichfalls von immanenter<br />
Bedeutung. Spätestens ab dem Zeitpunkt, als Thomas von Aquin den Kanon<br />
<strong>der</strong> Tugenden um die Sapientia (Weisheit), die Scientia (Wissenschaft), den Intellektus<br />
(Intellekt) und die Ars (Kunst) erweitert hatte, konnte die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Künste und<br />
Wissenschaften zu den Tugenden eines idealen Fürsten zählen. In diesem Sinne ist auch<br />
die Programmatik des Kameos von Louis Siries zu verstehen, <strong>der</strong> Maria Theresia als<br />
Beschützerin von Kunst, Wissenschaft und Handwerk darstellt (Kat.-Nr. 18). Das kleinformatige<br />
Werk sollte nicht nur durch seine künstlerische Gestaltung sowie durch die<br />
Verwendung <strong>der</strong> ausgewählten Materialien Gold und Lapislazuli beeindrucken; es sollte<br />
vielmehr auch einem Denkmal gleich die Tugenden <strong>der</strong> Herrscherin herausstreichen<br />
und propagieren.<br />
Dazu passt die Tatsache, dass <strong>der</strong> Gelehrte Joannon de Saint Laurent bereits 1747 eine<br />
ausführliche Beschreibung dieses Kameos veröffentlichte, in <strong>der</strong> er auf über 140 Seiten<br />
dessen komplexe Ikonographie, aber auch mineralogische und vor allem ethische<br />
Aspekte abhandelt20 . Der Kameo sollte also nicht nur innerhalb <strong>der</strong> Schatzkammer<br />
Zeugnis vom Ruhm und von <strong>der</strong> Tugendhaftigkeit des Kaiserhauses und seines Oberhauptes<br />
ablegen, son<strong>der</strong>n durch seine Veröffentlichung auch darüber hinaus ausstrahlen.<br />
In ähnlicher Absicht wurden im 17. Jahrhun<strong>der</strong>t die oben angesprochenen monumentalen<br />
Bergkristallgefäße Dionysio Miseronis in Kaltnadelradierungen von Dancker<br />
Dankerts einer erweiterten Öffentlichkeit vorgestellt. Auch <strong>der</strong> 1771 erschienene Versuch<br />
einer Beschreibung <strong>der</strong> kaiserlich=königlichen Schatzkammer zu Wien (Nürnberg, Gabriel<br />
Nicolaus Raspe), <strong>der</strong> als erster gedruckter Katalog <strong>der</strong> Weltlichen und <strong>der</strong> Geistlichen<br />
Schatzkammer in Wien gilt, trug zur Propagierung <strong>der</strong> Schatzkammer und ihres Inhaltes<br />
bei. So wie die gesamte, in prunkvoll ausgestatteten Räumen präsentierte Sammlung<br />
als habsburgisches Ehrenmal zu verstehen ist, so sollte jedes einzelne <strong>der</strong> Kunstwerke<br />
innerhalb <strong>der</strong> kaiserlichen Sammlungen dazu beitragen, die Geltung, den Ruhm und<br />
die <strong>Macht</strong> <strong>der</strong> kaiserlichen Familie und des Hauses Österreich zu vermehren.<br />
saalmonumente<br />
Dass dabei Schatzkammerstücke oft auch ganz ausdrücklich als Denkmäler verstanden<br />
wurden, zeigt sich an einzelnen Beispielen kleinformatiger Ehrenmale. Vor allem aus <strong>der</strong><br />
Regierungszeit Kaiser Leopolds I. haben sich solche Monumente en miniature erhalten.<br />
Ein knapp siebzig Zentimeter hohes Triumphdenkmal aus Elfenbein hat die Apotheose<br />
Kaiser Leopolds zum Thema und verherrlicht seine Siege über die Türken und ungarn<br />
(Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 4560). Der deutsche Elfenbein- und Bernsteinschnitzer<br />
Christoph Maucher stellte den Kaiser und seinen Sohn Joseph thronend über einem<br />
imaginären Schlachtfeld dar. Bekrönt werden die beiden von einer Wolkenglorie, in<br />
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