Rainer: Glanz der Macht. Leseprobe - Folio Verlag
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schiede in <strong>der</strong> Zusammensetzung verschiedener Sammlungsbereiche, strukturell unter-<br />
scheidbare Zuwächse und auffallende Bestandserweiterungen benennen, die wir gerne<br />
individuellen Passionen zuschreiben. Gewiss sind spezifisches Kunstverständnis und Kennerschaft<br />
bei je<strong>der</strong> Sammlung zu finden, ganz gleichgültig, ob sie im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
o<strong>der</strong> im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t entstand. Für fürstliche Sammlungen und in vermehrtem Maße<br />
für die kaiserliche Sammlung würde dies aber bei weitem zu kurz greifen. Hier müssen<br />
im Beson<strong>der</strong>en die Funktion <strong>der</strong> Sammlung in politischem Sinne und die untrennbare<br />
Verbindung des Sammlers mit seiner politischen Funktion mitbedacht werden. So wie<br />
<strong>der</strong> Herrscher nicht als Einzelperson o<strong>der</strong> Individuum in heutigem Sinne verstanden<br />
werden kann, so ordnet sich auch seine Sammlung <strong>der</strong> Inszenierung und Visualisierung<br />
des politischen Amtes unter. In diesem Sinne ist die Kunstkammer Rudolfs II. in<br />
Prag genauso wenig als Privatsammlung zu verstehen wie die Kunstkammer Erzherzog<br />
Ferdinands II. von Tirol auf Schloss Ambras o<strong>der</strong> die barocke kaiserliche Schatzkammer<br />
in <strong>der</strong> Wiener Hofburg, in die große Teile <strong>der</strong> erstgenannten Sammlungen Eingang<br />
fanden. Je<strong>der</strong> dieser Bestände spiegelt zwar bis zu einem gewissen Grad auch einen Teil<br />
<strong>der</strong> Sammlerpersönlichkeiten wi<strong>der</strong>, vor allem liegen ihnen aber Ideen und Phänomene<br />
zugrunde, die in <strong>der</strong> jeweiligen Zeit mit spezifischen Anfor<strong>der</strong>ungen an das Amt des<br />
Herrschenden o<strong>der</strong> aber mit <strong>der</strong> Stellung, die <strong>der</strong> Besitzer <strong>der</strong> Schätze insgeheim anstrebte,<br />
verbunden waren.<br />
Erzherzog Ferdinand II., <strong>der</strong> zweitgeborene Sohn Kaiser Ferdinands I., etablierte auf<br />
Schloss Ambras eine immense und bereits zu seinen Lebzeiten sehr berühmte Kunstkammer,<br />
die gleichsam den gesamten Kosmos im Kleinen abbildete und so den Erzherzog<br />
als mächtigen Herrscher erweisen sollte. Kaiser Rudolfs II. allumfassendes, pansophisch<br />
motiviertes Weltbild und sein ebensolches Herrschaftsverständnis spiegeln sich<br />
in seiner Kunstkammer wi<strong>der</strong>. In beiden Fällen geht es also in erster Linie um das Abbild<br />
des jeweiligen Herrschafts-, <strong>Macht</strong>- und Selbstverständnisses. und unter dieser Prämisse<br />
hatten die ererbten und erworbenen Kunstgegenstände ihre Funktion zu erfüllen. Sie<br />
sollten von Reichtum, Stärke und Weitblick zeugen, den Besucher – ob er nun Familienmitglied,<br />
befreundeter Fürst o<strong>der</strong> Konkurrent war – beeindrucken und ihn von den<br />
fürstlichen Tugenden des Herrschers überzeugen.<br />
In <strong>der</strong> kaiserlichen Schatzkammer in <strong>der</strong> Wiener Hofburg war diese repräsentative Funktion<br />
des Schatzes noch weit ausgedehnter und zentraler. Als Kaiser Ferdinand II. mit<br />
<strong>der</strong> sogenannten Majoratsstiftung von 1621 bzw. 1635 verfügte, dass sämtliche Hauskleinodien<br />
und Kunstschätze <strong>der</strong> Habsburger nach <strong>der</strong> Primogeniturerbfolge als unveräußerliches<br />
Eigentum dem Erzhaus zu gehören hatten und nicht mehr an Land und<br />
Leute gebunden sein sollten1 , waren die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass <strong>der</strong><br />
kaiserliche Schatz zwangsläufig ständig anwuchs und von nun an noch viel weniger personenbezogen<br />
war. Vielmehr wurde er in seiner Gesamtheit lebendiges Denkmal und<br />
Glorienschein des gesamten Hauses Habsburg, wobei er sowohl von <strong>der</strong> ruhmreichen<br />
Vergangenheit als auch von <strong>der</strong> Kontinuität <strong>der</strong> Dynastie Zeugnis abzulegen vermochte.<br />
< Abb. 2: Lorenz Zick,<br />
Sogenannte „Konterfettenkugel“, Detail.<br />
Nürnberg, 2. Drittel 17. Jh.<br />
Wien. Kunsthistorisches Museum,<br />
Kunstkammer,<br />
Inv.-Nr. KK 4503.<br />
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